Ausgabe 45 - Landesverband Paritätischer Niedersachsen e.V.
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„Ich lebe mich sehr schwer wieder ein!“<br />
Gisela Melloh war auf dem Jakobsweg unterwegs<br />
In vier Monaten - vom<br />
2. März bis zum 29. Juni<br />
dieses Jahres - erfüllte sich<br />
die heute 49 jährige Klein-<br />
Berkelerin Gisela Melloh<br />
einen Traum, den immer<br />
mehr Menschen erträumen,<br />
Glücklich angekommen<br />
am Ziel des 3000 Kilometer<br />
langen Pilgerweges: Gisela<br />
Melloh vor der St.Jakobus-<br />
Cahthedrale in Santiagogo<br />
de Compostela in Spanien<br />
doch aller Voraussicht nach<br />
nie verwirklichen werden:<br />
Für einige Wochen und Monate<br />
das Leben eines Pilgers<br />
auf dem berühmtesten Pilgerpfand<br />
der Welt, dem Jakobsweg,<br />
zu führen. An die<br />
3000 Kilometer Fußmarsch<br />
in vier Monaten zwischen<br />
Klein Berkel und der Wallfahrtkirche<br />
des Heiligen<br />
Jakobus im spanischen Ort<br />
Santiago de Compostela<br />
hat die Hausfrau und Mutter<br />
von zwei erwachsenen<br />
Töchtern hinter sich und<br />
ist um viele beglückende<br />
Erfahrungen und Begegnungen<br />
reicher. Als Gisela<br />
Melloh vor einem halben<br />
Jahr ihrem Mann und ihren<br />
beiden Töchtern von ihrem<br />
Entschluss berichtete, sich<br />
auf eine Pilgerreise zum<br />
Heiligen Jakob zu begeben,<br />
war die spontane Reaktion<br />
der Töchter „das ist wieder<br />
mal so eine verrückte Idee<br />
von Mama!“.<br />
Zunächst in Richtung Sauerland<br />
um dort den Pilgersegen<br />
zu empfangen<br />
Aus dieser „verrückten<br />
Idee“ wurde dann allerdings<br />
rasch Wirklichkeit:<br />
Am 2. März marschierte<br />
die damals noch 48jährige<br />
vom Heideweg 54 in Richtung<br />
Sauerland los. Warum<br />
ausgerechnet Sauerland:<br />
In der Jabokskirche im Ort<br />
Remlinghausen beginnt der<br />
Weg zum Grab des Christusjüngers<br />
in Deutschland.<br />
In der kleinen Dorfkiche<br />
spendete der katholische<br />
Pfarrer der Protestantin aus<br />
Hameln Klein-Berkel den<br />
Pilgersegen und entließ sie<br />
auf ihren beeindruckenden,<br />
aber beschwerlichen Weg<br />
quer durch den Süden Europas.<br />
Den erforderlichen<br />
Pilgerpass besaß Gisela<br />
Melloh bereits, sie bekam<br />
ihn wenige Tage vor ihrem<br />
offiziellen Pilgersegen in<br />
der Jakobsbruderschaft,<br />
die in einem Dörfchen bei<br />
Blomberg in Lippe residiert.<br />
Manchmal das Gefühl<br />
„nicht bei mir zu sein“<br />
Ob es an Pilgerpass und<br />
Pilgersegen gelegen haben<br />
mag, Gisela Melloh<br />
jedenfalls fühlte sich währen<br />
ihrer gesamten Pilgerreise<br />
„in einer Aura des<br />
Beschütztseins“, die sich<br />
während der gesamten Reise<br />
bis zum Ziel der Grabeskirche<br />
des Heiligen Jakobus<br />
in Santiago de Compostela<br />
verstärkt habe: „Manchmal<br />
hatte ich das Gefühl nicht<br />
bei mir zu sein und trotzdem<br />
genoss ich es“.<br />
Man lernt für sich<br />
alleine zu entscheiden<br />
Auf der ersten langen Etappe<br />
durch das französische<br />
Zentralmassiv bis Le Luy<br />
- ein Fußweg von 1700 Kilometer<br />
- habe sie lediglich<br />
zwei Pilger getroffen, die<br />
wie sie die gesamte, ebenso<br />
beschwerliche wie beglückende<br />
Wallfahrt auf Schusters<br />
Rappen unterwegs<br />
waren. „Wie weit gehe ich,<br />
wenn ich nur für mich selber<br />
entscheiden kann“ fragte<br />
sich Gisela Melloh immer<br />
häufiger und beobachtete<br />
beim Hineinhorchen in sich<br />
selber „ich bin unabhängig<br />
geworden von der Meinung<br />
anderer“.<br />
Viele besondere<br />
Erfahrungen gemacht<br />
Endlich zu Hause aber so „ganz richtig angekommen“ ist<br />
Gisela Melloh noch nicht. Auf einer Landkarte im Wintergarten<br />
hat ihr Mann einige Monate lang jeden Tag eine<br />
neue farbige Nadel enlang des Jakobwegs gesteckt. Die<br />
Jakobsmuschel, die jeder ernsthafte Pilger mit sich trägt,<br />
habe ihrer Mutter gehört<br />
Zur Unabhängig während<br />
einer strapaziösen Selbstfindungstour<br />
gehört das<br />
Verständigen in fremden<br />
Sprachen: „Als ich im März<br />
losmarschiert bin, konnte<br />
ich mich nicht einmal<br />
mühsam mit ein paar Brocken<br />
Spanisch und Französisch<br />
verständigen“. Als<br />
sie am 29. Juni wieder am<br />
Heideweg 54 „als anderer<br />
Mensch“ heimkehrte, konnte<br />
sie sich „ganz gut in den<br />
beiden Sprachen unterhalten“.<br />
Eine besondere Erfahrung<br />
machte die Pilgerin:<br />
„In Deutschland werden die<br />
Pilger in Hotels und Herbergen<br />
häufig ausgenommen“.<br />
In den echten Pilgerherbergen<br />
in Frankreich und Spanien<br />
schliefen die Menschen<br />
zwar in einfach ausgestatteten<br />
Gruppenräumen, da-<br />
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