Zwischen Konkurrenz und Kooperation â Wohnungsunternehmen ...
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Geographisches Institut der<br />
Universität zu Köln<br />
<strong>Zwischen</strong> <strong>Konkurrenz</strong> <strong>und</strong> <strong>Kooperation</strong> – <strong>Wohnungsunternehmen</strong> als Akteure<br />
der Quartiersentwicklung<br />
Diplomarbeit<br />
vorgelegt von<br />
Stefan Zens<br />
betreut durch<br />
Prof. Dr. Frauke Kraas<br />
Prof. Dipl.-Ing. Ulli Meisel<br />
Köln, im März 2012
Zusammenkommen ist ein Beginn, zusammenbleiben ist ein Fortschritt, zusammenarbeiten<br />
ist ein Erfolg.<br />
Henry Ford<br />
Aufgr<strong>und</strong> der besseren Lesbarkeit wird in dieser Diplomarbeit für alle Personenbezeichnungen<br />
die männliche Form (Experte, Bewohner etc.) gewählt. Die Inhalte beziehen sich<br />
jedoch in gleichem Maße sowohl auf Frauen als auch auf Männer. Die weibliche Form<br />
wird dabei stets mitgedacht.<br />
II
Zusammenfassung: Diese Diplomarbeit setzt<br />
sich mit der Fragestellung auseinander, warum<br />
immer mehr <strong>Wohnungsunternehmen</strong> den Raum<br />
des Quartiers als Handlungsebene definieren<br />
<strong>und</strong> – vor allem im Blick auf benachteiligte<br />
Quartiere – Quartiersentwicklung leisten. Zudem<br />
wird der besondere Fall betrachtet, in dem<br />
es in der Quartiersentwicklung zur <strong>Kooperation</strong><br />
von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> ohne staatliche<br />
Intervention (Zwang, Initiierung, Subventionen)<br />
kommt. Ist diese Art von <strong>Kooperation</strong> ein<br />
wohnungswirtschaftliches Instrument der Quartiersentwicklung?<br />
Unter welchen Bedingungen<br />
kann sie zustande kommen?<br />
In dieser Arbeit wird ein qualitativer Ansatz<br />
verwendet, der die wissenschaftliche mit der<br />
nicht-wissenschaftlichen (grauen) Literatur<br />
verbindet, da die bisher vorhandene Literatur<br />
zur Quartiersentwicklung durch <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
<strong>und</strong> zu solchen <strong>Kooperation</strong>sformen<br />
noch sehr begrenzt ist. Dieser Ansatz wird<br />
empirisch ergänzt durch die qualitative Methode<br />
der Experteninterviews, die es ermöglicht,<br />
neue Sachverhalte <strong>und</strong> Themenfelder im Laufe<br />
der Untersuchung zu explorieren. Im Ergebnis<br />
stellt sich heraus, dass <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
in der Quartiersentwicklung sehr leistungsfähig<br />
sein können, wenn gewisse Prämissen erfüllt<br />
sind. Die <strong>Kooperation</strong> von <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
wird anhand des Gefangenendilemmas<br />
auf der Quartiersebene untersucht <strong>und</strong> unter<br />
Bezugnahme der Experteninterviews auf die<br />
Praxis hin überprüft. Es wird deutlich, dass<br />
auch die <strong>Kooperation</strong> an gewisse Prämissen<br />
geknüpft ist. Sind diese erfüllt, kann die <strong>Kooperation</strong><br />
als ein effektives Instrument der<br />
Quartiersentwicklung verstanden werden, durch<br />
das es zu »Win-win-win-Situationen« kommen<br />
kann.<br />
Abstract: This diploma thesis discusses, why a<br />
rising number of housing companies define the<br />
neighbourhood as their operating level and<br />
provide neighbourhood development, especially<br />
with regard to disadvantaged neighbourhoods.<br />
Furthermore, the special case is examined,<br />
that housing companies cooperate in<br />
neighbourhood development without public<br />
intervention (force, initiation, subsidisation). Is<br />
this kind of cooperation an instrument in<br />
neighbourhood development by housing companies?<br />
Under what conditions could it possibly<br />
appear?<br />
This diploma thesis uses a qualitative approach<br />
that combines academical and non-acadamical<br />
(grey) literature, given that the actual literature<br />
on neighbourhood development by housing<br />
companies and on such forms of cooperation is<br />
limited. Expert interviews complement the<br />
approach empirically and enable to explore new<br />
issues. Finally, housing companies shape up as<br />
rather efficient in neighbourhood development<br />
if certain premises are complied with. The cooperation<br />
between housing companies is analysed<br />
on the basis of the 'prisoner’s dilemma'<br />
on neighbourhood level. The expert interviews<br />
enable to apply the theoretical results on the<br />
practice. It becomes apparent that cooperation<br />
too is bo<strong>und</strong> to certain premises. If these premises<br />
are complied with, cooperation can be seen<br />
as an effective instrument in neighbourhood<br />
development, that can open up 'win-win-winsituations'.<br />
III
Verzeichnisse<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Abbildungsverzeichnis ............................................................................................... VIII<br />
Abkürzungsverzeichnis ................................................................................................. IX<br />
1 Einleitung..................................................................................................................1<br />
1.1 Einführung <strong>und</strong> Problemstellung .............................................................................1<br />
1.2 Zielsetzung <strong>und</strong> Forschungsfrage ............................................................................3<br />
1.3 Untersuchungsaufbau .............................................................................................3<br />
2 Methodologische Positionierung <strong>und</strong> Methodenwahl .............................................5<br />
2.1 Qualitativer oder quantitativer Untersuchungsansatz? .............................................5<br />
2.2 Einordnung im qualitativen Ansatz .........................................................................6<br />
2.3 Methodenwahl <strong>und</strong> Vorgehensweise: Experteninterviews .......................................7<br />
2.3.1 Auswahl der Experten <strong>und</strong> Codierung .......................................................................7<br />
2.3.2 Gewinnung der Interviewpartner ...............................................................................8<br />
2.3.3 Interviewleitfaden <strong>und</strong> Interviewablauf .....................................................................9<br />
2.3.4 Interviewauswertung ............................................................................................... 10<br />
2.4 Besonderheiten im explorativen Untersuchungsansatz .......................................... 11<br />
3 Explikation: »Quartier« <strong>und</strong> »<strong>Kooperation</strong>«........................................................ 12<br />
3.1 Definition <strong>und</strong> Abgrenzung des Begriffs Quartier ................................................. 13<br />
3.2 Quartiersdefinition im Untersuchungsverständnis ................................................. 15<br />
3.3 Definition des Begriffs <strong>Kooperation</strong> ..................................................................... 15<br />
4 Wohnungswirtschaft <strong>und</strong> <strong>Wohnungsunternehmen</strong> .............................................. 17<br />
4.1 Aktuelle Situation auf dem Wohnungsmarkt in Deutschland ................................. 17<br />
4.2 Der Wohnungsmarkt ............................................................................................. 18<br />
4.3 Wohnen statt Wohnung: „Wohnst du noch oder lebst du schon?“ ......................... 20<br />
4.3.1 Das Produkt Wohnung ............................................................................................ 20<br />
4.3.2 Wandel der Wohnbedürfnisse – die Verbindung zum Quartier ................................. 22<br />
4.4 Dienstleistungen in der Wohnungswirtschaft ........................................................ 23<br />
IV
Verzeichnisse<br />
4.5 Wohnungsbestand in Deutschland: Struktur nach Nutzungsart .............................. 24<br />
4.6. Anbieter auf dem Wohnungsmarkt ....................................................................... 24<br />
4.7. <strong>Wohnungsunternehmen</strong> ........................................................................................ 26<br />
5 Gesellschaftliche Entwicklungsprozesse <strong>und</strong> ihr Einfluss auf Quartiere <strong>und</strong><br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong> ......................................................................................... 32<br />
5.1 Demographischer Wandel ..................................................................................... 32<br />
5.2 Haushaltsentwicklung ........................................................................................... 34<br />
5.3 Weitere gesellschaftliche Entwicklungsprozesse ................................................... 36<br />
5.4 Folgen für Quartiere <strong>und</strong> <strong>Wohnungsunternehmen</strong> ................................................. 38<br />
6 Quartier: Akteure, Entwicklung <strong>und</strong> Entstehung benachteiligter Quartiere ...... 44<br />
6.1 Quartiere als Betrachtungs- <strong>und</strong> Handlungsebene ................................................. 44<br />
6.2 Akteure im Quartier .............................................................................................. 45<br />
6.3 Quartiersentwicklung im Untersuchungskontext ................................................... 46<br />
6.4 Entwicklungsprozesse von Quartieren im Nutzungszyklusmodell ......................... 47<br />
6.5 Theorieansätze zur Entstehung benachteiligter Quartiere ...................................... 50<br />
6.5.1 Investitionsverhalten der Eigentümer – ein strategisches Dilemma? ......................... 51<br />
6.5.2 Exkurs: »Prisoner‘s Dillema«: ................................................................................. 54<br />
6.5.3 Interdependenz der Wohnungsmärkte <strong>und</strong> Auswirkung auf ein Quartier - ..................<br />
Der Filtering-Prozess <strong>und</strong> der Ansatz des segmentierten Wohnungsmarktes ............ 55<br />
6.6 Merkmale benachteiligter Quartiere ...................................................................... 58<br />
7 <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> Quartiersentwicklung ............................................ 60<br />
7.1 Verfahren der Quartiersentwicklung ..................................................................... 60<br />
7.2 Das Quartier als Handlungsebene für <strong>Wohnungsunternehmen</strong> .............................. 62<br />
7.3 Quartiersentwicklung durch <strong>Wohnungsunternehmen</strong>: Ansatzpunkte <strong>und</strong><br />
Handlungsmöglichkeiten ...................................................................................... 64<br />
7.3.1 Kritische Masse: ..................................................................................................... 64<br />
7.3.2 Quartiersinvestitionen ............................................................................................. 64<br />
7.3.3 Ansatzpunkt – soziale, kulturelle <strong>und</strong> nicht-investive Maßnahmen ........................... 65<br />
7.3.4 Ansatzpunkt – baulich-technische <strong>und</strong> räumliche Maßnahmen................................. 67<br />
V
Verzeichnisse<br />
7.3.5 Ansatzpunkt – wohnbegleitende Dienstleistungen ................................................... 68<br />
7.3.6 Nutzen für <strong>Wohnungsunternehmen</strong> – eine Diskussion ............................................. 70<br />
7.4 Quartiersentwicklung durch die Zusammenarbeit ....................................................<br />
mit anderen Quartiersakteuren .............................................................................. 71<br />
7.5 Bewertung der Bedeutung von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> ..........................................<br />
in der Quartiersentwicklung .................................................................................. 73<br />
7.6 Bewertung der Handlungsfähigkeit von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> gegenüber<br />
Kommunen <strong>und</strong> privaten Kleineigentümern .......................................................... 74<br />
7.7 Zertifizierung von Quartieren................................................................................ 76<br />
7.8 Auslöser für (investives) Handeln von <strong>Wohnungsunternehmen</strong>............................. 77<br />
7.9 Wohnungswirtschaftliche Handlungsoptionen: .......................................................<br />
Erkennen durch Portfolio-Analyse ........................................................................ 77<br />
7.10 Strategische Quartiersentwicklung <strong>und</strong> konzeptionelle Handlungsempfehlung ...... 82<br />
7.11 Diskussion der Leistungsfähigkeit von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in der<br />
Quartiersentwicklung ............................................................................................ 85<br />
8 <strong>Kooperation</strong> von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in der Quartiersentwicklung ............ 89<br />
8.1 Investitionsdilemma auf Quartiersebene: Lösung durch <strong>Kooperation</strong>? .................. 89<br />
8.2 Blockadesituation im Investitionsdilemma <strong>und</strong> <strong>Kooperation</strong> ................................. 92<br />
8.2.1 Modellquartier »Ungewisse Zukunft« <strong>und</strong> Beispielszenarien ................................... 92<br />
8.2.2 Entstehung einer Blockadesituation auf Quartiersebene ........................................... 93<br />
8.2.3 Wege aus der Blockadesituation .............................................................................. 94<br />
8.3 <strong>Kooperation</strong> aus der Sicht der Experten ................................................................ 98<br />
8.3.1 Bedingungen unter denen <strong>Konkurrenz</strong> zugunsten ......................................................<br />
von <strong>Kooperation</strong> überw<strong>und</strong>en wird .......................................................................... 98<br />
8.3.2 Faktoren, die <strong>Kooperation</strong> auf Quartiersebene fördern/behindern ........................... 100<br />
8.3.3 Nutzen .................................................................................................................. 102<br />
8.4 <strong>Kooperation</strong> – ein Instrument wohnungswirtschaftlicher Quartiersentwicklung? . 103<br />
9 Zusammenführung <strong>und</strong> Diskussion der Ergebnisse ........................................... 105<br />
10 Fazit <strong>und</strong> Ausblick ............................................................................................... 110<br />
VI
Verzeichnisse<br />
11 Glossar .................................................................................................................. 112<br />
12 Quellenverzeichnis: .............................................................................................. 114<br />
12.1 Literaturverzeichnis ............................................................................................ 114<br />
12.2 Internetquellen .................................................................................................... 121<br />
12.3 Experteninterviews ............................................................................................. 123<br />
13 Anhang.................................................................................................................. 124<br />
VII
Verzeichnisse<br />
Abbildungsverzeichnis<br />
Abbildung 1: Auswahl der Experten <strong>und</strong> Codierung ...........................................................8<br />
Abbildung 2: Zusammensetzung des Produkts Wohnen ................................................... 22<br />
Abbildung 3: Dienstleistungskategorien ........................................................................... 23<br />
Abbildung 4: Anbieterstruktur auf dem deutschen Wohnungsmarkt 2006 ........................ 25<br />
Abbildung 5: Die Sinus-Milieus in Deutschland 2010 ...................................................... 42<br />
Abbildung 6: Betrachtungsebenen des Quartiers .............................................................. 44<br />
Abbildung 7: Quartiersakteure <strong>und</strong> Beziehungsgeflecht ................................................... 45<br />
Abbildung 8: Nutzungszyklen von (Wohn-) Immobilien <strong>und</strong> Wohnquartieren ................. 49<br />
Abbildung 9: Gefangenendilemma zweier <strong>Wohnungsunternehmen</strong> .................................. 51<br />
Abbildung 10: Prisoner‘s Dillema .................................................................................... 54<br />
Abbildung 11: Filtering-Prozess: Wohnung <strong>und</strong> Haushalte .............................................. 56<br />
Abbildung 12: Merkmale benachteiligter Quartiere .......................................................... 58<br />
Abbildung 13: Verfahren zur Quartiersentwicklung ......................................................... 61<br />
Abbildung 14: BCG-Portfoliomatrix <strong>und</strong> Normstrategien................................................. 78<br />
Abbildung 15: Strategische Quartiersentwicklung ............................................................ 84<br />
Abbildung 16: Quartiersentwicklung durch <strong>Wohnungsunternehmen</strong> ................................ 85<br />
Abbildung 17: Blockadesituation im Modellquartier ........................................................ 93<br />
Abbildung 18: Investitionen im Modellquartier ................................................................ 94<br />
Abbildung 19: <strong>Kooperation</strong> im Modellquartier ................................................................. 95<br />
Abbildung 20: Quartiersentwicklung durch <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> <strong>Kooperation</strong> ... 107<br />
VIII
Verzeichnisse<br />
Abkürzungsverzeichnis<br />
Abb.<br />
AG<br />
BBR<br />
BBSR<br />
BCG<br />
BFW<br />
BMVBS<br />
BR<br />
bzw.<br />
ca.<br />
Abbildung<br />
Aktiengesellschaft<br />
B<strong>und</strong>esamt für Bauwesen <strong>und</strong> Raumordnung<br />
B<strong>und</strong>esinstitut für Bau-, Stadt- <strong>und</strong> Raumforschung<br />
Boston Consulting Group<br />
B<strong>und</strong>esverband Freier Immobilien- <strong>und</strong> <strong>Wohnungsunternehmen</strong> e.V.<br />
B<strong>und</strong>esministerium für Verkehr, Bau <strong>und</strong> Stadtentwicklung<br />
Beratungsunternehmen<br />
beziehungsweise<br />
circa<br />
d. h. das heißt<br />
DIW<br />
DV<br />
e.G.<br />
e.V.<br />
ebd.<br />
et al.<br />
Ex<br />
GdW<br />
IfS<br />
InWIS<br />
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin<br />
Deutscher Verband für Wohnungswesen, Städtebau <strong>und</strong> Raumordnung e.V.<br />
eingetragene Genossenschaft<br />
eingetragener Verein<br />
ebenda<br />
<strong>und</strong> andere<br />
Experte(n)<br />
B<strong>und</strong>esverband deutscher Wohnungs- <strong>und</strong> Immobilienunternehmen e.V.<br />
Institut für Stadtforschung <strong>und</strong> Strukturpolitik GmbH<br />
Institut für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt- <strong>und</strong> Regionalentwicklung<br />
GmbH<br />
o. A. ohne Angabe(n)<br />
usw.<br />
VdW<br />
vgl.<br />
WU<br />
zit. n.<br />
Zn.<br />
<strong>und</strong> so weiter<br />
Verband deutscher Wohnungs- <strong>und</strong> Immobilienunternehmen<br />
vergleiche<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
zitiert nach<br />
Zeilennummer<br />
IX
1. Einleitung<br />
1. Einleitung<br />
1.1 Einführung <strong>und</strong> Problemstellung<br />
„Ob „Kreative Quartiere“, „Quartierserneuerung“ oder „Quartiersumbau“ – viele Akteure stürzen<br />
sich auf das Quartier als wichtige (stadt-)planerische Handlungsebene – nicht nur im Ruhrgebiet.<br />
Doch mit der Wohnungswirtschaft hat es das Quartier bislang nicht so leicht, denn die denkt rationell<br />
eher in Beständen. Aber in Teilen der Branche setzt sich die Erkenntnis durch, dass quartiersbezogenes<br />
Denken <strong>und</strong> Handeln auch einen Mehrwert bietet – für Wohnungswirtschaft,<br />
Stadt <strong>und</strong> Region.“ (Kraemer2011: 16)<br />
Stadt, Quartier, Bestände – das sind verschiedene Räume, in denen die Wohnungswirtschaft<br />
denkt. Warum aber richtet ein immer größer werdender Anteil der Wohnungswirtschaft<br />
sein Augenmerk gerade auf das Quartier als Handlungsebene?<br />
Im Gr<strong>und</strong>e ist eine Stadt die Anhäufung einer Vielzahl von Quartieren unterschiedlicher<br />
baulicher, physischer, symbolischer, historischer, demographischer <strong>und</strong> sozioökonomischer<br />
Strukturen (Jochimsen 2011: 36; Schnur 2008: 40). Quartiere als Räume des menschlichen<br />
Zusammenlebens sind daher häufig »Spiegelbilder« gesellschaftlicher Entwicklungstendenzen.<br />
Allerdings werden durch aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen die<br />
„Unterschiede zwischen bevorzugten <strong>und</strong> benachteiligten Quartieren […] größer. […] Die<br />
„räumliche Schere“ öffnet sich weiter!“ (Güles et al. 2010: 113). Aus diesem Blickwinkel<br />
ergibt sich der Raum des Quartiers als sehr komplexe, aber realisierbare Handlungs-, Betrachtungs-<br />
<strong>und</strong> Untersuchungsebene.<br />
In dieser Arbeit liegt der Fokus auf <strong>Wohnungsunternehmen</strong> als Teil der Wohnungswirtschaft,<br />
die als institutioneller Akteur in der Quartiersentwicklung unter gewissen Voraussetzungen<br />
von großer Bedeutung sind. Bestimmte gesellschaftliche Entwicklungsprozesse<br />
können sich über die Wohnungsnachfrage besonders stark auf den Wohnungsmarkt auswirken,<br />
sodass sich <strong>Wohnungsunternehmen</strong> im Laufe der letzten Dekaden neuen Herausforderungen<br />
stellen mussten. Ebenso muss sich das wohnungswirtschaftliche Handeln verändern,<br />
wenn diese Tendenzen nicht zum ,,Renditekiller‘‘ werden sollen (Schnur 2010:<br />
92). <strong>Wohnungsunternehmen</strong>, die unter diesen Marktbedingungen die beste K<strong>und</strong>enbindung<br />
erreichen, werden wirtschaftlich erfolgreich sein (Beuerle & Petter 2008: 21).<br />
Einige Städte bzw. Kommunen können durch eigene kommunale <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
die Wohnraumbelegung sowie die Gestalt von Wohnquartieren beeinflussen <strong>und</strong> somit<br />
negative Tendenzen abschwächen <strong>und</strong> der Bildung von benachteiligten Quartieren entgegenwirken.<br />
1
1. Einleitung<br />
Lange Zeit waren <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in der öffentlichen Wahrnehmung nicht von<br />
großer Bedeutung für die Regional- <strong>und</strong> Stadtplanung. Doch immer mehr müssen sie die<br />
Entwicklung von ganzen Quartieren übernehmen, nicht nur in physisch-baulicher Hinsicht<br />
(Fasselt & Sucato 2010: 151). Sie übernehmen zudem immer mehr Funktionen <strong>und</strong> Aufgaben<br />
der Kommunen, die diese aufgr<strong>und</strong> des zunehmenden Wegfalls kommunaler Steuerungsmöglichkeiten<br />
(»knapper Kassen«) nicht mehr leisten können. <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
werden in Quartieren zunehmend zu „Verwalter[n] der ungelösten Sozialstaatsprobleme“<br />
(GdW 1998: 24). Doch aus welchem Gr<strong>und</strong> übernehmen <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
solche Aufgaben <strong>und</strong> wie groß kann die Funktion von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in der Quartiersentwicklung<br />
sein?<br />
Häufig ist es der Fall, dass sich negative Tendenzen im Quartier (beispielsweise der Verfall<br />
einzelner Bestände) auf das Quartier als Ganzes auswirken, sodass auch andere Eigentümer<br />
im Quartier von solchen Entwicklungen betroffen sind.<br />
Daher werden trotz vermeintlicher <strong>Konkurrenz</strong> eigentümerübergreifende Quartierskonzepte<br />
immer mehr zur gängigen Praxis der Wohnungswirtschaft. Die „klassische ökonomische<br />
Portfoliobewertung mit ihrer räumlichen Ausrichtung“ (Meisel 2010: 26) ist jedoch nicht<br />
umfassend genug. Es kommt somit zunehmend zur Zusammenarbeit verschiedenster Akteure<br />
auf der Quartiersebene. „Ideal in fast jeder Situation, die eine Problemlösung erfordert,<br />
<strong>und</strong> insbesondere auch in der komplexen Situation demographischer Umbrüche in<br />
Wohnquartieren erscheint die <strong>Kooperation</strong>soption.“ (Schnur 2010: 109)<br />
Jedoch kommen solche <strong>Kooperation</strong>en häufig nur durch staatliche Interventionen (Subventionen<br />
oder Zwang) zustande (vgl. Bernt 2005) oder im rechtlichen Rahmen von Housing<br />
improvement districts (HID) <strong>und</strong> Neighbourhood improvement districts (NID). In der Praxis<br />
gibt es jedoch vereinzelte Beispiele, in denen <strong>Kooperation</strong>en von <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
in der Quartiersentwicklung ohne staatliche Intervention oder Initiierung zustande<br />
kommen. Aus dieser Divergenz stellt sich die Frage: Warum kooperieren <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
im gleichen Quartier in gewissen Situationen miteinander, anstatt in <strong>Konkurrenz</strong><br />
nebeneinander zu wirtschaften? Solche rein privatwirtschaftlichen <strong>Kooperation</strong>en stehen<br />
im Fokus dieser Arbeit. Dabei sollen vor allem die Bedingungen <strong>und</strong> Gründe, die solche<br />
<strong>Kooperation</strong>en ermöglichen, herausgestellt werden.<br />
2
1. Einleitung<br />
1.2 Zielsetzung <strong>und</strong> Forschungsfrage<br />
Aus der erläuterten Problemstellung ergeben sich verschiedene Fragen:<br />
- Was können <strong>Wohnungsunternehmen</strong> für die Quartiersentwicklung, vor allem im Blick<br />
auf benachteiligte Quartiere, unter den sich wandelnden Rahmenbedingungen leisten?<br />
- Warum bzw. unter welchen Bedingungen kooperieren <strong>Wohnungsunternehmen</strong> bei<br />
Quartiersentwicklungen?<br />
- Aus welchen Gründen kommt eine <strong>Kooperation</strong> nicht zustande?<br />
- Warum wird ohne staatlichen Einfluss kooperiert?<br />
Zielsetzung dieser Diplomarbeit ist es, die Leistungsfähigkeit von <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
in der Quartiersentwicklung zu untersuchen <strong>und</strong> zu überprüfen, ob die wohnungswirtschaftliche<br />
<strong>Kooperation</strong> ein geeignetes Instrument der Quartiersentwicklung ist, gerade<br />
im Blick auf aktuelle gesellschaftliche Entwicklungsprozesse. Aus der Problemstellung<br />
<strong>und</strong> Zielsetzung heraus lässt sich folgende Forschungsfrage entwickeln 1 :<br />
Wie leistungsfähig sind <strong>Wohnungsunternehmen</strong> für die Quartiersentwicklung<br />
<strong>und</strong> unter welchen Bedingungen wird <strong>Konkurrenz</strong> zugunsten von <strong>Kooperation</strong><br />
überw<strong>und</strong>en?<br />
1.3 Untersuchungsaufbau<br />
Nach Betrachtung der Problemstellung <strong>und</strong> Zielsetzung der Arbeit ergibt sich folgender<br />
Untersuchungsaufbau: Zu Beginn erfolgt in Kapitel 2 eine methodologische Positionierung,<br />
aus der im Anschluss die Methodenwahl der Experteninterviews begründet wird.<br />
Weiterhin werden Ausführung, Auswertung <strong>und</strong> Einarbeitung der Experteninterviews beschrieben,<br />
sowie die Besonderheiten, die sich durch die qualitative Methode ergeben haben.<br />
In Kapitel 3 finden eine Annäherung <strong>und</strong> Definition (unter besonderer Berücksichtigung<br />
des Untersuchungskontexts) der Begriffe »Quartier« <strong>und</strong> »<strong>Kooperation</strong>« statt.<br />
Anschließend erfolgt in Kapitel 4 eine Betrachtung der Wohnungswirtschaft <strong>und</strong> des<br />
Wohnungsmarktes in Deutschland. Die <strong>Wohnungsunternehmen</strong> sind als Teil dieses Sektors<br />
ein relevanter Betrachtungsgegenstand der Untersuchung.<br />
1 Nach Lamnek (2005: 21) findet bei einer qualitativen Untersuchung nicht eine Überprüfung von Hypothesen<br />
statt, sondern diese werden im Laufe der Untersuchung generiert. Aus diesem Gr<strong>und</strong> wird in dieser Diplomarbeit<br />
auf eine Hypothesenbildung ex ante verzichtet.<br />
3
1. Einleitung<br />
Darauf aufbauend werden in Kapitel 5 die für diese Untersuchung wichtigsten gesellschaftlichen<br />
Entwicklungsprozesse <strong>und</strong> deren Auswirkungen auf <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
<strong>und</strong> Quartiere dargestellt.<br />
Kapitel 6 beschäftigt sich mit dem für diese Arbeit relevanten Verständnis der Quartiersentwicklung.<br />
Der Fokus liegt in diesem Kapitel besonders auf der Vorstellung zweier Theorieansätze,<br />
die darstellen, wie es zur Bildung benachteiligter Quartiere kommen kann.<br />
In Kapitel 7 wird der Zusammenhang von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> Quartiersentwicklung<br />
herausgestellt. Dabei wird anhand der befragten Experten aufgezeigt, was <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
für die Quartiersentwicklung bereits leisten. Weiterhin wird dargestellt, wie<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong> anhand des Instruments der Portfolio-Analyse Handlungsstrategien<br />
für ihre Wohnungsbestände entwickeln. Im Anschluss daran wird die Übertragbarkeit<br />
auf die Quartiersebene überprüft <strong>und</strong> ein Handlungskonzept für eine ganzheitliche Quartiersentwicklung<br />
aufgezeigt.<br />
Kapitel 8 richtet den Blick auf den zweiten Teil der Forschungsfrage. An dieser Stelle<br />
wird ein Theorieansatz zur Entstehung von benachteiligten Quartieren aus Kapitel 5 hinzugezogen.<br />
Zur Veranschaulichung, werden anhand eines konstruierten Modellquartiers verschiedene<br />
Szenarien durchgespielt. Die Ergebnisse dieses Vorgangs stellen die Bedingungen<br />
für wohnungswirtschaftliche <strong>Kooperation</strong>en sowie deren Potenziale heraus. Abschließend<br />
wird bewertet, ob <strong>Kooperation</strong> ein geeignetes Instrument der Quartiersentwicklung<br />
ist.<br />
In Kapitel 9 werden die Ergebnisse der vorangehenden Kapitel zusammengeführt <strong>und</strong> unter<br />
dem Aspekt der Forschungsfrage zusammenhängend betrachtet.<br />
Kapitel 10 zieht ein ausblickendes Fazit.<br />
4
2. Untersuchungsaufbau <strong>und</strong> Methodenwahl<br />
2. Methodologische Positionierung <strong>und</strong> Methodenwahl<br />
2.1 Qualitativer oder quantitativer Untersuchungsansatz?<br />
Empirische Untersuchungen lassen sich allgemein in quantitative <strong>und</strong> qualitative Vorgehensweisen<br />
unterteilen (Gläser & Laudel 2010: 24), die jeweils eine Vielzahl von Methoden<br />
zur Erkenntnisgewinnung aufweisen 2 .<br />
Quantitative Untersuchungen wollen Sachverhalte vor allem erklären (Lamnek 2005: 245).<br />
Sie gehen in der Regel von einer bestehenden Theorie aus (Flick 2009: 22), arbeiten also<br />
deduktiv. Zu dieser Theorie werden häufig Hypothesen formuliert, die mittels standardisierter<br />
Methoden überprüft werden. Für die quantitative Untersuchung muss das theoretische<br />
Konzept durch bestimmte Indikatoren operationalisiert werden (Flick 2009: 22 f.).<br />
Nach Gläser & Laudel (2010: 26) ermöglichen es diese Untersuchungsstrategien durch<br />
eine statistische Analyse der gewonnenen Daten signifikante Zusammenhänge im Untersuchungsbereich<br />
zu identifizieren <strong>und</strong> auf Kausalzusammenhänge zu schließen. Ziel quantitativer<br />
Forschung ist es, die Ergebnisse außerhalb der Erhebungssituation auf Gültigkeit zu<br />
überprüfen <strong>und</strong> damit zu generalisieren (Flick 2009: 23). Der Vorteil dieser Untersuchungsstrategien<br />
liegt vor allem in den exakt quantifizierbaren Ergebnissen <strong>und</strong> der statistischen<br />
Repräsentativität. Nachteile weist dieser Ansatz besonders durch die starke Standardisierung<br />
<strong>und</strong> Strukturierung im Vorfeld auf, die nur ein eingeschränktes Blickfeld <strong>und</strong><br />
einen starren Untersuchungsablauf zulassen. Besonders im Kontext des Untersuchungsgegenstandes<br />
Quartier (als Handlungsfeld von <strong>Wohnungsunternehmen</strong>) ist zu kritisieren, dass<br />
dieser Ansatz die subjektiv relevanten Faktoren <strong>und</strong> somit die Einzigartigkeit dieses Handlungsfeldes<br />
nicht erfassen kann.<br />
Der qualitative Ansatz will Sachverhalte vor allem verstehen (Lamnek 2005: 245). Im Gegensatz<br />
zum quantitativen geht er „in der Regel nicht von einem theoretischen Modell des<br />
Gegenstandes aus <strong>und</strong> verzichtet entsprechend auf Hypothesen <strong>und</strong> Operationalisierung“<br />
(Flick 2009: 24), arbeitet also induktiv. Nach Gläser & Laudel (2010: 26) sucht diese Untersuchungsstrategie<br />
in bestimmten Prozessen <strong>und</strong> Situationen nach „Kausalmechanismen“.<br />
Diese erzeugen unter gewissen „Bedingungen“ gewisse „Effekte“, versuchen also,<br />
„Ursachen“ <strong>und</strong> „Wirkungen“ zu identifizieren (ebd.). Im Gegensatz zur quantitativen<br />
nutzt die qualitative Forschung offenere Methoden der Datenerhebung. Dabei rückt die<br />
Repräsentativität eher in den Hintergr<strong>und</strong> (Flick 2009: 24). Die Auswahl der Fälle verläuft<br />
2 Diese strikte Zweiteilung muss es aber in der Forschungspraxis nicht unbedingt geben, häufig kommt es zu<br />
Überschneidungen <strong>und</strong> die Ansätze komplementieren sich (Gläser & Laudel 2010: 25).<br />
5
2. Untersuchungsaufbau <strong>und</strong> Methodenwahl<br />
gezielter (demnach keine Zufallsstichprobe) <strong>und</strong> es werden meist nur wenige Fälle ausführlich<br />
analysiert (Gläser & Laudel 2010: 26). Die Datenauswertung erfolgt in diesem<br />
Ansatz eher interpretativ. Zentrale Prinzipien dieser Untersuchungsstrategie sind nach<br />
Lamnek (2005: 20 f.) „Offenheit, Forschung als Kommunikation, Prozesscharakter von<br />
Forschung <strong>und</strong> Gegenstand, Reflexibilität von Gegenstand <strong>und</strong> Analyse, Explikation <strong>und</strong><br />
Flexibilität.“ Vorteile des qualitativen Ansatzes liegen in der Ausführlichkeit, in der einzelne<br />
Fälle analysiert werden können sowie im größeren Spielraum, neue Erkenntnisse in<br />
die Untersuchung aufzunehmen. Ein Nachteil ist, dass die Ergebnisse dieser Untersuchungen<br />
nur schwer generalisiert werden können.<br />
2.2 Einordnung im qualitativen Ansatz<br />
Im Verlauf dieser Arbeit wird mit einer umfassenden Literaturrecherche gearbeitet. Diese<br />
wird durch eine ausgiebige Internetrecherche ergänzt, um so die Aktualität der Quellen zu<br />
gewährleisten. Dabei lässt sich feststellen, dass die vorhandene Literatur zur Quartiersentwicklung<br />
durch <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> zu <strong>Kooperation</strong>sformen von <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
noch sehr begrenzt ist. Die wissenschaftliche Fachliteratur beschäftigt sich lediglich<br />
mit getrennten Themenfeldern: Quartiersentwicklung wird vor allem im Kontext der<br />
Quartiersforschung unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen betrachtet. <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
als Unternehmensform <strong>und</strong> Akteur im Bereich der Wohnungswirtschaft<br />
werden als Untersuchungsgegenstand der Wirtschaftswissenschaften behandelt.<br />
Deshalb wird in dieser Arbeit ein qualitativer Untersuchungsansatz gewählt. Entscheidend<br />
dafür ist vor allem das Charakteristikum der Offenheit gegenüber dem Untersuchungsgegenstand.<br />
Dieses ermöglicht es, neue Sachverhalte <strong>und</strong> Themenfelder im Verlauf der Untersuchung<br />
zu identifizieren (Explorationsfunktion). Um der Begrenztheit der wissenschaftlichen<br />
Literatur im Bezug auf den Untersuchungsgegenstand zu begegnen, wird in<br />
dieser Untersuchung die wissenschaftliche mit der nicht wissenschaftlichen (grauen) Literatur<br />
verb<strong>und</strong>en. Dieser Ansatz wird empirisch ergänzt durch die qualitative Methode der<br />
Experteninterviews. Diese dient der Findung von Themenfeldern <strong>und</strong> Wirkungszusammenhängen<br />
im Bereich der Problemstellung <strong>und</strong> wird in der Arbeit integrativ verarbeitet.<br />
Hier zeigt sich nochmals die Stärke des qualitativen Ansatzes: Durch Charakteristika wie<br />
Kommunikation <strong>und</strong> Prozesshaftigkeit gelingt es, den Forschungsgegenstand so nah wie<br />
möglich an der Realität zu untersuchen <strong>und</strong> im Ansatz flexibel zu bleiben. Dadurch bleibt<br />
der Untersuchungsansatz jedoch auf einer sehr konzeptionellen Ebene.<br />
6
2. Untersuchungsaufbau <strong>und</strong> Methodenwahl<br />
2.3 Methodenwahl <strong>und</strong> Vorgehensweise: Experteninterviews<br />
„Experten [werden] als „Kristallisationspunkte“ praktischen Insiderwissens betrachtet <strong>und</strong> [stehen]<br />
stellvertretend für eine Vielzahl zu befragender Akteure.“ (Bogner & Menz 2005: 7)<br />
Es wurde bereits auf das Problem hingewiesen, dass der Zusammenhang von <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
<strong>und</strong> Quartiersentwicklung in der Fachliteratur noch nicht ausreichend vorhanden<br />
ist. Aus diesem Gr<strong>und</strong> kommt bei der vorliegenden Untersuchung eine qualitative<br />
Forschungsmethode zum Einsatz: die empirische Methode der Experteninterviews. Experteninterviews<br />
werden besonders für Untersuchungen eingesetzt, „in denen soziale Situationen<br />
oder Prozesse rekonstruiert werden sollen“ (Gläser & Laudel 2010: 13). In diesem Fall<br />
handelt es sich um Prozesse der Quartiersentwicklung durch <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong><br />
Situationen, in denen es zur <strong>Kooperation</strong> kommt. Da dieses Vorgehen für die vorliegende<br />
Themenstellung als besonders ertragreich erscheint, ist die Wahl auf qualitative Experteninterviews<br />
gefallen. Durch die Experteninterviews wird das zuvor erarbeitete theoretische<br />
Wissen durch das Wissen von Experten erweitert <strong>und</strong> neue Themenfelder werden erschlossen.<br />
Somit ist ein explorativer Charakter der Untersuchung gewährleistet.<br />
Ziel der Interviews ist es, das vorher unzureichende Wissen über die Leistungsfähigkeit<br />
von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in der Quartiersentwicklung empirisch zu erweitern <strong>und</strong><br />
Gründe für <strong>Kooperation</strong> zwischen <strong>Wohnungsunternehmen</strong> zu identifizieren. Dabei werden<br />
das Verständnis, sowie die Erfahrungen der Experten im Bereich Wohnungswirtschaft,<br />
Quartier, Quartiersentwicklung <strong>und</strong> der <strong>Kooperation</strong> zwischen <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
herausgearbeitet.<br />
2.3.1 Auswahl der Experten <strong>und</strong> Codierung<br />
„Die Auswahl der Interviewpartner wird durch die Entscheidung, welches Expertenwissen Gegenstand<br />
der Untersuchung ist, strukturiert.“ (Przyborski & Wohlrab-Sahr 2010: 134)<br />
Von der Problemstellung ausgehend wurde bei der Auswahl der Experten auf folgende<br />
Kriterien geachtet: Sie kommen vorwiegend aus Institutionen der Wohnungswirtschaft<br />
bzw. aus <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> stellen somit deren Vertreter dar (Flick 2004: 139).<br />
Sie sind in das Thema Themenfeld involviert <strong>und</strong> somit Experten. Insgesamt wurden 11<br />
Experten aus acht verschiedenen Institutionen interviewt (Abb. 1). In zwei Fällen handelt<br />
es sich um Vertreter von beratenden Institutionen der Wohnungswirtschaft. Die Experten<br />
werden aus Gründen der Anonymität folgendermaßen codiert:<br />
7
2. Untersuchungsaufbau <strong>und</strong> Methodenwahl<br />
Abbildung 1: Auswahl der Experten <strong>und</strong> Codierung<br />
Sonstige Institutionen<br />
bzw. Experten<br />
Private<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
Kommunale<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
Genossenschaften<br />
Experte1,<br />
Beratungsunternehmen 1:<br />
Experte 4,<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong> 2:<br />
Experte 2,<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong> 1:<br />
Experte11,<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong> 6:<br />
Ex1BR1<br />
Ex4WU2<br />
Ex2WU1<br />
Ex11WU6<br />
Experte 3,<br />
Beratungsunternehmen 2:<br />
Ex3BR2<br />
Experte 7,<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong> 4:<br />
Ex7WU4<br />
Experte 8,<br />
Experte 9,<br />
Experte 10,<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong> 5:<br />
Ex8WU5<br />
Ex9WU5<br />
Ex10WU5<br />
Experte 5,<br />
Experte 6,<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong> 3:<br />
Ex5WU3<br />
Ex6WU3<br />
Ex = Experte<br />
1,2,3, …. = zugewiesene Nummer<br />
BR = Beratungsunternehmen der Wohnungswirtschaft<br />
WU = <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
Zum Beispiel: Der erste Experte, der interviewt wurde, vertritt ein Beratungsunternehmen der<br />
Wohnungswirtschaft <strong>und</strong> erhält folgende Codierung: Ex1BR1. Die Codierung der <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
richtet sich ebenfalls nach der Reihenfolge der Interviews (WU1, WU2,…). Wenn die Experten<br />
in der Untersuchung als Quelle angegeben werden, wird dieser Code benutzt.<br />
Der Fokus der Problemstellung liegt unter anderem auf belasteten Quartieren in Regionen,<br />
die aktuell <strong>und</strong> zukünftig besonders von den Folgen des gesellschaftlichen <strong>und</strong> demographischen<br />
Wandels betroffen sind. Weiterhin ist das Blickfeld hauptsächlich auf die alten<br />
B<strong>und</strong>esländer beschränkt. Die ausgewählten Experten arbeiten daher auch in einer dementsprechenden<br />
Region: dem Ruhrgebiet. Eine Ausnahme stellt Experte 2 (Ex2WU2) aus einem<br />
kommunalen <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in Köln dar, da die Region um Köln bisher (<strong>und</strong><br />
voraussichtlich in Zukunft) Wachstumsregion bleibt. Als Beispiel für ein aufgr<strong>und</strong> seiner<br />
Performance am Wohnungsmarkt stark kritisiertes <strong>Wohnungsunternehmen</strong> wurde <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
5 befragt.<br />
2.3.2 Gewinnung der Interviewpartner<br />
Die zuvor ausgewählten <strong>Wohnungsunternehmen</strong> wurden per E-Mail kontaktiert <strong>und</strong> über<br />
die Problemstellung dieser Arbeit <strong>und</strong> deren Inhalt in Kenntnis gesetzt. Auf Anfrage wurde<br />
gegebenenfalls im Vorfeld der Interviewleitfaden zugeschickt, in einem Fall ein Exposé<br />
über das Thema der Arbeit. Teilweise entstand der Kontakt zu den einzelnen Experten<br />
durch Internetrecherche, teilweise durch Empfehlungen anderer Experten.<br />
8
2. Untersuchungsaufbau <strong>und</strong> Methodenwahl<br />
Besonderheiten bei der Auswahl<br />
„Manchmal macht auch erst der befragte Experte auf weitere potenzielle Gesprächspartner<br />
aus seinem Tätigkeitsfeld aufmerksam, die ähnliche oder aber auch konkurrierende Positionen<br />
vertreten.“ (Bogner & Menz 2005: 8). Dieser Prozess kommt bei der Untersuchung<br />
zum Tragen. <strong>Wohnungsunternehmen</strong> 5 wurde vor allem aufgr<strong>und</strong> teilweise kritischer Erwähnung<br />
durch die anderen Experten in Betracht gezogen. „In jedem Fall wird dem Forscher,<br />
der mit dem Vertrauensbonus des Experten in der Schlüsselposition ausgestattet ist,<br />
der Zugang zu einem erweiterten Expertenkreis erleichtert.“ (ebd.). Auch diese Aussage<br />
trifft für den Untersuchungsablauf zu. Bei <strong>Wohnungsunternehmen</strong> 4 kam der Kontakt nur<br />
mit Hilfe des „Vertrauensbonus“ von Experte 1 (Ex1BR1) zustande 3 . Experte 1 ermöglichte<br />
ebenfalls den Zugang zur Genossenschaft (WU6). Die Anfragen bei anderen Genossenschaften<br />
waren nicht erfolgreich. Insgesamt wurden 15 Institutionen aus dem Ruhrgebiet<br />
angeschrieben, von denen sich acht zu einem Interview bereit erklärten.<br />
2.3.3 Interviewleitfaden <strong>und</strong> Interviewablauf<br />
Experteninterviews werden „in der Regel als leitfadengestütztes Interview geführt“ (Gläser<br />
& Laudel 2010: 111), da themenspezifische Informationen erhoben werden, die genau bestimmbar<br />
sein sollen. So können auch in diesem Fall die Informationen auf eine gewisse<br />
Art verglichen werden. Der Leitfaden beinhaltet eine Reihe offener Fragen (ebd.) <strong>und</strong> besitzt<br />
eine Steuerungsfunktion, um das Interview immer wieder zurück zum eigentlichen<br />
Thema zu führen (Flick 2004: 139 ff.).<br />
Der Interviewleitfaden (vgl. Anhang) wurde auf Gr<strong>und</strong>lage der zuvor ausgewerteten Fachliteratur<br />
<strong>und</strong> unter Betrachtung der Problemstellung angefertigt. Er umfasst 16 bis 22 Fragen.<br />
Diese waren aber nur Leitfragen <strong>und</strong> wurden in manchen Interviews auch in abweichender<br />
Reihenfolge verwendet. In einigen Fällen wurden einzelne Fragen ausgelassen,<br />
wenn sie an anderer Stelle bereits in ausreichender Form beantwortet wurden. So entstand<br />
in allen acht Interviews eine Gesprächssituation, die es dem Experten ermöglichte, frei aus<br />
seinem (Experten-)Wissen zu erzählen. Durch die Leitfragen war der Weg zurück zur<br />
