Berichte Heft 76/2001, Fachbeiträge zur Dorferneuerung und ...
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Josef Miller<br />
Der ländliche Raum nach Verabschiedung<br />
der Agenda 2000*<br />
Diese 5. Bayerischen Tage der Dorfkultur bieten eine<br />
gute Gelegenheit, den eigenständigen Wert ländlicher<br />
Kultur einer breiten Öffentlichkeit, <strong>und</strong> vor allem auch<br />
den Städtern, zu verdeutlichen. Die Bandbreite dieser<br />
ländlichen Kultur ist groß <strong>und</strong> sie hat viele Facetten:<br />
Sie<br />
● findet Ausdruck in der durch die Arbeit der Landwirte<br />
geprägten Kulturlandschaft bis hin zum kleinen Bauerngarten,<br />
● zeigt sich im Wirken unzähliger Vereine, die die Freizeit<br />
gestalten, die Geselligkeit pflegen <strong>und</strong> die Dorfgemeinschaft<br />
bereichern,<br />
● ist sichtbar an der Gestaltung der Geäude <strong>und</strong> Plätze,<br />
<strong>und</strong><br />
● emotional erlebbar im nachbarschaftlichen Miteinander.<br />
Auf dem Lande heißt es erfreulicherweise immer noch<br />
eher: »Kann ich Ihnen helfen, Herr Nachbar?« als<br />
»Ihnen werde ich schon helfen, Herr Nachbar!« Kurzum:<br />
Dorfkultur kommt mehr aus dem Herzen <strong>und</strong> beinhaltet<br />
weit mehr Engagement der Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürger<br />
als die reine Angebotskultur der Städte. In der Stadt<br />
wird Kultur von den Menschen mehr konsumiert, auf<br />
dem Dorf mehr produziert. Die endogenen Kräfte der<br />
dörflichen Gemeinschaft sind gefordert — anstelle anonymer<br />
Fremdsteuerung.<br />
Die Erhaltung dörflicher Kultur ist eine große, verantwortungsvolle<br />
Aufgabe, vor allem auch für die Gemeinden<br />
als Träger der Planungshoheit:<br />
● Es gilt, den Wunsch vieler unserer Mitbürger nach<br />
einem kostengünstigen Häuschen im Grünen mit dem<br />
Erfordernis eines flächensparenden <strong>und</strong> ökologisch<br />
verträglichen Bauens zu vereinbaren.<br />
● Es gilt, neue Nutzungen für leerfallende landwirtschaftliche<br />
Wohn- <strong>und</strong> Wirtschaftsgebäude zu finden,<br />
die die Dörfer maßgeblich prägen — ein Problem,<br />
das sich im Zuge des fortschreitenden Strukturwandels<br />
leider noch verschärfen wird.<br />
● Es gilt, neue Arbeitsplätze auch auf den Dörfern zu<br />
schaffen. Unser Ziel ist es, die Arbeit wieder mehr zu<br />
den Menschen zu bringen. Nur wenn dort oder zumindest<br />
in gut erreichbarer Nähe ausreichend qualifizierte<br />
Arbeitsplätze <strong>zur</strong> Verfügung stehen, kann eine<br />
Abwanderung der erwerbsaktiven Bevölkerung verhindert<br />
werden.<br />
Es darf also bei der Ausweisung neuer Baugebiete nicht<br />
immer nur um Wohnbaugebiete gehen. Auch Gewerbe<strong>und</strong><br />
Industriegebiete braucht der ländliche Raum, damit<br />
die Menschen dort wohnortnah Arbeit finden. Und<br />
wenn für eine einzelne Gemeinde diese Aufgabe nicht<br />
lösbar ist: Vielleicht sollten sich verstärkt Gemeinden<br />
gemeinsam auf den Weg <strong>zur</strong> Schaffung von Arbeitsplätzen<br />
machen, z. B. durch Anlage eines gemeinsamen<br />
Gewerbegebietes — so wie das die Auerberglandgemeinden<br />
beiderseits der oberbayerisch-schwäbischen<br />
Bezirksgrenze vorhaben.<br />
Gerade die modernen Möglichkeiten der Telekommunikation<br />
bieten die epochale Chance, Arbeitsplätze wieder<br />
zu dezentralisieren — eine Chance, die die ländlichen<br />
Gemeinden nicht vergeben dürfen, indem sie dieses<br />
Feld den Städten überlassen. Mit unserer Initiative top<br />
elf leisten wir hierzu sehr wirksame organisatorische,<br />
fachliche <strong>und</strong> auch finanzielle Hilfen, die auf fruchtbaren<br />
Boden fallen!<br />
AGENDA 2000 <strong>und</strong> Dorfkultur?<br />
Für meinen Vortrag heute habe ich ganz bewußt das<br />
Thema »Der ländliche Raum nach Verabschiedung der<br />
AGENDA 2000« gewählt. Ich kann mir durchaus<br />
vorstellen, daß manche sich fragen werden, was die<br />
AGENDA 2000 denn nun mit der Dorfkultur zu tun<br />
haben soll?<br />
Um es kurz zu machen: Es bestehen zweifellos sehr<br />
enge Zusammenhänge zwischen dörflicher <strong>und</strong> ländlicher<br />
Kultur <strong>und</strong> den Rahmenbedingungen für unsere<br />
Agrarpolitik. Diese Rahmenbedingungen können wir zu<br />
einem großen Teil nicht mehr in eigener, bayerischer<br />
Zuständigkeit festlegen. Ganz besonders zeigt sich dies<br />
<strong>zur</strong> Zeit an den Bonner Sparplänen, die ganz massiv die<br />
Landwirtschaft <strong>und</strong> den ländlichen Raum belasten <strong>und</strong><br />
eben an den Beschlüssen der EU <strong>zur</strong> AGENDA 2000.<br />
Die Kultur in unserem Lande wird maßgeblich auch<br />
durch unsere Kulturlandschaft <strong>und</strong> durch die bäuerlichen<br />
Betriebe, die diese Kulturlandschaft pflegen, geprägt.<br />
Beide aber sind in Gefahr.<br />
Die traditionelle Kulturlandschaft, die durch differenzierte<br />
Wirtschaftsweisen <strong>und</strong> Landnutzungen in Vergangenheit<br />
<strong>und</strong> Gegenwart geprägt war <strong>und</strong> ist, ist bedroht<br />
* Leicht gekürzte Fassung des Festvortrages von Staatsminister Josef<br />
Miller anlässlich der Eröffnung der 5. Bayerischen Tage der Dorfkultur<br />
am 9. Juli 1999 im Markt Heiligenstadt.<br />
<strong>Berichte</strong> <strong>zur</strong> Ländlichen Entwicklung <strong>76</strong>/<strong>2001</strong> 39