12.05.2014 Aufrufe

Die Bestimmung der natürlichen Antibiotika-Empfindlichkeit

Die Bestimmung der natürlichen Antibiotika-Empfindlichkeit

Die Bestimmung der natürlichen Antibiotika-Empfindlichkeit

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Übersicht<br />

<strong>Die</strong> <strong>Bestimmung</strong> <strong>der</strong><br />

natürlichen <strong>Antibiotika</strong>-<strong>Empfindlichkeit</strong><br />

Ingo Stock und Bernd Wiedemann, Bonn<br />

<strong>Die</strong> natürliche <strong>Antibiotika</strong>-<strong>Empfindlichkeit</strong> läßt sich anhand von Häufigkeitsverteilungen<br />

<strong>der</strong> minimalen Hemmkonzentrationen (MHKs) bestimmen. Beim Auftrag <strong>der</strong> MHK eines<br />

bestimmten Antibiotikums gegen die Anzahl <strong>der</strong> Stämme mit dem entsprechenden MHK-<br />

Wert ergibt sich für eine Spezies in <strong>der</strong> Regel eine bimodale Häufigkeitsverteilung. <strong>Die</strong><br />

zum linken Peak gehörenden Stämme (Stämme mit relativ kleinen MHK-Werten) repräsentieren<br />

die natürliche Population, während die den rechten Peak beschreibenden<br />

Stämme (Stämme mit relativ großen MHK-Werten) die Population mit einer vermin<strong>der</strong>ten<br />

<strong>Empfindlichkeit</strong> darstellen (sekundär resistente Stämme, syn. Stämme mit erworbener<br />

Resistenz).<br />

Daten über die natürliche Resistenz und Sensibilität werden erhalten, indem die MHK-<br />

Werte <strong>der</strong> natürlichen Population mit Hilfe <strong>der</strong> Standards untersucht werden, die die klinische<br />

<strong>Empfindlichkeit</strong> beurteilen. Es wird festgestellt, ob die MHK-Werte <strong>der</strong> natürlichen<br />

Population oberhalb o<strong>der</strong> unterhalb <strong>der</strong> von den Standards festgelegten Grenzwerte<br />

liegen. Ist die natürliche Population nach einem bestimmten Standard sensibel beziehungsweise<br />

intermediär, wird sie als „natürlich sensibel“ beziehungsweise „natürlich intermediär“<br />

(nach dem entsprechenden Standard) bezeichnet. Ist die natürliche Population<br />

nach dem entsprechenden Standard resistent, wird sie als „natürlich (syn. primär,<br />

syn. intrinsisch) resistent“ beschrieben. Innerhalb einer Genospezies ist nur eine natürliche<br />

Population für jedes Antibiotikum zu erwarten.<br />

Das methodische Vorgehen für die <strong>Bestimmung</strong> und eine sicherere Evaluierung <strong>der</strong> natürlichen<br />

<strong>Antibiotika</strong>-<strong>Empfindlichkeit</strong> wird beschrieben. Beson<strong>der</strong>heiten und auftretende<br />

Schwierigkeiten bei <strong>der</strong> Dateninterpretation werden am Beispiel einiger Bakterienarten<br />

aus <strong>der</strong> Familie <strong>der</strong> Enterobacteriaceae diskutiert. Es wird eine Übersicht über die natürliche<br />

<strong>Antibiotika</strong>-Resistenz einiger Enterobacteriaceae-Taxa gegeben.<br />

Schlüsselwörter: Natürliche <strong>Antibiotika</strong>-<strong>Empfindlichkeit</strong>, natürliche Population, klinische<br />

Beurteilung, natürlich sensibel, natürlich resistent, Enterobacteriaceae<br />

The determination of natural antibiotic susceptibility<br />

Natural antibiotic susceptibility can be determined using distributions of minimal inhibitory<br />

concentrations (MICs). Plotting the MICs of a particular antibiotic against the number<br />

of strains found with the respective MIC usually results in a bimodal distribution for<br />

one species. The peak with relatively low MICs represents the natural population and the<br />

peak with higher MICs represents the population with decreased susceptibility (strains<br />

with secondary [syn. acquired] resistance).<br />

Data about the natural resistance and sensitivity are obtained examining MIC values of<br />

the natural population with the standards assessing the clinical susceptibility. Whether<br />

the MIC values of the natural population are above or below the breakpoints of the standards<br />

is investigated. When the natural population is sensitive or intermediate according<br />

to a distinct standard, it is described as “naturally sensitive” or “naturally intermediate”,<br />

respectively (according to the corresponding standard). When the natural population is<br />

resistant, it is described as “naturally (syn. primary, syn. intrinsically) resistant”. Within<br />

one genospecies only one natural population for each antibiotic is expected.<br />

The method for the determination and a more secure evaluation of the natural antibiotic<br />

susceptibility is described. Particularities and difficulties in the interpretation of the data<br />

are discussed with some species of the Enterobacteriaceae. A survey of the natural antibiotic<br />

resistance of some Enterobacteriaceae taxa is given.<br />

Keywords: Natural antibiotic susceptibility, natural population, clinical assessment, naturally<br />

sensitive, naturally resistant, Enterobacteriaceae<br />

Bislang existieren wenige Studien<br />

über die natürliche <strong>Antibiotika</strong>-<strong>Empfindlichkeit</strong><br />

von humanpathogenen<br />

Bakterien. Derartige Arbeiten können<br />

zur Validierung von <strong>Antibiotika</strong>-<br />

<strong>Empfindlichkeit</strong>stestungen und zur<br />

Validierung von Identifizierungen<br />

bestimmter Krankheitserreger herangezogen<br />

werden. Damit könnte eine<br />

gezieltere <strong>Antibiotika</strong>-Therapie und<br />

eine sicherere Erregeridentifizierung<br />

erreicht werden. Um eine profunde<br />

Validierungsvorlage gewährleisten<br />

zu können, sind allerdings geeignete<br />

und standardisierte Datenerhebungen<br />

und eine adäquate Dateninterpretation<br />

vonnöten. Abgesehen von<br />

verschiedenen Methoden <strong>der</strong> <strong>Empfindlichkeit</strong>stestung<br />

und unterschiedlichen<br />

klinischen Interpretationen<br />

<strong>der</strong> erhaltenen Daten (je nach<br />

Standard des jeweiligen Landes) gibt<br />

es keine einfache Methodik zur Evaluierung<br />

<strong>der</strong> natürlichen <strong>Antibiotika</strong>-<br />

<strong>Empfindlichkeit</strong>. <strong>Die</strong> <strong>Bestimmung</strong><br />

und Evaluierung <strong>der</strong> natürlichen<br />

<strong>Antibiotika</strong>-<strong>Empfindlichkeit</strong>en von<br />

zahlreichen Bakterienarten gegenüber<br />

bestimmten <strong>Antibiotika</strong> ist nicht<br />

ohne eine Kenntnis <strong>der</strong> zugrundeliegenden<br />

Resistenzmechanismen möglich.<br />

Zudem sind Grundbegriffe <strong>der</strong><br />

natürlichen Empfindlicheit in <strong>der</strong><br />

Literatur häufig nicht o<strong>der</strong> wi<strong>der</strong>sprüchlich<br />

definiert.<br />

<strong>Die</strong> Kenntnis <strong>der</strong> natürlichen<br />

<strong>Empfindlichkeit</strong> einer Bakterienspezies<br />

gegenüber einem Antibiotikum<br />

liefert eine wichtige Aussage über<br />

die Anwendbarkeit des Antibiotikums<br />

bei Infektionen durch die betreffende<br />

Art. <strong>Die</strong> Anwendung eines<br />

Antibiotikums ist in <strong>der</strong> Regel wenig<br />

erfolgversprechend, wenn die Spezies<br />

gegenüber <strong>der</strong> betreffenden Substanz<br />

natürlich resistent ist. Bei<br />

Dipl.-Biol. Ingo Stock, Prof. Dr. rer. nat. Bernd<br />

Wiedemann, Pharmazeutische Mikrobiologie,<br />

Meckenheimer Allee 168, 53115 Bonn<br />

Chemotherapie Journal · 7. Jahrgang · Heft 4 / 1998 127


Stock · Wiedemann · <strong>Bestimmung</strong> <strong>der</strong> natürlichen <strong>Antibiotika</strong>-<strong>Empfindlichkeit</strong><br />

Tab. 1. Resistenztypen und -definitionen in <strong>der</strong> Literatur (Auswahl)<br />

Natürliche Resistenz<br />

– Genetisch bestimmte Resistenz [7]<br />

– Genetisch fixierte Rassen- o<strong>der</strong> Spezies-Eigenschaft; als Wirkungslücke im antibakteriellen<br />

Wirkungsspektrum eines Chemotherapeutikums erkennbar [10]<br />

– Genetisch bedingte Unempfindlichkeit einer Bakterienart gegen ein bestimmtes<br />

Antibiotikum [1]<br />

– Beruht auf stets vorhandener genetisch bedingter Unempfindlichkeit einer Bakterienart<br />

gegenüber einem Antibiotikum [6]<br />

– Beruht auf natürlichen Eigenschaften <strong>der</strong> Mikroorganismen [4]<br />