Problemstellung stets offen. In dieser Gesprächssituation konnten die Experten möglichst<br />
eigenständig viele Informationen präsentieren (Przyborki & Wohlrab-Sahr 2010: 134). In<br />
drei Interviews (<strong>Wohnungsunternehmen</strong> 2, 3 <strong>und</strong> 4) wurden zusätzlich Fragen zu einer<br />
<strong>Kooperation</strong> in Essen Vogelheim gestellt, an der die befragten <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
3 Die zuvor getätigten Anfragen via Telefon <strong>und</strong> E-Mail hatten keinen Erfolg. Experte 1 hatte einen Ansprechpartner<br />
genannt <strong>und</strong> darauf hingewiesen, auf seine Empfehlung hinzuweisen.<br />
9
2. Untersuchungsaufbau <strong>und</strong> Methodenwahl<br />
beteiligt waren. Die Interviews wurden alle mit einem digitalen Aufnahmegerät aufgezeichnet.<br />
2.3.4 Interviewauswertung<br />
Nach Lamnek (2005: 402) gibt es für qualitative Interviews eine Vielzahl von Auswertungsmöglichkeiten.<br />
In dieser Untersuchung wurden die Interviews nach einer pragmatischen<br />
Variante in vier Phasen (Lamnek 2005: 402 ff.) ausgewertet, allerdings in abgewandelter<br />
Form. Das stellt jedoch kein Problem dar, weil diese Auswertungsstruktur offen „für<br />
gegenstandsadäquate Modifikationen ist.“ (Lamnek 2005: 402).<br />
1- Phase der Transkription: Im ersten Schritt erfolgte eine Transkription der Interviews:<br />
Die digitalen Tonaufnahmen wurden verschriftlicht <strong>und</strong> in eine lesbare Form gebracht.<br />
Anders als es Lamnek (2005:403) vorschlägt, wurde aber auf das Vermerken nonverbaler<br />
Informationen verzichtet, da sie für die Interpretation als unerheblich gewertet werden.<br />
2- Phase der Einzelanalyse: Die Interviews wurden abschnittsweise in Form von Kommentaren<br />
neben dem Transkript auf die untersuchungsrelevanten Aussagen reduziert. Anschließend<br />
wurde eine „inhaltsanalytische Auswertung“ durchgeführt. Daraus ergaben sich<br />
reduzierte Kernaussagen.<br />
3- Phase der generalisierenden Analyse: In dieser Phase wurden die verschiedenen Kernaussagen<br />
der jeweiligen Interviews, die sich aus der Einzelanalyse ergaben, in einer Tabelle<br />
gegenübergestellt. So war es möglich, Gemeinsamkeiten <strong>und</strong> Unterschiede in den Aussagen<br />
der Experten herauszufiltern.<br />
4- Phase der Kontrolle: Das Interviewmaterial wurde fortlaufend verringert <strong>und</strong> reduziert.<br />
Daher wurden diese Reduktionen anhand der vollständigen Transkripte abschließend noch<br />
einmal auf Fehler kontrolliert.<br />
Im Verlauf der Arbeit werden für einzelne Themenfelder die Transkripte der Interviews<br />
teilweise im Original als Zitat oder Quellenverweis verwendet. Die Zitate werden durch<br />
Kursivstellung der Schrift kenntlich gemacht. Die vorherige Auswertung war hilfreich, um<br />
die jeweiligen Themenfelder in den Interviews zu identifizieren <strong>und</strong> neue Themenfelder zu<br />
explorieren. Durch die Gegenüberstellung der Kernaussagen konnte teilweise schon mittels<br />
Gemeinsamkeiten <strong>und</strong> Unterschieden ein Argumentationsstrang in den einzelnen Themenfeldern<br />
aufgebaut werden. Es war möglich, Kausalmechanismen zwischen gewissen Prozessen<br />
herzustellen.<br />
10
2. Untersuchungsaufbau <strong>und</strong> Methodenwahl<br />
2.4 Besonderheiten im explorativen Untersuchungsansatz<br />
In der anfänglichen Überlegung sollte die Untersuchung an einem realen Fallbeispiel<br />
(Quartier) erfolgen. In einer ersten Sondierung stellte sich jedoch heraus, dass dieses Vorgehen<br />
für die Bearbeitung der Problemstellung nicht geeignet war. Gründe dafür sind:<br />
- Es existieren wenige Beispiele, in denen nur <strong>Wohnungsunternehmen</strong> miteinander<br />
kooperieren.<br />
- Gerade bei den Entstehungsbedingungen bzw. Gründen für <strong>Kooperation</strong> bestehen<br />
noch Erkenntnislücken.<br />
- Die Komplexität des Quartierssystems erschwert die Feststellung von Kausalzusammenhängen<br />
in der Quartiersentwicklung. Das stellt ein Hindernis bei der Findung<br />
von Parallelen zwischen einzelnen Quartieren dar.<br />
Aus diesem Gr<strong>und</strong> wurde der explorative Ansatz gewählt. Das durch die Literaturrecherche<br />
gewonnene Vorwissen wurde in den Leitfragen gebündelt <strong>und</strong> somit die Interviews in<br />
Richtung Quartier <strong>und</strong> <strong>Kooperation</strong> gelenkt. Dies bedeutet jedoch keine einseitige Fokussierung,<br />
da die Aussagen der Experten im Nachhinein neue Themenfelder erschlossen.<br />
So wird beispielsweise unter dem Begriff der <strong>Kooperation</strong> von den Experten häufig die<br />
Zusammenarbeit mit anderen Akteuren <strong>und</strong> Institutionen verstanden. Das stimmt jedoch<br />
nicht mit dem <strong>Kooperation</strong>sverständnis dieser Untersuchung überein. Auf diese Diskrepanz<br />
geht Kapitel 3 näher ein. Weiterhin konnte herausgestellt werden, dass <strong>Kooperation</strong>en<br />
häufig von Vorurteilen belastet sind. Zudem wurde im Verlauf der Bearbeitung der Experteninterviews<br />
festgestellt, dass die Gründe für <strong>Kooperation</strong>en ohne staatliche Intervention<br />
an gewisse Bedingungen geknüpft sein müssen. In diesem Zusammenhang wurde Kapitel 8<br />
erstellt. Auch das Problem des Investitionsdilemmas <strong>und</strong> dessen Lösungsansatz (vgl. Kapitel<br />
6.5.1 <strong>und</strong> Kapitel 8.2) haben sich aus den Interviews ergeben.<br />
11
3. Explikation: Quartier <strong>und</strong> <strong>Kooperation</strong><br />
3. Explikation: »Quartier« <strong>und</strong> »<strong>Kooperation</strong>«<br />
„Urban social scientists have treated ‘neighbourhood’ in much the same way as courts of law<br />
have treated pornography: as a term that is hard to define precisely, but everyone knows it when<br />
they see it.“ (Galster 2001: 2111)<br />
Im allgemeinen Umgang mit dem Begriff Quartier hat fast jeder eine bestimmte Vorstellung<br />
von Quartier (Meisel 2012a: 231), doch die konkrete Definition von Quartier stellt<br />
auch für die Wissenschaft eine Herausforderung dar. Was ist ein Quartier genau? Wie wird<br />
ein Quartier abgegrenzt? Schnur & Markus (2010: 182) kritisieren, dass in der wissenschaftlichen<br />
Literatur häufig auf „einfache Vorab-Definitionen“ von Quartier verzichtet<br />
wird. Da dieser Kritik im Folgenden Rechnung getragen werden soll, wird dargelegt, was<br />
im Rahmen dieser Arbeit unter dem Begriff Quartier verstanden wird (vgl. Kapitel 3.1).<br />
Dabei wird auch das Quartiersverständnis der befragten Experten integriert, um zu garantieren,<br />
dass unter dem Quartiersverständnis die relevante wohnungswirtschaftliche Perspektive<br />
miteinbezogen ist.<br />
„Weder in der Literatur noch in der Wirtschaftspraxis hat sich bislang ein einheitlicher <strong>Kooperation</strong>sbegriff<br />
durchsetzten können; vielmehr ist er trotz oder wegen seiner vielfältigen Verbreitung<br />
schillernd <strong>und</strong> unscharf geblieben.“ (Schubert & Küting 1981: 118 zit. n. Balling1998: 13)<br />
Das gleiche Dilemma ergibt sich für den <strong>Kooperation</strong>sbegriff (vor allem im Bezug auf<br />
<strong>Kooperation</strong> von <strong>Wohnungsunternehmen</strong>). Diese Problematik wird auch bei den Experteninterviews<br />
deutlich, da die Experten <strong>Kooperation</strong> häufig als Zusammenarbeit mit anderen<br />
Quartiersakteuren (z. B. Kommune oder soziale Institutionen) verstehen. In dieser Arbeit<br />
wird jedoch die <strong>Kooperation</strong> von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> betrachtet, daher ist eine dementsprechende<br />
Präzision der Definition notwendig (Abschnitt 3.2). Deshalb wird in dieser<br />
Arbeit zwischen zwei <strong>Kooperation</strong>sformen unterschieden: die <strong>Kooperation</strong> von <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
<strong>und</strong> die Zusammenarbeit von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> mit anderen Akteuren.<br />
Die Notwendigkeit dieser Unterscheidung wurde erst im Verlauf der Experteninterviews<br />
deutlich.<br />
12
3. Explikation: Quartier <strong>und</strong> <strong>Kooperation</strong><br />
3.1 Definition <strong>und</strong> Abgrenzung des Begriffs Quartier<br />
Wissenschaftliche Quartierdefinitionen<br />
Nach Schnur (2008: 34) mangelt es in der deutschen Literatur an klaren Definitionen des<br />
Begriffs Quartier, obwohl der Begriff im deutschsprachigen Raum seit Jahrh<strong>und</strong>erten in<br />
Gebrauch ist. Weiter weist Schnur (ebd.) darauf hin, dass der Quartiersbegriff im wissenschaftlichen<br />
Kontext häufig verwendet wird, um administrative Begriffsbestimmungen wie<br />
Ortsteil oder Stadtteil zu vermeiden. Diese Begriffe beinhalten oft festgelegte Grenzen, die<br />
den „gewachsenen Alltagswelten“ nicht gerecht werden <strong>und</strong> diese gegebenenfalls auch<br />
negativ beeinflussen (ebd.). In der Literatur finden sich jedoch verstärkt räumlichphysische<br />
oder soziologische Quartiersdefinitionen, je nach Betrachtungsperspektive oder<br />
wissenschaftlicher Disziplin (Meisel 2012a: 231 ff.).<br />
Räumlich- physische Definition<br />
„[Ein Quartier ist eine] soziale <strong>und</strong> baulich-räumliche Gebietseinheit mittlerer Maßstabsebene,<br />
die sich innerhalb bebauter städtischer Gebiete von außen oder innen her abgrenzen lässt, sich<br />
von den umgebenden Siedlungsteilen unterscheidet, eine spezifische Qualität <strong>und</strong> Identität aufweist.<br />
Mehrere Quartiere bilden ggf. einen Stadtteil.“ (Frick 2008: 202)<br />
Im amerikanischen Sprachgebrauch wird der Begriff des Quartiers mit »Neighborhood«<br />
gleichgesetzt. Im Vergleich zum Quartier, dessen Impetus eher räumlich-physisch ist, hat<br />
der Begriff Neighborhood bereits einen soziologischen Horizont. Der Begriff umfasst nach<br />
Oxford Dicitionary folgende Dimensionen:<br />
- a district or community within a town or city (räumlich)<br />
- the area surro<strong>und</strong>ing a particular place, person or object (Relationsebene)<br />
- neighbourly feeling or conduct (gefühlt)<br />
Deshalb erscheint es notwendig, diese Dimensionen in das deutsche Quartiersverständnis<br />
einzubinden. Galster (2001: 2112) führt zehn Besonderheiten auf, durch die der Begriff<br />
,,Neighbourhood‘‘ greifbarer wird:<br />
1. Structural characteristics of the residential<br />
and non-residential building<br />
2. Infrastructural characteristics<br />
3. Demographic characteristics of the resident<br />
population<br />
4. Class status characteristics of the resident<br />
population<br />
5. Tax/public service package characteristics<br />
6. Environmental characteristics<br />
7. Proximity characteristics<br />
8. Political characteristics<br />
9. Social-interactive characteristics<br />
10. Sentimental characteristics<br />
13
3. Explikation: Quartier <strong>und</strong> <strong>Kooperation</strong><br />
Schnur (2008) begegnet der Kritik einer einseitig auf die räumlich-physische Dimension<br />
ausgerichteten Quartiersdefinition, indem er sie um eine sozialgeographische erweitert:<br />
„Ein Quartier ist ein kontextuell eingebetteter, durch externe <strong>und</strong> interne Handlungen sozial konstruierter,<br />
jedoch unscharf konturierter Mittelpunkt-Ort alltäglicher Lebenswelten <strong>und</strong> individueller<br />
sozialer Sphären, deren Schnittmengen sich im räumlich-identifikatorischen Zusammenhang<br />
eines überschaubaren Wohnumfeldes abbilden.“ (Schnur 2008: 40)<br />
Wohnungswirtschaftliche Perspektive- Quartiersdefinition der befragten Experten:<br />
Die befragten Experten aus der Wohnungswirtschaft haben ebenfalls Schwierigkeiten mit<br />
einer klaren Definition eines Quartiers. Teilweise wird bestätigt, dass es keine allgemeingültige<br />
Definition von Quartier gibt (Ex3BR2: Zn. 176; Ex4WU2: Zn. 133; Ex7WU4: Zn.<br />
343 ff.). Ein Quartier ist in der Regel durch seinen Siedlungszusammenhang räumlich abgeschlossen<br />
(Ex2WU1: Zn. 11 ff.). Es ist nicht eindeutig abgrenzbar, dennoch gibt es einen<br />
räumlichen, funktionalen <strong>und</strong> manchmal auch gefühlten Zusammenhang (Ex1BR1: Zn.<br />
217 ff.; Ex7WU4: Zn. 341 ff.). Auf einer subjektiven Ebene wird das Quartier durch die<br />
Mieter, also die Bewohner selbst, abgegrenzt. Diese Grenze muss nicht deckungsgleich mit<br />
der räumlichen Ebene sein (Ex2WU1: Zn. 12), die Bewohner in einem Quartier fühlen sich<br />
diesem irgendwie zugehörig (Ex1BR1: Zn. 227). Weiterhin gibt es einen sichtbaren Zusammenhang<br />
aus planerischer <strong>und</strong> städtebaulicher Sicht (Ex1BR1: Zn. 220). Aus wohnungswirtschaftlicher<br />
Perspektive – wenn eine Quartiersbetrachtung vorliegt – gibt es keine<br />
einheitliche Definition für Quartier. Auch hier sind die Perspektiven sehr differenziert.<br />
„Der erste Teil hat was mit Geographie <strong>und</strong> Immobilien zu tun <strong>und</strong> der zweite Teil ist eigentlich<br />
so der menschliche Aspekt, dass die Menschen ein Quartier ausmachen. Die Menschen, die gemeinsam<br />
über Jahrzehnte an einem Standort zusammengewachsen sind, die bilden letztendlich<br />
auch ein Quartier. Aber so eine richtige Definition bei uns im Unternehmen, dass wir sagen können:<br />
Das sind unsere Quartiere, die gibt es in dem Sinne nicht.“ (Ex11WU6: Zn. 141 ff.)<br />
Wenn man die Aussagen der Experten auf Gemeinsamkeiten analysiert, stellt man für die<br />
wohnungswirtschaftliche Quartiersbetrachtung Folgendes fest: Quartiere werden möglichst<br />
auf den eigenen Bestand definiert (Ex4WU2: Zn. 134 ff.; Ex2WU1: Zn.18 f.). Ist das nicht<br />
möglich, können auch Bestände anderer Eigentümer mit in die Quartiersabgrenzungen<br />
fallen (Ex6WU3: Zn 295 ff.; Ex7WU4: Zn. 369 ff.). Aus pragmatischen Gründen findet<br />
sich also eine eher physisch-räumliche Quartiersbetrachtung. Die meisten <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
sind sich jedoch bewusst, dass auch die subjektive Quartiersdefinition der Bewohner<br />
relevant ist. Auch soziale Aspekte spielen gerade in schrumpfenden Märkten eine immer<br />
wichtigere Rolle.<br />
14
3. Explikation: Quartier <strong>und</strong> <strong>Kooperation</strong><br />
3.2 Quartiersdefinition im Untersuchungsverständnis<br />
Aus den Quartiersdefinitionen der Wissenschaft <strong>und</strong> der Experten lässt sich die eingangs<br />
beschriebene Kritik nachvollziehen. Der Begriff wird je nach Perspektive anderes definiert.<br />
Selbst die oben aufgeführten Definitionen vermitteln nur einen kleinen Ausschnitt der Perspektiven<br />
verschiedener Kontexte. Im Zusammenhang dieser Arbeit soll unter besonderer<br />
Berücksichtigung des Quartiersverständnisses der Experten Folgendes unter einem Bestandsquartier<br />
verstanden werden. Das Quartier ist ein komplexes Gebilde mit jeweils individuellen<br />
Charakteristika. Diese lassen sich nicht in einer präzisen (engen) Definition<br />
abbilden. Um dieser Komplexität <strong>und</strong> Individualität gerecht zu werden, wird das Quartiersverständnis<br />
dieser Arbeit in einen weiten Rahmen gefasst.<br />
Pragmatisch<br />
Ein Quartier ist ein bestehender Raum in einem urbanen Gebiet mit überwiegender Wohnbebauung<br />
<strong>und</strong> einer gewissen sozialen <strong>und</strong> technischen infrastrukturellen Ausstattung. Es<br />
besteht ein räumlich-funktionaler Zusammenhang. Das Quartier hat keine definierte Größe,<br />
es ist aber kleiner als ein administrativer Stadtteil (kann jedoch auch mit diesem zusammenfallen)<br />
<strong>und</strong> größer als ein einzelnes Wohngebäude bzw. ein Gebäudekomplex.<br />
Ganzheitlich<br />
Für eine ganzheitliche Definition müssen soziale Aspekte <strong>und</strong> subjektive Sichtweisen berücksichtigt<br />
werden, die vor allem gewachsene Nachbarschaften <strong>und</strong> die alltäglichen Lebenswelten<br />
der Quartiersbewohner betrachten.<br />
3.3 Definition des Begriffs <strong>Kooperation</strong><br />
Laut Duden kommt der Begriff <strong>Kooperation</strong> vom lateinischen Wort „cooperatio“ <strong>und</strong> bedeutet<br />
Zusammenarbeit, besonders im politischen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Bereich. Im englischen<br />
Sprachgebrauch wird nach Oxford Dictionaries unter <strong>Kooperation</strong> eine Aktion oder<br />
ein Prozess des Arbeitens auf dasselbe Ziel hin verstanden. <strong>Kooperation</strong> ist demnach eine<br />
Form der Zusammenarbeit in bestimmten Aktionen oder Prozessen auf ein Ziel hin.<br />
Aus wirtschaftlicher Sicht ist unter <strong>Kooperation</strong> die Zusammenarbeit von zwei oder mehr<br />
rechtlich <strong>und</strong> wirtschaftlich selbstständigen Unternehmen zur Erhöhung der Wettbewerbsvorteile<br />
zu verstehen (Gabler 2010: 1781 f.). Doch kommt es in der unternehmerischen<br />
Praxis vor allem zu <strong>Kooperation</strong>en, „um technologische oder wirtschaftlich bedingte Veränderungs-<br />
bzw. Innovationsprozesse zu beherrschen.“ (Staudt et al. 1992: 3). In der Wohnungswirtschaft<br />
finden diese Veränderungs- <strong>und</strong> Innovationsprozesse ebenfalls (vgl. Kapi-<br />
15
3. Explikation: Quartier <strong>und</strong> <strong>Kooperation</strong><br />
tel 4) statt. Hinzu kommen gesellschaftliche Entwicklungsprozesse, die sich im Quartier<br />
widerspiegeln (vgl. Kapitel 5). Somit lässt sich im Bezug auf diese Arbeit das wirtschaftliche<br />
Verständnis von <strong>Kooperation</strong> auf <strong>Wohnungsunternehmen</strong> übertragen. Sie können<br />
durch <strong>Kooperation</strong>en diesen Veränderungsprozessen eventuell besser entgegenwirken.<br />
Theurl (2010: 314) definiert weitere wichtige Charakteristika einer Unternehmenskooperation:<br />
- nicht nur auf einmalige Interaktionen angelegt<br />
- Freiwilligkeit der Zusammenarbeit<br />
- Unterscheidung der <strong>Kooperation</strong>sformen durch ihre Governence<br />
- Vorteile der <strong>Kooperation</strong> müssen den Kostenaufwand übertreffen<br />
- Existenz vielfältiger <strong>Kooperation</strong>sziele <strong>und</strong> -motive<br />
Im Bezug auf das Quartier als kooperative räumliche Handlungsebene ist zu beachten, dass<br />
<strong>Kooperation</strong>en „nicht nur Wirkungen für die kooperierenden Unternehmen hervor[rufen],<br />
sondern auch gesamtwirtschaftliche Effekte.“ (Theurl 2010: 323).<br />
Aus der vorangehenden Betrachtung von <strong>Kooperation</strong> ergibt sich für das Untersuchungsverständnis<br />
der Arbeit Folgendes: <strong>Kooperation</strong> ist die Zusammenarbeit von mindestens<br />
zwei <strong>Wohnungsunternehmen</strong> mit dem gemeinsamen Ziel, Quartiersentwicklung zu leisten,<br />
unabhängig von weiteren individuellen Zielen. Ein solches Bestreben wird selten aus Interesse<br />
am Gemeinwohl in Betracht gezogen, sondern meist aus einzelwirtschaftlichen Interessen<br />
heraus.<br />
„[Ein] <strong>Wohnungsunternehmen</strong> hat ein eigenes wirtschaftliches Interesse. Wir sind ja nicht altruistisch<br />
<strong>und</strong> es ist ja nicht so, dass wir gute Menschen sind, sondern wir haben ja auch den Auftrag,<br />
eine bestimmte Rendite zu erwirtschaften für die Anteilseigner.“ (Ex4WU2: Zn. 327 ff.)<br />
16
4. Wohnungswirtschaft <strong>und</strong> <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
4. Wohnungswirtschaft <strong>und</strong> <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
4.1 Aktuelle Situation auf dem Wohnungsmarkt in Deutschland<br />
Der deutsche Wohnungsmarkt – wenn man ihn als Einheit betrachtet – gilt als besonders<br />
wertbeständig (BMVBS 2009: 17). In den letzten Jahren durchläuft er jedoch deutliche<br />
Veränderungen.<br />
Die Wohnungsbauinvestitionen 4 sind zwar 2010 merklich gestiegen, aber seit einigen Jahren<br />
findet eine anhaltende Verschiebung der Investitionen vom Wohnungsneubau hin zu<br />
Investitionen in den Wohnungsbestand statt (GdW 2011: 28 ff.). Das wird auch in Statistiken<br />
zum Wohnungsbau deutlich: Hier nehmen bestandsbezogene Maßnahmen einen immer<br />
größeren Anteil ein. 2001 ermittelt das deutsche Institut für Wirtschaftsforschung<br />
(DIW) für die Bauleistungen im Bestand einen Anteil von ca. 64 % der gesamten Wohnungsbauinvestitionen<br />
in Deutschland, 2010 beträgt der Anteil bereits 78 % (DIW 2011:<br />
32). Dies wird unter anderem dadurch verursacht, dass für einen Großteil der Wohnungsbestände<br />
derzeit ein enormer Modernisierungs- <strong>und</strong> Investitionsbedarf besteht (GdW 2011:<br />
29).<br />
Konstante Mieten <strong>und</strong> Preise lassen auf einen ausgelasteten <strong>und</strong> stabilen deutschen Wohnungsmarkt<br />
schließen (BBSR 2011: 6). Bei regionaler <strong>und</strong> sektoraler Betrachtung des<br />
Marktes ergeben sich jedoch klare Unterschiede <strong>und</strong> Beschränkungen (ebd.). In einigen<br />
Regionen – besonders in den wirtschaftlich prosperierenden Räumen der alten B<strong>und</strong>esländer<br />
– ziehen „Mieten <strong>und</strong> Preise […] eher an.“ (ebd.).<br />
Mit den steigenden Anforderungen durch den Klimaschutz ist das Ziel einer Reduzierung<br />
der CO 2 -Emissionen eng verb<strong>und</strong>en. Von den gesamten CO 2 -Emissionen werden ca. 20 %<br />
von Gebäuden emittiert (BMVBS 2009: 17). Dadurch kommt in Verbindung mit dem<br />
Thema der energetischen Sanierung der Wohnungswirtschaft <strong>und</strong> somit den <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
eine Schlüsselposition zu.<br />
Im Zuge einer globalisierten Welt, die geprägt ist durch wirtschaftliche <strong>und</strong> politische<br />
Restrukturierungs- <strong>und</strong> Deregulierungsprozesse wird die deutsche Wohnungswirtschaft<br />
zunehmend zum Objekt weltweiter Anlagestrategien. Deshalb sind in den letzten Jahren<br />
neue, teils internationale Investoren auf dem deutschen Wohnungsmarkt tätig (BBSR<br />
2011: 6; BMVBS 2009: 17). Aufgr<strong>und</strong> dieser Tendenz zur Internationalisierung findet seit<br />
einigen Jahren eine zunehmende Professionalisierung der Wohnungswirtschaft statt, be-<br />
4 Vgl. Glossar.<br />
17
4. Wohnungswirtschaft <strong>und</strong> <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
sonders auf der Anbieterseite (DV 2007: 13). So hat sich die Eigentümerstruktur erheblich<br />
verändert: Investoren aus dem angelsächsischen Raum drängen auf die Märkte <strong>und</strong> haben<br />
große Mietwohnungsbestände (besonders öffentliche) aufgekauft <strong>und</strong> zum Teil an die Mieter<br />
weiterveräußert 5 . Die öffentliche Hand zieht sich dadurch immer mehr vom Markt zurück<br />
(DV 2007: 77 ff.). Die Anzahl Cashflow 6 -orientierter Akteure, deren kurzfristige Strategien<br />
teilweise zur Vernachlässigung der Bestände <strong>und</strong> zu Konflikten in der sozialen<br />
Wohnraumversorgung führen, ist gestiegen (Kraemer 2011: 16). In der öffentlichen Diskussion<br />
sind diese ausländischen Investoren mit kurzfristigen Strategien auch als „Heuschrecken“<br />
bekannt geworden (Spars 2008: 24).<br />
Insgesamt hat sich die „Anbieterstruktur“ am Wohnungsmarkt teilweise stark verändert<br />
(BBSR 2011: 6): „Das Zusammenspiel von Angebot <strong>und</strong> Nachfrage, Neubau <strong>und</strong> Bestand<br />
erfährt eine neue Balance.“ (ebd.).<br />
4.2 Der Wohnungsmarkt<br />
Nach Jenkis (2001: 66 ff.) lässt sich die Wohnungswirtschaft in einen Neubau- <strong>und</strong> einen<br />
Bestandswohnungsmarkt unterteilen. Für diese Arbeit ist der Bestandswohnungsmarkt von<br />
besonderer Bedeutung. Der Wohnungsmarkt funktioniert im Prinzip wie alle wirtschaftlichen<br />
Märkte weist aber einige Eigenarten auf. Im Gegensatz zu vielen anderen Märkten<br />
steht hier nicht die Produktion vom »Gut Wohnung« im Mittelpunkt, sondern die Nutzung<br />
<strong>und</strong> die Verteilung des Wohnungsbestandes (Eekhoff 2006: VII).<br />
Nach Spieker (2005: 83) lässt sich der Wohnungsmarkt in Deutschland grob in drei Teilmärkte<br />
differenzieren. Zunächst der „Wohnungsnutzungsmarkt“ (Mietermarkt): Auf diesem<br />
Markt wird die Nutzung der Wohnung gehandelt. Eigentümer, die Wohnungen selbst<br />
nutzen, sind hier als Mieter inbegriffen. Man nimmt an, dass sie die „von ihren Wohnungen<br />
ausgehende Nutzungsleistungen an sich selbst verkaufen“ (Spieker 2005: 83).<br />
Zweitens der „Wohnungsbestandsmarkt“. Auf diesem wird der vorhandene Wohnungsbestand<br />
gehandelt. Der Wohnungsbestandsmarkt ist unteilbar mit dem Wohnungsnutzungsmarkt<br />
verknüpft, da auf letzterem das Angebot durch den Wohnungsbestand vorgegeben<br />
ist (Spieker 2005: 87). Drittens der „Wohnungsbaumarkt“, der wiederum mit dem Wohnungsbestandsmarkt<br />
zusammen <strong>und</strong> ist dadurch letztlich auch mit dem Wohnungsnutzungsmarkt<br />
verknüpft. Durch den Wohnungsbaumarkt wird das Angebot auf dem Woh-<br />
5 In der Zeit zwischen 1999 <strong>und</strong> 2006 gab ca. 150 Transaktionen am deutschen Wohnungsmarkt mit Wohnungspaketen<br />
die 800 <strong>und</strong> mehr Wohneinheiten umfassen, insgesamt wurden 1,277 Mio. Wohneinheiten<br />
verkauft mit einem Transaktionsvolumen von ca. 34,7 Mrd. Euro (BMVBS & BBR 2007: 1).<br />
6 Vgl. Glossar.<br />
18
4. Wohnungswirtschaft <strong>und</strong> <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
nungsbestandsmarkt durch „Produktion“ (Neubau, Sanierung usw.) <strong>und</strong> „Abbau“ (Abriss<br />
<strong>und</strong> Rückbau) von Wohneinheiten (Gebäude, Wohnungen usw.) verändert (Spieker 2005:<br />
88). Alle Akteure des Wohnungsmarktes orientieren sich durch den Zusammenhang der<br />
drei Teilmärkte immer „an der Wohnungsnutzennachfrage <strong>und</strong> ihren Einflussfaktoren“<br />
(Spieker 2005: 88). Aus diesem Gr<strong>und</strong> werden einige Einflussfaktoren in Kapitel 5 genauer<br />
betrachtet.<br />
Durch die besonderen Eigenschaften des Gutes Wohnung lässt sich der Wohnungsmarkt<br />
weiterhin jedoch in eine Vielzahl unterschiedlich strukturierter Teilmärkte differenzieren<br />
(segmentieren) (Brauer 2006: 30): qualitativ nach Baujahr, -form, Größe, Ausstattung oder<br />
Preis, räumlich nach der Lage in Region, Stadt oder Stadtteil (hierbei vor allem die Erreichbarkeit<br />
von Arbeitsplätzen <strong>und</strong> die Ausstattung sozialer <strong>und</strong> technischer Infrastruktur)<br />
oder rechtlich nach der Eigentumsart (Spieker 2005: 83; Dietrich 2003: 112). Daraus wird<br />
deutlich, dass es »den Wohnungsmarkt« nicht gibt. Vielmehr setzt dieser sich aus einer<br />
Vielzahl räumlicher <strong>und</strong> qualitativer Teilmärkte zusammen, die trotz ihrer Differenziertheit<br />
durch „den Marktmechanismus“ verb<strong>und</strong>en sind (Spieker 2005: 88). Zusammenfassend<br />
weist der Wohnungsmarkt nach Heuer et al. (1995: 50 ff.) folgende Besonderheiten auf 7 :<br />
- Vielzahl von sachlichen <strong>und</strong> räumlichen Teilmärkten<br />
- Fehlende Markttransparenz: Durch die Vielzahl von sachlichen <strong>und</strong> räumlichen<br />
Teilmärkten herrschen Informationsmangel <strong>und</strong> Kommunikationsschwierigkeiten<br />
für Anbieter <strong>und</strong> Nachfrager<br />
- Geringe Anpassungselastizität 8 an Veränderungen des Marktes durch die Besonderheiten<br />
des Gutes Wohnung<br />
Relevant für diese Arbeit ist vor allem der Wohnungsnutzenmarkt bzw. Mietwohnungsmarkt.<br />
Auf diesem Markt agieren <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> von dessen Entwicklung<br />
(Signalen) ist deren Unternehmensstrategie <strong>und</strong> -erfolg abhängig. Aus diesem Gr<strong>und</strong> stehen<br />
Quartiere, in denen vornehmlich Mietwohnungen vorhanden sind, im Mittelpunkt.<br />
Der Mietwohnungsmarkt mit seiner Vielzahl von Teilmärkten <strong>und</strong> Segmenten hat sich in<br />
den letzten zwei Jahrzehnten in weiten Teilen der neuen B<strong>und</strong>esländer <strong>und</strong> in Teilmärkten<br />
7 An dieser Stelle wird darauf verzichtet, näher auf diese Besonderheiten einzugehen <strong>und</strong> noch weiter in die<br />
Theorie des Wohnungsmarktes einzudringen, da das den Rahmen dieser Arbeitet überschreitet. Für einen<br />
guten Einblick in die Theorie wird auf folgenden Arbeiten verwiesen: „Wohnungs- <strong>und</strong> Bodenmarkt“ von<br />
Eekhoff (2006), „Gr<strong>und</strong>lagen der Wohnungs- <strong>und</strong> Immobilienwirtschaft“ von Kühne et al. (2005), „Kompendium<br />
der Wohnungswirtschaft“ von Jenkis (2001), <strong>und</strong> „Lehrbuch der Wohnungswirtschaft“ von Heuer<br />
et al. (1985).<br />
8 Vgl. Glossar.<br />
19
4. Wohnungswirtschaft <strong>und</strong> <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
der alten B<strong>und</strong>esländer von einem „Vermietermarkt“ zum „Mietermarkt“ entwickelt (Glatter<br />
2003: 149 ff.; Fehr 2000: 2) 9 . „Dies findet seinen Ausdruck darin, dass vielerorts die<br />
Mieterfluktuation <strong>und</strong> Wohnungsleerstände zugenommen haben […], wobei die entsprechenden<br />
Quoten je nach Region <strong>und</strong> Wohnungstyp differieren.“ (Fehr 2000: 2). Dadurch<br />
sind die Anforderungen an die Wohnungswirtschaft besonders in solchen Mietermärkten<br />
gestiegen, was jedoch im weiteren Verlauf noch deutlicher herausgestellt werden wird.<br />
4.3 Wohnen statt Wohnung: „Wohnst du noch oder lebst du schon?“<br />
4.3.1 Das Produkt Wohnung<br />
Das Produkt Wohnung ist ein gr<strong>und</strong>legendes Gut der menschlichen Existenz: Es schützt<br />
den Menschen vor den Naturgewalten <strong>und</strong> sichert ihm eine Privatsphäre zu (Spieker 2005:<br />
82). Für diese Arbeit ist das Produkt Wohnung von besonderer Bedeutung, da es bei jeglicher<br />
Quartiersbetrachtung das Kerngeschäft von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> ist.<br />
Ein wesentlicher Gr<strong>und</strong> für die Eigenheiten der Wohnungswirtschaft im Vergleich zu anderen<br />
Wirtschaftsbereichen liegt in der Komplexität <strong>und</strong> den Besonderheiten des gehandelten<br />
Gutes Wohnung. Diese Besonderheiten können Einfluss auf die Handlungslogiken <strong>und</strong><br />
<strong>Kooperation</strong>sbereitschaft von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> haben.<br />
Das Produkt Wohnung ist ein physisches Produkt. Von eigentlicher Bedeutung ist jedoch<br />
die Wohnnutzung, die auch am Wohnungsmarkt gehandelt wird (Heuer & Nordalm 2001:<br />
23; Heuer et al. 1985: 28). Die Wohnung wird als „das materielle Substrat des Wohnens“<br />
(Spiegel 2001: 42) bezeichnet. Je nach Betrachtungsweise handelt es sich bei Wohnungen<br />
entweder um ein langlebiges Konsumgut (aus der Sicht des Nutzers), da der Konsum über<br />
einen langen zeitlichen Abschnitt andauert, oder um ein Investitionsgut (aus Sicht eines<br />
Vermieters) (Spieker 2005: 81). Fasst man die Besonderheiten des Produktes Wohnung<br />
zusammen, lassen sich vier Besonderheiten charakterisieren, die im Folgenden erläutert<br />
werden (Brauer 2006: 26 ff.; Eekhoff 2006: 4 ff.; Kühne-Büning 2005: 7 ff.; Spieker 2005:<br />
81 ff.; Dietrich 2003: 11 ff.; Heuer & Nordalm 2001: 23 ff. Heuer et al. 1985: 40 ff.) 10 :<br />
1- Immobilität von Wohnungen: Die Standortgeb<strong>und</strong>enheit von Wohnungen ist eine wesentliche<br />
Abgrenzung zu anderen Gütern (Heuer & Nordalm 2001: 24). Durch diese Immobilität<br />
spaltet sich der Wohnungsmarkt in eine Vielzahl regionaler <strong>und</strong> lokaler Teilmärkte,<br />
die teilweise unausgeglichen sind. Dieses Ungleichgewicht kann aufgr<strong>und</strong> der<br />
9 Vgl. Glossar Vermietermarkt <strong>und</strong> Mietermarkt.<br />
10 In all diesen Beiträgen sind die Besonderheiten des Gutes Wohnung in ähnlicher Weise zu finden. Dies ist<br />
eine Zusammenfassung der für diese Arbeit relevanten Punkte.<br />
20
4. Wohnungswirtschaft <strong>und</strong> <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
Standortgeb<strong>und</strong>enheit nicht einfach behoben werden (Spieker 2005: 82) 11 . Weiterhin kann<br />
es in kleineren Teilmärkten bei schrumpfender Nachfrage zu verstärkten Wettbewerbssituationen<br />
kommen.<br />
2- Lange Produktionszeit <strong>und</strong> Langlebigkeit von Wohnungen: Unter die lange Produktionsdauer<br />
von Wohnungen fällt nicht nur die physische Herstellungszeit, sondern auch die<br />
Dauer der vorgelagerten Planungs- <strong>und</strong> Genehmigungsprozesse (Brauer 2006: 27; Heuer &<br />
Nordalm 2001: 25). Dadurch ist der Wohnungsmarkt in Bezug auf veränderte Rahmenbedingungen<br />
(z. B. Nachfrage steigt) relativ unflexibel 12 . Durch diese verzögerte Reaktionszeit,<br />
bedingt durch die lange Produktionsdauer von Wohnungen, ist die Angebotselastizität<br />
am Wohnungsmarkt gering. Eine Wohnung hat eine durchschnittliche Lebensdauer von ca.<br />
100 Jahren <strong>und</strong> wird in dieser Zeit oft mehrfach am Markt gehandelt (Dietrich 2003: 111).<br />
Sie ist somit eines der dauerhaftesten Wirtschaftsgüter.<br />
Eine Knappheit von Wohnungen oder im Extremfall eine Wohnungsnot kann durch die<br />
lange Produktionszeit dieses Guts verursacht werden. Durch die Langlebigkeit kann es „bei<br />
dauerhaftem Nachfragerückgang zu längerfristigen Angebotsüberschüssen bzw. Leerständen“<br />
(Spieker 2005: 81) kommen.<br />
3- Einzigartigkeit <strong>und</strong> Heterogenität: Jede Wohnung ist in einer bestimmten Weise einzigartig<br />
dadurch, dass sie in ihrem Umfeld stets subjektiv wahrgenommen wird (Brauer 2005:<br />
26) 13 . Aus der Einzigartigkeit resultiert die Heterogenität des Gutes Wohnung (Brauer<br />
2006: 27; Eekhoff 2006: 13). Wohnungen unterscheiden sich neben ihrem Standort im<br />
Raum auch durch Faktoren wie Gr<strong>und</strong>riss, Größe, Alter <strong>und</strong> Ausstattung – auch wenn diese<br />
Unterschiede sehr gering sein können (Spieker 2005: 83).<br />
4- Siedlungsbildung: Wohnungen bilden in ihrer gemeinschaftlichen Akkumulation im<br />
Raum ein siedlungsstrukturelles Gefüge mit einem gewissen Bedarf an sozialer <strong>und</strong> technischer<br />
Infrastruktur (Heuer & Nordalm 2001: 25; Heuer et al. 1985: 44). An dieser Stelle<br />
soll unter einem solchen Gefüge ein Quartier verstanden werden. Eine Vielzahl von Quartieren<br />
bildet eine Stadt.<br />
11 Beispielsweise können leer stehende Wohnungen aus einem übersättigten Wohnungsmarkt einer ostdeutschen<br />
Region nicht einfach in einen westdeutschen Markt transportiert werden, wo diese Wohnungen aufgr<strong>und</strong><br />
eines Nachfragüberhangs einen Nutzer finden würden.<br />
12 <strong>Zwischen</strong> dem Erkennen einer Nachfrageerhöhung <strong>und</strong> der Realisierung der Angebotsausweitung (Wohnungen)<br />
können ca. zwei bis fünf Jahre vergehen (Brauer 2006: 27; Spieker 2005: 81).<br />
13 Auch wenn sich Wohnungen im selben Gebäude befinden <strong>und</strong> einen deckungsgleichen Gr<strong>und</strong>riss besitzen,<br />
sind diese nie völlig identisch, denn sie unterscheiden sich in ihrem Standtort. Somit besteht dennoch ein<br />
Unterschied beispielsweise durch die Belichtung oder die Lärmbelastung (Brauer 2006: 26 f.).<br />
21
4. Wohnungswirtschaft <strong>und</strong> <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
4.3.2 Wandel der Wohnbedürfnisse – die Verbindung zum Quartier<br />
„Wohnen heißt an einem bestimmten Ort zu Hause sein, in ihm verwurzelt sein <strong>und</strong> an ihn hingehören.“<br />
(Bollonow 1963 zit. n. Spiegel 2001: 42)<br />
Wohnen <strong>und</strong> Wohnung haben gemein, dass sie an einen bestimmten Ort geb<strong>und</strong>en sind<br />
(Spiegel 2001: 42). Nach Spiegel (ebd.) lässt sich Wohnen in einen engen <strong>und</strong> einen weiten<br />
Begriff differenzieren: Das enge Wohnverständnis bezieht sich auf die Handlungen <strong>und</strong><br />
Verhaltensweisen, die sich in der Regel innerhalb einer Wohnung abspielen (ebd.). Das<br />
weite Wohnverständnis hat die Handlungen <strong>und</strong> Verhaltensweisen im Blick, die in der<br />
Regel am Ort des Wohnens erfolgen (beispielsweise Arbeit, Versorgung, Bildung <strong>und</strong> Erholung)<br />
(ebd.). Besonders der weitere Wohnbegriff impliziert, dass zum Wohnen nicht nur<br />
der Raum der Wohnung gehört, sondern ein größerer Raum, unter dem in dieser Arbeit das<br />
Quartier verstanden werden soll (vgl. Kapitel 3.2).<br />
Der Verband der Wohnungswirtschaft Rheinland Westfalen e.V. (VdW) 14 setzt sich bereits<br />
2002 im Gutachten „Zukunft des Wohnens“ mit den Folgen des demographischen Wandels<br />
für den Raum <strong>und</strong> die Wohnungsnachfrage auseinander. Dabei kommt man zu dem<br />
Schluss, dass sich das Produkt Wohnung in Zukunft zum Produkt „Wohnen“ entwickeln<br />
wird (VdW 2002: 188). „Wohnen heißt Leben“ (ebd.): Hier wird also stärker auf den subjektiven<br />
Aspekt des Produkts Wohnung/Wohnen eingegangen. Auch das Selbstverständnis<br />
der Wohnungswirtschaft wird in diesem Gutachten erweitert: „Wohnungswirtschaft baut<br />
nicht nur Wohnungen, sondern gestaltet Räume zum Leben. […] Im Qualitätswettbewerb<br />
[wird] auch die Wohnumfeldqualität zum Erfolgsfaktor. Dabei wird insbesondere die<br />
Nachbarschaft zum ausschlaggebenden Faktor für den Markterfolg“ (VdW 2002: 188).<br />
Diese Entwicklung vom Produkt Wohnung zum Produkt »Wohnen« ist somit eine Reaktion<br />
auf die sich ändernden Marktbedingungen <strong>und</strong> die sich wandelnden Anforderungen für<br />
die Wohnungswirtschaft (vgl. Kapitel 5). In diesem Verständnis setzt sich das Produkt<br />
Wohnen aus drei Faktoren zusammen:<br />
Abbildung 2: Zusammensetzung des Produkts Wohnen<br />
Wohnen<br />
wohnbegleitende<br />
Dienstleistungen Wohnung Wohnumfeld<br />
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung (VdW 2009: 20)<br />
14 Der VdW ist ein Regionalverband des GdW.<br />
22
4. Wohnungswirtschaft <strong>und</strong> <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
Dieses Verständnis steigert die Komplexität des Produkts, eröffnet jedoch auch einen größeren<br />
Handlungsspielraum für <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in Mietermärkten, um im Wettbewerb<br />
erfolgreich zu sein. Der explizite Verweis auf das Wohnumfeld als Teil des Produkts<br />
Wohnen <strong>und</strong> die Nachbarschaft als Erfolgsfaktor, leistet ebenfalls einen ersten Ansatzpunkt<br />
für ein Quartierverständnis <strong>und</strong> für die Quartiersentwicklung von <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
(vgl. Kapitel 7). Experte 3 bestätigt diesen Wandel <strong>und</strong> stellt fest, dass für <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
im Zuge gesellschaftlicher Entwicklungsprozesse Folgendes deutlich<br />
wurde:<br />
„[…] Wohnen <strong>und</strong> nicht Wohnung. […] Nicht das physische, sondern das Thema Wohnen. Und<br />
zu dem Thema Wohnen gehört das Thema Umfeld, die Versorgung mit Infrastruktur, die Qualitätsstabilität<br />
der Nachbarschaft. Also alles das, wo einer sagt: Hier wohne ich gerne, hier habe<br />
ich ein "Wohlgefühl". Das leitet sich ja nicht nur aus dem Produkt Wohnung ab.“ (Ex3BR2: Zn.<br />
95 ff.)<br />
4.4 Dienstleistungen in der Wohnungswirtschaft<br />
„Was da eigentlich immer diskutiert wird (seit ca. 15 Jahren) ist das Thema Dienstleistung der<br />
Wohnungswirtschaft, weil gr<strong>und</strong>sätzlich bietet die Wohnungswirtschaft ja […] ein Produkt, das<br />
irgendwo steht, ein Gebäude, einen Raum <strong>und</strong> kassiert dafür ein Bezugsentgelt. Und das war‘s.“<br />
(Ex1BR1: Zn.104 ff.)<br />
Abbildung 3: Dienstleistungskategorien<br />
Periphere Leistung<br />
(ohne Wohnbezug)<br />
Komplementäre Leistung<br />
(mit Wohnbezug)<br />
Primäre Leistung<br />
(obligatorisch)<br />
Wohnung<br />
z. B. Vermietung, Verwaltung,<br />
Abrechnung<br />
z. B. Treppenhausreinigung,<br />
Winterdienst,<br />
Gemeinschaftsräume<br />
z. B. Reisevermittlung,<br />
Kartenservice, Restaurant,<br />
Bonuskarten<br />
Quelle: eigene Darstellung nach Spieker (2005: 150)<br />
Im Zuge der Professionalisierung <strong>und</strong> Internationalisierung findet in der Wohnungswirtschaft<br />
eine zunehmende Dienstleistungsorientierung <strong>und</strong> Spezialisierung statt (Spars 2008:<br />
33). Hinzu kommen neue Anforderungen <strong>und</strong> Ansprüche von K<strong>und</strong>en, besonders auf Mietermärkten:<br />
„Es bedarf immer größerer Anstrengungen […] Neuk<strong>und</strong>en zu gewinnen […]<br />
23
4. Wohnungswirtschaft <strong>und</strong> <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
<strong>und</strong> zuverlässige Altmieter zu halten.“ (Fehr 2000: 2). Aufgr<strong>und</strong> dieser Entwicklungen<br />
misst man wohnbegleitenden Dienstleistungen eine zentrale Bedeutung zu: „[…] das Angebot<br />
von wohnbegleitenden Dienstleistungen, die über das Kernangebot hinaus einen zusätzlichen<br />
Nutzen vermitteln, [kann] zur Differenzierung gegenüber Konkurrenten <strong>und</strong> zur<br />
Steigerung der K<strong>und</strong>enbindung beitragen.“ (Fehr 2000: 2). Dabei gibt es nach Spieker<br />
(2005: 149 ff.) in der Wohnungswirtschaft unterschiedliche Kategorien von Dienstleistungen,<br />
wie in Abbildung 3 dargestellt ist (vgl. Kapitel 7.3.5).<br />
4.5 Wohnungsbestand in Deutschland: Struktur nach Nutzungsart<br />
Der vorhandene Wohnungsbestand wird in zwei verschiedenen Arten genutzt: durch den<br />
Eigentümer selbst oder durch einen fremden Haushalt als Mieter. Im Folgenden wird die<br />
Struktur des Wohnungsbestandes in Deutschland beschrieben.<br />
Seit 1995 ist die Anzahl der Wohnungen in Deutschland laut Angaben der Wohnungsbestandsfortschreibung<br />
in der „GENESIS-Online“ Datenbank des Statistischen B<strong>und</strong>esamtes<br />
kontinuierlich gestiegen: von ca. 36 Mio. Wohnungen 1995 auf ca. 40, 3 Mio. Wohnungen<br />
2010 (Website Statistisches B<strong>und</strong>esamt a).<br />
Im Rahmen dieser Arbeit ist vor allem die Anzahl der Mietwohnungen interessant: 57 %<br />
der Haushalte leben in Mietwohnungen, sodass der deutsche Mietwohnungsmarkt relativ<br />
groß ist (GdW 2011: 23). Die letzte Erhebung des Statistischen B<strong>und</strong>esamts im Jahr 2006<br />
ergibt, dass von insgesamt 39,7 Mio. Bestandswohnungen ca. 21,1 Mio. Mietwohnungen<br />
sind (Statistisches B<strong>und</strong>esamt 2008: 38). Ca. 15,1 Mio. Wohnungen werden von den Eigentümern<br />
selbst genutzt (Statistisches B<strong>und</strong>esamt 2008: 35), die restlichen ca. 3,5 Mio.<br />
Wohnungen sind demnach nicht bewohnt.<br />
4.6. Anbieter auf dem Wohnungsmarkt<br />
Anbieterstruktur: Verteilung des Wohnungsbestandes auf die Anbietergruppen<br />
Am deutschen Wohnungsmarkt lassen sich zwei verschiedene Eigentümergruppen unterscheiden,<br />
die sich nochmals in weitere Anbietergruppen differenzieren <strong>und</strong> sich gr<strong>und</strong>legend<br />
in ihren Handlungslogiken unterscheiden (Spieker 2005: 64; Heuer & Nordalm 2001:<br />
28 ff.). Während in der wissenschaftlichen Literatur die Selbstnutzer in die Gruppe der<br />
Privaten Kleinanbieter fallen (Spieker 2005: 64), stellt sie der GdW in seiner aktuellen<br />
Jahresstatistik „Wohnungswirtschaftliche Daten <strong>und</strong> Trends 2011/2012“ als dritte Gruppe<br />
neben die der Anbieter (Abb. 4). An dieser Stelle wird bei der Verteilung des Wohnungsbestands<br />
auf die verschiedenen Gruppen auf die Statistik des GdW zurückgegriffen, da<br />
keine amtliche Statistik über diese Verteilung existiert.<br />
24
4. Wohnungswirtschaft <strong>und</strong> <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
Abbildung 4: Anbieterstruktur auf dem deutschen Wohnungsmarkt 2006<br />
Wohnungsbestand in Deutschland<br />
39 617 Tsd. Wohnungen<br />
Professionell-gewerbliche<br />
Anbieter<br />
9 217 Tsd. Wohnungen<br />
Private Kleinanbieter/<br />
Amateuranbieter<br />
14 507 Tsd. Wohnungen<br />
Selbstnutzer<br />
15 893 Tsd. Wohnungen<br />
Genossenschaften<br />
2 217 Tsd. Wohnungen<br />
Kommunale<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
2 434 Tsd. Wohnungen<br />
Öffentliche<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
206 Tsd. Wohnungen<br />
Privatwirtschaftliche<br />
professionell-gewerbliche<br />
Eigentümer *<br />
2 059 Tsd. Wohnungen<br />
Ein- <strong>und</strong> Zweifamilienhäuser<br />
5 421 Tsd. Wohnungen<br />
Geschosswohnungen<br />
9 089 Tsd. Wohnungen<br />
* privatwirtschaftliche<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong>, Kreditinstitute,<br />
Versicherungsunternehmen,<br />
Immobilienfonds, sonstige Unternehmen<br />
sowie Organisationen ohne Erwerbszweck<br />
Ein- <strong>und</strong> Zweifamilienhäuser<br />
12 812 Tsd. Wohnungen<br />
Geschosswohnungen<br />
3 081 Tsd. Wohnungen<br />
Kirchen <strong>und</strong> sonstige<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
301 Tsd. Wohnungen<br />
Quelle: eigene Darstellung nach GdW (2011: 25)<br />
Von insgesamt 39,6 Mio. Wohnungen werden ca. 15,9 Mio. durch die Eigentümer selbst<br />
genutzt <strong>und</strong> ca. 23,7 Mio. sind Mietwohnungen.<br />
Private Kleinanbieter/Amateurvermieter<br />
Die Anbietergruppe der privaten Haushalte ist im Besitz von ca. 60 % des Mietwohnungsbestandes<br />
(ca. 23,7 Mio.) <strong>und</strong> ist somit die größte Anbietergruppe am deutschen Wohnungsmarkt<br />
(GdW 2011: 25). Sie werden weiter in Amateuranbieter, sowie semiprofessionelle<br />
<strong>und</strong> professionelle Anbieter unterteilt (Spieker 2005: 64). Diese Anbietergruppe soll<br />
hier nicht unerwähnt bleiben, da sie aufgr<strong>und</strong> ihres hohen Marktanteils einen maßgeblichen<br />
Einfluss auf die Quartiersentwicklung hat <strong>und</strong> auch im Wettbewerb zu den <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
steht. Durch die Befragung der Experten wird zudem deutlich, dass besonders<br />
