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Wirtschaftswoche Ausgabe vom 2014-06-07 (Vorschau)

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24<br />

7.6.<strong>2014</strong>|Deutschland €5,00<br />

2 4<br />

4 1 98<strong>06</strong>5 805008<br />

Rückkehr der Magie<br />

Apple auf der Jagd nach dem neuen Steve Jobs<br />

Dax 10000<br />

Wie lange geht die Party noch?<br />

Schweiz CHF 8,20 | Österreich €5,30 | Benelux€5,30 | Griechenland€6,00 | GroßbritannienGBPGBP 5,40 | Italien€6,00 | Polen PLN27,50 | Portugal€6,10 | Slowakei €6,10 | Spanien€6,00 | TschechischeRep.CZK 200,- | Ungarn FT 2000,-<br />

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Einblick<br />

In diesen Tagen werden die großen Reformen der<br />

SPD-dominierten Bundesregierung Gesetz – und im<br />

Herbst kommt die nächste Runde. Von Roland Tichy<br />

Hysterisches Gejaule<br />

FOTO: HEIKE ROST FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE<br />

Eine große Koalition kann halt flott<br />

Gesetze machen; keine lästigen<br />

Debatten, keine Sorge um Mehrheiten;<br />

die Herde ist groß genug,<br />

um sogar das eine oder andere schwarze<br />

Schaf aus dem Wirtschaftsflügel zu ertragen<br />

– da darf der eine oder andere sogar<br />

frech dagegen stimmen und wird doch<br />

wieder großmütig im wohlig warmen<br />

Pferch der Mehrheit aufgenommen. Praktisch<br />

auch, dass die Opposition aus Linken<br />

und Grünen nicht nur argumentativ<br />

schwach ist, sondern auch brav auf Gro-<br />

Ko-Linie liegt: Sie werfen artig mit Wattebällchen,<br />

weil sie ja doch nichts anderes<br />

wollen als die große sozialdemokratische<br />

Koalition, nur etwas mehr von dem angerührten<br />

Brei sozialer Wohltaten wäre nett.<br />

Und so geht es im 7. Regierungsmonat<br />

der großen Koalition widerspruchsfrei und<br />

schnell voran mit ihren Verschlimmbesserungen:<br />

Aktuell ist das Mindestlohngesetz<br />

dran; die Rente mit 63 und die Mütterrente<br />

sind schon durch. Jetzt darf Wolfgang<br />

Schäuble seinen Bundeshaushalt durchwinken;<br />

auch daran wird sich keine hitzige<br />

Debatte entzünden. Seine Zahlen sind ja<br />

auch sehr schön: Kaum neue Schulden – es<br />

ist der Höhepunkt und gleichzeitig krönende<br />

Abschluss seiner glanzvollen Karriere.<br />

Zukünftige Finanzminister werden an<br />

Schäubles schwarzer Null gemessen. So sichert<br />

man sich einen Platz im Geschichtsbuch.<br />

Seine Erben werden es schwer haben.<br />

Irgendwann werden die Zinsen für die<br />

insgesamt 1100 Milliarden Euro angehäufte<br />

Bundesschuld wieder steigen; dann rutscht<br />

der Haushalt ganz von alleine ins Rote, sogar<br />

ins Tiefrote. Das Rentenpaket mit einer<br />

Kostenbelastung von mindestens 160 Milliarden<br />

Euro wird spätestens ab 2017 auch in<br />

den Bundeshaushalt durchschlagen, ahnt<br />

Schäubles Vorgänger Peer Steinbrück: Das<br />

Rentenpaket „kann an der normativen<br />

Kraft des Faktischen scheitern“, formuliert<br />

Steinbrück kompliziert, um die Härte der<br />

Kritik durch flauschig-unverständliche<br />

Schonsprache zu kaschieren – Klartext war<br />

früher und wird nur noch angewandt auf<br />

jene außerhalb der eigenen Reihen: Nur<br />

„hysterisches Gejaule“ kann die große Sozialministerin<br />

Andrea Nahles von den Kritikern<br />

(und das sind praktisch alle Fachleute)<br />

ihrer Reformen vernehmen: So viel Abwertung<br />

und Arroganz war wohl noch nie im<br />

politisch-parlamentarischen Betrieb. Aber<br />

große, unkontrollierte Gestaltungsspielräume<br />

verführen dazu, auch die Sprache zu gestalten,<br />

um die Hirne zu erreichen: Das<br />

Mindestlohngesetz geht nicht als das, was<br />

es ist, nämlich ein staatliches Lohnfestsetzungsverfahren,<br />

in das Gesetzgebungsverfahren.<br />

Es wird vielmehr „Tarifautonomie-<br />

Stärkungsgesetz“ genannt: eine Art<br />

Neusprech der großen Koalition.<br />

DIE NEUSPRECH DER GROKO<br />

Während andere Länder ihre Wirtschaft<br />

entlasten, will diese Bundesregierung also<br />

mal wieder die Belastungsfähigkeit der<br />

Wirtschaft testen. Dazu wird im Herbst die<br />

nächste Woge von Wirtschaftsgesetzen<br />

über uns hinwegschwappen, die derzeit die<br />

zweite Reihe der SPD-Minister vorbereitet:<br />

etwa die Frauenquote in Aufsichtsräten von<br />

Familienministerin Manuela Schwesig; ein<br />

tiefer Eingriff in die Organisationsfreiheit<br />

der Unternehmen (siehe Seite 31). Und<br />

Bundesjustizminister Heiko Maas will sich<br />

an die Spitze der SPD-geführten Landesregierungen<br />

stellen, die via Bundesrat ein eigenes<br />

„Unternehmensstrafrecht“ als neue<br />

Rechtsnorm einbringen wollen: Danach<br />

sollen nicht mehr einzelne Manager für<br />

Verstöße haftbar gemacht und bestraft<br />

werden, sondern das jeweilige Unternehmen<br />

in seiner Gesamtheit. Damit werden<br />

auch die Belegschaften in Sippenhaft genommen<br />

und verlieren möglicherweise<br />

sogar ihre Jobs, denn das Gesetz will ausdrücklich<br />

komplette Unternehmen liquidieren,<br />

wenn sie auffällig im Sinne des Gesetzes<br />

werden. Der Gesetzesentwurf aus<br />

der Feder des nordrhein-westfälischen Justizministers<br />

Thomas Kutschaty nimmt Familienunternehmer<br />

ins Visier, die zweifach<br />

bestraft werden können: in ihrer Doppelrolle<br />

als Manager und als Eigentümer der<br />

Personengesellschaften.<br />

Aber Debatten im Bundestag darüber<br />

sind natürlich nicht zu erwarten – nur hysterisches<br />

Gejaule.<br />

n<br />

WirtschaftsWoche 7.6.<strong>2014</strong> Nr. 24 3<br />

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Überblick<br />

Menschen der Wirtschaft<br />

6 Seitenblick Sportclubs der Superreichen<br />

8 Putzportale: Schwesig gegen Samwer<br />

9 Nürburgring: Verkauf verzögert | Mobilfunk:<br />

Urlaubsangebot floppt<br />

10 Interview: Porsche-Design-Chef Jürgen<br />

Gessler will Asien erobern<br />

11 HRE: Rücktritt mit Signalwirkung | Tabak:<br />

Angst vor Handelskrieg | Klartext:Sportwetten-Regulierung<br />

wird zum Fiasko<br />

12 Samwers: Aufstieg in Milliardärsclub | IBM:<br />

IT-Tochter geht an Arvato | Lebensmittel:<br />

Salmonellen im Geflügel<br />

14 Chefsessel | Start-up Geile Weine<br />

16 Chefbüro Thomas Birtel, Vorstandschef des<br />

Baukonzerns Strabag<br />

Politik&Weltwirtschaft<br />

18 Russland Wie Wladimir Putin sein Land<br />

wirtschaftlich ruiniert<br />

24 Haushalt Die Steuern sprudeln, aber es<br />

fehlt schon wieder Geld. Warum eigentlich?<br />

26 Interview: Eric Schweitzer Der DIHK-<br />

Präsident attackiert die große Koalition<br />

28 Großprojekte Eine neue Bausoftware soll<br />

teure Planungspleiten verhindern<br />

30 Wasserpreise Wie die Kommunen den<br />

fehlenden Wettbewerb ausnutzen<br />

31 Forum: Brun-Hagen Hennerkes Was die<br />

Frauenquote für den Mittelstand bedeutet<br />

32 Ägypten Der neue Präsident Sisi will den<br />

Abstieg stoppen – ein Konzept hat er nicht<br />

33 Global Briefing | Berlin intern<br />

Der Volkswirt<br />

34 Kommentar | New Economics<br />

35 Konjunktur Deutschland Der Earlybird-<br />

Frühindikator gibt nach<br />

36 Weltwirtschaft Trotz der WM kommt<br />

Brasiliens Wirtschaft nicht in Schwung<br />

37 Denkfabrik ifo-Präsident Hans-Werner<br />

Sinn warnt vor einer Diktatur der Alten<br />

Unternehmen&Märkte<br />

40 Apple Mit unkonventionellen Top-<br />

Managern will Vorstandschef Tim Cook<br />

die Magie des Gründers Steve Jobs in die<br />

Zukunft retten<br />

46 Siemens Eine Fusion von General Electric<br />

und Alstom würde den Münchner Konzern<br />

beim Energiegeschäft zurückwerfen<br />

48 Wizz Air Der ungarische Billigflieger mit<br />

extremem Magerservice strebt an die Börse<br />

52 Banken Der Niedrigzins zwingt Geldinstitute,<br />

Aufgaben an Billigtöchter auszulagern<br />

55 Serie Turnarounder (I) Wie Osram-Chef<br />

Wolfgang Dehen dem alten Glühbirnenhersteller<br />

High Tech einhaucht<br />

60 Spezial Mittelstand Fußball-WM – wie<br />

deutsche Unternehmen <strong>vom</strong> großen Sportereignis<br />

in Brasilien profitieren<br />

Titel Noch spielt die Musik<br />

Die Welle billigen Geldes treibt den Dax<br />

scheinbar unaufhörlich. Anleger brauchen<br />

Aktien, keine Frage. Doch viele<br />

könnte es bald billiger geben. Im Interview<br />

sagt der erfahrene Geldmanager<br />

Jens Ehrhardt, warum die Börsen-Party<br />

erst mal Pause macht. Seite 84, 87<br />

Störfaktor Putin<br />

Mit Hurra-Patriotismus und einem aggressiven außenpolitischen<br />

Kurs will Wladimir Putin seine Macht sichern. Doch er verweigert Reformen,<br />

verprellt Investoren und treibt Russland immer tiefer in eine<br />

Wirtschaftskrise – unter der auch Deutschland leiden wird. Seite 18<br />

»Outen Sie sich!«<br />

Warum der Ex-Chef des britischen<br />

Ölkonzerns BP homosexuellen<br />

Managern zur Offensive rät.<br />

Wie Unternehmen eine angstfreie<br />

Kultur etablieren. Und wie er<br />

sein erzwungenes Coming-out<br />

erlebt hat. Seite 78<br />

TITELFOTO: INTERFOTO, FOTOLIA; TITELMONTAGE: DMITRI BROIDO<br />

4 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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Nr. 24, 7.6.<strong>2014</strong><br />

Serie (I): Die Turnarounder<br />

Nach jahrelangen Verlusten hat Wolfgang Dehen Osram<br />

zurück in die Gewinnzone geführt – und sich nun überraschend<br />

von Technikchef Peter Laier getrennt. Wie machte er<br />

den Glühbirnen- zum High-Tech-Leuchten-Produzenten? Seite 55<br />

Kulturschock im Kultkonzern<br />

Vom Gangsta-Rapper bis zum Ex-Gegner: Mit neuen Top-<br />

Managern versucht Konzernchef Tim Cook, Apple von<br />

Neuem den Geist des verstorbenen Gründers Steve Jobs<br />

einzuhauchen. Ohne dessen Magie droht dem iPhone- und<br />

iPad-Hersteller der Erfolg abhanden zu kommen. Seite 40<br />

Technik&Wissen<br />

70 Internet Das grünere Web: Google und Co.<br />

kühlen Computer in der Arktis oder verkaufen<br />

Server als Heizung | Ein deutscher Gründer<br />

macht Rechenzentren effizient wie nie<br />

75 Fußball Datendetektive jagen mit neuer<br />

Software die Wettmafia<br />

77 Valley Talk<br />

Management&Erfolg<br />

78 Interview: John Browne Was der Ex-BP-<br />

Chef nach seinem eigenen erzwungenen<br />

Coming-out homosexuellen Managern rät<br />

82 Anwälte Welche Kanzlei die beste PR in eigener<br />

Sache macht, zeigt ein neues Ranking<br />

Geld&Börse<br />

84 Dax Die Welle billigen Geldes treibt die Börsen.<br />

Wie lange sollen Anleger sie reiten? | Interview:<br />

Vermögensverwalter Jens Ehrhardt<br />

90 US-Börse Das Versagen der Aufsicht SEC<br />

92 Grauer Kapitalmarkt Die nebulösen Immobiliendeals<br />

der Euro Grundinvest<br />

96 Steuern und Recht Versandhandel | Lärmbelästigung<br />

durch Fußball-WM | Arbeitszimmer<br />

absetzen | Baumängel | Mietrecht |<br />

Schadensersatz für lange Verfahren<br />

98 Geldwoche Kommentar: Schwindel bei<br />

Hochzinspapieren | Dax-Aktien: Deutsche<br />

Bank | Hitliste: Börsenphasen | Aktien: RWE,<br />

Krones | Anleihe: Hochtief/ACS | Zertifikat:<br />

US-Technologieaktien | Investmentfonds:<br />

Echiquier Agressor | Chartsignal: Börse<br />

Athen | Relative Stärke: Deutsche Euroshop<br />

Perspektiven&Debatte<br />

1<strong>06</strong> Brasilien Die Spielorte der Fußball-WM<br />

bieten mehr als schöne Stadien<br />

110 Kost-Bar<br />

Rubriken<br />

3 Einblick, 112 Leserforum,<br />

113 Firmenindex | Impressum, 114 Ausblick<br />

FOTOS: LAIF/JAMES HILL; THE GUARDIAN/MATTHEW FARRANT; XINHUA/PHOTOSHOT<br />

Business und Spiele<br />

Vom 12. Juni an rollt der Ball bei der Fußball-<br />

WM in Brasilien. Die Stimmung im Land ist<br />

mau, die Konjunktur läuft schlecht. Viele deutsche<br />

Mittelständler stört das nicht. Sie zählen zu den Gewinnern<br />

der WM und konnten etliche Aufträge einheimsen – <strong>vom</strong> Catering<br />

bis zur Abwehr von Terrorattacken. Doch auch wer sich weder für<br />

Fußball noch für Geschäfte interessiert, kommt auf seine Kosten:<br />

Rund um die Spielorte gibt es noch andere Sehenswürdigkeiten<br />

außer den Fußballarenen. Seiten 36, 60, 75 und 1<strong>06</strong><br />

n Lesen Sie Ihre WirtschaftsWoche<br />

weltweit auf iPad oder iPhone:<br />

Diese Woche mit einem Videokommentar<br />

darüber, warum sich<br />

Apple mit dem „Next Big<br />

Thing“ Zeit lassen darf,<br />

und einem 360-Grad-<br />

Blick ins Büro des Strabag-Chefs<br />

Thomas Birtel.<br />

wiwo.de/apps<br />

n Älter werden Chips im Kopf oder<br />

Bewegungsmelder in der Wohnung –<br />

mit welchen Hilfsmitteln wir immer<br />

älter werden könnten, wenn wir nur<br />

wollten. wiwo.de/innovationen<br />

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wirtschaftswoche<br />

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WirtschaftsWoche 7.6.<strong>2014</strong> Nr. 24 5<br />

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Seitenblick<br />

MILLIARDÄRE<br />

Sport ist<br />

ihr Hobby<br />

Berlusconi macht’s, Abramowitsch<br />

und jetzt Steve Ballmer – immer<br />

mehr Unternehmer und Milliardäre<br />

leisten sich einen Sportclub.<br />

Rinat Achmetov (1)<br />

Vermögen: 12 Milliarden Dollar<br />

Club: Schachtar Donetzk<br />

Der Club des reichsten Ukrainers holte<br />

fünf Meistertitel in Folge und verdrängte den<br />

Dauerrivalen Dynamo Kiew.<br />

Roman Abramowitsch (2)<br />

Vermögen: 9 Milliarden Dollar<br />

Club: FC Chelsea<br />

Der russische Ölmagnat hat seit 2003 fast<br />

eine Milliarde in Fußballspieler investiert.<br />

Chelsea holte so drei Meistertitel in England<br />

und gewann 2013 sogar die Champions<br />

League.<br />

Steve Ballmer (3)<br />

Vermögen: 21 Milliarden Dollar<br />

Club: Los Angeles Clippers<br />

Der ehemalige Microsoft-Chef hat die LA<br />

Clippers für die Rekordsumme von zwei Milliarden<br />

Dollar gekauft, Vorbesitzer Donald<br />

Sterling war wegen rassistischer Sprüche<br />

auf Lebenszeit gesperrt worden. Basketballfan<br />

Ballmer wollte früher schon die Seattle<br />

Supersonics und die Sacramento Kings.<br />

1<br />

3 4<br />

Micky Arison (4)<br />

Vermögen: 6 Milliarden Dollar<br />

Club: Miami Heat<br />

Der Kreuzfahrt-König (Carnival Cruises) will<br />

mit Miami und Superstar LeBron James den<br />

dritten Titel der US-Liga NBA in Folge holen.<br />

2<br />

5<br />

6 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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Philip Anschutz (5)<br />

Vermögen: 10 Milliarden Dollar<br />

Clubs: Eisbären Berlin, Hamburg<br />

Freezers, LA Kings (alle Eishockey),<br />

LA Lakers, LA Galaxy<br />

Zum Anschutz-Imperium gehören<br />

neben Sportclubs auch Stadien,<br />

wie die O2-Arena in Berlin. Die<br />

Eisbären verpassten nach drei<br />

Titeln in Folge in diesem Jahr die Meisterschaft,<br />

dafür stehen die Kings derzeit im<br />

Finale der US-Eishockey-Liga NHL.<br />

Silvio Berlusconi (6)<br />

Vermögen: 9 Milliarden Dollar<br />

Club: AC Mailand<br />

Wie mit Berlusconi geht es auch mit seinem<br />

Club abwärts – der AC verpasste zum ersten<br />

Mal seit 15 Jahren die Europacup-Plätze.<br />

6<br />

7<br />

8<br />

Dietrich Mateschitz (7)<br />

Vermögen: 9 Milliarden Dollar<br />

Clubs: RB Leipzig, Red Bull<br />

Salzburg, Red Bull New York<br />

Nach dem Aufstieg von RB Leipzig<br />

erhofft sich der Red-Bull-Chef<br />

in der nächsten Saison den Durchmarsch in<br />

die Bundesliga. Zudem gehören ihm Eishockey-Clubs<br />

in München und Salzburg.<br />

Mark Cuban (8)<br />

Vermögen: 3 Milliarden Dollar<br />

Club: Dallas Mavericks<br />

Der Internet-Milliardär holte 2011 mit dem<br />

Deutschen Dirk Nowitzki den NBA-Titel.<br />

Paul Allen (9)<br />

Vermögen: 16 Milliarden Dollar<br />

Clubs: Seattle Seahawks, Portland<br />

Trailblazers<br />

Das Football-Team des<br />

Microsoft-Gründers gewann im<br />

Februar erstmals den Super Bowl.<br />

9<br />

FOTOS: GETTY IMAGES/AFP/MIKE EHRMANN/NBAE/TIME LIFE PICTURES, REUTERS, WITTERS, ACTION PRESS; ULLSTEIN BILD; DDP IMAGES/INTERTOPICS/UPI PHOTO/EYEVINE<br />

WirtschaftsWoche 7.6.<strong>2014</strong> Nr. 24 Redaktion: oliver.voß@wiwo.de<br />

7<br />

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Menschen der Wirtschaft<br />

Putzplan in Arbeit<br />

Familienministerin<br />

Schwesig<br />

HAUSHALTSHILFEN<br />

Schwesig gegen Samwer<br />

Das Familienministerium will Putzfrauen<br />

im Internet vermitteln und macht<br />

damit privaten Anbietern Konkurrenz.<br />

Die Brüder Marc, Oliver und Alexander Samwer<br />

sind dafür berüchtigt, im DSL-Tempo Internet-<br />

Dienste zu gründen. Mit Helpling, einer Online-<br />

Plattform für die Vermittlung von Putzfrauen, haben<br />

sie darin einen Rekord aufgestellt: Am 10. Januar<br />

beschlossen die Samwers die Entwicklung, Ende<br />

März ging das Portal online, und in der vergangenen<br />

Woche starteten schon Ableger in Österreich,<br />

Frankreich, Schweden und Holland.<br />

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig<br />

braucht mehr Zeit. Auch ihr Haus will eine Plattform<br />

zur Vermittlung von Haushaltshilfen aufbauen,<br />

das Projekt haben CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag<br />

vereinbart. Schwesigs Dienst kann<br />

jedoch frühestens im kommenden Jahr starten. Die<br />

privaten Anbieter solcher Maklerdienste sind<br />

schon jetzt aufgebracht.<br />

„Wir sind dabei, das Problem der Schwarzarbeit<br />

zu lösen“, sagt Helpling-Chef Benedikt Franke. „Private<br />

Anbieter mit einem staatlichen Konkurrenzangebot<br />

zu verdrängen ist der falsche Ansatz. Ich<br />

glaube nicht, dass der Staat der bessere Internet-<br />

Unternehmer ist.“ Denn auch das Putzfrauen-Startup<br />

vermittelt nur legale Reinigungskräfte. Auch das<br />

Berliner Start-up Cleanagents offeriert seit bald ei-<br />

nem Jahr solch eine Plattform, einen weiteren Wettbewerber<br />

haben zwei Gründer des Internet-Unternehmens<br />

Lieferheld unter dem Namen Book a<br />

Tiger gestartet, und die von Google und anderen<br />

Investoren mit 38 Millionen Dollar finanzierte<br />

US-Plattform Homejoy ist seit Kurzem in Deutschland<br />

aktiv.<br />

„Eine aus Steuermitteln finanzierte, bundeseigene<br />

Plattform würde hier in einen gerade wachsenden<br />

Markt eingreifen“, kritisiert Bernhard Rohleder,<br />

Geschäftsführer des Branchenverbands Bitkom.<br />

„Es geht nicht darum, die Start-ups <strong>vom</strong> Markt zu<br />

drängen“, beschwichtigt das Ministerium. Stattdessen<br />

will es auch Kooperationen ausloten. Wie sie<br />

aussehen könnten, ist unklar. Derzeit stimmt sich<br />

Schwesig mit dem Arbeitsministerium ab.<br />

„Wir sind für eine Zusammenarbeit offen“, sagt<br />

Helpling-Chef Franke. Zweifel an einer staatlichen<br />

Plattform hegt er trotzdem. „Ich fürchte die Komplexität<br />

eines solchen Projekts wird unterschätzt“,<br />

sagt Franke. Der Staat solle daher lieber die Rahmenbedingungen<br />

anpassen. So könnte die steuerliche<br />

Absetzbarkeit der Putzfrauen von derzeit 20<br />

Prozent auf 30 oder 50 Prozent wie in Frankreich<br />

oder Schweden erhöht werden. Auch der Verwaltungsaufwand<br />

könne reduziert werden. Franke:<br />

„Wenn der Staat die steuerlichen Anreize verbessert<br />

und das mit einer großen Kampagne kommuniziert,<br />

wäre das Geld besser investiert.“<br />

oliver.voss@wiwo.de<br />

Glänzende<br />

Aussichten<br />

In wie vielen deutschen<br />

Großstädten Reinigungs-<br />

Start-ups aktiv sind<br />

Helpling<br />

Cleanagents<br />

Zeitreicher<br />

Book aTiger<br />

Homejoy<br />

14<br />

13<br />

4<br />

3<br />

1<br />

Quelle:Unternehmensangaben,<br />

eigene Recherche<br />

8 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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FOTO: ANATOL KOTTE/DIE ZEIT/LAIF; WIKTOR DABKOWSKI FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE; PR<br />