– Eigenschaft einer Bakterienart, -gattung, -familie [8]<br />

– Alle bislang isolierten Stämme einer Art o<strong>der</strong> Gattung sind gegen ein Antibiotikum<br />

resistent [2].<br />

– Alle Keime aller Keimpopulationen einer bestimmten Keimart sind gegenüber dem<br />

bestimmten Chemotherapeutikum unempfindlich (Spezies-Resistenz) [9].<br />

Erworbene Resistenz<br />

– Erworbene Wi<strong>der</strong>standsfähigkeit von Organismen gegen <strong>Antibiotika</strong> und Chemotherapeutika<br />

infolge von Mutationen, extrachromosomalen Übertragungen o<strong>der</strong> Phagen [4]<br />

– Stämme empfindlicher Taxa erwerben durch Än<strong>der</strong>ung ihres Erbguts die Eigenschaft<br />

Resistenz [8].<br />

– Resistenz gegenüber einem Antibiotikum ist auf einen Teil <strong>der</strong> Stämme einer Spezies<br />

begrenzt [2].<br />

– Auftreten resistenter Varianten in einer normalerweise empfindlichen Population. Man<br />

unterscheidet zwei Unterformen (primäre und sekundäre Resistenz) [11].<br />

Sekundäre Resistenz<br />

– Resistenz, die durch Selektion und Mutation unter <strong>Antibiotika</strong>-Wirkung auftritt [1]<br />

– Entsteht während <strong>der</strong> <strong>Antibiotika</strong>-Therapie. Durch Kontakt mit dem Antibiotikum kommt<br />

es zur Selektion resistenter Varianten, die in großen Bakterienpopulationen in geringer Zahl<br />

vorkommen [6].<br />

– Während <strong>der</strong> Therapie entstehende Resistenz infolge Selektion resistenter Varianten [7].<br />

– Auftreten resistenter Varianten in Populationen von Mikroorganismen, die normalerweise<br />

gegenüber einem Chemotherapeutikum empfindlich sind. Einzelorganismen aus einer<br />

empfindlichen Population, die während des Kontaktes mit einem Antibiotikum verringerte<br />

o<strong>der</strong> fehlende <strong>Empfindlichkeit</strong> entwickeln, sind sekundär resistent [10].<br />

– Liegt vor, wenn nach Beginn <strong>der</strong> Therapie einzelne Keime einer zuvor empfindlichen Bakterienpopulation<br />

einer empfindlichen Keimart gegen das eingesetzte Chemotherapeutikum<br />

resistent geworden sind (erworbene Resistenz im engeren Sinne). <strong>Die</strong> Verbreitung dieser<br />

Resistenz erfolgt vertikal, d. h. durch Zellteilung, und damit artgebunden [9].<br />

Primäre Resistenz<br />

– Auftreten resistenter Varianten in Populationen von Mikroorganismen, die normalerweise<br />

gegenüber einem Chemotherapeutikum empfindlich sind. Einzelorganismen aus einer<br />

empfindlichen Population, die ohne vorherigen Kontakt mit einem Antibiotikum verringerte<br />

o<strong>der</strong> fehlende <strong>Empfindlichkeit</strong> entwickeln, sind primär resistent [10].<br />

– Liegt vor, wenn innerhalb einzelner Populationen einer üblicherweise empfindlichen Keimart<br />

einzelne Keime bereits vor Beginn <strong>der</strong> Therapie mit einem bestimmten Antibiotikum gegen<br />

dieses resistent sind [9]<br />

– Ein Teil <strong>der</strong> vorkommenden Bakterienstämme einer Art sind resistent, ein an<strong>der</strong>er<br />

empfindlich [1].<br />

Infektiöse Resistenz<br />

– Eigenschaft <strong>der</strong> Unempfindlichkeit gegenüber einem bestimmten Chemotherapeutikum<br />

o<strong>der</strong> gegenüber mehreren, chemisch nicht verwandten Chemotherapeutika wird unabhängig<br />

vom Beginn <strong>der</strong> Therapie von resistenten Keimen auf zuvor sensible Keime <strong>der</strong>selben<br />

Spezies o<strong>der</strong> unterschiedlichen Keimarten übertragen (erworbene Resistenz im weiteren<br />

Sinne, übertragbare Resistenz) [9]. <strong>Die</strong> Ausbreitung dieser Resistenz erfolgt horizontal [9].<br />

Übertragbare Resistenz<br />

– Resistenz, bei <strong>der</strong> extrachromosomal gelagertes Genmaterial durch Konjugation unter<br />

Einschaltung eines „Resistenz-Transfer-Faktors“ von einer Bakterienart auf die an<strong>der</strong>e<br />

übertragen wird [7]<br />

– Beruht auf Übertragung genetischen Materials von einer Bakterienzelle auf eine an<strong>der</strong>e [1]<br />

Mutations-Resistenz<br />

– Steht in keiner Beziehung zu einer vorangegangenen <strong>Antibiotika</strong>-Therapie. Einzelne durch<br />

Mutation resistent gewordene Zellen einer Bakterienpopulation vermehren sich erst in<br />

stärkerem Maße, wenn sie durch eine <strong>Antibiotika</strong>-Behandlung selektioniert werden [6].<br />

– Resistenz durch vorausgegegangene Therapie [7]<br />

Infektionen mit einem bekannten<br />

Erreger(spektrum) kann auf die begleitende<br />

<strong>Empfindlichkeit</strong>stestung<br />

und die Anwendung <strong>der</strong>artiger <strong>Antibiotika</strong><br />

in <strong>der</strong> Therapie verzichtet<br />

werden.<br />

Der folgende Beitrag erläutert das<br />

methodische Vorgehen für die <strong>Bestimmung</strong><br />

und eine sicherere Evaluierung<br />

<strong>der</strong> natürlichen <strong>Antibiotika</strong>-<br />

<strong>Empfindlichkeit</strong>. Beson<strong>der</strong>heiten<br />

und auftretende Schwierigkeiten bei<br />

<strong>der</strong> Dateninterpretation werden am<br />

Beispiel einiger Bakterienarten aus<br />

<strong>der</strong> Familie <strong>der</strong> Enterobacteriaceae<br />

diskutiert. Hierbei werden auch<br />

natürliche Resistenzmechanismen<br />

untersucht. Es wird ein Vorschlag für<br />

eine klare Definition von Begriffen<br />

gegeben, die die natürliche <strong>Antibiotika</strong>-<strong>Empfindlichkeit</strong><br />

betreffen.<br />

Schließlich ist eine Übersicht über<br />

die natürliche <strong>Antibiotika</strong>-Resistenz<br />

einiger Enterobacteriaceae-Taxa dargestellt.<br />

Begriffsbestimmungen zur<br />

<strong>Antibiotika</strong>-<strong>Empfindlichkeit</strong><br />

In <strong>der</strong> Literatur existiert eine Reihe<br />

unterschiedlicher und verwirren<strong>der</strong><br />

Definitionen zu Begriffen, die die<br />

<strong>Antibiotika</strong>-<strong>Empfindlichkeit</strong> von<br />

Bakterien beschreiben. So werden in<br />

Lehrbüchern und Lexika zahlreiche<br />

„Formen“ <strong>der</strong> Resistenz genannt,<br />

aber unterschiedlich definiert (Tab.<br />

1). Primärresistenz wird zum Teil<br />

synonym mit natürlicher, zum Teil<br />

als Untergruppe <strong>der</strong> erworbenen Resistenz<br />

verstanden. Vom Wortstamm<br />

synonyme Begriffe wie sekundäre<br />

und erworbene Resistenz werden unterschiedlich<br />

definiert. <strong>Die</strong> Berechtigung<br />

einiger Resistenzbegriffe wie<br />

„Mutationsresistenz“ und „infektiöse<br />

Resistenz“ ist nach unserer Auffassung<br />

zu überprüfen. Definitionen zu<br />

Begriffen <strong>der</strong> natürlichen <strong>Antibiotika</strong>-<strong>Empfindlichkeit</strong><br />

fehlen in <strong>der</strong><br />

Regel in <strong>der</strong> Literatur.<br />

Natürliche <strong>Antibiotika</strong>-<br />

<strong>Empfindlichkeit</strong><br />

Beim Auftrag <strong>der</strong> minimalen Hemmkonzentration<br />

(MHK) eines bestimmten<br />

Antibiotikums gegen die<br />

Anzahl <strong>der</strong> gefundenen Stämme mit<br />

dem entsprechenden MHK-Wert er-<br />

128<br />

Chemotherapie Journal · 7. Jahrgang · Heft 4 / 1998


Stock · Wiedemann · <strong>Bestimmung</strong> <strong>der</strong> natürlichen <strong>Antibiotika</strong>-<strong>Empfindlichkeit</strong><br />

Anzahl <strong>der</strong> Stämme<br />

Klinisch sensibel<br />

Abb. 1. <strong>Empfindlichkeit</strong> von Providencia stuartii gegenüber Kanamycin [nach 15]. Der biologische<br />

Schwellenwert (biologische Grenzwert) begrenzt die natürliche Population an den hohen MHK-Werten;<br />

er betrug 2 mg/l. <strong>Die</strong> MHK-Werte <strong>der</strong> Population mit einer vermin<strong>der</strong>ten <strong>Empfindlichkeit</strong> (sekundär<br />

resistente Stämme) betrugen 128 bis >256 mg/l. <strong>Die</strong> klinische Beurteilung <strong>der</strong> MHK-Daten ist nach<br />

französischem Standard (SFM) dargestellt. Klinische Grenzwerte sind in unterbrochenen Linien dargestellt.<br />