in schrumpfenden Regionen nicht nur andere <strong>Wohnungsunternehmen</strong> als Wettbewerber<br />
wahrgenommen werden, sondern auch private Kleinanbieter (Ex5WU3 Zn. 213 f.).<br />
„Wobei der Wettbewerb, das sage ich ganz deutlich, nicht primär zwischen den <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
stattfindet, sondern ich sehe den Wettbewerb primär zum Privatvermieter.“ (Ex7WU4:<br />
Zn. 199 ff.)<br />
25
4. Wohnungswirtschaft <strong>und</strong> <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
4.7. <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
„Die deutschen <strong>Wohnungsunternehmen</strong> bilden keine homogene Gruppe, sondern weisen mit<br />
Blick auf ihre geschäftlichen Schwerpunkte <strong>und</strong> Verhaltensweisen, insbesondere aber hinsichtlich<br />
der anvisierten Ziele, eine erhebliche Variationsbreite auf.“ (Fehr 2000: 19)<br />
Die Hauptaufgaben aller <strong>Wohnungsunternehmen</strong> sind Bau, Verwaltung, Bewirtschaftung<br />
<strong>und</strong> Vermarktungen von Wohnungen (Kühne-Büning 2005: 111). <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
sind als Akteure in der Quartiersentwicklung unter anderem Hauptbetrachtungsgegenstand<br />
dieser Arbeit. Daher liegt der Fokus auf dieser institutionellen Anbietergruppe <strong>und</strong> ihren<br />
unterschiedlichen Typologien. Zu Beginn dieser Diplomarbeit sollte untersucht werden, ob<br />
die Leistungsfähigkeit <strong>und</strong> <strong>Kooperation</strong>sbereitschaft bei der Quartiersentwicklung von der<br />
Unternehmens- oder Organisationsform abhängig ist. Im Zuge der Expertenbefragung<br />
stellte sich jedoch heraus, dass Unternehmensstrategien <strong>und</strong> Ziele weitaus größeren Einfluss<br />
darauf nehmen (vgl. Kapitel 7 <strong>und</strong> Kapitel 8). Da Strategie <strong>und</strong> Organisationsform<br />
häufig zusammenhängen, sollen die verschiedenen Formen kurz dargestellt werden (Kühne-Büning<br />
2005: 100). <strong>Wohnungsunternehmen</strong> lassen sich von der Organisationsform her<br />
in freie <strong>und</strong> ehemals gemeinnützige <strong>Wohnungsunternehmen</strong> unterteilen (Georgi 2006: 14;<br />
Kühne-Büning 2005: 112; Spieker 2005: 64).<br />
Innerhalb der ehemals gemeinnützigen <strong>Wohnungsunternehmen</strong> lassen sich zusammengefasst<br />
nach Heuer & Nordalm (2001: 29) <strong>und</strong> Kühne-Büning (2005: 119) verschiedene Unternehmensformen<br />
unterscheiden:<br />
- Vereine <strong>und</strong> Genossenschaften<br />
- Wohnbaugesellschaften mit verschiedenen Rechtsformen, z. B. GmbH <strong>und</strong> AG<br />
- Körperschaften des öffentlichen Rechts <strong>und</strong> Stiftungen<br />
- Heimstätten <strong>und</strong> Landesentwicklungsgesellschaften<br />
- Sanierungs- <strong>und</strong> Entwicklungsträger<br />
- Bauträgerunternehmen zur Eigentumsbildung<br />
- Wohnungsverwaltungsunternehmen<br />
Die einzelnen Unternehmenstypen unterscheiden sich in ihrer Rechtsform <strong>und</strong> der historischen<br />
Entwicklung der Gemeinnützigkeit der Wohnungswirtschaft (Heuer & Nordalm<br />
2001: 29). Bis zum Wegfall des Wohngemeinnützigkeitsgesetzes (WGG) Anfang 1990<br />
erhielten diese Unternehmenstypen Steuerbegünstigungen, die aber an erhebliche Bedingungen<br />
geknüpft waren <strong>und</strong> dadurch das Handeln dieser Unternehmen stark einschränkten<br />
26
4. Wohnungswirtschaft <strong>und</strong> <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
(Georgi 2006: 15; Spieker 2005: 64) 15 . Die Träger ehemals gemeinnütziger <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
sind Kommunen, Länder, B<strong>und</strong>, Wirtschaftsunternehmen, Gewerkschaften,<br />
natürliche <strong>und</strong> juristische Personen <strong>und</strong> Kirchen (Heuer & Nordalm 2001: 29).<br />
Nach dem Wegfall des WGG haben sich die ehemals gemeinnützigen <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
in verschiedene Richtungen weiterentwickelt. Nach Kühne-Büning (2005: 119)<br />
lassen sich diese Unternehmen heute in zwei Gruppen unterteilen. Zunächst die „Nonprofit<br />
Unternehmen“. Diese verschreiben sich in ihren Unternehmensleitbildern weiterhin<br />
der Gemeinnützigkeit. Die relevanten Unternehmen dieser Gruppe sind kleine Genossenschaften<br />
sowie kommunale <strong>und</strong> kirchliche <strong>Wohnungsunternehmen</strong> (ebd.). Ihre Hauptaufgabe<br />
ist die Versorgung von Haushaltsgruppen, die sich aus sozioökonomischen Gründen<br />
nicht selbstständig mit Wohnraum über den Wohnungsmarkt versorgen können (Heuer &<br />
Nordalm 2001: 29). Je nach Ausprägung des <strong>Wohnungsunternehmen</strong>s variieren die Hauptaufgaben<br />
jedoch nochmals. Die zweite Gruppe sind „erwerbswirtschaftlich orientierte Unternehmen“<br />
(2005: 119). Diese <strong>Wohnungsunternehmen</strong> ähneln den im nächsten Abschnitt<br />
beschriebenen freien <strong>Wohnungsunternehmen</strong>. Ihre Unternehmensstrategie ist der effiziente<br />
Einsatz von Kapital im Bezug auf die betriebswirtschaftliche Rendite (Kühne-Büning<br />
2005: 119).<br />
Heute sind die meisten der ehemals gemeinnützigen <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in Deutschland<br />
im nationalen Dachverband „GdW B<strong>und</strong>esverband deutscher Wohnungs- <strong>und</strong> Immobilienunternehmen<br />
e.V.“ organisiert. Der GdW unterteilt sich in 15 Regionalverbände mit<br />
insgesamt ca. 3000 Mitgliedsunternehmen (Website GdW). Das sind ca. zwei Drittel der<br />
professionellen Anbieter am deutschen Wohnungsmarkt (GdW 2011: 26). In deren Eigentum<br />
befinden sich ca. 6,2 Mio. Wohnungen, somit ca. 30 % des deutschen Mietwohnungsbestandes<br />
bzw. ca. 67 % des Mietwohnungsbestandes professioneller Anbieter (ebd.).<br />
Die freien <strong>Wohnungsunternehmen</strong> sind privatwirtschaftlich organisiert <strong>und</strong> stärker gewinnorientiert.<br />
Ihr Handeln wird von rein marktwirtschaftlichen Kriterien bestimmt<br />
(Kivelip 2005: 127). Diese Unternehmen unterliegen in ihrem Handlungsbereich keinen<br />
gesetzlichen Einschränkungen (eine Ausnahme bildet der öffentlich geförderte Wohnungsbau)<br />
(Heuer & Nordalm 2001: 30). Es gibt jedoch mittlerweile kaum noch funktionale Unterschiede<br />
zwischen ehemals gemeinnützigen <strong>und</strong> freien <strong>Wohnungsunternehmen</strong> (Georgi<br />
2006: 16).<br />
15 Beispielsweise hatten die ehemals gemeinnützigen Unternehmen folgende Einschränkungen: Eine begrenzte<br />
Dividendenausschüttung von 4 % für Kapitaleigner, die Vermögenszweckbindung <strong>und</strong> die Auflage, nur im<br />
Kleinwohnungsbau (maximal 120 m²) tätig zu werden (Kühne-Büning 2005: 113).<br />
27
4. Wohnungswirtschaft <strong>und</strong> <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
Der Großteil der freien <strong>Wohnungsunternehmen</strong> organisiert sich ebenfalls in einem Dachverband,<br />
dem „BFW B<strong>und</strong>esverband Freier Immobilien- <strong>und</strong> <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
e.V.“. Der BFW hat ca. 1700 Mitgliedsunternehmen, die im Besitz von ca. 3,1 Mio. Mietwohnungen<br />
sind <strong>und</strong> somit r<strong>und</strong> 14 % des deutschen Mietwohnungsbestandes halten<br />
(Website BFW).<br />
Sowohl die ehemals gemeinnützigen als auch die freien <strong>Wohnungsunternehmen</strong> werden<br />
der Gruppe der professionell-gewerblichen Anbieter zugeordnet, da zwischen ihnen kaum<br />
funktionale Unterschiede bestehen. Bei den Experteninterviews steht im Vordergr<strong>und</strong>, jeweils<br />
ein <strong>Wohnungsunternehmen</strong> der drei größten Anbietergruppen innerhalb der professionell-gewerblichen<br />
Anbieter auszuwählen: Eine Genossenschaft (WU6), zwei kommunale<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong> (WU1, WU3) <strong>und</strong> drei privatwirtschaftliche professionellgewerbliche<br />
Eigentümer (WU2, WU4, WU5). Diese drei Anbietergruppen halten ca. 94 %<br />
(Abb. 4) der Wohnungen in der Gruppe der professionell-gewerblichen Anbieter <strong>und</strong> sollen<br />
im Folgenden genauer vorgestellt werden.<br />
Wohnungsgenossenschaften<br />
„Als Genossenschaft hat man den Auftrag, im Sinne der eignen Mitglieder zu handeln.“<br />
(Ex11WU6: Zn. 245)<br />
Experte 11 steht stellvertretend für eine Wohnungsgenossenschaft (WU6) mit ca. 4100<br />
Wohnungen. Genossenschaften, die von der Organisationsform her der Gruppe der ehemals<br />
gemeinnützigen <strong>Wohnungsunternehmen</strong> zuzuordnen sind, werden durch das Genossenschaftsgesetz<br />
(GenG § 1) folgendermaßen definiert: „Gesellschaften von nicht geschlossener<br />
Mitgliederzahl, deren Zweck darauf gerichtet ist, den Erwerb oder die Wirtschaft<br />
ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange durch gemeinschaftlichen<br />
Geschäftsbetrieb zu fördern“ (Website B<strong>und</strong>esministerium der Justiz).<br />
Wohnungsgenossenschaften sind privatwirtschaftliche Organisationen „<strong>und</strong> keine Instrumente<br />
der staatlichen Sozialpolitik.“ (Theurl 2001: 11). Die ersten Wohnungsgenossenschaften<br />
entstanden aus der Wohnungsnot während der sozioökonomischen Umbrüche des<br />
19. Jahrh<strong>und</strong>erts, als noch keine staatliche Wohnraumversorgung existierte (Dietrich 2003:<br />
106). In dieser Zeit bildete sich der moderne Genossenschaftsgedanke (Kühne-Büning<br />
2005: 120) <strong>und</strong> schließlich die Form des genossenschaftlichen <strong>Wohnungsunternehmen</strong>s als<br />
private Selbsthilfeorganisation der Bevölkerung. Im Fokus des Handelns von Genossenschaften<br />
stehen die Mitglieder <strong>und</strong> dadurch nach Kühne-Büning (2005: 121) folgende Kriterien:<br />
28
4. Wohnungswirtschaft <strong>und</strong> <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
- Versorgung der Genossenschaftsmitglieder mit Wohnraum zur Miete oder in Form<br />
von Wohneigentum<br />
- Zusicherung von Dauernutzungsrechten<br />
- Bereitstellung von Dienstleistungen<br />
- Förderung genossenschaftlichen Sparens (oft durch eigen Spareinrichtungen)<br />
- Förderung des genossenschaftlichen Miteinanders <strong>und</strong> der Integration<br />
Kommunale <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
Unternehmen, deren Kapitaleigner Gemeinden oder kommunale Träger sind, die über eine<br />
Mehrheitsbeteiligung von mindestens 50 % verfügen, werden als kommunale <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
bezeichnet (Kühne-Büning 2005: 122). Zu dieser Gruppe gehören die befragten<br />
Experten 2 (WU1), 5 <strong>und</strong> 6 (WU3) als Vertreter ihrer <strong>Wohnungsunternehmen</strong>. <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
2 verfügt über ca. 42.000 Wohnungen, <strong>Wohnungsunternehmen</strong> 3 über ca.<br />
18.000 Wohnungen. Kommunale <strong>Wohnungsunternehmen</strong> fallen ebenfalls in die Gruppe<br />
der ehemals gemeinnützigen <strong>Wohnungsunternehmen</strong>. Durch eine privatwirtschaftliche<br />
Rechtsform wird es diesen Unternehmen ermöglicht, unternehmerisch zu handeln, was den<br />
Kommunen selbst nicht erlaubt ist (ebd.). Kommunale <strong>Wohnungsunternehmen</strong> „sind in<br />
erster Linie wegen des gesetzlichen Auftrags an die Städte <strong>und</strong> Gemeinden, eine Wohnversorgung<br />
breiter Schichten der Bevölkerung zu gewährleisten, gegründet worden“ (Lohse<br />
2006: 3). Nach dem Wegfall des WGG sind diese Unternehmen heute noch als aktives<br />
Instrument der kommunalen Wohnungspolitik zu verstehen, um „sich den Aufgaben des<br />
Wohnungsmarktes zu stellen, wann immer sie anfallen <strong>und</strong> dabei zeitweilige Fragen der<br />
Rentabilität hintanzustellen.“ (Knickenberg 1990: 58 zit. n. Fehr 2000: 26). Experte 1 jedoch<br />
relativiert die Zweitrangigkeit der Rentabilität:<br />
„Es gilt eigentlich mittlerweile für alle kommunalen <strong>Wohnungsunternehmen</strong> auch die Maxime,<br />
dass eine wirtschaftliche Rendite erzielt werden muss.“ (Ex1BR1: Zn. 298 ff.)<br />
Privatwirtschaftliche professionell-gewerbliche Eigentümer<br />
In diese Anbietergruppe fallen <strong>Wohnungsunternehmen</strong> 2, 4 <strong>und</strong> 5. <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
2 <strong>und</strong> 4 sind durch ihre Gesellschafter industrieverb<strong>und</strong>ene <strong>Wohnungsunternehmen</strong>. In der<br />
Regel sind industrieverb<strong>und</strong>ene <strong>Wohnungsunternehmen</strong> Tochterunternehmen größerer<br />
Konzerne <strong>und</strong> werden häufig von deren Unternehmenspolitik beeinflusst (Kühne-Büning<br />
2005: 123). Ihren Ursprung haben diese <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in den Gründerjahren<br />
durch die entstehende Wohnungsnot <strong>und</strong> der dadurch notwendigen Versorgung der Werksarbeiter<br />
der Industriekonzerne (Kühne-Büning 200: 124). Die Wohnungen wurden von<br />
29
4. Wohnungswirtschaft <strong>und</strong> <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
ihnen verwaltet, bewirtschaftet <strong>und</strong> an Werksangehörige vermietet (Lohse 2006: 4). Die<br />
beiden befragten <strong>Wohnungsunternehmen</strong> haben ihren Ursprung ebenfalls in industrieverb<strong>und</strong>enen<br />
Gesellschaften. In Folge des wirtschaftlichen Strukturwandels haben sich beispielsweise<br />
die Geschäftsstrategien der zwei befragten <strong>Wohnungsunternehmen</strong> verändert:<br />
Sie sind mittlerweile moderne privatwirtschaftliche <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> die Wohnungen<br />
werden nicht mehr an reine Werksmitarbeiter vermietet. Heute sind beide <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
im gesamten Ruhrgebiet tätig, teilweise sogar darüber hinaus. Hinzu<br />
kommt, dass <strong>Wohnungsunternehmen</strong> 2 <strong>und</strong> 3 nach den Experteninterviews, aber noch im<br />
Verlauf dieser Untersuchung, Anfang 2012, fusionierten <strong>und</strong> heute mit ca. 130.000 Wohnungen<br />
das größte <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in Nordrhein-Westfalen sind <strong>und</strong> eines der<br />
größten in Deutschland sind.<br />
Eine weitere Gruppe innerhalb der privatwirtschaftlichen professionell-gewerblichen Anbieter<br />
sind die Private-Equity Fonds (PEF), zu denen <strong>Wohnungsunternehmen</strong> 5 gezählt<br />
werden kann. Mit ca. 220.000 Wohnungen ist es das größte privatwirtschaftliche <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
Deutschlands. Es wurde als Tochtergesellschaft eines internationalen<br />
Private-Equity Fonds 2001 gegründet <strong>und</strong> wuchs durch den Aufkauf von Wohnungsbeständen<br />
<strong>und</strong> ganzer Wohnungsgesellschaften in weiten Teilen Deutschlands zu seiner jetzigen<br />
Größe an (BMVBS & BBR 2007: 72). PEF sind nicht börsennotierte Fonds mit privaten<br />
<strong>und</strong> institutionellen Anlegern, die mit geringem Eigenkapital <strong>und</strong> günstigem Fremdkapital<br />
über große Investitionsvolumina verfügen (Kiehle 2008: 54; Lammerskitten 2007:<br />
77). In der Wohnungswirtschaft versuchen PEF nach dem Aufkauf von Wohnungsgesellschaften<br />
unter anderem durch eine Optimierung der Bestandbewirtschaftung (Personalabbau)<br />
<strong>und</strong> eine Verminderung der Instandhaltungsinvestitionen Kosten zu reduzieren, um<br />
den Gewinn zu maximieren <strong>und</strong> die Bestände gegebenenfalls nach kurzer Zeit wieder zu<br />
veräußern (Kiehle 2008: 56; Lammerskitten 2007: 90 ff.). Häufig wird diesen Unternehmen<br />
eine kurzfristige Geschäftsstrategie zugeordnet, die zu einer Vernachlässigung der<br />
Bestände <strong>und</strong> der Quartiersarbeit führt (Kiehle 2008: 57) <strong>und</strong> sich insgesamt nachteilig auf<br />
die Stadtentwicklung auswirkt (BMVBS & BBR 2007: 95 f.). Aus diesem Gr<strong>und</strong> stehen<br />
die PEF – somit auch <strong>Wohnungsunternehmen</strong> 5 – in der öffentlichen Diskussion häufig in<br />
der Kritik <strong>und</strong> werden als »Heuschrecken« bezeichnet, die ihre Bestände »ausquetschen«:<br />
„Ja, ja, wir sind eine elf Jahre alte Heuschrecke. Ganz schön riesig geworden“ (Ex9WU5:<br />
Zn. 1159). Allerdings weisen PEF differenzierende Geschäftsstrategien auf (BMVBS &<br />
BBR 2007: 72). So wird bei der Untersuchung „Veränderung der Anbietstruktur im deutschen<br />
Wohnungsmarkt <strong>und</strong> wohnungspolitische Implikationen“ im Auftrag des BMVBS<br />
30
4. Wohnungswirtschaft <strong>und</strong> <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
<strong>und</strong> BBR 2007 für <strong>Wohnungsunternehmen</strong> 5 Folgendes ermittelt: „Der Aufbau einer eigenen<br />
Plattform <strong>und</strong> die angestrebte, nur über einen längeren Zeitraum erreichbare Erweiterung<br />
des Bestands können als Hinweise auf eine längere Haltedauer des Unternehmens<br />
angesehen werden.“ (ebd.). Insgesamt können also die Befürchtungen bezüglich der PEF<br />
noch nicht nachgewiesen werden (BMVBS & BBR 2007: 96). Durch die unterschiedlichen<br />
Geschäftsstrategien der einzelnen Unternehmensformen <strong>und</strong> durch die in der öffentlichen<br />
Diskussion verbreitete Kritik an PEF entstehen jedoch bei Akteuren anderer Unternehmensformen<br />
häufig Vorurteile:<br />
„Das ist ja auch gr<strong>und</strong>sätzlich dann immer diese Berührungsangst, die dann teilweise entsteht,<br />
auch von Kommunen, weil mit uns spricht man erst mal gr<strong>und</strong>sätzlich nicht.“ (Ex8WU5: Zn.<br />
1161 ff.)<br />
Es wird deutlich, dass für die Quartiersentwicklung <strong>und</strong> <strong>Kooperation</strong> von <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
nicht die Organisationsform entscheidend ist, sondern die Geschäftsstrategien <strong>und</strong><br />
Bewirtschaftungsinteressen. Dabei wird hier zwischen kurzfristigen auf der einen <strong>und</strong> mittel-bis<br />
langfristigen Interessen auf der anderen Seite unterschieden.<br />
Weitere Anbieter am Wohnungsmarkt<br />
Die weiteren Anbieter fallen in die Gruppe der professionell-gewerblichen Anbieter. Es<br />
handelt sich hierbei um Institutionen, deren Anliegen „nicht wohnungswirtschaftlicher<br />
Natur“ ist, wie z. B. Immobilienfonds, Versicherungen, Kirchen <strong>und</strong> öffentliche Haushalte<br />
(Spieker 2006: 65). „Sie halten Wohnungen aus Gründen der Kapitalanlage oder Liquiditätsreserve“<br />
(Spieker 2006: 65 f.) oder stellen sie im Beispiel der öffentlichen Haushalte<br />
ihren Bediensteten zur Verfügung (ebd.).<br />
31
5. Gesellschaftliche Prozesse <strong>und</strong> ihr Einfluss auf Quartier <strong>und</strong> Wohnungswirtschaft<br />
5. Gesellschaftliche Entwicklungsprozesse <strong>und</strong> ihr Einfluss auf Quartiere<br />
<strong>und</strong> <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
Aktuell setzen sich gesellschaftliche Entwicklungsprozesse aus Themen wie der Globalisierung,<br />
dem soziodemographischen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Wandel, dem Klimawandel <strong>und</strong><br />
der Nachhaltigkeit zusammen. Die Finanzlage öffentlicher Haushalte <strong>und</strong> sozioökonomische<br />
Disparitäten sind ebenfalls immer wieder Bestandteil der öffentlichen Diskussion.<br />
Durch diese Entwicklungsprozesse ergeben sich in einem differenzierteren Blick auf das<br />
Quartier folgende soziale, stadtplanerische <strong>und</strong> wirtschaftliche Herausforderungen: die<br />
Schrumpfungstendenzen <strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>ene Leerstand, die Bevölkerungsentwicklung<br />
<strong>und</strong> -struktur, die Wanderungsbewegungen, die Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> die stärker werdende<br />
soziale Segregation in den Stadtquartieren sowie die häufig begrenzten kommunalen<br />
Kassen. Diese Herausforderungen gilt es für Kommunen sowie für die Wohnungswirtschaft<br />
zu bewältigen (Beuerle & Petter 2008: 22).<br />
Im folgenden Kapitel werden in einem ersten Schritt die relevanten Veränderungen der<br />
Rahmenbedingungen für <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> Quartiere erläutert (vgl. Kapitel 5.1-<br />
5.2). Weiterhin werden einige Wandlungsprozesse anderer gesellschaftlicher Teilbereiche,<br />
die mit <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> Quartieren in Wechselwirkung stehen, aufgeführt (vgl.<br />
Kapitel 5.3). In einem zweiten Schritt werden die Auswirkungen dieser Prozesse auf die<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> Quartiere betrachtet (vgl. Kapitel 5.4).<br />
5.1 Demographischer Wandel<br />
„Der Begriff „Demographischer Wandel“ umfasst in raumwissenschaftlicher Sichtweise die<br />
Summe aller Änderungen in der Zahl, in der Struktur <strong>und</strong> in der räumlichen Verteilung der Bevölkerung<br />
eines Gebietes oder einer Gebietskörperschaft.“ (Grüber-Töpfer et al 2010: 7)<br />
Die deutsche Wohnungswirtschaft <strong>und</strong> Stadtentwicklung waren aufgr<strong>und</strong> der stetigen Bevölkerungszunahme<br />
über Jahrzehnte hinweg durch Wachstum geprägt. Doch dieses Paradigma<br />
befindet sich seit einiger Zeit im Wandel <strong>und</strong> wird auf lange Sicht dem der Bevölkerungsschrumpfung<br />
weichen. Diese Entwicklung erfolgt differenziert, sowohl räumlich als<br />
auch strukturell <strong>und</strong> wird unter den Begriff des demographischen Wandels gefasst.<br />
„Weniger, Älter, Bunter“<br />
Diese drei plakativen Begriffe nennt Experte 3 (Ex3BR: Zn. 84) als die wesentlichen Folgen<br />
des demographischen Wandels. „Weniger“ – der Wechsel der Bevölkerungsdynamik<br />
vom Bevölkerungswachstum hin zum Bevölkerungsverlust. „Älter“ <strong>und</strong> „Bunter“ – struk-<br />
32
5. Gesellschaftliche Prozesse <strong>und</strong> ihr Einfluss auf Quartier <strong>und</strong> Wohnungswirtschaft<br />
turelle Bevölkerungsveränderungen im Hinblick auf Alter, Herkunft <strong>und</strong> Zusammensetzung<br />
der Haushalte (BBSR 2009: 7).<br />
»Weniger«- Die Bevölkerung schrumpft: Aktuell <strong>und</strong> in Zukunft noch stärker ist Deutschland<br />
von einer Schrumpfung der Bevölkerung betroffen. In den 1970ern sank die Geburtenrate<br />
in Deutschland unter das Bestandserhaltungsniveau 16 von 2,1 Kindern pro Frau<br />
(Statistische Ämter des B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> der Länder 2011: 10; Statistisches B<strong>und</strong>esamt 2009:<br />
13). Dadurch ist die natürliche Bevölkerungsbilanz negativ. Der maximale Bevölkerungsstand<br />
wurde 2002 mit ca. 82,54 Mio. Einwohnern erreicht <strong>und</strong> sinkt seitdem: Bis 2010<br />
sank die Bevölkerung auf ca. 81,75 Mio. ab (Website Statistisches B<strong>und</strong>esamt b). Bereits<br />
1972 begann die Entwicklung hin zu einer negativen natürlichen Bevölkerungsbilanz, die<br />
aufgr<strong>und</strong> der höheren Sterbefälle in Relation zu der Anzahl der Geburten aufkommt<br />
(BBSR 2009: 14). Allerdings wurde dieser Prozess bis 2002 durch die sogenannte „importierte<br />
Dynamik“ überdeckt (ebd.). Das bedeutet, dass die Bevölkerung nur aufgr<strong>und</strong> von<br />
internationalen Wanderungsgewinnen wächst. Die Schrumpfung wird sich in Zukunft noch<br />
beschleunigen, da die Sterberate die Geburtenrate noch weiter überschreitet <strong>und</strong> das Saldo<br />
nicht mehr durch Wanderung ausgeglichen werden kann (BBSR 2009: 14). Nach einer<br />
Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen B<strong>und</strong>esamtes wird die Bevölkerung 2060<br />
in einer mittleren Variante zwischen 65 Mio. <strong>und</strong> 70 Mio. Einwohnern liegen (Statistisches<br />
B<strong>und</strong>esamt 2009: 12).<br />
»Älter«-Die Bevölkerung altert: Durch die Alterung der Bevölkerung vollzieht sich eine<br />
Veränderung der verschiedenen Alterskohorten in Relation zueinander. Das bringt eine<br />
strukturelle Veränderung der Bevölkerung mit sich (BBSR 2009: 25). Der Anteil älterer<br />
Menschen an der Bevölkerung steigt, somit auch das Durchschnittsalter. Es wird von 43<br />
Jahren 2008 auf 52 Jahre zwischen 2040 <strong>und</strong> 2060 steigen (Statistisches B<strong>und</strong>esamt 2009:<br />
16). Ursachen dafür sind beispielsweise die veränderte Relation der Geburten- <strong>und</strong> Sterbefälle<br />
(generatives Verhalten) sowie eine längere Lebenserwartung der Bevölkerung (Grüber-Töpfer<br />
et al. 2010: 8). Die Altersstruktur der Bevölkerung spiegelt die demographische<br />
Entwicklung der vergangenen 100 Jahre wider <strong>und</strong> weist in Deutschland erhebliche Ungleichmäßigkeiten<br />
in der Verteilung der Alterskohorten auf (Statistische Ämter des B<strong>und</strong>es<br />
<strong>und</strong> der Länder 2011: 23) 17 . Die sogenannte „Babyboom-Generation“ befindet sich aktuell<br />
16 Vgl. Glossar.<br />
17 Diese Ungleichmäßigkeit wurde unter anderem verursacht durch die niedrigen Geburtenjahrgänge während<br />
der beiden Weltkriege, die geburtenstarken Jahrgängen der 1950er <strong>und</strong> 1960er Jahre (»Babyboom-<br />
Generation«), die dann rückläufigen Geburtenjahrgängen aus den 1970ern (»Pillenknick«) <strong>und</strong> die darauffolgend<br />
wieder stärkeren Geburtenjahrgänge der Nachkommen der »Babyboom-Generation«.<br />
33
5. Gesellschaftliche Prozesse <strong>und</strong> ihr Einfluss auf Quartier <strong>und</strong> Wohnungswirtschaft<br />
im mittleren Alter, was die Bevölkerungsentwicklung der nächsten Dekaden beeinflussen<br />
wird (ebd.). Die stark besetzten Jahrgänge werden sich in der Bevölkerungspyramide bis<br />
2060 voraussichtlich nach oben verlagern <strong>und</strong> anschließend ausdünnen (Statistisches B<strong>und</strong>esamt<br />
2009: 13).<br />
„Die aktuelle Bevölkerungsstruktur weicht schon lange von der Form der klassischen Bevölkerungspyramide<br />
ab […]. Heute gleicht der Bevölkerungsaufbau Deutschlands eher einer „zerzausten<br />
Wettertanne“.“ (Statistisches B<strong>und</strong>esamt 2009: 14)<br />
»Bunter«- Die Bevölkerung wird internationaler: Dieser Aspekt des demographischen<br />
Wandels weist sicherlich die höchste politische Brisanz auf. Immer mehr geht es um die<br />
Frage der Einwanderung, da diese aktuell <strong>und</strong> in Zukunft als einziger Bevölkerungsgewinn<br />
gesehen wird. Das negative natürliche Bevölkerungssaldo wird nur durch internationale<br />
Wanderung kompensiert. Doch auch das reicht mittlerweile nicht mehr aus – die Bevölkerung<br />
schrumpft. Durch den Prozess der importierten Bevölkerungsdynamik wächst der<br />
Anteil der Einwohner mit Migrationshintergr<strong>und</strong> an, sei es als Migrant oder Folgegeneration.<br />
Die Zuwanderer verlangsamen nicht nur die Schrumpfung, sondern sorgen auch für<br />
eine Abschwächung der Alterung, da sie meist jünger sind (BBSR 2009: 29). Doch die<br />
statistische Erfassung dieser Bevölkerungsgruppen stellt sich als schwierig dar: Eine einfache<br />
Unterscheidung nach der Staatsangehörigkeit wird den komplexen Migrationsverflechtungen<br />
nicht gerecht (ebd.). Schon die Folgegeneration kann die deutsche Staatsbürgerschaft<br />
haben <strong>und</strong> besitzt dennoch einen Migrationshintergr<strong>und</strong>.<br />
Heute leben ca. 60 % der Migranten in Städten oder städtischen Agglomerationen. In manchen<br />
städtischen Quartieren sind sie weit in der Überzahl (Mäding 2004: 25). Daran ist<br />
eine räumliche Segregation der verschiedenen Bevölkerungsgruppen erkennbar, die zu<br />
sozialen Problemen führen kann.<br />
5.2 Haushaltsentwicklung<br />
„[…] dadurch, dass die Haushalte ja immer kleiner werden, immer weniger Menschen zusammen<br />
unter einem Dach wohnen, ist es ja dieser sehr paradoxe Effekt: Obwohl die Bevölkerung<br />
zurückgeht, wächst erst mal die Nachfrage nach Wohnungen, weil wir immer mehr Single-<br />
Haushalte haben.“ (Ex11WU6: Zn.26 ff.)<br />
Die Anzahl der privaten Haushalte ist die entscheidende Determinante der Wohnungsnachfrage,<br />
denn sie sind die Nachfrager am Wohnungsmarkt (Just 2009: 48). Somit sind sie von<br />
besonderem Interesse für <strong>Wohnungsunternehmen</strong>. Ein Haushalt setzt sich aus einer oder<br />
mehreren Personen zusammen. Die Zahl der Haushalte wird zwar von der demographischen<br />
Entwicklung beeinflusst, sie unterliegt jedoch auch anderen Faktoren (Just 2009:<br />
34
5. Gesellschaftliche Prozesse <strong>und</strong> ihr Einfluss auf Quartier <strong>und</strong> Wohnungswirtschaft<br />
48), denn die Haushaltszusammensetzung befindet sich ebenfalls im Wandel (VdW 2011:<br />
43). Die Anzahl der privaten Haushalte wird laut Prognose bis 2030 von ca. 40,2 Mio.<br />
2009 auf ca. 41 Mio. ansteigen, obwohl die Bevölkerung im gleichen Zeitraum um ca. 6 %<br />
schrumpft (Statistische Ämter des B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> der Länder 2011: 32). Damit entwickelt sich<br />
die Zahl der Haushalte vorerst gegenläufig zum Trend der allgemeinen Bevölkerungsentwicklung.<br />
Der Gr<strong>und</strong> dafür liegt in der Haushaltsgröße, die sich durch die zunehmende<br />
Individualisierung verändert: Es findet eine „Pluralisierung der Lebensstile“ innerhalb der<br />
Bevölkerung statt (Mäding 2004:26). Maßgeblich für die Gründung von Haushalten ist die<br />
Altersstruktur der Bevölkerung. Das übliche Alter, in dem es in Deutschland zur Haushaltsgründung<br />
kommt, liegt zwischen 20 <strong>und</strong> 45 Jahren (Mäding 2004: 21). Die Nachkommen<br />
der „Babyboom-Generation“ werden somit noch für eine weitere Wohnungsnachfrage<br />
sorgen, allerdings ist aufgr<strong>und</strong> des „Pillenknicks“ daraufhin ein schneller Einbruch<br />
der Wohnungsnachfrage zu erwarten (ebd.). Die Zunahme der Haushalte lässt auf eine Zunahme<br />
der Wohnungsnachfrage in den nächsten Jahren schließen. Der schrumpfenden Bevölkerung<br />
stehen nicht nur die wachsenden Haushaltszahlen gegenüber, sondern auch ein<br />
wachsender Wohnflächenkonsum (BBSR 2011: 22).<br />
Pluralisierung der Lebensstile<br />
In einer globalisierten Welt kommt es zu einer wachsenden Pluralisierung der Lebensstile<br />
unserer Gesellschaft. Eine zunehmend ausdifferenzierte Gesellschaft verdrängt immer<br />
mehr die „klassischen Normalfamilie“ (GdW 2010: 16).<br />
„Die gesellschaftliche Mitte, für die zahlreiche Quartiere <strong>und</strong> Wohnungsbestände einst gebaut<br />
worden sind, gibt es heute so nicht mehr. Vielmehr ist eine Veränderung der Haushaltsstrukturen<br />
als Ausdruck voranschreitender Pluralisierung <strong>und</strong> flexibler Lebensentwürfe zu beobachten.“<br />
(GdW 2010:16)<br />
Ein Resultat der zunehmend individuellen Lebensstile ist die Tatsache, dass immer mehr<br />
Menschen in kleineren Haushalten leben (BBSR 2009: 40). Durch die Einkommenssteigerungen<br />
der letzten Jahre können jüngere Menschen relativ früh einen eigenen Haushalt<br />
gründen (Just 2009: 48). Weitere gesellschaftliche Tendenzen wie erhöhte Scheidungsraten,<br />
Flexibilität der Lebensentwürfe <strong>und</strong> der Wunsch, auch im Alter Eigenständigkeit zu<br />
bewahren, führen zu kleinteiligen Haushaltsstrukturen (ebd.). So beträgt die durchschnittliche<br />
Haushaltsgröße 1991 noch 2,27 Personen, 2010 nur noch 2,03 Personen (VdW 2011:<br />
43).<br />
35
5. Gesellschaftliche Prozesse <strong>und</strong> ihr Einfluss auf Quartier <strong>und</strong> Wohnungswirtschaft<br />
Kleinräumige Verteilung der Prozesse<br />
Bisher wurden die soziodemographischen Entwicklungsprozesse auf B<strong>und</strong>esebene betrachtet.<br />
An dieser Stelle wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die Prozesse zukünftig<br />
kleinräumiger <strong>und</strong> äußerst differenziert verlaufen werden <strong>und</strong> somit ein detaillierterer<br />
Blick notwendig ist.<br />
In den neuen B<strong>und</strong>esländern finden Schrumpfung <strong>und</strong> Alterung der Bevölkerung relativ<br />
flächenhaft statt. In den alten B<strong>und</strong>esländern hingegen kommt es z. B. auf Kreisebene zu<br />
starken Abweichungen von den b<strong>und</strong>esweiten Durchschnittstrends (BBSR 2011: 12). Es<br />
findet vielmehr ein Nebeneinander der Prozesse statt (ebd.). Der Bevölkerungsrückgang<br />
gestaltet sich dort partieller <strong>und</strong> räumlich differenzierter. Hier wird sich die Entwicklung in<br />
Zukunft immer mehr der des Ostens anpassen, wenn auch in geminderter Intensität (ebd.).<br />
Auf regionaler Ebene werden die Regionen, die von Schrumpfung betroffen sind, im Verhältnis<br />
zu Wachstumsregionen immer mehr in der Überzahl sein (BBSR 2011: 13). Wachsende<br />
Regionen sind beispielsweise das Rhein-Main-Gebiet, die Rheinschiene Bonn-Köln-<br />
Düsseldorf, sowie die Region um Hamburg <strong>und</strong> München (ebd.). Schrumpfende Regionen<br />
in den alten Ländern, werden beispielsweise die Altindustrieräume wie das Ruhrgebiet <strong>und</strong><br />
das Saarland, aber auch fast alle ländlichen Räume sein, die heute schon von Schrumpfung<br />
betroffen sind (BBSR 2011: 14). Daraus lässt sich schlussfolgern, dass die Bevölkerungsgewinne<br />
nur noch in den wirtschaftlich prosperierenden Räumen stattfinden.<br />
Bei der Haushaltsentwicklung werden noch bis 2025 Kreise mit wachsenden Haushaltszahlen<br />
in der Überzahl sein (BBSR 2011: 13). In den alten Ländern kommt es bei den Haushaltszahlen<br />
zu einem noch kleinräumigeren Nebeneinander von wachsenden <strong>und</strong> abnehmenden<br />
Haushaltszahlen (ebd.). Wachsende Haushaltszahlen findet man beispielsweise in<br />
Köln, Bonn, Düsseldorf, Münster oder Aachen; sinkende Haushaltszahlen im Ruhrgebiet<br />
oder dem Hochsauerland (BBSR 2011: 14 f.), was sich folglich auf die Wohnungsnachfrage<br />
auswirkt. Dennoch weist Experte 11 darauf hin, dass man die demographischen Entwicklungen<br />
durch die gegenläufige Haushaltsentwicklung nicht auf größere Bereiche wie<br />
z. B. eine ganze Stadt übertragen kann (Ex11WU6: Zn. 57 ff.).<br />
5.3 Weitere gesellschaftliche Entwicklungsprozesse<br />
Zu den Faktoren des soziodemographischen Wandels kommen weitere hinzu, die erheblichen<br />
Einfluss auf die Wohnungsnachfrage <strong>und</strong> Quartiere haben.<br />
Zunächst ist die teils prekäre Finanzsituation der öffentlichen Haushalte (Website Statistisches<br />
B<strong>und</strong>esamt c) <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>ene Haushaltskonsolidierung zu nennen. Diese<br />
erschwert es den Kommunen, alle öffentlichen Aufgaben in ausreichendem Maße wahrzu-<br />
36
5. Gesellschaftliche Prozesse <strong>und</strong> ihr Einfluss auf Quartier <strong>und</strong> Wohnungswirtschaft<br />
nehmen (Güles et al. 2010: 123). Dadurch kommt es in vielen Bereichen (z. B. der sozialen<br />
Wohnraumversorgung oder der Stadtentwicklung) zu einem zunehmenden Wegfall kommunaler<br />
Steuerungsmöglichkeiten. Allerdings ist hier auf eine heterogene räumliche Verteilung<br />
hinzuweisen. So ist beispielsweise die Kommunalverschuldung für Nordrhein<br />
Westfalen sehr dispers (Bertelsmann Stiftung 2007: 56) 18 .<br />
Weiterhin spielt die gesamtwirtschaftliche Entwicklung Deutschlands in ihren regionalen<br />
Disparitäten eine Rolle. Zu dieser Entwicklung führen besonders der wirtschaftliche Strukturwandel<br />
<strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>enen Arbeitsplatzverluste vor allem im sek<strong>und</strong>ären Sektor.<br />
Davon betroffen sind besonders Altindustrieräume wie das Ruhrgebiet. „Es wird ein<br />
deutliches Nebeneinander von prosperierenden <strong>und</strong> zurückgebliebenen Regionen geben“<br />
(Spars 2008: 38), die teilweise deckungsgleich mit den Wachstums- <strong>und</strong> Schrumpfungsregionen<br />
der Bevölkerung <strong>und</strong> Haushaltsentwicklung sind. Die regionalen Unterschiede in<br />
der wirtschaftlichen Entwicklung nehmen Einfluss auf die Wohnungsnachfrage (ebd.). Seit<br />
2004 führt das Institut der deutschen Wirtschaft Köln Consult GmbH (IW Consult) für die<br />
„Initiative Soziale Marktwirtschaft“ ein Städteranking für die 50 größten deutschen Städte<br />
durch, bei denen regionale wirtschaftliche Entwicklungen im Zentrum stehen (IW Consult<br />
2011: 5). Dabei wird verglichen, welche Städte das höchste Wohlstandsniveau <strong>und</strong> die<br />
höchste wirtschaftliche Dynamik aufweisen (ebd.). Im Ergebnis findet man auf den ersten<br />
Rängen die Städte München, Stuttgart <strong>und</strong> Münster (IW Consult 2011: 6). Interessanter ist<br />
aber das Ergebnis der unteren Ränge: Seit Beginn des Ranking belegen erstmals keine ostdeutschen<br />
Städte die beiden letzten Plätze, sondern Herne <strong>und</strong> Gelsenkirchen, zwei Städte<br />
des Ruhrgebiets (ebd.) 19 .<br />
Mit der wirtschaftlichen Entwicklung eng verb<strong>und</strong>en ist die Entwicklung der zunehmend<br />
„verhärteten Armut“ der privaten Haushalte in Deutschland (Paritätischer Gesamtverbands<br />
2011: 3). Der aktuelle „Bericht zur regionalen Armutsentwicklung“ kommt zu dem Ergebnis,<br />
dass die Armutsgefährdungsquote 20 der privaten Haushalte in Deutschland seit einigen<br />
Jahren relativ konstant auf hohem Niveau liegt, unabhängig von konjunkturellen Schwankungen<br />
der Wirtschaft (ebd.). Ebenso befindet sich der zweite Indikator der Armut, die<br />
Harz IV Quote, seit 2005 auf relativ konstantem Niveau (ebd.). Die räumliche Verteilung<br />
18 In NRW sind besonders „die Städte des Ruhrgebiets sowie zahlreiche Kommunen am Rhein überdurchschnittlich<br />
hoch verschuldet. Dies ist insofern bemerkenswert, als es sich bei den hoch verschuldeten Ruhrgebietskommunen<br />
um vergleichsweise finanzschwache Großstädte handelt („Armutsverschuldung“), während<br />
sich die Schulden im Rheingebiet tendenziell auf kleinere <strong>und</strong> finanzstärkere Gemeinden verteilen<br />
(„Reichtumsverschuldung“).“ (Bertelsmann Stiftung 2007: 57).<br />
19 Ebenfalls neu auf den letzten zehn Plätzen sind die Ruhrgebietsstädte Dortm<strong>und</strong>, Hamm <strong>und</strong> Oberhausen<br />
(IW Consult 2011: 6).<br />
20 Vgl. Glossar.<br />
37
5. Gesellschaftliche Prozesse <strong>und</strong> ihr Einfluss auf Quartier <strong>und</strong> Wohnungswirtschaft<br />
der Armut ist jedoch wiederum äußerst differenziert: „Statt eines „sauberen Ost-West-<br />
Schnitts“ erscheint Deutschland mehr <strong>und</strong> mehr als armutspolitischer Flickenteppich.“ (Paritätischen<br />
Gesamtverbandes 2011: 7). Das Ruhrgebiet wird in diesem Bericht als „neue<br />
Problemregion mit besorgniserregender Dynamik“ (Paritätischen Gesamtverbandes 2011:<br />
8) hervorgehoben.<br />
Insgesamt entwickelt sich durch diese Prozesse die wirtschaftliche <strong>und</strong> soziale Situation<br />
der privaten Haushalte äußerst differenziert <strong>und</strong> führt zu sozioökonomischen Disparitäten<br />
<strong>und</strong> einer Polarisierung der Gesellschaft.<br />
5.4 Folgen für Quartiere <strong>und</strong> <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
Quartiere<br />
Die vorangehend beschriebenen Entwicklungen stellen sich als sehr komplex dar <strong>und</strong> können<br />
nicht isoliert voneinander betrachtet werden. Als gesellschaftliche Phänomene haben<br />
sie Auswirkungen auf räumliche Prozesse, Bevölkerungsgruppen <strong>und</strong> den einzelnen Menschen.<br />
Da ein Quartier ein räumliches <strong>und</strong> soziales Gebilde ist, spiegeln sich diese Entwicklungen<br />
dort wider. Die Prozesse verlaufen jedoch parallel, sodass es innerhalb einer<br />
Stadt gleichzeitig zur Bildung bevorzugter <strong>und</strong> benachteiligter Quartiere kommen kann<br />
(vgl. Kapitel 6). Anhand der aufgeführten gesellschaftlichen Entwicklungsprozesse sollen<br />
nun die Folgen für Quartiere näher erläutert werden.<br />
Die demographischen Entwicklungen finden ihren Ausdruck in schrumpfenden <strong>und</strong> wachsenden<br />
Quartieren, in zunehmender Segregation der Migranten <strong>und</strong> in wachsenden Anforderungen<br />
an die Quartiere durch die Alterung der Bevölkerung. Die Alterung führt so auch<br />
zu neuen qualitativen Anforderungen an Wohnungen (Mäding 2004: 25). Laage beschreibt,<br />
welche Bedeutung ein Quartier für ältere Menschen haben kann (2001: 473): „Besonders<br />
alte Menschen haben eine feste Bindung an Menschen <strong>und</strong> ihr Quartier, an ihren Stadtteil<br />
als sozialräumliche Umwelt. Schließlich ist dieser Raum ein Stück eigener gelebter, erlebter<br />
Geschichte, daraus darf man sie nicht vertreiben.“<br />
Auch die Haushalte begegnen dem Quartier durch gesellschaftliche Entwicklungsprozesse<br />
mit veränderten Anforderungen. „Vielfach entsprechen die Wohnungsbestände der großen<br />
Wohnsiedlungen nicht mehr den sehr ausdifferenzierten Bedürfnissen <strong>und</strong> Ansprüchen<br />
jüngerer Haushalte an das Wohnen.“ (GdW 2010: 16).<br />
Der zunehmende Wegfall kommunaler Steuerungsmaßnahmen stellt privatwirtschaftliche<br />
Initiativen (z. B. durch <strong>Wohnungsunternehmen</strong>) als Verfahren der Quartiersentwicklung<br />
immer mehr in den Fokus (vgl. Kapitel 7.1).<br />
38
5. Gesellschaftliche Prozesse <strong>und</strong> ihr Einfluss auf Quartier <strong>und</strong> Wohnungswirtschaft<br />
Durch Prozesse wie den wirtschaftlichen Wandel oder die zunehmende Armut bestimmter<br />
Schichten findet ein weiterer Segregationsprozess statt. So gestaltet es sich für Haushalte<br />
niedriger Einkommensgruppen zunehmend schwieriger, Zugang zum Wohnungsmarkt zu<br />
erhalten (GdW 2010: 17). Das hat zur Folge, dass sich benachteiligte Bevölkerungsgruppen<br />
immer mehr in benachteiligten Quartieren konzentrieren. Bewohner „mit niedrigem<br />
sozialen Status, geringer Qualifikation <strong>und</strong> unterdurchschnittlichem Einkommen leben<br />
zunehmend konzentriert in Quartieren mit oft mangelhaften Gebäudebeständen <strong>und</strong><br />
schlechter Infrastruktur, aus denen Besserverdienende abwandern“ (Güles et al. 2010:<br />
113). Dabei besteht für die zurückbleibenden Bewohner die Gefahr, „durch die Stigmatisierung<br />
ihrer Wohngebiete zusätzlich benachteiligt zu werden“ (ebd.). Durch die Abwanderung<br />
höherer Einkommensgruppen kommt es zu einer räumlichen Polarisierung: Es entsteht<br />
ein Nebeneinander von benachteiligten <strong>und</strong> bevorzugten Quartieren, deren Unterschiede<br />
immer größer werden (ebd.). Auch in den Experteninterviews wird diesen gesellschaftlichen<br />
Prozessen erhebliche Bedeutung für Quartiere <strong>und</strong> deren Entwicklung beigemessen<br />
(Ex3BR2: Zn. 268 ff.).<br />
Nach Experte 3 muss in Zukunft für Quartiere, die sich in schrumpfenden Regionen befinden,<br />
immer mehr auch die Option, solche Quartiere zurückzubauen oder im Extremfall<br />
komplett abzureißen (Exit-Option), in Betracht gezogen werden. Hier ist es wichtig, „geplant“<br />
zu schrumpfen <strong>und</strong> „einen geordneten Rückzug“ zu vollziehen (Ex3BR2: Zn.<br />
298 ff.). Deshalb müssen diese Themen – auch wenn sie ihren Niederschlag teilweise bereits<br />
in den Stadtumbauprogrammen Ost/West finden – in der politischen Diskussion offener<br />
behandelt werden. Es muss eine andere „Fördersystematik“ geschaffen werden, die<br />
flexibler ist <strong>und</strong> mit anderen Zeithorizonten arbeitet (Ex3BR2: Zn. 315 ff.).<br />
Daraus wird ersichtlich, dass das Quartier gewissermaßen als Spiegelbild gesellschaftlicher<br />
Prozesse anzusehen ist. Deshalb ist es von besonderer Bedeutung, bei jeder Art der Quartiersentwicklung<br />
gesamtgesellschaftliche Entwicklungen zu berücksichtigen.<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong> wirken als Akteure im Quartier. Da das Quartier als Spiegel gesellschaftlicher<br />
Wandlungsprozesse gesehen werden kann, müssen <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
diese Trends frühzeitig erkennen <strong>und</strong> darauf reagieren.<br />
Der demographische Wandel nimmt immer mehr Einfluss auf die Wohnungsnachfrage.<br />
Zunächst wird zwar die Bevölkerungsschrumpfung in einigen Regionen noch durch wachsende<br />
Haushaltszahlen überdeckt, dennoch stellt diese zukünftig ein zunehmendes Risiko<br />
für <strong>Wohnungsunternehmen</strong> dar (VdW 2002: 191). Die Experten sind der Ansicht, dass für<br />
39
5. Gesellschaftliche Prozesse <strong>und</strong> ihr Einfluss auf Quartier <strong>und</strong> Wohnungswirtschaft<br />
schrumpfende Regionen <strong>und</strong> dortige Mietermärkte immer größere Anstrengungen unternommen<br />
werden müssen, um Mieter zu werben <strong>und</strong> zu halten, da die Mieter hier aufgr<strong>und</strong><br />
des größeren Angebotes freier wählen können (Ex4WU2: Zn. 65 ff.; Ex6WU3: Zn. 232 ff.;<br />
Ex8WU5: Zn. 452 ff.).<br />
„Der Mieter kann auswählen <strong>und</strong> der wählt eben nicht nur nach der Wohnung an sich, sondern<br />
eben auch nach anderen Kriterien“ (Ex4WU2: Zn. 71 ff.)<br />
Deshalb wird für <strong>Wohnungsunternehmen</strong> die Mieterbindung immer wichtiger, da besonders<br />
in diesen Märkten Fluktuationen mit hohen Kosten verb<strong>und</strong>en sind (Ex4WU2: Zn.<br />
114 ff.; Ex9WU5: Zn. 124 ff.). Durch die veränderten Bedingungen ergeben sich auch in<br />
westdeutschen Städten immer größere Leerstandsproblematiken, wodurch es zu einer erhöhten<br />
Wettbewerbssituation kommt 21 . Deshalb müssen sich <strong>Wohnungsunternehmen</strong> mit<br />
zusätzlichen Angeboten wie wohnbegleitende Dienstleistungen von der <strong>Konkurrenz</strong> abheben,<br />
neue Nischenmärkte besetzen (Ex6WU3: Zn. 251 ff.), oder neue Zielgruppen generieren<br />
(Ex11WU6: Zn. 273 ff.). Durch die Befragung der Experten stellt sich zudem heraus,<br />