NÜRBURGRING<br />

Verkauf noch nicht durch<br />

An diesem Mittwoch wollte<br />

EU-Wettbewerbskommissar<br />

Joaquín Almunia eigentlich<br />

grünes Licht geben für den Verkauf<br />

des Nürburgrings an den<br />

Autoteilehersteller Capricorn.<br />

Doch der Düsseldorfer Investor<br />

und die rheinland-pfälzische<br />

Landesregierung müssen<br />

weiter auf eine Entscheidung<br />

der EU-Wettbewerbsbehörde<br />

warten.<br />

Der Abschluss der Beihilfeprüfung,<br />

die seit 2012 läuft, verzögert<br />

sich voraussichtlich<br />

noch bis zum Ende des Monats.<br />

In Brüssel ist von verfahrenstechnischen<br />

Gründen die Rede.<br />

Bekannt ist aber auch, dass der<br />

unterlegene US-Investor NeXo-<br />

Nach einemUrteil des Europäischen Gerichtshofs lassen Tausende Privatpersonen<br />

von Google unliebsame Ergebnisse aus der Namenssuche löschen.<br />

Film- und Musikindustrie entfernen sogar millionenfach Inhalte.<br />

10 000<br />

Quelle: Google<br />

Millionenfaches Löschen<br />

Nike statt Adidas Fast 80 Millionen<br />

Mal haben Fans sich weltweit<br />

im Internet das Reklame-Video<br />

„Winner Stays“von Nike zur<br />

Fußballweltmeisterschaft reingezogen.<br />

Der US-Konzern hängt<br />

damit seinen ärgsten Konkurvation<br />

hofft, Almunia könnte<br />

das Bieterverfahren auf den<br />

letzten Metern noch für illegal<br />

erklären.<br />

NeXovation hatte mit 150<br />

Millionen Euro deutlich mehr<br />

für die Rennstrecke geboten als<br />

Capricorn, das für 77 Millionen<br />

Euro den Zuschlag erhalten hat.<br />

Wegen angeblicher Bevorzugung<br />

eines einheimischen Bieters<br />

hatte NeXovation bei der<br />

EU-Kommission eine offizielle<br />

Beschwerde eingereicht und einen<br />

intransparenten Verkaufsprozess<br />

moniert. Im Entwurf<br />

der Kommissionsentscheidung<br />

wird beides als unbegründet<br />

eingestuft und auf die fehlende<br />

Finanzierungszusage von Ne-<br />

Xovation verwiesen. Sollte es<br />

dabei bleiben, gäbe es kein neues<br />

Bieterverfahren.<br />

Werner Langen, CDU-Europaabgeordneter<br />

aus Rheinland-<br />

Pfalz, der Heimat des Nürburgrings,<br />

erwartet, dass der<br />

Wettbewerbskommissar bei<br />

seinem bisherigen Kurs bleibt.<br />

„Ich gehe nicht davon aus, dass<br />

Almunia den Beschluss noch<br />

verändert.“ NeXovation ist bereit,<br />

den Beschluss vor Gericht<br />

anzufechten.<br />

Löschanträge von Privatpersonen aus<br />

Europa zu Treffern bei der Namenssuche<br />

gehen pro Tag bei Google ein<br />

Wöchentliche Löschanträge (weltweit)<br />

silke.wettach@wiwo.de | Brüssel<br />

Nicht rasend schnell<br />

EU-Kommissar Almunia<br />

2011 2012<br />

Aufgeschnappt<br />

renten ab, den offiziellen Fifa-<br />

Partner Adidas. Dessen WM-<br />

Werbespot „Messi’s Dream“<br />

wurde bisher nur knapp 31 Millionen<br />

Mal aufgerufen.<br />

Hauskonzert statt Dividende<br />

Rund 55 000 Euro wollte Popsänger<br />

Thomas Godoj übers Internet<br />

einsammeln, damit er<br />

sein fünftes Studioalbum produzieren<br />

kann. Mehr als 117 000<br />

Euro sind schon zusammengekommen<br />

– Crowdfunding-Rekord<br />

für einen deutschen Musiker.<br />

Statt einer Dividende bietet<br />

Godoj den Investoren Wohnzimmerkonzerte<br />

an, Führungen<br />

durchs Musikstudio oder den<br />

Besuch eines Videodrehs.<br />

MOBILFUNK<br />

Billigofferte<br />

gefloppt<br />

EU-Kommissarin Neelie<br />

Kroes wollte den Sommerurlaubern<br />

ein Geschenk präsentieren.<br />

Vom 1. Juli <strong>2014</strong> an, so<br />

hatte es Brüssel vor zwei Jahren<br />

beschlossen, sollten die Roaming-Aufschläge<br />

durch eine<br />

neue Form des Wettbewerbs<br />

wegfallen. Ohne Tausch der<br />

Sim-Karte dürfen Mobilfunkkunden<br />

während ihres Aufenthalts<br />

im europäischen Ausland<br />

zu einem günstigeren Anbieter<br />

wechseln. Decoupling nennt<br />

die EU dieses neue Verfahren.<br />

Doch nur „ein, zwei kleinere“<br />

Decoupling-Anbieter hätten<br />

sich gemeldet, heißt es bei den<br />

Mobilfunkbetreibern Deutsche<br />

Telekom, Vodafone, E-Plus und<br />

O2. Sie selbst bieten kein Decoupling<br />

an, müssen aber Decoupling-Anbieter<br />

in ihre Netze<br />

lassen. Einen zweistelligen Millionenbetrag<br />

hätten die technischen<br />

Vorbereitungen gekostet,<br />

das Geld sei verschwendet, sagt<br />

ein Telekom-Manager. Denn<br />

die EU-Kommission habe Interessenten<br />

selbst verprellt. Mit<br />

dem Vorstoß, dass Roaming-<br />

Aufschläge schon im nächsten<br />

Jahr ganz fallen müssen, lohnt<br />

sich ein Decoupling jetzt nicht<br />

mehr.<br />

2013 <strong>2014</strong><br />

juergen.berke@wiwo.de<br />

6 000 000<br />

4 000 000<br />

2 000 000<br />

0<br />

WirtschaftsWoche 7.6.<strong>2014</strong> Nr. 24 9<br />

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Menschen der Wirtschaft<br />

FLOSKELCHECK<br />

Das<br />

Aufgebot<br />

Der Jogi und der Hansi<br />

haben ihr Aufgebot bekannt<br />

gegeben. Heiraten die? Wohl<br />

kaum, aber jetzt ist wieder<br />

Fußballweltmeisterschaft.<br />

Diesmal in Brasilien – falls<br />

die Stadien rechtzeitig fertig<br />

werden und die Mannen von<br />

Trainer Joachim Löw und<br />

seinem Assistenten Hans-<br />

Dieter Flick auflaufen<br />

können. Bei der Vergabe der<br />

WM-Ausrichtung geht es<br />

nach strengen Kriterien: Wer<br />

das meiste Bestechungsgeld<br />

löhnt, erhält wohl den Zuschlag.<br />

2018 findet die WM in<br />

Russland (Erdgas-Milliarden)<br />

statt, 2022 in Katar<br />

(Öl-Fantastilliarden). Bei der<br />

Vergabe des WM-Titels geht<br />

es gerechter zu. Jeder kommt<br />

mal dran. 1998 Adidas (rüstet<br />

Frankreichs Elf aus), 2002<br />

Nike (Brasilien), 20<strong>06</strong> Puma<br />

(Italien), 2010 wieder<br />

Adidas (Spanien), <strong>2014</strong> ist<br />

dann Nike wieder dran. Also<br />

Brasilien. Oder Südkorea –<br />

die spielen auch in Nike!<br />

DER FLOSKELCHECKER<br />

Hans Gerzlich, 47, Diplom-<br />

Ökonom, ehemaliger Marketing-Referent<br />

und heute<br />

Wirtschaftskabarettist und<br />

Bürocomedian.<br />

INTERVIEW Jürgen Gessler<br />

»Wearables werden ein<br />

ganz großes Thema«<br />

Der Chef des Unternehmens Porsche Design<br />

will Asien erobern, die Zahl seiner Läden fast<br />

verdoppeln und setzt auf Trendprodukte.<br />

Herr Gessler, in Ihren Porsche-<br />

Design-Läden stechen vor<br />

allem die Damenhandtaschen<br />

ins Auge. Wie passt das<br />

zusammen – Porsche und<br />

Damenhandtaschen?<br />

Das passt perfekt. Denn wir<br />

waren und sind keine Männermarke.<br />

1992 hat Ferdinand Alexander<br />

Porsche bereits eine Tasche<br />

für Damen auf den Markt<br />

gebracht. Heute machen wir 25<br />

Prozent unseres Umsatzes mit<br />

Produkten für Frauen. Und die<br />

Damenhandtasche ist unser<br />

zweiterfolgreichstes Produkt<br />

nach dem Porsche-Design-<br />

Smartphone.<br />

Die Porsche AG, also der Autohersteller,<br />

hält inzwischen<br />

65 Prozent an Porsche Design.<br />

Stimmen sich die Designer der<br />

beiden Unternehmen ab?<br />

Ferdinand Alexander Porsche<br />

hat den Sportwagenhersteller<br />

1972 als Designchef verlassen,<br />

um sein eigenes Designstudio<br />

und die Marke Porsche Design<br />

zu gründen. Er wollte Dinge für<br />

DER VEREDLER<br />

Gessler, 50, leitet seit 20<strong>07</strong> das<br />

Unternehmen Porsche Design, das<br />

rund 200 Mitarbeiter beschäftigt,<br />

darunter 25 Designer.<br />

sich kreieren und hielt sich<br />

allein an seine zehn Designgebote<br />

– an die wir uns noch<br />

heute halten.<br />

Was sind Ihre wichtigsten<br />

Märkte?<br />

Die USA, der Nahe Osten,<br />

Deutschland und Hongkong.<br />

Im Frühjahr haben wir den ersten<br />

Store in Italien eröffnet, in<br />

Mailand; und im Sommer machen<br />

wir den ersten Store in Paris<br />

auf. Außerdem gehen wir daran,<br />

Asien zu erobern. In China<br />

haben wir im vergangenen<br />

Jahr ein Tochterunternehmen<br />

gegründet und wollen dort<br />

jetzt den ersten eigenen Store<br />

bauen.<br />

Nach Japan wollen Sie dieses<br />

Jahr, hatten Sie angekündigt.<br />

Unseren Start in Japan werden<br />

wir noch einmal um ein Jahr<br />

verschieben – das ist ein gewaltiger<br />

Markt. Weltweit haben wir<br />

jetzt insgesamt mehr als 156<br />

Stores, darunter 33 eigene, die<br />

anderen werden von Franchisenehmern<br />

betrieben. Bis<br />

zum Jahr 2018 planen wir weltweit<br />

mit 290 Stores.<br />

Obwohl immer mehr Menschen<br />

übers Internet einkaufen?<br />

Der Online-Anteil an unserem<br />

Umsatz liegt deutlich unter<br />

zehn Prozent. Aber viele Kunden<br />

sehen im Internet unsere<br />

Produkte, rufen dann in einem<br />

unserer Stores an und lassen<br />

sich die Ware von dort schicken.<br />

Dieser Umsatz geht natürlich<br />

nicht in den Online-Umsatz<br />

ein. Unsere Stores machen über<br />

den Versand deutlich mehr als<br />

zehn Prozent des Umsatzes.<br />

Die Porsche Design Group erzielte<br />

2013 einen Umsatz von<br />

128 Millionen Euro, zehn Prozent<br />

mehr als im Vorjahr. Wie<br />

viel erwarten Sie dieses Jahr?<br />

Wir gehen von einer erneuten<br />

Steigerung aus, aber Zahlen<br />

können wir noch nicht kommunizieren.<br />

Der Umsatz stieg auch, weil sie<br />

weitere Läden eröffneten.<br />

Mit dem Flächenumsatz kommen<br />

wir nicht an Louis Vuitton<br />

heran, aber mit anderen Luxusmarken<br />

können wir uns durchaus<br />

messen.<br />

Sie schreiben schwarze<br />

Zahlen?<br />

Wir möchten das Lebenswerk<br />

von Ferdinand Alexander Porsche<br />

bekannt machen. Aber<br />

nicht als eingetragener Verein,<br />

sondern profitabel.<br />

Nach welchen Kriterien stellen<br />

Sie das Sortiment in den Stores<br />

zusammen?<br />

Derzeit haben wir zwölf Produktkategorien.<br />

Aber wann immer<br />

im Markt eine Produktgruppe<br />

für unsere Kunden<br />

relevant wird, überlegen wir,<br />

wie unsere Antwort aussehen<br />

kann. Wir sind weniger Trendsetter<br />

im Erfinden neuer Produkte.<br />

Unser Ziel ist es, Produkte<br />

besser und cleverer zu<br />

machen.<br />

Was kommt denn als Nächstes?<br />

Wearables sind ein großes<br />

Thema, also etwa Armbänder,<br />

die Ihre Schritte messen; die<br />

messen, wie Sie sich fühlen, wie<br />

Sie schlafen.<br />

hermann.olbermann@wiwo.de<br />

ILLUSTRATION: TORSTEN WOLBER; FOTO: MATTHIAS HANGST<br />

10 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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FOTO: ARGUM/THOMAS EINBERGER; CORBIS/ZUMA PRESS/WIKTOR DABKOWSKI<br />

HYPO REAL ESTATE<br />

Frust zum Finale<br />

Der Verkauf der Deutschen<br />

Pfandbriefbank PBB soll bald<br />

starten. Doch der überraschende<br />

Rücktritt ihrer Chefin<br />

Manuela Better ist ein Rückschlag<br />

für die Privatisierung der<br />

Tochter der Hypo Real Estate<br />

(HRE), die in der Finanzkrise<br />

verstaatlicht wurde. „Das hat<br />

Signalwirkung“, heißt es in Finanzkreisen.<br />

Mögliche Interessenten<br />

habe schon der kürzlich<br />

abgeblasene Verkauf der irischen<br />

HRE-Tochter Depfa verunsichert.<br />

Der Bund hatte entschieden,<br />

die Depfa trotz eines<br />

ausgehandelten Kaufvertrags<br />

selbst abzuwickeln. Interessenten<br />

für die PBB dürften nun feste<br />

Zusagen fordern, dass ein<br />

Verkauf tatsächlich gewollt ist<br />

und am Ende nicht erneut die<br />

Abwicklung steht.<br />

Anders als die Depfa gilt die<br />

PBB als intaktes Institut mit stabilem<br />

Neugeschäft. Ein Käufer<br />

dürfte die Bank mit dem<br />

ZIGARETTEN<br />

Angst vor<br />

Handelskrieg<br />

Frankreich, Irland und Großbritannien<br />

wollen für alle Zigarettenhersteller<br />

einheitliche<br />

Packungen vorschreiben, ohne<br />

Markenlogo und ohne firmenspezifische<br />

Unterschiede. Die<br />

Aktion könnten auch andere<br />

EU-Länder aufgreifen, obwohl<br />

EU-Kommissar Tonio Borg auf<br />

einen Zwang zur Einheitspackung<br />

verzichtet hat. Schon<br />

jetzt schüren die nationalen<br />

Einschränkungen die Angst vor<br />

einem Handelskrieg. Denn Indonesien<br />

drohte bereits an, im<br />

Gegenzug Einheitsverpackung<br />

für Wein einzuführen.<br />

Indonesiens Vorschrift zu<br />

schmucklosen Weinetiketten<br />

richtet sich zunächst gegen<br />

Schwerpunkt bei der Finanzierung<br />

von Immobilien dauerhaft<br />

fortführen. Das Geschäft ist allerdings<br />

wenig profitabel und<br />

die Refinanzierung schwierig.<br />

Better hatte sich vehement für<br />

Vertrauen entzogen<br />

Bankerin Better<br />

Firmen fürchten Flächenbrand<br />

EU-Kommissar Borg<br />

Australien, wo Zigaretten schon<br />

seit Dezember 2012 in einheitlichen<br />

grünen Packungen mit<br />

weißem Schriftzug verkauft<br />

werden müssen. Indonesien<br />

und vier weitere Länder haben<br />

Australien deswegen vor der<br />

Welthandelsorganisation<br />

(WTO) verklagt. Auch wenn In-<br />

den Verkauf der Depfa eingesetzt.<br />

Die Absage habe sie als<br />

persönlichen Entzug von Vertrauen<br />

empfunden, sagen Insider.<br />

Zusätzlich dürften länger<br />

schwelende Querelen mit Vertretern<br />

des staatlichen Eigentümers<br />

– etwa dem Chef des Rettungsfonds<br />

FMSA Christopher<br />

Pleister – zu ihrem Rücktritt geführt<br />

haben. Sie bekommt keine<br />

Abfindung.<br />

cornelius.welp@wiwo.de | Frankfurt<br />

donesien die Einschränkung<br />

für Weinetiketten noch nicht<br />

umgesetzt hat, so löst alleine<br />

die Ankündigung Unruhe aus.<br />

„Die Drohung steht im Raum“,<br />

sagt Sylvain Naulin, Handelsexperte<br />

der Vereinigung der europäischen<br />

Weinhersteller CEEV.<br />

Auch schottische Whisky-Brennereien<br />

und tschechische<br />

Brauereien sind besorgt.<br />

Irland begann 2013 mit Vorarbeiten<br />

zu einem Gesetz für<br />

einheitliche Zigarettenschachteln.<br />

Die französische Gesundheitsministerin<br />

Marisol Touraine<br />

will noch im Juni solch ein<br />

Gesetz vorschlagen. Die EU hat<br />

in ihrem jüngsten Regulierungspaket<br />

auf Einheitsschachteln<br />

verzichtet, nachdem die<br />

Branche dies als Enteignung<br />

kritisiert hatte. EU-Staaten steht<br />

es aber frei, national strengere<br />

Regeln einzuführen.<br />

silke.wettach@wiwo.de | Brüssel<br />

KLARTEXT | Die<br />

deutsche Regulierung<br />

von Sportwetten gerät<br />

zum Fiasko.<br />

Einsatz<br />

verpasst<br />

Für Wettbüros – ob im<br />

Internet oder an der<br />

Straßenecke – ist die<br />

Fußballweltmeistschaft das,<br />

was für Einzelhändler das<br />

Weihnachtsgeschäft von vier<br />

Jahren wäre. Doch rechtlich<br />

bewegen sich Wettanbieter<br />

wie Bwin und Tipico in einer<br />

Grauzone. Und das wird<br />

noch lange so bleiben.<br />

Seit Jahren wird vor Gerichten<br />

gestritten, welche Angebote<br />

zulässig sind, an diesem<br />

Donnerstag befasst sich einmal<br />

mehr der Europäische<br />

Gerichtshof mit dem deutschen<br />

Glücksspielrecht. Es<br />

prüft den Sonderweg von<br />

Schleswig-Holstein, das 2012<br />

48 Lizenzen an Anbieter von<br />

Sportwetten und an<br />

Online-Casinos erteilt hat. Inzwischen<br />

trat das Land dem<br />

Staatsvertrag bei, den die<br />

anderen Bundesländer geschlossen<br />

hatten. Auch er<br />

sieht die Vergabe von Sportwett-Lizenzen<br />

vor, aber bisher,<br />

fast zwei Jahre später, ist<br />

noch keine einzige Konzession<br />

erteilt worden.<br />

Vor einem halben Jahr hatte<br />

das dafür zuständige hessische<br />

Innenministerium erklärt,<br />

keiner der bis zu 100<br />

Bewerber erfülle die Mindestanforderungen.<br />

Inzwischen<br />

wurden Unterlagen nachgereicht,<br />

in der zweiten Jahreshälfte<br />

könnte entschieden<br />

werden. Dann dürften all jene<br />

klagen, die nicht zum Zuge<br />

kommen. Sie werden behaupten,<br />

die Festlegung auf 20<br />

Konzessionen sei willkürlich.<br />

Wetten?<br />

oliver.voss@wiwo.de<br />

WirtschaftsWoche 7.6.<strong>2014</strong> Nr. 24 11<br />

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Menschen der Wirtschaft<br />

SAMWER<br />

Aufstieg in<br />

neue Liga<br />

Bisher tauchten die Unternehmerbrüder<br />

Oliver, Alexander<br />

und Marc Samwer in den<br />

Reichstenlisten nur unter „ferner<br />

liefen“ auf. Doch nun zeichnen<br />

sich zwei Börsengänge ab, die<br />

die deutschen Internet-Investoren<br />

in den Listen nach oben katapultieren<br />

könnten. Wagen der<br />

Online-Modehändler Zalando<br />

und die Start-up-Schmiede<br />

Rocket Internet Ende des Jahres<br />

den Gang aufs Parkett, könnten<br />

die Anteile der Samwers nach<br />

Berechnungen der Wirtschafts-<br />

Woche mit rund zwei Milliarden<br />

Euro bewertet werden.<br />

Basis sind Berechnungen des<br />

schwedischen Unternehmens<br />

Kinnevik, das an Rocket und Zalando<br />

beteiligt ist. Die Schweden<br />

beziffern den Wert von Zalando<br />

mit 3,9 Milliarden Euro. Für<br />

Rocket lässt sich aus Kinnevik-<br />

Mitteilungen ein Wert von rund<br />

zwei Milliarden ableiten. Bankanalysten<br />

halten auch deutlich<br />

höhere Marktpreise für möglich.<br />

Die Samwers sind über ihren<br />

European Founders Fund mit 17<br />

und 65 Prozent an den Börsen-<br />

Kandidaten beteiligt. Zweifel am<br />

E-Commerce-Boom könnten<br />

aber zu Abschlägen oder zum<br />

Aufschub der Börsenpläne<br />

führen. henryk.hielscher@wiwo.de<br />

GEFLÜGEL<br />

Salmonellen<br />

im Hühnchen<br />

10.<strong>06</strong>. Israel Das Parlament wählt am Dienstag den<br />

Staatspräsidenten. Um das Amt bewerben sich<br />

sechs Kandidaten; als Favorit gilt Reuven Rivlin,<br />

74, von der Regierungspartei Likud. Die Amtszeit<br />

des derzeitigen Staatsoberhaupts Schimon Peres,<br />

90, endet im Juli.<br />

11.<strong>06</strong>. Start-ups Berlins Regierender Bürgermeister eröffnet<br />

am Mittwoch The Factory, einen Campus<br />

für Start-ups. Zur Feier kommt auch Google-Chef<br />

Eric Schmidt.<br />

Ölpreis Die Organisation der Erdöl exportierenden<br />

Länder (Opec) berät in Wien, wie viel Öl die Mitglieder<br />

künftig fördern sollen. Bisher sind es 30 Millionen<br />

Barrel täglich. Die Internationale Energieagentur<br />

hat die Opec-Länder aufgefordert, die Quote zu<br />

erhöhen, da sonst der Ölpreis stark steigen würde.<br />

Die Opec-Länder produzieren rund 40 Prozent des<br />

weltweit geförderten Erdöls.<br />

Syrien-Sanktionen Das EU-Gericht entscheidet<br />

über die Klage der Syria International Islamic<br />

Bank. Sie wehrt sich dagegen, dass die EU Geld<br />

der Bank eingefroren hat.<br />

12.<strong>06</strong>. Glücksspiel Der Europäische Gerichtshof (EuGH)<br />

entscheidet am Donnerstag darüber, ob das<br />

Glücksspielrecht von Schleswig-<br />

Holstein mit dem EU-Recht vereinbar<br />

ist. Das Bundesland ist dem<br />

deutschen Glücksspielvertrag 2012<br />

nicht beigetreten, sondern hat sich<br />

liberalere Regeln gegeben.<br />

15.<strong>06</strong>. Weltkulturerbe Das Welterbekomitee der Unesco<br />

berät am Sonntag über die Aufnahme weiterer<br />

Anwärter. Deutschland hat das Kloster Corvey in<br />

Nordrhein-Westfalen nominiert. Eine Entscheidung<br />

fällt voraussichtlich am 21. oder 22. Juni.<br />

Amerikaner<br />

mögen’s gechlort<br />

Rohes Hühnchen<br />

TOP-TERMINE VOM 09.<strong>06</strong>. BIS 15.<strong>06</strong>.<br />

Fast jedes fünfte Schlachthühnchen<br />

in Deutschland ist mit Salmonellen<br />

belastet. Das bestätigte<br />

das Bundeslandwirtschaftsministerium<br />

auf Anfrage. Ganz<br />

genau sei es „eine Salmonellenkontaminationsrate<br />

von 17,8<br />

Prozent“. Die mit dem gefährlichen<br />

Krankheitserreger infizierte<br />

Ware wird aber nicht vernichtet,<br />

sondern landet großteils<br />

trotzdem im Supermarkt. Zur<br />

Begründung heißt es aus dem<br />

Ministerium, dass das Fleisch<br />

„üblicherweise nicht roh verzehrt<br />

wird, sondern gegart, gebraten,<br />

gekocht, sodass Salmonellen<br />

abgetötet werden“.<br />

Im Einzelhandel<br />

wurden noch<br />

bei 6,3 Prozent<br />

des frischen Geflügelfleischs<br />

Salmonellen gefunden.<br />

Die Zahlen basieren<br />

auf dem Zoonosen-Monitoring,<br />

mit dem die Lieferkette der Lebensmittelwirtschaft<br />

kontrolliert<br />

wird. Salmonellen sind der<br />

Hauptgrund, weshalb in den<br />

USA Hühnchen mit Chlor<br />

desinfiziert werden –<br />

eine Praxis, die die<br />

Europäer in den Verhandlungen<br />

um ein<br />

Freihandelsabkommen<br />

kritisieren.<br />

christian.ramthun@wiwo.de |<br />

Berlin<br />

IBM DEUTSCHLAND<br />

IT-Tochter<br />

an Arvato<br />

Der deutsche Ableger des amerikanischen<br />

IT-Konzerns IBM<br />

will große Teile seiner Tochter<br />

IBM Mittelstand Service an die<br />

Bertelsmann-Tochter Arvato<br />

Systems verkaufen. Davon seien<br />

300 bis 400 Beschäftigte betroffen,<br />

heißt es in Kreisen des<br />

IBM-Aufsichtsrats. Insgesamt<br />

arbeiten 545 Kräfte für IBM Mittelstand<br />

Service. Wer nicht zu<br />

Weniger Arbeitsplätze IBM-<br />

Deutschland-Chefin Koederitz<br />

Arvato wechseln kann, soll in<br />

anderen IBM-Gesellschaften<br />

unterkommen. Der Betriebsübergang<br />

erfolgt voraussichtlich<br />

im dritten Quartal. IBM<br />

wollte sich auf Anfrage nicht<br />

äußern.<br />

Grund für die Übernahme:<br />

Anfang Mai hatte Arvato verkündet,<br />

sich <strong>vom</strong> 1. Juli an um<br />

die komplette IT von Rheinmetall<br />

zu kümmern. Der Autozulieferer<br />

und Rüstungskonzern<br />

wiederum hatte seine IT im<br />

Jahr 2002 im Rahmen eines<br />

Outsourcing-Vertrags an IBM<br />

abgegeben.<br />

Mit dem Verkauf kann IBM-<br />

Deutschland-Chefin Martina<br />

Koederitz erneut Stellen reduzieren.<br />

IBM hat in Deutschland<br />

zwischen 20<strong>07</strong> und 2013 fast<br />

geräuschlos 18 Prozent der Arbeitsplätze<br />

gestrichen und<br />

zählt inzwischen nur noch<br />

16 900 Beschäftigte.<br />

michael.kroker@wiwo.de<br />

FOTO: DDP IMAGES/JENS SCHLÜTER, GETTY IMAGES/PAUL POPLIS, FOTOLIA/ALEXANDR MITIUC<br />

12 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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Menschen der Wirtschaft<br />