P. stuartii ist (nach SFM) natürlich sensibel gegenüber Kanamycin, da die natürliche Population<br />

klinisch sensibel (nach SFM) ist.<br />

Anzahl <strong>der</strong> Stämme<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Natürliche<br />

Population<br />

Biologischer<br />

Schwellenwert<br />

Klinisch<br />

intermediär<br />

Klinisch resistent<br />

Population mit vermin<strong>der</strong>ter<br />

<strong>Empfindlichkeit</strong><br />

(sekundär<br />

resistente Stämme)<br />

0,5 1 2 4 8 16 32 64 128 256 ∞512<br />

MHK [mg/l]<br />

Klinisch sensibel<br />

Klinisch<br />

intermediär<br />

Natürliche Population<br />

Klinisch resistent<br />

Biologischer<br />

Schwellenwert<br />

0,5 1 2 4 8 16 32 64 128 256<br />

MHK [mg/l]<br />

Abb. 2. <strong>Empfindlichkeit</strong> von Providencia stuartii gegenüber Amoxicillin in Kombination mit Clavulansäure<br />

(AMX/CLAV) [nach 15]. Der biologische Schwellenwert von P. stuartii für AMX/CLAV betrug<br />

64 mg/l. Sekundär resistente Stämme wurden nicht gefunden. <strong>Die</strong> klinische Beurteilung <strong>der</strong> MHK-Daten<br />

ist nach deutschem Standard (DIN) dargestellt. P. stuartii ist (nach DIN) natürlich resistent gegenüber<br />

AMX/CLAV, die die natürliche Population klinisch resistent (nach DIN) ist.<br />

gibt sich für eine Spezies in <strong>der</strong> Regel<br />

eine bimodale Häufigkeitsverteilung.<br />

Man spricht von <strong>der</strong> <strong>Antibiotika</strong>-<strong>Empfindlichkeit</strong><br />

(„antibiotic<br />

susceptibility“) <strong>der</strong> Art gegenüber<br />

dem entsprechenden Antibiotikum.<br />

Der linke Peak beziehungsweise die<br />

zum linken Peak gehörende „normalverteilte“<br />

Population (relativ kleine<br />

MHK-Werte) repräsentiert dabei in<br />

<strong>der</strong> Regel die natürliche Population<br />

(„natural population“). Man spricht<br />

von <strong>der</strong> natürlichen <strong>Antibiotika</strong>-<br />

<strong>Empfindlichkeit</strong> <strong>der</strong> Art gegenüber<br />

dem entsprechenden Antibiotikum<br />

(„natural antibiotic susceptibility“).<br />

Der rechte Peak beziehungsweise die<br />

zum rechten Peak gehörende „normalverteilte“<br />

Population (relativ<br />

große MHK-Werte) repräsentiert die<br />

Population mit einer vermin<strong>der</strong>ten<br />

<strong>Empfindlichkeit</strong> („population with<br />

decreased susceptibility“) o<strong>der</strong> – an<strong>der</strong>s<br />

ausgedrückt – die Stämme mit<br />

einer erworbenen (syn. sekundären)<br />

Resistenz („strains with acquired<br />

[syn. secondary] resistance“). <strong>Die</strong><br />

sekundäre Resistenz wird auch als<br />

biologische Resistenz bezeichnet, ist<br />

aber nicht gleichbedeutend mit <strong>der</strong><br />

klinischen Resistenz (siehe unten).<br />

Biologisch resistente Organismen<br />

können auch klinisch sensibel sein<br />

(siehe unten).<br />

Für die Evaluierung <strong>der</strong> natürlichen<br />

<strong>Antibiotika</strong>-<strong>Empfindlichkeit</strong> ist<br />

die Ermittlung eines biologischen<br />

Grenz- o<strong>der</strong> Schwellenwertes („biological<br />

threshold“) von Bedeutung,<br />

da er die natürliche Population an<br />

ihren hohen MHK-Werten begrenzt<br />

(Abb. 1 und 2). Der biologische<br />

Grenzwert kann durch die Analyse<br />

<strong>der</strong> MHK-Verteilung aller Stämme<br />

einer Art für jedes Antibiotikum ermittelt<br />

werden.<br />

Daten über die natürliche Resistenz<br />

und Sensibilität werden erhalten,<br />

indem die MHK-Werte <strong>der</strong><br />

natürlichen Population anhand <strong>der</strong><br />

Grenzwerte („breakpoints“) bewertet<br />

werden, die in den entsprechenden<br />

Standards für die Beurteilung <strong>der</strong><br />

klinischen <strong>Empfindlichkeit</strong> festgelegt<br />

wurden. Standards für die Beurteilung<br />

<strong>der</strong> klinischen <strong>Empfindlichkeit</strong><br />

ordnen einen in vitro erhaltenen<br />

MHK-Wert den klinischen Kategorien<br />

„sensibel“ („sensitive“), „intermediär“<br />

(„intermediate“) o<strong>der</strong> „resistent“<br />

(„resistant“) zu, je nachdem,<br />

was für eine Wirksamkeit des entsprechenden<br />

Antibiotikums nach<br />

dem zugrundeliegenden MHK-Wert<br />

in vivo zu erwarten ist (Tab. 2). In<br />

verschiedenen Län<strong>der</strong>n gibt es häufig<br />

spezifische Standards. <strong>Die</strong> Beurteilung<br />

<strong>der</strong> klinischen <strong>Empfindlichkeit</strong><br />

erfolgt beispielsweise in<br />

Deutschland nach DIN, in den USA<br />

nach NCCLS, in England nach<br />

BSAC, in Frankreich nach SFM und<br />

in Schweden nach SIR. In unseren<br />

Studien zur natürlichen <strong>Antibiotika</strong>-<br />

<strong>Empfindlichkeit</strong> <strong>der</strong> Enterobacteriaceae<br />

erfolgte die Untersuchung <strong>der</strong><br />

natürlichen Populationen primär<br />

nach DIN, aber auch nach den an<strong>der</strong>en,<br />

obig aufgeführten Standards.<br />

Eine klinische Kategorisierung <strong>der</strong><br />

Daten nach ausländischen Standards<br />

wurde in unseren Studien insbeson<strong>der</strong>e<br />

dann vorgenommen, wenn nach<br />

DIN keine klinischen Beurteilungskriterien<br />

für die betreffende Substanz<br />

existieren.<br />

<strong>Die</strong> Bewertung <strong>der</strong> MHK-Werte<br />

einer natürlichen Population mit<br />

Hilfe von Grenzwerten erfolgt nach<br />

folgendem Schema: Es wird festgestellt,<br />

ob die MHK-Werte <strong>der</strong> natürlichen<br />

Population oberhalb o<strong>der</strong> unterhalb<br />

<strong>der</strong> Grenzwerte liegen. Ist die<br />

natürliche Population nach einem be-<br />

Chemotherapie Journal · 7. Jahrgang · Heft 4 / 1998 129


Stock · Wiedemann · <strong>Bestimmung</strong> <strong>der</strong> natürlichen <strong>Antibiotika</strong>-<strong>Empfindlichkeit</strong><br />

Tab. 2. Klinische Beurteilung <strong>der</strong> Erregereigenschaften nach DIN [DIN 58940, Teil 1 (September<br />

1995)]. <strong>Die</strong> Anfor<strong>der</strong>ungen an die Bewertungsstufen für die minimale Hemmkonzentration<br />

sind in DIN 58940, Teil 4 (September 1995) festgelegt.<br />

Bewertungsstufe<br />

Sensibel<br />

Intermediär<br />

Resistent<br />

stimmten Standard sensibel beziehungsweise<br />

intermediär, wird sie als<br />

„natürlich sensibel“ („naturally sensitive“)<br />

(Abb. 1) beziehungsweise<br />

„natürlich intermediär“ („naturally<br />

intermediate“) – nach dem entsprechenden<br />

Standard – bezeichnet. Ist<br />

die natürliche Population hingegen<br />

nach einem bestimmten Standard resistent,<br />

wird sie als „natürlich (syn.<br />

primär, syn. intrinsisch) resistent“<br />

(„naturally [syn. primary, syn. intrinsically]<br />

resistant“) – nach dem entsprechenden<br />

Standard – bezeichnet<br />

(Abb. 2). In Tab. 3 sind diese Definitionen<br />

zusammengefaßt.<br />

Natürliche <strong>Antibiotika</strong>-<br />

Resistenz <strong>der</strong><br />

Enterobacteriaceae<br />

Definition<br />

Ein Erreger wird als sensibel bezeichnet, wenn die für ein entsprechendes<br />

Chemotherapeutikum ermittelte minimale Hemmkonzentration<br />

so gering ist (kleiner o<strong>der</strong> gleich einer geeignet gewählten Grenzkonzentration),<br />

daß bei einer Therapie mit <strong>der</strong> üblichen Dosierung und bei<br />

geeigneter Indikation im allgemeinen ein Therapieerfolg zu erwarten<br />

ist.<br />

Ein Erreger wird als intermediär eingestuft, wenn die für ein entsprechendes<br />