dass besonders in schrumpfenden Regionen nicht nur die anderen <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
sondern auch die privaten Kleinanbieter als <strong>Konkurrenz</strong> wahrgenommen werden<br />
(Ex5WU3: Zn. 212 f.; Ex7WU4: Zn. 199 ff.). In schwachen Märkten können sich <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
nur qualitativ von dieser Gruppe abheben, denn den Preiswettbewerb<br />
kann man „als Unternehmen […] kaum gewinnen“ (Ex7WU4: Zn. 218 f.) 22 .<br />
Eine weitere Anforderung an <strong>Wohnungsunternehmen</strong> stellt auch die zunehmende Alterung<br />
der Bevölkerung dar. Immer mehr ältere Menschen wollen ihren Lebensabend in den eigenen<br />
vier Wänden verbringen (Mäding 2004: 25.). <strong>Wohnungsunternehmen</strong> 5 sieht darin<br />
heute sogar eine Geschäftsstrategie (Ex9WU5: Zn. 114 ff.). Daher wird besonders das<br />
Thema seniorengerechtes Wohnen für die Wohnungswirtschaft immer wichtiger. Doch der<br />
vorhandene Wohnungsbestand entspricht oft nicht den qualitativen Anforderungen von<br />
seniorengerechtem Wohnen (Ex9WU5: 145 ff.). Bedarf besteht nicht nur in baulicher Hinsicht<br />
(Barrierefreiheit), sondern auch auf infrastruktureller Ebene. So werden altersgerechte<br />
Dienstleistungen wie beispielsweise ambulante Pflegedienste <strong>und</strong> Einkaufshilfen benötigt<br />
(Mäding 2004: 25).<br />
21 „Also wir haben die Situation, dass wir insgesamt verhältnismäßig viel Leerstand hier haben. Also in Essen<br />
gibt es glaube ich ungefähr 300.000 Wohnungen <strong>und</strong> wir haben einen Leerstand von 20.000 Wohnungen<br />
[…]“ (Ex5WU3 Zn 208 ff.).<br />
22 Beispiele für eine qualitative Differenzierung sind: „Flexible Gr<strong>und</strong>risse, Ausstattungsvarianten, Angebote<br />
für neue Lebensformen (Patchworkfamilien, Wohngemeinschaften), Multimedia-Angebote, „Nischen-<br />
Angebote“ (Beuerle & Petter 2008: 22).<br />
40
5. Gesellschaftliche Prozesse <strong>und</strong> ihr Einfluss auf Quartier <strong>und</strong> Wohnungswirtschaft<br />
Weiterhin müssen sich <strong>Wohnungsunternehmen</strong> mit der zunehmenden Internationalisierung<br />
der Bevölkerung auseinandersetzen. Diese birgt für Quartiere ein hohes Konfliktpotenzial.<br />
Die Wohnungswirtschaft kann in solchen Fällen nur begrenzt mit einer Belegungspolitik<br />
oder Dienstleistungen wie Integrationshilfen eingreifen (Mäding 2004: 25). Mäding (2004:<br />
26) weist aber drauf hin, dass es ein Fehler wäre, anzunehmen, Migranten wären generell<br />
eine Problemgruppe. Sie sind für die Wohnungswirtschaft in Zukunft – wenn auch im unteren<br />
Marktsegment – eine wachsende Nachfragergruppe, da ihr Anteil an der Bevölkerung<br />
noch anwachsen wird (ebd.). Doch dadurch werden auch Themen wie Integration <strong>und</strong> kulturelle<br />
Verständigung immer wichtiger für die Wohnungswirtschaft.<br />
Nicht nur die zunehmende Internationalisierung birgt ein Konfliktpotenzial, sondern auch<br />
die allgemeine Polarisierung der Gesellschaft, verursacht durch die sozioökonomischen<br />
Disparitäten. Diese Konflikte in Quartieren werden von den Experten sogar teilweise als<br />
Problem gesehen, das akuter ist als der Wettbewerb mit den andern <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
selbst (Ex9WU5: Zn. 69 ff.). Daher ist es für <strong>Wohnungsunternehmen</strong> wichtig, auf<br />
diese Tendenzen rechtzeitig zu reagieren, indem sie beispielsweise Bewohner bei Entscheidungen<br />
integrieren oder ein Sozialmanagement im Unternehmen einführen (Beuerle<br />
& Petter (2008: 22).<br />
Die Pluralisierung der Lebensstile führt zu differenzierten Haushaltstypen, die sich einheitlichen<br />
Wohnungsangeboten nicht zuordnen lassen. Deshalb wird es gerade in Mietermärkten<br />
schrumpfender Regionen wichtig, sich als <strong>Wohnungsunternehmen</strong> an den verschiedenen<br />
Lebensstilen der Haushalte zu orientieren <strong>und</strong> die Zielgruppen zu identifizieren (Spieker<br />
2005: 145). Dafür eigenen sich die sogenannten Sinus-Milieus des Heidelberger Sozialforschungsinstituts<br />
„SINUS Markt- <strong>und</strong> Sozialforschung GmbH“. Dabei werden Kriterien<br />
wie Bildung, Beruf oder Einkommen der Bevölkerung mit ihren unterschiedlichen<br />
Lebensauffassungen <strong>und</strong> Lebensweisen verb<strong>und</strong>en. Der Mensch wird sozusagen analysiert<br />
<strong>und</strong> in Sinus Milieus unterteilt (Website SINUS Markt- <strong>und</strong> Sozialforschung GmbH; Spieker<br />
2005: 145).<br />
Die deutschen Sinus Milieus 2010 sind in Abbildung 5 dargestellt. Die vertikale Achse<br />
zeigt die Unterteilung der sozialen Lage in Bezug auf Bildung, Beruf <strong>und</strong> Einkommen, die<br />
horizontale eine Unterteilung nach der Gr<strong>und</strong>orientierung 23 . Die sich daraus ergebenden<br />
Milieus „können durchaus homogene Wohnvorstellungen artikulieren“ (VdW 2002: 74).<br />
23 „Das Modell untergliedert die Menschen nach Mentalitäten, Einstellungen <strong>und</strong> Verhaltensweisen <strong>und</strong> fasst<br />
die Menschen danach nach ihren Lebensweisen in „subkulturellen Einheiten“ zusammen. Die „Subkultur“<br />
entsteht aus den zusammengehörigen Mustern von Gr<strong>und</strong>überzeugungen, Wertorientierungen, Einstellungen<br />
<strong>und</strong> Lebenszielen zu Arbeit, Freizeit, Konsum, politischen Gr<strong>und</strong>überzeugungen <strong>und</strong> Familie <strong>und</strong> Partnerschaft.“<br />
(GdW 2002: 74).<br />
41
5. Gesellschaftliche Prozesse <strong>und</strong> ihr Einfluss auf Quartier <strong>und</strong> Wohnungswirtschaft<br />
Somit werden die Sinus-Milieus für zielgruppenorientierte <strong>Wohnungsunternehmen</strong> interessant,<br />
da sich aus ihnen verschiedene Wohnbedürfnisse ableiten lassen (Spieker 2005: 145).<br />
Abbildung 5: Die Sinus-Milieus in Deutschland 2010<br />
Quelle: Website SINUS Markt- <strong>und</strong> Sozialforschung GmbH<br />
Durch den Wegfall kommunaler Steuerungsmöglichkeiten werden <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
in Quartieren zunehmend zu „Verwalter[n] der ungelösten Sozialstaatsprobleme“ (GdW<br />
1998: 24). Dieser Eindruck bestätigt sich zum Teil bei den Experteninterviews. Experte 4<br />
kritisiert, dass durch die finanzielle Lage vieler Kommunen <strong>und</strong> dem damit verb<strong>und</strong>enen<br />
Wegfall kommunaler Steuerungsmöglichkeiten immer mehr öffentliche Aufgaben auf<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong> übertragen werden.<br />
„Wir können nicht als Privatinvestor öffentliche Interessen wahrnehmen. Da bin ich ja schizophren:<br />
Hier bin ich dann [ein <strong>Wohnungsunternehmen</strong>] <strong>und</strong> da bin ich dann... Nein!“ (Ex4WU2: Zn.<br />
562 ff.)<br />
Der Wohnungsmarkt wird zunehmend „nach Zielgruppen, Qualitäts- <strong>und</strong> Preisniveaus,<br />
Wohnungstypen <strong>und</strong> Standorten“ segmentiert (VdW 2002: 7). Diese kleinräumigen Entwicklungen<br />
wurzeln in einer wachsenden Differenzierung, Komplexität <strong>und</strong> einem höheren<br />
Anspruch der Wohnungsnachfrage, bedingt durch die gesellschaftlichen Entwicklungsprozesse.<br />
Es haben sich neue Handlungsfelder für <strong>Wohnungsunternehmen</strong> herausgebildet. Sie<br />
müssen heute stärker nachfragerorientiert arbeiten <strong>und</strong> ihre Handlungsstrategien längerfristig<br />
auslegen (Mäding 2004: 24). Da die gesellschaftlichen Entwicklungsprozesse (räum-<br />
42
5. Gesellschaftliche Prozesse <strong>und</strong> ihr Einfluss auf Quartier <strong>und</strong> Wohnungswirtschaft<br />
lich) differenziert voneinander ablaufen, werden Unternehmen auf sehr unterschiedliche<br />
Weise betroffen sein, „je nachdem in welcher Wohnungsmarktregion sie tätig sind, welche<br />
Struktur ihre Bestände aufweisen <strong>und</strong> welches Klientel sie bedienen“ (VdW 2002: 7).<br />
„[…]man kann sich nicht beliebig von irgendwelchen Beständen trennen <strong>und</strong> schon gar nicht<br />
dann, wenn man in einer Region verwurzelt ist <strong>und</strong> auch dann nun mal in einer Region seinen<br />
Hauptbestand besitzt. […]. Dann ist es ja viel wichtiger, dass man sich überlegt, wie man in dieser<br />
Region dann auch langfristig wettbewerbsfähig bleibt.“ (Ex7WU4: Zn. 290 ff.)<br />
Experte 7 weist einschränkend darauf hin, dass diese gesellschaftlichen Prozesse zum Teil<br />
kontinuierlich <strong>und</strong> langsam verlaufen <strong>und</strong> es noch einige Jahre andauern wird, bis deren<br />
Effekte auf den Märkten spürbar werden (Ex7WU4: Zn. 136 ff.). Daher sind dies Themen,<br />
die beobachtet werden müssen, die aber nicht das Alltagsgeschäft der Unternehmen beeinflussen.<br />
Es existieren gewisse Steuerungsmöglichkeiten, um diese Tendenzen <strong>und</strong> Prozesse<br />
abzufedern.<br />
„Ob das jetzt strategische, investive Dinge sind, gesteuerte Instandhaltungsmaßnahmen oder einfach<br />
auch personelle Veränderungen.“ (Ex7WU4: Zn. 149 ff.)<br />
Er ist der Ansicht, dass die Wohnungswirtschaft durch die neuen Anforderungen insgesamt<br />
strategischer geworden ist (Ex7WU4: Zn. 168 ff.). Das bestätigt auch die zunehmende Professionalisierung<br />
der Wohnungswirtschaft (vgl. Kapitel 4.1) vor allem im Blick auf große<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong>:<br />
„Je größer das Unternehmen wird, umso komplexer werden natürlich auch die Aufgaben, umso<br />
strategischer muss man sie angehen. Und diese Strategien finden natürlich auch räumlich ihren<br />
Niederschlag in Fragen wie Quartiersentwicklung <strong>und</strong> überhaupt der Frage, wie man Raumeinheiten<br />
definiert […].“(Ex7WU4: Zn. 181 ff.)<br />
Zusammenfassend lässt sich durch die Auswirkungen gesellschaftlicher Entwicklungsprozesse<br />
ein erweiterter Handlungsbereich für die <strong>Wohnungsunternehmen</strong> feststellen. Dabei<br />
scheint durch das neue Verständnis vom Produkt Wohnen auch eine neue Handlungsebene<br />
erforderlich. Hier tritt das Quartier als Spiegelbild vieler dieser Prozesse <strong>und</strong> somit die<br />
Quartiersebene als realisierbare Handlungsebene (vgl. Kapitel 7.2) in den Vordergr<strong>und</strong>.<br />
Auf dieser neuen Handlungsebene werden für <strong>Wohnungsunternehmen</strong> neue Handlungsfelder<br />
erschlossen: Es reicht nicht mehr, wie in Zeiten des kontinuierlichen Bevölkerungswachstums,<br />
Wohnraum zu schaffen, der in jeglicher Qualität seine Nachfrage findet.<br />
„Wir können nicht nur Wohnungen zur Verfügung stellen, sondern wir müssen so etwas wie, ich<br />
sage mal, Lebensräume, Heimat <strong>und</strong> Ähnliches schaffen. Das sind die Quartiersebenen.“<br />
(Ex4WU2: Zn. 166 ff.)<br />
43
6. Quartiersentwicklung <strong>und</strong> die Entstehung von benachteiligten Quartieren<br />
6 Quartier: Akteure, Entwicklung <strong>und</strong> Entstehung benachteiligter<br />
Quartiere<br />
6.1 Quartiere als Betrachtungs- <strong>und</strong> Handlungsebene<br />
Das Quartier als Betrachtungs- <strong>und</strong> Handlungsebene stellt einen zentralen Ansatzpunkt der<br />
Arbeit dar. Es ist von besonderer Relevanz herauszustellen, wo sich <strong>Wohnungsunternehmen</strong>,<br />
im Vergleich zu Wissenschaften <strong>und</strong> anderen Akteuren, im Blick auf diese Handlungsebene<br />
positionieren. Anschaulich macht das der Ansatz Meisels (2012b: o. A. 24 ), in<br />
dem er für das Quartier drei unterschiedliche Anschauungsebenen wählt (Abb. 6):<br />
Abbildung 6: Betrachtungsebenen des Quartiers<br />
Quelle: Meisel (2012b: o. A.)<br />
Im Zentrum steht das Quartier als Handlungsebene für die tägliche Lebenswelt der Quartiersbewohner<br />
(Meisel 2012b: o. A.). Zudem existiert die Ebene der Institutionen, im Fall<br />
dieser Untersuchung z. B. <strong>Wohnungsunternehmen</strong> als wohnungswirtschaftliche Institution<br />
(ebd.). „So formen <strong>und</strong> verändern die Immobilien- <strong>und</strong> die Wohnungswirtschaft zusammen<br />
mit Architekten <strong>und</strong> Städtebauern durch ihre Aktivitäten kontinuierlich die Umwelt von<br />
Quartiersbewohnern“ (ebd.). Die dritte Ebene ist die wissenschaftliche Erkenntnisebene.<br />
Diese richtet ihre Betrachtung sowohl auf die Handlungsebene der Quartiersbewohner, als<br />
auch auf die Ebene der Institutionen, die gemäß ihrer individuellen Zielsysteme wiederum<br />
auf die Ebene der Bewohner wirken (ebd.).<br />
24 Die Seitenzahl ist noch nicht bekannt, da sich der Beitrag in der Veröffentlichung befindet.<br />
44
6. Quartiersentwicklung <strong>und</strong> die Entstehung von benachteiligten Quartieren<br />
6.2 Akteure im Quartier<br />
„It discusses how, within this new paradigmatic context, neighbourhoods are produced by the<br />
same actors that consume them: households, property owners, business people and local government.<br />
Finally, consideration is given to various aspects of the origins and nature of neighbourhood<br />
change and it is argued that neighbourhood dynamics are rife with social inefficiencies.“<br />
(Galster 2001: 2111)<br />
Die Akteure im Quartier sind eine sehr heterogene Gruppe (Schnur 2010: 88). Im Fokus<br />
dieser Untersuchung steht die zu betrachtende Akteursgruppe der Wohnungseigentümer,<br />
da sich <strong>Wohnungsunternehmen</strong> als institutioneller Akteur im Quartier in diese Gruppe einordnen<br />
lassen. Doch um die anderen Akteure nicht unerwähnt zu lassen, sind diese in Abbildung<br />
7 dargestellt.<br />
Abbildung 7: Quartiersakteure <strong>und</strong> Beziehungsgeflecht<br />
Quelle: Schnur & Markus (2010: 186)<br />
Abbildung 7 beruht auf den Ergebnissen einer „Delphie-Expertenbefragung“ im Rahmen<br />
des Projekts „Demographischer Impact in städtischen Wohnquartieren – Entwicklungsszenarien<br />
<strong>und</strong> Handlungsoptionen“ von Schnur (2010). Die Akteure sind anhand ihrer Relevanz<br />
für das Quartier dargestellt (Schnur & Markus 2010: 186). Es wird deutlich, dass<br />
„Nachfrager/Bewohner im Bestand“, „Wohnungseigentümer“ (auch Wohnungsunterneh-<br />
45
6. Quartiersentwicklung <strong>und</strong> die Entstehung von benachteiligten Quartieren<br />
men) <strong>und</strong> „Kommunalverwaltung“ die wichtigsten <strong>und</strong> einflussreichsten Akteure im Quartier<br />
sind: Diese drei werden auch als „Quartierstriade“ bezeichnet (Schnur & Markus 2010:<br />
185). Weiterhin wird ersichtlich, dass sich die jeweiligen Akteursgruppen untereinander<br />
unter Umständen stark beeinflussen. Dies ist bei allen Handlungsstrategien <strong>und</strong> Maßnahmen<br />
von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> zu berücksichtigen.<br />
Hier wird bereits eine Argumentationsbasis für eine Vielzahl möglicher Konstellationen<br />
der Zusammenarbeit (kooperative Strukturen) sowohl innerhalb der Akteursgruppen, als<br />
auch mit anderen Akteursgruppen impliziert. Weiterhin verdeutlicht Abbildung 7 die<br />
Komplexität eines Quartiers, die bereits durch die Akteurskonstellation gegeben ist. Zudem<br />
ist die Quartiersentwicklung ein äußerst dynamischer Prozess, der sich nur schwer in einheitlich<br />
definierten Zyklen abbilden lässt (vgl. Kapitel 6.4). Er ist abhängig von einer Vielzahl<br />
von Einflussfaktoren, die sich noch steigern können, wenn alle Quartiersakteure unterschiedliche<br />
Interessen verfolgen, denn auch diese werden in ihren Handlungsmöglichkeiten<br />
<strong>und</strong> Strategien wiederum von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst.<br />
6.3 Quartiersentwicklung im Untersuchungskontext<br />
Unter Quartiersentwicklung soll nicht eine Entwicklung im Sinne von Neubauquartieren,<br />
also der Planung <strong>und</strong> Errichtung von Quartieren, sondern Entwicklungsprozesse von bestehenden<br />
Quartieren, verstanden werden. Quartiersentwicklung als zentraler Betrachtungspunkt<br />
dieser Arbeit kann in zwei Richtungen beschrieben werden: die Weiterentwicklung<br />
(positiv) <strong>und</strong> die Abwärtsentwicklung (negativ). Positive oder negative Quartiersentwicklung<br />
wird als zyklischer <strong>und</strong> dynamischer Prozess verstanden, der von vielfältigen<br />
komplexen <strong>und</strong> sich teilweise überlagernden Faktoren beeinflusst wird. Wenn im Folgenden<br />
auch von Quartiersentwicklung durch <strong>Wohnungsunternehmen</strong> gesprochen wird, ist<br />
damit der Eingriff von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in die Entwicklungsprozesse bestehender<br />
Quartiere durch verschiedene Maßnahmen <strong>und</strong> Strategien zu verstehen. Durch solche<br />
Maßnahmen ist es <strong>Wohnungsunternehmen</strong> möglich, bestimmte Entwicklungsprozesse im<br />
Quartier zu lenken, aufzuhalten oder zu fördern.<br />
Statische Quartiere gibt es im Gr<strong>und</strong>e nicht, denn auch Quartiere, die stabil sind <strong>und</strong> in<br />
denen aktuell keine Weiterentwicklung stattfindet, befinden sich auf lange Sicht dennoch<br />
in einem Entwicklungsprozess. Im Vergleich zu sich weiterentwickelnden Quartieren werden<br />
sie irgendwann zurückfallen <strong>und</strong> können in einen Abwärtstrend geraten. Es kann also<br />
allenfalls ein Status quo bestimmt werden, von dem ausgehend sich ein Quartier betrachten<br />
lässt.<br />
46
6. Quartiersentwicklung <strong>und</strong> die Entstehung von benachteiligten Quartieren<br />
Im Fokus der Untersuchung stehen benachteiligte Bestandsquartiere mit überwiegender<br />
Wohnbebauung in von Schrumpfung betroffenen Regionen bzw. Mietermärkten. Solche<br />
Quartiere können <strong>Wohnungsunternehmen</strong> mit Maßnahmen <strong>und</strong> Strategien in der Entwicklung<br />
beeinflussen <strong>und</strong> somit Quartiersentwicklung leisten. Dies setzt ein Verständnis dafür<br />
voraus, wie es zu der Bildung benachteiligter Quartiere kommen kann. Darauf aufbauend<br />
müssen solche Quartiere im Bestand eines <strong>Wohnungsunternehmen</strong>s identifiziert werden,<br />
damit gezielt Maßnahmen eingesetzt werden können, die den weiteren Verfall aufhalten<br />
oder der Entwicklung im Idealfall eine positive Wendung geben.<br />
6.4 Entwicklungsprozesse von Quartieren im Nutzungszyklusmodell<br />
Das Nutzungszyklusmodell erweist sich als besonders geeignet, die Entwicklung von<br />
Quartieren zu beschreiben. Es berücksichtigt den Entwicklungsprozess, den Quartiere über<br />
einen gewissen Zeitraum durchlaufen <strong>und</strong> die Tatsache, dass sich dabei zwei verschiedene<br />
Veränderungsprozesse – bauliche <strong>und</strong> soziale – überlagern (Friedrich 2004: 38). In diesem<br />
Modell durchläuft ein Quartier verschiedene Phasen eines Nutzungszyklus, beispielsweise<br />
von der „Entwicklung über die Nutzung bis zur Wiedernutzung, Verwertung oder sogar bis<br />
zum Abriss des Quartiers“ (Bizer et al. 2009: 9).<br />
Das Nutzungszyklusmodell basiert unter anderem auf der Arbeit „Anatomy of a Metropolis“<br />
von Hoover & Vernon (1959), die wiederum auf den Ansätzen der Chicagoer Schule<br />
beruht. Sie setzen sich darin vor allem mit der Entwicklung von „Neighborhoods“ auseinander<br />
<strong>und</strong> entwickeln daraus einen „neighborhood cycle“ (Hoover & Vernon 1959: 206).<br />
Dabei erkennen sie in der Stadt New York „areas in sequential stages of development“<br />
(Hoover & Vernon 1959: 192). Insgesamt identifizieren sie fünf Phasen in einem „neighborhood<br />
cycle“: 1 residential development, 2 transition stage, 3 down-grading stage, 4<br />
thinning-out stage <strong>und</strong> 5 renewal stage (Hoover & Vernon 1959: 190 ff.). Dabei können<br />
auch Phasen ausgelassen werden oder es kann zum Verharren in einer Phase kommen, es<br />
ist also nicht erforderlich, dass ein Quartier (Neighborhood) alle Entwicklungsphasen<br />
durchläuft (Hoover & Vernon 1959: 206). Der „neighborhood cycle“ weist aber nach<br />
Friedrich (2004: 39) methodische Schwächen auf 25 . Ottensmann (1975: 164) sieht in dem<br />
Theorieansatz von Hoover & Vernon eine „evolutionary theory of neighborhood change<br />
[that] provides a useful dynamic framework for dealing with the changing characteristics<br />
of small aereas within the city“. Durch ihn wird der Ansatz noch weiterentwickelt (Friedrich<br />
2004: 39) 26 .<br />
25 Beispielsweise bei den Angaben zur Dauer der jeweiligen Phasen (Friedrich 2004: 39).<br />
26 Eine nähere Ausführung dieser Weiterentwicklung durch Ottensmann findet sich bei Friedrich (2004: 39).<br />
47
6. Quartiersentwicklung <strong>und</strong> die Entstehung von benachteiligten Quartieren<br />
Diese Ansätze wurden bezogen auf US-amerikanische Städte entwickelt <strong>und</strong> untersucht,<br />
liefern aber dennoch einen Beleg für „das Auftreten geordneter Entwicklungsprozesse auf<br />
der Ebene städtischer Teilräume.“ (Bizer et al. 2008: 23). Die Phasen, die Hoover & Vernon<br />
beschreiben, können auch im Kontext europäischer Städte beobachtet werden.<br />
„Ihre Ausprägung ist in Deutschland jedoch anders indiziert <strong>und</strong> sichtbar als in USamerikanischen<br />
Kontexten. Im Gegensatz zu den USA sind die Prozesse stärker durch politische/staatliche<br />
Maßnahmen (z. B. Wohnungsbauförderung) bzw. Planungsleitbilder beeinflusst.“<br />
(Bizer et al. 2008: 23)<br />
In ihrem Ansatz nutzen Bizer et al. (2008: 23) das Wissen aus der sozialwissenschaftlichen<br />
Stadtforschung zur Bildung eines Modells von Nutzungszyklen <strong>und</strong> ermöglichen so einen<br />
Blick für den Zusammenhang von baulichen, sozialen <strong>und</strong> ökonomischen Faktoren bei der<br />
Entwicklung von Quartieren. Bizer et al. (2009: 9) beschreiben, dass sich in diesem Nutzungszyklus<br />
eines Quartiers die „baulich-technischen Lebenszyklen“ (z. B. Immobilien<br />
<strong>und</strong> Infrastruktur) <strong>und</strong> die „Lebensphasen“ der Quartiersbewohner überlagern. Durch die<br />
verschiedenen Lebensphasen verändern sich die Anforderungen der Bewohner an das<br />
Wohnen <strong>und</strong> an das Quartier (ebd.).<br />
Die Wohnungswirtschaft unterscheidet zwei Lebenszeiten von Wohnungen: die technische<br />
<strong>und</strong> die wirtschaftliche Lebenszeit (ebd.). Die technische Lebenszeit beschreibt die durchschnittliche<br />
Lebensdauer von Wohnungen, die ca. 100 Jahre beträgt (Eekhoff 2006: 4).<br />
Davon abweichend ist die meist kürzere wirtschaftliche Lebenszeit, also die Zeit, in der<br />
eine Wohnung wirtschaftlich nutzbar ist (ca. 30 Jahre) (Bizer et al. 2009: 9). Die einzelnen<br />
Zyklen, die eine Wohnung durchläuft, sind in Abbildung 8 dargestellt.<br />
Quartiere durchlaufen mit der Zeit ebenfalls gewisse Entwicklungsstufen. Zur baulichtechnischen<br />
kommt weiterhin die Komponente der Lebensphasen der Bewohner hinzu.<br />
„Die Bevölkerungsdichte sowie die Lebensphasen <strong>und</strong> der sozioökonomische Status der<br />
Bewohnerinnen <strong>und</strong> Bewohner prägen die einzelnen Nutzungszyklusphasen eines Wohnquartiers“<br />
(Bizer et al. 2009: 9). Wie bereits beim „neighborhood cycle“ von Hoover &<br />
Vernon erwähnt, durchlaufen Quartiere selten alle Phasen des Nutzungszyklus. So kommt<br />
beispielsweise die Phase des Abrisses von ganzen Quartieren nur äußerst selten vor. Durch<br />
die veränderten Rahmenbedingungen der Wohnungswirtschaft wird diese Verwertungsoption<br />
in Zukunft jedoch wahrscheinlich häufiger in Betracht gezogen werden <strong>und</strong> somit der<br />
Zyklus in manchen Quartieren unterbrochen. Dieses Verfahren wird im Kontext von Stadtumbau<br />
Ost/West bereits teilweise in die Praxis umgesetzt.<br />
48
6. Quartiersentwicklung <strong>und</strong> die Entstehung von benachteiligten Quartieren<br />
Abbildung 8: Nutzungszyklen von (Wohn-) Immobilien <strong>und</strong> Wohnquartieren<br />
Entwicklung<br />
Konzeption<br />
Planung<br />
Realisierung<br />
(WOHN-)IMMOBILIE<br />
(Verwertung)<br />
Vermietung<br />
ohne Instandhaltung<br />
Verkauf<br />
Abriss<br />
Entwicklung<br />
Konzeption<br />
Planung<br />
Realisierung<br />
Nutzung<br />
Neubau<br />
Einführung<br />
Erstbezug<br />
Verwertung<br />
Nutzung<br />
WOHNQUARTIER<br />
Vermietung<br />
Verkauf<br />
Umwidmung<br />
Abriss<br />
Neubau<br />
Nutzung<br />
Alterung: Instandhaltung<br />
Nutzung<br />
Abnutzung<br />
Nutzung<br />
Abnutzung<br />
Ausdünnung<br />
Nutzung<br />
Wachstum<br />
Erweiterung<br />
Nutzung<br />
Alterung<br />
Stagnation<br />
Quelle: eigene Darstellung nach Bizer et al. (2009: 10)<br />
Im Folgenden sollen die Phasen des Nutzungszyklus in Anlehnung an Bizer et al. (2009:<br />
10 f.) beschrieben werden. Die erste Phase des Nutzungszyklus stellt die Entstehung eines<br />
Quartiers dar (Abb. 8 rechts). Meist wird ein Quartier nach einem bestimmten Konzept<br />
(z. B. zur Wohnraumversorgung von Arbeitern) als Ganzes geplant <strong>und</strong> realisiert. Somit<br />
hat jedes Quartier einen Ausgangspunkt. Im Anschluss erfolgt mit dem Einzug der ersten<br />
Bewohner eine erste Nutzung des Quartiers. In einer wachsenden Stadt wird auch ein<br />
Quartier wachsen <strong>und</strong> somit erweitert, sodass häufig die aktuellen (oder subjektiven) Grenzen<br />
nicht mit den ursprünglichen übereinstimmen. Eine Ausdehnung hält nur an, bis das<br />
Wachstum einen Zenit erreicht hat oder durch andere Faktoren (z. B. Platzmangel) stagniert.<br />
Erfolgen daraufhin keine Investitionen, nutzt sich das Quartier mehr <strong>und</strong> mehr ab<br />
<strong>und</strong> sinkt in der Wohnqualität. Die Bewohner, die es sich leisten können, ziehen weg <strong>und</strong><br />
das Quartier dünnt aus. Dieser Prozess beschleunigt sich in Städten, die von Schrumpfung<br />
betroffen sind. In solchen Fällen kann es zu erhöhten Leerständen kommen <strong>und</strong> Wohnungseigentümer<br />
trennen sich, wenn möglich, von den Objekten (Verkauf) oder reißen im<br />
Extremfall ab.<br />
„Wie intensiv <strong>und</strong> auch wie schnell diese Phasen durchlaufen werden, hängt vom Alter des Quartiers,<br />
der anfänglichen Bewohnerstruktur, der Lage der Siedlung in der Stadt, den Strategien der<br />
Eigentümer sowie der Entwicklung von Stadt <strong>und</strong> Region ab. Nicht überall dünnen sie aus, nicht<br />
überall altern Bewohnerinnen <strong>und</strong> Bewohner, nicht überall sinkt die Nachfrage. […] Jede einzelne<br />
Siedlung muss daher in ihrer spezifischen Situation betrachtet werden, um angemessen darauf<br />
zu reagieren.“ (Bizer et al. 2009: 11)<br />
49
6. Quartiersentwicklung <strong>und</strong> die Entstehung von benachteiligten Quartieren<br />
Im nächsten Abschnitt soll an der Stelle des Nutzungszyklus angesetzt werden, an der<br />
Quartiere in einen Abwärtstrend geraten <strong>und</strong> sich zu benachteiligten Quartieren entwickeln.<br />
6.5 Theorieansätze zur Entstehung benachteiligter Quartiere<br />
In dieser Untersuchung liegt der Fokus vor allem auf der Entstehung benachteiligter Quartiere.<br />
In solchen Quartieren leben meist benachteiligte Bevölkerungsgruppen (Krätke 1995:<br />
187). Doch auch das Quartier selbst kann durch seine räumlichen <strong>und</strong> infrastrukturellen<br />
Gegebenheiten zum „Faktor der Benachteiligung der hier lebenden Menschen“ (Kloth<br />
2003: 10 f.) werden. Hier wird bei Quartieren, die sich in einer Abwärtsentwicklung befinden,<br />
nicht von „aufgegebenen Quartieren“ gesprochen, da dieser Begriff implizieren würde,<br />
dass es letztlich zur Bildung von Slums kommt (Krätke 1995: 182). Dies ist im deutschen<br />
Kontext nicht als realistisch zu betrachten ist 27 .<br />
Die Abwertung eines Quartiers wird deutlich, wenn es erhebliche Qualitätsverluste aufweist,<br />
vor allem in Bezug auf die bauliche Substanz <strong>und</strong> das Wohnumfeld (Krätke<br />
1995: 182). Doch zählen zu den Faktoren, die zum sozio-ökonomischen Abwärtsprozess<br />
eines Quartiers führen, nicht nur die physischen – auch wenn diese oftmals erste Indikatoren<br />
für diesen Prozess sind – sondern auch andere Faktoren (z. B. gesamtstädtische Entwicklung,<br />
soziale Faktoren, Handlungslogiken der Akteure) (Krätke 1995: 182). Daher<br />
scheint an dieser Stelle der Begriff des »benachteiligten Quartiers« am sinnvollsten. Er<br />
bezieht weitere Faktoren mit ein, die in anderen Bezeichnungen nicht berücksichtigt werden<br />
<strong>und</strong> berücksichtigt auch die zwei sich überlagernden Prozesse im Nutzungszyklus.<br />
Der Prozess zur Entstehung benachteiligter Quartiere wird anhand sozioökonomischer Untersuchungen<br />
zunächst an zwei Ansätzen erklärt, die für die Problemstellung dieser Arbeit<br />
relevant sind: das Investitionsverhalten der Eigentümer <strong>und</strong> die Wohnungsmarktentwicklungen<br />
einer Stadt (Krätke 1995: 182). Mit dem Wissen, dass es noch weitere Ansätze<br />
(auch anderer wissenschaftlicher Disziplinen) gibt, werden an dieser Stelle jedoch nur die<br />
oben genannten näher betrachtet, da sie sich auf den Wohnungsmarkt <strong>und</strong> die <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
als Investoren richten. Zum Investitionsverhalten der Eigentümer wird der<br />
Theorieansatz des »Gefangenendilemmas« herangezogen, zum Wohnungsmarkt zwei Theorieansätze:<br />
der »Filtering-Prozess« <strong>und</strong> der Ansatz des »segmentierten Wohnungsmarktes«.<br />
27 „Im Gegensatz zu den USA sind die Prozesse stärker durch politische/staatliche Maßnahmen (z. B. Wohnungsbauförderung)<br />
bzw. Planungsleitbilder beeinflusst.“ (Bizer et al. 2008: 22).<br />
50
6. Quartiersentwicklung <strong>und</strong> die Entstehung von benachteiligten Quartieren<br />
6.5.1 Investitionsverhalten der Eigentümer – ein strategisches Dilemma?<br />
„Bei der Untersuchung der Investitionsentscheidungen der Hauseigentümer wird generell von<br />
Verhaltensweisen ausgegangen, die auf die Erzielung einer maximalen Rentabilität ausgerichtet<br />
sind <strong>und</strong> die Frage ausgeklammert, ob ein derartiges Verhalten insbesondere bei öffentlichen o-<br />
der gemeinnützigen Wohnungsbauträgern sowie bei Eigennachfragern wirklich vorliegt.“<br />
(Güssow 1976: 20)<br />
Der erste Untersuchungsansatz des Investitionsverhaltens der Eigentümer geht auf eine<br />
US-amerikanische Untersuchung zur Bildung von Sanierungsgebieten zurück. Besonders<br />
durch die Experteninterviews stellt sich dieser Ansatz als relevant für den Untersuchungsgegenstand<br />
heraus (vgl. Kapitel 8). Bei diesem Theorieansatz steht der Einfluss von<br />
„Wohnumfeldeffekten“ (»externe Effekte« 28 ) im Fokus „<strong>und</strong> konzentriert[…] sich dabei<br />
auf ein „strategisches Dilemma“ beim Investitionsverhalten der Hauseigentümer“ (Krätke<br />
1995: 183). Das „strategische Dilemma“, von dem hier die Rede ist, leitet sich aus der<br />
Theorie des Gefangenendilemmas (vgl. Exkurs Prisoner‘s Dilemma) in der Spieltheorie ab<br />
(Westphal 1979: 65). Folgende beispielhafte Situation (Abb. 9) beschreibt nach Krätke<br />
(1995: 183), Westphal (1979: 65 ff.) <strong>und</strong> Eekhoff (2006: 49 ff.), hier allerdings in abgewandelter<br />
Form, das „strategische Dilemma“ bei Investitionsentscheidungen 29 :<br />
Abbildung 9: Gefangenendilemma zweier <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
WU B<br />
WU A<br />
investieren<br />
nicht investieren<br />
investieren nicht investieren<br />
Rendite A Rendite B Rendite A Rendite B<br />
7% 7% 3% 9%<br />
9% 3% 4% 4%<br />
WU = <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Friedrich (2004: 60) <strong>und</strong> Westphal (1979: 67)<br />
Zwei <strong>Wohnungsunternehmen</strong> A <strong>und</strong> B haben Wohnungsbestand im selben Quartier <strong>und</strong><br />
stehen vor der „Notwendigkeit“ z. B. Instandhaltungsinvestitionen zu tätigen, um den Gebäudewert<br />
zu halten (Westphal 1979: 66). Die Situationen, die jetzt entstehen können, sind<br />
in Abbildung 9 dargestellt <strong>und</strong> ergeben vier verschiedene Handlungsmöglichkeiten mit<br />
jeweiliger Renditemöglichkeit (ebd.). Bisher erhalten beide <strong>Wohnungsunternehmen</strong> eine<br />
Rendite von ca. 4 % aus ihrem Wohnungsbestand im Quartier (Abb. 9 unten rechts).<br />
28 Vgl. Glossar.<br />
29 Anstelle von Hauseigentümern ist hier die Rede von <strong>Wohnungsunternehmen</strong>, um so nah wie möglich am<br />
Betrachtungsgegenstand zu bleiben.<br />
51
6. Quartiersentwicklung <strong>und</strong> die Entstehung von benachteiligten Quartieren<br />
Investiert nun beispielsweise <strong>Wohnungsunternehmen</strong> A in seinen Wohnungsbestand, wertet<br />
es dadurch den Wohnungsbestand <strong>und</strong> somit die Attraktivität des Quartiers auf oder hält<br />
diese konstant. Die Rendite sinkt jedoch auf 3 %, da bei der Investition unter anderem Finanzierungskosten<br />
auftreten (Abb. 9 rechts oben). Weitaus stärker profitiert in diesem Fall<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong> B, das nicht investiert <strong>und</strong> sich dadurch in einer „Free-rider“-<br />
Position befindet (Eekhoff 2006: 50). Die Investition von A wirkt sich positiv auf das gesamte<br />
Quartier aus. Güssow (1976: 20 ff.) bezeichnet das als „baulichen Wohnumfeldeffekt“<br />
30 , sodass B ohne Investition dennoch positive Effekte verbuchen kann (eventuell geringere<br />
Fluktuation, bessere Vermietbarkeit, höhere Miete usw.). Die Rendite ist dadurch<br />
auf 9 % gestiegen, da für B keine Kosten anfallen (der gleiche Ablauf ist auch in umgekehrter<br />
Situation der Fall: Abb. 9 unten links). Es ist jedoch wichtig anzumerken, dass dieser<br />
bauliche Wohnumfeldeffekt groß genug sein muss, damit der „Free-rider“ in beschriebenem<br />
Maße profitiert (Güssow 1976: 22).<br />
Nun steht in diesem Beispiel das investitionsbereite <strong>Wohnungsunternehmen</strong> A vor einem<br />
Entscheidungskalkül bzw. Dilemma: Entweder es investiert in den Bestand <strong>und</strong> nimmt in<br />
Kauf, dass die anderen Eigentümer im Quartier eventuell profitieren oder es tätigt keine<br />
Investition <strong>und</strong> verhindert so diesen externen Effekt. Das gleiche Dilemma kommt auf,<br />
wenn <strong>Wohnungsunternehmen</strong> B investiert <strong>und</strong> <strong>Wohnungsunternehmen</strong> A nicht investiert<br />
(Eekhoff 2006: 50). Dieser Prozess kann auch konträr verlaufen: Wenn ein Großteil der im<br />
Quartier befindlichen Eigentümer keine Investitionen in seinen Bestand tätigt, können<br />
dadurch negativ auftretende Prozesse auch die Eigentümer treffen, die Investitionen tätigen.<br />
Dieses strategische Investitionsdilemma kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass<br />
gar keine Investitionen mehr in den Wohnungsbestand getätigt werden <strong>und</strong> im betroffenen<br />
Quartier eine Abwärtsentwicklung in Gang gesetzt wird oder sich ein Abwärtstrend verstärkt.<br />
Krätke (1995: 183) beschreibt diesen Prozess folgendermaßen:<br />
„Wenn die Rendite eines Hauseigentümers auch von der Qualität des baulichen Wohnumfeldes<br />
beeinflusst wird, dann erzielt derjenige Eigentümer die höchste Rendite, der eine (von anderer<br />
Seite) verbesserte Umfeldqualität ökonomisch „internalisieren“ kann, ohne eigene Mittel einzusetzen.“<br />
Nach diesem Theorieansatz führt das Dilemma durch die jeweilige Gewinnmaximierungsstrategie<br />
zu einer Blockadesituation: Niemand investiert zuerst. Im aufgeführten Beispiel<br />
kann diese Situation nur durch staatliche Intervention (z. B. Subventionen oder Zwänge)<br />
oder andere Möglichkeiten (Westphal 1979: 70; Krätke 1995 183) gelöst werden. In der<br />
30 Vgl. Glossar.<br />
52
6. Quartiersentwicklung <strong>und</strong> die Entstehung von benachteiligten Quartieren<br />
Blockadesituation, die in der Realität sicherlich häufig anzutreffen ist, kommt es nach<br />
Westphal (1979: 71) zur Entstehung von „Sanierungs-Gebieten“, die relativ beständig sind.<br />
In diesem Untersuchungsverständnis sind damit benachteiligte Quartiere gemeint. „Das<br />
Ergebnis rationalen Gewinnstrebens der verschiedenen Individuen ist also keine optimale<br />
Nutzung der Innenstädte, sondern die Entstehung stagnativer Gebiete mit sozial unzumutbarer<br />
Ausstattung.“ (ebd.).<br />
„wenn sie das Problem haben, dass ein oder zwei große Eigentümer im Quartier sich völlig<br />
sperren gegen […][Investitionen], dann läuft da natürlich gar nichts mehr.“ (Ex1BR1: 515 ff.)<br />
Der Blockadesituation, die in der Quartiersentwicklung auftreten kann, soll in Kapitel 8 die<br />
<strong>Kooperation</strong> als mögliches Instrument entgegengesetzt werden. Daher stellt der Theorieansatz<br />
des Gefangenendilemmas hier einen besonderen Ankerpunkt der Arbeit dar. Wie in<br />
Abbildung 9 zu erkennen ist, haben beide <strong>Wohnungsunternehmen</strong> die höchste Rendite,<br />
wenn der Konkurrent investiert <strong>und</strong> sie selber nicht investieren (A oder B jeweils 9 %).<br />
Kommt es jedoch durch eine Nicht-Investition auf beiden Seiten zu einer Blockadesituation,<br />
findet gar keine Verbesserung der Situation statt. Alternativ kann es zu einer Situation<br />
kommen, in der beide in ihre Bestände im Quartier investieren. Dabei haben sie letztlich<br />
eine höhere Rendite (A <strong>und</strong> B jeweils 7 %), da in diesem Fall das gesamte Quartier an Attraktivität<br />
gewinnt: So nimmt beispielsweise die Fluktuation ab oder ein vorher vorhandener<br />
Leerstand lässt sich verringern.<br />
Es ist zu hinterfragen, ob das Investitionsdilemma in der gleichen Form auf schrumpfende<br />
Märkte übertragen werden kann, da es unwahrscheinlich ist, dass bei einer weiteren Abwärtsentwicklung<br />
des Quartiers die 4 % Rendite gehalten werden können.<br />
Erweiterung auf die Quartierebene<br />
Die Ausführungen des Investitionsdilemmas beziehen sich bisher nur auf Investitionen in<br />
den Wohnungsbestand <strong>und</strong> sollen hier um ein ganzheitliches Quartiersverständnis erweitert<br />
<strong>und</strong> auf die Quartiersebene gebracht werden. Die von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> getätigten<br />
Investitionen in ihren Wohnungsbestand sind somit nur eine Option einer Vielzahl von<br />
Investitionsmöglichkeiten. Besonders soziale Investitionen (vgl. Kapitel 7.3.3) spielen in<br />
einer ganzheitlichen Quartiersentwicklung eine immer wichtigere Rolle. Das gilt besonders<br />
für benachteiligte Quartiere. Dort „gleicht eine bauliche Aufwertung von Gebäuden <strong>und</strong><br />
Infrastruktur allein nicht vorhandene soziale <strong>und</strong> ökonomische Defizite aus“ (Hunger zit.<br />
n. Erdmann 2010: 22). Die Rendite, die sich aus diesen Quartiersinvestitionen ergibt, bezieht<br />
sich dann auf das Quartier in seiner Gesamtheit <strong>und</strong> lässt sich in manchen Fällen nur<br />
schwer an wirtschaftlichen Kennzahlen messen.<br />
53
6. Quartiersentwicklung <strong>und</strong> die Entstehung von benachteiligten Quartieren<br />
6.5.2 Exkurs: »Prisoner‘s Dillema«:<br />
Davis (1985: 45) beschreibt folgende Situation: Zwei Personen (A <strong>und</strong> B) werden<br />
verdächtigt, ein Verbrechen begangen zu haben. Sie werden von der Polizei in zwei<br />
getrennten Gefängniszellen untergebracht. Dadurch wird ihnen jede Kommunikationsmöglichkeit<br />
genommen <strong>und</strong> sie können sich bezüglich ihrer Aussagen nicht absprechen.<br />
Beide Verdächtigen haben nun zwei Möglichkeiten, die unterschiedliche Folgen<br />
nach sich ziehen: gestehen oder schweigen. Wenn einer gesteht <strong>und</strong> der andere<br />
schweigt, bekommt derjenige, der gesteht keine Strafe (d), der, der schweigt jedoch<br />
die Höchststrafe (a). Umgekehrt gilt das Gleiche. Wenn beide gestehen, bekommen<br />
sie nicht die Höchststrafe, aber dennoch eine Haftstrafe (b). Wenn beide schweigen,<br />
würden sie eine geringere Strafe erhalten als in beiden anderen Fällen (c). Nun stellt<br />
sich folgende Frage: „Under these conditions, what should the criminals do?“ (ebd.).<br />
Die beiden Verdächtigen stecken in einem Dilemma.<br />
Abbildung 10: Prisoner‘s Dillema<br />
a > b > c > d<br />
Verdächtiger B<br />
schweigen<br />
gestehen<br />
Verdächtiger A<br />
schweigen<br />
gestehen<br />
Strafe A Strafe B Strafe A Strafe B<br />
c<br />
c<br />
d<br />
a<br />
d<br />
a<br />
b<br />
b<br />
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Davis (1985: 46)<br />
54
6. Quartiersentwicklung <strong>und</strong> die Entstehung von benachteiligten Quartieren<br />
6.5.3 Interdependenz der Wohnungsmärkte <strong>und</strong> Auswirkung auf ein Quartier - Der<br />
Filtering-Prozess <strong>und</strong> der Ansatz des segmentierten Wohnungsmarktes<br />
„Das heißt, wenn eine Kommune schrumpft, ich an einem sehr ausgeglichenen Wohnungsmarkt<br />
bin oder sogar auf einem Wohnungsmarkt in einer Kommune, wo ich mehr Angebot habe als<br />
Nachfrage, dann ist das oft die Gelegenheit, dass sich dann Leute aufmachen <strong>und</strong> umziehen. […]<br />
Wenn ich die freie Wahl habe <strong>und</strong> jetzt fühle ich mich so ein bisschen mehr als Aufsteiger <strong>und</strong><br />
sage: Naja, so gut ist mein Viertel auch nicht mehr. Ich nehme das zum Anlass <strong>und</strong> ziehe um […]<br />
um sich eine bessere Qualität zu suchen, weil ich die Wahlentscheidung habe als Mieter. Und<br />
wenn so ein Prozess in Gang kommt, dann gehen die aus bestimmten Quartieren raus <strong>und</strong> dann<br />
kommt so ein Quartier, wo mehr rausgehen auch in so eine Abwärtsspirale. […] Es kann kippen.“<br />
(Ex3BR2: 284 ff.)<br />
Der zweite Ansatz zur Erklärung der Entstehung benachteiligter Quartiere stammt ebenfalls<br />
aus den USA (Krätke 1995: 183). Im Fokus dieses Ansatzes steht die Entwicklung des<br />
innerstädtischen Wohnungsmarktes auf Gr<strong>und</strong>lage des »Filtering-Prozesses«. Da dieser<br />
jedoch als zu idealtypisch kritisiert wird, erfolgt hier nur ein kurzer Abriss. Der Theorieansatz<br />
des »segmentierten Wohnungsmarktes« begegnet dieser Kritik <strong>und</strong> wird dem Ansatz<br />
dieser Arbeit eher gerecht.<br />
Der Theorieansatz des Filtering-Prozesses hat seinen Ursprung in den Stadtstrukturmodellen<br />
<strong>und</strong> ihren Vertretern der Chicagoer Schule (Friedrich 2004: 44) 31 . Nach Eekhoff (2006:<br />
19) gibt es zwei Arten des Filtering: Einerseits das Filtering der Haushalte, anderseits das<br />
der Wohnungen (Abb. 11). Die Wohnungsnachfrage der Haushalte ist abhängig von Einkommen<br />
<strong>und</strong> Wohnpräferenz. Kommt es zu einer Steigerung dieser Faktoren, wird es einem<br />
Haushalt möglich, qualitativ hochwertigere Wohnungen nachzufragen <strong>und</strong> in diese<br />
umzuziehen (»filtering up« 32 ). Dadurch, dass die frei werdenden Wohnungen von Haushalten<br />
geringeren Einkommens nachgefragt werden, können ganze „Umzugsketten“ ausgelöst<br />
werden (ebd.). Am Ende einer solchen Kette können Wohnungen stehen, die keine Nachfrager<br />
mehr haben <strong>und</strong> aus dem Markt fallen oder als Leerstand bestehen bleiben (Eekhoff<br />
2006: 20).<br />
Ähnlich verläuft der Prozess beim Filtering der Wohnungen. Nach diesem Ansatz sinkt im<br />
Zeitverlauf oder im Lebenszyklus der Wohnung deren Qualität durch die Nutzung (»filtering<br />
down«) (Eekhoff 2006: 20) (Abb. 11). Dadurch entspricht die Wohnung nach einer<br />
31 Die Filtering-Prozesse wurden von Ratcliff (1949) <strong>und</strong> Lowry (1960) auf den Wohnungsmarkt übertragen<br />
<strong>und</strong> weiterentwickelt (Friedrich 2004:44). Heute wird dieser Theorieansatz vor allem in den Wirtschaftswissenschaften<br />
verwendet <strong>und</strong> beschreibt nach Eekhoff (2006: 19) die gr<strong>und</strong>legenden Merkmale des Wohnungsmarktes.<br />
32 Zum »Filtering down« der Haushalte kommt es in dem Fall, wenn durch eine Minderung von Einkommen<br />
oder Präferenz die Haushalte in qualitativ niedrigere Wohnungen umziehen.<br />
55
Qualitätsstufen<br />
Modernisierung »filtering up«<br />
Qualitätsstufen des Wohnungsbestandes<br />
6. Quartiersentwicklung <strong>und</strong> die Entstehung von benachteiligten Quartieren<br />
gewissen Zeit nicht mehr den qualitativen Anforderungen bestimmter Haushaltsgruppen<br />
(Eekhoff 2005: 20). Diese ziehen in eine entsprechende Wohnung um <strong>und</strong> ihre alte Wohnung<br />
wird frei. Durch den Qualitätsverlust findet diese in der gleichen Nachfragergruppe<br />
keinen Nutzer <strong>und</strong> wird dadurch im Preis sinken: Somit ziehen Haushalte mit geringerem<br />
Einkommen ein. Durch die weitere Qualitätsabnahme setzt sich dieser Prozess fort, bis am<br />
Ende die Wohnung für eine Wohnnutzung nicht mehr geeignet ist <strong>und</strong> leer steht oder aus<br />
dem Markt scheidet (Eekhoff 2006: 20). Das „filtering down“ kann durch Investitionen in<br />
den Wohnungsbestand verlangsamt werden oder durch Auslassen von Investitionen an<br />
Tempo zunehmen (Eekhoff 2006: 21). Durch Modernisierungsmaßnahmen kann dieser<br />
Prozess umgekehrt werden. Dies wird dann als „filtering up“ bezeichnet (Eekhoff 2006:<br />
21) 33 .<br />
Abbildung 11: Filtering-Prozess: Wohnung <strong>und</strong> Haushalte<br />
Wohnung<br />
Haushalte<br />
7<br />
6<br />
6<br />
5<br />
4<br />
4<br />
3<br />
2<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
H (A)<br />
H (A)<br />
H (B)<br />
H (B)<br />
»f iltering up«<br />
- (Kauf-)Preis- bzw. Mietsenkung<br />
- Einkommenssteigerung<br />
- Wohnpräferenzänderung<br />
»filtering down«<br />
- (Kauf-)Preis- bzw. Mietsteigerung<br />
- Einkommensverringerung<br />
- Wohnpräferenzänderung<br />
1<br />
1<br />
normales<br />
filtering<br />
verstärkte<br />
Instandhaltung:<br />
kein filtering<br />
vernachlässigte<br />
Instandhaltung:<br />
beschleunigtes<br />
filtering<br />
Zeit<br />
Quelle: eigene Darstellung nach Eekhoff (2006: 21 ff.)<br />
