Die Bestimmung der natürlichen Antibiotika-Empfindlichkeit
Die Bestimmung der natürlichen Antibiotika-Empfindlichkeit
Die Bestimmung der natürlichen Antibiotika-Empfindlichkeit
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Stock · Wiedemann · <strong>Bestimmung</strong> <strong>der</strong> natürlichen <strong>Antibiotika</strong>-<strong>Empfindlichkeit</strong><br />
Tab. 1. Resistenztypen und -definitionen in <strong>der</strong> Literatur (Auswahl)<br />
Natürliche Resistenz<br />
– Genetisch bestimmte Resistenz [7]<br />
– Genetisch fixierte Rassen- o<strong>der</strong> Spezies-Eigenschaft; als Wirkungslücke im antibakteriellen<br />
Wirkungsspektrum eines Chemotherapeutikums erkennbar [10]<br />
– Genetisch bedingte Unempfindlichkeit einer Bakterienart gegen ein bestimmtes<br />
Antibiotikum [1]<br />
– Beruht auf stets vorhandener genetisch bedingter Unempfindlichkeit einer Bakterienart<br />
gegenüber einem Antibiotikum [6]<br />
– Beruht auf natürlichen Eigenschaften <strong>der</strong> Mikroorganismen [4]<br />
– Eigenschaft einer Bakterienart, -gattung, -familie [8]<br />
– Alle bislang isolierten Stämme einer Art o<strong>der</strong> Gattung sind gegen ein Antibiotikum<br />
resistent [2].<br />
– Alle Keime aller Keimpopulationen einer bestimmten Keimart sind gegenüber dem<br />
bestimmten Chemotherapeutikum unempfindlich (Spezies-Resistenz) [9].<br />
Erworbene Resistenz<br />
– Erworbene Wi<strong>der</strong>standsfähigkeit von Organismen gegen <strong>Antibiotika</strong> und Chemotherapeutika<br />
infolge von Mutationen, extrachromosomalen Übertragungen o<strong>der</strong> Phagen [4]<br />
– Stämme empfindlicher Taxa erwerben durch Än<strong>der</strong>ung ihres Erbguts die Eigenschaft<br />
Resistenz [8].<br />
– Resistenz gegenüber einem Antibiotikum ist auf einen Teil <strong>der</strong> Stämme einer Spezies<br />
begrenzt [2].<br />
– Auftreten resistenter Varianten in einer normalerweise empfindlichen Population. Man<br />
unterscheidet zwei Unterformen (primäre und sekundäre Resistenz) [11].<br />
Sekundäre Resistenz<br />
– Resistenz, die durch Selektion und Mutation unter <strong>Antibiotika</strong>-Wirkung auftritt [1]<br />
– Entsteht während <strong>der</strong> <strong>Antibiotika</strong>-Therapie. Durch Kontakt mit dem Antibiotikum kommt<br />
es zur Selektion resistenter Varianten, die in großen Bakterienpopulationen in geringer Zahl<br />
vorkommen [6].<br />
– Während <strong>der</strong> Therapie entstehende Resistenz infolge Selektion resistenter Varianten [7].<br />
– Auftreten resistenter Varianten in Populationen von Mikroorganismen, die normalerweise<br />
gegenüber einem Chemotherapeutikum empfindlich sind. Einzelorganismen aus einer<br />
empfindlichen Population, die während des Kontaktes mit einem Antibiotikum verringerte<br />
o<strong>der</strong> fehlende <strong>Empfindlichkeit</strong> entwickeln, sind sekundär resistent [10].<br />
– Liegt vor, wenn nach Beginn <strong>der</strong> Therapie einzelne Keime einer zuvor empfindlichen Bakterienpopulation<br />
einer empfindlichen Keimart gegen das eingesetzte Chemotherapeutikum<br />
resistent geworden sind (erworbene Resistenz im engeren Sinne). <strong>Die</strong> Verbreitung dieser<br />
Resistenz erfolgt vertikal, d. h. durch Zellteilung, und damit artgebunden [9].<br />
Primäre Resistenz<br />
– Auftreten resistenter Varianten in Populationen von Mikroorganismen, die normalerweise<br />
gegenüber einem Chemotherapeutikum empfindlich sind. Einzelorganismen aus einer<br />
empfindlichen Population, die ohne vorherigen Kontakt mit einem Antibiotikum verringerte<br />
o<strong>der</strong> fehlende <strong>Empfindlichkeit</strong> entwickeln, sind primär resistent [10].<br />
– Liegt vor, wenn innerhalb einzelner Populationen einer üblicherweise empfindlichen Keimart<br />
einzelne Keime bereits vor Beginn <strong>der</strong> Therapie mit einem bestimmten Antibiotikum gegen<br />
dieses resistent sind [9]<br />
– Ein Teil <strong>der</strong> vorkommenden Bakterienstämme einer Art sind resistent, ein an<strong>der</strong>er<br />
empfindlich [1].<br />