CHEFSESSEL<br />

START-UP<br />

BAYER<br />

Marijn Dekkers, 56, will<br />

den Leverkusener Pharmaund<br />

Chemiekonzern nur<br />

noch bis Ende 2016 leiten.<br />

Seinen Vertrag verlängerte<br />

der gebürtige Niederländer<br />

darum lediglich um zwei<br />

Jahre. Danach will er mehr<br />

Zeit mit seiner Familie verbringen.<br />

Beste Chancen auf<br />

Dekkers’ Nachfolge hat Werner<br />

Baumann, 51, der nach<br />

dem Wirtschaftsstudium<br />

1988 bei Bayer anheuerte<br />

und derzeit Finanzvorstand<br />

ist. Vom 1. Oktober an verantwortet<br />

er im Vorstand die<br />

Kernthemen Strategie und<br />

Portfoliomanagement. Finanzvorstand<br />

wird dann Johannes<br />

Dietsch, 52, ebenfalls<br />

ein Bayer-Gewächs und bisher<br />

zuständig für das China-<br />

Geschäft des Konzerns.<br />

UNILEVER<br />

Ulli Gritzuhn, 52, wechselt<br />

zum britisch-niederländischen<br />

Konsumgüterkonzern:<br />

Von Juli an führt er<br />

die Geschäfte in Deutschland,<br />

Österreich und der Schweiz.<br />

Der Ökonom folgt auf den<br />

Niederländer Harry Brouwer,<br />

55, der die Leitung des globalen<br />

Unilever-Geschäfts für Großverbraucher<br />

übernimmt. Seit<br />

20<strong>07</strong> arbeitet Gritzuhn für<br />

Nestlé.<br />

SCHAEFFLER<br />

Klaus Deller wird doch nicht<br />

Chef des Autozulieferers. Ursprünglich<br />

sollte er den Posten<br />

Anfang Juli antreten. Interimschef<br />

Klaus Rosenfeld bleibt Vorstandsvorsitzender,<br />

sein Vertrag<br />

läuft über fünf Jahre. Auch<br />

Technologiechef Peter Gutzmer<br />

verlässt Schaeffler nicht.<br />

HANSGROHE<br />

Thorsten Klapproth, 52,<br />

übernimmt im Oktober den<br />

Vorstandsvorsitz des Armaturenherstellers.<br />

Zuletzt leitete<br />

der Manager den Küchenausrüster<br />

WMF, schied aber vor<br />

einem Jahr aus. Bei Hansgrohe<br />

löst er Siegfried Gänßlen, 68, ab.<br />

VOEST ALPINE<br />

Wolfgang Eder, 62, Chef des<br />

österreichischen Stahlkonzerns,<br />

soll am 6. Oktober zum<br />

Präsidenten des Weltstahlverbandes<br />

gewählt werden. Er löst<br />

Joon-Yang Chung, 66, ab, Chef<br />

des südkoreanischen Stahlkochers<br />

Posco.<br />

FAHRRAD<br />

30 Prozent<br />

der Haushalte in deutschen Städten mit mehr als 500 000 Einwohnern<br />

besitzen als Verkehrsmittel nur Fahrräder, aber kein Auto<br />

und kein Motorrad. Vor zehn Jahren waren es erst 22 Prozent.<br />

Im Bundesdurchschnitt sind es heute 15 Prozent. Aber nur zehn<br />

Prozent der Beschäftigten fahren mit dem Rad zur Arbeit.<br />

GEILE WEINE<br />

Parfümerien als Vorbild<br />

Fakten zum Start<br />

Gründer Initiator Sedat Aktas, 36,<br />

Weinhändler Michael Reinfrank,<br />

31, Adidas-Marketingexperte<br />

Kolja Orzeszko, 35<br />

Umsatz <strong>2014</strong>: 673 000 Euro;<br />

2015: 2,1 Millionen Euro<br />

Die traditionsbewussten Winzer in Rheinhessen und der Pfalz waren<br />

geschockt. „Geile Weine“ taufte Sedat Aktas sein Unternehmen,<br />

das im vergangenen Jahr startete. So überraschend wie der<br />

Name ist seine jüngste Idee: Sie orientiert sich an Parfümerien.<br />

Die bieten ihren Kunden seit jeher Probefläschchen an. Warum<br />

nicht auch der Weinhandel, dachte sich Aktas. Von Juli an verkauft<br />

er übers Internet 5cl-Flaschen, die Probierbox mit drei Minis zu<br />

7,90 Euro. Haben die Kunden ihre Sorte gefunden, ordern sie größere<br />

Flaschen, hofft Aktas und will sich so von anderen Weinversendern<br />

abheben. Der Umsatz soll damit auf 673 000 Euro steigen,<br />

2013 nahm er nach dem Start im Oktober 32 554 Euro ein.<br />

Rund 200 verschiedene Weine enthält sein Sortiment, „meist<br />

von Winzern aus der Region“, sagt der Mainzer Jungunternehmer.<br />

An den Firmennamen haben sie sich gewöhnt. Mehr noch: Angehörige<br />

von Winzerfamilien mischen inzwischen bei „Geile Weine“<br />

mit. Mit Experten aus der Branche verhandelt Aktas über einen<br />

Einstieg ins Unternehmen. Neben dem studierten Medienmanager<br />

sind bisher vier Gesellschafter beteiligt. Rund 150 000 Euro hat<br />

er anfangs selbst investiert,<br />

weitere 200 000 Euro<br />

über Crowdfunding eingesammelt.<br />

Für den<br />

nächsten Schritt braucht<br />

er neues Geld: Er will<br />

„Single-Flaschen“ einführen,<br />

0,2 Liter groß, für<br />

Alleinwohnende.<br />

hermann.olbermann@wiwo.de<br />

FOTO: INGO RAPPERS FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE; PR<br />

14 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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Menschen der Wirtschaft | Chefbüro<br />

Thomas Birtel<br />

Vorstandsvorsitzender des Baukonzerns Strabag<br />

Vor einem Jahr wechselte<br />

Thomas Birtel, 60, von der<br />

Kölner Niederlassung des Baukonzerns<br />

Strabag in die Konzernzentrale<br />

nach Wien. Der<br />

promovierte Ökonom trat damals<br />

sein Amt als Vorstandsvorsitzender<br />

an. Von der Tiefgarage<br />

des Strabag-Turms fährt<br />

er seither in die zwölfte Etage.<br />

Da endet der Aufzug. Aber Birtel<br />

muss noch eine Treppe höher<br />

steigen, weil die Vorstandsbüros<br />

in der 13. Etage liegen,<br />

die intern Galerie heißt. Der<br />

Strabag-Chef hat das Büro seines<br />

Amtsvorgängers Hans Peter<br />

Haselsteiner, 70,<br />

360 Grad<br />

In unseren App-<br />

<strong>Ausgabe</strong>n finden<br />

Sie an dieser<br />

Stelle ein interaktives<br />

360°-Bild<br />

übernommen. Der<br />

Österreicher ist<br />

Mehrheitsaktionär<br />

von Strabag und sitzt<br />

nun ein paar Zimmer<br />

weiter. Er verzichtet<br />

auf den Weitblick bis<br />

zum Prater-Riesenrad,<br />

Stephansdom und Wienerwald<br />

mit den Erhebungen von<br />

Kahlenberg und Leopoldsberg.<br />

Dem Panorama und der Donau<br />

kehrt Birtel den Rücken zu,<br />

wenn er an seinem funktional<br />

designten Schreibtisch vor der<br />

mächtigen Fensterfront sitzt,<br />

die den nüchternen Raum dominiert.<br />

Die zwei Gemälde<br />

gegenüber<br />

stammen <strong>vom</strong> Maler<br />

und Birtel-Freund<br />

Wilfried Oelschläger,<br />

der in Mülheim an<br />

der Ruhr wohnt;dort<br />

ist auch Birtel seit<br />

Jahrzehnten zu Hause.<br />

Das Werk „Abstrakt – konstruktiv“<br />

hat Branchenbezug<br />

und zeigt fotorealistisch eine<br />

rostige Schaufel mit langem<br />

Stiel vor abstrakt-grünem Hintergrund.<br />

Es hängt über einem<br />

Sideboard mit Büchern, Grußkarten<br />

und Birtels Erinnerungsstücken.<br />

Das zweite Oelschläger-Bild<br />

ist ein Geschenk zum<br />

Börsengang 20<strong>07</strong> und zeigt<br />

schemenhaft den damaligen<br />

Strabag-Emissionskurs. Die<br />

Lettern und Ziffern „EUR<br />

47,00“ empfindet Birtel als „stete<br />

Mahnung“ – heute notiert<br />

die Aktie bei 22 Euro.<br />

harald.schumacher@wiwo.de<br />

FOTO: LUKAS BECK FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE<br />

16 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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Politik&Weltwirtschaft<br />

Störfaktor Putin<br />

RUSSLAND | Mit Hurra-Patriotismus und einem aggressiven<br />

außenpolitischen Kurs will Wladimir Putin seine Macht<br />

sichern. Doch er verweigert Reformen, verprellt Investoren<br />

– und treibt sein Land immer tiefer in eine Wirtschaftskrise,<br />

unter der auch Deutschland leiden wird.<br />

Die Neigung des russischen Präsidenten<br />

Wladimir Putin zur<br />

Selbstinszenierung ist der Welt<br />

hinlänglich bekannt. Es gibt<br />

ihn mit Sonnenbrille auf dem<br />

Motorrad, mit einem (angeblich selbst geangelten)<br />

21-Kilo-Hecht im Arm und mit<br />

nackter Brust auf einem Pferd. Abgesehen<br />

von der eher harmlosen Kraftmeierei, die<br />

das russische Wahlvolk begeistert, verfügt<br />

der Kremlchef aber auch über eine Kraft,<br />

die Investoren gefährlich werden kann: Er<br />

kann Kurse bewegen. Als er im Mai beim<br />

Wirtschaftsforum Sankt Petersburg die<br />

Wahl in der Ukraine zu „respektieren“ versprach,<br />

legte der Rubel zu, der zuvor wegen<br />

seiner Krim-Annexion abgestürzt war. Als<br />

Putin dem russischen Google-Herausforderer<br />

Yandex Kontakt zu US-Geheimdiensten<br />

unterstellt hatte, ging es mit den Kursen<br />

an der Börse bergab.<br />

Nie war Putin so unberechenbar wie in<br />

diesen Tagen, da er sich politisch auf dem<br />

Zenit seiner Macht wähnt. Denn spätestens<br />

mit der Krim-Annexion hat sich die<br />

Funktionslogik des Regimes radikal verändert:<br />

Da die Umverteilung von Wohlstand<br />

wegen der verschleppten Modernisierung<br />

nicht mehr gelingt, legitimiert Putin seinen<br />

Machtanspruch im Innern mit einer Politik<br />

der Stärke: Das Volk berauscht sich am Gefühl<br />

des „Wir-sind-wieder-Wer“ und beschert<br />

dem Kremlchef eine Popularität wie<br />

lange nicht. „Das Fatale ist, dass diese Politik<br />

keine Rücksicht auf die ökonomische<br />

Entwicklung kennt und Russland in die<br />

Selbstisolation führt“, sagt Stefan Meister<br />

<strong>vom</strong> European Council on Foreign Relations.<br />

Zum Jahrestag des D-Day in Paris<br />

wollte vergangene Woche kein Staatschef<br />

gern neben Putin sitzen, beim G7-Gipfel<br />

tags zuvor in Brüssel hatte man den Russen<br />

gleich ganz ausgeschlossen.<br />

Wie lange kann das Modell Putin noch<br />

gut gehen? Die je nach Berechnung sechstbis<br />

achtgrößte Volkswirtschaft der Welt<br />

schiebt einen Berg überfälliger Reformen<br />

vor sich her und ist so abhängig von den<br />

Rohstoffpreisen wie nie zuvor. Während<br />

die Ineffizienz der Staatswirtschaft wächst,<br />

hat das auf Verteilung von Petrodollars beruhende<br />

Wirtschaftsmodell seine Grenzen<br />

erreicht. Im Falle sinkender Ölpreise oder<br />

verschärfter westlicher Sanktionen könnte<br />

Russland in eine üble Rezession schlittern,<br />

ähnlich dem Absturz von 2009, als das<br />

Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 7,8 Prozent<br />

einbrach.<br />

DROHENDE STAGFLATION<br />

Die Zeichen stehen bereits auf Rot: Trotz<br />

stabiler Ölpreise und passabler Weltkonjunktur<br />

steckt Russland für die nächsten<br />

zwei, drei Jahre in der Stagflation fest. Laut<br />

Prognose des Internationalen Währungsfonds<br />

(IWF) wächst die Wirtschaft <strong>2014</strong> nur<br />

noch um 1,3 Prozent, und das ist bereits ein<br />

sehr optimistisches Szenario. Der ehemalige<br />

russische Finanzminister Alexej Kudrin<br />

sieht das Wachstum auf Jahre hinaus bei<br />

null Prozent. Die Weltbank hält in ihrem<br />

Negativszenario dieses Jahr sogar ein Minus<br />

von 1,8 Prozent für möglich. Gleichzeitig<br />

ist die Inflationsrate auf fast acht Prozent<br />

gestiegen und zwingt die russische<br />

Zentralbank, die Leitzinsen drastisch zu erhöhen<br />

(siehe Grafik Seite 20). Was wiederum<br />

die Investitionen abwürgt.<br />

Die Probleme sind überwiegend hausgemacht.<br />

Putins wirtschaftspolitisches Re-<br />

»<br />

FOTO: LAIF/JAMES HILL<br />

18 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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Augen geradeaus! In Moskau<br />

schwenken Russen auf einer<br />

Pro-Putin-Kundgebung riesige<br />

Fahnen mit der Aufschrift:<br />

„Wir stehen zusammen.“<br />

19<br />

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Politik&Weltwirtschaft<br />

»<br />

zept erschöpft sich in der Umverteilung<br />

von Einnahmen aus dem Rohstoffverkauf,<br />

wobei Löhne und Pensionen selbst ohne<br />

Produktivitätssteigerungen erhöht werden.<br />

Hinzu kommt nun, dass der Kremlchef mit<br />

seiner antiwestlichen Rhetorik ausländische<br />

Unternehmer verprellt, die mit Investitionen<br />

zur dringend nötigen Modernisierung<br />

und Diversifizierung des sowjetisch<br />

geprägten Landes beitragen könnten. Letztere<br />

Hoffnungen könne man „im Moment<br />

völlig vergessen“, sagt der Moskauer Ökonom<br />

Wladislaw Inosemzew. Putin sehe<br />

sich als Gott und handle in den Tag hinein.<br />

„Einen langfristigen Plan zur wirtschaftlichen<br />

Entwicklung hat er nicht. Hatte er<br />

noch nie.“<br />

DEUTSCHE EXPORTE SINKEN<br />

Fachleute tun sich schwer, den exakten Effekt<br />

von Putins Ukraine-Politik zu beziffern.<br />

„Die Wachstumsschwäche hat bereits<br />

2013 begonnen“, sagt Frank Schauff, Geschäftsführer<br />

der Association of European<br />

Businesses in Moskau, „die Ukraine-Krise<br />

und die folgende Sanktionsdebatte haben<br />

die prekäre Wirtschaftslage aber verstärkt.“<br />

Besonders betroffen ist die Autobranche,<br />

auch die mit diesem Sektor verbandelten<br />

Zulieferer und Anlagenbauer.<br />

Nicht einmal der Konsum ist mehr eine<br />

große Stütze der Konjunktur. Früher steckten<br />

die mit Abwertungen erfahrenen Russen<br />

gerade in Krisenzeiten ihr Geld in materielle<br />

Werte. Nun aber scheinen die Bedürfnisse<br />

eher gesättigt zu sein. Noch mieser<br />

ist die Stimmung im Finanzsektor, wo<br />

das Investmentbanking angesichts des Investitionsklimas<br />

brach liegt und die Finanzierung<br />

bei ausländischen Geschäftsbanken<br />

wegen der hohen Risikobewertung im<br />

Gedrosseltes Tempo In Russland sinkt der Absatz von Neuwagen. Volkswagen ist mit seinem<br />

Werk in Kaluga südlich von Moskau betroffen, wo auch der Skoda Octavia gebaut wird<br />

Russlandgeschäft kaum mehr möglich ist.<br />

„Manch ein Banker würde am liebsten aus<br />

dem Fenster springen“, sagt ein deutscher<br />

Geschäftsmann in Moskau.<br />

Besorgt ist auch die deutsche Wirtschaft.<br />

Mit über 6000 Niederlassungen sind die<br />

Deutschen im Land besonders stark vertreten.<br />

Zwar gibt es immer noch Investitionspläne:<br />

Der Troisdorfer Fensterbauer<br />

Profine etwa plant in Russland ein drittes<br />

Werk, SAP will mit dem Moskauer Telekomkonzern<br />

Rostelekom Cloud-Systeme<br />

für Russland entwickeln. Doch die deutschen<br />

Exporte nach Russland sind im ersten<br />

Quartal um 12,9 Prozent im Vergleich<br />

zum Vorjahreszeitraum geschrumpft. Laut<br />

einer Umfrage des Münchner ifo Instituts<br />

spüren bereits 17 Prozent der befragten<br />

Unternehmen die Auswirkungen der<br />

Ukraine-Krise in Russland, ein Drittel rechnet<br />

mit baldigen Folgen. „Viele Unternehmen<br />

haben ihre Investitionen auf Eis gelegt“,<br />

heißt es auch bei der deutsch-russischen<br />

Auslandshandelskammer.<br />

Putins Hang zum Interventionismus zerstört<br />

das Vertrauen in den Standort: „Für<br />

das Investitionsklima ist es wichtig, dass<br />

Regeln und Gesetze eingehalten werden“,<br />

sagt der auf Russland spezialisierte Mainzer<br />

Investmentberater Jochen Wermuth<br />

mit Blick auf die Krim-Krise: „Es nicht vertrauensbildend,<br />

wenn man seinem Nachbarn<br />

ein Stück Land wegnimmt.“ Der Rubel<br />

verlor seit 2013 gegenüber Euro und Dollar<br />

ein Drittel an Wert, auch weil im ersten<br />

Quartal mit über 60 Milliarden Dollar mehr<br />

Kapital abfloss als im Gesamtjahr 2013.<br />

Zumindest in Moskau tut man sich<br />

gleichwohl noch schwer, Zeichen der Krise<br />

zu finden: Moderne West-Autos haben alte<br />

Lada-Schiguli aus dem Stadtbild verdrängt,<br />

neuerdings gibt es Parkuhren. Ständig öff-<br />

Putins Probleme<br />

Das Wachstum ist schwach...<br />

(BIP gegenüber Vorjahr in Prozent)<br />

...und weil der Rubel fällt...<br />

(Rubel-Kurs zum Euro)<br />

...erhöht die Notenbank die Zinsen<br />

(Leitzinsen in Prozent)<br />

5<br />

52<br />

12<br />

4<br />

51<br />

10<br />

2010 11 12 13 14<br />

Quelle:IWF, Thomson Reuters<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

März April Mai<br />

50<br />

49<br />

48<br />

47<br />

2008 09 10 11 12 13 14<br />

8<br />

6<br />

4<br />

FOTOS: PICTURE-ALLIANCE/DPA, PRIVAT<br />

20 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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Herr Hagemann, wie groß ist die<br />

Furcht deutscher Unternehmen vor<br />

weiter gehenden Sanktionen gegen<br />

Russland?<br />

Es ist eine deutliche Unruhe zu spüren.<br />

Wenn Russland wegen eines Embargos<br />

zum Beispiel die Einnahmen aus Rohstoffexporten<br />

wegbrechen, würde der<br />

dortigen Wirtschaft rasch das Kapital<br />

zur Beschaffung deutscher Maschinen<br />

oder Autos fehlen. Die Schwächung<br />

der russischen Wirtschaft würde dann<br />

die deutsche zeitversetzt ebenfalls<br />

schädigen.<br />

Bislang treffen die Maßnahmen von<br />

EU und USA nur Einzelpersonen aus<br />

Putins Umfeld – und nicht ganze<br />

Wirtschaftszweige...<br />

...aber in Russland sind viele deutsche<br />

Mittelständler aktiv, die sich zum ersnen<br />

neue Cafés mit Freiluft-Terrassen.<br />

Gourmetköche aus dem Westen kochen<br />

für Restaurants. Parks sind renoviert; der<br />

trendige Russe flitzt jetzt auf breiten Skateboards<br />

und Rollern über die Flusspromenade<br />

am Gorki-Park. Man hat den Eindruck,<br />

als wollten die Machthaber gegen<br />

potenzielle Unzufriedenheit in der Bevölkerung<br />

vorbauen, indem sie aktiv in Lebensqualität<br />

investieren.<br />

Wie ein Ereignis aus grauer Vorzeit wirken<br />

in diesen Frühsommertagen die Massendemonstrationen<br />

<strong>vom</strong> Dezember 2011.<br />

Eine frustrierte Mittelschicht hatte damals<br />

auf dem nahen Bolotnaja-Platz nach Wahlfälschungen<br />

dem Unmut über Korruption<br />

und Willkürherrschaft Luft gemacht. Putins<br />

schlimmste Albträume wurden wahr:<br />

Eine „bunte“ Revolution, gerichtet gegen<br />

ihn! Doch der Kremlchef reagierte taktisch<br />

klug, indem er die Protestler gewähren ließ<br />

– und strategisch fatal, indem er danach zu<br />

schärferer Repression überging und die liberalen<br />

Kräfte aus dem Alltag verdrängte.<br />

Heute ist Russland unter Putin so autoritär,<br />

wie es selbst die Sowjetunion nicht immer<br />

war. Kritik lässt der Kreml im Keim ersticken,<br />

Demonstrationen sind meist verboten,<br />

Andersdenkende werden verhaftet.<br />

Mit Einschränkungen der Versammlungsfreiheit,<br />

Gesetzen gegen Homosexualität<br />

und der Ausweisung ausländischer Organisationen<br />

als „Spione“ distanziert sich die<br />

russische Elite von bürgerlichen Freiheiten<br />

und politischen Rechten, die immer noch<br />

in der Verfassung stehen. Wem dieses Klima<br />

der Unfreiheit nicht passt, der wandert<br />

aus – oft nach London, Berlin, San Francisco<br />

und Hongkong. Wachsamen Beobachtern<br />

fällt bei jeder Auslandsreise auf, wie<br />

viele Russen ihrer Heimat den Rücken gekehrt<br />

haben. Das war mal die neue Elite.<br />

Die Abkehr <strong>vom</strong> Westen funktioniert, da<br />

die Staatsmedien mit verblüffendem Erfolg<br />

neue Feindbilder schaffen. Demnach marodieren<br />

in der Ukraine Faschisten auf Befehl<br />

der USA, die EU errichtet Konzentrationslager<br />

für russische Gefangene. „Es wird<br />

einem übel, wenn man in russische Nachrichten<br />

zappt“, sagt ein deutscher Manager.<br />

Dass die Proteste auf dem Maidan zu Beginn<br />

weder proeuropäisch noch antirussisch<br />

waren, sondern sich ähnlich wie in<br />

Moskau gegen die Arroganz der Elite richteten,<br />

ignorieren Putins Mediensoldaten.<br />

Ebenso wie die „kontrollierte Destabilisierung“,<br />

wie man in Moskau die Einflussnahme<br />

auf die Ukraine bezeichnet.<br />

Wenn der Westen zum Feind wird, drohen<br />

auch Geschäftsleuten ungemütli-<br />

»<br />

INTERVIEW Dirk Hagemann<br />

»Bis zu fünf Jahre Haft«<br />

Der Experte für Exportrecht über die Sanktionen gegen Russland –<br />

und die drohenden Strafen bei Verstößen.<br />

»Russland<br />

kann natürlich<br />

jederzeit eigene<br />

Embargos<br />

verhängen«<br />

ten Mal überhaupt mit der Gefahr eines<br />

Embargos konfrontiert sehen. Wir registrieren<br />

in den Unternehmen eine große<br />

rechtliche Unsicherheit im Umgang mit<br />

Sanktionen. Es geht ja zum Beispiel um<br />

die Haftungsfrage, wenn ein Auftrag wegen<br />

eines Embargos ausfällt – oder um<br />

den richtigen Umgang mit gelisteten<br />

Personen. Hinzu kommt, dass manche<br />

Firmen, etwa Elektronikzulieferer aus<br />

der Luft- und Raumfahrtbranche, schon<br />

jetzt Verzögerungen bei Ausfuhrgenehmigungen<br />

nach Russland beklagen. Die<br />

Sanktionen sind für uns Wirtschaftsanwälte<br />

ein Thema, obwohl – noch – kein<br />

echtes Wirtschaftsembargo verhängt<br />

worden ist.<br />

DER JURIST<br />

Hagemann, 37,<br />

ist Rechtsanwalt<br />

und Experte für<br />

Exportrecht in<br />

der Kanzlei Hohmann<br />

im hessischen<br />

Büdingen.<br />

Wie wirkt sich die Möglichkeit härterer<br />

Sanktionen auf den Handel und die<br />

Investitionen aus?<br />

Die wirtschaftlichen Sorgen und die<br />

rechtliche Unsicherheit können im<br />

Extremfall dazu führen, dass sich Unternehmen<br />

auch aus dem legalen Russland-<br />

und Ukrainegeschäft zurückziehen<br />

– weil die rechtlichen Risiken und<br />

der administrative Aufwand zu groß werden.<br />

Wir kennen dieses Problem aus<br />

dem Iran-Embargo.<br />

Einige russische Politiker haben gedroht,<br />

im Falle von Sanktionen die<br />

Vermögen westlicher Unternehmen zu<br />

beschlagnahmen. Ist das juristisch<br />

möglich?<br />

Eine Beschlagnahme als Enteignung<br />

dürfte in jedem Fall rechtswidrig sein,<br />

weil sie gegen den völkerrechtlichen<br />

Mindeststandard für ausländische Unternehmen<br />

verstößt. Russland kann aber<br />

natürlich jederzeit eigene Embargos verhängen.<br />

Ob diese dann mit dem Regelwerk<br />

der Welthandelsorganisation WTO<br />

vereinbar wären, ist zweifelhaft.<br />

Wie sollten sich Unternehmen bei künftigen<br />

Russlandgeschäften verhalten?<br />

Es ist wichtig, eine funktionierende Exportkontrolle<br />

zu installieren. Wer vorsätzlich<br />

gegen das derzeitige Embargo<br />

verstößt, dem drohen bis zu fünf Jahre<br />

Gefängnis, bei Fahrlässigkeit ist eine<br />

Geldbuße bis zu 500 000 Euro möglich.<br />

Also sollte es ein deutscher Unternehmer<br />

unbedingt vermeiden, mit einer<br />

gelisteten Person Handel zu treiben oder<br />

Geld an sie zu zahlen. Das ist im Moment<br />

aber noch beherrschbar.<br />

florian.willershausen@wiwo.de<br />

WirtschaftsWoche 7.6.<strong>2014</strong> Nr. 24 21<br />

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Politik&Weltwirtschaft<br />

