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Berichte Heft 76/2001, Fachbeiträge zur Dorferneuerung und ...

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Dazu kam die Bodenpolitik der Münchner Stadtwerke.<br />

Diese haben große Flächen des Gemeindegebietes<br />

<strong>zur</strong> Sicherung der Trinkwasserversorgung<br />

der Landeshauptstadt aufgekauft.<br />

Bei so viel Druck von außen ist es durchaus verständlich,<br />

dass sich bei vielen in der Gemeinde das<br />

Gefühl breit macht, fremdbestimmt, von außen<br />

abhängig, ein Spielball wirtschaftlicher Interessen<br />

anderer zu sein. Und über allem stand <strong>und</strong> steht<br />

wohl auch die Furcht, dass das traditionelle Dorfleben<br />

völlig zum Erliegen <strong>und</strong> Absterben kommen<br />

könnte.<br />

Der Anlass <strong>zur</strong> <strong>Dorferneuerung</strong> ist also wohl auch<br />

in der Unzufriedenheit mit der eigenen Machtlosigkeit<br />

begründet gewesen, den Problemen hilflos ausgeliefert<br />

zu sein.<br />

Auf Hilfe von außen zu setzen, das muss nicht<br />

immer der goldene Weg sein! Wer nimmt sich schon<br />

die Zeit, sich mit den Faktoren, die eine lebendige<br />

Gemeinde ausmachen, so auseinander zu setzen,<br />

dass Lösungen gef<strong>und</strong>en werden, die alle zufrieden<br />

stellen?<br />

Standardprodukte, wie sie manche Planungsbüros<br />

anbieten können, weil die Verantwortlichen schließlich<br />

nicht in <strong>und</strong> mit ihren eigenen Lösungen leben<br />

müssen, sind da ganz gefährlich.<br />

Auch die <strong>Dorferneuerung</strong> selbst hat eine Entwicklung<br />

erfahren. Von der autogerechten Dorfdurchfahrt<br />

in den 70er Jahren bis zu den gepflasterten<br />

Dorfplätzen in den 80ern.<br />

Wie viele Orte leiden heute unter den Lösungen,<br />

für die sie sich vor 20 oder 30 Jahren entschieden<br />

haben. Nicht allen Kommunen ist eine echte Belebung<br />

des Dorflebens gelungen.<br />

Wir haben bei der <strong>Dorferneuerung</strong> einen langen,<br />

teilweise schmerzhaften Lernprozess durchgemacht.<br />

Ein wichtiger Schritt war es immerhin, als man<br />

damit begann, nicht nur die Verkehrsinfrastruktur<br />

im Auge zu haben, sondern auch die wirtschaftliche<br />

<strong>und</strong> kulturelle Entwicklung zu sehen. Dabei war<br />

Geldmangel nicht immer von Nachteil. Geldmangel<br />

hat nicht wenige Gemeinden vor manchen unschönen<br />

<strong>und</strong> letztlich teueren Lösungen bewahrt.<br />

Heute wird deutlich, dass man in vielen Gemeinden<br />

einem falsch verstandenen Begriff von Modernisierung<br />

angehangen ist. Da gibt es ein neues Rathaus.<br />

Da gibt es eine neu gepflasterte Fußgängerzone,<br />

da sprengen Neubauten das gewachsene Ortsbild.<br />

Die Trennung von Wohnen, Arbeiten, Einkaufen<br />

<strong>und</strong> Freizeitgestaltung schälte sich immer stärker als<br />

Gr<strong>und</strong>muster des Zusammenlebens heraus.<br />

Von überdimensionierten Gewerbegebieten am<br />

Rand der Gemeinde erhoffte man sich eine Stärkung<br />

der Wirtschaftskraft, zusätzliche Arbeitsplätze <strong>und</strong><br />

eine Entlastung von Bürgerbeschwerden im Hinblick<br />

auf Lärm <strong>und</strong> andere Arten der Beeinträchtigung der<br />

Umwelt. Man plante <strong>und</strong> baute, damit man den Zug<br />

der Zeit ja nicht verpaßte.<br />

Die Menschen wurden über diese Formen des<br />

Fortschritts nicht glücklicher. Aber das einzusehen<br />

brauchte seine Zeit.<br />

Erst als die ersten Auswirkungen der Globalisierung<br />

sich immer massiver bemerkbar machten, als<br />

durch die gewaltige Intensivierung <strong>und</strong> Beschleunigung<br />

von seit Jahrzehnten angelegten Trends jedermann<br />

spürte, dass wir auf dem Weg zu einer ganz<br />

neuen Gesellschaft sind, die mit den Begriffen Informations-<br />

<strong>und</strong> Wissensgesellschaft beschrieben wird,<br />

begann sich das zu ändern.<br />

Erst durch diese Entwicklung, die aber in ihren<br />

Auswirkungen jeden Lebensbereich erfaßt, das<br />

Zusammenleben in der Familie, im Fre<strong>und</strong>eskreis,<br />

im Verein, in der Gemeinde <strong>und</strong> am Arbeitsplatz,<br />

kam es zu einem Umdenken. Es wurde klar, dass der<br />

Druck, dem wir durch die globalen Veränderungen<br />

ausgesetzt sind, nur bewältigt werden kann, dass<br />

man diesen unausweichlichen Fortschritt nur verkraften<br />

wird, wenn es zu Hause stimmt, wenn es<br />

eine Alternative zu dieser global ausgerichteten Welt<br />

gibt.<br />

Die notwendige Alternative, die mit der Globalisierung<br />

einhergehen muss, liegt im heimatlichen<br />

Raum, liegt in der Heimat, liegt in der kleinen Welt.<br />

Sie liegt in dieser kleinen Welt, wo man mich versteht<br />

<strong>und</strong> wo ich verstanden werde, wo ich die Menschen<br />

kenne <strong>und</strong> diese wiederum mich, wo es Nachbarschaft<br />

<strong>und</strong> Solidarität gibt. Sie liegt in einer<br />

Heimat, die mir auch Zeit zum Schnaufen lässt, wo<br />

es eben langsamer zugeht, weniger hektisch <strong>und</strong><br />

weniger ausschließlich am schnellen Gewinn orientiert.<br />

Manche haben ja gemeint, Heimat könne man<br />

sich kaufen. Dass das nicht geht, das merken viele<br />

Neubürger tagtäglich, die sich oft mit viel Geld in<br />

den Gemeinden am Rande der Städte niedergelassen<br />

haben. Sie merken, dass sie nicht sofort integriert<br />

<strong>und</strong> eingeb<strong>und</strong>en sind in das gemeindliche Leben,<br />

auf das sie selber mitunter auch zu lange Zeit vielleicht<br />

keinen Wert gelegt haben.<br />

<strong>Berichte</strong> <strong>zur</strong> Ländlichen Entwicklung <strong>76</strong>/<strong>2001</strong> 9

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