Infektiöse Resistenz<br />
– Eigenschaft <strong>der</strong> Unempfindlichkeit gegenüber einem bestimmten Chemotherapeutikum<br />
o<strong>der</strong> gegenüber mehreren, chemisch nicht verwandten Chemotherapeutika wird unabhängig<br />
vom Beginn <strong>der</strong> Therapie von resistenten Keimen auf zuvor sensible Keime <strong>der</strong>selben<br />
Spezies o<strong>der</strong> unterschiedlichen Keimarten übertragen (erworbene Resistenz im weiteren<br />
Sinne, übertragbare Resistenz) [9]. <strong>Die</strong> Ausbreitung dieser Resistenz erfolgt horizontal [9].<br />
Übertragbare Resistenz<br />
– Resistenz, bei <strong>der</strong> extrachromosomal gelagertes Genmaterial durch Konjugation unter<br />
Einschaltung eines „Resistenz-Transfer-Faktors“ von einer Bakterienart auf die an<strong>der</strong>e<br />
übertragen wird [7]<br />
– Beruht auf Übertragung genetischen Materials von einer Bakterienzelle auf eine an<strong>der</strong>e [1]<br />
Mutations-Resistenz<br />
– Steht in keiner Beziehung zu einer vorangegangenen <strong>Antibiotika</strong>-Therapie. Einzelne durch<br />
Mutation resistent gewordene Zellen einer Bakterienpopulation vermehren sich erst in<br />
stärkerem Maße, wenn sie durch eine <strong>Antibiotika</strong>-Behandlung selektioniert werden [6].<br />
– Resistenz durch vorausgegegangene Therapie [7]<br />
Infektionen mit einem bekannten<br />
Erreger(spektrum) kann auf die begleitende<br />
<strong>Empfindlichkeit</strong>stestung<br />
und die Anwendung <strong>der</strong>artiger <strong>Antibiotika</strong><br />
in <strong>der</strong> Therapie verzichtet<br />
werden.<br />
Der folgende Beitrag erläutert das<br />
methodische Vorgehen für die <strong>Bestimmung</strong><br />
und eine sicherere Evaluierung<br />
<strong>der</strong> natürlichen <strong>Antibiotika</strong>-<br />
<strong>Empfindlichkeit</strong>. Beson<strong>der</strong>heiten<br />
und auftretende Schwierigkeiten bei<br />
<strong>der</strong> Dateninterpretation werden am<br />
Beispiel einiger Bakterienarten aus<br />
<strong>der</strong> Familie <strong>der</strong> Enterobacteriaceae<br />
diskutiert. Hierbei werden auch<br />
natürliche Resistenzmechanismen<br />
untersucht. Es wird ein Vorschlag für<br />
eine klare Definition von Begriffen<br />
gegeben, die die natürliche <strong>Antibiotika</strong>-<strong>Empfindlichkeit</strong><br />
betreffen.<br />
Schließlich ist eine Übersicht über<br />
die natürliche <strong>Antibiotika</strong>-Resistenz<br />
einiger Enterobacteriaceae-Taxa dargestellt.<br />
Begriffsbestimmungen zur<br />
<strong>Antibiotika</strong>-<strong>Empfindlichkeit</strong><br />
In <strong>der</strong> Literatur existiert eine Reihe<br />
unterschiedlicher und verwirren<strong>der</strong><br />
Definitionen zu Begriffen, die die<br />
<strong>Antibiotika</strong>-<strong>Empfindlichkeit</strong> von<br />
Bakterien beschreiben. So werden in<br />
Lehrbüchern und Lexika zahlreiche<br />
„Formen“ <strong>der</strong> Resistenz genannt,<br />
aber unterschiedlich definiert (Tab.<br />
1). Primärresistenz wird zum Teil<br />
synonym mit natürlicher, zum Teil<br />
als Untergruppe <strong>der</strong> erworbenen Resistenz<br />
verstanden. Vom Wortstamm<br />
synonyme Begriffe wie sekundäre<br />
und erworbene Resistenz werden unterschiedlich<br />
definiert. <strong>Die</strong> Berechtigung<br />
einiger Resistenzbegriffe wie<br />
„Mutationsresistenz“ und „infektiöse<br />
Resistenz“ ist nach unserer Auffassung<br />
zu überprüfen. Definitionen zu<br />
Begriffen <strong>der</strong> natürlichen <strong>Antibiotika</strong>-<strong>Empfindlichkeit</strong><br />
fehlen in <strong>der</strong><br />
Regel in <strong>der</strong> Literatur.<br />
Natürliche <strong>Antibiotika</strong>-<br />
<strong>Empfindlichkeit</strong><br />
Beim Auftrag <strong>der</strong> minimalen Hemmkonzentration<br />
(MHK) eines bestimmten<br />
Antibiotikums gegen die<br />
Anzahl <strong>der</strong> gefundenen Stämme mit<br />
dem entsprechenden MHK-Wert er-<br />
128<br />
Chemotherapie Journal · 7. Jahrgang · Heft 4 / 1998