»<br />

che Zeiten. Kremlnahe Politiker denken<br />

laut über Gegensanktionen nach, nachdem<br />

der Westen einzelnen Ober-Russen<br />

Konten gesperrt hat und ihnen die Einreise<br />

verweigert. Die russischen Ideen reichen<br />

von der Zwangsschließung von McDonald’s-Filialen<br />

bis hin zur Konfiszierung<br />

von Vermögenswerten ausländischer Investoren.<br />

Die Staatsduma arbeitet an einem<br />

Gesetz, das dies möglich macht.<br />

HEILIGER KRIEG GEGEN LIBERALE<br />

Liberale haben es schwer in solchen Tagen.<br />

Zwar halten sich einige Leichtgewichte<br />

dieses früher mächtigen Flügels an den<br />

Spitzen von Notenbank und Finanzministerium.<br />

Einfluss auf Putin haben dagegen<br />

radikale Wirrköpfe, die dem Land eine nationalistisch-konservative<br />

Ideologie verpassen<br />

wollen. Talkmaster Dmitri Kisseljow<br />

hetzt im Fernsehen gegen den Westen,<br />

der Politologe Alexander Dugin propagiert<br />

einen „heiligen Krieg“ gegen den Liberalismus<br />

im verweichlichten Westen. Sergej<br />

Glasjew, der Putin in Wirtschaftsfragen berät,<br />

forciert die Zuwendung Russlands hin<br />

zu China und träumt den Traum der Eurasischen<br />

Union (siehe Seite 23). Das nationalistische<br />

Getrommel ist freilich auch<br />

Ausdruck einer tiefen Enttäuschung über<br />

den Westen. Auf Putins Idee der Freihandelszone<br />

von Wladiwostok bis Lissabon<br />

ging in der EU niemand ein, in der EU-<br />

Nachbarschaftspolitik gegenüber der<br />

Ukraine fühlt sich Russland übergangen.<br />

Ökonomisch besonders fatal ist die Monostrukturierung<br />

der Wirtschaft. Eigentlich<br />

wollte Putin sein Land unabhängiger machen<br />

von Öl- und Gasexporten. Man müsse<br />

sich auf High Tech konzentrieren, um<br />

künftig Wohlstand zu garantieren, schrieb<br />

Öl für Putin Jedes Jahr steigert Russland die Ölförderung wie hier in Nordsibirien –<br />

doch die Effekte für das Wirtschaftswachstum bleiben mittlerweile aus<br />

Land daher Benzin und Diesel importieren.<br />

Sogar Plastik-Mülltonnen führt Russland<br />

aus Deutschland ein, weil es an petrochemischen<br />

Betrieben fehlt. „Sie haben<br />

aus der Rohstoffwirtschaft herausgeholt<br />

was möglich war, aber nun müssen neue<br />

Wachstumsquellen her“, sagt Christopher<br />

Hartwell, Konjunkturforscher an der Skolkovo<br />

School of Management. Dazu sei es<br />

nötig, das „grauenvolle Investitionsklima“<br />

zu verbessern.<br />

Hier war Russland schon mal weiter. Als<br />

Dmitri Medwedew 2008 Präsident wurde,<br />

ließ er Beamte in Bussen in eine Kleinstadt<br />

kutschieren, wo er mittelständische Betriebe<br />

besuchte und sich von Erfahrungen mit<br />

Behörden berichten ließ. Danach stauchte<br />

er die Beamtenschar vor laufenden Kameras<br />

zusammen, nannte sie einen „Albtraum<br />

für Unternehmer“. Medwedew, heute<br />

macht- und wirkungsloser Regierungser<br />

im Januar 2012. Seither aber ist der Anteil<br />

der Rohstoffeinnahmen am Staatshaushalt<br />

und an den Exporten weiter gestiegen.<br />

Und die jüngst mit China geschlossenen<br />

Öl- und Gaslieferverträge dürften<br />

Russland weiter in Richtung Petrostaat<br />

treiben.<br />

Obwohl die Ölförderung in den weithin<br />

ausgebeuteten Feldern aus den Siebzigerjahren<br />

weiter hochgefahren wird und der<br />

Barrelpreis stabil um die 110 Dollar liegt,<br />

trägt der Rohstoffreichtum nicht zur wirtschaftlichen<br />

Entwicklung bei. Im Gegenteil.<br />

Der Reichtum an Rohöl hemmt die<br />

Entwicklung von Wertschöpfungstiefe, die<br />

Russland schon wegen der Beschäftigungseffekte<br />

dringend nötig hat. Die Gasund<br />

vor allem Ölexporte nach Europa sind<br />

für den russischen Fiskus so lukrativ, dass<br />

die Rohstoffe kaum verarbeitet werden.<br />

Mangels Raffineriekapazität muss das<br />

Technik raus, Rohstoffe rein<br />

Waswir nach Russland exportieren...<br />

(in Milliarden Euro)<br />

8,6 Kraftwagen und Zubehör<br />

31,8<br />

8,4<br />

3,2<br />

2,8<br />

2,6<br />

1,8<br />

1,6<br />

1,4<br />

1,2<br />

Maschinen<br />

Chemische Erzeugnisse<br />

DV, elektronische und optische Geräte<br />

Elektrische Ausrüstungen<br />

Pharmazeutische Erzeugnisse<br />

Nahrungsmittel und Futtermittel<br />

Metallerzeugnisse<br />

Gummi- und Kunststoffwaren<br />

2012;Quelle: Statistisches Bundesamt<br />

...und was wir von dortbeziehen<br />

(in Milliarden Euro)<br />

3,6<br />

3,5<br />

1,0<br />

0,8<br />

0,3<br />

0,2<br />

0,1<br />

0,1<br />

Kohle<br />

Metalle<br />

Erdöl und Erdgas<br />

Kokerei- und Mineralölerzeugnisse<br />

Chemische Erzeugnisse<br />

Flechtwaren ohne Möbel<br />

DV, elektronische und optische Geräte<br />

Maschinen<br />

Papier, Pappwaren<br />

Wir sind dann mal weg<br />

Ausländische DirektinvestitioneninRussland<br />

(in Milliarden Dollar)<br />

2011 2012 2013 <strong>2014</strong><br />

Quelle: OxfordEconomics<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

FOTOS: AGENTUR FOCUS/JUSTIN JIN, ULLSTEIN BILD/NOWOSTI<br />

22 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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chef unter Putin, wollte den Aufbau eines<br />

innovativen Mittelstands fördern und das<br />

Land aus der Ölabhängigkeit befreien.<br />

Aus der Zeit des Aufbruchs ist nur ein futuristisches<br />

Gebäude übrig geblieben. Es<br />

besteht aus einem Plateau mit vier Hochhausquadern<br />

und schaut aus wie ein<br />

Raumschiff, das keine Landegenehmigung<br />

für Moskau erhalten hat: Die Skolkovo<br />

School of Management liegt in einem Dorf<br />

am westlichen Stadtrand, wurde von Russlands<br />

liberaler Wirtschaftselite finanziert<br />

und 2010 eröffnet. Die Eliteschule ist eine<br />

Oase von Innovation und Internationalität,<br />

Symbol eines modernen Russlands, von<br />

dem die neue Generation träumt.<br />

Im hellen Foyer begrüßt Maxim Karpow<br />

seine Besucher. Der Jurist kümmert sich<br />

um Start-ups, ein angeschlossenes Gründerzentrum<br />

hilft bei der Registrierung von<br />

Patenten und der Arbeit am Businessplan.<br />

„Innovationen scheitern in Russland nicht<br />

an den Leuten. Kluge Kreative haben wir<br />

reichlich“, sagt Karpow. Es hapere an der<br />

Kommerzialisierung von Ideen und am Investitionsklima.<br />

„Bei uns haben zu viele<br />

postsowjetische Entscheider keynesianischer<br />

Prägung das Kommando, die wollen<br />

die Wirtschaft steuern und kontrollieren“,<br />

so Karpow. „Echte Veränderungen, ein Klima<br />

für Innovationen, müssen sich in Russland<br />

von unten entwickeln.“<br />

Das kann allerdings dauern. Sogar Absolventen<br />

von Wirtschaftsuniversitäten arbeiten<br />

derzeit lieber für Gazprom, als sich<br />

selbstständig zu machen. Viele hoch qualifizierte<br />

Russen verlassen ihr Land gleich<br />

ganz. Zurück bleiben die Alten und gering<br />

Produktiven, die dem Staat zumal in Krisenzeiten<br />

auf der Tasche liegen.<br />

Wie lange kann Putin seinen Kurs noch<br />

durchhalten? Der Ökonom Jewgeni Gontmacher,<br />

der damals an Medwedews Modernisierungspolitik<br />

mittüftelte, sieht<br />

Russland mit seinen hohen Währungsreserven<br />

für eine längere Stagflation gewappnet.<br />

„Die Teuerung dürfte zwar zu sozialen<br />

Spannungen gerade unter Rentnern und<br />

Staatsbediensteten führen“, so Gontmacher.<br />

Aber der Mix aus Propaganda und Patriotismus<br />

werde vorerst helfen, dass soziale<br />

Unzufriedenheit nicht in politische Proteste<br />

umschlägt – selbst wenn die Preise<br />

fürs Brot schneller steigen als die Renten.<br />

Im Falle sinkender Ölpreise aber wird<br />

sich die ökonomische Schieflage nicht<br />

mehr kaschieren lassen. Fehlen die Petrodollars,<br />

wird es eng für Russland – und am<br />

Ende auch für Putin selbst.<br />

n<br />

florian.willershausen@wiwo.de<br />

BÜNDNISPOLITIK<br />

Putins Bluff<br />

Die auf Kremlinitiative geschaffene<br />

Eurasische Union soll eine politische<br />

Alternative zur EU werden – aber es<br />

fehlt ihr an ökonomischer Substanz.<br />

Dieses Ambiente dürfte Wladimir Putin<br />

gefallen haben. Als der russische Präsident<br />

Ende Mai den Gründungsvertrag für<br />

die Eurasische Wirtschaftsunion unterzeichnete,<br />

saß er auf einem Lehnstuhl,<br />

der einem Thron glich. An seiner Seite:<br />

die für demokratische Umtriebe nicht bekannten<br />

Präsidenten von Kasachstan und<br />

Weißrussland, Nursultan Nasarbajew und<br />

Alexander Lukaschenko.<br />

Mit ihrem Pakt wollen die drei Autokraten<br />

ein wirtschaftliches Gegengewicht zu<br />

EU, China und den USA schaffen. Ab<br />

2015 ist der weitgehend freie Austausch<br />

von Gütern, Dienstleistungen, Kapital und<br />

Arbeitskräften geplant. Böse Zungen sehen<br />

das Konstrukt als „Gegen-EU“ und<br />

ersten Akt zur Wiedererrichtung der Sowjetunion.<br />

Das bestreitet das Präsidenten-<br />

Trio zwar nach außen hin. Kasachstans<br />

Alleinherrscher Nasarbajew scheute allerdings<br />

Vergleiche mit EU und den USA<br />

nicht, Putin sah gar einen „historischen<br />

Moment“ gekommen. Dessen Staatsmedien<br />

posaunten die Botschaft in die Welt:<br />

Die Russen sind wieder Großmacht im Osten<br />

– ob es dem Westen passt oder nicht.<br />

In der Tat trägt die Eurasische Union<br />

den Stempel des Kreml. In dem neuen<br />

Wirtschaftsraum sind 141 Millionen der<br />

170 Millionen Einwohner Russen. Andere<br />

Länder der Region wie Aserbaidschan<br />

und Usbekistan sind zwar eingeladen,<br />

wollen aber nicht mitmachen (und die<br />

Ukraine sowieso nicht).<br />

In den Hauptstädten abseits von Moskau<br />

gibt es nicht wenige, die den Sinn des<br />

Kunstprodukts nicht nur politisch, sondern<br />

auch ökonomisch hinterfragen: Eine<br />

Währungsunion etwa ist <strong>vom</strong> Tisch, denn<br />

auf eine koordinierte Finanzpolitik wollen<br />

sich die drei Autokraten lieber nicht verständigen.<br />

Das rohstoffreiche Kasachstan<br />

muss zudem noch bis 2025 auf den endgültigen<br />

Wegfall der Handelsbarrieren im<br />

Öl- und Gassektor warten, dessen Vereinheitlichung<br />

Moskau ausbremst. Weißrussland<br />

bricht derweil der lukrative Handel<br />

mit Gebrauchtwagen weg, seit das Land<br />

2011 – im Vorgriff auf die Union – die<br />

russischen Außenzölle übernehmen<br />

musste. Unter dem Strich profitieren von<br />

dem Integrationsprojekt im Osten also vor<br />

allem die Russen, die Nachbarländer mit<br />

ihren Waren fluten. Und die Eurasische<br />

Union nebenbei als politische Warnung<br />

an den Westen inszenieren können.<br />

GERINGE PRODUKTIVITÄT<br />

Die Wirtschaftskraft der Eurasischen Union<br />

liegt im Vergleich zur EU bei etwa einem<br />

Siebtel. Zwar lagert unter der Erde<br />

Russlands, Kasachstans und Weißrusslands<br />

ein Fünftel der weltweiten Rohstoffvorkommen,<br />

doch die lassen sich nicht<br />

überall wirtschaftlich aus dem Boden holen.<br />

Nach außen hat die neue Union erst<br />

Autokraten-Trio Die Staatschefs<br />

Nasarbajew, Lukaschenko und Putin beim<br />

Gründungsakt der Eurasischen Union<br />

recht wenig anzubieten: Mangels Produktivität<br />

und teils recht hoher Lohnstrukturen<br />

kann die Union als Werkbank nicht<br />

mit China oder Indien konkurrieren.<br />

Insofern gehört viel Selbstüberschätzung<br />

dazu, wenn Putin die These wagt,<br />

die EU sehe die Eurasische Union als Bedrohung<br />

ihrer Konkurrenzfähigkeit und<br />

schenke ihr darum keine Beachtung. Eher<br />

hat wohl der Moskauer Ökonom Wladislaw<br />

Inosemzew recht, der das Konstrukt<br />

als „Putins politische Veranstaltung ohne<br />

wirtschaftliche Bedeutung“ bezeichnet.<br />

florian.willershausen@wiwo.de<br />

WirtschaftsWoche 7.6.<strong>2014</strong> Nr. 24 23<br />

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Politik&Weltwirtschaft<br />

Mit der Lupe<br />

FINANZEN | Der erste Etat der großen Koalition ist ein Schönwetterhaushalt<br />

– und besteht zu 93 Prozent aus konsumptiven <strong>Ausgabe</strong>n.<br />

Werden wir in Deutschland jemals<br />

ohne Schulden sein? Auf diese<br />

Frage, die ihm gelegentlich von<br />

jungen Leuten gestellt wird, antwortet<br />

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble<br />

gerne so: „Hoffentlich nie, denn die Voraussetzung<br />

dafür wäre eine Währungsreform,<br />

und das ist immer eine große Katastrophe.“<br />

Er sei schon froh, wenn die Schuldenlast<br />

im Verhältnis zur Wirtschaftskraft<br />

nicht immer größer werde, sondern sinke.<br />

Der altgediente CDU-Politiker, der seit<br />

1972 im Deutschen Bundestag sitzt und gegen<br />

Ende dieser Legislaturperiode „mit 45<br />

Jahren parlamentarischer Eckrentner“<br />

wird (Schäuble über Schäuble), will sich<br />

nur noch realistische Ziele setzen. Ein Bundeshaushalt<br />

ohne Neuverschuldung zählt<br />

dazu – und nächstes Jahr dürfte es so weit<br />

sein. Dann soll der 300 Milliarden Euro<br />

schwere Etat erstmals seit 45 Jahren ohne<br />

Nettokreditaufnahme auskommen.<br />

Den Schuldenberg – allein der Bund hat<br />

bis März dieses Jahres 1 118 321 373 598 Euro<br />

Miese angehäuft – trägt Schäuble damit<br />

aber noch lange nicht ab. Er versucht es<br />

nicht einmal. „Keine besonderen Leistungen“<br />

könne er hier erkennen, kritisiert der<br />

Präsident des Deutschen Industrie- und<br />

Handelskammertages (DIHK), Eric<br />

Schweitzer im Interview mit der WirtschaftsWoche<br />

(siehe Seite 26). Vielmehr<br />

betont der Wirtschaftsboss: Die Konsolidierung<br />

erfolge „ausschließlich auf Grundlage<br />

der guten Konjunktur, die die Steuereinnahmen<br />

sprudeln lässt“.<br />

„VÖLLIG UNAMBITIONIERT“<br />

Die Haushaltspolitik der großen Koalition<br />

sei „völlig unambitioniert“, urteilt auch Reiner<br />

Holznagel, Präsident des Bundes der<br />

Steuerzahler. Im Koalitionsvertrag komme<br />

das Wort Einsparungen kein einziges Mal<br />

vor. Stattdessen nutze die Koalition die Rekordsteuereinnahmen,<br />

um neue Wohltaten<br />

und Klientel-Programme zu beschließen.<br />

Fast im gleichen Atemzug, in dem die<br />

große Koalition einen nahezu ausgeglichenen<br />

Bundeshaushalt für <strong>2014</strong> verabschiedet<br />

und einen ausgeglichenen Etat für 2015<br />

verkündet, teilt sie allerdings Wechsel aus,<br />

die später fällig werden. Besonders ins<br />

Hehres Ziel Schäuble will 2015 einen Haushalt<br />

ohne Neuverschuldung präsentieren<br />

Kontor der künftigen Generationen fallen<br />

die Rentenbeschlüsse (abschlagfreie Rente<br />

mit 63, Mütterrente). Sie dürften die Rentenkasse<br />

in den nächsten Jahren mit rund<br />

200 Milliarden Euro belasten. Bei den aktuellen<br />

Beratungen über den Bundeshaushalt<br />

<strong>2014</strong> gab Schäuble zu Protokoll, die<br />

Koalition habe beschlossen: „Wir können<br />

uns das leisten.“<br />

Wer ihn kennt, der weiß, dass er in Wirklichkeit<br />

sagt: Wir können uns das nicht leisten.<br />

Doch der Finanzminister mag sich<br />

nicht mehr wehren. Pacta sunt servanda,<br />

so lautet ein Lieblingsspruch des Juristen<br />

Schäuble, und in diesem Fall ist es der Koalitionsvertrag,<br />

dem er sich unterwirft.<br />

Stattdessen kämpft er in den Niederungen<br />

»Wir könnten bis<br />

zu 20 Milliarden<br />

Euro im Haushalt<br />

einsparen«<br />

Reiner Holznagel, Bund der Steuerzahler<br />

der Ebene, um wenigstens seine kurzfristigen<br />

Haushaltsziele zu erreichen. Kurz vor<br />

den parlamentarischen Schlussberatungen<br />

tauchten plötzlich neue Haushaltslöcher<br />

auf. Allein 2,3 Milliarden Euro muss<br />

der Bund in diesem Jahr an die Kernkraftwerksbetreiber<br />

zurückzahlen, weil das<br />

Hamburger Finanzgericht die Brennelementesteuer<br />

für nichtig erklärte. Weitere<br />

700 Millionen Euro fehlen, weil die Steuereinnahmen<br />

in diesem Jahr doch nicht so<br />

stark steigen wie zunächst angenommen.<br />

Die Beamten im Bundesfinanzministerium<br />

wollten daraufhin einfach die Neuverschuldung<br />

von 6,5 auf 8,3 Milliarden Euro<br />

hochfahren, also bis zu der Grenze, wo der<br />

Haushalt noch als „strukturell ausgeglichen“<br />

gilt. Doch Schäubles wichtigster Verbündeter<br />

im Bundestag, der CDU-Haushaltspolitiker<br />

Norbert Barthle, gab die Losung<br />

aus, möglichst dicht bei den 6,5 Milliarden<br />

Euro zu bleiben. Folglich suchten die<br />

Haushaltspolitiker bis tief in die Nacht zum<br />

Freitag noch nach <strong>Ausgabe</strong>n, die sie eindampfen<br />

konnten.<br />

DAS PROBLEM DER GROKO<br />

Dabei hätten sich die Haushaltspolitiker<br />

und die Fachminister (die bei Abschlussberatungen<br />

bisweilen wie Schulkinder vor der<br />

Tür des Haushaltsausschusses warten müssen)<br />

den Aufwand sparen können – wenn<br />

sie sich zuvor richtig zum Sparen entschlossen<br />

hätten. Eine Anleitung gibt es beim<br />

Bund der Steuerzahler. „Nach unserer Analyse<br />

könnten bis zu 20 Milliarden Euro im<br />

Bundeshaushalt eingespart werden“, sagt<br />

Holznagel. Auf seiner Streichliste stehen<br />

ganz oben Subventionen in Höhe von sechs<br />

Milliarden Euro, das Eltern- und Betreuungsgeld<br />

mit drei Milliarden Euro und eine<br />

Milliarde Euro, die sich durch eine Umstellung<br />

beim Bafög von Zuschüssen auf Darlehen<br />

abknapsen ließen. Holznagel: „Wir<br />

brauchen klare Entscheidungen und Sparmaßnahmen,<br />

damit die Schuldenbremse<br />

eingehalten wird und Bürger gleichzeitig<br />

entlastet werden können.“<br />

Genau hier liegt das Problem – die Gro-<br />

Ko traut sich nicht, substanziell zu sparen.<br />

Sie verteilt stattdessen die im Wahlkampf<br />

versprochenen Sozialleistungen und<br />

bräunt sich ansonsten im schönen (Konjunktur-)Wetter.<br />

Von den rund 300 Milliarden Euro, die<br />

im Bundeshalt <strong>2014</strong> zu verteilen sind, entfallen<br />

nach Berechnungen des DIHK 93<br />

Prozent auf konsumptive <strong>Ausgabe</strong>n. Mit<br />

Abstand an der Spitze stehen die Zuschüsse<br />

zur Rentenversicherung mit 83 Milliar-<br />

FOTO: LAIF/DOMINIK BUTZMANN<br />

24 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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Sprudelnde Quellen<br />

Steuereinnahmen von Bund, Ländern und<br />

Gemeinden (in Milliarden Euro)<br />

Bund<br />

Gemeinden<br />

Länder<br />

2008 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18<br />

Quelle: BMF, Arbeitskreis Steuerschätzungen;<br />

ab <strong>2014</strong> Schätzungen<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

den Euro (siehe Tabelle rechts oben). Weitere<br />

Sozialleistungen für die Grundsicherung<br />

im Alter, ALG-II-Zuschüsse und Eingliederungshilfen<br />

schlagen mit 37 Milliarden<br />

Euro zu Buche. Erst dann kommt der<br />

Etat für die Bundeswehr, dicht gefolgt von<br />

den Zinsen für die Bundesschulden.<br />

Investive <strong>Ausgabe</strong>n hingegen muss man<br />

schon fast mit der Lupe suchen – in der<br />

50<br />

Summe sind es mickrige sieben Prozent in<br />

Schäubles Etat. Für die Sicherung des<br />

Hochlohnstandorts Deutschland ist dies<br />

fahrlässig wenig. Allein die Verkehrsinfrastruktur<br />

rottet seit Jahren vor sich hin; statt<br />

einen Marshallplan für die Straßen zu entwerfen,<br />

lassen Bund, Länder und Kommunen<br />

lieber ein paar Brücken sperren und<br />

Schlaglöcher notdürftig flicken.<br />

Wichtiger ist es für Schäuble, sich einen<br />

Platz in den Geschichtsbüchern zu sichern<br />

– als erster Bundesfinanzminister seit 1969,<br />

der einen schuldenfreien Haushalt hinbekommt.<br />

Nächstes Jahr soll es so weit sein,<br />

und dafür mobilisieren Schäubles Beamte<br />

derzeit all ihre Kreativität. Sie haben den<br />

Bundeszuschuss für die Krankenkassen<br />

um ein paar Milliarden gesenkt und finanzierten<br />

die Hochwasserhilfe des Jahres<br />

2013 für die Länder vor, um die nachfolgenden<br />

Haushalte mit Tilgungen aus den<br />

Ländern aufzuhübschen. Zusätzliche Rentenleistungen<br />

lassen sie von der Versichertengemeinschaft<br />

bezahlen. Möglicherweise<br />

müssen Schäubles Beamte nächstes Jahr<br />

noch einen kreativen Schlussspurt einlegen<br />

– wenn die Konjunktur wider Erwarten<br />

einbrechen sollte.<br />

Wohin das Geld fließt<br />

Bundeshaushalt <strong>2014</strong>,<br />

(in Milliarden Euro, Auswahl)<br />

Bundeszuschuss zur Rente<br />

Verteidigung<br />

Zinsen<br />

ALG-II-Zuschüsse<br />

Bildung und Forschung<br />

Verkehrsinfrastruktur<br />

Zuschuss gesetzliche Krankenkassen<br />

Eingliederungshilfe für Behinderte<br />

Entwicklungshilfe<br />

Eltern- und Betreuungsgeld<br />

Grundsicherung im Alter<br />

Quelle: BMF-Kabinettsvorlage<br />

83,0<br />

32,8<br />

30,1<br />

23,4<br />

14,0<br />

12,6<br />

10,5<br />

8,0<br />

6,4<br />

5,9<br />

5,5<br />

Schäuble will auf keinen Fall das Schicksal<br />

seiner Amtsvorgänger erleiden. Hans Eichel<br />

(SPD) machte das Platzen der Internet-Blase<br />

einen Strich durch die Rechnung. Peer Steinbrück<br />

kam kurz vor dem Null-Schulden-<br />

Haushalt die Weltfinanzkrise in die Quere.<br />

Und 2015? Für böse Überraschungen ist<br />

Schäubles Etatentwurf nicht ausgelegt. n<br />

christian.ramthun@wiwo.de | Berlin<br />

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Politik&Weltwirtschaft<br />