Chemotherapeutikum ermittelte minimale Hemmkonzentration<br />

in einem Bereich liegt (zwischen zwei Grenzkonzentrationen), für<br />

den ohne zusätzliche Berücksichtigung weiterer Kriterien keine Beurteilung<br />

hinsichtlich des zu erwartenden Therapieerfolges möglich ist.<br />

Ein Erreger wird als resistent bezeichnet, wenn die für ein entsprechendes<br />

Chemotherapeutikum ermittelte minimale Hemmkonzentration<br />

so hoch ist (über einer Grenzkonzentration liegt), daß auch bei<br />

Verwendung <strong>der</strong> zugelassenen Höchstdosierung ein therapeutischer<br />

Erfolg nicht zu erwarten ist.<br />

Innerhalb unserer Studien zur natürlichen<br />

<strong>Antibiotika</strong>-<strong>Empfindlichkeit</strong><br />

<strong>der</strong> Enterobacteriaceae untersuchten<br />

Tab. 3. Definitionen zur natürlichen <strong>Empfindlichkeit</strong> einer Bakterienart gegenüber einem<br />

Antibiotikum<br />

Begriff Synonym Definition<br />

Natürlich sensibel<br />

Eine Bakterienart ist gegenüber einem bestimmten<br />

Antibiotikum natürlich sensibel, wenn die natürliche<br />

Population dieser Art gegenüber <strong>der</strong> Substanz klinisch<br />

sensibel ist.<br />

Natürlich<br />

Eine Bakterienart ist gegenüber einem bestimmten<br />

intermediär<br />

Antibiotikum natürlich intermediär, wenn die natürliche<br />

Population dieser Art gegenüber <strong>der</strong> Substanz<br />

klinisch intermediär ist.<br />

Natürlich Primär resistent, Eine Bakterienart ist gegenüber einem bestimmten<br />

resistent intrinsisch resistent Antibiotikum natürlich resistent, wenn die natürliche<br />

Population dieser Art gegenüber <strong>der</strong> Substanz klinisch<br />

resistent ist.<br />

wir die natürliche <strong>Empfindlichkeit</strong><br />

<strong>der</strong> am häufigsten als Erreger von<br />

o<strong>der</strong> in Assoziation mit Humaninfektionen<br />

isolierten Enterobacteriaceae-<br />

Spezies gegenüber 71 <strong>Antibiotika</strong>.<br />

Ein Teil <strong>der</strong> Ergebnisse aus diesen<br />

Studien ist in Tabelle 4 dargestellt.<br />

<strong>Die</strong>se Tabelle zeigt eine Übersicht<br />

über die natürliche <strong>Antibiotika</strong>-Resistenz<br />

von 15 Enterobacteriaceae-<br />

Taxa. <strong>Die</strong> Aminoglykosid-<strong>Antibiotika</strong><br />

Streptomycin, Apramycin, Ribostamycin<br />

und Lividomycin A, aber<br />

auch Cefdinir, Biapenem sowie die<br />

Streptogramine Dalfopristin und<br />

Quinupristin (einschließlich <strong>der</strong><br />

Kombination Dalfopristin/Quinupristin)<br />

sind in Tabelle 4 nicht aufgeführt,<br />

da für diese <strong>Antibiotika</strong> nach<br />

den von uns verwendeten Standards<br />

keine Grenzwerte existieren und somit<br />

eine natürliche Resistenz nicht<br />

definiert werden kann.<br />

<strong>Antibiotika</strong>, gegenüber denen keines<br />

<strong>der</strong> dargestellten Taxa natürlich<br />

resistent ist, sind ebenfalls nicht aufgeführt.<br />

Hierzu zählen die Aminoglykoside<br />

Amikacin, Kanamycin,<br />

Neomycin, einige Penicilline (Piperacillin<br />

(mit und ohne Tazobactam),<br />

Mezlocillin, Azlocillin), zahlreiche<br />

Cephalosporine (Cefoperazon, Cefotaxim,<br />

Ceftibuten, Ceftriaxon, Ceftazidim,<br />

Cefepim), Carbapeneme,<br />

Aztreonam, Chinolone, Trimethoprim,<br />

Co-trimoxazol, Chloramphenicol<br />

und Nitrofurantoin.<br />

Probleme bei <strong>der</strong> klinischen<br />

Beurteilung nach unterschiedlichen<br />

Standards<br />

Nicht selten ergibt sich bei Anwendung<br />

verschiedener Standards eine<br />

unterschiedliche klinische Beurteilung<br />

<strong>der</strong> natürlichen <strong>Empfindlichkeit</strong>.<br />

In solchen Fällen muß stets angegeben<br />

werden, nach welchem<br />

Standard die betreffende Spezies<br />

natürlich sensibel, intermediär o<strong>der</strong><br />

resistent ist. So ist Proteus vulgaris<br />

Genospezies 2 gegenüber Nitrofurantoin<br />

nach DIN natürlich sensibel,<br />

nach SIR aber natürlich resistent<br />

[13].<br />

<strong>Die</strong> klinische Interpretation von<br />

<strong>Empfindlichkeit</strong>sdaten kann problematisch<br />

sein, wenn die Ergebnisse<br />

nach Standards ausgewertet werden,<br />

<strong>der</strong>en Methoden zur <strong>Empfindlichkeit</strong>stestung<br />

von <strong>der</strong> für die <strong>Empfindlichkeit</strong>stestung<br />

selbst verwendeten<br />

Methode abweichen. Zwar<br />

ergeben sich nach unseren Erfahrungen<br />

bei <strong>Empfindlichkeit</strong>stestungen<br />

per Mikrodilution für die meisten<br />

<strong>Antibiotika</strong> bei Verwendung unterschiedlicher<br />

Methoden (z. B. Isosensitest-<br />

anstelle von Müller-Hinton-<br />

Bouillon) identische o<strong>der</strong> nicht signifikant<br />

voneinan<strong>der</strong> abweichende<br />

MHK-Häufigkeitsverteilungen, dennoch<br />

können sich bei bestimmten<br />

Spezies gegenüber einigen <strong>Antibiotika</strong><br />

bei vergleichen<strong>der</strong> Testung <strong>der</strong><br />

genannten Medien Häufigkeitsverteilungen<br />

ergeben, die zueinan<strong>der</strong><br />

nach rechts o<strong>der</strong> links um mehrere<br />

MHK-Stufen verschoben sind.<br />

Große Diskrepanzen in den Ergebnissen<br />

<strong>der</strong> <strong>Empfindlichkeit</strong>stestung<br />

werden sichtbar, wenn beim Agardiffusionstest<br />

unterschiedliche Standards<br />

für die Messung und die<br />

Auswertung von <strong>Empfindlichkeit</strong>stestungen<br />

verwendet werden.<br />

130<br />

Chemotherapie Journal · 7. Jahrgang · Heft 4 / 1998


Stock · Wiedemann · <strong>Bestimmung</strong> <strong>der</strong> natürlichen <strong>Antibiotika</strong>-<strong>Empfindlichkeit</strong><br />

Tab. 4. Natürliche <strong>Antibiotika</strong>-Resistenz von fünfzehn Enterobacteriaceae-Taxa. <strong>Die</strong> klinische Kategorisierung <strong>der</strong> Daten erfolgte in <strong>der</strong><br />

Regel nach dem deutschen Standard (DIN). Lagen nach DIN keine Grenzwerte vor, wurden die MHK-Werte <strong>der</strong> natürlichen Population<br />

nach amerikanischen (NCCLS), französischen (SFM) o<strong>der</strong> schwedischen (SIR) Standards beurteilt.<br />

Antibiotikum Standard Taxon<br />

Morganella morganii<br />

Providencia stuartii<br />

Providencia rettgeri<br />

Providencia alcalifaciens<br />

Providencia rustigianii<br />

Proteus mirabilis<br />

Proteus vulgaris<br />

Genospezies 2<br />

Proteus penneri<br />

Escherichia coli<br />

Shigella-Subgruppen<br />

Escherichia vulneris<br />

Escherichia hermannii<br />

Yersinia enterocolitica<br />

Klebsiella pneumoniae<br />

Hafnia alvei<br />

Tetracycline<br />

Tetracyclin DIN x x x x i x<br />

Doxycyclin DIN x x x x i x i<br />

Minocyclin DIN x x i x i x i<br />

Aminoglykoside<br />

Gentamicin DIN x G<br />

Netilmicin DIN x G<br />

Tobramycin DIN x G<br />

Spectinomycin NCCLS x<br />

Penicilline<br />

Benzylpenicillin DIN x x x x x x x x x x x x x x x<br />

Oxacillin DIN x x x x x x x x x x x x x x x<br />

Amoxicillin DIN x x x G x i x G x x x i x x x<br />

Amoxicillin/Clavulansäure DIN x x x G x G x G x G x<br />

Ampicillin/Sulbactam DIN x i x i x G x G x G<br />

Ticarcillin DIN x G x i x G x i<br />

Cephalosporine<br />

Cefaclor DIN x x x G x G x G x x x<br />

Cefazolin DIN x x x G x G x G x x x<br />

Loracarbef DIN x x i x G x G x G x x x i<br />

Cefuroxim DIN x x x<br />

Cefotiam DIN (x) x x<br />

Cefoxitin DIN x i<br />

Cefixim DIN (x)<br />

Cefpodoxim DIN x i<br />

Makrolide<br />

Erythromycin DIN x x x x x x x x x x x x x x x<br />

Roxithromycin SIR x x x x x x x x x x x x x x x<br />

Clarithromycin SIR x x x x x x x x x x x x x i x x<br />

Azithromycin DIN x x x x x x x x x i x<br />

Lincosamide<br />

Lincomycin SFM x x x x x x x x x x x x x x x<br />

Clindamycin DIN x x x x x x x x x x x x x i x x<br />

An<strong>der</strong>e <strong>Antibiotika</strong><br />

Sulfamethoxazol NCCLS x (x) x x x (x) (x) x x<br />

Teicoplanin NCCLS x x x x x x x x x x x x x x x<br />

Vancomycin DIN x x x x x x x x x x x x x x x<br />

Rifampicin NCCLS x x x x x x x x x i x i x i x i x i x x<br />

Fosfomycin SFM x x x i x x s<br />

Fusidinsäure SIR x x x x x x x x x x x x x x x<br />

Literatur [14] [15] [15] [15] [15] [19] [13] [19] [17] [17] [17] [17] [16] [19] [19]<br />

