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Cottbuser Bühnen - <br />

Gesehen: DREI MAL LEBEN<br />

Staatstheater Cottbus, Kammerbühne, Premiere 8. Mai 2013<br />

„Wehe, wenn sie losgelassen!“, habe ich am En<strong>de</strong><br />

dieses Stückes über die Leistungen von Sigrun Fischer<br />

(Ines Finidori), Laura Maria Hänsel (Sonja),<br />

Gunnar Golkowski (Hubert Finidori), Oliver Sei<strong>de</strong>l<br />

(Henri) und Regisseur Ama<strong>de</strong>us Gollner notiert. Und<br />

meine damit natürlich nicht die ungebändigte Gewalt,<br />

von <strong>de</strong>r Schiller spricht, doch ein bisschen zittern<br />

konnte man schon angesichts dieser Macht an<br />

Spielfreu<strong>de</strong> und Schauspielkönnen <strong>de</strong>r vier Akteure.<br />

Gollner hat sie gera<strong>de</strong> auch nicht unkontrolliert über<br />

uns Zuschauer hinweg rollen lassen, son<strong>de</strong>rn hat<br />

ihre besten Seiten i<strong>de</strong>al genutzt zu immer wie<strong>de</strong>r<br />

neuer und stetig frischer Motivation.<br />

Für ihr Spiel einer Episo<strong>de</strong> in drei Handlungen o<strong>de</strong>r<br />

einer Handlung in drei Episo<strong>de</strong>n (ich mag das gera<strong>de</strong><br />

nicht zu En<strong>de</strong> <strong>de</strong>nken, es ist auch unwichtig) haben<br />

die Darsteller eine run<strong>de</strong> Spielfläche mit Sofa - im<br />

All. Auf <strong>de</strong>m Mond möglicherweise. Es gibt noch eine<br />

Ebene dahinter, im leeren Raum quasi, auf <strong>de</strong>r man<br />

auch spielen kann, wie Sigrun Fischer und Gunnar<br />

Golkowski zeigen, durch die aber auch ab und an ein<br />

Astronaut (Maik Schuppan) schwebt (Ausstattung<br />

Mathias Rümmler) . Sphärische Eröffnungsklänge<br />

betonen <strong>de</strong>n Eindruck, gleich darauf schroff durchbrochen<br />

von ganz an<strong>de</strong>ren Tönen zwischen <strong>de</strong>n Partnern<br />

Sonja und Henri. Resolut und regeltreu - sie.<br />

Unsicher, übermäßig nachgiebig und pädagogisch<br />

unklug (zum abwesend, nur hörbaren Kind) - er. Von<br />

Beginn an sind Laura Maria Hänsel und Oliver Sei<strong>de</strong>l<br />

großartig in ihren Rollen. Beson<strong>de</strong>rs Frau Hänsel<br />

mag man lieber nicht begegnen, falls man sie mal so<br />

gereizt hat, wie ihr Henri. In Erziehungs- und wohl<br />

auch einigen Beziehungsfragen sind sie von zwei<br />

Sternen, wie passend auf <strong>de</strong>m Bühnenmond.<br />

Dann sind sie da, die Finidoris. Unerwartet und unpassend,<br />

da am falschen Tag o<strong>de</strong>r am richtigen Tag,<br />

aber verplant von <strong>de</strong>n Gastgebern. Frau Finidori hat<br />

auch so ihre Prinzipien, speziell ist die Disziplin beim<br />

Zubettgehen auch ihr Thema. Wun<strong>de</strong>rbar wan<strong>de</strong>rn<br />

Spannungsbögen zwischen <strong>de</strong>n jeweiligen Partnern<br />

aber auch über Kreuz hin und her, wie zwischen<br />

allen Personen gespannte Gitarrensaiten. Und man<br />

weiß nicht, welche zuerst reißt, zuerst über<strong>de</strong>hnt<br />

wird und allen um die Ohren fliegt. Großartig wur<strong>de</strong><br />

auf Details geachtet, Kleinigkeiten, Marotten und<br />

Feinheiten <strong>de</strong>r Charaktere, manchmal hüpft auch<br />

eine <strong>de</strong>r Szenen etwas aus <strong>de</strong>m Kontext, kommt kurz<br />

das Gelernte durch, doch macht das kaum etwas,<br />

spielen sich ihre Figuren doch auch meist etwas vor,<br />

sich und <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren.<br />

Bis aus <strong>de</strong>m Ganzen sich schließlich Wahrheiten die<br />

bittere Bahn brechen, das Stück in die Pause geht<br />

und mit Durchlauf-2 wie<strong>de</strong>r zurück kehrt. Die gleichen<br />

Personen, zurück auf Anfang, die Charaktere jedoch<br />

sind nun ganz an<strong>de</strong>rs. Sonja und Henri ein wun<strong>de</strong>rbares<br />