»Vor dem Kollaps«<br />

INTERVIEW | Eric Schweitzer Der DIHK-Präsident attackiert die<br />

Regierung – und warnt vor massivem Arbeitskräftemangel.<br />

Herr Schweitzer, der Bundestag hat die<br />

Rente mit 63 beschlossen, der Mindestlohn<br />

und der fast ausgeglichene Etat sind<br />

so gut wie durch. Schlägt die GroKo die<br />

richtigen Pflöcke ein?<br />

Der Staat verfügt über Einnahmen wie<br />

noch nie. Aber das ist offenbar eine Versuchung.<br />

Plötzlich ist es vorbei mit der Zurückhaltung,<br />

die Regierung beschließt soziale<br />

Wohltaten in enormem Ausmaß.<br />

Aber es gibt auch mehr für Forschung,<br />

Bildung und Infrastruktur.<br />

Schauen wir uns das Gesamtbild an. 93<br />

Prozent der Staatsausgaben fließen in den<br />

Konsum. Nur sieben Prozent in Investitionen.<br />

Dabei steht zum Beispiel unsere Verkehrsinfrastruktur<br />

vielerorts vor dem Kollaps.<br />

Statt einer Milliarde Euro mehr für<br />

Straßen und Brücken bräuchten wir jedes<br />

OBERHAUPT DER WIRTSCHAFT<br />

Schweitzer, 48, ist seit März 2013 Präsident<br />

des Deutschen Industrie- und Handelskammertages<br />

(DIHK). Im Hauptberuf führt<br />

der Betriebswirt zusammen mit seinem<br />

Bruder das Entsorgungsunternehmen Alba.<br />

Jahr fünf Milliarden Euro zusätzlich. Auch<br />

müssten unternehmerische Investitionen<br />

und Innovationen besser unterstützt werden,<br />

etwa durch verbesserte Abschreibungsbedingungen...<br />

...und durch eine steuerliche Förderung<br />

von Forschung und Entwicklung?<br />

Das wäre eine zusätzliche Subvention.<br />

Deshalb bin ich kein großer Freund davon.<br />

F&E-<strong>Ausgabe</strong>n sind ohnehin steuerlich<br />

voll absetzbar, und am Ende führen die<br />

Forschungsanstrengungen auch zu höheren<br />

Gewinnen. Das ist der entscheidende<br />

Anreiz. Für besser halte ich die bisherige<br />

Projektförderung. Insgesamt gibt Deutschland<br />

für F&E rund drei Prozent des BIPs<br />

aus, das ist ein Verdienst von Politik und<br />

Wirtschaft. Aber das ist derzeit fast schon<br />

der einzige Lichtblick für den Standort<br />

Deutschland. Die Regierung tut bislang zu<br />

wenig, um unser Fundament für wirtschaftliches<br />

Wachstum zu erhalten.<br />

Immerhin plant Finanzminister Wolfgang<br />

Schäuble für 2015 einen Haushalt ohne<br />

Neuverschuldung. Ist das nicht eine Leistung<br />

– auch für künftige Generationen?<br />

Ich habe großen Respekt vor Herrn Schäuble.<br />

Er ist für Deutschland in diesen turbulenten<br />

Euro- und Bankenkrisenzeiten der<br />

richtige Minister. Bei der Haushaltskonsolidierung<br />

kann ich allerdings keine besonderen<br />

Leistungen erkennen. Sie erfolgt<br />

ausschließlich auf Grundlage der guten<br />

Konjunktur, die die Steuereinnahmen<br />

sprudeln lässt.<br />

Schäuble muss umsetzen, was die Koalition<br />

vereinbart hat.<br />

Richtig. Und leider gibt es im Bundestag<br />

keine Partei, die sich gegen die neuen Sozialleistungen<br />

stemmt. Seit dem Ausscheiden<br />

der FDP tritt im Bundestag keine Partei<br />

mehr für die Grundlagen unseres Wohlstandes<br />

ein. Im Gegenteil, alle wollen den<br />

Unternehmen noch mehr Lasten aufbürden.<br />

Nun liegt die FDP auf der Intensivstation.<br />

Könnte die AfD in die Fußstapfen der Liberalen<br />

treten?<br />

Ich kann nicht erkennen, dass die AfD die<br />

Rolle der FDP übernimmt. Aus Sicht der<br />

Wirtschaft wäre zudem ein Abschied <strong>vom</strong><br />

Euro verheerend. Für unsere Unternehmen,<br />

die fast 40 Prozent ihrer Exporte im<br />

Euro-Raum abwickeln, ist die einheitliche<br />

Währung extrem wichtig.<br />

Lange hat die Wirtschaft gegen die abschlagfreie<br />

Rente mit 63 gekämpft. Was<br />

wird schlechter für die Unternehmen?<br />

Viele erfahrene Mitarbeiter scheiden früher<br />

aus und reißen Lücken im Betrieb.<br />

Die Wirtschaft könnte Anreize für Arbeit<br />

ab 63 schaffen, um die Älteren zu halten.<br />

Die Politik schafft mit viel Geld die Anreize,<br />

früher auszusteigen, und wir sollen jetzt<br />

verhindern, dass die Menschen das Angebot<br />

annehmen? Nein, die Anreize eines abschlagfreien<br />

Vorruhestandes sind zu stark.<br />

Besonders ärgert mich, dass es sich hier<br />

um ein Wahlgeschenk für eine bestimmte<br />

Facharbeiterklientel handelt.<br />

FOTO: LAIF/ANDREAS PEIN<br />

26 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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Für den Mindestlohn gilt das nicht. Davon<br />

profitieren Millionen. Arrangieren sich die<br />

Unternehmen nun damit?<br />

Den Unternehmen bleibt ja gar nichts anderes<br />

übrig. Denn an der Entscheidung<br />

wird sich trotz aller Warnungen wohl<br />

nichts mehr ändern. Aber die Auswirkungen<br />

sind gravierend. Es gibt Studien, die sehen<br />

bis zu einer Million Arbeitsplätze bedroht.<br />

Ob sich das einstellt, wird sich zeigen.<br />

Aber klar ist: Der Mindestlohn vernichtet<br />

Jobs.<br />

Der Inhaber der Friseurkette Klier hat wegen<br />

des Mindestlohns bereits Preiserhöhungen<br />

für Haarschnitte angekündigt.<br />

Wie reagieren andere Branchen?<br />

Der Mindestlohn trifft zum Beispiel auch<br />

das Taxigewerbe und Reinigungsfirmen.<br />

Wo die Unternehmen die gestiegenen Personalkosten<br />

an den Verbraucher weitergeben<br />

können, bedeutet das Preiserhöhungen.<br />

Und wir werden Ausweichstrategien<br />

erleben. Wird der Haarschnitt teurer, gehen<br />

die Verbraucher vielleicht seltener<br />

zum Frisör oder lassen es schwarz machen.<br />

Der Mindestlohn schwächt so das Wachstum.<br />

Und er bedroht gerade Jobs für gering<br />

Qualifizierte.<br />

»Jede siebte<br />

Stelle droht unbesetzt<br />

zu bleiben –<br />

ein Wahnsinn«<br />

Wieso?<br />

Ich befürchte, dass viele Jugendliche das<br />

Interesse an einer Ausbildung verlieren,<br />

wenn sie kurzfristig mit Mindestlohn 1500<br />

Euro pro Monat statt 700 Euro bekommen<br />

können. Das rächt sich vor allem dann,<br />

wenn die Konjunktur mal wieder schlechter<br />

läuft. Wir haben heute schon 1,4 Millionen<br />

Menschen zwischen 25 und 35 Jahre<br />

ohne Ausbildung. Die Hälfte davon ist<br />

nicht in Beschäftigung. Der Mindestlohn<br />

setzt die Axt an den Anreiz, in die eigene<br />

Zukunft zu investieren.<br />

Die Unternehmen könnten die Ausbildung<br />

ja attraktiver machen.<br />

Was wollen Sie tun? Eine Ausbildung mit<br />

1500 Euro Vergütung anbieten? Das ist<br />

nicht möglich. Eine Ausbildung kostet Unternehmen<br />

viel Geld. Ein Lehrling ist drei<br />

oder vier Tage in der Woche im Betrieb,<br />

den Rest in der Berufsschule. Die demografische<br />

Entwicklung führt schon jetzt dazu,<br />

dass Zehntausende Lehrstellen unbesetzt<br />

bleiben. In den kommenden Jahren<br />

werden noch weniger junge Menschen die<br />

Schule verlassen. Das ist eine Gefahr für<br />

den Standort.<br />

Wie groß ist denn der Fachkräftemangel<br />

wirklich?<br />

Die Fachkräftesicherung ist das strategische<br />

Thema der Zukunft. 38 Prozent unserer<br />

Mitglieder warnen bereits, dass sich das<br />

Fehlen von guten Leuten für sie zu einem<br />

Geschäftsrisiko auswächst. Anfang 2010<br />

haben das gerade mal 16 Prozent so gesehen.<br />

Vor allem im Pflegebereich, bei Ingenieurbüros<br />

und Softwarefirmen werden<br />

Leute gesucht. Bis 2025 fehlen bis zu sechs<br />

Millionen Arbeitskräfte. Mit anderen Worten:<br />

Jeder siebte Arbeitsplatz droht unbesetzt<br />

zu bleiben. Ein Wahnsinn.<br />

Was schlagen Sie vor?<br />

Wir brauchen einen Mix an Maßnahmen.<br />

Wir müssen beispielsweise Müttern die<br />

Möglichkeit eröffnen, wieder schneller<br />

»<br />

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Politik&Weltwirtschaft<br />

»<br />

Vollzeit in den Arbeitsmarkt zurückzukehren.<br />

Ein bedarfsgerechtes Kinderbetreuungsangebot<br />

könnte 850 000 zusätzliche<br />

Fachkräfte mobilisieren. Stattdessen<br />

leistet sich Deutschland europaweit die<br />

zweithöchste Teilzeitquote unter Frauen.<br />

Auch bei Älteren liegen noch weitere Beschäftigungspotenziale<br />

– was allerdings<br />

durch die Rente mit 63 eher konterkariert<br />

wird. Zudem brauchen wir mehr Zuwanderung.<br />

Jedes Jahr müssten unter dem<br />

Strich rund 300 000 Zuwanderer, einschließlich<br />

Familien, nach Deutschland<br />

kommen – das wären bis 2025 dann 1,5<br />

Millionen Fachkräfte.<br />

Ausländische Fachkräfte müssten den<br />

Unternehmen doch eigentlich die Bude<br />

einrennen. Warum tun sie das nicht?<br />

Wir brauchen zum Beispiel eine noch bessere<br />

Willkommenskultur. Einige IHKs unterstützen<br />

bereits Welcome Center, um Zuwanderern<br />

bei den ersten Behördengängen und<br />

Sprachproblemen zu helfen. Das müssen<br />

wir intensivieren. Im Kern muss es uns gelingen,<br />

ein positives Bewusstsein zu schaffen,<br />

dass wir in Deutschland Zuwanderung<br />

brauchen. Das ist zentral für unseren Wohlstand.<br />

Dabei sollten wir den Bürgern die<br />

Angst nehmen, ihnen würden Jobs weggenommen,<br />

oder es gäbe eine Zuwanderung<br />

in die Sozialsysteme. Im Kern geht es um die<br />

Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte.<br />

In Deutschland beginnt mittlerweile jeder<br />

zweite Jugendliche ein Studium. Das dürfte<br />

Ihnen kaum gefallen, oder?<br />

Den Trend zur Akademisierung um jeden<br />

Preis müssen wir stoppen, damit Deutschland<br />

nicht die praktisch ausgebildeten<br />

Fachkräfte ausgehen. Zu viele Jugendliche<br />

werden an Hochschulen geschickt, obwohl<br />

sie da nicht hinpassen. Inzwischen bricht<br />

fast jeder Vierte das Studium ab, in den Naturwissenschaften<br />

sogar jeder Zweite. Das<br />

ist menschlich ein Drama und volkswirtschaftlich<br />

ein Desaster.<br />

Wie entwickelt sich der Arbeitsmarkt im<br />

Verlauf des Jahres?<br />

Wir rechnen mit einem Plus von 300 000<br />

neuen Stellen. So brauchen Versicherungen,<br />

Forschungsinstitute, IT-Firmen und<br />

Beratungen rund 100 000 Fachkräfte zusätzlich.<br />

Pflege und Gesundheit stocken<br />

um 60 000 auf, die Metall- und Elektroindustrie<br />

um 40 000, der Handel um 35 000<br />

und die Baubranche um 20 000. Der Arbeitsmarkt<br />

ist robust – zumindest so lange,<br />

wie politische Fehlentscheidungen noch<br />

nicht durchschlagen.<br />

n<br />

christian.ramthun@wiwo.de | Berlin,<br />

christian.schlesiger@wiwo.de | Berlin<br />

Simcity lässt grüßen<br />

GROSSPROJEKTE | Wer öffentliche Ausschreibungen gewinnen will,<br />

muss künftig fünfdimensional bauen. Das soll Milliarden sparen.<br />

Leider kein Spiel<br />

Berliner Flughafen<br />

versenkt Milliarden<br />

Mitarbeiter des Flughafens in Berlin<br />

(BER) nennen die Anlage nur<br />

„Monster“. Seit Monaten suchen<br />

sie nach Wegen, die Entrauchungsanlage<br />

ans Laufen zu bekommen. Doch Raumnummern<br />

widersprechen Bauplänen, Kabelstränge<br />

winden sich irgendwie durch kilometerlange<br />

Schächte, Brandmelder steuern<br />

falsche Entrauchungsklappen an. Nach<br />

der Entlassung des unter Korruptionsverdacht<br />

stehenden Technikchefs sucht<br />

Hartmut Mehdorn, Vorstandsvorsitzender<br />

des BER, einen Nachfolger – ein Höllenjob.<br />

Dabei hätte es die Probleme gar nicht geben<br />

müssen, hätte eine zentrale Datenbank<br />

alle Schritte <strong>vom</strong> Spatenstich über<br />

den Rohbau bis zur Endfertigung notiert<br />

und sämtliche Planänderungen abgespeichert.<br />

Doch die gibt es nicht. Das heißt:anderswo<br />

schon. Nur beim BER nicht. Dort<br />

wurschtelt jeder vor sich hin.<br />

BAUEN IN 5-D<br />

In Zukunft soll so ein Bau-GAU wie in Berlin<br />

unmöglich werden. Der Bund will digitale<br />

Planungsmethoden, im Fachjargon<br />

„Building Information Modeling“ (BIM),<br />

zum Standard beim Bau öffentlicher Gewerke<br />

erheben. Ein Großprojekt wird dabei<br />

als dreidimensionales Modell entworfen.<br />

Hinzu kommen Kosten- und Zeitprognosen.<br />

Die Reformkommission „Großprojekte“,<br />

die als Folge vermurkster Bauten wie<br />

25 Prozent<br />

der Baukosten lassen<br />

sich durch virtuelle<br />

Prototypen einsparen<br />

BER, S21 und Elbphilharmonie regelmäßig<br />

tagt, will so Zeit, Kosten und Ärger sparen.<br />

Simcity lässt also grüßen. Denn wie bei<br />

dem beliebten Computerspiel, bei dem<br />

Nutzer ganze Städte errichten, entsteht bei<br />

BIM ein Projekt zunächst als virtueller Prototyp.<br />

„Ziel ist, erst digital, dann real zu<br />

bauen“, heißt es in einem Ergebnisbericht<br />

der Expertengruppe. BIM werde künftig<br />

„unternehmensübergreifend von allen an<br />

einem Projekt Beteiligten angewandt“. Auf<br />

Architekten, Baufirmen und Subunternehmen<br />

wirkt das disziplinierend, weil sie<br />

schon im Vorfeld eines Projekts ihre Ideen<br />

und Skizzen zur Verfügung stellen müssen.<br />

Der Einsatz von BIM „stellt die Baubranche<br />

vor einen Paradigmenwechsel“, sagt<br />

Joaquín Díaz, Professor für Bausoftware an<br />

der Technischen Hochschule Mittelhessen.<br />

„Bislang zeichnen Ingenieurbüros ihre<br />

Baupläne größtenteils noch zweidimensio-<br />

FOTO: ACTION PRESS/BJÖRN KIETZMANN<br />

28 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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nal, mailen sie herum und nehmen den<br />

Ausdruck mit auf die Baustelle.“ Künftig<br />

werde „ganzheitlich geplant“, so Díaz. Im<br />

Fokus stehe der Lebenszyklus eines Bauwerks.<br />

Die Beteiligten speichern auch Zusatzinfos<br />

wie Herstelldatum technischer<br />

Anlagen ab und ergänzen, wann die nächste<br />

Wartung ansteht. „Andere Branchen wie<br />

die Automobil-, Chemie- und Flugzeugindustrie<br />

arbeiten seit Jahrzehnten mit diesen<br />

Modellen“, sagt Díaz. „Die konservative<br />

Baubranche hinkt Jahre hinterher.“<br />

Die Einsparungen sind gigantisch. „Bis<br />

zu 25 Prozent der Gesamtkosten eines<br />

Großprojektes können eingespart werden“,<br />

sagt Díaz. US-Studien gehen von bis zu 40<br />

Prozent aus. Grund: Teurer wird ein Bauprojekt<br />

dann, wenn Fehler bei Planung,<br />

Ausführung oder Koordination später ausgebügelt<br />

werden müssen. Das passierte<br />

auch bei BER, S21 und Elbphilharmonie.<br />

Im Ausland gehört digitales Bauen längst<br />

zum Alltag. Um in Skandinavien eine Baugenehmigung<br />

zu erhalten, müssen Firmen<br />

ihre Unterlagen in BIM-Standard einreichen.<br />

Ähnliches gilt in Holland, Australien<br />

und den USA. Großbritannien macht BIM<br />

ab 2016 zur Pflicht. Eine „BIM Task Group“<br />

erarbeitet die Standards. Auch dem Bund<br />

ist die Einrichtung einer BIM-Arbeitsgruppe<br />

fünf Millionen Euro pro Jahr wert, heißt<br />

es in dem Kommissionsbericht.<br />

MITTELSTAND UNTER ZUGZWANG<br />

Die Digitalisierung setzt die Baubranche<br />

jedoch unter Druck. „Die vielen kleinen<br />

Planungsgesellschaften mit ihren durchschnittlich<br />

zehn Mitarbeitern in Deutschland<br />

haben bislang nie großes Interesse an<br />

der digitalen Transformation gezeigt“, sagt<br />

Díaz. Für BIM müssten Beschäftigte firmenintern<br />

geschult und abgestellt werden.<br />

Dies sei allenfalls für die größeren Ingenieurbüros<br />

mit bis zu 1000 Mitarbeitern<br />

machbar. Und selbst die wirken im Gegensatz<br />

zu britischen Planungsgiganten mit<br />

15 000 Mitarbeitern wie Zwerge.<br />

Der verpflichtende Einsatz von BIM bei<br />

öffentlichen Aufträgen würde deutschen<br />

Softwareschmieden jedenfalls einen<br />

Schub bescheren. Größere Hersteller wie<br />

Nemetschek und RIB sowie Start-ups wie<br />

Sablono stammen aus Deutschland. Sie<br />

verkaufen ihre Software vor allem ins Ausland.<br />

Und bald wohl auch hier. Die Nemetschek-Tochter<br />

Allplan startete jüngst mit<br />

kostenlosen Infoseminaren. Vorstand Thomas<br />

von Küstenfeld: „Die Veranstaltungen<br />

waren deutlich überbucht.“<br />

n<br />

christian.schlesiger@wiwo.de | Berlin<br />

WirtschaftsWoche 7.6.<strong>2014</strong> Nr. 24 29<br />

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Politik&Weltwirtschaft<br />

Preise<br />

marsch!<br />

WASSER | Seit die Kartellämter<br />

nicht mehr einschreiten<br />

dürfen, haben Kommunen<br />

bei den Preisen freie Hand –<br />

und nutzen das aus.<br />

Andreas Mundt wählte scharfe<br />

Worte: „Dieses Gesetz ist ein harter<br />

Schlag für alle Wasserverbraucher“,<br />

schimpfte der Präsident des Bundeskartellamtes<br />

vor gut einem Jahr. „Unserer<br />

Arbeit wird der Boden entzogen.“ Grund<br />

seines Zorns war die „Achte Novelle des<br />

Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen“,<br />

mit der die schwarz-gelbe Bundesregierung<br />

dem Kartellamt die Kontrolle über<br />

die Wassergebühren entzog. Die Wettbewerbshüter<br />

warnten, überfällige<br />

Preissenkungen würden nun erst recht<br />

unterbleiben. Die Wasserversorger<br />

wiegelten ab. Heute zeigt sich: Mundt<br />

hat recht behalten.<br />

Der Wassermarkt ist Deutschlands<br />

letztes Monopol. Obwohl wir eines der<br />

wasserreichsten Länder der EU sind, gehören<br />

die Preise zu den Höchsten. Das<br />

Problem: Der Wasserpreis hängt stark von<br />

lokalen Gegebenheiten ab und ist in seiner<br />

Berechnung so komplex, dass eine Preiskontrolle<br />

nur mit großem Aufwand erfolgen<br />

kann. Über Jahrzehnte fand sie faktisch<br />

gar nicht statt – bis die Kartellämter um die<br />

Jahrtausendwende herum das neue Betätigungsfeld<br />

entdeckten. Die Wettbewerbshüter<br />

stießen schnell auf Unglaubliches:<br />

Preisunterschiede von mehreren Hundert<br />

Prozent, zum Teil zwischen benachbarten<br />

Städten. Die personell<br />

schlecht ausgestatteten<br />

Marktwächter setzten gegenüber<br />

den Wasserwerken (von<br />

denen es mehrere Tausend<br />

gibt) auf eine Abschreckungsstrategie:<br />

Einzelne, aufsehenerregende<br />

Verfahren mit hohen Schadenssummen<br />

sollten andere Anbieter<br />

gar nicht auf die Idee bringen,<br />

Wucherpreise zu kassieren.<br />

Dafür nutzten sie ein rechtliches<br />

Vakuum. Auf dem Papier<br />

sind die Kartellbehörden nur für<br />

die Preiskontrolle privater Unternehmen<br />

zuständig. Viele Wasserwerke<br />

haben zwar einen privatrechtlichen<br />

Organisationsmantel,<br />

doch die Wahl der Rechtsform<br />

steht ihnen frei. Sind sie<br />

öffentlich-rechtlich organisiert<br />

(und nehmen statt Preisen<br />

Gebühren), ist die Kommunalaufsicht<br />

zuständig. Bis 2013<br />

war nicht explizit geregelt, ob die<br />

Kartellbehörden trotzdem auch<br />

gegen überhöhte Gebühren einschreiten<br />

können. Also taten sie<br />

es einfach und bekamen in<br />

mehreren Verfahren recht. 2010<br />

etwa verlor die Stadt Wiesbaden<br />

vor dem Bundesgerichtshof und<br />

musste ihre Preise um 40 Prozent<br />

senken. Die Stadtwerke Mainz<br />

senkten ihre Entgelte 2012 um 15<br />

Prozent. Vor vier Wochen schließlich<br />

wurden die Berliner Stadtwerke<br />

dazu verdonnert, ihre<br />

Wasserkunden um satte 18 Prozent zu<br />

entlasten.<br />

Leider dürfte dies der letzte Erfolg im<br />

Sinne der Verbraucher sein. Das Berliner<br />

Verfahren stammt noch aus der Zeit vor<br />

der GWB-Novelle, seit 2013 ist klar: Kommunale<br />

Eigenbetriebe bleiben den Kartellämtern<br />

verschlossen. Mehr und mehr zeigen<br />

sich nun die Folgen der Gesetzesänderung.<br />

„Unternehmen können sich durch<br />

eine einfache Umstrukturierung jederzeit<br />

der Kontrolle durch die Kartellbehörden<br />

entziehen. Das schafft eine Vorfeldwirkung“,<br />

schimpft Mundt. Wenn Kartellbehörden<br />

beginnen, die Preisgestaltung eines<br />

Wasserbetriebs zu hinterfragen, sind<br />

sie der Gefahr ausgesetzt, dass dieser flugs<br />

seine Rechtsform ändert. Mundt: „Es gibt<br />

genügend Beispiele von Stadtwerken, die<br />

im laufenden Verfahren ihre Organisationsform<br />

geändert haben.“<br />

KARTELLÄMTER RESIGNIEREN<br />

Die meisten Kartellämter haben aufgegeben<br />

und strengen keine neuen Verfahren<br />

an. Denn auch der politische Wind hat sich<br />

gedreht. In Hessen, wo das Wirtschaftsministerium<br />

über Jahre den Kampf gegen hohe<br />

Wasserpreise vorantrieb, ist das Thema<br />

gar völlig aus dem Aufgabenbereich des<br />

Kartellamts verschwunden. Für Wasser ist<br />

nun ein „Referat für Energieregulierung“<br />

zuständig. Dem umtriebigen Kartellamtsleiter<br />

wurde der Aufgabenbereich „Nahmobilität“<br />

übertragen.<br />

Vor wenigen Wochen haben die hessischen<br />

Industrie- und Handelskammern<br />

die Wasserpreise im Land vergleichen lassen.<br />

Sie tun das immer mal wieder, früher<br />

folgte zuverlässig ein Fanal aufgebrachter<br />

Politiker, die nach Preissenkungen riefen.<br />

Diesmal war es anders. Zwar liegt die<br />

Streuung der Preise nach wie vor bei 400<br />

Prozent. Auch das Niveau steigt weiter an.<br />

Doch die Reaktion des Innenministers Peter<br />

Beuth (CDU) ging in die andere Richtung:<br />

Man weise die Kritik „mit aller Deutlichkeit<br />

als nicht sachgerecht“ zurück. n<br />

konrad.fischer@wiwo.de<br />

FOTOS: FOTEX/L.KARL, GETTY IMAGES/PLAINVIEW; MONTAGE: DMITRI BROIDO<br />

18 Prozent<br />

zu hoch waren jahrelang die Wasserpreise in<br />

Berlin<br />

Um400 Prozent<br />

unterscheiden sich die Wasserpreise<br />

allein in Hessen<br />

30 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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Politik&Weltwirtschaft<br />

Zu kurz gedacht<br />

FORUM | Die Pläne der großen Koalition für eine Frauenquote in der Wirtschaft könnte zu Ausweichreaktionen<br />

der betroffenen Betriebe führen. Die Quote berührt die Eigentumsfreiheit der Unternehmer<br />

– und dürfte am Ende vor dem Bundesverfassungsgericht landen. Von Brun-Hagen Hennerkes<br />

FOTOS: ACTION PRESS/DIE BILDSTELLE, VISUM/STEFAN BONESS<br />

Seit Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) und Justizminister<br />

Heiko Maas (SPD) ihre Leitlinien für die geplanten<br />

Geschlechterquoten veröffentlichten, herrscht Unruhe in<br />

der Wirtschaft. Unternehmen, die sowohl paritätisch mitbestimmt<br />

als auch börsennotiert sind, müssen ab 2016 ihre Aufsichtsratssitze<br />

weiblich besetzen, bis ein Anteil von 30 Prozent Frauen erreicht ist.<br />

Ansonsten bleiben die vakanten Aufsichtsratssitze leer.<br />

Da stellt sich die Frage: Warum darf sich nach diesen Kriterien<br />

die Bosch-Gruppe (im Inland<br />

rund 1<strong>07</strong> 000 Mitarbeiter,<br />

nicht an der Börse) eine<br />

geringere Frauenquote erlauben<br />

als der Druckmaschinenhersteller<br />

Koenig &<br />

Bauer (im Inland rund 4000<br />

Mitarbeiter und börsennotiert)?<br />

Einen Eingriff in der<br />

vorgesehenen Dimension<br />

muss der Gesetzgeber sehr<br />

gut rechtfertigen. Börsennotierte<br />

Aktiengesellschaften<br />

sind wegen des Anlegerschutzes<br />

bereits stark reguliert.<br />

Die Frage, ob gesellschaftspolitische<br />

Ziele eine<br />

weitere Regulierung rechtfertigen,<br />

dürfte ein weiteres<br />

Mal vor dem Bundesverfassungsgericht landen. Denn die Frauenquote<br />

tangiert das Grundrecht auf Eigentum des Unternehmers in<br />

dreifacher Weise: bei der Personalauswahl, bei der Organisation<br />

sowie der Finanzierung seiner Firma.<br />

Von oben verordnet Die Bundesregierung will Unternehmen zwingen,<br />

mehr Führungspositionen mit Frauen zu besetzen – und einen<br />

Frauenanteil in den Aufsichtsräten von 30 Prozent durchsetzen.<br />

UNGEWÖHNLICHE FRIST<br />

Erstens: Der Unternehmer ist in einem Kernbereich, bei der Auswahl<br />

seiner Aufsichtsratsmitglieder und Mitarbeiter, nicht mehr<br />

frei. Nach den bisher veröffentlichten Leitlinien soll jedes börsennotierte<br />