x: Natürliche Resistenz<br />

(x):Es ist nicht eindeutig bestimmbar, ob die Spezies gegenüber <strong>der</strong> Substanz natürlich resistent ist. Einzelne Stämme des Stammkollektivs<br />

stellen den linken Peak einer Bimodalverteilung dar und sind klinisch sensibel. Das untersuchte Stammkollektiv ist relativ klein.<br />

x i : <strong>Die</strong> Spezies ist gegenüber <strong>der</strong> Substanz nach dem angegebenen Standard natürlich resistent und natürlich intermediär.<br />

x s : <strong>Die</strong> meisten Stämme <strong>der</strong> natürlichen Population sind gegenüber <strong>der</strong> Substanz klinisch resistent, einige wenige sind klinisch sensibel. Eine<br />

intermediäre Bewertungsstufe existiert nicht.<br />

x G : <strong>Die</strong> Bewertung „natürlich resistent“ erfolgt unter Berücksichtigung des Resistenzmechanismus (vgl. Text).<br />

Chemotherapie Journal · 7. Jahrgang · Heft 4 / 1998 131


Stock · Wiedemann · <strong>Bestimmung</strong> <strong>der</strong> natürlichen <strong>Antibiotika</strong>-<strong>Empfindlichkeit</strong><br />

Tab. 5. Unterschiedliche natürliche Populationen (Fettdruck) gegenüber Fosfomycin innerhalb<br />

<strong>der</strong> gleichen Genospezies am Beispiel von Bio-/Serovaren von Salmonella enterica [19] und<br />

Yersinia enterocolitica [16]. Dargestellt ist die Anzahl (n) <strong>der</strong> bei einem bestimmten<br />

MHK-Wert detektierten Stämme. Der senkrechte Balken kennzeichnet den<br />

klinischen Grenzwert zwischen sensibel und resistent nach SFM [ssp.: subspecies; bv.: biovar]<br />

Taxon n Anzahl <strong>der</strong> Stämme und MHK-Häufigkeitsverteilung<br />

(Fosfomycin-Konzentration [mg/l])<br />

0,25 0,5 1 2 4 8 16 32 64 128 256 > 256<br />

S. enterica ssp. enterica 1 68 2 50 5 4 4 2 1<br />

S. enterica ssp. enterica 16 1 3 8 4<br />

bv. typhi<br />

S. enterica ssp. enterica 6 3 3<br />

bv. paratyphi A<br />

Y. enterocolitica bv. 1A 22 8 10 3 1<br />

Y. enterocolitica bv. 2 12 2 6 4<br />

Y. enterocolitica bv. 4 63 15 31 17<br />

1<br />

Ausgenommen S. enterica ssp. enterica bv. typhi, S. enterica ssp. enterica bv. paratyphi A<br />

Bei <strong>der</strong> klinischen Beurteilung einer<br />

natürlichen Population mit unterschiedlichen<br />

Standards muß in jedem<br />

Fall <strong>der</strong> für die Datenerhebung<br />

verwendete Standard beziehungsweise<br />

die Methode angegeben werden.<br />

Spezifität <strong>der</strong> natürlichen<br />

<strong>Antibiotika</strong>-<strong>Empfindlichkeit</strong><br />

<strong>Die</strong> natürliche <strong>Antibiotika</strong>-<strong>Empfindlichkeit</strong><br />

bezieht sich nach unseren<br />

Erfahrungen bis auf eine sichere<br />

Ausnahme (siehe unten) auf die Genospezies<br />

einer beschriebenen Art.<br />

Innerhalb einer Genospezies ist nur<br />

eine natürliche Population für jedes<br />

Antibiotikum zu erwarten. Deshalb<br />

sollten bei Untersuchungen von<br />

Stämmen einer nur aus einer Genospezies<br />

bestehenden Art alle Isolate<br />

einer natürlichen Population die<br />

gleiche natürliche <strong>Empfindlichkeit</strong><br />

gegenüber einem Antibiotikum besitzen<br />

und die gleichen diese <strong>Empfindlichkeit</strong><br />

beeinflussenden Eigenschaften<br />

aufweisen. Ein Beispiel<br />

hierfür ist die natürliche <strong>Antibiotika</strong>-<br />

<strong>Empfindlichkeit</strong> von Escherichiacoli-Stämmen<br />

und Stämmen <strong>der</strong> Shigella-Subgruppen.<br />

Stämme verschiedener<br />

Shigella-Subgruppen zeigten<br />

in unseren Untersuchungen untereinan<strong>der</strong><br />

und im Vergleich zu E. coli bis<br />

auf eine Ausnahme keine signifikanten<br />

Unterschiede in ihrer natürlichen<br />

<strong>Empfindlichkeit</strong> gegenüber <strong>Antibiotika</strong>,<br />

wohingegen sich die natürliche<br />

<strong>Empfindlichkeit</strong> an<strong>der</strong>er Escherichia-Spezies<br />

untereinan<strong>der</strong> und gegenüber<br />

Shigellen und E. coli gegenüber<br />

bestimmten <strong>Antibiotika</strong> unterschied<br />

[17]. Mit <strong>der</strong> Ausnahme<br />

von Shigella Subgruppe C Serogruppe<br />

13 bilden Shigellen und E.<br />

coli eine Genospezies. Ein an<strong>der</strong>es<br />

Beispiel ist die noch immer zur<br />

Diskriminierung von Morganellamorganii-Stämmen<br />

verwendete Tetracyclin-<strong>Empfindlichkeit</strong>.<br />

In unseren<br />

Studien konnte gezeigt werden,<br />

daß die <strong>Empfindlichkeit</strong> gegenüber<br />

Tetracyclin nicht zur Diskriminierung<br />

<strong>der</strong> relativ nah miteinan<strong>der</strong> verwandten<br />

Cluster von M. morganii<br />

geeignet ist [14].<br />

Besteht hingegen eine Bakterienspezies<br />

aus mehreren Genospezies,<br />

können innerhalb einer Bakterienart<br />

verschiedene natürliche <strong>Empfindlichkeit</strong>en<br />

gegenüber einem Antibiotikum<br />

beziehungsweise unterschiedliche<br />

natürliche Resistenzmechanismen<br />

auftreten. Ein Beispiel hierfür<br />

sind die unterschiedlichen natürlichen<br />

<strong>Empfindlichkeit</strong>en <strong>der</strong> verschiedenen<br />

Genospezies von Proteus<br />

vulgaris („Proteus-vulgaris-Komplex“)<br />

gegenüber Tetracyclin, die<br />

auch zu einer unterschiedlichen klinischen<br />

Beurteilung führen [13].<br />

<strong>Die</strong>se Unterschiede in <strong>der</strong> natürlichen<br />

Tetracyclin-<strong>Empfindlichkeit</strong><br />

sind nicht überraschend, da die<br />

natürliche Tetracyclin-<strong>Empfindlichkeit</strong><br />

auch ein wichtiges diskriminierendes<br />

Merkmal für an<strong>der</strong>e Proteus-<br />

Spezies ist. So ist P. mirabilis natürlich<br />

resistent gegenüber Tetracyclin,<br />

während P. penneri natürlich sensibel<br />

gegenüber diesem Antibiotikum ist<br />

(Tab. 4).<br />

Natürliche <strong>Empfindlichkeit</strong><br />

gegenüber Fosfomycin<br />

Fosfomycin stellte sich in unseren<br />

Untersuchungen zur natürlichen <strong>Antibiotika</strong>-<strong>Empfindlichkeit</strong><br />