Paar und die Finidoris ganz liebenswürdig.<br />

O<strong>de</strong>r doch nicht? So ganz perfekt ist dann wohl nicht<br />

alles, die Gitarrensaiten straffen sich schnell erneut,<br />

sind nur an<strong>de</strong>rs gestimmt.<br />

„Drei mal Leben“ ist fesselnd, mitreißend, fröhlich,<br />

ernstes Schauspieler-Theater, eine Herausfor<strong>de</strong>rung<br />

und Chance, viermal - nein fünfmal (Regie) perfekt<br />

genutzt. Fast möchte man meinen, Ama<strong>de</strong>us Gollner<br />

empfähle sich damit für höhere Aufgaben am Theater.<br />

Ach ja - es folgt ein dritter Durchlauf in erneut verän<strong>de</strong>rter<br />

Handlung: Selbst ansehen! Unbedingt!<br />

Jens Pittasch, Foto: Marlies Kross<br />

Gesehen: 7. Philharmonisches Konzert<br />

Lausitz Arena, 4. Mai 2013<br />

´Mächtig gewaltig Evan!´, könnte man abgewan<strong>de</strong>lt<br />

zu <strong>de</strong>n großen Plänen <strong>de</strong>s Egon Olsen sagen. Wir<br />

erinnern uns, da wur<strong>de</strong> oft Einiges aufgefahren und<br />

präzise umgesetzt - mit <strong>de</strong>m immer gleichen Ergebnis:<br />

Egon saß im Knast.<br />

Unser Generalmusikdirektor Evan Christ wird nun<br />

we<strong>de</strong>r hinter Gittern lan<strong>de</strong>n, noch ist das zweite<br />

Groß-Experiment Lausitz Arena misslungen - nur, so<br />

richtig geklappt hat es halt auch wie<strong>de</strong>r nicht. In die<br />

Halle kann man stellen, was und wieviel(e) man will,<br />

es reißt einen nicht vom Hocker. Aufgeboten waren<br />

diesmal 600 (!) musikalische Mitwirken<strong>de</strong>. Das Orchester<br />

auf 100 Personen verstärkt, Kin<strong>de</strong>rchöre mit<br />

100 Kehlen, ein 400 Personen Erwachsenenchor und<br />

acht Solisten, teils abgenommen und elektronisch<br />

verstärkt. Und doch versackt diese schiere Macht<br />

und Menge zwischen Wellblechdach und Beton. An<br />

einzelnen Stellen <strong>de</strong>s riesigen Raumes mag es gehen,<br />

an vielen nicht. Nur ein kleiner Frequenzbereich<br />

überträgt sich in <strong>de</strong>r Halle gleichmäßig, <strong>de</strong>r Klang<br />

fin<strong>de</strong>t einfach nicht zu einem ausgeglichenen Volumen.<br />

So kam es, dass man einzelne Solisten sehr gut,<br />

100 Kin<strong>de</strong>r dafür nicht hörte; dass man zwei falsche<br />

Einsetzer mitbekam, während 100 Instrumente ein<br />

Brei aus einer Höhle waren.<br />

Der Ort und das riesige Aufgebot für die 1400 Gäste<br />

entstand, da Gustav Mahler für die Aufführung seiner<br />

Musik vermerkte: „Meine Sinfonien wird man in<br />

100 Jahren in Riesenhallen aufführen, die 20.000 bis<br />

30.000 Menschen fassen und zu großen Volksfesten<br />

wer<strong>de</strong>n.“ Entsprechend geriet 1910 die Premiere<br />

<strong>de</strong>r Sinfonie Nr. 8 Es-Dur zu einem „Event“ in einer<br />

<strong>de</strong>r neuen Hallen <strong>de</strong>r Messe München mit 3.200 Besuchern.<br />