Unternehmen sowie jedes in irgendeiner Form mitbestimmte<br />

Nichtbörsenunternehmen verpflichtet werden, sich eine<br />

Zielvorgabe für den Frauenanteil in Aufsichtsrat, Vorstand und<br />

den zwei Führungsebenen unterhalb des Vorstands zu geben. Die<br />

Verpflichtung ist innerhalb der 18. Legislaturperiode (sie endet<br />

2017) zu erfüllen. Diese Frist ist ungewöhnlich; letztlich geht es<br />

wohl darum, rechtzeitig zur nächsten Wahl Erfolgsmeldungen<br />

auszusenden. Dafür müssen laut den beiden Ministerien 3500 Unternehmen<br />

herhalten, darunter ein guter Teil der Königsklasse der<br />

deutschen Familienunternehmen. Im Januar hatte die Ministerin<br />

nur von 2500 betroffenen Betrieben gesprochen.<br />

Eine einmal festgelegte Frauenquote kann das Unternehmen<br />

auch nachträglich nicht korrigieren. Die Firma muss Frauen einstellen,<br />

auch wenn diese nicht die Qualifikation von am Markt verfügbaren<br />

männlichen Bewerbern besitzen. Im Baugewerbe liegt<br />

der Anteil von Frauen in Führungspositionen bei 15 Prozent, im<br />

verarbeitenden Gewerbe bei 17 Prozent. Nur 16 Prozent aller weiblichen<br />

Studienanfänger wählten die Fachbereiche Mathematik, Informatik,<br />

Naturwissenschaft und Technik (2010).<br />

Kluge Köpfe werden einwenden, Unternehmen könnten sich ja<br />

eine möglichst niedrige Quote geben. Das ist ziemlich kurz gedacht.<br />

Die Listen genau dieser Firmen<br />

werden schon bald in<br />

den Medien zirkulieren. Und<br />

das ist von der Regierung<br />

wohl so einkalkuliert.<br />

Zweitens: Der Gesetzgeber<br />

mischt sich mit dem geplanten<br />

Regelwerk tief in die<br />

Organisation der Unternehmen<br />

ein. Die Zielvorgaben<br />

für die selbst gesetzte Frauenquote<br />

sollen bei Personalentscheidungen<br />

bis in<br />

die zweite Hierarchieebene<br />

unterhalb des Vorstands<br />

gelten. Bei den flachen Hierarchien<br />

der Familienunternehmen<br />

wirkt die Quote sogar<br />

bis auf die Abteilungsleiterebene.<br />

Wer der Quote ausweichen will, wird also entweder nur<br />

scheinbar einflussreiche Positionen kreieren, auf die er Quotenfrauen<br />

setzt, oder neue Führungsebenen einziehen, um die tiefer<br />

gelegenen vor den Zielvorgaben zu bewahren. In jedem Fall befördert<br />

der Gesetzgeber so eine ineffiziente Form der Organisation.<br />

Drittens behindert der Gesetzgeber mit der Frauenquote den<br />

Gang der Unternehmen an die Börse. Wenn die Regierung börsennotierten<br />

Unternehmen neue Regulierungen auferlegt, dann<br />

drängt sie die Wirtschaft <strong>vom</strong> Kapitalmarkt weg.<br />

Für Familienunternehmen sind die vorgesehenen Regeln zudem<br />

ein Anreiz, um Strukturen aufzuspüren, durch die sich eine paritätische<br />

Mitbestimmung vermeiden lässt – etwa durch die Rechtsformwahl<br />

der europäischen Aktiengesellschaft oder den Einsatz<br />

von Spaltungsmodellen. Als die Arbeitnehmer in die Aufsichtsräte<br />

einzogen, folgte ein jahrelanger Streit, ob hierdurch das Grundrecht<br />

auf Eigentum verletzt sei. Die Kritik ist heute weitgehend verstummt.<br />

Die Frauenquote könnte sie wieder aufleben lassen. n<br />

Brun-Hagen Hennerkes, 74, ist Rechtsanwalt<br />

und Vorsitzender der gemeinnützigen Stiftung<br />

Familienunternehmen in Stuttgart.<br />

WirtschaftsWoche 7.6.<strong>2014</strong> Nr. 24 31<br />

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Politik&Weltwirtschaft<br />

Ruhe, bitte!<br />

ÄGYPTEN | Der neue Präsident Sisi will den wirtschaftlichen<br />

Niedergang stoppen – ein realistisches Rezept hat er nicht.<br />

völkerungswachstum. An der Arbeitslosigkeit<br />

– offiziell 13,4 Prozent, in Wirklichkeit<br />

wohl das Doppelte – und der Massenarmut<br />

ändert das nichts.<br />

Auch der Tourismus, der vor 2011 immerhin<br />

zwölf Prozent der ägyptischen Arbeitnehmer<br />

beschäftigte, dürfte erst langsam<br />

wieder in Gang kommen. Die Hotels<br />

in den Badeorten am Roten Meer waren im<br />

Hauptreisemonat Mai höchstens zu 60<br />

Prozent belegt, auf der von Terroristen bedrohten<br />

Sinaihalbinsel zu 35 Prozent, und<br />

in Kairo war gerade mal jedes fünfte Bett<br />

gebucht. Die Sicherheitsbedenken potenzieller<br />

Ägypten-Touristen mögen unter Sisi<br />

langsam zurückgehen – dafür kommt auf<br />

Reisende eine neue Unbill zu. Dem Land<br />

droht das Erdgas auszugehen, weil der mit<br />

den Moslembrüdern sympathisierende<br />

Hauptlieferant Katar den Ägyptern nichts<br />

mehr schenken will. Ohne Erdgas oder<br />

Strom aus Gaskraftwerken könnten in vielen<br />

Hotels die Klimaanlagen abgeschaltet<br />

werden.<br />

Millionen Ägypter verlassen das<br />

fruchtbare Land am Nilufer und<br />

ziehen in die wasserlose Wüste.<br />

Sie bohren Brunnen und bauen 48 neue<br />

Großstädte, acht neue Flughäfen, viele Kilometer<br />

Schnellstraßen und Eisenbahnlinien.<br />

Überbevölkerung und Armut werden<br />

überwunden, Ägypten ist nach über 5000<br />

Jahren überlieferter Geschichte zum ersten<br />

Mal unabhängig <strong>vom</strong> Nil. Die größte Volkswirtschaft<br />

Nordafrikas entwickelt sich <strong>vom</strong><br />

größten Weizenimporteur der Welt zur<br />

Kornkammer des Nahen Ostens.<br />

Glaubt man Abdelfattah al-Sisi, vorige<br />

Woche mit großer Mehrheit zum Präsidenten<br />

von 86 Millionen Ägyptern gewählt, ist<br />

das kein orientalisches Märchen. Den utopisch<br />

anmutenden Entwicklungsplan hat<br />

Sisi sich von einem in den USA lehrenden<br />

ägyptischen Geologieprofessor einflüstern<br />

lassen: Farouk Baz war vor vielen Jahren<br />

Berater der Nasa und predigt seinen<br />

Landsleuten nun, nur ein radikaler Umbau<br />

Ägyptens führe zum Wohlstand.<br />

INDUSTRIE AM BODEN<br />

Die Visionen des Wissenschaftlers und<br />

frischgebackenen Präsidentenberaters helfen<br />

freilich wenig, den trostlosen Zustand<br />

der ägyptischen Wirtschaft in absehbarer<br />

Zeit zu verbessern. Die Industrieproduktion<br />

des Landes brach im vergangenen Jahr<br />

Der zivile Anzug ist gewöhnungsbedürftig<br />

Ex-General Sisi nach der Wahl<br />

um 44 Prozent ein. Aus dieser Krise muss<br />

der bisherige Generalfeldmarschall Sisi<br />

als Präsident erst einmal herausfinden, will<br />

er nicht enden wie sein 2011 gestürzter<br />

Vorvorgänger, der General a. D. Hosni<br />

Mubarak.<br />

Mit der Wahl Sisis „verbinden die Menschen<br />

die Hoffnung auf Sicherheit, Ordnung<br />

und eine Erholung der Wirtschaftslage“,<br />

sagt Rainer Herret, Geschäftsführer der<br />

Deutsch-Arabischen Industrie- und Handelskammer<br />

in Kairo. Die Ägypten-Fachleute<br />

des Internationalen Währungsfonds<br />

(IWF) prognostizieren nach dem Wirtschaftseinbruch<br />

der Revolutionszeit allerdings<br />

nur ein durchschnittliches Wachstum<br />

von 2,4 Prozent in den kommenden<br />

Jahren, das entspricht ungefähr dem Be-<br />

Ausländische<br />

Unternehmen<br />

hoffen auf Sicherheit<br />

und Ordnung<br />

ABHÄNGIG VON NACHBARN<br />

Erschwerend kommt hinzu, dass Ägypten<br />

wirtschaftlich von den arabischen Monarchien<br />

abhängig ist. Sisi wird jeden wichtigen<br />

Schritt mit seinen Geldgebern in Riad<br />

und Abu Dhabi absprechen müssen. Seit<br />

dem Sturz der Moslembrüder vor elf Monaten<br />

haben die Ölmonarchien Saudi-Arabien<br />

und Vereinigte Arabische Emirate<br />

rund 15 Milliarden US-Dollar für das neue<br />

Regime in Kairo springen lassen, darunter<br />

sechs Milliarden zinsfreie Einlagen bei der<br />

ägyptischen Zentralbank und vier Milliarden<br />

für kostenlose Erdöllieferungen. Der<br />

scheidende Ministerpräsident Ibrahim<br />

Mehleb, ein treuer Gefolgsmann Sisis,<br />

überschlägt sich im Lob für die „arabischen<br />

Synergien“ bei der Zusammenarbeit<br />

mit den Herrschern in Riad und Abu Dhabi.<br />

Die halten das viele Geld für eine gute<br />

Versicherung gegen die gestürzten und<br />

heute brutal unterdrückten Moslembrüder<br />

und gegen die aus ihrer Sicht noch gefährlicheren<br />

Demokraten, die im „Arabischen<br />

Frühling“ von 2011 die Region in Aufruhr<br />

versetzt haben.<br />

Auch den herrschenden Militärs und Politikern<br />

geht es zunächst nur um Ruhe. Darum<br />

ließ sich die Regierung am vergangenen<br />

Wochenende anlässlich der Wahl Sisis<br />

etwas Besonderes einfallen: Es gab eine<br />

zehnprozentige Gehaltsaufbesserung für<br />

die sieben Millionen Beschäftigten im öffentlichen<br />

Dienst.<br />

n<br />

hansjakob.ginsburg@wiwo.de<br />

FOTO: ACTION PRESS/ABACA PRESS<br />

32 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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Politik&Weltwirtschaft<br />

FOTO: SASCHA PFLAEGING FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE, WERNER SCHUERING FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE, MARCO UR-<br />

BAN<br />

NEW YORK | Wie<br />

sich ideologische<br />

Gräben in den USA<br />

einfach zuschütten<br />

lassen. Von Martin<br />

Seiwert<br />

Money, Money,<br />

Money<br />

Drogenpolitik, Einwanderung,<br />

Todesstrafe – nach<br />

einem halben Jahr als „US<br />

Resident“ habe ich mir angewöhnt,<br />

einen Bogen um<br />

diese heiklen Themen zu<br />

machen. Sie können den schönsten Abend<br />

ruinieren, so tief ist der Graben zwischen<br />

Linken und Rechten. Doch je mehr die<br />

Ideologien das Land spalten, umso mehr<br />

werden schnöde Dollar zum gesellschaftlichen<br />

Kitt: Marihuana zu legalisieren finden<br />

die Republikaner gar nicht mehr so übel,<br />

seit der Bundesstaat Colorado mit Steuern<br />

auf Marihuana-Produkte erfolgreich seine<br />

Staatskasse saniert. Bessere Schulen<br />

dank legalisiertem Kiffen – der Gesetzesentwurf<br />

ist schon fertig. Und die Erkenntnis,<br />

dass Amerikas Wirtschaft ohne illegale<br />

Latinos im Land nicht funktionieren würde,<br />

scheint endlich den Weg zu einer Einwanderungsreform<br />

zu ebnen.<br />

Selbst bei der Todesstrafe gilt: It’s the<br />

economy, stupid! Der Rückhalt für Giftspritzen<br />

und den neuerdings in Tennessee<br />

wieder hervorgekramten elektrischen<br />

Stuhl bröckelt unaufhörlich. Aber nicht,<br />

weil unlängst zwei Hinrichtungen schiefgingen<br />

und die Gefangenen förmlich zu Tode<br />

gefoltert wurden, auch nicht, weil einer<br />

von 25 Hingerichteten erwiesenermaßen<br />

unschuldig ist. Sondern weil ein Todestrakt<br />

mehr kostet als Fünf-Sterne-Hotels in Beverly<br />

Hills. Wegen des jahrelangen juristischen<br />

Tauziehens bis zu einer Hinrichtung<br />

ist die Todesstrafe für den Staat rund zehn<br />

Mal teurer als ein Lebenslänglich. Das sagen<br />

die amtlichen Zahlen. Ist Rache süß?<br />

Oder primitiv? Gar kein gutes Thema für ein<br />

harmonisches Frühlings-BBQ. Ich sage<br />

jetzt immer, dass ich Rache zu teuer finde.<br />

Das kommt gut an.<br />

Martin Seiwert ist Korrespondent der<br />

WirtschaftsWoche in New York.<br />

BERLIN INTERN | Ungewohntes Gefühl: In der SPD ist<br />

die Oppositionslust so gering wie nie – und die<br />

pragmatischen Regierungs-Sozis sind auf einmal die<br />

Hauptströmung. Von Henning Krumrey<br />

Genossen genießen<br />

Kursbestimmung Auf der „Havel Queen“ ist<br />

Kahrs (rechts) Chef, Gabriel nur Passagier<br />

Langsam vorankommen, aber beständig.<br />

Schon eine Welle machen,<br />

aber nur eine kleine. Kurs<br />

halten und nicht kentern. So sehen<br />

sie sich am liebsten, die „Seeheimer“<br />

in der SPD-Bundestagsfraktion. Schönster<br />

Ausdruck des Selbstverständnisses der<br />

staatstragenden Genossen ist die traditionelle<br />

Spargelfahrt. Einst schipperten sie<br />

von Bonn den Rhein hinauf, nun pflügen<br />

sie einmal im Jahr über den Wannsee. Vergangene<br />

Woche gingen wieder einige Hundert<br />

Abgeordnete, Mitarbeiter, Journalisten,<br />

sonstige Gäste und Lobbyisten, äh,<br />

Sponsoren an Bord der „Havel Queen“.<br />

„Im vergangenen Jahr“, beginnt der<br />

SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann<br />

seine kurze Rede, habe es „zwei gesellschaftliche<br />

Tiefpunkte gegeben: Erst fiel<br />

die Spargelfahrt aus, dann ging die Bundestagswahl<br />

verloren.“ Damals sagten die Veranstalter<br />

die Dampfer-Sause ab, weil in<br />

Ost- und Süddeutschland den Hochwasseropfern<br />

gerade Hab und Gut absoffen.<br />

Diesmal ist die Stimmung so fröhlich wie<br />

seit Jahren nicht. Stolzestrunken beklatschen<br />

sie „sozialdemokratische Reformen<br />

im Wochentakt“, die Oppermann bejubelt.<br />

Nur dass Nahles’ Rentenreform schon fertig<br />

ist „dank der Andrea“, da bleibt der Szenenapplaus<br />

aus. Einmal in Fahrt, staunt Oppermann<br />

über „Talente, die man gar nicht<br />

erwartet hatte: Der Sigmar hält staatsmännische<br />

Reden und Frank-Walter Steinmeier<br />

hält Wutreden.“ Für den weiteren Erfolg der<br />

Sozialdemokratie sei es am besten, „Frank<br />

hält ab und zu Wutreden und Sigmar hält ab<br />

und zu keine Wutrede“. Da brummt der Parteivorsitzende<br />

Sigmar Gabriel von seinem<br />

Tisch aus dazwischen: „Wenn du so weitermachst,<br />

halte ich doch eine!“<br />

Beide sind freilich nur Gast an Bord. Für<br />

den Seeheimer Kreis kritisiert Johannes<br />

Kahrs, einer der drei Sprecher, puristische<br />

Parteifreunde, die trotz des SPD-Kurses der<br />

Bundesregierung immer noch rumnölten.<br />

„Auch wenn man nur 95 Prozent durchsetzt,<br />

ist es gut.“ Das ist in der Tat deutlich<br />

mehr, als nach den 25,7 Prozent bei der<br />

Bundestagswahl zu erwarten war. Noch zwei<br />

Prozentpunkte mehr bei der Europawahl<br />

eine Woche zuvor sorgen für eitel Freude.<br />

Gabriel mahnt, die SPD müsse „zeigen,<br />

dass wir nicht Opposition in der Regierung<br />

spielen. Das versteht man nicht.“ Den Seeheimern<br />

muss er das nicht sagen. In dem losen<br />

Club versammeln sich jene, die regieren<br />

wollen. Konservative oder rechte Genossen<br />

seien sie aber „ganz sicher nicht“, protestieren<br />

die drei Sprecher Kahrs, Petra Ernstberger<br />

und Carsten Schneider. Seit ihrem<br />

Entstehen – eine formelle Gründung hat es<br />

nie gegeben – sind die Seeheimer der pragmatisch-staatstragende<br />

Teil der roten Fraktion.<br />

Vorläufer ab Mitte der Fünfzigerjahre<br />

waren die legendären „Kanalarbeiter“, die<br />

sich auch „Freunde sauberer Verhältnisse“<br />

nannten – für das Godesberger Reformprogramm<br />

von 1959, gegen linke Ideologen.<br />

Aus ihrem späteren Tagungsort, dem Lufthansa-Schulungszentrum<br />

in Seeheim an<br />

der Bergstraße, entstand der heutige Name.<br />

In dieser Legislaturperiode sind die Seeheimer<br />

noch stärker das Rückgrat der Fraktion<br />

als früher. „So geschlossen habe ich<br />

die Fraktion noch nicht erlebt“, erinnert<br />

sich Dennis Nocht, der Geschäftsführer<br />

des Kreises. Die Genossen sind mit sich und<br />

ihrer Arbeit im Reinen.<br />

Für die Seeheimer gilt das allemal. Ulrich<br />

Freese beispielsweise, erstmals im Bundestag<br />

und bis Mitte 2013 stellvertretender<br />

Vorsitzender der IG BCE. Er freut sich über<br />

den „Industrieminister“ Gabriel, der Arbeitsplätze<br />

erhält und Kostensteigerungen<br />

für energieintensive Betriebe begrenzt.<br />

Pragmatisch eben.<br />

WirtschaftsWoche 7.6.<strong>2014</strong> Nr. 24 33<br />

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Der Volkswirt<br />

KOMMENTAR | Die Europäische<br />

Zentralbank soll die Preise stabil<br />

halten. Doch sie hat diese Aufgabe<br />

umgedeutet. Von Malte Fischer<br />

EZB-Neusprech<br />

Erinnern Sie sich noch<br />

an den Roman „1984“<br />

von George Orwell? In<br />

dem 1949 erschienenen<br />

Werk zeichnet der britische<br />

Autor die düstere Vision<br />

eines Überwachungsstaates.<br />

Um das Denken der Menschen<br />

in staatlich vorgedachte Bahnen<br />

zu lenken, manipuliert die<br />

Regierung die Sprache, deutet<br />

Wörter um, erfindet neue und<br />

streicht bekannte. „Neusprech“<br />

nannte Orwell diese<br />

politisch bereinigte Sprache.<br />

Wer es nicht gut mit der Europäischen<br />

Zentralbank (EZB)<br />

meint, könnte sich in diesen Tagen<br />

an Neusprech erinnert fühlen.<br />

Wie anders soll man es werten,<br />

dass die Frankfurter<br />

Währungshüter, deren gesetzliche<br />

Aufgabe es ist, für stabile<br />

Preise zu sorgen, seit Jahren der<br />

Öffentlichkeit einzubläuen versuchen,<br />

die von ihnen angestrebte<br />

Inflationsrate von<br />

„knapp unter zwei Prozent“ sei<br />

mit Preisstabilität identisch?<br />

SCHLEUSEN GEÖFFNET<br />

Die semantische Vergewaltigung<br />

des Stabilitätsbegriffs<br />

dient der EZB nun als Argument,<br />

um angesichts der aktuellen<br />

Teuerungsrate in der Euro-<br />

Zone von nur noch 0,5 Prozent<br />

vor Gefahren für die Preisstabilität<br />

zu warnen – und die geldpolitischen<br />

Schleusen weiter zu<br />

öffnen. Strebte die Notenbank<br />

wirklich stabile Preise an, müsste<br />

sie dann nicht den Rückgang<br />

der Teuerungsrate in Richtung<br />

null Prozent begrüßen? Doch ihr<br />

geht es nicht um Preisstabilität<br />

im engeren Sinne, sondern um<br />

eine höhere Inflation. Zudem<br />

soll mit Blick auf die Exportindustrie<br />

der Wechselkurs des Euro<br />

gedrückt werden.<br />

Dabei ist die Steuerung des<br />

Preisniveaus durch die Zentralbank<br />

ohnehin ein fragwürdiges<br />

Unterfangen. Das fängt schon<br />

mit der Messung an. So stellen<br />

die Statistiker bei der Preismessung<br />

mit der Auswahl des Warenkorbs<br />

auf die Kaufgewohnheiten<br />

eines durchschnittlichen<br />

Haushalts ab. Doch nur die wenigsten<br />

Haushalte dürften diesem<br />

Idealtypus entsprechen.<br />

Dazu kommt, dass sich das<br />

Kaufverhalten der Menschen<br />

Abwärts<br />

Inflationsrate in Deutschland<br />

und der Euro-Zone<br />

3,0<br />

2,5<br />

2,0<br />

1,5<br />

1,0<br />

Deutschland<br />

Quelle: Destatis, Eurostat<br />

EZBZielmarke<br />

0,5<br />

Euro-Zone<br />

0,0<br />

2010 11 12 13 14<br />

ständig ändert. Dieses durch einen<br />

über längere Zeit unveränderten<br />

Warenkorb abzubilden<br />

geht an der Realität vorbei. Fragwürdig<br />

ist zudem die Gewichtung<br />

der Produkte mit deren Anteilen<br />

an den Gesamtausgaben.<br />

Ebenso gut könnte man die Häufigkeit<br />

heranziehen, mit der die<br />

Waren gekauft werden. Das Ergebnis<br />

fiele ganz anders aus.<br />

Zudem verfälscht das Herausrechnen<br />

von Preisschwankungen,<br />

denen Qualitätsänderungen<br />

zugrunde liegen, das<br />

Resultat, falls die Qualitätsänderung<br />

für den Käufer irrelevant<br />

ist. Die Bürger sollten daher auf<br />

der Hut sein – vor der Statistik<br />

und der Politik der Europäischen<br />

Zentralbank.<br />

NEW ECONOMICS<br />

In der Nische<br />

Eine neue Studie analysiert die Rahmenbedingungen<br />

für Existenzgründer in 70 Ländern. Deutschland<br />

schneidet dabei nur mittelmäßig ab.<br />

Physische Infrastruktur*<br />

Schutz geistigen Eigentums<br />

Öffentliche Förderprogramme<br />

Wertschätzung neuer Produkte**<br />

Berater und Zulieferer für neue Unternehmen<br />

Seit Schumpeter wissen<br />

wir: Die Quelle des Fortschritts<br />

ist der „Pionierunternehmer“,<br />

der die Etablierten<br />

mit neuen Produkten und<br />

Ideen unter Druck setzt. Doch<br />

„kreative Zerstörer“ fallen nicht<br />

<strong>vom</strong> Himmel – sie brauchen ein<br />

gutes Gründungsklima.<br />

Wie es um die Rahmenbedingungen<br />

für Start-ups bestellt ist,<br />

beschreibt nun der Global Entrepreneurship<br />

Monitor (GEM),<br />

die weltweit größte Studie zur<br />

Analyse von Gründungsaktivitäten,<br />

an der sich Wissenschaftler<br />

aus knapp 70 Ländern beteiligt<br />

haben. Für Deutschland<br />

ergibt sich darin ein gemischtes<br />

Bild. „Obwohl es reichlich Förderprogramme<br />

gibt, liegen wir<br />

bei den Gründungsaktivitäten<br />

nur im hinteren Mittelfeld“, sagt<br />

Rolf Sternberg, Leiter des GEM-<br />

Deutschlandteams. Die sogenannte<br />

TEA-Quote ist das zweite<br />

Jahr hintereinander gefallen<br />

und liegt nun unter fünf Prozent.<br />

Sie gibt den Anteil der 18-<br />

bis 64-Jährigen an, die während<br />

der vergangenen 42 Monate ein<br />

Unternehmen gegründet haben<br />

oder dies soeben tun. Der relativ<br />

schlechte Wert hängt auch<br />

mit der guten Lage am Arbeitsmarkt<br />

zusammen. „Wer einen<br />

sicheren und gut bezahlten Job<br />

hat, scheut oft die Selbstständigkeit<br />

– die Opportunitätskosten<br />

wären zu hoch“, sagt Sternberg.<br />

Und daran dürfte sich<br />

vorerst nicht viel ändern: Der<br />

Anteil der Bürger, die aktuell<br />

gute Gründungschancen in ihrer<br />

Region sehen, ist von 35 auf<br />

32 Prozent gefallen. Obendrein<br />

scheint es generell an Pioniergeist<br />

zu mangeln: Nur 38 Prozent<br />

der 18– bis 64-Jährigen<br />

glauben, für eine Selbstständigkeit<br />

ausreichende Fähigkeiten<br />

zu besitzen. Fast 50 Prozent hält<br />

das Risiko des Scheiterns von<br />

einer Gründung ab.<br />

Lob von Gründungsexperten<br />

erhält Deutschland für seine Infrastruktur,<br />

den Patentschutz<br />

und umfangreiche Förderprogramme.<br />

Schlechte Noten gibt<br />

es für die schulische Gründungsausbildung.<br />

„Ökonomische<br />

Themen führen an den<br />

meisten Schulen immer noch<br />

ein Nischendasein“, sagt Sternberg.<br />

„Dass Selbstständigkeit eine<br />

Alternative zur abhängigen<br />

Beschäftigung ist, wird im Bildungswesen<br />

nicht vermittelt –<br />

und vorgelebt schon gar nicht.“<br />

Licht und Schatten<br />

Wie Gründungsexperten die Rahmenbedingungen für Start-ups in<br />

Deutschland bewerten<br />

–1,02<br />

–0,22<br />

–0,24<br />

–0,37<br />

–0,38<br />

+0,69<br />

+0,44<br />

+0,40<br />

+0,39<br />

*Verfügbarkeit von Büros/Gewerbeflächen, Verkehrswege, IT-Infrastruktur; ** durch Konsumenten;<br />

indexierter Mittelwertauf einer Skala von 1bis 5; Quelle: GEM-Expertenumfrage<br />

bert.losse@wiwo.de<br />

+0,29<br />

Wissens- und Technologietransfer<br />

Marktzugangsbarrieren<br />

Regulierung, Steuern<br />

Prioritätund Engagement der Politik<br />

Schulische Gründungsausbildung<br />

1 2 3 4 5<br />

FOTO: FRANK SCHEMMANN FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE<br />

34 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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KONJUNKTUR DEUTSCHLAND<br />