Durch die Erkenntnis, dass nicht alle Eigentümer auch immer Instandhaltungsinvestitionen<br />
tätigen, liefert der Theorieansatz der Filtering-Prozesse einen weiteren Erklärungsansatz<br />
zur Entstehung benachteiligter Quartiere (Krätke 1995: 184) <strong>und</strong> die Segregation bestimmter<br />
Bevölkerungsschichten (Jenkis 2001: 98).<br />
Der Filtering-Prozess wird jedoch als zu idealtypisch kritisiert (Westphal 1979: 75) 34 .<br />
„[Eine] kontinuierliche Mobilität von Mietern aller Einkommensklassen ist in der Realität nicht<br />
zu beobachten […]. Weiterhin ist die Annahme eines kontinuierlich gleichmäßigen Angebots an<br />
33 Der Theorieansatz des Filtering-Prozesses liefert für die deutsche Wohnungspolitik häufig eine Begründung,<br />
einkommensstarke Haushaltsgruppen bei der Eigentumsbildung zu fördern (Friedrich 2004: 45), weil<br />
davon ausgegangen wird, dass sich Sickereffekte ergeben <strong>und</strong> einkommensschwache Haushaltsgruppen davon<br />
profitieren.<br />
34 Zu der Kritik vgl. auch Krätke (1995: 204 ff.).<br />
56
6. Quartiersentwicklung <strong>und</strong> die Entstehung von benachteiligten Quartieren<br />
Wohnnutzung in den verschiedenen Qualitätsklassen fraglich, zumal der Filtering-Prozess sich<br />
über eine sehr lange Zeit erstreckt.“ (ebd.)<br />
Dieser Kritik wird mit dem Ansatz des segmentierten Wohnungsmarktes begegnet, der<br />
folgende These aufstellt: Je größer ein Ballungsraum ist, je heterogener die Bewohner sind<br />
<strong>und</strong> je mehr Bausubstanz unterschiedlicher Altersklassen existiert, um so stärker teilt sich<br />
der Wohnungsmarkt des Ballungsraums in Submärkte auf (Westphal 1979: 75). Diese Hypothese<br />
zur Bildung von Submärkten bezieht sich vor allem auf die Besonderheiten des<br />
Wohnungsmarktes bzw. des Produkts Wohnung (vgl. Kapitel 4.3) (Westphal 1979: 75 f.).<br />
Der Theorieansatz des segmentierten Wohnungsmarktes entwickelt sich aus der Feststellung,<br />
dass in einer Stadt für Wohnungen mit fast gleicher Qualität unterschiedliche Mietpreise<br />
entstehen (Westphal 1979: 76 f.). Diese unterschiedlichen Mietpreise entstehen nur<br />
durch die unterschiedliche „Quartiers-Lage“ <strong>und</strong> die soziale Struktur der Bewohner (Krätke<br />
1995: 184, 206). Es wird angenommen, dass sich der Wohnungsmarkt in viele verschiedene<br />
Teilmärkte gliedert (vgl. Kapitel 4.2), die aber – <strong>und</strong> das ist neu – relativ isoliert sind,<br />
„d. h. zwischen denen räumliche, preisbezogene <strong>und</strong> soziale Barrieren bestehen“ (Krätke<br />
1995: 184). Das macht den Ansatz des segmentierten Wohnungsmarktes zu einer realistischeren<br />
Beschreibung des Filterung-Prozesses (Westphal 1979: 81).<br />
Diese Mobilitätsbarrieren zwischen den Teilmärkten erschweren es vor allem benachteiligten<br />
Bevölkerungsschichten mit niedrigerem sozialen Status in einen anderen Teilmarkt zu<br />
wechseln (Krätke 1995: 184, 206). „Je größer die Barrieren zwischen den Submärkten in<br />
räumlicher, wertmäßiger <strong>und</strong> sozialpsychologischer Sicht für die Bevölkerung sind, desto<br />
geringer ist die Mobilität.“ (Westphal 1979: 81). Das kann dazu führen, dass es auf einem<br />
Teilmarkt sozial benachteiligter Bevölkerungsschichten zu einem Nachfrageüberschuss<br />
kommt, der die Mietpreise in diesem Teilmarkt steigen lässt, obwohl das Angebot an<br />
Wohnungen von niedriger Qualität ist (Westphal 1979: 82; Krätke 1995: 184). So können<br />
Eigentümer (z. B. <strong>Wohnungsunternehmen</strong>) in solchen Teilmärkten trotz einer Bewohnerstruktur<br />
niedriger Einkommensklassen überhöhte Mieten verlangen (Westphal 1979:<br />
82; Krätke 1995: 184, 207). In solchen Wohnungsmarktstrukturen können Eigentümer also<br />
aufgr<strong>und</strong> der hohen Nachfrage in benachteiligten Quartieren eine hohe Rendite erwirtschaften<br />
<strong>und</strong> müssen trotz baulicher Verfallserscheinungen nicht unbedingt Instandhaltungsinvestitionen<br />
leisten. Deshalb sind in benachteiligten Quartieren für „die baulichen<br />
Verfallserscheinungen […] solche Marktverhältnisse von entscheidender Bedeutung“<br />
(Krätke 1995: 184).<br />
57
6. Quartiersentwicklung <strong>und</strong> die Entstehung von benachteiligten Quartieren<br />
Ausgelöst durch eine hohe Konzentration bestimmter „Subgruppen“ kann es nach Gössow<br />
(1976: 19) durch einen „sozialen Wohnumfeldeffekt“ 35 auch zu einer sozioökonomischen<br />
Benachteiligung von Quartieren kommen. Wenn beide Effekte, der „soziale Wohnumfeldeffekt“<br />
<strong>und</strong> der „bauliche Wohnumfeldeffekt“ (vgl. Kapitel 6.5.1) zusammenfallen, kann<br />
ein Quartier in einen rapiden Abwärtstrend geraten (Krätke 1995: 185).<br />
Auch wenn der Theorieansatz des segmentierten Wohnungsmarktes empirisch verifiziert<br />
wurde (Friedrich 2004: 48), bleibt fraglich, ob dies auch für schrumpfende bzw. Mietermärkte<br />
gilt. Die Mobilitätsschranken sinken in solchen Märkten wahrscheinlich. Mieter<br />
haben dort häufig ein Überangebot an Wohnungen <strong>und</strong> dadurch mehr Wahlmöglichkeiten.<br />
Das wird auch im Verlauf der Untersuchung innerhalb der Experteninterviews bestätigt<br />
(vgl. Kapitel 5.4): Die Experten sprechen von den größeren Wahlmöglichkeiten <strong>und</strong> damit<br />
von höheren Fluktuationen, die als Indikator für Mobilität gesehen werden können.<br />
6.6 Merkmale benachteiligter Quartiere<br />
Güssow (1976: 8) charakterisiert für städtische Sanierungsgebiete drei wesentliche Merkmale,<br />
die sich häufig gegenseitig bedingen: Die „schlechte bauliche Struktur“, ein „desolates<br />
Wohnumfeld“ <strong>und</strong> der „sozioökonomische Status“ der Bewohner. Diese Einteilung<br />
wird in Abbildung 12 in abgewandelter Form für die Merkmale benachteiligter Quartiere<br />
übernommen.<br />
Abbildung 12: Merkmale benachteiligter Quartiere<br />
Merkmale benachteiligter Quartiere<br />
ökonomische<br />
soziale <strong>und</strong> kulturelle<br />
räumliche <strong>und</strong> bauliche<br />
Beispiele<br />
- hohe Arbeitslosigkeit<br />
(Jugendliche <strong>und</strong> Emigranten<br />
besonders betroffen)<br />
- vermehrter Sozialhilfebezug<br />
- hoher Anteil marginalisierter<br />
Beschäftigungsverhältnisse<br />
- hoher Einkommensanteil für<br />
Miete investiert<br />
- hoher Anteil an verschuldeten<br />
Haushalten<br />
Beispiele<br />
- heterogene oder homogene<br />
Bevölkerungsstruktur<br />
- hoher Anteil Migranten,<br />
Kinder/Jugendliche , alleinerziehende<br />
Mütter oder Senioren, ältere Bewohner<br />
- hohe Kriminalitätsrate & gehäufter<br />
Vandalismus<br />
- niedrigeres Bildungsniveau, mehr<br />
schulische Probleme<br />
- vermehrt Nachbarschaftskonflikte<br />
- weniger unterschiedliche Kontakte<br />
- geringere Teilhabe am kulturellen Leben<br />
- geringere Teilhabe an politischen<br />
Entscheidungen/Wahlbeteiligung<br />
Beispiele<br />
- defizitäre Wohnungsausstattung<br />
- mangelnde Instandhaltung<br />
- beengte Wohnsituation<br />
(m²/Person, mehr<br />
Personen/Haushalt)<br />
- defizitäre<br />
Infrastrukturausstattung<br />
- mangelnde Qualität bzw. fehlen<br />
der Freiräume<br />
- hohe Immissionsbelastung<br />
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Kloth (2003: 11)<br />
35 Vgl. Glossar.<br />
58
6. Quartiersentwicklung <strong>und</strong> die Entstehung von benachteiligten Quartieren<br />
Kommt es zu einer Kumulation der verschiedenen ökonomischen, sozial-kulturellen <strong>und</strong><br />
räumlich-baulichen Merkmale, entsteht in einem solchem Quartier häufig eine Vielzahl<br />
von Problemen, die die Handlungsmöglichkeiten von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> deutlich<br />
erschweren.<br />
„Das Problem ist, dass in manchen Stadtgebieten die Anhäufung von Menschen mit Multi-<br />
Problemen, also mit mehr Problemen als Lösungsstrategien, dass die so ein Quartier belastet,<br />
sodass Nachbarschaften nicht mehr funktionieren, also dass keine tragenden Strukturen mehr<br />
vorhanden sind. […] das sind für mich so die belastenden Faktoren: Hohe Arbeitslosigkeit eventuell,<br />
Alkoholismus, der dazu kommt, (Jugend)Kriminalität, Vandalismus.[…] Zu viel von einer<br />
belasteten Bevölkerungsgruppe kann dazu führen, dass ein Quartier so wahrgenommen wird <strong>und</strong><br />
damit im Image negativ wird […].“ (Ex2WU1: Zn. 109 ff.)<br />
Ein solcher Abwärtstrend kann nur durch geeignete (quartiersbezogene) Investitionen <strong>und</strong><br />
Maßnahmen aufgehalten oder im Idealfall in eine positive Quartiersentwicklung gewandelt<br />
werden. An diesen Punkten können <strong>Wohnungsunternehmen</strong> ansetzen (vgl. Kapitel 7.3).<br />
Deshalb ist es für <strong>Wohnungsunternehmen</strong> wichtig, solche benachteiligten Quartiere zu<br />
identifizieren <strong>und</strong> auf Quartierebene zu handeln. Das gelingt jedoch nur, wenn man versteht,<br />
wie es zur Bildung solcher Quartiere kommen kann <strong>und</strong> deren Entwicklung anhand<br />
bestimmter noch zu bestimmender Indikatoren beobachtet. Hier liegen noch vielfältige<br />
methodische Entwicklungspunkte offen.<br />
59
7. <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> Quartiersentwicklung<br />
7. <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> Quartiersentwicklung<br />
In diesem Kapitel werden zu Beginn die gängigen Verfahren der Quartiersentwicklung<br />
kurz erläutert (vgl. Kapitel 7.1). Anhand der Experteninterviews wird aufgezeigt, wie<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong> das Quartier als Handlungsebene wahrnehmen (vgl. Kapitel 7.2).<br />
Weiterhin wird veranschaulicht, was <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in der Quartiersentwicklung<br />
bereits leisten <strong>und</strong> mit welchen Akteuren sie dabei im Quartier zusammenarbeiten (vgl.<br />
Kapitel 7.3-7.7). Weiterhin werden Gründe für investives Verhalten von <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
identifiziert (vgl. Kapitel 7.8). In diesem Zusammenhang wird die Portfolio-<br />
Analyse, die anschließend auf die Quartiersebene erweitert werden soll, als strategisches<br />
Instrument von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> betrachtet (vgl. Kapitel 7.9-7.10). An einem konzeptionellen<br />
Modell wird aufgezeigt, wie <strong>Wohnungsunternehmen</strong> effiziente Strategien für<br />
die Quartiersentwicklung ausarbeiten <strong>und</strong> diese anschließend in Bereitstellung bestimmter<br />
Investitionen <strong>und</strong> Maßnahmen umsetzen können. Abschließend erfolgt eine Diskussion der<br />
Leistungsfähigkeit von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> (vgl. Kapitel 7.11).<br />
7.1 Verfahren der Quartiersentwicklung<br />
Die Verfahren der Quartiersentwicklung sind sehr vielfältig, lassen sich jedoch in Anlehnung<br />
an Kreutz & Krüger (2008: 600) in drei Arten gliedern (Abb. 13).<br />
Zunächst die hoheitlichen Verfahren zur Quartiersentwicklung: Sie werden durch Staat,<br />
Länder <strong>und</strong> Kommune bestimmt <strong>und</strong> gesteuert <strong>und</strong> finden sich häufig in den Gesetzen <strong>und</strong><br />
Förderprogrammen des besonderen Städtebaurechts wieder, beispielsweise der städtebaulichen<br />
Sanierung, dem Stadtumbau Ost <strong>und</strong> West <strong>und</strong> mit besonderem Fokus auf das Quartier<br />
im Programm Soziale Stadt (Kreutz & Krüger 2008: 600). Bei diesen Verfahren <strong>und</strong><br />
Instrumenten wird vielfach mit Subventionen gearbeitet. Sie befassen sich mit städtischen<br />
„Problemgebieten“, sind zeitlich befristet <strong>und</strong> werden „top-down“ gesteuert <strong>und</strong> veranlasst<br />
(ebd.).<br />
Weiterhin gibt es private Initiativen zur Quartiersentwicklung. Diese sind (noch) nicht die<br />
Regel, da sie oft mit Konflikten unter den Eigentümern behaftet sind (Kreutz & Krüger<br />
2008: 601). Durch den zunehmenden Wegfall kommunaler Steuerungsmöglichkeiten erlangen<br />
sie jedoch immer mehr Bedeutung <strong>und</strong> finden ihren Ausdruck beispielsweise in<br />
Eigentümerstandortgemeinschaften (ESG) wie Housing improvement districts (HID) <strong>und</strong><br />
Neighbourhood improvement districts (NID). In diese privaten Initiativen zur Quartiersentwicklung<br />
sind <strong>Kooperation</strong>en von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> einzuordnen. Deren Zustan-<br />
60
7. <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> Quartiersentwicklung<br />
dekommen wird hier, anders als bei HIDs <strong>und</strong> NIDs, die auf einer rechtlichen Gr<strong>und</strong>lage<br />
basieren, ohne staatlichen Einfluss betrachtet (Kreutz & Krüger 2008: 603).<br />
Schließlich existieren noch Mischformen hoheitlich-privater Zusammenarbeit, die ihren<br />
Ausdruck z. B. im Modell der Public-Private-Partnership (PPP) finden (Kreutz & Krüger<br />
2008: 601).<br />
Abbildung 13: Verfahren zur Quartiersentwicklung<br />
Verfahren zur Quartiersentwicklung<br />
Hoheitlich gesteuerte<br />
Verfahren<br />
z. B. städtebauliche<br />
Sanierung, Stadtumbau,<br />
Soziale Stadt<br />
Private Initiativen<br />
z. B. durch<br />
Eigentümerstandortgemeinschaften<br />
oder<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
Mischformen<br />
hoheitlich-privater<br />
Zusammenarbeit<br />
z. B. Pup Public Private<br />
Partnership (PPP)<br />
<strong>Kooperation</strong> von<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
Quelle: eigene Darstellung nach Kreutz & Krüger (2008: 602)<br />
Diese Verfahren sind jedoch nur ein Ausschnitt der Vielzahl von Möglichkeiten <strong>und</strong> Kombinationen<br />
der Quartiersentwicklung. Diese Arbeit positioniert sich im Bereich der privatwirtschaftlichen<br />
Initiativen <strong>und</strong> soll nicht mit den bekannten neueren Möglichkeiten der<br />
HIDs oder NIDs verwechselt werden. Das Anliegen dieser Arbeit ist es aufzuzeigen, dass<br />
private Initiativen vorkommen, ganz ohne staatlichen Zwang, Initiativen oder anderen Einfluss.<br />
Die Fördergelder, die teilweise bei hoheitlichen Verfahren der Quartiersentwicklung vorkommen,<br />
beispielsweise im Rahmen der Städtebauförderung „Soziale Stadt“, werden nicht<br />
immer positiv beurteilt (Ex7WU4: Zn. 1098 f.). Experte 7 weist drauf hin, dass die Ausweisung<br />
von Quartieren als Bereiche des Förderprogramms „Soziale Stadt“ in vielen Fällen<br />
sicherlich sinnvoll ist, dass es aber auch Situationen gibt, in denen eine solche Ausweisung<br />
nicht gerechtfertigt ist (Ex7WU4: Zn. 1100 ff). Quartiere können sogar negativ beeinflusst<br />
werden, da solche Programme teilweise eine gewisse Stigmatisierung als »Problemviertel«<br />
innehaben (Ex7WU4: Zn. 1133 ff.) Dadurch kann es passieren, dass in solchen<br />
Quartieren die Vermietung schwieriger wird.<br />
61
7. <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> Quartiersentwicklung<br />
7.2 Das Quartier als Handlungsebene für <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
„Wohnungswirtschaft denkt in Beständen. Also, das sind meine Gebäude <strong>und</strong> die müssen intakt<br />
sein <strong>und</strong> der Rest kommt schon. […] Wir reden über Quartiere.“ (Ex4WU2: Zn. 169 ff)<br />
Aus den Experteninterviews geht hervor, dass sich das veraltete Denken der <strong>Wohnungsunternehmen</strong>,<br />
ihr Handeln <strong>und</strong> ihre Strategien ausschließlich auf den eigenen Bestand zu orientieren,<br />
immer mehr in einen Blick auf das Quartier wandelt. Diese Wandlung erfolgt vor<br />
allem aufgr<strong>und</strong> der neuen Anforderungen an das Produkt Wohnen <strong>und</strong> der sich wandelnden<br />
Rahmenbedingungen (vgl. Kapitel 5). Das trifft besonders auf Mietermärkte in<br />
Schrumpfungsregionen zu.<br />
Dass das Quartier immer mehr an Bedeutung zunimmt, hängt stark mit seinen Bewohnern<br />
zusammen: Für diese rückt das Quartier als Lebensraum immer mehr in den Mittelpunkt.<br />
Experte 1 weist darauf hin, dass diese Wahrnehmung durch Mieterbefragungen belegbar<br />
ist:<br />
„Wenn wir solche Mieterbefragungen machen, dann sind mittlerweile die Indexwerte für die<br />
Wohnumfelddimensionen größer als für die Wohnungen. Den Leuten ist es eigentlich wichtiger,<br />
wie das Wohnumfeld aussieht, als wie die Wohnung aussieht. Ganz so stimmt es natürlich nicht,<br />
die wollen natürlich auch eine vernünftige Wohnung haben, aber die Bedeutung hat da schon<br />
stark zugenommen. Und das kriegen sie eigentlich nur in den Griff, wenn sie das mit einem<br />
Quartiersblick machen.“ (Ex1BR1: Zn. 179 ff.)<br />
Das neue Verständnis vom Produkt Wohnen findet seinen Ausdruck im Raum des Quartiers<br />
– Wohnumfeldgestaltung findet also auf Quartiersebene statt. Inwieweit ein <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
das Wohnumfeld gestalten kann hängt davon ab, wie viel Wohnungsbestand<br />
ihm in diesem Quartier gehört (vgl. Kapitel 7.3.1). Experte 1 weist darauf hin, dass<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong> auf der Quartiersebene vor allem auf mittel- bis langfristige Strategien<br />
setzen sollten, dass sich aber für ein erfolgreiches Unternehmen die Handlungen<br />
trotz allem in einer betriebswirtschaftliche Rendite wiederfinden müssen (Ex1BR1: Zn.<br />
205 ff.). Bei einem Unternehmen mit langfristigen Strategien lässt sich der Erfolg (im<br />
Quartier) dann nicht mehr nur an betriebswirtschaftlichen Zahlen messen.<br />
Auch der VdW Rheinland Westfalen als regionaler wohnungs- <strong>und</strong> immobilienwirtschaftlicher<br />
Interessenverb<strong>und</strong> sieht das Quartier als geeignete räumliche Handlungsebene <strong>und</strong><br />
hat aus diesem Gr<strong>und</strong> einen Arbeitskreis „Wohnen im Quartier“ eingerichtet (Ex3BR2: 17<br />
ff.). Bei aller Quartiersperspektive darf der gesamtstädtische Blick jedoch nicht vernachlässigt<br />
werden. Nur aus dieser Perspektive heraus kann gesehen werden, welche Funktion<br />
<strong>und</strong> Entwicklungsperspektive ein Quartier als Teil der Stadt besitzt (Ex3BR2: Zn. 197 ff.).<br />
62
7. <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> Quartiersentwicklung<br />
Daraus lässt sich ableiten, welche Maßnahmen getroffen werden können bzw. sollen<br />
(ebd.). Experte 3 geht sogar so weit zu sagen, dass sich Unternehmen mit mittel- <strong>und</strong> langfristigen<br />
Strategien ganz gezielt als Bestandshalter bezeichnen, um sich von kurzfristig<br />
orientierten Unternehmen („Heuschrecken“) abzugrenzen (Ex3BR2: 251 ff.). Dieses Begriffsverständnis<br />
wird von den Experten jedoch kritisch gesehen.<br />
„[Bestandshalter] ist […] kein Begriff, den wir mögen, weil wir auch einfach darin nicht die<br />
K<strong>und</strong>enorientierung sehen, die man mittlerweile haben sollte.“ (Ex7WU4: Zn. 501 ff.)<br />
Die Experten der befragten <strong>Wohnungsunternehmen</strong> sehen in der Quartiersebene gerade für<br />
schrumpfende Regionen einen Bedeutungsgewinn (Ex4WU2: Zn. 126 ff.; Ex11WU6: Zn.<br />
240 ff.). In diesen Regionen müssen auf der Ebene des Quartiers »Lebensräume« geschaffen<br />
werden. Das bedeutet, dass <strong>Wohnungsunternehmen</strong> mehr tun müssen als nur Wohnungen<br />
anzubieten (Ex4WU2: Zn. 130 ff.). Selbst in wachsenden Regionen (Vermietermärkten)<br />
bzw. Städten wie München <strong>und</strong> Hamburg findet ein Umdenken bei den <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
statt, da auch diese die zukünftigen Entwicklungen des Wohnungsmarktes<br />
im Blick haben (Ex11WU6: Zn. 281 ff.).<br />
Ein weiteres Argument für die Quartiersebene als Handlungsraum sehen die Experten darin,<br />
dass potenzielle Mieter bei der Wohnungswahl das Quartier bzw. den Stadtteil berücksichtigen<br />
(Ex4WU2: Zn. 140 ff.). Auch Bestandsmieter wollen bei einem Umzug meist<br />
innerhalb ihres Quartiers bleiben (Ex6WU3: Zn. 41):<br />
„[…] jemand, der aufgr<strong>und</strong> von einer geänderten Lebens- oder Haushaltssituation vor der Wahl<br />
einer neuen Wohnung steht, der sucht sie sich, wenn er halbwegs zufrieden ist mit diesem Wohnumfeld,<br />
[…] innerhalb bestimmter Grenzen, wo er sagen würde: Das würde ich noch als mein<br />
Quartier ansehen. […] Ich würde dann die These aufstellen, dass die meisten Leute innerhalb<br />
dieses Quartieres es genauso tun würden.“ (Ex7WU4: Zn. 350 ff.)<br />
Aus der Befragung des wegen seiner Performance am Wohnungsmarkt kritisierten <strong>Wohnungsunternehmen</strong>s<br />
5 geht hervor, dass dieses sich durch die veränderten Rahmenbedingungen<br />
immer mehr für die Quartiersebene interessiert. Das ist im Zusammenhang mit der<br />
geäußerten Kritik der Kurzfristigkeit eine interessante Aussage:<br />
„Ein Ausfluss ist ja auch, dass wir diese Quartiersprojekte gemacht haben. Also eigentlich ist<br />
das, was wir erleben <strong>und</strong> alle Unternehmen gleicher Größe <strong>und</strong> ähnlichen K<strong>und</strong>enstrukturen,<br />
eben das, was die Gesellschaft auch mitmacht.“ (Ex8WU5: Zn. 88 ff.)<br />
Zusammenfassend lässt sich durch die Aussagen der Experten festhalten, dass die Quartiersebene<br />
als Handlungsebene immer mehr in den Blickpunkt von <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
zu rücken scheint. Es muss jedoch festgehalten werden, dass diese Fokussierung vom ein-<br />
63
7. <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> Quartiersentwicklung<br />
zelnen <strong>Wohnungsunternehmen</strong>, dessen Zielsystemen <strong>und</strong> Strategien <strong>und</strong> seinem Besitzanteil<br />
an Wohnungen im Quartier, abhängt. Vor allem aber ist eine solche Betrachtungsebene<br />
abhängig von den individuellen Rahmen- <strong>und</strong> Quartiersbedingungen.<br />
„Du kannst das nicht in einem offenen Stadtteil machen. Es kommt immer pro Stadt darauf an,<br />
wie die Stadt gewachsen ist, wie sie gebaut ist. […] es gibt andere Stadtteile, da sieht man so, als<br />
wenn eine Hecke drum gewachsen ist. Also man weiß, das ist ein abgeschlossener Raum, darin<br />
können Sie agieren. […] Da können Sie ganz anders argumentieren […].“ (Ex10WU5: Zn. 254<br />
ff.)<br />
Doch auch wenn die Experten das Quartier fast einheitlich als geeignete räumliche Handlungsebene<br />
für <strong>Wohnungsunternehmen</strong> sehen, steht bei einigen Unternehmen aus wirtschaftlicher<br />
Perspektive oft noch der einzelne Bestand bzw. die Wohnung im Blickpunkt<br />
(Kraemer 2009: 12).<br />
7.3 Quartiersentwicklung durch <strong>Wohnungsunternehmen</strong>: Ansatzpunkte <strong>und</strong><br />
Handlungsmöglichkeiten<br />
In folgendem Kapitelabschnitt wird beschrieben, was <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in der Quartiersentwicklung<br />
bereits leisten <strong>und</strong> was sie leisten können. Die Konzentration liegt demnach<br />
auf <strong>Wohnungsunternehmen</strong>, die ein Interesse daran haben, ihren Wohnungsbestand in<br />
einem Quartier langfristig zu bewirtschaften. Dabei wird besonders die Sicht der befragten<br />
Experten einbezogen.<br />
7.3.1 Kritische Masse:<br />
In den Experteninterviews wird deutlich, dass der Besitzanteil der Wohnungsbestände eine<br />
wesentliche Bedingung für die Intensität ist, in der <strong>Wohnungsunternehmen</strong> Quartiere in<br />
ihrer Entwicklung beeinflussen können. Der Eigentumsanteil sollte also eine „kritische<br />
Masse“ überschreiten: Wenn die Investitionen nicht nur bestandsbezogen sind, muss ein<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong> über einen gewissen Anteil an Wohnungsbestand in einem Quartier<br />
verfügen, um dort Entwicklungseffekte zu bewirken (Ex1BR1: Zn. 246 ff.; Ex5WU3:<br />
Zn. 470 ff.; Ex7WU4: Zn. 377 ff.; Ex8WU5: Zn. 278 ff.). Diese kritische Masse ist jedoch<br />
nicht genau definiert. Verfügt ein Unternehmen alleine nicht über eine solche kritische<br />
Masse, sind die Experten der Ansicht, dass sie auch durch <strong>Kooperation</strong> mit anderen Eigentümern<br />
erreicht werden kann (vgl. Kapitel 8.3.1).<br />
7.3.2 Quartiersinvestitionen<br />
Investitionen sind ein wesentlicher Beitrag, den <strong>Wohnungsunternehmen</strong> zur Quartiersentwicklungen<br />
leisten können. Anhand der Experteninterviews wird jedoch deutlich, dass<br />
64
7. <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> Quartiersentwicklung<br />
diese nach Art <strong>und</strong> Intensität erheblich differieren können, sodass sie an dieser Stelle zusammenfassend<br />
als Quartiersinvestitionen (vgl. Kapitel 6.5.1) bezeichnet werden. Gr<strong>und</strong>legende<br />
Investitionen sind solche zur Instandhaltung des eigenen Bestands, z. B. durch die<br />
Reparatur der Haustechnik. Das sind häufig keine großen Investitionen, sie können aber<br />
einen sukzessiven Verfall der Wohnungen verhindern, wie er z. B. im Filtering-Prozess<br />
(vgl. Kapitel 6.5.3) beschrieben wurde. Ein Abwärtstrend in benachteiligten Quartieren<br />
kann durch solche Investitionen vermutlich nicht aufgehalten werden, jedoch können sie<br />
den Prozess verlangsamen. Somit sind Instandhaltungsinvestitionen bereits eine Art von<br />
Quartiersentwicklung. Die Arbeit beschäftigt sich jedoch damit, wie solche Prozesse aufzuhalten,<br />
umzukehren oder, wenn die zukünftigen Entwicklungen es nicht zulassen, die<br />
Schrumpfung planvoll zu gestalten.<br />
Durch die Experteninterviews ergeben sich verschiedene Ansatzpunkte für Quartiersinvestitionen<br />
<strong>und</strong> Handlungsmöglichkeiten von <strong>Wohnungsunternehmen</strong>, die im weiterem Verlauf<br />
näher betrachtet werden sollen.<br />
7.3.3 Ansatzpunkt – soziale, kulturelle <strong>und</strong> nicht-investive Maßnahmen<br />
„Für <strong>Wohnungsunternehmen</strong> mit einem langfristigen Bewirtschaftungsinteresse ihrer Wohnungen<br />
ist neben der baulichen auch eine sozial ausgewogene Quartiersentwicklung von großer Bedeutung.“<br />
(Hunger zit. n. Erdmann 2010: 22)<br />
Soziale Maßnahmen fallen zum Teil auch in den Bereich der Dienstleistungen. Sie nehmen<br />
das Quartier jedoch stärker als sozialen Lebensraum der Bewohner in den Blick <strong>und</strong> werden<br />
deshalb separat von anderen wohnbegleitenden Dienstleistungen behandelt, die stärker<br />
auf das Quartier als physischen Lebensraum eingehen. So ist ein Mietertreff, der um die<br />
Begegnung der einzelnen Bewohner miteinander bemüht ist, im Bereich der sozialen Maßnahmen<br />
angesiedelt, während das Angebot eines Winterdienstes, der eher auf die technischen/infrastrukturellen<br />
Bedürfnisse der Bewohner gerichtet ist, in den Bereich der wohnbegleitenden<br />
Dienstleistungen fällt. Hier werden von den Experten häufig Beratungsangebote<br />
für »Problemgruppen« wie Schuldner, Alkoholiker <strong>und</strong> Arbeitslose, zudem auch für<br />
ältere Menschen <strong>und</strong> Alleinerziehende genannt (Ex1BR1: Zn. 395 ff.; Ex9WU5: Zn.<br />
613 ff.). Den Experten erscheint die Präsenz vor Ort, z. B. in Form von Quartiersbüros,<br />
notwendig, um als Ansprechpartner für Nachbarschaftskonflikte <strong>und</strong> andere Belange erreichbar<br />
zu sein (Ex1BR1: Zn. 391 f.; Ex2WU1: Zn. 175 ff.; Ex9WU5: Zn. 612 ff.).<br />
„Wenn ich keine Mieterbindung habe <strong>und</strong> meine Schuldner rausklage, statt sie aufzufangen,<br />
dann rechnet sich das betriebswirtschaftlich auch irgendwann nicht mehr. Das ist kurzfristig geguckt<br />
[…].“ (Ex2WU1: Zn. 100 ff.)<br />
65
7. <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> Quartiersentwicklung<br />
Nachbarschaftskonflikte, die durch das Aufeinandertreffen von Bewohnern unterschiedlicher<br />
Lebensphasen <strong>und</strong> -weisen oder kultureller Kontexte entstehen, werden in benachteiligten<br />
Quartieren immer häufiger zum Problem, da durch sie z. B. die Fluktuationsrate<br />
steigt (Ex9WU5: Zn. 619 ff.). Durch soziale Maßnahmen können nach Ansicht der Experten<br />
stabile Nachbarschaften geschaffen werden, die Konflikten <strong>und</strong> übermäßiger Fluktuation<br />
vorbeugen. Häufig werden in diesem Zusammenhang Beratungsleistungen in Zusammenarbeit<br />
mit dafür spezialisierten Institutionen angeboten (vgl. Kapitel 7.4). Experte 2<br />
sieht in der Kommunikation mit den Mietern <strong>und</strong> der Mieter untereinander einen Ansatzpunkt<br />
zur Stabilisierung von Nachbarschaften.<br />
„Und wir kommen <strong>und</strong> versuchen dann […] Leute in Kontakt zu bringen. Miteinander zu reden,<br />
dann reden sie nicht gegeneinander […]. Wenn wir miteinander im Dialog sind, dann hat man<br />
noch die Chance, das zu klären […] So die Kulturen <strong>und</strong> Ethnien in Kontakt bringen zueinander,<br />
das halte ich für wichtig, auch wenn das eine schwierige Situation ist.“ (Ex2WU1: Zn. 192 ff.)<br />
Gerade im Kontext der zunehmenden Internationalisierung der Gesellschaft <strong>und</strong> der daraus<br />
entstehenden kulturellen <strong>und</strong> ethnischen Vielfalt werden Themen der Integration <strong>und</strong> kulturellen<br />
Verständigung, sowie die Verständigung zwischen Jung <strong>und</strong> Alt, immer wichtiger.<br />
„Wir machen ein Theaterstück, ein intergeneratives <strong>und</strong> interkulturelles. Das heißt Jung <strong>und</strong> Alt<br />
<strong>und</strong> verschiedene Ethnien. Normalerweise kriegt man entweder Deutsche <strong>und</strong> Türken oder Deutsche<br />
<strong>und</strong> Russen zusammen. Jetzt haben wir versucht alle zusammenzukriegen. Ich bin mal gespannt,<br />
wie die Raubtiernummer dann auf der Bühne wird.“ (Ex2WU1: Zn. 203 ff.)<br />
Soziale Ansatzpunkte werden von Experte 4 als Maßnahmen, die über das eigentliche<br />
Kerngeschäft von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> hinausgehen, gesehen (Ex4WU2: Zn. 264 ff.).<br />
Gerade in Mietermärkten <strong>und</strong> benachteiligten Quartieren werden diese immer wichtiger, da<br />
dortige Abwärtstrends vielfältige Ursachen haben <strong>und</strong> soziale Maßnahmen so eine Möglichkeit<br />
darstellen, diesen entgegenzuwirken (Ex4WU2: Zn. 274 ff.). Bei alldem ist jedoch<br />
immer die Einzigartigkeit des Quartiers <strong>und</strong> des dort vorliegenden Bedarfs an sozialen Ansatzpunkten<br />
zu berücksichtigen (Ex4WU2: Zn. 279 ff.).<br />
Auch durch nicht-investive Maßnahmen können <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in die Quartiersentwicklung<br />
eingreifen. So ist häufig schon die Steuerung der Belegungsstruktur nach<br />
Aussagen der Experten ein Ansatz der Quartiersentwicklung, da sie zur Stabilisierung beitragen<br />
kann (Ex6WU3: Zn. 370 ff.; Ex7WU4: Zn. 570 ff.).<br />
„Also, wenn der jetzt noch da reinkommt, dann kippt das ganze Haus. Dann habe ich ein Problem.<br />
Wenn das Haus kippt, dann kippt die ganze Straße <strong>und</strong> so muss man das weiter denken. Und<br />
deshalb schauen wir schon ganz gezielt darauf, was wir für Mieter bekommen <strong>und</strong> damit steuern<br />
66
7. <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> Quartiersentwicklung<br />
wir natürlich die Quartiersentwicklung genauso wie mit investiven Maßnahmen.“ (Ex7WU4: Zn.<br />
575 ff.)<br />
Einschränkend ist darauf hinzuweisen, dass der Einfluss auf die Belegungsstruktur abhängig<br />
ist vom Besitzanteil im Quartier (kritische Masse). Eine weitere Maßnahme zur Stabilisierung<br />
eines Quartiers kann der Verkauf von Wohnungen an Mieter oder andere private<br />
Haushalte sein, da angenommen wird, dass Bewohner mehr darauf achten, was in einem<br />
Quartier passiert, wenn sie selbst Eigentümer sind (Ex2WU1: Zn. 363 ff.).<br />
Die Experten weisen darauf hin, dass immer mehr <strong>Wohnungsunternehmen</strong> ein eigenes Sozialmanagement<br />
einführen. Auch das ist ein Ansatzpunkt der Quartiersentwicklung, da dort<br />
Entscheidungen über soziale Maßnahmen in den einzelnen Quartieren getroffen werden<br />
(Ex5WU3: Zn. 391 f.; Ex2WU1: Zn. 488 ff.). Es wird jedoch kritisiert, dass diese Einrichtung<br />
in manchen Unternehmen eher Forderungsmanagement für komplizierte Fälle (z. B.<br />
Mietausfälle) oder nur Einzelfallhilfe ist (Ex2WU1: Zn. 549 ff.; Ex6WU3: Zn. 394 ff.).<br />
In den Experteninterviews werden zahlreiche weitere Maßnahmen <strong>und</strong> Investitionen genannt,<br />
die das Sozialleben der Quartiersbewohner fördern sollen: Taschengeldprojekte,<br />
Jugendprojekte (z. B. Jugendliche, die Hausflure streichen), Kunstaktionen, interkulturelle<br />
Mieterfeste oder Mietertreffs (Ex1BR1: Zn. 253 ff.; Ex2WU1: Zn. 69 ff.; Ex9WU5: Zn.<br />
595 ff.).<br />
Experte 8 betont, dass es wichtig ist, diese sozialen Angebote für alle Quartiersbewohner<br />
anzubieten <strong>und</strong> nicht als „Closed-Shop“ für die eigenen Mieter zu sehen (Ex8WU5: Zn.<br />
317 ff.).<br />
Insgesamt existieren in diesem Ansatz der Quartiersentwicklung für <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
eine Vielzahl von Varianten <strong>und</strong> Gestaltungsmöglichkeiten. Als besondere Auffälligkeit<br />
der Experteninterviews ist anzumerken, dass alle Unternehmen, ungeachtet ihrer Unternehmensstrategie<br />
<strong>und</strong> Organisationsform, Beispiele für soziale, kulturelle oder nichtinvestive<br />
Maßnahmen aus ihrer eigenen Praxis liefern können. Kritisch ist sicherlich die<br />
Qualität mancher Ausführungen zu betrachten.<br />
7.3.4 Ansatzpunkt – baulich-technische <strong>und</strong> räumliche Maßnahmen<br />
Dieser Ansatzpunkt hat ebenfalls besondere Relevanz für Quartiere in Mietermärkten. Um<br />
den Mietern einen ihren Ansprüchen gerechten Wohnraum anbieten zu können, müssen<br />
solche Investitionen, z. B. in die Wohnung, getätigt werden (Ex2WU1: Zn. 47 ff.). Darunter<br />
fallen unter anderem die Instandhaltung, Sanierung <strong>und</strong> Modernisierung der Bestände<br />
unter Berücksichtigung der energetischen Anforderungen <strong>und</strong> das Thema der Barrierearmut<br />
bzw. -freiheit (Ex3BR2: Zn. 350 ff.). Das Thema der energetischen Sanierung wird,<br />
67
7. <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> Quartiersentwicklung<br />
was die Auflagen <strong>und</strong> Anforderungen angeht, von den Experten teilweise kritisch betrachtet<br />
(Ex1BR1: Zn. 149 ff.; Ex7WU4: Zn. 811 ff.):<br />
„Sie leisten die Investitionen unter dem ganzen Motto der energetischen Sanierung, soweit das<br />
wirtschaftlich vertretbar ist <strong>und</strong> vor allem insbesondere nicht zu übertriebenen Mietbelastungen<br />
führt, weil die energetische Sanierung kann nicht zum Luxusprodukt der gut Situierten werden.<br />
Weil die Investition <strong>und</strong> die Möglichkeit <strong>und</strong> die Umlage auf die Miete bei weitem nicht finanziert<br />
wird aus dem, was man sich an Nebenkosten erspart.“ (Ex3BR2: Zn. 355 ff.)<br />
Für Unternehmen mit langfristigen Handlungsstrategien gehört die technische Entwicklung<br />
der Bestände im Quartier zum Kerngeschäft (Ex4WU2: Zn. 257 ff.).<br />
Darüber hinaus werden vor allem im Kontext des neuen Wohnverständnisses <strong>und</strong> dem<br />
Quartier als Handlungsebene räumliche Investitionen bzw. die Wohnumfeldgestaltung<br />
immer wichtiger (Ex1BR1: Zn. 248 ff.).<br />
„[<strong>Wohnungsunternehmen</strong>] können natürlich auch städtebaulich agieren <strong>und</strong> freiraumplanerisch<br />
<strong>und</strong> das „hübscher machen“.“ (Ex1BR1: Zn. 400 f.)<br />
Experte 6 (Ex6WU3: Zn. 62 ff.) ist der Ansicht, dass <strong>Wohnungsunternehmen</strong> im Quartier<br />
technisch-baulich investieren, um dort, z. B. durch hochwertige Bauten, Anreize für andere<br />
Investoren zu liefern. Sie zeigen sozusagen mit einer Anschubfinanzierung die Potenziale<br />
in Quartieren auf <strong>und</strong> geben eine „Initialzündung“ für weitere Investitionen <strong>und</strong> Maßnahmen<br />
im Quartier. In schrumpfenden Regionen müssen sich <strong>Wohnungsunternehmen</strong> zudem<br />
mit den Themen Rückbau (Teilabriss) oder Abriss auseinandersetzen (Ex4WU2: Zn.<br />
182 f.).<br />
Die baulich-technische Entwicklung der Bestände im Quartier gehört schon immer zum<br />
Kerngeschäft von <strong>Wohnungsunternehmen</strong>, jedoch wird die Qualität der Ausführungen in<br />
Mietermärkten immer entscheidender. Hinzu kommen Anforderungen, die sich aus den<br />
energetischen Auflagen <strong>und</strong> dem neuen Handlungsfeld der Wohnumfeldgestaltung ergeben.<br />
7.3.5 Ansatzpunkt – wohnbegleitende Dienstleistungen<br />
„Und natürlich haben wir jetzt auch noch Überlegungen auch noch andere Dienstleistungen, also<br />
Service, auszubauen, die mit dem Wohnen zusammenhängen […], Ich nenne es mal r<strong>und</strong>umsorglos-Paket.<br />
Dass ich mich dann halt nicht bei vielen Anbietern um gewisse Dinge kümmern<br />
muss. Das hat sowohl Vorteile für den Neumieter egal welchen Alters, aber gerade natürlich für<br />
jemanden, der vielleicht nicht mehr ganz so mobil ist […].“ (Ex8WU5: Zn. 175 ff.)<br />
Wohnbegleitende Dienstleistungen rücken für <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in Mietermärkten<br />
wie dem Ruhrgebiet (<strong>und</strong> in benachteiligten Quartieren) zunehmend ins Zentrum ihres<br />
68
7. <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> Quartiersentwicklung<br />
Handelns. Sie gehören für <strong>Wohnungsunternehmen</strong> im Wettbewerb immer mehr zum normalen<br />
Angebot, um sich gegenüber anderen Wettbewerbern abzuheben (vgl. Kapitel 5.4).<br />
Zudem lassen sich wohnbegleitende Dienstleistungen als Teil des veränderten Verständnisses<br />
des Produkts Wohnen finden (vgl. Kapitel 4.3.2).<br />
Die wohnungswirtschaftlichen Experten sehen in den wohnbegleitenden Dienstleistungen<br />
einen immer wichtiger werdenden Ansatzpunkt der Quartiersentwicklung. Als Beispiele<br />
solcher Dienstleistungen nennen die Experten unter anderem Treppenhausreinigung <strong>und</strong><br />
Winterdienst (Ex4WU2: Zn. 84; Ex6WU3: Zn. 273; Ex11WU6: Zn. 111 f., 656 f.), technische<br />
Leistungen wie „Smart Home“ (Ex1BR1: Zn. 137) <strong>und</strong> eine Reihe von seniorengerechten<br />
Angeboten („Betreutes Wohnen“, „Hausnotruf“) (Ex3BR2: Zn. 158 f.; Ex4WU2:<br />
Zn. 101 ff.; Ex11WU6: Zn. 614 ff.).<br />
Doch auch bei steigenden Dienstleistungsangeboten bleibt das Kerngeschäft weiterhin der<br />
Bau, die Modernisierung, die Bewirtschaftung <strong>und</strong> die Vermietung von Wohnungen<br />
(Ex1BR1: Zn. 119 f.; Ex3BR2: Zn. 160 f.). Experte 4 ist der Ansicht, dass <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
durch die aufkommenden Anforderungen an das Wohnen <strong>und</strong> den damit verb<strong>und</strong>enen<br />
Dienstleistungen mehr die Aufgabe der Koordination zukommt (Ex4WU2: Zn.<br />
78 f.). Dienstleistungen werden demnach häufig in Zusammenarbeit mit dafür spezialisierten<br />
Firmen angeboten, in selteneren Fällen auch von den <strong>Wohnungsunternehmen</strong> selbst<br />
(Ex1BR1: Zn. 121 f.; Ex4WU2: Zn. 93 ff.; Ex11WU6: Zn. 106 ff.). Die Zusammenarbeit<br />
mit spezialisierten Firmen findet dabei meist aus Kostengründen <strong>und</strong> Mangel an nötiger<br />
Kompetenz des <strong>Wohnungsunternehmen</strong>s selbst statt (Ex11WU6: Zn. 126 ff.). Dadurch<br />
kommt es nach Experten 11 zu einer „Win-win-win-Situation“:<br />
„Unsere Mitglieder, […] haben jetzt eine einfache Möglichkeit über uns diese Dienstleitung in<br />
Anspruch zu nehmen. Wir haben den Vorteil davon, dass wir als serviceorientiertes Unternehmen<br />
unseren Mitgliedern diesen Nutzen bringen können ohne ihn selbst zu erbringen zu vernünftigen<br />
Preisen. Und der Dienstleister hat den Vorteil, dass er dadurch neue K<strong>und</strong>en generieren kann.“<br />
(Ex11WU6: Zn. 129 ff.)<br />
Einige dieser Dienstleistungsangebote sind jedoch sehr zielgruppenabhängig (Ex4WU2:<br />
90 ff.). So kommt eine zu vergütende Dienstleistung (z. B. Fensterreinigung durch eine<br />
Firma) für einen einkommensschwachen Haushalt weniger in Betracht, als für einkommensstärkere<br />
Haushalte (Ex9WU5: Zn. 43 ff.).<br />
69
7. <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> Quartiersentwicklung<br />
7.3.6 Nutzen für <strong>Wohnungsunternehmen</strong> – eine Diskussion<br />
„[…] wir haben da zweieinhalbtausend Wohnungen <strong>und</strong> dementsprechend natürlich auch ein<br />
starkes Interesse, dass so ein Quartier nicht kaputtgeht. Und wirtschaftlich natürlich auch das<br />
Interesse, dass die Leute dableiben <strong>und</strong> dass geringere Fluktuation, weniger Zerstörung [da<br />
ist].“ (Ex9WU5: Zn. 638 ff.)<br />
Aus den vorangestellten Ansatzpunkten ergibt sich die Frage, welchen Nutzen <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
davon haben, wenn sie Quartiersentwicklung leisten. Experte 7 legt den Strategien<br />
zur Quartiersentwicklung ein gemeinsames „wirtschaftliches Interesse“ zugr<strong>und</strong>e,<br />
„egal wie die Ziele sind <strong>und</strong> wie hoch“ (Ex7WU4: Zn. 527 f.). Fasst man die Aussagen der<br />
Experten zum Nutzen von Quartiersentwicklung zusammen, lassen sich folgende Punkte<br />
herausstellen: Sie erhoffen sich eine Quartiersstabilisierung, geringere Fluktuationen <strong>und</strong><br />
Leerstände, weniger Vandalismus im Wohnumfeld <strong>und</strong> dadurch insgesamt eine Verbesserung<br />
des Quartiersimage. Zudem zielen sie auf eine Verbesserung der Vermietbarkeit <strong>und</strong><br />
eine stärkere Mieterbindung (Ex2WU1: Zn. 171 ff.; Ex11WU6: Zn. 449 ff.). Insgesamt<br />
sollten Ansätze einer Quartiersentwicklung „Mitnahmeeffekte“ nach sich ziehen – es muss<br />
also eine Win-win-Situation entstehen (Ex8WU5: Zn. 324 ff.).<br />
„[…] natürlich soll es eine Win-win-Situation sein. Wir sind nicht die Caritas, das ist auch völlig<br />
klar, aber das ist jetzt nicht über die Hintertür auch gleichzeitig zu versuchen, Leerstand zu beheben.<br />
Das ist vielleicht natürlich auch mit etwas, was passieren kann, aber das ist nicht der Impuls.<br />
Das muss man ganz klar sagen, weil das würde sich dann ja nie rechnen.“ (Ex8WU5: Zn.<br />
330 ff.)<br />
Teilweise machen die <strong>Wohnungsunternehmen</strong> den Nutzen auch an ihrer Unternehmensform<br />
fest: Eine Genossenschaft hat einen Sozialauftrag für ihre Mieter, also definiert sich<br />
der Nutzen daran, wie sehr das Unternehmen im Sinne seiner Mieter handelt (Ex11WU6:<br />
Zn. 449 ff.). Doch auch bei der Genossenschaft besteht ein unternehmerisches Interesse,<br />
Quartiersentwicklung zu leisten, da ihre Bestände von einer Stabilität des gesamten Quartiers<br />
profitieren (Ex11WU6: Zn. 449 ff.). Ein weiterer Nutzen eines stabilen Nachbarschaftsgefüges<br />
in Quartieren ist der geringere Verwaltungsaufwand, da Nachbarschaftskonflikte<br />
intern kommunikativ gelöst werden können <strong>und</strong> sich Bewohnerstrukturen, Initiativen<br />
<strong>und</strong> Aktivitäten nach einer gewissen Anlaufphase häufig selbst tragen (Ex11WU6:<br />
Zn. 484 ff.).<br />
Es ergeben sich jedoch Schwierigkeiten für eine quantifizierbare Bestimmung des Nutzens.<br />
Die Experten weisen auf die Problematik der Messbarkeit bezüglich des Erfolgs mancher<br />
Maßnahmen <strong>und</strong> Investitionen der Quartiersentwicklung hin. Besonders sozial-kulturelle<br />
70
7. <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> Quartiersentwicklung<br />
<strong>und</strong> nicht-investive Maßnahmen sind davon betroffen (Ex2WU1: Zn. 678 ff.; Ex11WU6:<br />
Zn. 472 ff.):<br />
„Die Addition der Aufwendungen ist nicht wirklich aussagekräftig. Und […] die Auswirkungen<br />
von sozialer Arbeit messen zu wollen mit irgendeinem komischen selbsterf<strong>und</strong>enen Multiplikator,<br />
ich halte das für wirklich fragwürdig. Ein Vorstand […] sagte immer, jeden Euro den wir in das<br />
Sozialmanagement stecken, spart uns drei Euro. Da dachte ich: Wie kommst du darauf? Das ist<br />
eine Zahl, die ist durch nichts belegt. […] Ich kann sagen: Ich glaube, dass sich das Investment<br />
in Soziales rentiert, mittelfristig. Und dann kann ich versuchen, ein Parameter zu definieren.<br />
Aber so eine plakative Aussage: Ein Euro bringt uns drei!“ (Ex2WU1: Zn. 654 ff.)<br />
Die Messbarkeit des Erfolgs ist für Unternehmen jedoch wichtig, da sie sich für ihre Rendite<br />
häufig vor den Anteilseignern rechtfertigen müssen (Ex4WU2: Zn. 364 ff.). Deshalb<br />
ist es notwendig, neue Messsysteme zu definieren, die auch Effekte solcher Maßnahmen<br />
quantifizierbar machen. Solche Messsysteme können beispielsweise mit anderen Indikatoren<br />
arbeiten, die sich indirekt aus den Maßnahmen selbst ergeben <strong>und</strong> sich messen lassen:<br />
beispielsweise anhand von sinkendem Leerstand <strong>und</strong> Fluktuation oder der Mieterzufriedenheit.<br />
Es sollte dann jedoch, um einen Bezug auf das Quartier herzustellen, eher eine<br />
»Quartiersrendite« definiert werden.<br />
7.4 Quartiersentwicklung durch die Zusammenarbeit mit anderen Quartiersakteuren<br />
„Wir haben eine Bürgerstiftung, die ist am Anfang der Siedlung <strong>und</strong> die Caritas, die ist am Ende<br />
der Siedlung. Also es sind zwei verschiedene Punkte. Aber wir kooperieren mit der Caritas in unserem<br />
Gebäude <strong>und</strong> bei der Bürgerstiftung sitzen wir im Kuratorium drin <strong>und</strong> unterstützen die<br />
auch finanziell <strong>und</strong> natürlich auch mit allen möglichen Aufgaben.“ (Ex10WU5: Zn. 628 ff.)<br />
An dieser Stelle wird bewusst von »Zusammenarbeit« <strong>und</strong> nicht von <strong>Kooperation</strong> gesprochen.<br />
Teilweise könnte man die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren im Quartier zwar<br />
unter <strong>Kooperation</strong> fassen, jedoch soll hier das vorangehend erläuterte Verständnis von <strong>Kooperation</strong><br />