Zur damaligen Zeit eine unerhörte Zahl,<br />

vergleichbar vielleicht <strong>de</strong>r gefüllten O2-Arena. Wie<br />

damals die Akustik war, ist nicht überliefert, zu groß<br />

war vermutlich die Überlagerung <strong>de</strong>r Kunst durch<br />

die Masse.<br />

In etwa dieses Gefühl hatte ich am 4. Mai in <strong>de</strong>r Lausitz<br />

Arena, als das Publikum jubelnd und mit stehen<strong>de</strong>m<br />

Beifall die Realisierung <strong>de</strong>s 100 Minuten-Werkes<br />

würdigte.<br />

Ein Dank und eine Anerkennung, die <strong>de</strong>n Mitwirken<strong>de</strong>n<br />

und Machern auch ohne je<strong>de</strong>n Zweifel gebührt.<br />

Nicht etwa nur wegen <strong>de</strong>r unerhörten Logistik<br />

und Organisation, son<strong>de</strong>rn ganz beson<strong>de</strong>rs künstlerisch.<br />

Denn dass das riesige Ensemble nicht <strong>de</strong>n von<br />

Mahler beabsichtigten perfekten Klang zu Gehör<br />

bringen konnte, lag nicht daran, dass die Musiker<br />

ihn nicht in großartiger Leistung erzeugten. Er kam<br />

lediglich durch die Umstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Ortes nicht so zu<br />

<strong>de</strong>n Ohren <strong>de</strong>r Hörer, wie er es verdient hätte.<br />

Dabei ging es beim Mahler immerhin besser (da er in<br />

einigen Arrangements kräftig zulangt), als beim einleiten<strong>de</strong>n<br />

Werk von Philippe Manoury, „Melencolia-<br />

Figuren“. Die halbstündige, mo<strong>de</strong>rne Komposition<br />

kennt viele sehr leise und sehr beson<strong>de</strong>re, zerbrechliche<br />

Passagen, die man teils nur erahnen konnte.<br />

Zu<strong>de</strong>m gestört (wir bereits oft beschrieben) von<br />

unaufmerksamen Besuchern, die diese experimentelle<br />

Musik laut kommentieren, noch schnell Bonbons<br />

auspacken, sich auf <strong>de</strong>n äußerst unbequemen<br />

Sitzschalen erst einmal versuchen einzurichten et<br />

cetera. So konnte sich, wie nachfolgen<strong>de</strong> Gespräche<br />

ergaben, nicht nur bei mir, über die Uraufführung<br />

dieses Auftragswerk <strong>de</strong>s Staatstheaters überhaupt<br />

kein Eindruck einstellen. Bleibt zu hoffen, dass es<br />

eine Aufnahme davon geben wird und man zu Hause,<br />

unter Kopfhörern, die verpasste Gelegenheit ausgleichen<br />

kann. Mit <strong>de</strong>r Orchester-CD „Impulse“, die 24<br />

vorangegangene Uraufführungen mo<strong>de</strong>rner Musik<br />

enthält, ging es mir so, dass <strong>de</strong>ren Neuent<strong>de</strong>ckung<br />

erst möglich wur<strong>de</strong>.<br />

Alles in Allem also „mächtig gewaltig“ mit einem lachen<strong>de</strong>m<br />

und einem traurigen Auge.<br />

Sehr schön umrahmt übrigens anfangs von einem<br />

wun<strong>de</strong>rvollen Sonnenuntergang und einem beeindrucken<strong>de</strong>m<br />

Abendhimmel hinter <strong>de</strong>n weiten Hallenfenstern.<br />

Es sangen und spielten: Magna peccatrix – Cornelia<br />

Zink (Sopran), Una poenitentium – Debra Stanley<br />

(Sopran), Mater gloriosa – Gesine Forberger (Sopran),<br />

Mulier Samaritana – Alexandra Petersamer (Mezzosopran),<br />

Maria Aegyptiaca – Marlene Lichtenberg<br />

(Alt), Doctor Marianus – Mathias Schulz (Tenor), Pater<br />

ecstaticus – Thomas <strong>de</strong> Vries (Bass), Pater profundus<br />

– Derrick Ballard (Bass), Opernchor, Extrachor<br />

sowie Kin<strong>de</strong>r- und Jugendchor <strong>de</strong>s Staatstheaters<br />

Cottbus, Sinfonischer Chor <strong>de</strong>r Singaka<strong>de</strong>mie Cottbus<br />

e. V., Kin<strong>de</strong>rchöre <strong>de</strong>s Georg-Friedrich-Hän<strong>de</strong>l-<br />

Gymnasiums Berlin, Singaka<strong>de</strong>mie Potsdam e. V.,<br />

Berliner Oratorienchor, Berliner Lehrerchor, Arditti<br />

Quartet, Philharmonisches Orchester <strong>de</strong>s Staatstheaters<br />

Cottbus - unter Leitung <strong>de</strong>s Dirigenten GMD<br />

Evan Christ.<br />

Jens Pittasch, Foto: Marlies Kross

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