Die Wirtschaft verliert<br />

etwas an Fahrt<br />

Geht dem Aufschwung langsam<br />

die Puste aus? Der Earlybird-<br />

Frühindikator, den die Commerzbank<br />

exklusiv für die WirtschaftsWoche<br />

ermittelt, hat<br />

überraschend den Rückwärtsgang<br />

eingelegt. Das Barometer,<br />

das einen Vorlauf gegenüber<br />

der Realwirtschaft von sechs bis<br />

neun Monaten hat, sank im Mai<br />

um 0,24 auf 2,04 Punkte (siehe<br />

Grafik). Der Indikator erfasst<br />

den Außenwert des Euro, die<br />

kurzfristigen Realzinsen sowie<br />

(als Messgröße für die Lage der<br />

Weltwirtschaft) den Einkaufsmanagerindex<br />

für die US-Industrie<br />

(ISM). Grund für den<br />

aktuellen Rückgang waren steigende<br />

Realzinsen, die durch ein<br />

besseres weltwirtschaftliches<br />

Umfeld nur zum Teil kompensiert<br />

werden konnten.<br />

Es sei zwar „übertrieben, das<br />

Ergebnis als Alarmzeichen für<br />

die Konjunktur zu interpretieren“,<br />

schreiben die Commerzbank-Ökonomen<br />

in ihrer Analyse<br />

– zumal der Earlybird<br />

immer noch auf höherem Niveau<br />

liege als vor der Finanzkrise.<br />

Sie betonen aber auch: „Vorerst<br />

ist bei der Wachstumsrate<br />

und den Stimmungsindikatoren<br />

kaum noch Aufwärtspotenzial<br />

vorhanden.“<br />

Wieder leicht nach oben zeigt<br />

derweil der <strong>vom</strong> ifo Institut exklusiv<br />

für die WirtschaftsWoche<br />

erstellte Exportklimaindex, der<br />

in den beiden Vormonaten gesunken<br />

war. Er stieg im April auf<br />

0,32 Punkte. Der Indikator bündelt<br />

den realen Außenwert des<br />

Euro – also die preisliche Wettbewerbsfähigkeit<br />

der Ausfuhrwirtschaft<br />

– sowie das Konsumund<br />

Geschäftsklima auf unseren<br />

wichtigsten Absatzmärkten.<br />

Grund für den Anstieg war vor<br />

Dynamik lässt nach<br />

Bruttoinlandsprodukt und<br />

Earlybird-Konjunkturbarometer<br />

4,0<br />

2,0<br />

0<br />

–2,0<br />

–4,0<br />

Earlybird 2<br />

Bruttoinlandsprodukt 1<br />

4,0<br />

2,0<br />

0<br />

–2,0<br />

–4,0<br />

08 09 10 11 12 13 14<br />

1<br />

zum Vorquartal (in Prozent); 2 gewichtete Summe<br />

auskurzfristigem realem Zins, effektivem realem<br />

Außenwertdes Euro und US-Einkaufsmanagerindex;Quelle:Commerzbank<br />

allem ein höheres Unternehmens-<br />

und Verbrauchervertrauen<br />

in Großbritannien und den<br />

USA. Der Euro-Dollar-Wechselkurs<br />

veränderte sich im April<br />

kaum. Die ifo-Ökonomen sagen<br />

nun einen „moderaten Anstieg<br />

der deutschen Ausfuhr im zweiten<br />

Quartal“ voraus.<br />

bert.losse@wiwo.de<br />

Starker Euro bremst<br />

Exportklima und Ausfuhren<br />

0,25<br />

0,20<br />

0,15<br />

0,10<br />

0,05<br />

0<br />

–0,05<br />

–0,10<br />

–0,15<br />

–0,20<br />

–0,25<br />

Exportklimaindikator<br />

1<br />

Exporte (real,<br />

saisonbereinigt,<br />

Veränderung zum<br />

Vorjahr in Prozent)<br />

08 09 10 11 12 13 14<br />

1 Geschäfts- und Konsumklima auf den wichtigsten<br />

Absatzmärkten sowie realer Außenwertdes<br />

Euro (Indexpunkte);Quelle:ifo<br />

1,5<br />

1,0<br />

0,5<br />

0<br />

–0,5<br />

–1,0<br />

–1,5<br />

–2,0<br />

–2,5<br />

–3,0<br />

–3,5<br />

Industrie mit<br />

Problemen<br />

Die Hurra-Stimmung in der<br />

deutschen Industrie verflüchtigt<br />

sich zusehends: Der <strong>vom</strong><br />

Londoner Forschungsinstitut<br />

Markit ermittelte Einkaufsmanagerindex<br />

ist im Mai um 1,8<br />

auf 52,3 Punkte gefallen. Das ist<br />

der schlechteste Wert seit sieben<br />

Monaten. Das Barometer<br />

liegt damit allerdings noch<br />

deutlich über der Marke von<br />

50 Zählern, ab der gemeinhin<br />

Wachstum einsetzt. Der entsprechende<br />

Index für den<br />

Dienstleistungsbereich stieg<br />

derweil um 1,3 auf 56 Zähler.<br />

In der Euro-Zone fiel das Industriebarometer<br />

um 1,2 auf<br />

52,2 Punkte. Die meisten Probleme<br />

macht derzeit Frankreich<br />

– hier rutschte der Indikator sogar<br />

unter die 50-Punkte-Wachstumsschwelle.<br />

„Das Land ist<br />

derzeit wie ein Boot, das nicht<br />

mit der Flut steigt“, warnt<br />

Markit-Chefökonom Chris<br />

Williamson.<br />

Volkswirtschaftliche<br />

Gesamtrechnung<br />

Real. Bruttoinlandsprodukt<br />

Privater Konsum<br />

Staatskonsum<br />

Ausrüstungsinvestitionen<br />

Bauinvestitionen<br />

Sonstige Anlagen<br />

Ausfuhren<br />

Einfuhren<br />

Arbeitsmarkt,<br />

Produktion und Preise<br />

Industrieproduktion 1<br />

Auftragseingänge 1<br />

Einzelhandelsumsatz 1<br />

Exporte 2<br />

ifo-Geschäftsklimaindex<br />

Einkaufsmanagerindex<br />

GfK-Konsumklimaindex<br />

Verbraucherpreise 3<br />

Erzeugerpreise 3<br />

Importpreise 3<br />

Arbeitslosenzahl 4<br />

Offene Stellen 4<br />

Beschäftigte 4, 5<br />

2012 2013<br />

Durchschnitt<br />

0,7<br />

0,8<br />

1,0<br />

–4,0<br />

–1,4<br />

3,4<br />

3,2<br />

1,4<br />

2012 2013<br />

Durchschnitt<br />

–0,9<br />

–4,2<br />

0.1<br />

3,3<br />

105,0<br />

46,7<br />

5,9<br />

2,0<br />

2,0<br />

2,1<br />

2896<br />

478<br />

290<strong>06</strong><br />

0,5<br />

0,9<br />

0,4<br />

–2,4<br />

–0,2<br />

3,0<br />

0,9<br />

1,5<br />

–0,3<br />

2,5<br />

0,2<br />

–0,2<br />

1<strong>06</strong>,9<br />

50,6<br />

6,5<br />

1,5<br />

–0,1<br />

–2,5<br />

2950<br />

435<br />

29370<br />

I/13<br />

0,0<br />

0,3<br />

0,0<br />

–1,4<br />

–1,5<br />

–0,9<br />

–0,7<br />

0,2<br />

Februar<br />

<strong>2014</strong><br />

0,6<br />

0,9<br />

0,7<br />

–1,3<br />

111,3<br />

54,8<br />

8,2<br />

1,2<br />

–0,9<br />

–2,7<br />

2917<br />

444<br />

29668<br />

II/13 III/13 IV/13<br />

Veränderung zum Vorquartal in Prozent<br />

1 Volumen, produzierendes Gewerbe, Veränderung zum Vormonat in Prozent; 2 nominal, Veränderung zum Vormonat in<br />

Prozent; 3 Veränderung zum Vorjahr in Prozent; 4 in Tausend, saisonbereinigt; 5 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte;<br />

alle Angaben bis auf Vorjahresvergleiche saisonbereinigt; Quelle: Thomson Reuters<br />

0,7<br />

0,7<br />

–0,2<br />

0,5<br />

1,7<br />

1,6<br />

2,5<br />

1,5<br />

März<br />

<strong>2014</strong><br />

–0,5<br />

–2,8<br />

0,1<br />

–1,8<br />

110,7<br />

53,7<br />

8,5<br />

1,0<br />

–0,9<br />

–3,3<br />

29<strong>06</strong><br />

445<br />

29730<br />

0,3<br />

0,3<br />

0,7<br />

0,1<br />

2,1<br />

1,4<br />

–0,1<br />

0,8<br />

April<br />

<strong>2014</strong><br />

–<br />

–<br />

–0,9<br />

–<br />

111,2<br />

54,1<br />

8,5<br />

1,3<br />

–0,9<br />

–2,4<br />

2881<br />

446<br />

–<br />

0,4<br />

–0,3<br />

–0,3<br />

1,4<br />

0,2<br />

1,2<br />

2,5<br />

1,3<br />

Mai<br />

<strong>2014</strong><br />

–<br />

–<br />

–<br />

–<br />

110,4<br />

52,3<br />

8,5<br />

0,9<br />

–<br />

–<br />

2905<br />

443<br />

–<br />

I/14<br />

0,8<br />

0,7<br />

0,4<br />

3,3<br />

3,6<br />

–0,8<br />

0,2<br />

2,2<br />

Juni<br />

<strong>2014</strong><br />

–<br />

–<br />

–<br />

–<br />

–<br />

–<br />

8,5<br />

–<br />

–<br />

–<br />

–<br />

–<br />

–<br />

Letztes Quartal<br />

zum Vorjahr<br />

in Prozent<br />

2,5<br />

1,1<br />

0,5<br />

6,0<br />

10,2<br />

3,3<br />

5,5<br />

6,2<br />

Letzter Monat<br />

zum Vorjahr<br />

in Prozent<br />

5,1<br />

3,1<br />

3,4<br />

1,9<br />

4,5<br />

5,9<br />

30,8<br />

–<br />

–<br />

–<br />

–1,9<br />

3,5<br />

1,6<br />

WirtschaftsWoche 7.6.<strong>2014</strong> Nr. 24 35<br />

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Der Volkswirt<br />

WELTWIRTSCHAFT<br />

Gelbe Karte<br />

Brasiliens Wirtschaft wächst nur noch langsam, die<br />

Stimmung der Konsumenten und Unternehmen ist<br />

schlecht. Daran dürfte auch die WM nichts ändern.<br />

Der brasilianische<br />

Finanzminister<br />

Guido Mantega ist<br />

wahrlich nicht zu beneiden. Seit<br />

drei Jahren muss er nun schon<br />

die immer schlechteren Konjunkturdaten<br />

Brasiliens schönreden.<br />

Das war auch vergangene<br />

Woche wieder so: Das Bruttoinlandsprodukt<br />

ist im ersten Quartal<br />

im Vergleich zur Vorperiode<br />

und der private Konsum „deutlich<br />

zulegen“.<br />

Wie so oft steht Mantega mit<br />

seinen optimistischen Prognosen<br />

ziemlich alleine da. Nicht<br />

einmal während der Weltwirtschaftskrise<br />

2008/09 waren die<br />

Aussichten für Brasiliens Wirtschaft<br />

so negativ wie derzeit.<br />

Gerade haben Investmentbanken<br />

wie ItaúUnibanco die<br />

Quartale seit Langem – und das<br />

trotz der am 12. Juni beginnenden<br />

Fußball-WM, die doch<br />

auch ökonomisch neuen<br />

Schwung bringen sollte.<br />

Der positive Wachstumseffekt<br />

durch den Stadion- und<br />

Straßenbau für die WM hat sich<br />

aber längst verflüchtigt, und die<br />

Proteste in der Bevölkerung gegen<br />

die hohen Kosten des Spektakels<br />

halten an. Mehr noch:<br />

Die WM dürfte das verarbeitende<br />

Gewerbe Brasiliens sogar belasten.<br />

Zum einen fallen jede<br />

Menge Arbeitstage aus – alle<br />

zwölf WM-Städte haben „Sonderfeiertage“<br />

eingeführt, um<br />

ein Verkehrschaos an den Spieltagen<br />

zu verhindern und einen<br />

reibungslosen Ablauf zu ge-<br />

Zu wenig Offensivkraft<br />

Wachstumsrate Brasiliens<br />

(in Prozent)<br />

ballerischen Ausnahmezustands<br />

das Wachstum im zweiten<br />

Quartal um 0,2 Prozent<br />

schrumpfen könnte. Zumal<br />

auch die erhofften Einnahmen<br />

durch WM-Touristen von umgerechnet<br />

5,5 Milliarden Euro<br />

zu hoch gegriffen sein dürften.<br />

Viele der wirtschaftlichen<br />

Probleme Brasiliens sind hausgemacht.<br />

Ökonomen zeigen der<br />

Regierung schon seit Längerem<br />

die gelbe Karte, weil sie keine<br />

stringente Geld- und Fiskalpolitik<br />

fährt. Einerseits hatte sie die<br />

(nicht unabhängige) Zentralbank<br />

aufgefordert, ab Mitte<br />

2011 die Zinsen zu senken, obwohl<br />

die Inflation nicht unter<br />

Kontrolle war. Gleichzeitig gab<br />

sie das Geld mit vollen Händen<br />

für Konjunkturprogramme aus.<br />

Als die Preise in die Höhe<br />

schossen, dauerte es zu lange,<br />

bis Politik und Notenbank das<br />

Ruder herumrissen.<br />

Baustelle Brasilien<br />

Kurz vor dem WM-Anpfiff ist vieles noch<br />

nicht fertig – wie hier in Porto Alegre<br />

nur um 0,2 Prozent gewachsen,<br />

gleichzeitig hat die Inflation ein<br />

Niveau von rund 6,5 Prozent erreicht.<br />

In nur einem Jahr musste<br />

die Zentralbank die Leitzinsen<br />

von 7,5 Prozent auf inzwischen<br />

11,0 Prozent erhöhen. Kurzum:<br />

Die Wirtschaft stagniert bei einer<br />

hartnäckigen Inflation und<br />

den höchsten Leitzinsen weltweit<br />

– doch Mantega gab sich<br />

unverdrossen hoffnungsvoll.<br />

Die schwache Konjunktur in Europa<br />

und den USA sei schuld an<br />

der Misere und natürlich die<br />

Trockenheit in Brasilien zum<br />

Jahresanfang. Im zweiten Halbjahr<br />

werde die Inflation sinken<br />

Wachstumsprognose für <strong>2014</strong><br />

auf rund ein Prozent reduziert –<br />

für ein aufstrebendes Schwellenland<br />

der BRIC-Gruppe (Brasilien,<br />

Russland, Indien, China)<br />

ein trostloser Wert. Das Vertrauen<br />

der Konsumenten und Unternehmer<br />

ist auf den niedrigsten<br />

Wert seit sechs Jahren<br />

gesunken. Niemand will kaufen,<br />

niemand will investieren.<br />

„Die Unternehmer lassen das<br />

Geld lieber auf dem Konto oder<br />

sparen“, sagt der Ex-Minister<br />

und Ökonom Luiz Carlos Mendonça<br />

de Barros. Bauwirtschaft,<br />

Autobauer und Elektronikhersteller<br />

erleben die schwächsten<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

–1<br />

2008 09 10 11 12 13 14* 15*<br />

*Prognose; Quelle: IWF<br />

währleisten. Und wenn die heimische<br />

Seleção auf dem Platz<br />

steht, bleiben sowieso viele Büros<br />

und Fabriken geschlossen.<br />

Zum anderen erwarten nicht<br />

wenige Ökonomen negative Effekte<br />

auf den Konsum. Zwar<br />

mögen die Brasilianer in den<br />

kommenden Wochen mehr<br />

Bier trinken und Chips essen.<br />

Doch dürften viele ihre sonstigen<br />

Shoppingaktivitäten zurückschrauben<br />

und erst recht<br />

keine größeren Anschaffungen<br />

vornehmen, befürchten Wirtschaftsverbände.<br />

Die Analysten<br />

von ItaúUnibanco halten es für<br />

möglich, dass wegen des fuß-<br />

HOFFEN AUF DIE MITTE<br />

Allerdings gibt es auch Hoffnungsschimmer:<br />

Die erfolgreiche<br />

Armutsbekämpfung und<br />

gesunkene Arbeitslosigkeit der<br />

vergangenen Jahre haben den<br />

Aufstieg einer neuen Mittelschicht<br />

ermöglicht. Diese ist<br />

besser ausgebildet, arbeitet zumeist<br />

in regulären Vollzeitjobs<br />

und hat eine neue Nachfrage<br />

nach Dienstleistungen geschaffen,<br />

für die vor einer halben Dekade<br />

noch gar kein Markt existierte:<br />

für Versicherungen und<br />

Tourismus, für Bildung, Freizeit<br />

und Finanzdienstleistungen.<br />

Die Mittelschicht könnte am<br />

Ende auch einen Wettbewerb<br />

entscheiden, der für das Land<br />

wichtiger ist als die WM: Am 15.<br />

Oktober finden in Brasilien Präsidentschaftswahlen<br />

statt. Und<br />

hier kommt nun wieder der<br />

Fußball ins Spiel: Ein Erfolg der<br />

Seleção – nur der Sieg zählt, alles<br />

andere wäre ein nationales<br />

Fiasko – könnte der in der Wirtschaft<br />

unbeliebten Rousseff<br />

helfen, die Stimmung im Land<br />

zu heben, und den Weg zu einer<br />

weiteren Amtszeit ebnen.<br />

alexander.busch@wiwo.de | São Paulo<br />

FOTO: IMAGO/FOTOARENA<br />

36 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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DENKFABRIK | Die demografische Zeitbombe tickt: Um das Jahr 2015 herum verlieren<br />

die Jungen rechnerisch die politische Mehrheit in Deutschland. Die Babyboomer werden<br />

ihre Macht einsetzen und den Nachkommen immer mehr Lasten aufbürden. Steuert<br />

die Politik nicht um, droht eine Zerreißprobe für die Demokratie. Von Hans-Werner Sinn<br />

Deutsche Gerontokratie<br />

FOTOS: ROBERT BREMBECK FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE, PICTURE-ALLIANCE/DPA<br />

Deutschlands demografische<br />

Zeitbombe<br />

tickt. Die Babyboomer,<br />

die 1964<br />

geboren wurden, sind jetzt 50<br />

Jahre alt und wollen in 15,<br />

wenn nicht 13 Jahren ihre Rente<br />

beziehen. Doch durch die<br />

Kombination besonders vieler<br />

Alter mit besonders wenigen<br />

Jungen entsteht ein fast unlösbarer,<br />

aber jetzt schon genauestens<br />

vorhersehbarer Generationenkonflikt.<br />

Im Jahr 2000<br />

mussten 100 Personen im Erwerbsalter<br />

(15–64 Jahre) 24<br />

Personen im Rentenalter (ab<br />

65 Jahre) finanzieren – 2011<br />

waren es schon 31 Personen. In<br />

15 Jahren werden knapp 47<br />

und in 20 Jahren schon 55 Personen<br />

zu finanzieren sein, mehr<br />

als doppelt so viele wie zum Beginn<br />

dieses Jahrhunderts.<br />

ge Menschen miternähren musste<br />

wie heute. Vorläufig wird es sie<br />

auch nie wieder geben. Die Finanzierung<br />

der Eltern können sich die<br />

Babyboomer mit ihren vielen Geschwistern<br />

teilen, und die Finanzierung<br />

der Kinder entfällt mangels<br />

Masse. Deshalb bleibt viel<br />

Geld für einen beispiellosen Konsumstandard<br />

übrig. Aber das<br />

schöne Leben wird in etwa 15<br />

Jahren jäh in Verzweiflung umschlagen,<br />

wenn alle Babyboomer<br />

gleichzeitig in die Rente gehen<br />

und von Kindern ernährt werden<br />

wollen, die es nicht gibt. Der Sturz<br />

»Wir müssen die<br />

Diskriminierung<br />

der Familien<br />

beenden –<br />

etwa durch eine<br />

Kinderkomponente<br />

in der<br />

Rentenformel«<br />

<strong>vom</strong> Konsumhimmel in die Altersarmut<br />

wird jäh, tief und schmerzlich<br />

sein.<br />

Die politischen Gefahren dieser<br />

Entwicklung sind immens. Die<br />

Babyboomer werden ihre politische<br />

Macht einsetzen, um der<br />

absehbaren Altersarmut zu entkommen,<br />

indem sie ihren wenigen<br />

Nachkommen immer mehr Lasten<br />

aufbürden. Wie Silke Übelmesser<br />

und ich bereits 2002<br />

prognostiziert hatten, kippt die<br />

rechnerische politische Mehrheit<br />

der Jungen bereits um das Jahr<br />

2015. Danach haben jene Wähler,<br />

die hinreichend alt sind, um von<br />

Renten- und Beitragserhöhungen<br />

ZU WENIG GEBURTEN<br />

In der Geburtenstatistik der<br />

OECD steht Deutschland weit<br />

unten: Mit 8,4 Geburten pro<br />

1000 Einwohner hat es sich<br />

2012 <strong>vom</strong> letzten Platz, den es<br />

lange innehatte, vor Japan auf<br />

den zweitletzten Platz vorgerobbt.<br />

Und auch dies gelang nur<br />

wegen der Einwanderer, deren<br />

Kinder mittlerweile ein Drittel<br />

der Neugeborenen in Deutschland<br />

ausmachen. Ohne sie<br />

lägen wir weit abgeschlagen auf<br />

dem letzten Platz der Geburtenstatistik.<br />

Noch ahnen die Babyboomer<br />

nicht, was ihnen blüht,<br />

weil sie von einer glücklichen<br />

und historisch einmaligen<br />

Konstellation profitieren. Noch<br />

nie hat es in der Geschichte<br />

Deutschlands eine Gruppe von<br />

50-Jährigen gegeben, die relativ<br />

gesehen so wenige alte und junzu<br />

profitieren, mehr Stimmen als<br />

diejenigen, die dabei per saldo,<br />

über das ganze Leben gerechnet,<br />

verlieren. Deutschland wird also<br />

zur Gerontokratie.<br />

Auch wenn sie in der Minderheit<br />

sind, werden sich die jungen<br />

Menschen freilich nicht widerstandslos<br />

ausbeuten lassen.<br />

Wenn sie einen immer größeren<br />

Anteil ihres Einkommens an den<br />

Staat abführen sollen, um die<br />

Renten der Alten zu finanzieren,<br />

werden sie auswandern oder auf<br />

die Straße gehen, um ihren Unmut<br />

kundzutun. Der deutschen<br />

Kinder, Kinder Deutschland<br />

braucht mehr Krippenplätze<br />

Demokratie droht somit eine gefährliche<br />

Zerreißprobe. Dass dann<br />

gleichzeitig die vielen ungedeckten<br />

Schecks aus der Rettung südeuropäischer<br />

Krisenstaaten präsentiert<br />

werden, macht die Sache<br />

nicht einfacher.<br />

Was aber lässt sich gegen die<br />

demografische Misere tun? Eine<br />

Teillösung liegt in höheren Einwanderungszahlen.<br />

Die Massenimmigration,<br />

die Deutschland wegen<br />

der Krise in Südeuropa<br />

bereits erlebt, wird sich von ganz<br />

allein verstärken, wenn immer<br />

mehr Arbeitsplätze frei werden.<br />

Auch dürfte das Rentenalter wieder<br />

erhöht werden, ungeachtet<br />

der rückwärtsgewandten Koalitionsbeschlüsse<br />

der letzten<br />

Zeit. Die Schätzungen des bei<br />

der Erhöhung des Rentenalters<br />

und der Immigration Nötigen<br />

überschreiten freilich die Vorstellungskraft<br />

und Toleranz der<br />

Bevölkerung um ein Vielfaches.<br />

NEUE RENTENFORMEL<br />

Deshalb führt an einer Steigerung<br />

der Geburtenzahlen kein<br />

Weg vorbei. Dazu muss endlich<br />

die Ausbeutung und Diskriminierung<br />

der Familien beendet<br />

werden. Wenn die Rentenformel<br />

um eine Kinderkomponente<br />

ergänzt wird, die den Eltern wieder<br />

mehr Anteil an den Ergebnissen<br />

ihrer Erziehungsarbeit<br />

belässt, wird es sicher mehr<br />

Kinder geben. Je mehr Kinder<br />

jemand großzieht, desto mehr<br />

Zuschläge zur Rente sollte er<br />

erhalten. Schließlich sind es ja<br />

die Kinder selbst, die diese<br />

Zuschläge einmal werden bezahlen<br />

müssen.<br />

Besonders wirksam wäre ein<br />

rascher Krippenausbau, um die<br />

Wartelisten junger Familien zu<br />

verkürzen. Wie das ifo Institut<br />

jetzt in einer umfangreichen<br />

Studie gezeigt hat, führen der<br />

Bau und die Besetzung von 100<br />

neuen Krippenplätzen derzeit<br />

statistisch gesehen zur Geburt<br />

von etwa zehn weiteren Kindern.<br />

Wenn es wieder mehr Kinder<br />

in Deutschland gibt, besteht<br />

eine größere Chance, die Gerontokratie<br />

und die absehbare<br />

demografische Krise friedlich zu<br />

überwinden.<br />

Hans-Werner Sinn ist Präsident<br />

des ifo Instituts und Ordinarius<br />

an der Ludwig-Maximilians-<br />

Universität in München.<br />

WirtschaftsWoche 7.6.<strong>2014</strong> Nr. 24 37<br />

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Unternehmen&Märkte<br />

FOTO: PHOTOSHOT/XINGHUA<br />

40 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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Kulturschock<br />