<strong>der</strong> Enterobacteriaceae<br />

als das einzige Antibiotikum<br />

heraus, bei dem mit Sicherheit<br />

angenommen werden kann, daß<br />

innerhalb einer Genospezies mehrere<br />

natürliche Populationen existieren<br />

können. So sind Salmonella Typhi<br />

(S. enterica subspecies enterica biovar<br />

typhi) und S. Paratyphi A (S.<br />

enterica subspecies enterica biovar<br />

paratyphi A) natürlich resistent gegenüber<br />

Fosfomycin, während zu an<strong>der</strong>en<br />

Bio- beziehungsweise Serovaren<br />

gehörende Stämme <strong>der</strong>selben<br />

Unterart gegenüber dieser Substanz<br />

natürlich sensibel sind (Tab. 5). Eine<br />

Biovar-abhängige natürliche <strong>Empfindlichkeit</strong><br />

gegenüber Fosfomycin<br />

findet sich auch innerhalb <strong>der</strong><br />

Genospezies Yersinia enterocolitica<br />

(Tab. 5), und eine Subspezies-spezifische<br />

ist möglicherweise innerhalb<br />

<strong>der</strong> Spezies Klebsiella pneumoniae<br />

auffindbar [19]. Über die zugrundeliegenden<br />

Mechanismen ist noch wenig<br />

bekannt. Möglicherweise bedingt<br />

ein verän<strong>der</strong>tes L-α-Glycerophosphat-Transport-(GlpT-)System<br />

(ein<br />

auch für Fosfomycin geeignetes<br />

Transportsystem in die Zelle) o<strong>der</strong><br />

eine vermin<strong>der</strong>te GlpT-Expression<br />

die geringere <strong>Empfindlichkeit</strong> einiger<br />

Biovare. Möglicherweise verringert<br />

auch die Expression des von<br />

Salmonella Typhi gebildeten Vi-<br />

Antigens, eines kapsulären aus<br />

N-Acetylglucosaminuronsäure bestehenden<br />

Polysaccharids, die Aufnahme<br />

des ebenfalls negativ geladenen<br />

Fosfomycins.<br />

Detektion <strong>der</strong> natürlichen<br />

Population<br />

Von wenigen Ausnahmen abgesehen<br />

repräsentiert die zum linken Peak<br />

einer bimodalen MHK-Häufigkeitsverteilung<br />

gehörende Population die<br />

natürliche Population. <strong>Die</strong> <strong>der</strong> <strong>Antibiotika</strong>-<strong>Empfindlichkeit</strong><br />

dieser Population<br />

zugrundeliegenden Mechanismen<br />

sind in <strong>der</strong> Regel chromosomal<br />

codiert und bei allen Stämmen<br />

<strong>der</strong> betreffenden Art genotypisch<br />

vorhanden. Üblicherweise ist die<br />

Anzahl <strong>der</strong> Stämme innerhalb <strong>der</strong><br />

132<br />

Chemotherapie Journal · 7. Jahrgang · Heft 4 / 1998


Stock · Wiedemann · <strong>Bestimmung</strong> <strong>der</strong> natürlichen <strong>Antibiotika</strong>-<strong>Empfindlichkeit</strong><br />

natürlichen Population wesentlich<br />

höher als die Anzahl <strong>der</strong> Stämme<br />

mit einer vermin<strong>der</strong>ten <strong>Empfindlichkeit</strong><br />

(sekundär resistente Stämme,<br />

rechter Peak <strong>der</strong> Bimodalverteilung).<br />

Innerhalb <strong>der</strong> Enterobacteriaceae gilt<br />

dies unter an<strong>der</strong>em für die Chinolone,<br />

Carbapeneme, Aztreonam und<br />

einige Cephalosporine. In einigen<br />

wenigen Fällen ist die natürliche<br />

Population aber kleiner als die sekundär<br />

resistente Population. So<br />

zeigte sich bei unseren Untersuchungen<br />

zur natürlichen <strong>Empfindlichkeit</strong><br />

von E. coli, daß 68 % von 139 E.-<br />

coli-Stämmen klinisch resistent und<br />

32 % klinisch sensibel gegenüber<br />

Sulfamethoxazol waren [17]. Dennoch<br />

ist E. coli natürlich sensibel gegenüber<br />

Sulfamethoxazol, da (1)<br />

zahlreiche Literaturdaten eine weitverbreitete<br />

plasmidcodierte Sulfamethoxazol-Resistenz<br />

bei E. coli belegen<br />

und (2) bei Annahme einer<br />

natürlichen Resistenz gegenüber dieser<br />

Substanz ein Mechanismus für<br />

die zahlreichen sekundär sensiblen<br />

Stämme (siehe unten) postuliert werden<br />

müßte.<br />

Problematisch kann eine Datenanalyse<br />

werden, wenn nur einzelne<br />

Stämme gegenüber einer Substanz<br />

eine gewisse „niedrige“ <strong>Empfindlichkeit</strong><br />

aufweisen, die meisten an<strong>der</strong>en<br />

Stämme aber wesentlich weniger<br />

empfindlich sind. <strong>Die</strong>s kann insbeson<strong>der</strong>e<br />

dann gelten, wenn nur eine<br />

kleine Population einer Art (n ≤ 20)<br />

untersucht werden kann und nur wenig<br />

über die Resistenzmechanismen<br />

<strong>der</strong> Spezies gegenüber dieser Substanz<br />

bekannt ist. So kann beispielsweise<br />

nicht sicher gesagt werden,<br />

daß Escherichia hermannii natürlich<br />

resistent gegenüber Sulfamethoxazol<br />

ist. Innerhalb unserer Studien wurde<br />

die <strong>Empfindlichkeit</strong> von 20 E.-hermanni-Isolaten<br />

gegenüber dieser<br />

Substanz getestet; 85 % <strong>der</strong> Stämme<br />

waren klinisch resistent, aber 15 %<br />

(3 Stämme) klinisch sensibel gegenüber<br />

Sulfamethoxazol [17]. Treten<br />

einzelne Stämme mit einer niedrigen<br />

<strong>Empfindlichkeit</strong> bei Untersuchungen<br />

größerer Populationen auf,<br />

so ist allerdings davon auszugehen,<br />

daß <strong>der</strong> rechte Peak <strong>der</strong> Bimodalverteilung<br />

die natürliche Population präsentiert.<br />

Sekundär sensible Stämme<br />

(siehe unten) sollten zur Absicherung<br />

<strong>der</strong> Ergebnisse näher charakterisiert<br />

werden.<br />

Probleme bei <strong>der</strong><br />

<strong>Bestimmung</strong> <strong>der</strong><br />

natürlichen <strong>Antibiotika</strong>-<br />

<strong>Empfindlichkeit</strong><br />

Im folgenden werden einige weitere<br />

Probleme bei <strong>der</strong> <strong>Bestimmung</strong> <strong>der</strong><br />