als Zusammenarbeit von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> im Blick auf die Quartiersentwicklung<br />
(vgl. Kapitel 3.3) berücksichtigt werden. Im Folgenden liegt der Fokus auf der<br />
Zusammenarbeit von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> mit anderen Akteuren im Quartier.<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong> arbeiten besonders in sozialen <strong>und</strong> nicht-investiven Ansatzpunkten<br />
der Quartiersentwicklung mit sozialen Institutionen wie wohlfahrts-pflegerischen Einrichtungen,<br />
pflegerischen Diensten <strong>und</strong> mit anderen spezialisierten Akteuren, wie der Caritas,<br />
Diakonie, Kirchen, Bildungseinrichtungen, Gewerbe- <strong>und</strong> Bürgervereinen <strong>und</strong> weiteren<br />
sozialen Trägern zusammen (Ex1BR1: Zn. 359 ff., 754 ff.; Ex3BR2: Zn. 124 ff.; Ex4WU2:<br />
Zn. 534 ff.; Ex6WU3: Zn. 573 ff.; Ex11WU6: Zn. 618 ff.). Auch <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
71
7. <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> Quartiersentwicklung<br />
5, das in der Öffentlichkeit häufig für seine kurzfristigen Strategien in der Kritik steht,<br />
nennt Praxisbeispiele für die Zusammenarbeit mit Akteuren wie Bürgerstiftungen, ansässigen<br />
Firmen, Sparkassen <strong>und</strong> sozialen Trägern (Ex9WU5: Zn. 581 ff.; Ex10WU5: Zn. 270<br />
ff.).<br />
Durch die Zusammenarbeit mit diesen Akteuren können fehlende Kompetenzen <strong>und</strong> Ressourcen<br />
ausgeglichen werden <strong>und</strong> es ist möglich, kosteneffizient zu arbeiten (Ex2WU1:<br />
Zn. 592 ff.; Ex10WU5: Zn. 677 ff.).<br />
Die Zusammenarbeit mit der Kommune wird von einem Gros der Interviewpartner als essenziell<br />
für die Quartiersentwicklung herausgestellt (Ex2WU1: Zn. 237 ff.; Ex6WU3: Zn.<br />
428 ff.; Ex7WU4: Zn. 610 ff.):<br />
„Also ich glaube am meisten erreichen sie, wenn sie zusammenarbeiten. Also wenn die <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
<strong>und</strong> die Kommunen sich irgendwelche Strategien für Quartiere ausdenken<br />
<strong>und</strong> sie dann einerseits politisch legitimieren können <strong>und</strong> in eine Gesamtstrategie einbauen können<br />
<strong>und</strong> andererseits eben einen fähigen Partner vor Ort haben, der das jetzt auch umsetzen<br />
kann […].“ (Ex1BR1: Zn. 486 ff.)<br />
Dennoch wird diese Zusammenarbeit teilweise kritisch eingeschränkt, da nach Ansicht der<br />
Experten Quartiersentwicklung nicht „top-down“ gesteuert werden kann (Ex7WU4: Zn.<br />
424 ff.). Durch die prekäre Haushaltssituation vieler Kommunen fallen kommunale Steuerungsmöglichkeiten<br />
immer mehr weg, sodass diesen häufig nur noch eine delegierende<br />
Funktion zukommt, während <strong>Wohnungsunternehmen</strong> zunehmend öffentliche Aufgaben<br />
wahrnehmen müssen, um angemessene Quartiersentwicklung leisten zu können (Ex8WU5:<br />
Zn. 755 ff.). Weiterhin sind in den Kommunen nicht die notwendigen Kompetenzen zur<br />
Quartiersentwicklung vorhanden, was häufig als noch hinderlicher wahrgenommen wird,<br />
als fehlende finanzielle Mittel (Ex1BR1: Zn. 462 f.; Ex3BR2: Zn. 518 ff.).<br />
Dennoch ist es wichtig, sich mit der Kommune abzustimmen, denn sie können bestimmte<br />
Maßnahmen politisch legitimieren oder rechtliche Gr<strong>und</strong>lagen ändern (Ex1BR1: Zn.<br />
412 ff.; Ex11WU6: Zn. 399 ff.). Experte 7, der ein großes privatwirtschaftliches <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
vertritt, weist darauf hin, dass die Zusammenarbeit mit der Kommune<br />
teilweise nur eingeschränkt stattfinden kann. Die Kommunen differieren untereinander <strong>und</strong><br />
so sind <strong>Wohnungsunternehmen</strong>, wenn sie beispielsweise über Eigentum in 70 Kommunen<br />
verfügen, demnach teilweise mit 70 verschiedenen Regularien konfrontiert (Ex7WU4: Zn.<br />
628 ff.).<br />
72
7. <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> Quartiersentwicklung<br />
Ein weiterer Punkt ist die Zusammenarbeit mit den Bewohnern selbst, um diese, z. B. über<br />
Stadtteilr<strong>und</strong>en <strong>und</strong> r<strong>und</strong>e Tische, mit in die Quartiersentwicklung einzubeziehen <strong>und</strong> so<br />
Defizite zu identifizieren:<br />
„Wo sind denn die größten Probleme im Quartier? Wo sind die größten Chancen? Was muss<br />
man machen? Was sind die Wünsche der Bürger? Was können wir als Unternehmen dort leisten?“<br />
(Ex11WU6: Zn. 408 ff.)<br />
Die Zusammenarbeit von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> mit anderen Akteuren besteht häufig in<br />
der Bereitstellung von Räumlichkeiten (Ex4WU2: Zn. 542 f.; Ex10WU5: Zn. 677;<br />
Ex11WU6: Zn. 414 ff.). Damit die einzelnen Akteure ihren Aufgaben im Quartier nachkommen<br />
können, werden diese Räume oft kostenlos oder gegen reduzierte Entgelte zur<br />
Verfügung gestellt (Ex6WU3: Zn. 574 ff.).<br />
Experte 2 weist darauf hin, dass solche Maßnahmen stets quartiersbezogen, vor allem aber<br />
situationsbezogen sein müssen. Für jedes Quartier sind verschiedene Fragen zu stellen(Ex2WU1:<br />
Zn. 504 ff.):<br />
„Was ist in welchem Quartier an Problemfeld <strong>und</strong> an Ressource da? Wen haben wir da, mit dem<br />
wir was machen können <strong>und</strong> was würde greifen? […] Also, man hat immer nur eine begrenzte<br />
Anzahl von personellen <strong>und</strong> finanziellen Ressourcen.“ (Ex2WU1: Zn. 504 ff.)<br />
Die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren im Quartier wird im Zuge der gesellschaftlichen<br />
Entwicklungsprozesse immer wichtiger. In Quartieren entstehen Probleme, die <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
allein oft nicht lösen können. Deshalb sind sie auf die Zusammenarbeit<br />
mit anderen Akteuren angewiesen, mit denen aufgr<strong>und</strong> ihrer Quartiersverb<strong>und</strong>enheit (»vor<br />
Ort sein«) gemeinsame Lösungsstrategien entwickelt werden können. So kann eine integrierte<br />
Quartiersentwicklung stattfinden, die sich aus dem Quartier selbst entwickelt<br />
(»from bottom up«). Doch auch hier gilt, dass sich für <strong>Wohnungsunternehmen</strong> die Zusammenarbeit<br />
langfristig in einem wirtschaftlichen Nutzen niederschlagen muss.<br />
„Vielleicht ist Quartiersentwicklung so die Vorstufe zu kooperativer Stadtteilentwicklung […].<br />
[Wir] sehen uns immer so ein bisschen als Treiber, Initiator, aber wissen eben genau: Alleine<br />
kann man es im Endeffekt nicht schaffen […].“ (Ex5WU3: Zn. 103 ff.)<br />
7.5 Bewertung der Bedeutung von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in der Quartiersentwicklung<br />
Halten <strong>Wohnungsunternehmen</strong> eine kritische Masse im Quartier (vgl. Kapitel 7.3.1), können<br />
sie erheblichen Einfluss auf die Quartiersentwicklung ausüben (Ex1BR1: Zn. 241 ff.;<br />
73
7. <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> Quartiersentwicklung<br />
Ex7WU4: Zn. 422 ff.). Die Handlungsfähigkeit eines <strong>Wohnungsunternehmen</strong>s ist jedoch<br />
abhängig vom jeweiligen Bewirtschaftungsinteresse.<br />
„[Ein Unternehmen,] das ganz knallhart nach irgendwelchen betriebswirtschaftlichen Eckdaten<br />
handelt, dann ist es schwierig, eine Theateraufführung zu rechtfertigen. Da haben sie eben kein<br />
return on invest.“ (Ex1BR1: Zn. 264 ff.)<br />
Durch ihre lokale oder regionale Verankerung haben besonders kommunale <strong>und</strong> ehemals<br />
industrieverb<strong>und</strong>ene <strong>Wohnungsunternehmen</strong>, aber auch Genossenschaften häufig einen<br />
großen Stellenwert in der Quartiersentwicklung (Ex1BR1: Zn. 278 ff.). Diese verfügen<br />
teilweise über größere zusammenhängende Bestände in einem Quartier.<br />
Insgesamt wächst die Bedeutung von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> für die Quartiersentwicklung.<br />
Experte 2 führt das auf den Wegfall kommunaler Steuerungsmöglichkeiten zurück,<br />
der die Kommune häufig in eine Moderationsfunktion drängt, während <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
zunehmend öffentliche Aufgaben wahrnehmen (Ex4WU2: Zn. 174 ff.). Experte 7<br />
sieht <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in einer Schlüsselposition:<br />
„Ein Quartiersbüro oder ein Quartiersmanager hat ein Quartier noch in keiner Weise gedreht.<br />
Darüber funktioniert das nicht. Wenn man etwas bewegen möchte, muss man Geld in die Hand<br />
nehmen“ (Zn. 431 ff.)<br />
Dennoch ist auch er der Ansicht, dass die Handlungsmöglichkeiten für <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
begrenzt sind: Zum einen durch ihre individuellen Interessen <strong>und</strong> Handlungsstrategien,<br />
denen sie nachkommen müssen, zum anderen handeln sie immer in einem bestimmten<br />
Marktumfeld <strong>und</strong> müssen dessen Entwicklungen (Signale) berücksichtigen (Ex7WU4:<br />
Zn. 436 ff., 598 ff.).<br />
7.6 Bewertung der Handlungsfähigkeit von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> gegenüber<br />
Kommunen <strong>und</strong> privaten Kleineigentümern<br />
Kommune<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong> sind, besonders in Bezug auf operative Maßnahmen, in der Quartiersentwicklung<br />
häufig handlungsfähiger als Kommunen (Ex3BR2: Zn. 372 ff.; Ex4WU2:<br />
Zn. 294 ff.; Ex6WU3: Zn. 441 ff.; Ex7WU4: Zn. 601 ff.; Ex8WU5: Zn. 755 ff.; Ex11WU6:<br />
Zn. 526 ff.). Da <strong>Wohnungsunternehmen</strong> jedoch im Quartier nicht alle Aufgaben des Sozialstaates<br />
übernehmen können, sind die Experten größtenteils der Ansicht, dass man nicht<br />
effektiv ohne die Kommune arbeiten kann (Ex1BR1: Zn. 411 ff.). Kommunen sind zuständig<br />
für Gesamtstrategien <strong>und</strong> »Masterpläne« der Stadtentwicklung, in denen Quartiere als<br />
räumlicher Teilbereich der Stadt berücksichtigt werden müssen. Die gesamtstädtische Perspektive<br />
ist entscheidend für eine effektive Quartiersentwicklung, doch Wohnungsunter-<br />
74
7. <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> Quartiersentwicklung<br />
nehmen selbst können diese oft nicht leisten, da dieses Feld außerhalb ihres Aufgabenbereichs<br />
liegt (Ex1BR1: Zn. 428 ff.; Ex3BR2: Zn. 194 ff.). Indirekt können Kommunen Einfluss<br />
auf die Quartiersentwicklung nehmen, wenn sie ein Mitspracherecht im Aufsichtsrat<br />
eines kommunalen <strong>Wohnungsunternehmen</strong>s besitzen (Ex1BR1: Zn. 472 ff.).<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong> hingegen sind handlungsfähiger, da sie nicht alle Entscheidungen<br />
politisch legitimieren müssen. Dadurch können sie schneller <strong>und</strong> effektiver auf sich verändernde<br />
Rahmenbedingungen reagieren (Ex1BR1: Zn. 481 f.; Ex2WU1: Zn. 241 ff.).<br />
Experte 8 kritisiert (Ex8WU5: 792 f.), dass die öffentliche Hand in den letzten Jahren bewusst<br />
eigene Wohnungsbestände verkauft hat (besonders an private <strong>Wohnungsunternehmen</strong>),<br />
nun jedoch in vielen Fällen versucht, die Aufgaben der staatlichen Wohnungsfürsorge<br />
abzugeben <strong>und</strong> <strong>Wohnungsunternehmen</strong> dafür in die Pflicht zu nehmen (Ex8WU5:<br />
794 ff.).<br />
„Das ist natürlich Irrsinn, weil wenn ich ein Unternehmen privatisiere, dann kann ich auch nicht<br />
öffentliche Aufgaben auf die <strong>Wohnungsunternehmen</strong> übertragen.“ (Ex8WU5: 803 ff.)<br />
Dies könnte man allenfalls von kommunalen <strong>Wohnungsunternehmen</strong> erwarten (Ex8WU5:<br />
816). Arbeiten diese erfolgreich <strong>und</strong> erwirtschaften eine angemessene Rendite, ist das wiederum<br />
positiv für die Stadt. Aus diesen Einnahmen heraus können sie die öffentlichen<br />
Aufgaben besser wahrnehmen (Ex8WU5: 822 ff.).<br />
Private Kleineigentümer<br />
Die Experten sind der Ansicht, dass die Handlungsfähigkeit von Kleineigentümern in der<br />
Quartiersentwicklung aufgr<strong>und</strong> ihrer finanziellen Ressourcen <strong>und</strong> Interessen im Vergleich<br />
zu <strong>Wohnungsunternehmen</strong> eingeschränkt ist (Ex1BR1: 512 ff.; Ex2WU1: Zn. 162 ff.;<br />
Ex3BR2: Zn. 407 ff.; Ex4WU2: Zn. 359 ff., 399 f.; Ex5WU3: Zn. 470 ff.; Ex11WU6: Zn.<br />
564 ff.). Zudem stellt die Zusammenarbeit mit privaten Kleineigentümern im Quartier eine<br />
Herausforderung dar (Ex10WU5: Zn 871 ff.).<br />
Besonders benachteiligte Quartiere weisen ein höheres Potenzial an Ansatzmöglichkeiten<br />
auf, wenn der Wohnungsbestand in der Hand weniger großer Akteure ist (Ex4WU2: Zn.<br />
364 f., 399 ff.). Eine Zusammenarbeit kann jedoch nur gelingen, wenn die Wohnungseigentümer<br />
offen für eine solche Option in der Quartiersentwicklung sind. Andernfalls kann<br />
es zu einer Behinderung der Zusammenarbeit kommen, z. B. durch eine Blockadesituation<br />
(vgl. Kapitel 6.5.1) (Ex1BR1: 513 ff.).<br />
Experte 2, dessen <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in Köln angesiedelt ist, vertritt im Gegensatz<br />
dazu die Ansicht, dass Quartiere oder auch Stadtteile mit vielen Kleineigentümern in sich<br />
stabiler sind, da diese oft keine Monostrukturen in Bezug auf Baukultur <strong>und</strong> Bewoh-<br />
75
7. <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> Quartiersentwicklung<br />
nerstruktur aufweisen (Ex2WU1: Zn. 283 ff.). Er spricht jedoch aus dem Kontext einer<br />
wachsenden Stadt (kein Mietermarkt). Für benachteiligte Quartiere in schrumpfenden<br />
Städten ist diese Aussage jedoch zu hinterfragen. Hier werden vor allem Förderstrukturen<br />
gefragt sein, um Kleineigentümern einen Anreiz <strong>und</strong> Perspektiven zu geben, ebenso wie<br />
die Kommune, die als Moderator versuchen kann, Kleineigentümer zu gewinnen<br />
(Ex5WU3: Zn. 483 ff., 490 ff.).<br />
7.7 Zertifizierung von Quartieren<br />
Im Verlauf der Expertenbefragung wird die Möglichkeit der Zertifizierung von Quartieren<br />
angesprochen, die im Folgenden kurz dargestellt werden soll.<br />
Die Zertifizierung von Quartieren soll es ermöglichen, Quartiere anhand bestimmter quantifizierbarer<br />
Qualitätskriterien vergleichbar zu machen. Die aktuell in Deutschland anzutreffenden<br />
Ansätze der Quartierszertifizierung beruhen meist auf Beispielen ausländischer<br />
Ansätze oder auf gebäudebezogenen Vorbildern (DV 2009: 13). „Sie gehen weit über die<br />
Quantifizierung von Informationen hinaus <strong>und</strong> verdichten die Informationen auf ein Zertifikat.“<br />
(DV 2009: 13). Die Zertifizierung von Quartieren wird jedoch fachlich kontrovers<br />
diskutiert: Einerseits erscheint es schwierig, bestimmte städtische Qualitäten quantifizieren<br />
zu wollen, andererseits birgt dieser Ansatz Potenziale., wobei die aus dem Ausland bekannten<br />
Ansätze als weniger geeignet angesehen werden (DV 2009: 9).<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong> 2 hat 2007 in Zusammenarbeit mit dem TÜV Rheinland als erstes<br />
deutsches <strong>Wohnungsunternehmen</strong> ein Zertifizierungssystem ausgearbeitet (Ex4WU2: Zn<br />
171 ff.; DV 2009: 27 f.). Anschließend ließ es durch den TÜV Rheinland bestimmte Quartiere<br />
(nur qualitätsvolle Quartiere <strong>und</strong> keine „Problemquartiere“) mit dem Zertifikat „Lebensqualität<br />
in Siedlungen“ auszeichnen (DV 2009: 28). Diese Zertifikat wird bisher (nach<br />
Unternehmensangaben) jedoch nicht im Wettbewerb genutzt, da Quartiere anderer <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
bisher nicht durch dieses Verfahren zertifiziert sind (ebd.). „Es ist in<br />
erster Linie Bestandteil des internen Qualitätsmanagements [des <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
5], „schmückt“ allenfalls das Unternehmen“ (DV 2009 29). Jedoch sind auch Marketingabsichten<br />
als Zielsetzung einer solchen Zertifizierung nicht von der Hand zu weisen.<br />
Die Zertifizierung wird an dieser Stelle nur in einem kurzen Abriss vorgestellt, da auf diesem<br />
Feld noch erheblicher Entwicklungsbedarf besteht. Zudem distanziert sich diese Untersuchung<br />
von einer Quartierszertifizierung, da Quartiere im Untersuchungskontext als<br />
komplexe <strong>und</strong> individuelle Systeme verstanden werden, die sich nur sehr schwer anhand<br />
bestimmter Kriterien vergleichen <strong>und</strong> erst recht nicht mit einem Zertifikat auszeichnen<br />
lassen, das Vergleichbarkeit suggeriert.<br />
76
7. <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> Quartiersentwicklung<br />
7.8 Auslöser für (investives) Handeln von <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
Im weiteren Verlauf liegt der Fokus vor allem auf <strong>Wohnungsunternehmen</strong>, die ein langfristiges<br />
Bewirtschaftungsinteresse verfolgen. Agieren solche Unternehmen auf Quartiersebene,<br />
stellt sich die Frage nach den Handlungsauslösern. Wie erkennen sie, in welchen Quartieren<br />
(oder wo im Quartier) Handlungsbedarf besteht <strong>und</strong> durch welche Faktoren dieser<br />
ausgelöst wurde? Es ist zunächst irrelevant, wie diese Investitionen genau aussehen können.<br />
Die Experten sind sich weitgehend einig, dass ein gewisser Handlungsdruck<br />
(Ex2WU1: Zn. 157 ff.; Ex4WU2: Zn. 192 ff.; Ex7WU4: Zn. 211, 1083 ff.; Ex11WU6: Zn.<br />
407 ff.), der aus der Analyse ihrer wohnungswirtschaftlichen Daten <strong>und</strong> externen Daten<br />
entsteht, vorhanden sein muss (Ex4WU2: Zn. 224 ff.).<br />
„Aus der wohnungswirtschaftlichen Sicht, das sind die knallharten wohnungswirtschaftlichen<br />
Rahmendaten: Wenn die Fluktuation steigt, der Leerstand steigt, die Technik nicht mehr in Ordnung<br />
ist, dann ist bei uns der Handlungsdruck da <strong>und</strong> dann treibt das an, was zu tun.“ (Ex4WU2:<br />
Zn. 224 ff.)<br />
Die entscheidende Determinante des Umfangs der Handlungsoptionen ist dabei der Markt<br />
(Ex1BR1: Zn. 345 ff.; Ex3BR2: Zn. 273 ff.; Ex7WU4: Zn. 449 f.; 478 ff.). <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
müssen auf die Signale (Wohnungsmarktanalysen) des Marktes reagieren <strong>und</strong><br />
daraus schließen, welchen Umfang Strategien, Maßnahmen <strong>und</strong> Investitionen haben können.<br />
Dazu müssen sie Handlungsoptionen anhand bestimmbarer Kriterien ausloten. Hier<br />
steht ihnen unter anderem das Instrument der Portfolio-Analyse zur Verfügung.<br />
7.9 Wohnungswirtschaftliche Handlungsoptionen: Erkennen durch Portfolio-<br />
Analyse<br />
Die Portfolio 36 -Analyse ermöglicht <strong>Wohnungsunternehmen</strong> durch eine Bestandsanalyse<br />
einen differenzierten Blick auf die eigenen Wohnungsbestände (Dietrich 2005: 156). Diese<br />
können so „im Licht von Prognosen über die mittel- <strong>und</strong> langfristige Marktentwicklung auf<br />
ihre Zukunftsfähigkeit hin“ (VdW 2002: 182) bewertet werden.<br />
Die Portfolio-Analyse ist ein Planungsinstrument des strategischen Managements in Unternehmen<br />
<strong>und</strong> existiert in unterschiedlichen Varianten (Gabler 2010: 2380). Hier wird eine<br />
leicht abgewandelte Variante der Boston Consulting Group (BCG) verwendet 37 . Diese<br />
wurde in den 1970er Jahren (Website BCG 2012) entwickelt <strong>und</strong> beruht auf der theoretischen<br />
Gr<strong>und</strong>lage des Produktlebenszyklus (Gabler 2010: 2380; Kühne-Büning et al. 2005:<br />
36 Vgl. Glossar.<br />
37 Anstelle des Begriffs »Marktwachstum« wird in der abgewandelten Variante der Begriff der »relativen<br />
Marktentwicklung (relativen Marktattraktivität)« verwandt.<br />
77
7. <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> Quartiersentwicklung<br />
605). Bei diesem Ansatz wird zunächst mit der Analyse des Bestandes der Ist-Zustand der<br />
jeweiligen Wohnung anhand eines individuellen Kriteriensystems bewertet. Anschließend<br />
wird die Wohnung nach ihrer jeweiligen Wertigkeit in den gesamten Wohnungsbestand<br />
eingeordnet (Dietrich 2005: 156).<br />
Die einzelnen Wohnungen lassen sich nach „objektbezogenen Kriterien“ einteilen (Diederichs<br />
2005: 575). Zum einen nach der „relativen Marktentwicklung“ (Marktattraktivität),<br />
die durch das Verhältnis von Wohnungsangebot <strong>und</strong> -nachfrage bestimmt wird (ebd.).<br />
Die Marktattraktivität ist ein externer Erfolgsfaktor, da <strong>Wohnungsunternehmen</strong> nur schwer<br />
Einfluss auf sie nehmen können (Kühne-Büning et al. 2005: 605). Zum anderen nach dem<br />
„relativen Marktanteil“ der Wohnungen (Wettbewerbsstärke), der sich vor allem an der<br />
Rentabilität der Wohnungen messen lässt (Diederichs 2005: 575). Die Wettbewerbsstärke<br />
ist ein interner Erfolgsfaktor, da sie von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> beeinflusst werden kann<br />
(Diederichs 2006: 575; Kühne-Büning et al. 2005: 605). Diese Kriterien lassen sich nochmals<br />
in eine Vielzahl von Unterkriterien differieren, die beispielsweise auf die Standortqualität<br />
oder Objektqualität der Immobilien eingehen (Dietrich 2005: 156 f.).<br />
Die Gewichtung der einzelnen Kriterien erfolgt dann meist in einem System aus Punkten<br />
(Dietrich 2005: 156 f.). Eine solche Gewichtung ist notwendig, um anschließend eine Positionierung<br />
der Wohnungsbestände innerhalb einer Portfoliomatrix vorzunehmen (Diederichs<br />
2006: 575). In der BCG-Variante (Vier-Felder-Matrix) werden die Wohnungen<br />
anhand ihrer Wertigkeit dann in den Felder »Stars«, »Cash Cows«, »Dogs« oder »Question<br />
Marks« (Abb. 14) platziert.<br />
Abbildung 14: BCG-Portfoliomatrix <strong>und</strong> Normstrategien<br />
relative<br />
Marktentwicklung<br />
(Marktattraktivität)<br />
BCG-Matrix<br />
Normstrategien<br />
>1,0<br />
hoch<br />
Question Marks<br />
Stars<br />
z. B. Townhouses<br />
z. B. Loftwohnungen in<br />
Toplagen der<br />
Innenstädte oder neue<br />
Miethäuser in energieeffizienter<br />
Bauweise<br />
Selektives Investieren<br />
Investitionen<br />
1,0<br />
niedrig<br />
Dogs<br />
Cash Cows<br />
z. B. hochgeschossige<br />
Großwohnanlagen der<br />
60/ 70 er Jahre<br />
z. B. modernisierte<br />
Mehrfamilienhäuser der<br />
50/60er Jahre<br />
7. <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> Quartiersentwicklung<br />
Aus diesen vier Feldern der Portfoliomatrix können sogenannte „Normstrategien“ entwickelt<br />
werden. Diese „Normstrategien“ sind denkbare strategische Handlungsweisen, die<br />
eine effiziente Disposition von Ressourcen wie z. B. „finanzielle Mittel, Sach- <strong>und</strong> Humankapital“<br />
(Gabler 2010: 2380) berücksichtigen. Im Folgenden sollen die in der BCG-<br />
Matrix dargestellten Felder <strong>und</strong> darin abgeleitete Normstrategien für Wohnungen betrachtet<br />
werden (Abb. 14):<br />
Stars (Feld I) – Normstrategie: Investitionen (Diversifikation): Wohnungsbestände, die in<br />
diese Kategorie fallen, weisen im Vergleich zu anderen Beständen die höchste Zukunftsfähigkeit<br />
auf. Hier besteht aktuell <strong>und</strong> in naher Zukunft kein Handlungsbedarf, nur der Ist-<br />
Zustand ist zu halten (Diederichs 2006: 578; VdW 2002: 182 ff.). Dennoch wird eine Investitionsstrategie<br />
empfohlen: Finanzielle Überschüsse müssen investiert werden, um vorhandene<br />
Stars auf ihrem Standard zu halten <strong>und</strong> das Portfolio um neue Stars (Bau oder<br />
Erwerb) zu erweitern (Kühne-Büning et al. 2005: 606). Teilweise erfordert diese Strategie<br />
hohe Investitionen, die aber durch den konstant hohen Cashflow mit relativ geringem Risiko<br />
behaftet sind (Schnur 2010: 93).<br />
Question Marks (Feld II) – Normstrategie: Selektives Investieren (Nischenmärkte): Wohnungen<br />
dieser Kategorie sind „Nachwuchsprodukte“ (Kühne-Büning et al. 2005: 606). Sie<br />
befinden sich in wachsenden Marktsegmenten, verfügen jedoch über einen geringen relativen<br />
Marktanteil (Website BCG; Kühne-Büning et al. 2005: 606). Dadurch ist ihr Potenzial<br />
nur schwer abschätzbar <strong>und</strong> sie bleiben Question Marks im Portfolio (Schnur 2010: 93).<br />
Hier empfiehlt sich, trotz ihres risikobehafteten Charakters, ein selektives Investieren in<br />
Nischenmärkte (z. B. Loftwohnungen).<br />
Cash Cows (Feld III) – Normstrategie: Abschöpfung: Diese Wohnungen verfügen über<br />
einen hohen Cashflow <strong>und</strong> bestimmen dadurch den kurzfristigen Unternehmenserfolg<br />
(Kühne-Büning et al. 2005: 606). Sie benötigen keine besonderen Investitionen (geringer<br />
Bedarf an Instandhaltungsinvestitionen). Es empfiehlt sich eine Abschöpfungsstrategie<br />
(Schnur 2010: 93), bei der die Gewinne in andere Objekte, z. B. den Ankauf von Stars oder<br />
in Nachwuchsgeschäfte, investiert werden können (Kühne-Büning et al. 2005: 606). „Die<br />
Pflege der „Cash Cows“ von heute ist also die Voraussetzung für die Entwicklung der<br />
„Stars“ von morgen.“ (Website BCG).<br />
Dogs (Feld IV) – Normstrategie: Desinvestition (Exit-Optionen): Solche Wohnungen werden<br />
als „Problemprodukte“ betrachtet (Gabler 2010: 738). Sie sind gekennzeichnet durch<br />
eine geringe relative Marktentwicklung <strong>und</strong> einen niedrigen Marktanteil (Kühne-Büning et<br />
79
7. <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> Quartiersentwicklung<br />
al. 2005: 606). Aufwertungsinvestitionen würden sich aufgr<strong>und</strong> der niedrigen Marktattraktivität<br />
<strong>und</strong> -stärke dieser Produkte nicht rentieren. In diesem Fall kommen Exit-Optionen in<br />
Frage (Verkauf, Rückbau, Abriss).<br />
Insgesamt ist es für den Erfolg von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> ausschlaggebend, über ein<br />
langfristig ausgeglichenes Wohnungsportfolio zu verfügen. Nach Kühne-Büning et al.<br />
(2005: 606) bedeutet das folgende Verteilung:<br />
- ein hoher Anteil von Wohnungen im Bereich der Cash Cows<br />
- ein ausreichender Anteil im Bereich der Stars zur Sicherung des zukünftigen Cashflows<br />
- eine geringe Anzahl von Wohnungen im Bereich der Question-Marks für langfristige<br />
Marktstrategien<br />
- möglichst wenige Wohnungen im Bereich der Dogs<br />
Die Portfolio-Analyse ermöglicht <strong>Wohnungsunternehmen</strong> einen transparenten Blick auf<br />
ihren Wohnungsbestand. So sinkt das Risiko bei Entscheidungen über verschiedene Investitionsoptionen,<br />
da auf der Basis der Portfolio-Analyse eine effektive Kosten-Nutzen Bilanz<br />
für die einzelnen Immobilien gezogen werden kann. Nach Kühne-Büning et al. (2005:<br />
607) gibt es folgende Beispiele solcher Handlungsalternativen:<br />
- „Bestandsbereinigung durch Verkauf von Problembeständen<br />
- Bestandserweiterung durch Zukauf von Beständen mit überdurchschnittlichen Renditepotenzialen<br />
- Bestandsentwicklung durch Modernisierung / Um- <strong>und</strong> Ausbau<br />
- Befristete Aufrechterhaltung des Istzustandes durch „Notinstandhaltung“ mit späterem<br />
Verkauf bzw. Abriss“<br />
Das Planungsinstrument der Portfolio-Analyse wird von Schnur als zu wachstumsorientiert<br />
kritisiert, da es keine Felder für schrumpfende Märkte aufweist (Schnur 2010: 92). Schnur<br />
(2010: 94) begegnet diesem Problem, indem er die Matrix für schrumpfende Märkte wie<br />
folgt um „das Feld „Underdogs“ (Unterlegene) sowie „Buckets“ (Verlierer)“ (Schnur 2010:<br />
94) erweitert. Schnur nutzt allerdings eine andere Darstellungsform der Matrix, in der anstelle<br />
der relativen Marktentwicklung der Begriff des »Marktwachstums« verwendet wird:<br />
In diesem Begriff ist die Option der Schrumpfung nicht inbegriffen, weshalb sich die Matrix<br />
nicht auf schrumpfende Märkte erweitern lässt. In der hier verwendeten Matrix lässt<br />
sich die Begrifflichkeit der »relativen Marktentwicklung« allerdings in beide Richtungen<br />
verstehen, da sich die Marktattraktivität am Verhältnis von Angebot <strong>und</strong> Nachfrage der<br />
Immobilien orientiert. Für schrumpfende Märkte ist das Angebot gewisser Wohnprodukte<br />
80
7. <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> Quartiersentwicklung<br />
größer als die Nachfrage, wodurch eine äußerst geringe bis gar keine Marktattraktivität<br />
besteht. Es sind also auch Produkte in schrumpfenden Märkten inbegriffen.<br />
Die eigentliche Problematik, die im Verständnis der Arbeit für diese Form von Portfolio-<br />
Analyse gesehen wird, hängt mit ihrer Orientierung am Objekt zusammen. Kraemer (2009)<br />
erklärt auf der Tagung „Trendwende im sozialen Wohnungsbau. Impulse aus NRW“:<br />
„Gibt man [die] enge Sichtweise auf <strong>und</strong> orientiert sich am Quartier, ergibt sich daraus ein wesentlich<br />
breiteres Handlungsspektrum als Gr<strong>und</strong>lage für eine mehrwertorientierte Unternehmensstrategie.“<br />
(Kraemer 2009: 12)<br />
Auch 2011 ist Kraemer weiterhin der Überzeugung, dass diese Betrachtungsebene veraltet<br />
ist, trotz der zunehmenden Professionalisierung, die ihren Ausdruck unter anderem in Optimierung<br />
von Prozessen <strong>und</strong> Datenanalyse <strong>und</strong> verbesserten betriebswirtschaftlichen Instrumenten<br />
als Basis für Investitionsentscheidungen findet (Kraemer 2011: 16 f.). Es „geht<br />
immer noch um „Objekte“, „Wirtschaftseinheiten“ <strong>und</strong> „Wohneinheiten“.“ (Kraemer 2011:<br />
17), nicht um die Erfassung von Quartieren als (Lebens-)Raum der Bewohner. Doch das<br />
wird den heutigen Ansprüchen an das Wohnen in Mietermärkten wie dem Ruhrgebiet nicht<br />
gerecht <strong>und</strong> ist nicht umfassend genug (ebd.).<br />
Dass die Portfolio-Analyse noch nicht in der Quartiersebene verankert ist, zeigt sich auch<br />
bei der Literaturrecherche zu diesem Thema: Es sind keine wissenschaftlichen Publikationen<br />
zu finden. Eine erste Ausweitung zur Portfolio-Analyse auf Quartiersebene kann in<br />
einem Vortrag von Neitzel (2010) „Gebaute Quartiere – städtebauliche <strong>und</strong> ökonomische<br />
Zugänge“ <strong>und</strong> einem Vortrag von Wirtz & Eichner (2010) „Markt- <strong>und</strong> Standortanalyse<br />
<strong>und</strong> das Controlling“ gef<strong>und</strong>en werden.<br />
In der Praxis hingegen, wie sich bei den Experteninterviews herausstellt, wird die Portfolio-Analyse<br />
auf Quartierebene teilweise schon umgesetzt. Die Experten 4 <strong>und</strong> 7, die relativ<br />
große <strong>Wohnungsunternehmen</strong> vertreten, bestimmen das Quartier unter gewissen Bedingungen<br />
(z. B. kritische Masse) als Handlungsebene. Nach Aussagen der Experten arbeiten<br />
deren <strong>Wohnungsunternehmen</strong> bereits mit quartiersbezogenen Portfolio-Analysen, aus denen<br />
sie Maßnahmen <strong>und</strong> Strategien ableiten. Das Instrument der Portfolio-Analyse bezeichnen<br />
sie als Ansatz eines ganzheitlichen Systems <strong>und</strong> qualitativen Prozesses<br />
(Ex4WU2: Zn. 227 ff.; Ex7WU4: Zn. 309 ff.). <strong>Wohnungsunternehmen</strong> 4 verbindet die<br />
Portfolio-Analyse sogar mit einem geographischen Informationssystem (GIS) zur Visualisierung<br />
(Ex7WU4: Zn. 317 ff.). Anhand der Ergebnisse der Portfolio-Analyse erarbeiten<br />
sie verschiedene Entwicklungsstrategien für das Quartier.<br />
81
7. <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> Quartiersentwicklung<br />
„Und dann gibt es auch Quartiersteckbriefe, die wir dann erarbeiten, die dann auch bei jedem<br />
Strategiegespräch auf den Tisch gelegt oder an die Wand geworfen werden <strong>und</strong> man sagt: Aber<br />
hier haben wir doch die <strong>und</strong> die Rahmenbedingungen <strong>und</strong> was heißt das jetzt eigentlich? Also es<br />
ist sicherlich auch etwas, was mit der Veränderung des Marktes <strong>und</strong> der <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
insgesamt zu tun hat, dass man solche Quartiersstrategien überhaupt erst entwickelt.“ (Ex7WU4:<br />
Zn. 397 ff.)<br />
Im folgenden Kapitelabschnitt wird eine Konzeption entwickelt, um die Portfolio-Analyse<br />
auf Quartiersebene zu erweitern.<br />
7.10 Strategische Quartiersentwicklung <strong>und</strong> konzeptionelle Handlungsempfehlung<br />
Erweiterung der Portfolio-Analyse auf die Quartiersebene<br />
Die Portfolio-Analyse lässt sich relativ einfach auf die Quartiersebene erweitern. Anstatt<br />
einzelne Wohnungen zu bewerten werden nun ganze Quartiere nach einem bestimmten<br />
Kriteriensystem bewertet <strong>und</strong> diese anschließend nach Wertigkeit in eine Portfolio-Matrix<br />
eingetragen. Dabei können die Wohnungen im Quartier durch eine Portfolio-Analyse entweder<br />
einzeln ausgewertet werden oder ihr Anteil am Kriteriensystem für Quartiere wird<br />
entsprechend stärker gewichtet. Für die Bewertungskriterien stehen eine Vielzahl von<br />
Möglichkeiten zur Verfügung: So kann sich die Bewertung beispielsweise an soziodemographischen<br />
<strong>und</strong> baulich-technischen Faktoren oder dem Wohnumfeld orientieren.<br />
Anschließend lassen sich einzelne Quartiere in einer Portfoliomatrix gegenüberstellen <strong>und</strong><br />
bewerten.<br />
Um der Komplexität von Quartieren gerecht zu werden, sollte ein ganzheitliches Bewertungssystem<br />
angelegt werden, das räumliche, soziale, ökonomische <strong>und</strong> auch ökologische<br />
Kriterien sowie zu erwartende Veränderungen der Rahmenbedingungen berücksichtigt.<br />
Dennoch ist es sinnvoll, die Komplexität des Quartiers in einigen Punkten einzuschränken,<br />
um praxisorientiert arbeiten zu können. Für die Herausstellung von benachteiligten Quartieren<br />
können in das Bewertungssystem beispielsweise auch die Merkmale einbezogen<br />
werden, die schon in Kapitel 6.6 für benachteiligte Quartiere dargestellt wurden <strong>und</strong> messbar<br />
sind. Dadurch kann identifiziert werden, in welchen Quartieren akuter Handlungsbedarf<br />
besteht – benachteiligte Quartiere können erkannt werden.<br />
Für eine quartiersbezogene Portfolio-Analyse muss besonders die aktuelle <strong>und</strong> prognostizierte<br />
Marktlage berücksichtigt werden. Sie eignet sich besonders für große <strong>Wohnungsunternehmen</strong>,<br />
da diese häufig über Wohnungsbestände in mehreren Quartieren verfügen <strong>und</strong><br />
strategisch vorgehen müssen.<br />
82
7. <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> Quartiersentwicklung<br />
Anhand einer solchen quartiersbezogenen Portfolio-Analyse lassen sich gewisse Handlungsstrategien<br />
erschließen, die wesentlich differenzierter ausfallen können, als die der<br />
objektbezogenen Portfolio-Analyse.<br />
Einschränkungen für eine solche quartiersbezogene Portfolio-Analyse ergeben sich aus<br />
dem Besitzanteil eines <strong>Wohnungsunternehmen</strong>s im Quartier: Bei einem sehr geringen Besitzanteil<br />
ist der Aufwand einer komplexen Quartiersanalyse in Bezug auf den Kosten-<br />
Nutzen-Faktor nicht zu rechtfertigen. Der Besitzanteil <strong>und</strong> demnach auch die Möglichkeit<br />
einer Quartiersanalyse können von der Unternehmensgröße abhängig sein.<br />
Weiterhin sind die Handlungsstrategien, die sich aus einer Portfolio-Analyse ergeben, für<br />
benachteiligte Quartiere nicht immer sinnvoll. Bei einer ganzheitlichen Quartiersentwicklung<br />
muss stets eine soziale Verträglichkeit der Maßnahmen berücksichtigt werden. So hat<br />
eine hohe Investition in die physische Aufwertung eines Quartiers häufig die Folge, dass<br />
vorherige Bewohner das Quartier verlassen müssen, da sie sich die angeglichenen (höheren)<br />
Mieten nicht mehr leisten können – ein Gentrifizierungsprozess könnte somit die Folge<br />
sein. Hinzu kommt, dass in benachteiligten Quartieren in Mietermärkten solche Strategien<br />
keinen Sinn machen, da eventuell keine neuen Mieter nachrücken. Bei benachteiligten<br />
Quartieren müssen zudem auch Exit-Strategien einbezogen werden, die einen Schrumpfungsprozess<br />
planvoll gestalten können.<br />
Der eigentliche Vorteil der quartiersbezogenen Portfolio-Analyse ist der, dass sich vielfältigere<br />
Ansatzpunkte für Investitionen (Handlungsstrategien) <strong>und</strong> andere Maßnahmen ergeben<br />
können, da sich die räumliche Betrachtungsebene vom Gebäude auf das Quartier verschiebt.<br />
SWOT-Analyse für Quartiere<br />
Nachdem mittels einer quartiersbezogenen Portfolio-Analyse benachteiligte Quartiere im<br />
Wohnungsbestand identifiziert wurden, können anschließend mittels einer SWOT-<br />
Analyse 38 (strengths, weakness, opportunities and threats) Ansatzpunkte für eine Entwicklung<br />
solcher Quartiere erarbeitet <strong>und</strong> daraus ein Handlungskonzept abgeleitet werden. Dabei<br />
wird das Quartier auf Entwicklungspotenziale <strong>und</strong> mögliche Risiken hin analysiert. Im<br />
Anschluss daran werden Stärken <strong>und</strong> Schwächen des Unternehmens herausgefiltert.<br />
Aus diesem Ansatz heraus werden solche Handlungsstrategien entwickelt, die auf Probleme<br />
<strong>und</strong> Potenziale des Quartiers zugeschnitten sind <strong>und</strong> die am effizientesten mit den internen<br />
Möglichkeiten (Ressourcen <strong>und</strong> Kompetenzen) des Unternehmens umgehen. In den<br />
38 Vgl. Glossar.<br />
83
7. <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> Quartiersentwicklung<br />
Bereichen, in denen das Unternehmen Defizite aufweist, werden externe Möglichkeiten<br />
(Beratung, Zusammenarbeit <strong>und</strong> <strong>Kooperation</strong>) in Betracht gezogen.<br />
Monitoring<br />
Die Handlungsmaßnahmen oder Maßnahmenpakete müssen jedoch in ihrem Ansatz sehr<br />
flexibel bleiben, um auf sich verändernde Rahmenbedingungen eingehen zu können. Deshalb<br />
sollte ein Monitoring stattfinden, das den gesamten Prozess der Analyse-Umsetzung<br />
beobachtet <strong>und</strong> gegebenenfalls auch kritisch hinterfragt. Im Idealfall kann durch eine in<br />
gewissen Zeitabständen erfolgende Kontrolle gewisser Kriterien (z. B. Mieterzufriedenheit,<br />
Arbeitslosenquote, Fluktuationsrate) eine Art »Frühwarnsystem« entstehen.<br />
„Je früher man Zeichen der Zeit erkennt <strong>und</strong> gemeinsam darauf reagiert, desto besser.“<br />
(Ex7WU4: Zn. 967 f.)<br />
Dadurch können Probleme, die sich durch solche Indikatoren frühzeitig ankündigen, bereits<br />
im Vorfeld angegangen werden, um so zu verhindern, dass ein Quartier in einen Abwärtstrend<br />
gerät. Die Einrichtung eines solchen Instruments zur Quartiersentwicklung erscheint<br />
vielen Unternehmen als sehr aufwendig <strong>und</strong> mit hohen Kosten verb<strong>und</strong>en. Im Idealfall<br />
werden dadurch jedoch aufwendige <strong>und</strong> teure Maßnahmen in der Zukunft hinfällig.<br />
Die genaue Ausgestaltung des Kriteriensystems für die quartiersbezogene Portfolio-<br />
Analyse bleibt dabei den einzelnen Unternehmen überlassen <strong>und</strong> weist zudem einen Bedarf<br />
an wissenschaftlicher Forschungstätigkeit auf, da es sich hier lediglich um einen konzeptionellen<br />
Ansatz handelt. Eine solche Gesamtstrategie sollte jedoch ausgewogen <strong>und</strong> ganzheitlich<br />
sein. Besonders hervorzuheben ist der Aspekt der Sozialverträglichkeit, damit es<br />
nicht zu Verdrängungseffekten (Gentrifizierung/Segregation) kommt.<br />
Abbildung 15: Strategische Quartiersentwicklung<br />
quartiersbezogene Portfolio-Analyse<br />
SWOT-Analyse<br />
Quartiersentwicklungsstrategie<br />
Monitoring<br />
Umsetzung<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
84
7. <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> Quartiersentwicklung<br />
Insgesamt ergibt sich durch die Kombination von quartiersbezogener Portfolio-Analyse,<br />
SWOT-Analyse <strong>und</strong> Monitoring eine strategische Instrumentarienkombination, die es ermöglicht,<br />
eine umfassende <strong>und</strong> effiziente Entwicklungsstrategie zu erarbeiten, die den<br />
Stärken <strong>und</strong> Schwächen des Quartiers <strong>und</strong> des Unternehmens entspricht (Abb. 15).<br />
7.11 Diskussion der Leistungsfähigkeit von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in der Quartiersentwicklung<br />
Voraussetzung dafür, dass <strong>Wohnungsunternehmen</strong> eine erfolgreiche Quartiersentwicklung<br />
leisten können, ist, dass sie das Quartier als ihre Handlungsbasis festlegen. Auf dieser Basis<br />
müssen sie langfristige Strategien verfolgen (Abb. 16).<br />
Der Wohnungsmarkt ist die entscheidende Determinante für die Leistungsfähigkeit von<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong>, sodass sie stets dessen Signale im Blick haben müssen, um auf<br />
diese reagieren zu können. Weiterhin müssen sie die sich ändernden gesellschaftlichen<br />
Rahmenbedingungen analysieren, da diese sich als externe Faktoren auf dem Wohnungsmarkt<br />
niederschlagen. Zunächst bedeutet das eine gr<strong>und</strong>sätzliche Differenzierung zwischen<br />
Vermietermarkt <strong>und</strong> Mietermarkt (Abb. 16). Die besondere Relevanz des Wohnungsmarktes<br />
bestätigen auch die Aussagen der Experten.<br />
Abbildung 16: Quartiersentwicklung durch <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong> mit langfristiger Strategie<br />
Kerngeschäft:<br />
Wohnung / Wohnen<br />
Wohnungsmarkt<br />
entscheidende<br />
Determinante<br />
Mietermarkt<br />
schrumpfender Markt<br />
Portfolio-Analyse <strong>und</strong><br />
Zielsetzungen der<br />
Unternehmen<br />
entscheiden, welche<br />
der Investitionen <strong>und</strong><br />
Maßnahmen<br />
durchgeführt werden<br />
Strategische Quartiersentwicklung<br />
baulich-technische<br />
Sanierung , Instandhaltung<br />
Modernisierung, Neubau , Teilrückbau,<br />
Abriss usw.<br />
soziale, kulturelle u. nicht-investive<br />
Mieterfeste, Schuldnerberatung,<br />
Integrationshilfe usw.<br />
räumliche (Wohnumfeld)<br />
Wohnumfeldgestaltung, Infrastruktur usw.<br />
wohnbegleitende<br />
Dienstleistungs- <strong>und</strong> Serviceangebote:<br />
Winterdienst, Treppenhausreinigung,<br />
Angebote für Senioren usw.<br />
Zusammenarbeit mit anderen Akteuren<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
Quartiersentwicklung<br />
85
7. <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> Quartiersentwicklung<br />
In benachteiligten Quartieren in Mietermärkten können <strong>Wohnungsunternehmen</strong> für die<br />
Quartiersentwicklung im Idealfall Folgendes leisten: In einem ersten Schritt geht es darum,<br />
Probleme <strong>und</strong> Potenziale eines Quartiers zu erkennen. Durch eine ganzheitliche quartiersbezogene<br />
Portfolio-Analyse <strong>und</strong> eine anschließende SWOT-Analyse können so Ansatzpunkte<br />
für Investitionen <strong>und</strong> andere Maßnahmen identifiziert werden. Diese Ansatzpunkte<br />
können sowohl im Bereich baulich-technischer, räumlicher, sozialer oder kultureller Quartiersinvestitionen<br />
liegen <strong>und</strong> durch wohnbegleitende Dienstleistungs- <strong>und</strong> Serviceangebote<br />
erweitert werden (Abb. 16).<br />
„[…] so ganzheitlich muss man das alles schon sehen. Das ist nicht rein investiv, das ist nicht<br />
rein Sozialarbeit, das ist nicht von einem Quartiersbüro ausgehend, das ist nicht mit einem Fußballturnier<br />
einmal im Jahr getan, was vom Quartiersbüro aus initiiert wird. Es muss alles ineinander<br />
greifen […].“ (Ex7WU4: Zn. 1054 ff.)<br />
Aus diesem Ansatzpunkt wird ein Handlungskonzept erstellt, das die einzelnen Maßnahmen<br />
<strong>und</strong> Investitionen konkretisiert <strong>und</strong> anschließend umsetzt. Diese sind nicht zwangsläufig<br />
mit dem Einsatz hoher wirtschaftlicher Ressourcen verb<strong>und</strong>en. Gerade in Mietermärkten<br />
schrumpfender Regionen können bereits kleine Investitionen eine hohe Wirkung zeigen.<br />
In Quartieren, die wahrscheinlich in naher Zukunft nicht mehr bestehen werden, kann<br />
durch eine planvolle Gestaltung der Schrumpfung so lange wie möglich noch eine angemessene<br />
Rendite erzielt werden, dennoch müssen gerade in solchen Quartieren Exit-<br />
Strategien in Betracht gezogen werden. Häufig stellt sich jedoch im Rahmen einer Handlungsstrategie<br />
heraus, dass die Unternehmen für bestimmte Maßnahmen nicht über die<br />
notwendigen Kompetenzen verfügen. Dieses Defizit können sie durch eine Zusammenarbeit<br />
mit anderen Akteuren im Quartier, die für bestimmte Aufgaben qualifiziert sind, ausgleichen<br />
(Abb. 16).<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong> sind jedoch wirtschaftliche Unternehmen <strong>und</strong> haben somit bestimmte<br />
Renditeziele. Diese müssen sich bei jeder Art von Quartiersentwicklung langfristig<br />
wiederfinden lassen (return on invest). Es erweist sich hierbei als problematisch, dass<br />
sich soziale <strong>und</strong> nicht-gebäudebezogene Investitionen mit vorhandenen Messsystemen nur<br />
schwer erfassen lassen <strong>und</strong> somit ihr Effekt auf die Rendite zumindest kurzfristig kaum<br />
nachzuweisen ist. Doch dieser positive Effekt ist häufig durch indirekte Indikatoren feststellbar,<br />
z. B. anhand der Wohnzufriedenheit der Mieter, sinkenden Fluktuationszahlen<br />
oder geringem Leerstand. Da ein <strong>Wohnungsunternehmen</strong> jedoch eine wirtschaftliche Rendite<br />
aufweisen muss, sollten sich deren Indikatoren zukünftig eher an einer »Quartiersrendite«<br />
orientieren. Diese wird anhand verschiedener quartiers- <strong>und</strong> objektabhängiger Fakto-<br />
86
7. <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> Quartiersentwicklung<br />
ren bestimmt. Doch müssen für einen solchen Ansatz zunächst neue Messsysteme entwickelt<br />
werden, die auch qualitative Kriterien berücksichtigen.<br />
Anhand dieser Darstellung lässt sich die Leistungsfähigkeit von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in<br />
der Quartiersentwicklung im ersten Ansatz bestimmen. Es ergeben sich jedoch in der Praxis<br />
einige einschränkende Faktoren, die eine exakte Definition der Leistungsfähigkeit erschweren.<br />