natürlichen <strong>Antibiotika</strong>-<strong>Empfindlichkeit</strong><br />

anhand von Beispielen einiger<br />

Spezies aus <strong>der</strong> Familie <strong>der</strong><br />

Enterobacteriaceae diskutiert.<br />

Natürliche <strong>Empfindlichkeit</strong> von<br />

Providencia stuartii gegenüber<br />

Aminoglykosiden vom Gentamicin-<br />

Typ<br />

Aufgrund <strong>der</strong> von uns erhaltenen<br />

MHK-Häufigkeitsverteilungen müßte<br />

P. stuartii als natürlich sensibel, intermediär<br />

und resistent gegenüber<br />

Aminoglykosiden vom Gentamicin-<br />

Typ (Gentamicin, Netilmicin und<br />

Tobramycin) eingestuft werden (mit<br />

einer MHK-Spannweite <strong>der</strong> natürlichen<br />

Population von 1 bis 16 mg/l<br />

gegenüber Gentamicin und ähnlichen<br />

Verteilungen gegenüber Netilmicin<br />

und Tobramycin werden die<br />

Verteilungen nach den meisten Standards<br />

allen drei Bewertungsstufen<br />

zugeordnet) [15]. In <strong>der</strong> Literatur ist<br />

allerdings eine natürliche Resistenz<br />

von P. stuartii gegenüber den genannten<br />

Aminoglykosiden aufgrund<br />

einer chromosomal codierten, die betreffenden<br />

<strong>Antibiotika</strong> inaktivierenden<br />

2´-N-Acetyltransferase [AAC(2´)-<br />

Ia] beschrieben, welche offensichtlich<br />

in allen Stämmen <strong>der</strong> Art<br />

gefunden werden kann [12]. Zwar<br />

konnten wir in unseren Studien keine<br />

einheitliche Resistenz von P. stuartii<br />

gegenüber diesen Aminoglykosiden<br />

auffinden, dennoch erwies sich P.<br />

stuartii als weniger empfindlich gegenüber<br />

diesen Substanzen als<br />

gleichfalls untersuchte P.-rettgeri-,<br />

P.-alcalifaciens- und P.-rustigianii-<br />

Stämme [15]. Eine an<strong>der</strong>e Arbeitsgruppe<br />

konnte zeigen, daß die Acetyltransferase<br />

von P. stuartii in <strong>der</strong><br />

Regel nur auf einem niedrigen Niveau<br />

exprimiert wird, daß aber eine<br />

vollständige Expression des Enzyms<br />

eine Resistenz gegenüber Aminoglykosiden<br />

vom Gentamicin-Typ bedingt<br />

[12]. Nach mehrfachem Überimpfen<br />

und erneuter <strong>Empfindlichkeit</strong>stestung<br />

wiesen in unserer Studie<br />

zwei P.-stuartii-Stämme tatsächlich<br />

MHK-Werte von 16 mg/l gegenüber<br />

Gentamicin, Tobramycin und Netilmicin<br />

auf (erste Messung 2 mg/l) [19].<br />

Aufgrund des vorhandenen „Resistenzpotentials“<br />

schlagen wir deshalb<br />

– trotz an<strong>der</strong>slauten<strong>der</strong> Daten<br />

aus <strong>der</strong> <strong>Empfindlichkeit</strong>sbestimmung<br />

– vor, P. stuartii als natürlich<br />

resistent gegenüber Gentamicin,<br />

Tobramycin und Netilmicin zu betrachten.<br />

Natürliche <strong>Empfindlichkeit</strong> von<br />

Providencia-Spezies gegenüber Beta-<br />

Lactam-<strong>Antibiotika</strong> [15]<br />

Bei einigen Spezies ist die natürliche<br />

<strong>Empfindlichkeit</strong> gegenüber bestimmten<br />

<strong>Antibiotika</strong> nicht o<strong>der</strong> nur<br />

schwer zu ermitteln, weil sehr breite,<br />

flache und häufig polymodale Häufigkeitsverteilungen<br />

gemessen werden,<br />

so daß natürliche Populationen<br />

kaum detektierbar sind. So war in<br />

unseren Studien die natürliche <strong>Empfindlichkeit</strong><br />

von Providencia-Spezies<br />

gegenüber Aminopenicillinen und<br />

gegenüber Cefaclor, Cefazolin und<br />

Loracarbef sowie die natürliche<br />

<strong>Empfindlichkeit</strong> von P. alcalifaciens<br />

gegenüber Ticarcillin nur grob abschätzbar<br />

o<strong>der</strong> nicht zu bestimmen.<br />

Natürliche Resistenz gegenüber<br />

Beta-Lactam-<strong>Antibiotika</strong> bei Providencia-Stämmen<br />

ist wahrscheinlich<br />

auf bisher kaum charakterisierte<br />

chromosomal codierte, induzierbare<br />

Beta-Lactamasen zurückzuführen.<br />

Nach unseren Ergebnissen verursachen<br />

bereits kleine Variationen des<br />

Inokulums Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> MHK-<br />

Werte über einige Konzentrationsintervalle.<br />

Mit einem Inokulum von<br />

10 6 KBE/ml waren bestimmte Stämme<br />

aller untersuchter Providencia-<br />

Spezies gegenüber Dritt- und Viertgenerations-Cephalosporinen<br />

(z. B.<br />

Ceftazidim und Cefepim) resistent.<br />

Aber auch Ergebnisse von wie<strong>der</strong>holten<br />

MHK-<strong>Bestimmung</strong>en mit einem<br />

konstanten Inokulum waren in<br />

den Studien variabel. So erwies sich<br />

ein P.-alcalifaciens-Stamm in zwei<br />

von vier parallel angesetzten <strong>Empfindlichkeit</strong>stests<br />

(bei einem konstanten<br />

Inokulum von 1 x 10 5 KBE/ml)<br />

als klinisch empfindlich (MHK 0,5<br />

bzw. 2 mg/l), in einem Test als<br />

klinisch intermediär (MHK 8 mg/l)<br />

und in einem weiteren Test als<br />

klinisch resistent (MHK 32 mg/l)<br />

Chemotherapie Journal · 7. Jahrgang · Heft 4 / 1998 133


Stock · Wiedemann · <strong>Bestimmung</strong> <strong>der</strong> natürlichen <strong>Antibiotika</strong>-<strong>Empfindlichkeit</strong><br />

gegenüber Loracarbef. Ähnliche Ergebnisse<br />

ließen sich auch mit einigen<br />

Stämmen an<strong>der</strong>er Providencia-Spezies<br />

gegenüber Loracarbef, Cefaclor,<br />

Cefazolin und den Aminopenicillinen<br />

(mit und ohne Clavulansäure<br />

o<strong>der</strong> Sulbactam) sowie mit einigen<br />

P.-alcalifaciens-Stämmen gegenüber<br />

Ticarcillin erzielen. <strong>Die</strong> unterschiedlichen<br />

Ergebnisse sind möglicherweise<br />

auf eine unterschiedliche<br />

Ausprägung <strong>der</strong> Beta-Lactamase-<br />

Expression innerhalb eines Providencia-Stammes<br />

zurückzuführen.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> beschriebenen Daten<br />

schlagen wir vor, Providencia-<br />

Arten als natürlich resistent gegenüber<br />

Aminopenicillinen (in Anwesenheit<br />

und Abwesenheit von<br />

Clavulansäure o<strong>der</strong> Sulbactam), Cefaclor,<br />

Cefazolin und Loracarbef<br />

einzustufen. Darüber hinaus sollte<br />

P. alcalifaciens als natürlich resistent<br />

gegenüber Ticarcillin angesehen<br />

werden.<br />

Es bleibt zu diskutieren, ob Providencien<br />

aufgrund ihres „Resistenzpotentials“<br />

als natürlich resistent gegenüber<br />

Dritt- und Viertgenerations-<br />

Cephalosporinen eingestuft werden<br />

sollten. Wir verzichten zunächst auf<br />

einen solchen Vorschlag, da bei einem<br />

Inokulum von 1x10 5 gegenüber<br />

diesen Cephalosporinen in unseren<br />

Studien eine natürliche Population<br />

zu detektieren war, die als klinisch<br />

sensibel einzustufen ist. Darüber<br />

hinaus waren bei wie<strong>der</strong>holten Messungen<br />

– bei einem Inokulum von<br />

1x10 5 KBE/ml – die MHK-Werte<br />

dieser Cephalosporine reproduzierbar<br />

(± eine Stufe).<br />

Bei Vorliegen breiter und flacher<br />

Häufigkeitsverteilungen empfiehlt<br />

sich eine Wie<strong>der</strong>holung <strong>der</strong> <strong>Empfindlichkeit</strong>stests<br />

unter genauer Beachtung<br />

des Inokulums mit einem<br />

Stammkollektiv aus einem möglichst<br />

weiten Konzentrationsbereich <strong>der</strong><br />

zuvor erhaltenen Häufigkeitsverteilung.<br />

Natürliche <strong>Empfindlichkeit</strong> von<br />

Rahnella aquatilis gegenüber<br />

Makroliden [5, 19]<br />

In unseren Studien erwiesen sich<br />

vier von 45 getesteten Rahnella-<br />

Stämmen als klinisch intermediär<br />

gegenüber Erythromycin, Roxithromycin<br />

und Clarithromycin (MHK-<br />

Werte 1–4 mg/l), <strong>der</strong> Rest <strong>der</strong><br />

Stämme war klinisch resistent<br />

(MHK-Werte >16 mg/l). Es ist anzunehmen,<br />

daß die niedrigen MHK-<br />

Werte auf Verän<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong><br />

äußeren Membran dieser Stämme<br />

zurückzuführen sind, die eine Penetration<br />

<strong>der</strong> Makrolide in das Zellinnere<br />

ermöglichen. Hierfür spricht<br />

auch die hohe <strong>Empfindlichkeit</strong><br />

dieser Stämme gegenüber Clindamycin<br />

(0,5–2 mg/l), Dalfopristin (0,5–<br />

4 mg/l) und Fusidinsäure (2–8 mg/l),<br />

Substanzen, gegenüber denen an<strong>der</strong>e<br />

getestete Rahnella-Stämme und alle<br />

bisher von uns untersuchten Enterobacteriaceae-Spezies<br />

nur eine geringe<br />

<strong>Empfindlichkeit</strong> aufweisen. Da<br />

davon auszugehen ist, daß die gramnegative<br />

Zellwand <strong>der</strong> Enterobacteriaceae<br />

für Lincosamine, Streptogramine<br />

und Fusidinsäure eine Penetrationsbarriere<br />

darstellt, bezeichnen<br />

wir die zum rechten Peak gehörende<br />

Population <strong>der</strong> MHK-Häufigkeitsverteilung<br />

von R. aquatilis gegenüber<br />

den Makroliden als die natürliche<br />

Population und die zum linken –<br />

weitaus kleineren – Peak gehörende<br />

Population als Population mit einer<br />

vergrößerten <strong>Empfindlichkeit</strong>; die zu<br />

ihr gehörenen Stämme sind sekundär<br />

sensibel. Es ist allerdings nicht völlig<br />

auszuschließen, daß die gegenüber<br />

den genannten Substanzen sekundär<br />

sensiblen Stämme zu einer an<strong>der</strong>en<br />

Rahnella-Spezies gehören. Seit<br />

kurzem ist bekannt, daß R. aquatilis<br />

aus mindestens drei phänotypisch<br />

nicht eindeutig voneinan<strong>der</strong> unterscheidbaren<br />

Genospezies besteht [3].<br />

Weitere <strong>Empfindlichkeit</strong>stests mit<br />

einem genotypisch voruntersuchten<br />

Stammkollektiv <strong>der</strong> drei Genomovare<br />

(ggf. in Verbindung mit DNS-<br />

DNS-Hybridisierungsstudien <strong>der</strong><br />

von uns detektierten auffälligen<br />

Stämme) können endgültig klären,<br />

ob diese Rahnella-Stämme „Membranmutanten“<br />

innerhalb <strong>der</strong> Genospezies<br />

des „Rahnella-aquatilis-<br />

Komplexes“ darstellen o<strong>der</strong> die<br />

natürliche <strong>Antibiotika</strong>-<strong>Empfindlichkeit</strong><br />

einer Rahnella-Genospezies<br />

repräsentieren.<br />

Natürliche <strong>Empfindlichkeit</strong> von<br />

Yersinia enterocolitica gegenüber<br />

Ticarcillin und Amoxicillin/<br />

Clavulansäure [16, 18, 19]<br />

In unseren Untersuchungen zur<br />

natürlichen <strong>Antibiotika</strong>-<strong>Empfindlichkeit</strong><br />

von Yersinia enterocolitica<br />

zeigten sich Biovar-abhängige Unterschiede<br />

in <strong>der</strong> <strong>Empfindlichkeit</strong><br />

gegenüber bestimmten Beta-Lactam-<br />

<strong>Antibiotika</strong>, insbeson<strong>der</strong>e gegenüber<br />

Ticarcillin und Amoxicillin in Kombination<br />

mit Clavulansäure. Aufgrund<br />

<strong>der</strong> vorhandenen <strong>Empfindlichkeit</strong>sdaten<br />

mußten für jedes<br />

Biovar „natürliche Populationen“<br />

postuliert werden. So war Y. enterocolitica<br />

Biovar 3 „natürlich sensibel“<br />

gegenüber Ticarcillin, während alle<br />

Stämme von Y. enterocolitica Biovar<br />

4 als „natürlich resistent“ gegenüber<br />

dieser Substanz einzustufen waren.<br />

<strong>Die</strong>se Ergebnisse stehen in einem<br />

offensichtlichen Wi<strong>der</strong>spruch zu <strong>der</strong><br />

Tatsache, daß Y. enterocolitica nur<br />

eine – wenn auch heterogene – Genospezies<br />

darstellt. Nach weiteren<br />

Untersuchungen erwies es sich allerdings<br />

als wahrscheinlich, daß die gefundenen<br />

Unterschiede in <strong>der</strong> <strong>Empfindlichkeit</strong><br />

gegenüber bestimmten<br />

Beta-Lactamen auf eine von Biovar<br />

zu Biovar (und auch innerhalb bestimmter<br />

Biovare) unterschiedliche<br />

Expression <strong>der</strong> chromosomal codierten<br />

Beta-Lactamase A und Beta-Lactamase<br />

B zurückzuführen ist. Nach<br />

phänotypischen Untersuchungen<br />

exprimieren alle Y.-enterocolitica-<br />

Stämme im nicht-induzierten Zustand<br />

Enzym B, Enzym A und Enzym<br />

B o<strong>der</strong> vornehmlich Enzym A,<br />

ein Hinweis auf an<strong>der</strong>e Beta-Lactamasen<br />

war nicht zu erhalten. Allerdings<br />

konnten im Biovar 1A, bei<br />

einigen Stämmen von Biovar 1B und<br />

bei den meisten Ticarcillin-empfindlichen<br />

Stämmen von Biovar 3 die<br />

Gene für die Beta-Lactamase A und<br />

Beta-Lactamase B nicht mit einer<br />

Polymerase-Kettenreaktion detektiert<br />

werden. Es ist anzunehmen, daß<br />

innerhalb dieser Biovare Mutationen<br />

in den Beta-Lactamase-Genen eine<br />

Verän<strong>der</strong>ung im genetischen Code<br />

bedingen, die eine Detektion <strong>der</strong><br />

Beta-Lactamasen mit den von uns<br />

verwendeten Primern nicht zulassen.<br />

Auch eine unterschiedliche Ausstattung<br />

<strong>der</strong> Biovare mit Metaboliten<br />

könnte die Detektion <strong>der</strong> Gene verhin<strong>der</strong>n.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> bei den Biovaren 2,<br />

4 und 5 bereits nachgewiesenen<br />

Gene für die Beta-Lactamasen A und<br />

B sowie aufgrund <strong>der</strong> phänotypischen<br />

Hinweise auf die Expression<br />

eines o<strong>der</strong> bei<strong>der</strong> Enzyme (bzw. des<br />

134<br />

Chemotherapie Journal · 7. Jahrgang · Heft 4 / 1998


Stock · Wiedemann · <strong>Bestimmung</strong> <strong>der</strong> natürlichen <strong>Antibiotika</strong>-<strong>Empfindlichkeit</strong><br />

fehlenden Hinweises auf weitere<br />

Enzyme) bei allen Y.-enterocolitica-<br />

Stämmen sollte die Spezies Y. enterocolitica<br />

– unabhängig von <strong>der</strong><br />

<strong>Empfindlichkeit</strong> des einzelnen Stammes<br />

– als natürlich resistent gegenüber<br />

Ticarcillin und Amoxicillin in<br />

Kombination mit Clavulansäure eingestuft<br />

werden. In <strong>der</strong> Praxis besitzen<br />

alle Y.-enterocolitica-Biovare<br />

klinische Bedeutung und werden in<br />

<strong>der</strong> Routine nur in wenigen Fällen<br />

bio- o<strong>der</strong> serotypisiert.<br />

Literatur<br />

1. Adam D, Thoma K. In: <strong>Antibiotika</strong> – Neue<br />

Wirkstoffe und Darreichungsformen.<br />

Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft,<br />

1994, 17-8.<br />

2. Brandis H, Köhler W, Eggers HJ, Pulverer<br />

G. In: Lehrbuch <strong>der</strong> Medizinischen<br />

Mikrobiologie. Stuttgart: Gustav Fischer<br />

Verlag, 1994:309.<br />

3. Brenner DJ, Müller HE, Steigerwalt AG,<br />

Whitney AM, et al. Two new Rahnella<br />

genomospecies that cannot be phenotypically<br />

differentiated from Rahnella aquatilis.<br />

Int J Syst Bacteriol 1998;48:141-9.<br />

4. Burger A, Wachter H. In: Hunnius – Pharmazeutisches<br />

Wörterbuch. Berlin: Walter<br />

de Gruyter-Verlag, 1998:1178.<br />

5. Grüger T. Natürliche <strong>Empfindlichkeit</strong> <strong>der</strong><br />

Gattungen Serratia, Enterobacter und<br />

Rahnella gegenüber <strong>Antibiotika</strong>. Diplomarbeit,<br />

Pharmazeutische Mikrobiologie,<br />

Bonn, 1997.<br />

6. Hahn H, Falke D, Klein P. Resistenz. In:<br />

Hahn H., et al., Hrsg. Medizinische<br />

Mikrobiologie. Heidelberg: Springer-<br />

Verlag, 1991:591.<br />

7. Helwig H. In: <strong>Antibiotika</strong> – Chemotherapeutika:<br />

Grundlagen, Anwendung, Gefahren.<br />

Ein Leitfaden für die Praxis.<br />

Stuttgart: Georg Thieme Verlag, 1989:30.<br />

8. Kayser FH, Bienz KA, Eckert J, Zinkernagel<br />

RM. In: Medizinische Mikrobiologie.<br />

Stuttgart: Georg-Thieme-Verlag, 1998:<br />

193.<br />

9. Knothe H, Dette GA. In: <strong>Antibiotika</strong> in <strong>der</strong><br />

Klinik. Zug: Aesopus Verlag, 1984:123.<br />

10. Otten H, Plempel M, Siegenthaler W.<br />

In: <strong>Antibiotika</strong>-Fibel. Stuttgart: Georg<br />

Thieme Verlag, 1975:23.<br />

11. Potel J. Klinische Mikrobiologie. Stuttgart:<br />

Gustav Fischer Verlag, 1982:69.<br />

12. Rather PN, Orosz E, Shaw KJ, Hare R, et.<br />

al. Characterization and transcriptional<br />

regulation of the 2´-N-acetyltransferase<br />

gene from Providencia stuartii. J Bacteriol<br />

1993;175:6492-8.<br />

13. Stock I, Wiedemann B. Natürliche <strong>Antibiotika</strong>-<strong>Empfindlichkeit</strong><br />

von Proteus-Spezies<br />

im Proteus-vulgaris-Komplex. Chemother<br />

J 1997;6:76-84.<br />

14. Stock I, Wiedemann B. Identification and<br />

natural antibiotic susceptibility of Morganella<br />

morganii. Diagn Microbiol Infect<br />

Dis 1998;30:153-65.<br />

15. Stock I, Wiedemann B. Natural antibiotic<br />

susceptibility of Providencia stuartii, Providencia<br />

rettgeri, Providencia alcalifaciens<br />

and Providencia rustigianii strains.<br />

J Med Microbiol 1998;47:629-42.<br />

16. Stock I, Wiedemann B. An in-vitro study<br />

of the antimicrobial susceptibilities of Yersinia<br />

enterocolitica and the definition of a<br />

database. J Antimicrob Chemother. Zur<br />

Publikation angenommen.<br />

17. Stock I, Wiedemann B. Natural antibiotic<br />

susceptibility of Escherichia coli,<br />

Shigella, E. vulneris and E. hermannii<br />

strains. Diagn Microbiol Infect Dis. Zur<br />

Publikation angenommen.<br />

18. Stock I, Wiedemann B. β-Lactam susceptibility<br />

and β-lactamases in Yersinia enterocolitica<br />

biovar 2, Y. enterocolitica<br />

biovar 4 and Y. enterocolitica biovar<br />

5 strains. In Vorbereitung.<br />

19. Stock I, Wiedemann B. Unveröffentlichte<br />

Ergebnisse.<br />

Chemotherapie Journal · 7. Jahrgang · Heft 4 / 1998 135

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!