Komplexität <strong>und</strong> Einzigartigkeit der Quartierssituation: Jedes Quartier bedarf aufgr<strong>und</strong><br />
seiner individuellen Rahmenbedingungen (Bewohnerstruktur, Bauart, Marktlage) differenzierter<br />
Handlungsstrategien. Die einzelnen Lösungsstrategien <strong>und</strong> Handlungsansätze lassen<br />
sich somit nur schwer vereinheitlichen. Das ist hinderlich für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit<br />
von <strong>Wohnungsunternehmen</strong>, da sie in jedem Quartier unterschiedliche<br />
Maßstäbe ansetzen müssen.<br />
Wohnungsbestand im Quartier: <strong>Wohnungsunternehmen</strong> benötigen eine bestimmte kritische<br />
Masse im Quartier um handlungsfähig zu sein. Haben sie diese kritische Masse nicht,<br />
verursachen quartiersbezogene Maßnahmen <strong>und</strong> Investitionen kaum Effekte <strong>und</strong> lassen<br />
sich im Bezug auf ihre Rentabilität nur schwer rechtfertigen. Somit sind einige <strong>Wohnungsunternehmen</strong>,<br />
obwohl sie vielleicht durchaus leistungsfähig wären, durch eine nicht vorhandene<br />
kritische Masse eingeschränkt.<br />
Wirtschaftliche Rentabilität der Maßnahmen: Wie bereits erwähnt, bedarf es der Entwicklung<br />
neuer Messsysteme, um auch soziale <strong>und</strong> nicht-gebäudebezogene Investitionen wirtschaftlich<br />
zu rechtfertigen. So können einige Unternehmen beispielsweise soziale Maßnahmen<br />
nicht durchführen, da sie sich in der Rentabilität kurzfristig nicht wiederfinden<br />
lassen.<br />
Entwicklungsperspektiven des Quartiers: Einen besonderen Aspekt in der Einschränkung<br />
der Leistungsfähigkeit stellen benachteiligte Quartiere in schrumpfenden Märkten dar, bei<br />
denen absehbar ist, dass sie in naher Zukunft in ihrer jetzigen Form nicht mehr tragfähig<br />
sind. In diesen Quartieren sind die Handlungsmöglichkeiten (z. B. durch die Rentabilität<br />
der Maßnahmen) stark eingeschränkt <strong>und</strong> es müssen Exit-Optionen (z. B. Verkauf <strong>und</strong> Abriss)<br />
in Betracht gezogen werden.<br />
Handlungsdruck: Der Handlungsdruck ist durchaus ambivalent zu bewerten. Einerseits<br />
kann er Handlungsstrategien von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> befördern, andererseits kann er<br />
„lähmend“ wirken. Im Extremfall trennen sich <strong>Wohnungsunternehmen</strong> wenn möglich von<br />
87
7. <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> Quartiersentwicklung<br />
Beständen ohne Entwicklungsperspektive, in denen eigentlich Handlungsdruck vorherrscht.<br />
Unternehmensgröße: Die Leistungsfähigkeit kann durch diesen Faktor eingeschränkt werden,<br />
da kleine Unternehmen häufig nicht über notwendige wirtschaftliche Ressourcen <strong>und</strong><br />
Kompetenzen verfügen, um große Investitionen zu tätigen. Hinzu kommt, dass manche<br />
Unternehmen nicht über genügend Quartiere verfügen, sodass sich Strategien wie quartiersbezogene<br />
Portfolio-Analysen rentieren würden.<br />
Unternehmensziele: Unternehmen, die ein kurzfristiges Bewirtschaftungsinteresse verfolgen<br />
(Gewinnmaximierung), werden viele Maßnahmen nicht an ihrer wirtschaftlichen Rentabilität<br />
rechtfertigen können.<br />
Aus den vorangehenden Betrachtungen lässt sich für die Leistungsfähigkeit von <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
in der Quartiersentwicklung feststellen, dass die Leistungsfähigkeit<br />
nicht exakt quantifizierbar ist. Sie muss vielmehr qualitativ definiert werden, da sie nur so<br />
den individuellen Rahmenbedingungen, denen ein <strong>Wohnungsunternehmen</strong> als Akteur in<br />
der Quartiersentwicklung gerecht werden muss, entsprechen kann.<br />
88
8. <strong>Kooperation</strong> von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in der Quartiersentwicklung<br />
8. <strong>Kooperation</strong> von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in der Quartiersentwicklung<br />
„Über die Zukunft der Städte bestimmen nicht alleine gute oder schlechte Leitbilder, gute oder<br />
schlechte Paradigmen <strong>und</strong> gute oder schlechte Kommunikation, sondern vor allem auch die Frage,<br />
wer in der Stadtentwicklung miteinander kooperiert, welches Interesse die Beteiligten an einer<br />
<strong>Kooperation</strong> haben <strong>und</strong> aufgr<strong>und</strong> welcher Vorteile diese <strong>Kooperation</strong> schließlich zustande<br />
kommt.“ (Bernt 2005: 112)<br />
Dieses Kapitel wird sich besonders mit dem zweiten Teil der Forschungsfrage beschäftigen:<br />
Unter welchen Bedingungen wird <strong>Konkurrenz</strong> zugunsten von <strong>Kooperation</strong> überw<strong>und</strong>en?<br />
In manchen Fällen erscheinen verschiedene <strong>Kooperation</strong>sformen von <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
effektiver für die Quartiersentwicklung als die Zusammenarbeit mit anderen<br />
Quartiersakteuren (vgl. Kapitel 7.4). Dadurch lassen sich ihre Handlungsspielräume bezüglich<br />
anderer Akteure vergrößern, gemeinsame Interessen leichter umsetzten <strong>und</strong> im Idealfall<br />
entstehen »Win-win-Situationen« für alle Beteiligten. Damit <strong>Kooperation</strong> möglich<br />
wird, müssen häufig festgefahrene Unternehmensstrategien überw<strong>und</strong>en <strong>und</strong> ein gemeinsamer<br />
Nenner für die strategische Ausrichtung <strong>und</strong> die Form der <strong>Kooperation</strong> gef<strong>und</strong>en<br />
werden (Peselmann 2009: 10).<br />
8.1 Investitionsdilemma auf Quartiersebene: Lösung durch <strong>Kooperation</strong>?<br />
In Kapitel 6.5.1 wurde anhand des Theorieansatzes des Gefangenendilemmas beschrieben,<br />
wie es zur Entstehung benachteiligter Quartiere kommen kann. Durch das Investitionsdilemma<br />
können Blockadesituationen entstehen, die nach Westphal (1979) <strong>und</strong> Krätke<br />
(1995) nur durch staatliche Interventionen aufgehoben werden können. Im weiteren Verlauf<br />
wurde die Möglichkeit dargestellt, dass beide <strong>Wohnungsunternehmen</strong> investieren <strong>und</strong><br />
so eine Rendite erwirtschaften (jeweils 7 %). Im Folgenden wird ein Lösungsansatz betrachtet,<br />
der sowohl diese Möglichkeit, als auch die Möglichkeit der <strong>Kooperation</strong> einbezieht.<br />
Wie Krätke <strong>und</strong> Westphal kommt auch Bernt (2005) zu dem Ergebnis, dass staatliche Interventionen<br />
häufig den einzigen Ausweg aus einer Blockadesituation darstellen. Er untersucht<br />
anhand das Gefangenendilemmas die <strong>Kooperation</strong>ssituation im Stadtumbau-Ost:<br />
„Die staatlichen Abrissprämien (Fördergelder im Stadtumbau Ost Programm <strong>und</strong> Altschuldenhilfeerleichterungen)<br />
haben damit geholfen, das Gefangenendilemma der <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
aufzubrechen […].“ (Bernt 2005: 126). In dieser Arbeit soll jedoch die<br />
Möglichkeit betrachtet werden, Blockadesituationen mit Hilfe von <strong>Kooperation</strong>, jedoch<br />
ohne staatliche Interventionen (z. B. durch Zwang oder Subventionen) zu lösen.<br />
89
8. <strong>Kooperation</strong> von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in der Quartiersentwicklung<br />
„Eine Zwangssituation beispielsweise kann entstehen, wenn die Kommune „androht“, normative<br />
Ziele mit starken städtebaulichen Instrumentarien umsetzen zu wollen. Die Akteure werden dann<br />
ggf. zunächst kooperieren […]. Allerdings ist eine solche Konstellation fragil.“ (Schnur 2010:<br />
109)<br />
Dieser Ansatz wird hier untersucht, da sich im Verlauf der Experteninterviews herausstellte,<br />
dass in der Praxis <strong>Kooperation</strong>en ohne staatlichen Anreiz zustande kommen. Um diese<br />
These (<strong>Kooperation</strong>en ohne staatlichen Anreiz) zu untermauern, wird eine Arbeit Axelrods<br />
von 1984 hinzugezogen.<br />
Robert Axelrod untersucht in seinem Werk „The Evolution of Co-operation“ von 1984<br />
eben solche Situationen, in denen <strong>Kooperation</strong>en ohne staatliche Zwänge entstehen können.<br />
„Under what conditions will cooperation emerge in a world of egoists without central<br />
authority?“ (Axelrod 1990: 3). Unter Bezugnahme auf die These von Axelrod soll die Ausführung<br />
Bernts (<strong>Kooperation</strong> nur durch staatliche Intervention) im Hinblick auf die Quartiersentwicklung<br />
kritisch überprüft werden.<br />
Axelrod betrachtet „how individuals pursuing their own interests will act, followed by an<br />
analysis of what effects this will have for the system as a whole“ (Axelrod 1990: 6). Im<br />
Folgenden werden „individuals“ als die <strong>Wohnungsunternehmen</strong>, das „system“ als Quartier<br />
betrachtet. Bei der <strong>Kooperation</strong> geht Axelrod (1990: 6) von der Annahme des Selbstinteresses<br />
(„self interest“) der Individuen (<strong>Wohnungsunternehmen</strong>) aus. Er will den schwierigen<br />
Fall prüfen, bei dem „cooperation is not completely based upon a concern for others or<br />
upon the welfare of the group as a whole.“ (Axelrod 1990: 6). Diese These ist von besonderem<br />
Interesse, da in dieser Arbeit der Fokus besonders auf <strong>Kooperation</strong> von <strong>Wohnungsunternehmen</strong>,<br />
die jedoch auch immer eigene Zielsysteme verfolgen, liegt.<br />
Für Axelrod stellt die <strong>Kooperation</strong> ein Gr<strong>und</strong>problem dar, wenn „the pursuit of selfinterest<br />
by each leads to a poor outcome for all“ (Axelrod 1990: 7). Er untersucht solche<br />
Situationen anhand des Gefangenendilemmas, wie es in Kapitel 6.5.1 bereits auf das Investitionsdilemma<br />
von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> angewandt wurde. Axelrod nutzt jedoch abweichende<br />
Begrifflichkeiten: kooperieren statt investieren <strong>und</strong> defektieren (nicht kooperieren)<br />
statt nicht investieren.<br />
Nun stellt sich jedoch die Frage, wie eine Situation, in der <strong>Wohnungsunternehmen</strong> kooperieren<br />
anstatt ihre Einzelinteressen zu verfolgen, zustande kommt (Axelrod 1990: 3). Betrachtet<br />
man die aktuellen marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, kommt zudem häufig<br />
eine Wettbewerbssituation hinzu, in der sich <strong>Wohnungsunternehmen</strong> als Konkurrenten<br />
90
8. <strong>Kooperation</strong> von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in der Quartiersentwicklung<br />
<strong>Konkurrenz</strong> wirtschaftlich sinnvoll ist <strong>und</strong> auch ohne staatlichen Zwang entstehen bzw.<br />
beständig sein kann.<br />
Der Zeithorizont fordert von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> ein mittel- bis langfristiges Bewirtschaftungsinteresse<br />
an den eigenen Beständen im Quartier. Es ist also jeweils nicht absehbar,<br />
ob ein <strong>Wohnungsunternehmen</strong> durch die <strong>Kooperation</strong> profitiert <strong>und</strong> in naher Zukunft<br />
seine Objekte, z. B. durch einen Verkauf, verwerten kann. Es bestehen mehrere Möglichkeiten<br />
zukünftiger Interaktionssequenzen zwischen <strong>Wohnungsunternehmen</strong>.<br />
8.2 Blockadesituation im Investitionsdilemma <strong>und</strong> <strong>Kooperation</strong><br />
In Anlehnung an die These Axelrods (1984), dass <strong>Kooperation</strong> auch ohne staatliche Intervention<br />
zustande kommen kann, soll hier die Blockadesituation im Gefangenendilemma an<br />
einem Modellquartier <strong>und</strong> drei Beispielszenarien auf einer konzeptionellen Ebene beschrieben<br />
werden. Für das Modellquartier (»Ungewisse Zukunft«) werden Rahmenbedingungen<br />
definiert <strong>und</strong> Einflussfaktoren festgelegt. Dabei handelt es sich um eine starke<br />
Vereinfachung realer Quartierskonstruktionen <strong>und</strong> komplexer Situationen. Anhand der<br />
Erfahrungen der Experten wird die Übertragbarkeit des Modells auf die Praxis überprüft<br />
<strong>und</strong> abschließend kritisch bewertet.<br />
8.2.1 Modellquartier »Ungewisse Zukunft« <strong>und</strong> Beispielszenarien<br />
Das Quartier befindet sich in einer Großstadt <strong>und</strong> besitzt alle zuvor in Kapitel 3.2 beschriebenen<br />
Quartiersattribute einer ganzheitlichen Quartiersdefinition. Es weist zudem<br />
eine Vielzahl von Merkmalen benachteiligter Quartiere aus Kapitel 6.6 auf. Weiterhin befindet<br />
es sich in einer Region, die vom soziodemographischen Wandel in Form von<br />
Schrumpfung <strong>und</strong> sinkenden Haushaltszahlen betroffen ist. 60 % des Wohnungsbestandes<br />
sind im Besitz von zwei <strong>Wohnungsunternehmen</strong> (A <strong>und</strong> B) <strong>und</strong> auf diese jeweils in ähnlichen<br />
Anteilen verteilt. Die restlichen 40 % befinden sich im Besitz privater Kleineigentümer.<br />
Bei diesem fiktiven Beispiel handelt es sich somit um ein benachteiligtes Quartier,<br />
welches sich in einem Abwärtstrend befindet, sowohl sozio-ökonomisch als auch baulichphysisch.<br />
Dadurch weisen beide <strong>Wohnungsunternehmen</strong> eine erhöhte Leerstandsquote <strong>und</strong><br />
ansteigende Fluktuationen in unterschiedlichen Ausprägungen auf.<br />
Beide Unternehmen beschließen unabhängig voneinander folgende Ziele für ihren Bestand<br />
im Quartier: Sie wollen den Leerstand verringern <strong>und</strong> die Fluktuation verlangsamen. Somit<br />
haben <strong>Wohnungsunternehmen</strong> A <strong>und</strong> B das gleiche Ziel, unabhängig von weiteren Einzelzielen.<br />
Folgendermaßen könnte das Ziel erreicht werden: Das einzelne <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
erkennt die Quartiersentwicklung als möglichen Ansatzpunkt <strong>und</strong> prüft, welche<br />
92
8. <strong>Kooperation</strong> von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in der Quartiersentwicklung<br />
Maßnahmen <strong>und</strong> Strategien in diesem Quartier sinnvoll <strong>und</strong> angebracht wären. In dieser<br />
Situation könnte jedoch eine Blockadesituation im Investitionsdilemma (vgl. Kapitel 6.5.1)<br />
entstehen.<br />
8.2.2 Entstehung einer Blockadesituation auf Quartiersebene<br />
Für das folgende Szenario werden die genannten Prämissen des Modellquartiers „Ungewisse<br />
Zukunft“ angenommen. Weitere Prämissen kommen an dieser Stelle zum Tragen:<br />
- <strong>Wohnungsunternehmen</strong> A (WU A) hat ein langfristiges Bewirtschaftungsinteresse<br />
- <strong>Wohnungsunternehmen</strong> B (WU B) hat ein kurzfristiges Bewirtschaftungsinteresse<br />
Abbildung 17: Blockadesituation im Modellquartier<br />
WU B<br />
WU A<br />
investieren<br />
nicht investieren<br />
investieren nicht investieren<br />
Rendite A Rendite B Rendite A Rendite B<br />
7% 7% 3% 9%<br />
9% 3% 4% 4%<br />
WU = <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
Eine Blockadesituation kann dadurch entstehen, dass jedes <strong>Wohnungsunternehmen</strong> ein<br />
eigenes Zielbündel verfolgt, das sich mit den Zielen des anderen nicht in Einklang bringen<br />
lässt (Bernt 2005: 113). Die unterschiedlichen Zielsysteme können beispielsweise durch<br />
verschiedene Bewirtschaftungsinteressen entstehen: Ein <strong>Wohnungsunternehmen</strong> (B) hat<br />
ein kurzfristiges, das andere (A) ein langfristiges Bewirtschaftungsinteresse.<br />
Eine vereinfachte Variante im Sinne des Investitionsdilemmas stellt folgende Situation dar:<br />
WU B erwartet, dass WU A zuerst investiert <strong>und</strong> Quartiersentwicklung leistet. WU B hofft<br />
darauf, den höchstmöglichen Profit zu erzielen, indem seine Bestände durch die positiven<br />
externen Effekte höhere Renditen erwirtschaften. In einer Situation, in der beide <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
sich so verhalten, kommt es zur Blockadesituation im benachteiligten<br />
Quartier „Ungewisse Zukunft“. WU A <strong>und</strong> WU B wählen in diesem Fall die Handlungsoption<br />
„nicht investieren“ <strong>und</strong> damit eine Rendite von 4 % (Abb. 17 rot). In einem Quartier<br />
einer schrumpfenden Region könnte sich dadurch der Abwärtstrend beschleunigen. Leerstand<br />
<strong>und</strong> Fluktuationsrate beider <strong>Wohnungsunternehmen</strong> könnten ansteigen. Das hätte zur<br />
Folge, dass in naher Zukunft die bisherige Rendite in dem Quartier unter 4% sinken könnte.<br />
93
8. <strong>Kooperation</strong> von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in der Quartiersentwicklung<br />
Erfahrungen aus der Praxis (Experteninterviews)<br />
Die Aussagen von Experte 1 bestätigen, dass das beschriebene Szenario durchaus einen<br />
Realitätsbezug aufweist:<br />
„Wir hatten jetzt in Bochum […] auch ein Stadtumbaugebiet, wo das kommunale Unternehmen<br />
VbW viel Macht hat <strong>und</strong> irgendwelche Sachen umsetzt. Und das sind gerade sagen wir mal 70%<br />
oder 65% des Quartiers. 10% gehören so einer Genossenschaft, die sind auch okay, die machen<br />
auch irgendwas. Ein paar Gebäude gehören so einer Eigentümergemeinschaft, aber der restliche<br />
Teil gehört irgendwie Lines Property 7. Die sitzen auf Kaiman Islands […], kein Mensch da, kein<br />
irgendwas, keiner erreichbar. […] Die VbW würde gerne mit denen kooperieren, aber sie kriegen<br />
halt keinen. Dann geht es eben auch nicht. Das Problem ist dann, das sagt die VbW auch<br />
selber: Was sollen wir unsere Häuser jetzt anstreichen, wenn es gegenüber total schäbig aussieht?<br />
Das bringt uns nichts.[…] es ist halt eben dieses Dilemma, wo sie drinstecken: Ich muss<br />
etwas investieren, habe aber gar nichts davon <strong>und</strong> viel schlimmer noch: Jemand anderes hat etwas<br />
davon.“ (Ex1BR1: Zn. 621 ff.)<br />
Hier kommt ein weiter Faktor zum Tragen, der eine solche Blockadesituation auslösen<br />
kann: Es geht nicht nur um das Nichtvorhandensein der <strong>Kooperation</strong>sbereitschaft, sondern<br />
in diesem Fall ist die Identifizierung eines Ansprechpartners schlichtweg nicht möglich.<br />
Eine solche Situation kann beispielsweise eine Folge der zunehmenden Internationalisierung<br />
der Anbieter am deutschen Wohnungsmarkt sein (vgl. Kapitel 4.1). Auch andere Experten<br />
nennen Beispiele für solche Blockadesituationen in Quartieren (Ex5WU3: Zn. 332<br />
ff., Zn. 606 ff.).<br />
8.2.3 Wege aus der Blockadesituation<br />
Abbildung 18: Investitionen im Modellquartier<br />
WU B<br />
WU A<br />
investieren<br />
nicht investieren<br />
investieren nicht investieren<br />
Rendite A Rendite B Rendite A Rendite B<br />
7% 7% 3% 9%<br />
9% 3% 4% 4%<br />
WU = <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
Um nun einen Lösungsweg für die Blockadesituation aufzuzeigen, werden die Prämissen<br />
des Modellquartiers »Ungewisse Zukunft« leicht verändert: Beide <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
vertreten in diesem Fall ein langfristiges Bewirtschaftungsinteresse, somit kommt der nach<br />
Axelrod (1984) geforderte „Schatten der Zukunft“ als Bedingung einer <strong>Kooperation</strong> zum<br />
94
8. <strong>Kooperation</strong> von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in der Quartiersentwicklung<br />
Tragen. Beide <strong>Wohnungsunternehmen</strong> investieren einzeln in die Quartiersentwicklung. Sie<br />
erwirtschaften dadurch eine Rendite von jeweils 7 %. (Abb. 18 rot).<br />
Diese ist höher als die Rendite in der Blockadesituation (jeweils 4 %), jedoch niedriger, als<br />
das nur einer der beiden investiert (9 %). Gesamtwirtschaftlich steigt die Rendite jedoch<br />
von 12 %, wenn nur einer investiert, auf 14 %, wenn beide investieren.<br />
In einem nächsten Schritt wird die Situation nochmals erweitert: Beide <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
verfolgen eine Strategie, die der „TIT-FOR-TAT-Strategie“ ähnelt. Da eine Verhaltensregel<br />
dieser Strategie den Beginn durch <strong>Kooperation</strong> festlegt, sind die <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
in diesem Fall kooperationsbereit. Nun erfüllen beide die Bedingungen, die<br />
Axelrod für <strong>Kooperation</strong>en identifizierte: Die <strong>Kooperation</strong> beruht auf Gegenseitigkeit <strong>und</strong><br />
steht durch ein langfristiges Bewirtschaftungsinteresse im „Schatten der Zukunft“. Dies<br />
trägt zur Stabilität der <strong>Kooperation</strong> bei, da die Unternehmen berücksichtigen müssen, in<br />
diesem Quartier voraussichtlich auch in Zukunft miteinander in Beziehung zu stehen.<br />
Axelrod setzt in seinem Ansatz investives mit kooperativem Verhalten gleich. Hier wird<br />
jedoch <strong>Kooperation</strong> als eine dritte Option neben investieren <strong>und</strong> nicht investieren gewählt.<br />
Eine (getrennte) Investition beider Unternehmen wird im Verständnis dieser Arbeit nicht<br />
mit <strong>Kooperation</strong> gleichgesetzt. WU A <strong>und</strong> WU B wählen die Option »kooperieren«. Somit<br />
stellt sich eine Möglichkeit ein, die eine höhere Rendite (jeweils 8 %) erwirtschaftet als die<br />
Blockadesituation <strong>und</strong> die Situation, in der beide unabhängig voneinander investieren<br />
(Abb. 19).<br />
Abbildung 19: <strong>Kooperation</strong> im Modellquartier<br />
WU B<br />
WU A<br />
kooperieren<br />
Rendite A Rendite B<br />
kooperieren 8% 8%<br />
investieren<br />
nicht investieren<br />
investieren<br />
Rendite A Rendite B<br />
7% 7%<br />
9% 3%<br />
nicht investieren<br />
Rendite A Rendite B<br />
3% 9%<br />
4% 4%<br />
WU = <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
Beide Unternehmen entwickeln gemeinsame Maßnahmen <strong>und</strong> Handlungsstrategien für das<br />
Quartier. So gewährleisten sie einen effektiven Einsatz der wirtschaftlichen Ressourcen<br />
<strong>und</strong> Kompetenzen <strong>und</strong> können mögliche Synergieeffekte nutzen. Dadurch kann das Quartier<br />
stabilisiert <strong>und</strong> ein Abwärtstrend aufgehalten werden. Nach einer gewissen Zeit können<br />
95
8. <strong>Kooperation</strong> von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in der Quartiersentwicklung<br />
sie dadurch jeweils eine Rendite von 8 % erwirtschaften (Abb. 19 rot). Die Rendite entspricht<br />
dann immer noch nicht den 9 %, die erwirtschaftet werden könnten, wenn nur einer<br />
investiert, es lässt sich jedoch die höchste gesamtwirtschaftliche Rendite erwirtschaften<br />
(16 %). Im besten Fall entsteht somit eine »Win-win-win-Situation«: Beide <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
<strong>und</strong> das Quartier profitieren.<br />
Diese Szenarien stellen einen Idealfall dar <strong>und</strong> kommen in der Praxis vor allem mit den<br />
beschriebenen Prämissen nur selten vor. Dennoch lässt sich der Aspekt eines langfristigen<br />
Bewirtschaftungsinteresses durchaus in der Realität feststellen. Kommunale <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
<strong>und</strong> Genossenschaften haben meist eine stark regionale <strong>und</strong> lokale Verwurzelung<br />
<strong>und</strong> können aus diesem Gr<strong>und</strong> keine kurzfristigen Strategien verfolgen. Das gilt auch<br />
für privatwirtschaftliche <strong>Wohnungsunternehmen</strong>, die ebenfalls oft eine regionale Bindung<br />
aufweisen.<br />
Das heißt jedoch nicht, dass <strong>Wohnungsunternehmen</strong> mit einem langfristigen Bewirtschaftungsinteresse<br />
zwangsläufig kooperationsbereit sind, da häufig Unwissenheit über die Potenziale<br />
einer <strong>Kooperation</strong> vorherrscht. Auch Axelrod beschreibt <strong>Kooperation</strong> als einen<br />
Entwicklungsprozess in „Versuch <strong>und</strong> Irrtum“ (Axelrod 1990: 182): <strong>Kooperation</strong>en laufen<br />
nicht von Beginn an reibungslos ab, sondern beinhalten durchaus negatives Erfahrungspotenzial.<br />
Auf der Basis dieses Erfahrungspotenzials kann sich <strong>Kooperation</strong> evolutionär entwickeln,<br />
sodass es letztendlich möglich wird, von ihren Vorzügen zu profitieren. Axelrod<br />
ist der Ansicht, dass sich <strong>Kooperation</strong> zukünftig als Handlungsstrategie vermehrt durchsetzen<br />
wird: „whatever is successful is likely to appear more often in the future“ (Axelrod<br />
1990: 169).<br />
Erfahrungen aus der Praxis: Essen Vogelheim<br />
Essen Vogelheim ist ein Beispiel dafür, dass <strong>Kooperation</strong>en ohne staatliche Intervention in<br />
der Realität zustande kommen können. Im Rahmen des Projekts „Gemeinsam für Vogelheim“<br />
kam es in diesem Quartier 39 zur <strong>Kooperation</strong> zwischen drei <strong>Wohnungsunternehmen</strong>,<br />
die für diese Arbeit als Interviewpartner zur Verfügung stehen: <strong>Wohnungsunternehmen</strong> 2,<br />
3 <strong>und</strong> 4.<br />
Auslöser dieser <strong>Kooperation</strong> war eine Studie über das Wohnen in Essen, die 2002 durch<br />
ein Beratungsunternehmen erstellt wurde. Die Studie ermittelte, dass in Vogelheim beson-<br />
39 An dieser Stelle wird von den Experten der Stadtteil Essen Vogelheim mit einem Quartier gleichgesetzt.<br />
96
8. <strong>Kooperation</strong> von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in der Quartiersentwicklung<br />
derer Handlungsbedarf bestand <strong>und</strong> dass dort drei <strong>Wohnungsunternehmen</strong> einen großen<br />
Anteil am Wohnungsbestand 40 innehatten (Ex4WU2: Zn. 451 ff.; Ex7WU4: Zn. 648 ff.).<br />
„Da ist Handlungsbedarf <strong>und</strong> das ist glaube ich auch der Treiber. Handlungsbedarf, steigender<br />
Leerstand, Fluktuation, soziale Probleme, Vandalismus, das sind eigentlich die Treiber für <strong>Kooperation</strong>.“<br />
(Ex4WU2: Zn. 479 ff.)<br />
Aufgr<strong>und</strong> dieser Studie nahmen die <strong>Wohnungsunternehmen</strong> eine eigenständige Analyse<br />
ihrer dortigen Bestände vor. Dadurch stellte sich z. B. für <strong>Wohnungsunternehmen</strong> 3 heraus,<br />
dass seine Wohnungsbestände (Mehrfamilienhäuser) in Vogelheim nicht mehr marktgerecht<br />
waren (Ex5WU3: Zn. 654 ff.). Für diese zog <strong>Wohnungsunternehmen</strong> 3 die Option<br />
Abriss <strong>und</strong> Neubau heran, um sie durch neue Einfamilienhäuser zu ersetzen (Ex5WU3: Zn.<br />
678 ff.). Dabei stellte sich die Frage nach dem Verbleib der vorhandenen Mieter<br />
(Ex5WU3: Zn. 667 ff.), sodass sie auf die anderen <strong>Wohnungsunternehmen</strong> zugingen, um<br />
eine kooperative Lösung zu finden.<br />
Daraufhin wurden die wohnungswirtschaftlichen Daten der einzelnen Unternehmen<br />
(Wohngröße, Miethöhen, Betriebskosten, Leerstand, Fluktuationsrate usw.) miteinander<br />
verglichen <strong>und</strong> weiterer Handlungsbedarf festgestellt (Ex4WU2: Zn. 372 ff.). 2003 beschlossen<br />
die Unternehmen eine <strong>Kooperation</strong>, die sie in einer <strong>Kooperation</strong>svereinbarung<br />
festhielten (Ex5WU3: Zn. 677 f.).<br />
Es wurden folgende <strong>Kooperation</strong>sziele festgelegt: Insgesamt sollte eine Summe von ca. 30<br />
Mio. € in Vogelheim investiert werden, um das Wohnungsangebot <strong>und</strong> die städtebauliche<br />
Situation zu verbessern <strong>und</strong> so am Standort Vogelheim festhalten zu können (Ex5WU3:<br />
Zn. 678 ff.).Weiterhin wurde ein „Handlungsbedarf durch Dritte“ (Ex5WU3: Zn. 699 ff.)<br />
festgestellt, sodass auch die Kommune stärker mit einbezogen werden sollte. Anfangs kam<br />
es jedoch zu Konflikten zwischen Kommune <strong>und</strong> <strong>Wohnungsunternehmen</strong> (Ex4WU2: Zn.<br />
386 ff.; Ex5WU3: Zn. 688 ff., 694 f.)<br />
Ein entscheidender Faktor für die Entstehung dieser <strong>Kooperation</strong> in Essen Vogelheim war<br />
die Legitimation durch die Geschäftsführungen: Es wurde ein gemeinsames Planungsteam<br />
<strong>und</strong> ein Arbeitskreis eingerichtet, sodass es eine operative Ebene <strong>und</strong> eine Geschäftsebene<br />
gab (Ex4WU2: Zn. 805 ff.).<br />
Bewertung <strong>und</strong> Erfolg der <strong>Kooperation</strong>: Die <strong>Kooperation</strong> an sich wird von den drei beteiligten<br />
Unternehmen als positiv bewertet. Das kommunale <strong>Wohnungsunternehmen</strong> 3 konnte<br />
beispielsweise durch die <strong>Kooperation</strong> seinen Leerstand minimieren, Einfamilienhäuser<br />
verkaufen <strong>und</strong> das Image des gesamten Quartiers verbessern (Ex5WU3: Zn. 761 ff.). Wei-<br />
40 „Wir hatten eben zusammen 60 % ungefähr des Wohnungsbestandes[…].“ (Ex5WU3: Zn. 686 f.).<br />
97
8. <strong>Kooperation</strong> von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in der Quartiersentwicklung<br />
terhin könnte diese <strong>Kooperation</strong> ein positives Beispiel abgeben <strong>und</strong> Ausstrahlung auf ähnliche<br />
Situationen in Deutschland haben (Ex5WU3: Zn. 788 ff.).<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong> 2 hat seine Bestände in Vogelheim mittlerweile veräußert<br />
(Ex4WU2: Zn.366 f.). Experte 6 bedauert, „dass eine so erfolgreiche <strong>Kooperation</strong> dieses<br />
Ende findet“ (Ex6WU3: Zn. 770), da es ungewiss sei, wie es mit dem neuen Eigentümer<br />
weitergehe (Ex6WU3: Zn. 768 ff.). Aus diesem Gr<strong>und</strong> fallen die Bewertungen bezüglich<br />
des Erfolgs der <strong>Kooperation</strong> unterschiedlich aus. Experte 4 (WU2) ist der Ansicht, dass<br />
„die Ziele […] nicht erreicht [wurden], sonst hätten wir den Bestand nicht verkauft. Ich würde<br />
aber auch jetzt so im Nachhinein sagen, [wir haben uns] auf eine Zielsetzung eingelassen, die<br />
vielleicht nicht sinnvoll gewesen ist.“ (Ex4WU2: Zn. 827 ff.)<br />
Experte 5 (WU3) sieht jedoch in dem Verkauf eher strategische Beweggründe, da <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
2 mittlerweile mit <strong>Wohnungsunternehmen</strong> 4 fusioniert ist (Ex5WU3:<br />
Zn. 744 ff.). Er weist jedoch darauf hin, dass der Verkauf keine Divergenzen unter den<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong> hervorrief <strong>und</strong> beschreibt die Zusammenarbeit mit den beiden anderen<br />
Unternehmen als durchweg positiv (Ex5WU3: Zn. 774 ff.).<br />
Essen Vogelheim veranschaulicht unter realistischen Bedingungen das Szenario im Modellquartier.<br />
Gr<strong>und</strong>legend erfüllt die <strong>Kooperation</strong> in Vogelheim die Bedingungen, die von<br />
Axelrod gestellt werden, verdeutlicht jedoch die Abhängigkeit von einer Vielzahl von Faktoren<br />
(z. B. sozio-ökonomische Rahmenbedingungen, Zielsysteme der Unternehmen), die<br />
nur schwer kalkulierbar sind. <strong>Kooperation</strong>en können bis ins Detail geplant werden, in der<br />
Praxis jedoch dennoch zu Problemen führen.<br />
„Also es gab die üblichen Reiberein, aber nichts Gr<strong>und</strong>legendes. Wo Menschen zusammenarbeiten…“<br />
(Ex4WU2: Zn. 863 f.)<br />
8.3 <strong>Kooperation</strong> aus der Sicht der Experten<br />
8.3.1 Bedingungen unter denen <strong>Konkurrenz</strong> zugunsten von <strong>Kooperation</strong> überw<strong>und</strong>en<br />
wird<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong> agieren am Markt als Wettbewerber untereinander <strong>und</strong> stehen somit<br />
in <strong>Konkurrenz</strong>. Das schließt jedoch kooperatives Handeln nicht aus. Obwohl sie jeweils<br />
Einzelinteressen verfolgen, können sie sich auf gemeinsame Ziele verständigen, um<br />
Wettbewerbsvorteile zu nutzen oder gegebenenfalls Veränderungen begegnen zu können<br />
(Ex7WU4: Zn. 752 ff.).<br />
98
8. <strong>Kooperation</strong> von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in der Quartiersentwicklung<br />
„Aber ich würde zumindest sagen, dass <strong>Kooperation</strong> zwischen <strong>Wohnungsunternehmen</strong> fast immer<br />
Sinn macht. Also die <strong>Wohnungsunternehmen</strong> sind natürlich Wettbewerber von einem anderen<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong> […]. Man darf den Wettbewerb nicht so verstehen, dass man nicht<br />
trotzdem irgendwo eine gemeinsame Strategie verfolgt.“ (Ex7WU4: Zn. 697 ff.)<br />
Durch die Expertenbefragung wird deutlich, dass bei den <strong>Wohnungsunternehmen</strong> eine <strong>Kooperation</strong>sbereitschaft<br />
vorhanden sein muss – sie müssen „committed“ werden können<br />
(Ex2WU1: Zn. 423 ff.; Ex8WU5: Zn. 778 ff.). Diese Bereitschaft stimmt mit Axelrods<br />
Bedingung der Gegenseitigkeit überein.<br />
„Voraussetzung ist natürlich, dass diese großen Eigentümer dazu „commited“ werden können,<br />
also irgendwie den Willen dazu haben, so etwas zu tun. Ansonsten kann es auch ins Gegenteil<br />
umschlagen, wenn sie das Problem haben, dass ein oder zwei große Eigentümer im Quartier sich<br />
völlig sperren gegen so etwas, dann läuft da natürlich gar nichts mehr.“ (Ex1BR1: Zn. 513 ff.)<br />
Nun stellt sich jedoch die Frage, unter welchen Bedingungen es dazu kommt, dass <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
neben ihren eigenen Zielen auch kooperative Strategien verfolgen. Die<br />
befragten Experten nennen einige solcher Bedingungen, unter denen <strong>Kooperation</strong> zustande<br />
kommen kann. Dabei hat jedoch das „committed-Werden“ höchste Priorität, wenn <strong>Kooperation</strong><br />
ohne staatliche Intervention zustande kommen soll: Ohne Bereitschaft keine <strong>Kooperation</strong>!<br />
In dieser Untersuchung werden jedoch die Situationen betrachtet, in denen <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
<strong>Konkurrenz</strong>en zugunsten von <strong>Kooperation</strong> überwinden, sodass die <strong>Kooperation</strong>sbereitschaft<br />
(„committed“-Sein) vorausgesetzt wird.<br />
Räumliche Nähe: Durch die räumliche Nähe sind alle Akteure eines Quartiers von dessen<br />
Entwicklung betroffen (Ex1BR1: Zn. 781 ff.; Ex7WU4: Zn. 688 ff.; Ex10WU5: Zn. 1062<br />
ff.). Dieser Aspekt unterscheidet <strong>Wohnungsunternehmen</strong> wesentlich von anderen wirtschaftlichen<br />
Unternehmen: Um überhaupt in <strong>Kooperation</strong> miteinander treten zu können,<br />
müssen zunächst beide Wohnungsbestand im selben Quartier besitzen (Ex3BR2: Zn. 128<br />
ff.). „Der enge räumliche Bezug <strong>und</strong> die im Kern gleichbleibende Problemstellung legten<br />
es nahe, zur Lösung der Aufgaben zu kooperieren“ (Peselmann 2009: 10).<br />
Kritische Masse: Um eine kritische Masse zu erreichen, müssen die einzelnen <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
über einen entsprechenden Anteil am Wohnungsbestand verfügen (vgl. Kapitel<br />
7.3.1). Das kann einen Anreiz zur <strong>Kooperation</strong> darstellen: Erreicht ein <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
allein die kritische Masse nicht, kann sie durch die <strong>Kooperation</strong> mit einem anderen<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong> erzeugt werden (Ex1BR1: Zn. 865 ff.; Ex3BR2: Zn. 431 ff.).<br />
Ausgleich von Kompetenzen <strong>und</strong> Ressourcen: Nicht nur in der Zusammenarbeit mit anderen<br />
Quartiersakteuren, sondern auch in der <strong>Kooperation</strong> von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> lassen<br />
99
8. <strong>Kooperation</strong> von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in der Quartiersentwicklung<br />
sich Defizite an Kompetenzen <strong>und</strong> Ressourcen ausgleichen (Ex3BR2: Zn. 475 ff.). So kann<br />
beispielsweise eine kleine Genossenschaft von dem Know-how eines großen <strong>Wohnungsunternehmen</strong>s<br />
profitieren (Ex1BR1: Zn. 878 ff.). Selbst wenn kein Mangel an Kompetenz<br />
oder Ressourcen vorliegt, lassen sich durch eine <strong>Kooperation</strong> Ressourcen effizienter einsetzen<br />
<strong>und</strong> eventuell einsparen (z. B. personelle <strong>und</strong> finanzielle Ressourcen) (Ex9WU5:<br />
Zn. 1040 ff.).<br />
Handlungsdruck: Die befragten Experten sind der Ansicht, dass nicht nur für die Quartiersentwicklung<br />
ein gewisser Handlungsdruck vorhanden sein muss, sondern auch für die<br />
Entstehung wohnungswirtschaftlicher <strong>Kooperation</strong>en (Ex1BR1: Zn. 588 ff., 722 ff.;<br />
Ex3BR2: Zn. 47 ff.; Ex4WU2: Zn. 437 ff.; Ex7WU4: Zn. 685 ff., 960 ff.; Ex8WU5: Zn.<br />
1077 ff.; Ex10WU5: Zn. 1088 ff.). Besonders in benachteiligten Quartieren ist dieser<br />
Handlungsdruck nachzuweisen. (Weiter kann dieser Handlungsdruck durch die jeweilige<br />
Marktsituation entstehen.<br />
Wirtschaftlicher Nutzen: Aus den drei letztgenannten Aspekten ergibt sich, dass <strong>Kooperation</strong><br />
für <strong>Wohnungsunternehmen</strong> stets wirtschaftlich rentabel sein muss (Ex9WU5: Zn.<br />
1019 ff.). Es muss sich also ein wirtschaftlicher Nutzen für das Unternehmen ergeben, sei<br />
es durch den Ausgleich fehlender Kompetenzen <strong>und</strong> Ressourcen oder durch die Nutzung<br />
von Synergieeffekten, die sich aus der <strong>Kooperation</strong> ergeben können. Dabei dürfen finanzielle<br />
Aufwendungen der <strong>Kooperation</strong> den wirtschaftlichen Profit nicht übersteigen, auch<br />
wenn dieser eventuell erst langfristig feststellbar ist.<br />
Langfristiges Bewirtschaftungsinteresse: Für eine <strong>Kooperation</strong> von <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
auf Quartiersebene sind langfristige Bewirtschaftungsinteressen der Bestände von<br />
zentraler Bedeutung (Ex4WU2: Zn. 602 ff.; Ex7WU4: Zn. 894 ff.). Viele Investitionen, die<br />
in die Quartiersentwicklung getätigt werden, sind erst auf lange Sicht profitabel. Deshalb<br />
wird ein Unternehmen mit kurzfristigem Bewirtschaftungsinteresse solche Investitionen<br />
kaum vor seinen Gesellschaftern rechtfertigen können. Somit hängt die Möglichkeit zur<br />
<strong>Kooperation</strong> auch von der Unternehmensstrategie <strong>und</strong> von individuellen Zielsetzungen (für<br />
das Quartier) des jeweiligen Unternehmens ab (Ex1BR1: Zn. 825 ff.; Ex2WU1: Zn. 400<br />
ff.; Ex3BR2: Zn. 494 ff.).<br />
8.3.2 Faktoren, die <strong>Kooperation</strong> auf Quartiersebene fördern/behindern<br />
Die Experten nennen im Verlauf der Interviews weitere Faktoren, die sich positiv bzw.<br />
negativ auf <strong>Kooperation</strong>en auswirken können. Diese stellen keine gr<strong>und</strong>legenden Bedin-<br />
100
8. <strong>Kooperation</strong> von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in der Quartiersentwicklung<br />
gungen für eine <strong>Kooperation</strong> von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> dar, sondern viel mehr förderliche<br />
oder hinderliche Aspekte.<br />
Subventionen: Die befragten Experten sehen öffentliche Gelder keinesfalls als Voraussetzung<br />
für das Zustandekommen von <strong>Kooperation</strong>en (Ex7WU: Zn. 786 ff.). Sie können <strong>Kooperation</strong>en<br />
nicht erzwingen, vor allem wenn die Unternehmen nicht kooperationsbereit<br />
oder die Geschäftsstrategien nicht kompatibel sind (Ex1BR1: Zn. 791 ff.). Diese Fördergelder<br />
können lediglich im Verlauf einer <strong>Kooperation</strong> als „Schmierstoff“ dienen<br />
(Ex4WU2: Zn. 588 ff.).<br />
»Gemeinsame Wellenlänge«: Es stellt sich für die <strong>Kooperation</strong> als förderlich heraus, wenn<br />
die handelnden Personen in der Zusammenarbeit harmonieren (Ex1BR1: Zn. 790 f.). Bei<br />
einer <strong>Kooperation</strong> arbeiten nicht nur <strong>Wohnungsunternehmen</strong>, sondern in erster Linie Menschen<br />
zusammen. Dabei zeigt es sich als gewinnbringend für die <strong>Kooperation</strong>, wenn zwischen<br />
den einzelnen Personen die „Chemie stimmt“ (Ex4WU2: Zn. 593 f.). Umgekehrt<br />
kann es sich negativ auf eine <strong>Kooperation</strong> auswirken, wenn die handelnden Personen kein<br />
gutes Verhältnis zueinander aufbauen können (Ex9WU5: Zn. 1168 ff.).<br />
Vorurteile: Einige Unternehmen (so auch WU5) werden aufgr<strong>und</strong> ihrer Unternehmensstrategie<br />
in der Öffentlichkeit häufig kritisiert. Eine solche Fremdwahrnehmung kann zu erheblichen<br />
Vorurteilen führen, die eine <strong>Kooperation</strong> be- <strong>und</strong> sogar verhindern können<br />
(Ex8WU5: Zn. 349 ff.). Experte 8 kritisiert, dass die <strong>Kooperation</strong>sbereitschaft seines Unternehmens<br />
aufgr<strong>und</strong> solcher Vorurteile nicht wahrgenommen wird (Ex8WU5: Zn.<br />
378 ff.).<br />
„Das ist ja auch gr<strong>und</strong>sätzlich dann immer diese Berührungsangst, die dann teilweise entsteht,<br />
auch von Kommunen, weil mit uns spricht man erst mal gr<strong>und</strong>sätzlich nicht.“ (Ex8WU5 Zn. 1161<br />
ff.)<br />
<strong>Kooperation</strong>smoderator: Die Experten weisen darauf hin, dass ein Moderator bei <strong>Kooperation</strong>en<br />
von Vorteil ist, da er diese aus einer neutralen Position heraus begleiten kann<br />
(Ex7WU4: Zn. 727 ff.). Die Rolle des Moderators könnten die Kommunen übernehmen.<br />
Allerdings bedarf es dann einer Person, die mit der nötigen Sachkompetenz ausgestattet ist.<br />
Auch andere Institutionen oder Personen, beispielsweise externe Beratungsunternehmen,<br />
die über eine solche Sachkompetenz verfügen, können eine Moderatorenrolle übernehmen<br />
(Ex1BR1: Zn. 749 ff.).<br />
101
8. <strong>Kooperation</strong> von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in der Quartiersentwicklung<br />
8.3.3 Nutzen<br />
Vorangehend wurde bereits ausgeführt, dass der wirtschaftliche Nutzen eine Bedingung<br />
der <strong>Kooperation</strong> von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> ist. Kooperative Quartiersentwicklung entsteht<br />
nicht aus einer Sorge um das Gemeinwohl (vgl. Kapitel 3.3), sondern weil die Unternehmen<br />
jeweils wirtschaftliche Interessen verfolgen. Der wirtschaftliche Nutzen stellt sich<br />
jedoch bei Quartiersinvestitionen häufig erst langfristig ein. In den Interviews nennen die<br />
Experten vor allem die Stabilisierung des Quartiers als Erfolg, der im Zuge einer <strong>Kooperation</strong><br />
eintreten könne. Durch die Stabilisierung von Nachbarschaften kann ein Quartier insgesamt<br />
gestärkt werden (Ex1BR1: Zn. 1112 ff.; Ex3BR2: Zn. 563 ff.; Ex4WU2: Zn.<br />
713 ff.). Um diese Stabilisierung festzustellen, nennt Experte 4 die klassischen wohnungswirtschaftlichen<br />
Indikatoren:<br />
„Ich bleibe bei den wohnungswirtschaftlichen Daten. Sinkt der Leerstand, sinkt die Fluktuation,<br />
steigt die Mieterzufriedenheit, hat es geklappt.“ (Ex4WU2: Zn. 713 f.)<br />
Experte 1 nennt neben den wohnungswirtschaftlich messbaren Daten ebenfalls die Mieterzufriedenheit,<br />
an der man den <strong>Kooperation</strong>serfolg in der Quartiersentwicklung indirekt<br />
festmachen kann (Ex1BR1: Zn. 941 ff.). Daraus folgt, dass <strong>Wohnungsunternehmen</strong> auf<br />
lange Sicht letztendlich von einer solchen Stabilisierung profitieren, indem sie beispielsweise<br />
ihren Leerstand sowie die Fluktuationsraten minimieren können.<br />
8.3.4 Zukunft von <strong>Kooperation</strong><br />
Angesichts der sich wandelnden gesellschaftlichen <strong>und</strong> wohnungswirtschaftlichen Rahmenbedingungen<br />
stellt sich die Frage nach der zukünftigen Bedeutung von <strong>Kooperation</strong>.<br />
Gerade in Bezug auf Mietermärkte müssen <strong>Wohnungsunternehmen</strong> zunehmend langfristige<br />
Strategien entwickeln, um ihre dortigen Bestände möglichst lange rentabel zu bewirtschaften<br />
(Ex6WU3: Zn. 624 ff.).<br />
Experte 1 sieht in der <strong>Kooperation</strong> eine Chance für <strong>Wohnungsunternehmen</strong>, benachteiligte<br />
Quartiere auch in schrumpfenden Regionen positiv zu entwickeln (Ex1BR1: Zn. 995 ff.).<br />
Es gibt jedoch auch Quartiere, in denen keine <strong>Kooperation</strong>en zustande kommen können, da<br />
die notwendigen Rahmenbedingungen dort nicht gegeben sind.<br />
„[…] mittelfristig [ist] die <strong>Kooperation</strong> von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> eigentlich unerlässlich auf<br />
Quartiersebene, wenn man ein Quartier nach vorne bringen will. Ob sie dann wirklich immer<br />
passieren wird, weiß ich nicht – mit Sicherheit nicht. Es wird auch Quartiere geben, wo das nicht<br />
funktioniert […].“ (Ex1BR1: Zn. 997 ff.)<br />
102
8. <strong>Kooperation</strong> von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in der Quartiersentwicklung<br />
Insgesamt wird <strong>Kooperation</strong> nicht nur als Möglichkeit für Quartiersentwicklung in<br />
schrumpfenden Regionen gesehen, sondern auch als Potenzial für Quartiere in wachsenden<br />
Regionen (Ex3BR2: Zn. 605 ff.). <strong>Kooperation</strong> ist jedoch eine Strategie, die sich erst allmählich<br />
in einem langsamen Prozess durchsetzt (Ex4WU2: Zn. 632 ff.). Das entspricht<br />
Axelrods These von „Versuch <strong>und</strong> Irrtum“: Auch Experte 6 ist der Ansicht, dass sich <strong>Kooperation</strong><br />
im Zeitverlauf, da wo es möglich ist, immer mehr durchsetzen wird, weil sie sich<br />
als erfolgreich erweist (Ex6WU3: Zn. 624 ff.). Zudem kommen Exit-Strategien wie der<br />
Verkauf von Immobilien in schrumpfenden Märkten immer weniger in Betracht, da sich<br />
keine Käufer mehr finden. Somit rücken andere <strong>Wohnungsunternehmen</strong> als <strong>Kooperation</strong>spartner<br />
in den Fokus, um nicht veräußerbare Bestände im Quartier auch weiterhin, beispielsweise<br />
durch Quartiersentwicklung, bewirtschaften zu können (Ex4WU2: Zn. 834 ff.).<br />
Experte 7 weist jedoch darauf hin, dass bei einer zunehmenden Heterogenität der Wohnungsmärkte<br />
<strong>Kooperation</strong>en nur ein Lösungsansatz unter vielen darstellen (Ex7WU4: Zn.<br />
1192 ff.). Zudem bestehen bei vielen <strong>Wohnungsunternehmen</strong> noch „Ängste“, ihre Daten<br />
<strong>und</strong> Defizite in einer <strong>Kooperation</strong> offenzulegen (Ex4WU2: Zn. 642 ff.). Um die Potenziale<br />
von <strong>Kooperation</strong>en aufzuzeigen besteht hier noch enormer Aufklärungsbedarf. Insgesamt<br />
sehen die Experten die <strong>Kooperation</strong> in der Quartiersentwicklung als zunehmend wichtig<br />
an.<br />
„Ich glaube, die <strong>Kooperation</strong>en werden immer wichtiger. Weil, wie gesagt, wir sitzen alle in einem<br />
Boot <strong>und</strong> das geht gemeinsam unter. Und ich kann nicht glauben, dass meine Bestände, die<br />
jetzt in einem großen Boot sitzen, als einzige überleben.“ (Ex4WU2: Zn. 737 ff.)<br />
8.4 <strong>Kooperation</strong> – ein Instrument wohnungswirtschaftlicher Quartiersentwicklung?<br />
Anhand des Ansatzes von Axelrod wurde theoretisch gezeigt, dass <strong>Kooperation</strong> von <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
ohne staatliche Intervention möglich ist, wenn gewisse Prämissen erfüllt<br />
sind: <strong>Wohnungsunternehmen</strong> müssen ein langfristiges Bewirtschaftungsinteresse<br />
(„Schatten der Zukunft“) verfolgen <strong>und</strong> sie müssen kooperationsbereit sein („Gegenseitigkeit“).<br />
In einem Modellquartier („Ungewisse Zukunft“) wird betrachtet, wie eine Blockadesituation<br />
im Quartier entstehen kann <strong>und</strong> welche Bedingungen vorherrschen müssen, damit keine<br />
Blockadesituation entsteht, sondern kooperative Quartiersentwicklung geleistet wird (vgl.<br />
Kapitel 8.2.3). Mit der Reduktion der Quartierskomplexität auf ein einfaches Modell, soll<br />
veranschaulicht werden, dass gerade in benachteiligten Quartieren eine <strong>Kooperation</strong> sinnvoll<br />
ist, um Synergieeffekte zu nutzen: In dieser Situation haben die Unternehmen indivi-<br />
103
8. <strong>Kooperation</strong> von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in der Quartiersentwicklung<br />
duell einen hohen Nutzen <strong>und</strong> können gesamtwirtschaftlich sogar den höchsten Nutzen<br />
generieren. Die Szenarien werden zudem durch die Erfahrungen der Experten ergänzt, um<br />
die Übertragbarkeit auf die Praxis zu prüfen.<br />
Die These, dass <strong>Kooperation</strong> auch ohne staatliche Intervention möglich ist, wird in Abgrenzung<br />
zu Bernt (vgl. Kapitel 8.1) vorgenommen. Dieser argumentiert auf der Basis des<br />
Stadtumbau-Ost, in dem Abriss häufig die einzige Option darstellt. In dieser Arbeit stehen<br />
jedoch benachteiligte Quartiere im Fokus, die zwar von Schrumpfung betroffen sind, jedoch<br />
noch eine gewisse Entwicklungsperspektive aufweisen. In solchen Quartieren stellt<br />
die <strong>Kooperation</strong> von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> eine Strategie dar, um so die Bestände im<br />
Quartier so lange wie möglich rentabel zu bewirtschaften.<br />
Durch die Analyse der Experteninterviews können die Prämissen Axelrods noch um weitere<br />
Bedingungen <strong>und</strong> Faktoren, unter denen <strong>Kooperation</strong> entstehen kann, ergänzt werden<br />
(vgl. Kapitel 8.3.1).<br />
Aus den Ausführungen dieses Kapitels lässt sich <strong>Kooperation</strong> durchaus als ein Instrument<br />
verstehen, das es <strong>Wohnungsunternehmen</strong> ermöglicht, gemeinschaftlich Quartiersentwicklung<br />
zu leisten. Aufgr<strong>und</strong> der Komplexität <strong>und</strong> Individualität jeder Quartierssituation ist<br />
<strong>Kooperation</strong> jedoch nur eine von vielen Möglichkeiten für <strong>Wohnungsunternehmen</strong>. Um<br />
dieses Instrument in Betracht ziehen zu können müssen die Bedingungen, die erforderlich<br />
sind, damit <strong>Kooperation</strong> entstehen kann, in der Praxis gegeben sein. Weiterhin muss für die<br />
einzelnen <strong>Wohnungsunternehmen</strong> ein wirtschaftlicher Nutzen erkennbar sein, wenn auch<br />
langfristig, damit die Option der <strong>Kooperation</strong> gewählt wird. Im besten Fall ergibt sich eine<br />
»Win-win-win-Situation«: Die beteiligten Unternehmen sowie das Quartier profitieren. Es<br />
müssten allerdings neue Messsysteme entwickelt werden, um die positiven Effekte, die<br />
sich aus einer <strong>Kooperation</strong> ergeben, für <strong>Wohnungsunternehmen</strong> quantifizierbar zu machen.<br />
Aus diesem Verständnis heraus soll als ein Ergebnis der Arbeit <strong>Kooperation</strong> als ein mögliches<br />
Instrument im privatwirtschaftlichen Verfahren der Quartiersentwicklung verstanden<br />
werden. Diese Option muss zukünftig wegen des zunehmenden Wegfalls kommunaler<br />
Steuerungsmöglichkeiten immer mehr in Betracht gezogen werden. Die Ausgestaltung <strong>und</strong><br />
Anwendung dieses Instruments ist jedoch der jeweiligen Situation anzupassen <strong>und</strong> bleibt<br />
vorerst offen sowie genauer zu untersuchen.<br />
104
9. Zusammenführung <strong>und</strong> Diskussion der Ergebnisse<br />
9. Zusammenführung <strong>und</strong> Diskussion der Ergebnisse<br />
In dieser Arbeit wird untersucht, wie leistungsfähig <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in der Quartiersentwicklung<br />
sind <strong>und</strong> ob <strong>Kooperation</strong> ein geeignetes Instrument der Quartiersentwicklung<br />
darstellt. Um die Ergebnisse der Betrachtung zusammenführen <strong>und</strong> auswerten zu<br />
können, werden die zentralen Erkenntnisse dieser Untersuchung in einem kurzen Rückblick<br />
dargestellt.<br />
In den vergangenen Dekaden kam es zu Veränderungen am Wohnungsmarkt: Durch steigende<br />
Anforderungen <strong>und</strong> eine zunehmende Internationalisierung am deutschen Wohnungsmarkt<br />
musste sich die Wohnungswirtschaft immer mehr professionalisieren (vgl.<br />
Kapitel 4). Diese Entwicklung des Wohnungsmarktes ist zum Teil eine Reaktion auf die<br />
sich wandelnden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen (vgl. Kapitel 5): Durch den demographischen<br />
Wandel (weniger, älter, bunter) weicht das Paradigma des Wachstums in<br />
einigen Regionen dem der Schrumpfung, sodass sich anstelle von Vermietermärkten zunehmend<br />
Mietermärkte herausbilden. In solchen Märkten wird das »Produkt Wohnung«<br />
zunehmend vom »Produkt Wohnen« abgelöst, das neben dem baulich-physischen Aspekt<br />
der Wohnung noch die Aspekte der wohnbegleitenden Dienstleistungen <strong>und</strong> das Wohnumfeld<br />
umfasst (vgl. Kapitel 4.3.2). Das stellt neue Anforderungen an die <strong>Wohnungsunternehmen</strong>,<br />
die sich neben ihrem Kerngeschäft Vermietung um das Produkt Wohnen in all<br />
seinen Facetten kümmern müssen. <strong>Wohnungsunternehmen</strong> müssen vermehrt Lebensräume<br />
schaffen, was das Quartier als Handlungsebene zunehmend in den Fokus rückt. Nur so<br />
können <strong>Wohnungsunternehmen</strong> den neuen Rahmenbedingungen begegnen <strong>und</strong> im Wettbewerb<br />
erfolgreich bleiben (vgl. Kapitel 5.4).<br />
Das Quartier als Handlungsebene von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> erweist sich als Spiegel der<br />
gesellschaftlichen Entwicklungstendenzen. Durch die Auswirkungen des demographischen<br />
Wandels, der Pluralisierung der Lebensstile <strong>und</strong> einer zunehmenden Polarisierung der Gesellschaft<br />
entwickeln sich Quartiere zu immer komplexeren Strukturen des Zusammenlebens<br />
(vgl. Kapitel 5.4). Dies fordert von <strong>Wohnungsunternehmen</strong>, vor allem vor dem Hintergr<strong>und</strong><br />
des Wegfalls kommunaler Steuerungsmöglichkeiten, neue <strong>und</strong> individuelle Konzepte<br />
der Quartiersentwicklung, besonders für benachteiligte Quartiere, um weiterhin wirtschaftlich<br />
rentabel zu agieren.<br />
Um eine erfolgreiche Quartiersentwicklung leisten zu können, bedarf es jedoch Wissen<br />
darüber, wie es zur Entstehung von benachteiligten Quartieren kommt. Das wird anhand<br />
zweier Theorieansätze dargestellt. Dabei wird im Zuge der Expertenbefragung der Ansatz<br />
105
9. Zusammenführung <strong>und</strong> Diskussion der Ergebnisse<br />
des Investitionsdilemmas als zentraler Ankerpunkt dieser Arbeit deutlich (vgl. Kapitel<br />
6.5.1).<br />
Anhand der Experteninterviews kann eine Reihe von Handlungsmöglichkeiten, die <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
im Quartier haben, sowie deren auslösende Faktoren herausgestellt<br />
werden (vgl. Kapitel 7.3). Es wird deutlich, dass <strong>Wohnungsunternehmen</strong> langfristige Strategien<br />
verfolgen müssen, um auf Quartiersebenen handeln zu können <strong>und</strong> dabei erfolgreich<br />
zu sein.<br />
Anhand des Instruments der Portfolio-Analyse zeigt sich, wie <strong>Wohnungsunternehmen</strong> ihren<br />
Wohnungsbestand analysieren, bewerten <strong>und</strong> anschließend Normstrategien herleiten<br />
können. Da die klassische Portfolio-Analyse jedoch (nur) objektbezogen ist, wird diese in<br />
einem konzeptionellen Schritt auf die Quartiersebene erweitert, um zu zeigen, dass sich<br />
dadurch ein Fokus auf einen größeren Raum <strong>und</strong> somit mehr Handlungsmöglichkeiten<br />
ergeben. Mittels SWOT-Analyse <strong>und</strong> Monitoring ergibt sich ein Handlungskonzept, mit<br />
dessen Hilfe effiziente Quartiersstrategien entwickelt werden können.<br />
Abschließend wird betrachtet, unter welchen Bedingungen <strong>Wohnungsunternehmen</strong> ohne<br />
staatliche Intervention kooperative Quartiersentwicklung leisten können. Dies wird unter<br />
Bezugnahme auf eine Arbeit Axelrods an einem Modellquartier veranschaulicht (vgl. Kapitel<br />
8.2). Anhand der Experteninterviews werden die Modellszenarien auf die Praxis hin<br />
geprüft <strong>und</strong> weitere Bedingungen <strong>und</strong> Faktoren für <strong>Kooperation</strong> von <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
herausgestellt. Insgesamt stellt sich die <strong>Kooperation</strong> als mögliches Instrument privatwirtschaftlicher<br />
Quartiersentwicklung heraus.<br />
Die Erkenntnisse lassen sich in einem kurzen Beispiel darstellen: In einem Quartier sind<br />
zwei <strong>Wohnungsunternehmen</strong> mit langfristigem Bewirtschaftungsinteresse, die beide folgenden<br />
Weg gehen: Durch eine quartiersbezogene Portfolio-Analyse stellt sich heraus,<br />
dass es sich um ein benachteiligtes Quartier handelt. Die <strong>Wohnungsunternehmen</strong> erkennen<br />
mittels einer SWOT-Analyse Stärken <strong>und</strong> Schwächen sowohl im Quartier, als auch im<br />
eigenen Unternehmen. Beide Unternehmen wollen Quartiersentwicklung leisten <strong>und</strong> sind<br />
gr<strong>und</strong>legend kooperationsbereit. Sie gehen die <strong>Kooperation</strong>soption ein, um so eigene<br />
Schwächen <strong>und</strong> mangelnde Ressourcen ausgleichen zu können <strong>und</strong> Synergieeffekte zu<br />
nutzen. Dadurch können beide Unternehmen ein ganzheitliches Quartiersentwicklungskonzept<br />
entwickeln <strong>und</strong> geeignete Maßnahmen treffen. So entsteht im Idealfall eine »Winwin-win-Situation«.<br />
Durch das <strong>Kooperation</strong>sinstrument kann die Leistungsfähigkeit der<br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong> ausgedehnt werden: Eigene Schwächen werden ausgeglichen <strong>und</strong><br />
Stärken voll ausgeschöpft (Abb. 20).<br />
106
9. Zusammenführung <strong>und</strong> Diskussion der Ergebnisse<br />
Abbildung 20: Quartiersentwicklung durch <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> <strong>Kooperation</strong><br />
<strong>Wohnungsunternehmen</strong> mit langfristiger Strategie<br />
Kerngeschäft:<br />
Wohnung / Wohnen<br />
Wachstumsmarkt<br />
Vermietermarkt<br />
Wohnungsmarkt<br />
entscheidende<br />
Determinante<br />
Schrumpfungsmarkt<br />
Mietermarkt<br />
Strategische Quartiersentwicklung<br />
Kooperative oder eigene Lösungen der<br />
Investitionen <strong>und</strong> Maßnahmen<br />
baulich-technische<br />
Sanierung , Instandhaltung<br />
Modernisierung, Neubau, (Abriss u.<br />
Rückbau)<br />
soziale, kulturelle u. nicht Investive<br />
Mieterfeste, Schuldnerberatung ,<br />
Intergrationshilfe usw.<br />
Räumliche (Wohnumfeld)<br />
Wohnumfeldgestaltung, Infrastruktur usw.<br />
wohnbegleitende<br />
Dienstleistungs- <strong>und</strong> Serviceangebote:<br />
Winterdienst, Treppenhausreinigung,<br />
Angebote für Senioren usw.<br />
Quartiersentwicklung<br />
Portfolio- Analyse<br />
<strong>und</strong> Zielsetzungen<br />
der Unternehmen<br />
entscheiden, welche<br />
der Investitionen <strong>und</strong><br />
Maßnahmen<br />
durchgeführt werden<br />
Quartiersentwicklung<br />
Strategische Quartiersentwicklung<br />
Kooperative oder eigene Lösungen der<br />
Investitionen <strong>und</strong> Maßnahmen<br />
baulich-technische<br />
Sanierung , Instandhaltung,<br />
Modernisierung<br />
Teilrückbau, Abriss, Neubau<br />
soziale, kulturelle u. nicht investive<br />
Mieterfeste, Schuldnerberatung ,<br />
Integrationshilfe usw.<br />
räumliche (Wohnumfeld)<br />
eventuell: Wohnumfeldgestaltung,<br />
Infrastruktur usw.<br />
wohnbegleitende<br />
Dienstleistungs- <strong>und</strong> Serviceangebote:<br />
Winterdienst, Treppenhausreinigung,<br />
Angebote für Senioren usw.<br />
Zusammenarbeit mit anderen Akteuren<br />
Zusammenarbeit mit anderen Akteuren<br />
Quelle: eigene Darstellung<br />
Abbildung 20 stellt die zentralen Ergebnisse zusammenfassend dar <strong>und</strong> zeigt dabei auch<br />
die Quartiersentwicklung als Option für <strong>Wohnungsunternehmen</strong> mit Beständen in Vermietermärkten<br />
auf. Zuvor wurde die <strong>Kooperation</strong> nur als Option in Mietermärkten aufgeführt,<br />
jedoch sollen die Erkenntnisse dieser Untersuchung konzeptionell <strong>und</strong> generalisierend betrachtet<br />
werden, sodass eine Übertragung auf den Vermietermarkt durchaus möglich ist.<br />
Das heißt nicht, dass <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in Vermietermärkten die Optionen <strong>und</strong> Maßnahmen<br />
tatsächlich auch in Angriff nehmen. Doch ob nun Mietermarkt oder Vermietermarkt<br />
stellt sich die Frage, wie die zukünftige Entwicklung von Quartieren aussehen wird.<br />
Hinzu kommt, dass in diesen Märkten nicht nur bevorzugte, sondern ebenfalls benachteiligte<br />
Quartiere existieren, die dadurch vielleicht noch effizienter entwickelt werden könnten.<br />
Die <strong>Kooperation</strong>soption wird in der Abbildung als ein möglicher Ansatz eingeführt,<br />
wenn die ausgeführten Bedingungen der <strong>Kooperation</strong> erfüllt sind.<br />
Der qualitative <strong>und</strong> explorative Untersuchungsansatz dieser Arbeit stellt sich als sehr ertragreich<br />
heraus: Zum einen können neue Themenfelder erfasst werden, zum anderen finden<br />
sich theoretische Ansätze in den Ausführungen der Experten wieder <strong>und</strong> können im<br />
Verlauf der Arbeit überprüft werden. In der wohnungswirtschaftlichen Quartiersentwick-<br />
107
9. Zusammenführung <strong>und</strong> Diskussion der Ergebnisse<br />
lung durch <strong>Kooperation</strong> besteht jedoch noch erheblicher Untersuchungsbedarf, um die Potenziale<br />
dieses Instruments deutlicher herauszustellen <strong>und</strong> so immer mehr in den Fokus der<br />
Akteure zu rücken.<br />
Durch die überwiegend konzeptionelle Vorgehensweise können keine exakten Lösungsstrategien<br />
entwickelt werden. Für eine generelle Betrachtung der Möglichkeiten in der<br />
Quartiersentwicklung durch <strong>Wohnungsunternehmen</strong> erweist sie sich jedoch als äußerst<br />
ertragreich. Zudem wird durch die Expertenbefragungen deutlich, was <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
in der Quartiersentwicklung bereits leisten. Die Potenziale wohnungswirtschaftlicher<br />
<strong>Kooperation</strong>en sowie deren Bedingungen werden herausgestellt <strong>und</strong> durch die Ausführungen<br />
der Experten im Blick auf die Praxis hinterfragt: Ob sie sich in der Praxis immer<br />
wiederfinden lassen, bleibt vorerst offen <strong>und</strong> erfordert weitere Untersuchungen.<br />
Es gibt also keinen »Königsweg« der Quartiersentwicklung: Jedes Quartier ist einzigartig<br />
<strong>und</strong> erfordert individuelle Konzeptionen, sodass <strong>Kooperation</strong> lediglich als ein mögliches<br />
privatwirtschaftliches Instrument dargestellt werden kann. Deshalb bleibt die Arbeit hier<br />
vorerst auf einer konzeptionellen Ebene. In einem nächsten Schritt könnte man versuchen,<br />
die Instrumente weiter zu konkretisieren <strong>und</strong> praxisnah zu gestalten. Zudem könnten Quartiere<br />
identifiziert werden, in denen die genannten Bedingungen der <strong>Kooperation</strong>soption<br />
vorhanden sind. Ein weiterer Ansatzpunkt wäre die Integration anderer Akteure, besonders<br />
privater Kleineigentümer. Eine Überprüfung der <strong>Kooperation</strong>soption auf private Kleineigentümer<br />
hin ist notwendig, da es in der Praxis eher selten vorkommt, dass <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
über einen so großen Bestand im Quartier verfügen. Zudem sind private Kleinanbieter<br />
die größte Eigentümergruppe am Wohnungsmarkt.<br />
Um eine optimale Entwicklung zu gewährleisten, sind auch die Kommunen gefragt <strong>und</strong> in<br />
den Entwicklungsprozess einzubeziehen, sei es als Moderator, gleichwertiger <strong>Kooperation</strong>spartner<br />
oder Initiator, was hier außen vor gelassen wurde. Denn nur wenn die gesamte<br />
Stadtentwicklung in den Strategieentwicklungsprozess eingeb<strong>und</strong>en ist, kann Quartiersentwicklung<br />
umfassend geplant werden <strong>und</strong> so weit wie eben möglich vorausschauend<br />
sein.<br />
Aus den Ergebnissen <strong>und</strong> Erkenntnissen dieser Arbeit lassen sich folgende Hypothesen<br />
formulieren, mit denen sich weiterführende Untersuchungen auseinandersetzen könnten:<br />
H1: Je größer der Handlungsdruck für <strong>Wohnungsunternehmen</strong> wird, desto effektiver<br />
sind <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in der Quartiersentwicklung.<br />
H2: Je größer der Besitzanteil von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in einem Quartier ist, desto<br />
leistungsfähiger sind diese in der Quartiersentwicklung.<br />
108
9. Zusammenführung <strong>und</strong> Diskussion der Ergebnisse<br />
H3: Durch das Instrument der <strong>Kooperation</strong> kann die Quartiersentwicklung eine größere<br />
Effizienz erfahren.<br />
H4: Die räumliche Nähe, die Eigentümerstruktur, die Geschäftsstrategie <strong>und</strong> der Handlungsdruck<br />
bestimmen über die <strong>Kooperation</strong>sbereitschaft <strong>und</strong> -intensität von <strong>Wohnungsunternehmen</strong>.<br />
H5: <strong>Kooperation</strong>en von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in der Quartiersentwicklung können<br />
ohne staatliche Intervention zustande kommen, wenn gewisse Bedingungen erfüllt sind.<br />
H6: <strong>Kooperation</strong>en sind beständiger <strong>und</strong> effektiver, wenn sie ohne staatliche Interventionen<br />
zustande kommen.<br />
H7: Der Wohnungsmarkt als entscheidende Determinante bestimmt über die Leistungsfähigkeit<br />
von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in der Quartiersentwicklung.<br />
Die Ausführungen dieser Arbeit sollen nicht zu der Annahme verleiten, dass sich alle Probleme<br />
in Quartieren durch <strong>Wohnungsunternehmen</strong> lösen lassen <strong>und</strong> dass alle Entwicklungen<br />
steuerbar sind.<br />
„Und das, was in der Politik ja immer gerne vergessen wird <strong>und</strong> dann auch von den Mietervertretungen:<br />
Wir können alle gesellschaftlichen Probleme nicht lösen.“ (Ex8WU5: Zn. 840 f.)<br />
Derartiges können <strong>Wohnungsunternehmen</strong> nicht leisten. Manche Probleme in Quartieren<br />
sind gr<strong>und</strong>legender gesellschaftlicher Natur. Wenn <strong>Wohnungsunternehmen</strong> das Quartier<br />
jedoch immer mehr als Handlungsebene wahrnehmen <strong>und</strong> dabei auch auf Zusammenarbeit<br />
mit anderen Akteuren setzen, können sie einen wichtigen Beitrag zur Quartiersentwicklung<br />
leisten. Das wird sich langfristig im Unternehmenserfolg widerspiegeln <strong>und</strong> zudem auch<br />
für die gesamtstädtische Entwicklung bedeutend sein. Hinzu kommt das angesprochene<br />
Problem der Messbarkeit gewisser Maßnahmen <strong>und</strong> der Quantifizierung gewisser Qualitätskriterien<br />
– hier ist sicherlich noch vieles offen <strong>und</strong> erfordert individuelle Lösungsansätze.<br />
Denn trotz der Affinität zu qualitativen Kriterien bleibt es für <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
entscheidend, dass die Ansätze praktikabel sind <strong>und</strong> im Unternehmen umgesetzt werden<br />
können. Dadurch ergeben sich sicherlich weitere Einschränkungen, die akzeptiert werden<br />
müssen, die aber eventuell durch die Bündelung von Kompetenzen <strong>und</strong> Ressourcen in kooperativen<br />
Strukturen der Quartiersentwicklung auf ein geringes Maß gesenkt werden können.<br />
Zuletzt ist natürlich zu beachten, dass Ansätze, die auf einer konzeptionellen Ebene<br />
ausführlich geplant sind, in der Realität dennoch auf Schwierigkeiten stoßen können: Nicht<br />
alles, was auf dem Reißbrett geplant wird, lässt sich auch auf die Praxis übertragen.<br />
109
10. Zusammenfassung, Fazit <strong>und</strong> Ausblick<br />
10. Fazit <strong>und</strong> Ausblick<br />
Die Ausführungen dieser Untersuchung ergeben, dass das Quartier als Handlungsebene<br />
zunehmend in den Fokus von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> rückt. <strong>Wohnungsunternehmen</strong>, die<br />
auch in Zukunft erfolgreich sein wollen, müssen auf dieser Ebene mit langfristigem Bewirtschaftungsinteresse<br />
handeln <strong>und</strong> neue Handlungsstrategien entwickeln. Besonders in<br />
Mietermärkten schrumpfender Regionen, in denen sich häufig benachteiligte Quartiere<br />
finden, wird die Quartiersebene immer wichtiger, da sie den komplexen Situationen besonders<br />
angemessen erscheint.<br />
Weiterhin wird deutlich, dass <strong>Wohnungsunternehmen</strong> in Situationen, in denen es möglich<br />
ist, <strong>Kooperation</strong>en eingehen sollten, um so effizienter agieren zu können. Dabei steht nicht<br />
altruistisches Verhalten im Vordergr<strong>und</strong>, vielmehr können durch <strong>Kooperation</strong>en einzelwirtschaftliche<br />
Interessen mit dem Gemeinwohl (Quartier) verb<strong>und</strong>en werden. Dazu müssen<br />
jedoch in Zukunft festgefahrene Denkweisen gelockert <strong>und</strong> Vorurteile aufgebrochenwerden<br />
– <strong>Wohnungsunternehmen</strong> müssen zunehmend ganzheitlich denken. Denn immer<br />
mehr <strong>Wohnungsunternehmen</strong> erkennen, dass sich die Wirkungen <strong>und</strong> Erfolge lohnenswerter<br />
Investitionen <strong>und</strong> Maßnahmen besonders in benachteiligen Quartieren nicht in der kurzfristigen<br />
Rendite, sondern nur langfristig zeigen <strong>und</strong> nur schwer mit vorhanden Systemen<br />
messen lassen.<br />
Zukünftig muss von Seiten der Politik <strong>und</strong> des Städtebaus immer mehr akzeptierte werden,<br />
dass es bei den absehbaren Entwicklungen nicht immer sinnvoll ist, noch in einzelne Quartiere<br />
zu investieren (z. B. in aufwendige energetische Sanierungen). Das Faktum des Unvermeidbaren<br />
muss erkannt werden: Benachteiligte Quartiere, bei denen keine Entwicklungstendenz<br />
mehr abzusehen ist, müssen behutsam <strong>und</strong> geplant schrumpfen <strong>und</strong> irgendwann<br />
aufgegeben werden. Weiterhin muss bei allen Strategien der Quartiersentwicklung<br />
ihre Sozialverträglichkeit beachtet werden, besonders in benachteiligten Quartieren<br />
schrumpfender Regionen, da sich Investitionen, die auf die Miete umgelegt (z. B. im energetischen<br />
Bereich) werden müssen, nicht mehr lohnen. Sogar einkommensschwache Haushalte<br />
können sich in Mietermärkten noch andere Wohnungen leisten, sodass es zu Verdrängungsprozessen<br />
kommen kann, die nicht mehr durch nachziehende Mieter ausgeglichen<br />
werden können.<br />
Um den Anforderungen, die besonders durch den demographischen Wandel auf die Wohnungswirtschaft<br />
<strong>und</strong> Städte zukommen gerecht zu werden, müssen neue Wege in der Quartiersentwicklung<br />
gegangen werden, die flexibler <strong>und</strong> individueller sind, als die der klassi-<br />
110
10. Zusammenfassung, Fazit <strong>und</strong> Ausblick<br />
schen Instrumente. Weiter zeigt sich, dass <strong>Kooperation</strong> oft nicht am Willen der <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
scheitert, sondern an Vorurteilen <strong>und</strong> an der Sprachlosigkeit unter den<br />
Akteuren. Solchen Vorurteilen <strong>und</strong> Kommunikationsproblemen gilt es in einem offenen<br />
Dialog der Quartierakteure zu begegnen.<br />
Die Untersuchung macht deutlich, dass die wohnungswirtschaftliche <strong>Kooperation</strong> unter<br />
gewissen Bedingungen ein geeignetes Instrument der Quartiersentwicklung darstellen<br />
kann. Sie soll allerdings nicht suggerieren, dass <strong>Kooperation</strong> das ideale <strong>und</strong> einzige Instrument<br />
ist. Die Quartierskomplexität <strong>und</strong> die jeweils individuellen Quartierssituationen<br />
lassen vereinheitlichende Lösungen kaum zu. Es gibt keinen »Königsweg« in der Quartiersentwicklung,<br />
jedoch bietet die <strong>Kooperation</strong> erhebliche Potenziale. Diese gilt es klar herauszustellen,<br />
um so mehr Akteure zu »comitten« <strong>und</strong> Quartiere zu identifizieren, in denen<br />
eine solche wohnungswirtschaftliche <strong>Kooperation</strong> sinnvoll ist. Wenn die <strong>Kooperation</strong>soption<br />
erfolgreich ist, wird sie sich mit der Zeit durchsetzen oder um es mit Axelrods Worten<br />
zu formulieren: „whatever is successful is likely to appear more often in the future.“ (Axelrod<br />
1990: 169).<br />
111
11. Glossar<br />
11. Glossar<br />
Anpassungselastizität: Unter Anpassungselastizität wird die Geschwindigkeit verstanden,<br />
mit der am Markt bei Marktungleichgewichten wieder den Gleichgewichtszustand erreicht<br />
wird.<br />
Armutsgefährdungsquote: „Die Armutsgefährdungsquote ist ein Indikator zur Messung<br />
relativer Einkommensarmut <strong>und</strong> wird – entsprechend dem EU-Standard – definiert als<br />
der Anteil der Personen, deren Äquivalenzeinkommen weniger als 60 % des Medians<br />
der Äquivalenzeinkommen der Bevölkerung (in Privathaushalten) beträgt.“ (Website<br />
Statistisches B<strong>und</strong>esamt d)<br />
Baulicher Wohnumfeldeffekt: „Der bauliche Wohnumfeldeffekt resultiert aus der Abhängigkeit<br />
des Wertes einer Wohnung vom baulichen Zustand der Wohnhäuser in der<br />
Nachbarschaft.“ (Güssow 1976: 21) Dieser Effekt kann sowohl ins Positive (Aufwertung),<br />
als auch ins Negative (Abwertung) wirken.<br />
Bestandserhaltungsniveau: Das Bestandserhaltungsniveau beschreibt, wie viele Kinder<br />
eine Frau bekommen muss, damit die Sterbefälle ausgeglichen werden <strong>und</strong> das Bevölkerungsniveau<br />
konstant bleibt, „es verändert sich historisch durch die Entwicklung der<br />
Sterblichkeit.“ (BIB 2012)<br />
Cashflow: „Finanzielle Stromgröße, die den in einer Periode erfolgswirksam erwirtschafteten<br />
Zahlungsmittelüberschuss angeben soll. Er wird abgeleitet aus den Daten des<br />
Jahresabschlusses, bes. der Gewinn- <strong>und</strong> Verlustrechnung (GuV). Der Cashflow ist<br />
Ausdruck (Indikator) der Innenfinanzierungskraft eines Unternehmens“ (Gabler 2010:<br />
580)<br />
Externer Effekt: „Auswirkung wirtschaftlicher Aktivitäten auf Dritte“ (Website Gabler<br />
Wirtschaftslexikon b)<br />
Portfolio: Unter Portfolio wird in der Wirtschaft eine Bündelung von Vermögensgegenständen<br />
verstanden (Diederichs 2006: 575). An dieser Stelle sind damit die vorhanden<br />
Wohnungen im Eigentum eines jeweiligen <strong>Wohnungsunternehmen</strong>s gemeint.<br />
Rendite: „Verhältnis einer Erfolgsgröße zum eingesetzten Kapital einer Rechnungsperiode“<br />
(Gabler 2010: 2585)<br />
Sozialer Wohnumfeldeffekt: „Eine Minderung der Umfeldqualität infolge einer sozialen<br />
Umschichtung reduziert zwangsläufig den Wert jeder Wohnung.“ (Güssow 1976: 19)<br />
112
11. Glossar<br />
Der soziale Wohnumfeldeffekt kann entstehen, wenn Wohnungseigentümer auf eine<br />
Abwertung des sozialen Umfelds im Quartier mit Desinvestitionen reagieren <strong>und</strong> es<br />
dadurch zu einem Verfall der baulichen Substanz kommt. (ebd.)<br />
SWOT-Analyse: „dt. Abk. für Analysis of strengths, weakness, opportunities and threats;<br />
die Stärken-Schwächen-Chancen-Risiken-Analyse stellt eine Positionierungsanalyse<br />
der eigenen Aktivitäten gegenüber dem Wettbewerb dar. In dem ihr zugr<strong>und</strong>e liegenden<br />
Arbeitsverfahren, werden die Ergebnisse der externen Unternehmens-Umfeld-<br />
Analyse in Form eines Chancen-Risiken-Katalogs zunächst zusammengestellt <strong>und</strong><br />
dem Stärken-Schwächen-Profil der internen Unternehmensanalyse gegenübergestellt.“<br />
(Website Gabler Wirtschaftslexikon a)<br />
Vermietermarkt & Mietermarkt: Das Verhältnis von Angebot <strong>und</strong> Nachfrage bestimmt,<br />
ob es sich um einen Mieter- oder Vermietermarkt handelt. Mietermärkte sind gekennzeichnet<br />
durch ein Wohnungsangebot, das größer ist als die Nachfrage. Bei Vermietermärkten<br />
ist die Nachfrage größer als das Wohnungsangebot (Glatter 2003: 149).<br />
Wohnungsbauinvestitionen: Investitionen in Neubau von Wohnungen <strong>und</strong> Wohnungsbestand.<br />
113
12. Quellenverzeichnis<br />
12. Quellenverzeichnis:<br />
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Peselmann, T. (2009): Dortm<strong>und</strong> Scharnhorst-Ost: Stadt <strong>und</strong> <strong>Wohnungsunternehmen</strong> kooperieren.-<br />
Die Wohnungswirtschaft, 1: 8-11.<br />
119
12. Quellenverzeichnis<br />
Przyborski, A. & Wohlrab-Sahr, M. (2010): Qualitative Sozialforschung. Ein Arbeitsbuch.-<br />
München 3 .<br />
Schnur, O. & Markus, I. (2010): Quartiersentwicklung 2030: Akteure, Schlüsselfaktoren<br />
<strong>und</strong> Zukunftstrends – Ergebnisse einer Delphi-Studie.- Raumforschung <strong>und</strong> Raumordnung,<br />
68:181–194.<br />
Schnur, O. (2010): Demographischer Impact in städtischen Wohnquartieren. Entwicklungsszenarien<br />
<strong>und</strong> Handlungsoptionen.- Wiesbaden.<br />
Schnur, O. (2008): Quartiersforschung im Überblick: Konzepte, Definitionen <strong>und</strong> aktuelle<br />
Perspektiven.- In: Schnur, O. (Hrsg.): Quartiersforschung. <strong>Zwischen</strong> Theorie <strong>und</strong><br />
Praxis.- Wiesbaden: 19-51.<br />
Spars, G. (2008): Metatrends <strong>und</strong> die Wohnungsmarktentwicklung.- In: Schmitt, C. & Selle,<br />
G. (Hrsg.): Bestand? Perspektiven für das Wohnen in der Stadt. Dortm<strong>und</strong>: 23-40.<br />
Spiegel, E. (2001): Wohnen <strong>und</strong> Wohnung als Soziologische Kategorie.- In: Jenkis, H. W.<br />
(Hrsg.): Kompendium der Wohnungswirtschaft.- München 4 : 42-64.<br />
Spieker, R. (2005): Schrumpfende Märkte in der Wohnungswirtschaft. Ursachen, Folgen<br />
<strong>und</strong> Handlungsmöglichkeiten.- Göttingen.<br />
Statistische Ämter des B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> der Länder (Hrsg.) (2011): Bevölkerungs- <strong>und</strong> Haushaltsentwickelung<br />
im B<strong>und</strong> <strong>und</strong> in den Ländern.- Demografischer Wandel in<br />
Deutschland, 1, Wiesbaden.<br />
Online Verfügbar: http://www.statistikportal.de/statistik-portal/demografischer_wandel_heft1.pdf<br />
(11.12.2011).<br />
Statistisches B<strong>und</strong>esamt (Hrsg.) (2009): Bevölkerung Deutschlands bis 2060. 12. koordinierte<br />
Bevölkerungsvorausberechnung. Begleitmaterial zur Pressekonferenz am 18.<br />
November 2009 in Berlin.- Wiesbaden.<br />
Online Verfügbar: https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressekonferenzen/2009<br />
/Bevoelkerung/pressebroschuere_bevoelkerungsentwicklung2009.pdf?__blob=publicationFile<br />
(20.10.2011).<br />
Statistisches B<strong>und</strong>esamt (2008): Bautätigkeit <strong>und</strong> Wohnungen. Mikrozensus - Zusatzerhebung<br />
2006, 5. Wiesbaden.<br />
Online Verfügbar: https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/EinkommenKonsum<br />
Lebensbedingungen/Wohnen/WohnsituationHaushalte2055001069004.pdf?__blob=publicationFile<br />
(13.10.2011).<br />
120
12. Quellenverzeichnis<br />
Staudt, E. Tober, M., Linné, H., Bock, J. & Thielemann, F. (1992): <strong>Kooperation</strong>shandbuch.<br />
Ein Leitfaden für die Unternehmenspraxis.- Düsseldorf.<br />
Theurl, T. (2010): Die <strong>Kooperation</strong> von Unternehmen: Facetten der Dynamik.- In: Ahlert,<br />
D. & Ahlert, M. (Hrsg.): Handbuch. Franchising <strong>und</strong> Cooperation – Das Management<br />
kooperativer Unternehmensnetzwerke. Frankfurt am Main: 313-344.<br />
Theurl, T. (2009): <strong>Kooperation</strong>en schaffen Member Value.- In: Verband der Wohnungs<strong>und</strong><br />
Immobilienwirtschaft Rheinland Westfalen e.V. (Hrsg.): <strong>Kooperation</strong>en <strong>und</strong><br />
Netzwerke von Wohnungsgenossenschaften. Düsseldorf: 11-14.<br />
Theurl, T. (2001): Wohnungsgenossenschaften im Systemwettbewerb: Marketing <strong>und</strong> <strong>Kooperation</strong><br />
als Erfolgsfaktoren.- In Theurl, T. (Hrsg.): Marketing <strong>und</strong> <strong>Kooperation</strong> bei<br />
Wohnungsgenossenschaften.- Münstersche Schriften zur <strong>Kooperation</strong>, 51: 9-22,<br />
Aachen.<br />
VdW (Verband der Wohnungswirtschaft Rheinland Westfalen e.V.) (2002): Zukunft des<br />
Wohnens. Perspektiven für die Wohnungs- <strong>und</strong> Immobilienwirtschaft.- Düsseldorf<br />
Westphal, H. (1979): Wachstum <strong>und</strong> Verfall der Städte. Ansätze einer Theorie der Stadtsanierung.-<br />
Frankfurt.<br />
Wirtz, M. & Eichner, V. (2010): Markt- <strong>und</strong> Standortanalyse <strong>und</strong> das Controlling.- o. A.<br />
Online Verfügbar: http://www.inwis.de/pdf/vortraege/InWIS%20EBZ%20MSA&Controlling.pdf<br />
(15.11.2011).<br />
12.2 Internetquellen<br />
Website BCG (Boston Consulting Group): Portfoliomatrix,<br />
http://www.bcg.de/bcg_deutschland/geschichte/klassiker/portfoliomatrix.aspx<br />
(01.01.2012).<br />
Website BFW (B<strong>und</strong>esverband Freier Immobilien- <strong>und</strong> <strong>Wohnungsunternehmen</strong> e.V.):<br />
BFW Spitzenverband der Immobilienwirtschaft,<br />
http://www.bfw-b<strong>und</strong>.de/index.php?id=7 (18.11.2011).<br />
Website BIB (B<strong>und</strong>esinstitut für Bevölkerungsforschung): Bestandserhaltungsniveau,<br />
http://www.bib-demografie.de/nn_1956774/SharedDocs/Glossareintraege/<br />
DE/B/bestandserhaltungsniveau.html (16.01.2012).<br />
Website B<strong>und</strong>esministerium der Justiz: Gesetze im Internet. Gesetz betreffend die Erwerbs-<br />
<strong>und</strong> Wirtschaftsgenossenschaften,<br />
http://www.gesetze-im-internet.de/geng/index.html, (29.01.2012).<br />
121
12. Quellenverzeichnis<br />
Website GdW (B<strong>und</strong>esverband deutscher Wohnungs- <strong>und</strong> Immobilienunternehmen e.V.):<br />
Die deutsche Wohnungswirtschaft <strong>und</strong> ihr Spitzenverband,<br />
http://web.gdw.de/der-gdw/verbandsstruktur (18.11.2011).<br />
Website Gabler Wirtschaftslexikon (a): SWOT-Analyse,<br />
http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/326727/swot-analyse-v1.html (21.02.2012)<br />
Website Gabler Wirtschaftslexikon (b): externer Effekt,<br />
http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/611/externer-effekt-v6.html (14.02.2012).<br />
Website SINUS Markt- <strong>und</strong> Sozialforschung GmbH: Sinus-Milieus,<br />
http://www.sinus-institut.de/de/loesungen/sinus-milieus.html (29.01.2012).<br />
Website Statistisches B<strong>und</strong>esamt (a) (Destatis): Fortschreibung Wohngebäude- <strong>und</strong> Wohnungsbestand,<br />
https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/data;jsessionid=28CEABD2DD776<br />
542BD4AD1FE13AFC688.tomcat_GO_2_2?operation=abruftabelleBearbeiten&lev<br />
elindex=2&levelid=1332325220903&auswahloperation=abruftabelleAuspraegungAusw<br />
aehlen&auswahlverzeichnis=ordnungsstruktur&auswahlziel=werteabruf& selectionname=31231-0001&auswahltext=&werteabruf=Werteabruf<br />
(29.11.2011).<br />
Website Statistisches B<strong>und</strong>esamt (b) (Destatis): Fortschreibung des Bevölkerungsstandes,<br />
https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/data;jsessionid=28CEABD2DD77<br />
6542BD4AD1FE13AFC688.tomcat_GO_2_2?operation=abruftabelleBearbeiten&le<br />
velindex=2&levelid=1332325153189&auswahloperation=abruftabelleAuspraegungAusw<br />
aehlen&auswahlverzeichnis=ordnungsstruktur&auswahlziel=werteabruf& selectionname=12411-0001&auswahltext=&werteabruf=Werteabruf<br />
(06.12.2011).<br />
Website Statistisches B<strong>und</strong>esamt (c) (Destatis): Öffentliche Finanzen,<br />
http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Navigation/Stat<br />
istiken/FinanzenSteuern/OeffentlicheHaushalte/OeffentlicheFinanzen.psml<br />
(07.02.2012).<br />
Website Statistisches B<strong>und</strong>esamt (d) (Destatis): Armutsgefährdungsquote,<br />
http://www.amtliche-sozialberichterstattung.de/A1armutsgefaehrdungsquoten.html<br />
(10.02.2012).<br />
122
12. Quellenverzeichnis<br />
12.3 Experteninterviews<br />
1. Experteninterview: Experteninterview mit Experte 1, Beratungsunternehmen 1. Code:<br />
Ex1BR1, geführt am 04.10.2011.<br />
2. Experteninterview: Experteninterview mit Experte 2, <strong>Wohnungsunternehmen</strong> 1. Code:<br />
Ex2WU1, geführt am 24.10.2011.<br />
3. Experteninterview: Experteninterview mit Experte 3, Beratungsunternehmen 2. Code:<br />
Ex3BR2, geführt am 26.10.2011.<br />
4. Experteninterview: Experteninterview mit Experte 4, <strong>Wohnungsunternehmen</strong> 2. Code:<br />
Ex4WU2, geführt am 08.11.2011.<br />
5. Experteninterview: Experteninterview mit Experte 5 & Experte 6, <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
3. Code: Ex5WU3 & Ex6WU3, geführt am 10.11.2011.<br />
6. Experteninterview: Experteninterview mit Experte 7, <strong>Wohnungsunternehmen</strong> 4. Code:<br />
Ex7WU4, geführt am 21.11.2011.<br />
7. Experteninterview: Experteninterview mit Experte 8, Experte 9 & Experte 10, <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
5. Code: Ex8WU5, Ex9WU5 & Ex10WU5, geführt am<br />
22.11.2011.<br />
8. Experteninterview: Experteninterview mit Experte 11, <strong>Wohnungsunternehmen</strong> 6. Code:<br />
Ex11WU6, geführt am 30.11.2011.<br />
123
13. Anhang<br />
13. Anhang<br />
Interviewleitfaden:<br />
,,<strong>Zwischen</strong> <strong>Konkurrenz</strong> <strong>und</strong> <strong>Kooperation</strong> – <strong>Wohnungsunternehmen</strong> als<br />
Akteure der Quartiersentwicklung.‘‘<br />
Informationsblatt<br />
Datum:………………<br />
Interviewte Person/-en<br />
Repräsentiert Unternehmen/Gesellschaft oder Institution:<br />
Anzahl der Personen:………..<br />
1. Interviewte Person<br />
Name:……………………………<br />
Funktion/Tätigkeit:………………………...<br />
2. Interviewte Person<br />
Name:……………………………<br />
Funktion/Tätigkeit:…………………………<br />
Vorbemerkung:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Name des Interviewers<br />
Darlegung der Ziele der Befragung<br />
Voraussichtliche Dauer des Interviews<br />
Um die Verwendung eines Tonbandes ersuchen<br />
Anonymisierung<br />
Notizen:<br />
124
13. Anhang<br />
Interview Fragen:<br />
Thema1:<br />
Paradigmenwechsel: Wachstum weicht Schrumpfung:<br />
(Stichworte: demografischer Wandel, sozioökonomische Veränderungen)<br />
1. Wie hat sich die Wettbewerbssituation von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> Ihrer Meinung<br />
nach durch die veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen verändert?<br />
(<strong>Konkurrenz</strong> unter <strong>Wohnungsunternehmen</strong>)<br />
2. Haben sich aus Ihrer Sicht die Handlungsfelder bzw. die Geschäftsfelder für <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
geändert, wie sehen diese heute aus? Was sind zukünftige Herausforderungen?<br />
Thema 2:<br />
Quartiersentwicklung/ Quartiere als Handlungsebene<br />
3. Gibt es Ihrer Meinung nach die geeignete räumliche Ebene auf der <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
erfolgreich agieren?<br />
(Region, Stadt, Stadtteil, Quartier, Wohnblock bzw. nur eigener Bestand)<br />
4. Was versteht Ihr <strong>Wohnungsunternehmen</strong> unter einem Quartier?<br />
5. Welche Rolle übernehmen <strong>Wohnungsunternehmen</strong> Ihrer Meinung nach in der<br />
Quartiersentwicklung bzw. für die Stadtentwicklung?<br />
6. Hat sich Ihrer Meinung nach in den letzten Jahren ein Umdenken vollzogen, dass<br />
erfolgreiche <strong>Wohnungsunternehmen</strong> nicht mehr nur ,,Bestandsverwalter‘‘ sein<br />
können, sondern großräumiger denken <strong>und</strong> integrierter handeln müssen?<br />
7. Was sind Ihrer Meinung nach Einflussfaktoren für die Quartiersentwicklung?<br />
(Image, Marktlage, Bewohnerstruktur, Akteure etc.)<br />
a. Welche Faktoren haben Einfluss auf die Handlungsentscheidungen von <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
bezüglich der Quartiersentwicklung?<br />
8. Was leistet Ihr <strong>Wohnungsunternehmen</strong> bereits für (belastete <strong>und</strong> unbelastete) Quartiere<br />
<strong>und</strong> was hat Ihr Unternehmen davon Quartiersentwicklung zu leisten?<br />
a. Wie sehen die Maßnahmen <strong>und</strong> Beiträge zur Quartiersentwicklung ihres <strong>Wohnungsunternehmen</strong>s<br />
aus?<br />
125
13. Anhang<br />
9. Sind aus Ihrer Sicht <strong>Wohnungsunternehmen</strong> handlungsfähiger als Kommunen bei<br />
Entwicklung von Strategien Quartiersentwicklung?<br />
10. Wie sehen Sie die Zukunftschancen von Quartieren mit mehreren großen Wohneigentümern<br />
aus? Sind diese flexibler <strong>und</strong> anpassungsfähiger als Quartiere mit vielen<br />
privaten Kleineigentümern?<br />
Thema 3:<br />
<strong>Kooperation</strong>:<br />
11. Was ist Ihrer Meinung nach <strong>Kooperation</strong> <strong>und</strong> unter welchen Voraussetzungen funktioniert<br />
<strong>Kooperation</strong>?<br />
12. Unter welchen Bedingungen entstehen aus Ihrer Sicht strategische <strong>Kooperation</strong>en<br />
zwischen <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>und</strong> wie bzw. wieso wird der <strong>Konkurrenz</strong>gedanke<br />
überw<strong>und</strong>en?<br />
a. Auf welcher Ebene findet Ihrer Meinung nach <strong>Kooperation</strong> von <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
statt? (normativen, strategischen, operativen)<br />
13. Gibt es andere Akteure, die zur <strong>Kooperation</strong> von <strong>Wohnungsunternehmen</strong> beitragen<br />
bzw. mit denen Ihr <strong>Wohnungsunternehmen</strong> kooperiert? (Kommunen, externe Dienstleister<br />
etc.)<br />
14. Gibt es Ihrer Meinung nach Faktoren die <strong>Kooperation</strong> fördern bzw. verhindern?<br />
(z. B. räumliche Nähe, Förderpolitik des Staates, Restriktionen, Unternehmensform usw.)<br />
a. Fördert das Wegfallen von kommunalen Steuerungsformen die <strong>Kooperation</strong>en von Unternehmen?<br />
b. Kommt es bei unterschiedlichen Formen bzw. Strukturen von <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
durch Interessenskonflikte zu <strong>Kooperation</strong>sschwierigkeiten? (Genossenschaften, freie <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
usw.)<br />
Thema 4:<br />
<strong>Kooperation</strong> <strong>und</strong> Quartiersentwicklung:<br />
15. Was sind für Sie Gründe, dass <strong>Wohnungsunternehmen</strong> <strong>Konkurrenz</strong> zugunsten von<br />
kooperativer Quartiersentwicklung überwinden?<br />
(Wohnungsmarktentwicklung, negative Quartiersentwicklung, mangel an Ressourcen <strong>und</strong> Kompetenz, politische<br />
Rahmenbedingungen etc.)<br />
126
13. Anhang<br />
16. Kennen Sie Beispiele, in denen durch enge <strong>Kooperation</strong> Konzepte der Quartiersentwicklung<br />
umgesetzt wurden oder durch <strong>Konkurrenz</strong> Entwicklungspotenziale<br />
ungenutzt bleiben?<br />
a. Welche Erfolge sind aus Ihrer Sicht charakteristisch für die <strong>Kooperation</strong> zwischen <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
im Quartier?<br />
17. Welche Zukunft hat Ihrer Ansicht nach die Zusammenarbeit von <strong>Wohnungsunternehmen</strong><br />
angesichts der heterogenen Entwicklung auf den Wohnungsmärkten <strong>und</strong> in<br />
den Quartieren?<br />
Thema 5<br />
Essen Vogelheim:<br />
18. Warum gab es in Essen Vogelheim Handlungsbedarf <strong>und</strong> aus welchen Gründen<br />
kam es zur <strong>Kooperation</strong>?<br />
19. Auf welcher Ebene (normativen, strategische, operativen) fand die <strong>Kooperation</strong><br />
statt <strong>und</strong> wie sah diese aus?<br />
20. Was versprach sich Allbau von der <strong>Kooperation</strong> mit den andern beiden Wohnungsbaugesellschaften<br />
<strong>und</strong> wurden die Erwartungen erfüllt bzw. die Ziele erreicht?<br />
21. Kam es an irgendeinem Zeitpunkt zu Problemen während der Zusammenarbeit?<br />
22. Konnte Vogelheim durch die diese <strong>Kooperation</strong> effektiver weiterentwickelt werden<br />
als im Alleingang?<br />
23. Wie wird die Zusammenarbeit abschließend bewertet?<br />
Vielen Dank für das Interview <strong>und</strong> die Zusammenarbeit!<br />
127
13. Anhang<br />
Eidesstattliche Erklärung<br />
Ich versichere, dass ich die beiliegende Diplomarbeit ohne Hilfe Dritter <strong>und</strong> ohne Benutzung<br />
anderer als der angegebenen Quellen <strong>und</strong> Hilfsmittel angefertigt <strong>und</strong> die den benutzten<br />
Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht<br />
habe. Diese Arbeit hat in gleicher oder in ähnlicher Form noch keiner Prüfungsbehörde<br />
vorgelegen.<br />
Köln den, 26.03.2012<br />
Stefan Zens<br />
128