im Kultkonzern<br />

APPLE | Gangsta-Rapper, Musikproduzent, Modemanagerin,<br />

Gegenspieler – mit ausgefallenen Top-Managern will<br />

Vorstandschef Tim Cook die Magie des verstorbenen Gründers<br />

Steve Jobs in die Zukunft retten.<br />

Der Nachlassverwalter<br />

Tim Cook Apple-Chef<br />

Der Erwartungsdruck, den Apple-Fans<br />

und Investoren auf den einst treuen<br />

Gefolgsmann von Konzerngründer Steve<br />

Jobs aufbauen, ist groß.<br />

Es war die Show des Craig Federighi.<br />

Nicht sein Chef Tim Cook,<br />

nein, der ergraute Langhaarige<br />

mit jugendlichem Appeal hielt<br />

den größten Teil der zweistündigen<br />

Rede, mit der der kalifornische<br />

Computerbauer Apple vergangenen Montag<br />

seine jährliche Entwicklerkonferenz<br />

einläutete.<br />

Entspannt, fast gelöst, präsentierte der<br />

Apple-Softwarechef auf der Bühne in San<br />

Francisco die neuen Versionen seiner Betriebssysteme.<br />

Als „Superman“ lobte Konzernchef<br />

Cook den 44-Jährigen. Unter dem<br />

2011 verstorbenen Apple-Gründer Steve<br />

Jobs hätte es das nicht gegeben. Der hätte<br />

die Präsentation einer Innovation nie anderen<br />

überlassen.<br />

Die neue Linie bei Apple hat System.<br />

Weil der Hersteller des iPods, iPhones und<br />

iPads seit dem Tod seines Ausnahme-Visionärs<br />

Jobs Wert an der Börse, vor allem<br />

aber Magie beim Publikum verloren hat,<br />

macht Nachfolger Cook aus der Not eine<br />

Tugend. Statt dass der eher reservierte<br />

53-Jährige vergeblich Jobs nacheifert,<br />

schiebt er Top-Manager aus der zweiten<br />

Reihe ins Rampenlicht – und setzt alle<br />

Hoffnungen auf sie. Ihre Mission ist keine<br />

geringere, als die Lücke, die Jobs hinterließ,<br />

gemeinsam zu füllen. Sie sollen Apple wie<br />

einst nach dem Wiedereinstieg von Gründer<br />

Jobs 1997 zum dritten Mal in eine neue<br />

Epoche katapultieren.<br />

Im Zentrum der Strategie finden sich neben<br />

Softwarechef Federighi, Design-Guru<br />

Jonny Ive und Marketingchef Phil Schiller<br />

nun neue Stars, die Cook um sich und sein<br />

bisheriges Top-Team versammelt, um zum<br />

Aufbruch zu blasen:<br />

n Ganz vorn Angela Ahrendts, Ex-Chefin<br />

des britischen Modelabels Burberry, die<br />

seit Kurzem für die weltweiten Apple-<br />

Shops sowie den Internet-Store des Konzerns<br />

verantwortlich ist. Marc Benioff,<br />

Gründer und Chef des US-Cloud-Computing-Riesen<br />

Salesforce, wähnt in der Amerikanerin<br />

bereits die „künftige Apple-Chefin“<br />

und sieht in ihr „Tim Cooks wichtigste<br />

Personalentscheidung“. Die 53-Jährige gilt<br />

als extrem talentierte Managerin und<br />

Expertin fürs internationale Geschäft.<br />

n Die schillerndsten Neuen bei Apple sind<br />

Jimmy Iovine, 61, und der US-Rapper Dr.<br />

Dre, 49, Gründer des Kopfhörerherstellers<br />

Beats Electronics, den Apple unlängst für<br />

drei Milliarden Dollar übernahm. Die<br />

blendenden Kontakte sowie der Streaming-Dienst<br />

der beiden, mit dem sich<br />

Musik direkt aus dem Internet hören lässt,<br />

machen das Duo für Cook so wertvoll.<br />

n Kevin Lynch, 46, einstiger Technik-Vorstand<br />

der Softwareschmiede Adobe (bekannt<br />

für ihre Leseprogramme für gedruckte<br />

Textvorlagen sowie Multimedia-<br />

Software) dürfte Apple ins Internet der<br />

Dinge führen, in dem Gegenstände wie<br />

Türschlösser und Thermostate miteinander<br />

vernetzt sind und dadurch ganz neue<br />

Dienste ermöglichen.<br />

ANFÄLLIG FÜR ATTACKEN<br />

Die Gruppe der Gewaltigen hinter Konzernchef<br />

Cook steht unter großem Zeitdruck.<br />

Unter Vorgänger Jobs ist Apple nicht<br />

nur zum teuersten Unternehmen mit einem<br />

Wert von aktuell rund 550 Milliarden<br />

Dollar geworden. Spätestens nach seinem<br />

Tod zeigte sich auch, dass der Konzern<br />

nach seinem explosionsartigen Wachs-<br />

»<br />

WirtschaftsWoche 7.6.<strong>2014</strong> Nr. 24 41<br />

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Unternehmen&Märkte<br />

»<br />

tum zu einem komplexen Gebilde mutiert<br />

war. Dadurch wächst die Gefahr, wichtige<br />

Trends zu verschlafen oder sie aus<br />

Rücksicht aufs angestammte, hochprofitable<br />

Geschäft nicht konsequent genug aufzugreifen.<br />

Bahnbrechende Neuerungen<br />

wie das iPhone und das iPad fehlen. Das<br />

macht Apple immer anfälliger für Attacken<br />

der Konkurrenz. Die Erfolge von Google<br />

mit dem mobilen Betriebssystem Android<br />

oder von Samsung mit den Galaxy-<br />

Smartphones zeigen das.<br />

Zugleich sind die offenen Baustellen im<br />

Apple-Reich unübersehbar. Jahrelang hatte<br />

der Konzern die Musikbranche geprägt,<br />

indem er über seinen Store die Möglichkeit<br />

bot, gegen Bezahlung Songs auf den iPod,<br />

das iPhone oder das iPad herunterzuladen.<br />

Nutzer haben das seit Start des Online-Musikshops<br />

im April 2003 rund 30 Milliarden<br />

Mal getan. Doch die Downloads gehen zurück.<br />

Schuld sind der freche schwedische<br />

Musikstreaming-Dienst Spotify und Wettbewerber<br />

wie Slacker, Rdio oder Google<br />

Play All. Sie bieten gegen eine monatliche<br />

Gebühr an, so viel Stücke wie gewünscht<br />

aus Musikbibliotheken von bis zu 20 Millionen<br />

Titeln direkt via Internet zu hören.<br />

Apple schaute bis vor Kurzem mehr oder<br />

weniger hilflos zu.<br />

Gleichzeitig macht sich Lethargie in den<br />

stationären Shops breit. Im Sommer 2011<br />

hatte der Konzern Ron Johnson, der gemeinsam<br />

mit Jobs das Konzept der Apple<br />

Stores entwickelt hatte, an den US-Einzelhändler<br />

J.C. Penney verloren. Sein Nachfolger<br />

John Browett, von Cook angeheuert,<br />

war früher Chef der britischen Elektronikkette<br />

Dixons und vergraulte die Mitarbeiter<br />

in den Stores. Browett ließ die Verkäufer,<br />

die bei Apple Specialist heißen, kürzer arbeiten,<br />

baute sogar Stellen ab und verscherzte<br />

es sich so mit der restlichen Apple-Führung.<br />

Nach einem kurzen Gastspiel<br />

von April bis Oktober 2012 musste der vermeintliche<br />

Aufräumer gehen, ohne dass<br />

sein Posten bis zum 1. Mail <strong>2014</strong> besetzt<br />

wurde. Die Expansion geriet ins Stocken. In<br />

China gibt es erst 10 statt wie geplant 25<br />

Stores. In Berlin sucht Apple seit Jahren erfolglos<br />

einen zweiten Standort im Osten<br />

der Stadt.<br />

MERKWÜRDIGER MENSCH<br />

Eine herausragende Aufgabe kommt<br />

deshalb Neuzugang Ahrendts zu, die<br />

Cook höchstpersönlich von Burberry abgeworben<br />

haben soll, um in den Verkauf<br />

der Apple-Geräte wieder Dynamik zu<br />

bringen. Die Anfangfünfzigerin gilt als<br />

erfolgreichste Modemanagerin der vergangenen<br />

Jahre. Als sie 20<strong>06</strong> den Chefposten<br />

bei Burberry übernahm, war das<br />

Label in erbärmlichem Zustand. Lizenznehmer<br />

weltweit benutzten das seit 1924<br />

legendäre Karomuster für alles Mögliche<br />

bis hin zu Wegwerfwindeln für Hunde,<br />

verkauften die Ware zu Ramschpreisen<br />

und ramponierten das Luxus-Image. Ahrendts<br />

fackelte nicht lang, kaufte 23 Lizenzvereinbarungen<br />

zurück und stellte 35 Produktkategorien<br />

ein. Das war teuer, zahlte<br />

sich aber aus. Der Umsatz von Burberry<br />

verdreifachte sich, Ahrendts wurde 2013<br />

zur bestbezahlten Top-Managerin Großbritanniens.<br />

Mindestens so wichtig wie Ahrendts’<br />

Sinn für Luxus ist für Apple ihre Nähe zu digitalen<br />

Technologien. Die in einem typischen<br />

US-Vorort geborene Amerikanerin<br />

hatte schon bei Burberry enge Kontakte zu<br />

Apple und Google geknüpft. Im September<br />

des vergangenen Jahres lieferte Apple vor<br />

der Markteinführung mehrere iPhone 5s<br />

an Burberry, damit das Modehaus mit den<br />

neuen Smartphones eine komplette Modenschau<br />

fotografieren, filmen und über<br />

soziale Netzwerke verbreiten konnte. Die<br />

Kleidung im Flagship-Store auf der Londoner<br />

Regent Street ließ Ahrendts mit RFID-<br />

Chips ausstatten. Treten Kunden vor einen<br />

Bildschirm im Laden, erkennt der Funkchip<br />

die Ware, und es startet ein Film über<br />

das Kleidungsstück.<br />

Starke Apple-Konkurrenten<br />

Marktanteile der Hersteller bei Smartphones<br />

und Tablets (nach Umsatz 2013)<br />

Andere<br />

Andere<br />

Quelle: Gartner<br />

39,3 %<br />

31,2 %<br />

Samsung<br />

31,0 %<br />

Smartphones<br />

Apple<br />

36,0 %<br />

Tablets<br />

15,6 %<br />

Huawei 4,8 %<br />

LG Electronics 4,8 %<br />

Lenovo 4,5 %<br />

19,1 %<br />

Apple<br />

Samsung<br />

Asus 5,6 %<br />

Amazon 4,8 %<br />

Lenovo 3,3 %<br />

Ahrendts beschreibt sich selbst als einen<br />

etwas merkwürdigen Menschen, dessen<br />

zwei Gehirnhälften gleichsam leistungsfähig<br />

seien – die für Emotionen zuständige<br />

rechte und die analytische linke. „Ich nehme<br />

Veränderungen instinktiv wahr“, sagte<br />

sie kürzlich bei einem Vortrag. Schaden<br />

kann das nicht, wenn es darum geht, demnächst<br />

das in die Jahre gekommene Einrichtungskonzept<br />

der Apple Stores zu<br />

überarbeiten. „Das jetzige ist mittlerweile<br />

immerhin 15 Jahre alt. Auch wenn es immer<br />

noch frisch wirkt, ist es nicht mehr revolutionär“,<br />

sagt Archibald Horlitz, Gründer<br />

und früherer Eigner des größten unabhängigen<br />

deutschen Apple-Händlers<br />

Gravis.<br />

VOR ALLEM TALENT-AKQUISE<br />

Eine völlig andere Rolle als Ahrendts sollen<br />

die beiden Beats-Gründer spielen. Dr. Dre,<br />

der mit bürgerlichem Namen André Young<br />

heißt, ist einer ganzen Generation als<br />

Super-Rapper bekannt. Er war die Schlüsselfigur<br />

in der Entstehung und Verbreitung<br />

des West-Coast-G-Funk, einer Musikrichtung,<br />

die Rap mit Synthesizer-Musik<br />

und schweren Bässen vereint. Die Musiklegende<br />

Iovine arbeitete mit Stars wie Bruce<br />

Springsteen, John Lennon, Tom Petty, U2<br />

und Shock-Rocker Marilyn Manson zusammen<br />

und gilt als einer der Entdecker und<br />

wichtigsten Förderer des Gangsta-Raps.<br />

Der 61-jährige Iovine, der seine Karriere<br />

als Hausmeister in einem Plattenstudio<br />

startete, war mit Jobs befreundet und half<br />

diesem beim Start des iTunes Stores beim<br />

Verhandeln von Verträgen mit Plattenfirmen<br />

und Künstlern. Dr. Dre wuchs im<br />

kriminalitätsgeplagten Osten von Los Angeles<br />

auf und wurde mit der Entdeckung<br />

von Superstars wie Eminem und Snoop<br />

Dog zu einem der einflussreichsten Hip-<br />

Hop-Produzenten.<br />

Ins Geschäft mit potenziellen Apple-<br />

Kunden stiegen Iovine und Dr. Dre ein, indem<br />

sie 2008 das Unternehmen Beats<br />

Electronics gründeten. Dessen knallrote,<br />

bassstarke Kopfhörer und Lautsprecher<br />

haben mit Apple-Geräten etwas Wichtiges<br />

gemeinsam. Sie werden von ihren Fans abgöttisch<br />

geliebt und von ihren Kritikern abgrundtief<br />

gehasst. Als Anfang Mai in Los<br />

Angeles und im Silicon Valley die ersten<br />

Gerüchte über den Kauf von Beats Electronics<br />

durch Apple die Runde machten, taten<br />

viele Beobachter dies erst einmal als wilde<br />

Spekulation ab.<br />

Doch langsam machen sich Kenner der<br />

Szene einen Reim auf die Übernahme. „Es<br />

42 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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Das Verkaufsgenie<br />

Angela Ahrendts Apple Store<br />

Die Marketingexpertin interessierte sich früh für Kleidung. Sie heuerte<br />

beim Modelabel Donna Karan an. Zwischen 2002 und 20<strong>06</strong><br />

war die gebürtige US-Amerikanerin für die Marke Liz Claiborne verantwortlich<br />

und sanierte dann das Londoner Modehaus Burberry.<br />

Die Musiklegende<br />

Jimmy Iovine iTunes<br />

In den Siebzigerjahren arbeitete Iovine als Toningenieur mit<br />

Stars wie John Lennon und stieg zum Plattenboss bei Interscope<br />

Geffen A&M auf. 20<strong>06</strong> gründete er mit Dr. Dre Beats. Parallel<br />

wirkte er bei der US-TV-Talentshow „American Idol“ mit.<br />

FOTOS: PICTURE PRESS/CAMERA PRESS/TOM STOCKILL, CORBIS/SPLASH NEWS<br />

ist vor allem eine Talent-Akquise“, meint<br />

Apple-Analyst Amit Daryanani von RBC<br />

Capital Market aus San Francisco. Tatsächlich<br />

könnten Iovine und Dr. Dre, die mit einem<br />

Teil ihrer Mitarbeiter zu Apple wechseln,<br />

beim Kampf gegen die Streaming-<br />

Dienste helfen, die Apple im Geschäft mit<br />

Musik-Downloads arg zusetzen. Denn viele<br />

Künstler sind mittlerweile von den mickrigen<br />

Tantiemen genervt, die sie von<br />

Diensten wie Spotify erhalten. Ein Ausweg<br />

könnte sein, dass sie direkt von Vertriebspartnern<br />

wie Apple unter Vertrag genommen<br />

und gefördert werden, ohne zusätzliche<br />

Mittelsmänner einschalten zu müssen.<br />

Dafür braucht es viel Vertrauen in der Szene,<br />

Kontakte und Marketinggespür.<br />

Alle drei Dinge bringt das Duo<br />

unbestritten mit, inklusive<br />

wirtschaftlichem Erfolg.<br />

Trotzdem ist es für beide<br />

Seiten ein Kulturschock.<br />

Denn der leutselige und<br />

schillernde Iovine, der seinem<br />

Herzen gern Luft macht, ist die<br />

Die Neuen in<br />

Apples Top-<br />

Management<br />

sind ein echter<br />

Kulturschock<br />

absolute Antithese zum verschwiegenen<br />

und diskret auftretenden Apple-Chef<br />

Cook. Dr. Dre, der in einem Internet-Video<br />

mit dem Schauspieler Tyrese Gibson anscheinend<br />

betrunken über seinen neuen<br />

Apple-Reichtum schwelgte, soll mit der<br />

Prahlerei sogar die Verkaufsverhandlungen<br />

verzögert haben. Zudem kommt der<br />

im Januar gestartete Streaming-Dienst der<br />

beiden namens Beats Music gerade mal<br />

auf schätzungsweise 200 000 Abonnenten –<br />

gegenüber zehn Millionen zahlenden Käufern<br />

beim schwedischen Konkurrenten<br />

Spotify. Für Apple-Chef Cook ist es ein gigantisches<br />

Experiment, das sowohl<br />

als genialer Schachzug oder aber als<br />

Katastrophe enden kann.<br />

Endlich wieder einen ganz<br />

großen Wurf erhofft sich der<br />

Apple-Chef durch Ex-Adobe-Technikchef<br />

Lynch. Sein<br />

Feld wird der vielversprechende<br />

Markt für tragbare<br />

Geräte der neuen Generation<br />

sein, die sogenannten Wearables,<br />

die auf dem Internet der Dinge aufbauen.<br />

Samsung ist mit seinen Computeruhren<br />

und Google mit seiner Datenbrille<br />

Google Glass bereits vorgeprescht.<br />

Lynch ist bei Apple ein alter Bekannter.<br />

Von ihm stammt die Adobe-Multimedia-<br />

Software Flash, die Apple-Gründer Jobs<br />

nicht auf dem iPhone zulassen wollte.<br />

Flash sei ein Relikt der PC-Ära, giftete er in<br />

einem offenen Brief. Lynch ätzte zurück:<br />

Jobs gehe es mehr um Machtspiele als um<br />

Technik. Vier Jahre ist die Episode her, und<br />

Flash läuft noch immer nicht auf dem<br />

iPhone – was inzwischen kaum noch jemand<br />

als Manko ansieht, hat sich doch<br />

dort der von Jobs bevorzugte HTML5-Standard<br />

durchgesetzt. Dafür ist Lynch übergelaufen<br />

– zu Apple. Im März 2013 heuerte er<br />

am Konzernsitz in Cupertino an, als „Vizepräsident<br />

für Technik“. Seitdem rätseln Beobachter,<br />

warum Apple sich ausgerechnet<br />

einen Erzfeind ins Haus holt und was dieser<br />

dort genau treibt.<br />

Lynch verrät auf seiner Homepage nur,<br />

er arbeite „mit einem unglaublich talen-<br />

»<br />

WirtschaftsWoche 7.6.<strong>2014</strong> Nr. 24 43<br />

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Unternehmen&Märkte<br />

»<br />

tierten Team“. Aber woran? Klar ist: Ein<br />

Top-Talent wie Lynch muss bei Apple eine<br />

strategische Position übernehmen. Berichten<br />

zufolge leitet er eine neue Arbeitsgruppe<br />

aus Ingenieuren, die zuvor am iPod arbeitete.<br />

Nur sollen sie keinen neuen iPod<br />

entwickeln – sondern etwas völlig Neues.<br />

LOGBUCH DES KÖRPERS<br />

So befeuert Lynchs Wechsel zu Apple<br />

das Gerücht, dass der Konzern ein neues<br />

„Big Thing“ plant, endlich wieder ein ganz<br />

großes Ding. Vielleicht ist es eine Sensoruhr,<br />

vielleicht wird sie iWatch heißen,<br />

vielleicht wird es aber auch ein ganz<br />

anderes Wearable sein, das irgendwelche<br />

Daten anzeigt.<br />

Noch ist alles pure Spekulation.<br />

Einen großen Sprung erwarten<br />

Experten allerdings vor allem<br />

bei neuen Geräten mit Sensoren,<br />

die permanent das<br />

Befinden ihrer Besitzer<br />

überwachen. Ob Blutdruck,<br />

zurückgelegte Schritte oder<br />

Schlafrhythmus. Im Zentrum<br />

stehen die Gesundheit und die<br />

Annahme: Je mehr Daten der<br />

Mensch über seinen Körper sammelt, desto<br />

besser könne er ungesundes Verhalten<br />

abstellen und drohende Krankheiten erkennen.<br />

Den ersten Schritt in diese Richtung hat<br />

Apple auf der Entwicklerkonferenz Anfang<br />

vergangener Woche getan und eine<br />

Smartphone-App namens „Health“ vorgestellt.<br />

Sie soll im Herbst erscheinen und eine<br />

Art Patientenkladde für das Handy werden,<br />

die Körperwerte wie Blutdruck oder<br />

Gewicht und Trainingsdaten beim Sport<br />

Da beschwört<br />

einer den<br />

Geist von<br />

Apple-<br />

Gründer<br />

Steve Jobs<br />

erfasst. Zahlreiche Armbänder, Körperwaagen<br />

oder Glucose-Messgeräte sammeln<br />

solche Daten heute schon und legen<br />

sie in eigenen Handy-Apps ab. Neu ist, dass<br />

Apple diese Protokolle zu einem Logbuch<br />

des körperlichen Wohlbefindens zusammenführt.<br />

Auch Laborergebnisse, Schlafverhalten<br />

und Ernährungsgewohnheiten<br />

soll das Programm speichern.<br />

Eine Idee mit Zukunft, findet Ulli Jendrik<br />

Koop, Vorstand bei XLHealth. Der Berliner<br />

Kapitalgeber finanziert Start-ups, die digitale<br />

Gesundheitsdienste entwickeln – etwa<br />

die Wiener Neugründung Mysugr,<br />

mit deren App Diabetiker ihre Blutzuckerwerte<br />

protokollieren können. „Wenn<br />

Nutzer ihre Glucose-Werte künftig<br />

mit Daten über Sport, Ernährung<br />

oder Schlafverhalten abgleichen“,<br />

sagt Koop, „dann können<br />

sie so ganz neue Muster<br />

erkennen.“<br />

Geht es nach Apple, dann<br />

senden Handynutzer mit der<br />

neuen App bald Daten, etwa<br />

Blutdruckwerte, auch an ihren<br />

Arzt – zusammen mit einer Warnung,<br />

falls Grenzwerte überschritten<br />

sind. 23 Krankenhäuser in den USA wollen<br />

mit dem IT-Konzern zusammen solche<br />

Dienste entwickeln.<br />

Das Geschäft, auf das Lynch zusammen<br />

mit seinem Team bei Apple schielt, ist riesig.<br />

Denn der Markt für Gesundheitsdienste<br />

auf dem Handy wächst bis 2017 um<br />

mehr als das Zehnfache auf 26 Milliarden<br />

Dollar, prognostizieren die Marktforscher<br />

von Research2guidance in Berlin.<br />

Auffällig dabei ist, dass Apple in den vergangenen<br />

Monaten ein halbes Dutzend<br />

Top-Medizinexperten eingestellt hat.<br />

Unter ihnen sind ein Schlafexperte <strong>vom</strong><br />

niederländischen Technologiekonzern<br />

Philips, der Chefingenieur eines Start-ups<br />

namens C8 MediSensors, das an einer<br />

Methode zur Blutzuckermessung durch<br />

die Haut arbeitet, sowie eine Entwicklerin,<br />

die vermutlich an einer Art Pflaster tüftelt,<br />

das eine Reihe von Blutwerten ermitteln<br />

kann.<br />

Prominentester Zugang auf diesem Feld<br />

ist allerdings Jay Blahnik, ein US-Fitnessexperte,<br />

der zuvor für den US-Sportartikelhersteller<br />

Nike das Fitnessarmband Fuelband<br />

mitentwickelt hat, das im Februar<br />

2012 auf den Markt kam. Kurze Zeit später<br />

gab Nike bekannt, die Entwicklung des<br />

Display-Armreifs einzustellen. Weil Apple<br />

selbst eines plant? Das fragen sich nun Beobachter.<br />

ZUKUNFT DES SHOPPINGS<br />

Branchenkenner erwarten von Apple nun<br />

eine Flut von Fitness-, Gesundheits- und<br />

Heimautomatisierungsgeräten. Damit<br />

kann der Konzern auf seine starken Geschäftsfelder<br />

iPhone, iPad sowie Mac-<br />

Rechner aufsetzen. „Später in diesem Jahr<br />

werden wir die beste Produktpalette haben,<br />

die ich in meinen 25 Jahren bei Apple<br />

gesehen habe“, prahlte Apple-Internet-<br />

Softwarechef Cue bereits Ende Mai auf einer<br />

Technologiekonferenz.<br />

Will Apple die Magie behalten, wird es<br />

für den Konzern jedoch wichtig sein, wieder<br />

einmal etwas Revolutionäres auf den<br />

Markt zu bringen. Vielleicht ist dazu Ex-<br />

Burberry-Chefin Ahrendts die Richtige, indem<br />

sie bei Apple die Zukunft des Shoppings<br />

vorwegnimmt. Schon heute können<br />

700$<br />

600 $<br />

500$<br />

400$<br />

300$<br />

iPad<br />

200$<br />

100$<br />

2010<br />

iPhone<br />

iOS4<br />

67<br />

iPhone 4,<br />

iAds<br />

59<br />

MacBook Air<br />

Apple TV,<br />

iPods,<br />

iTunes 10<br />

In mehreren Schüben<br />

Wiedie Präsentationen neuer Geräte den Kurs der Apple-Aktie beeinflussen<br />

2011<br />

iPad2<br />

OS XLion,<br />

iCloud,<br />

iOS5<br />

iPhone 4S<br />

iPad, Apple TV,<br />

iPhoto füriOS<br />

iBooks für<br />

Textbooks<br />

iOS6,<br />

Apple<br />

Maps<br />

Tage zwischen Produktpräsentationen<br />

2012<br />

iMac,<br />

iPadMini<br />

iPhone 5,<br />

iPodTouch,<br />

iPodNano<br />

Mac Pro,<br />

OS XMavericks,<br />

iOS7,<br />

iTunes Radio<br />

iPhone 5C<br />

iPhone 5S<br />

2013 <strong>2014</strong><br />

iPadAir<br />

iPadMiniRetina<br />

85 48 132 95 116 1<strong>06</strong> 46 97 92 39 230 92 42 223<br />

Health Kit<br />

iCloud Drive<br />

iOS8<br />

OS XYosemite<br />

44 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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Der frühere Erzfeind<br />

Kevin Lynch Internet der Dinge<br />

Lynch startete im Elektronischen Visualisierungslabor der Universität<br />

von Chicago. Später ging er zur US-Softwarefirma Macromedia.<br />

Als Adobe diese 2005 kaufte, wurde er Technikchef. Mit Apple-<br />

Gründer Jobs stritt er, weil der die Adobe-Flash-Technik hasste.<br />

Der Gangsta-Rapper<br />

Dr. Dre (André Young) iTunes<br />

Young war als Teenager DJ, rappte in der Hip-Hop-Gruppe N.W.A<br />

und gründete 1991 das Musiklabel Death Row Records. Er verpflichtete<br />

die späteren Megastars Eminem und 50 Cent. 20<strong>06</strong><br />

startete er mit Jimmy Iovine den Kopfhörerbauer Beats.<br />

FOTOS: LAIF/REDUX/JONATHAN SPRAGUE, CONTOUR BY GETTY IMAGES/SCOTT COUNCIL<br />

Kunden im Apple Store mit einer<br />

Smartphone-App bezahlen, ohne dass ein<br />

Verkäufer dazu nötig ist.<br />

SIGNALE AUS DEM OBSTREGAL<br />

Den Handel regelrecht revolutionieren soll<br />

eine Technologie namens iBeacon, die auf<br />

der Entwicklerkonferenz vor einem Jahr<br />

vorgestellt wurde. iBeacons sind winzige<br />

Sender, mit deren Hilfe die Kunden im Laden<br />

direkt angesprochen werden können.<br />

Auf diese Weise würden Supermarktbetreiber<br />

einem Kunden etwa eine Nachricht<br />

aufs Handy schicken, dass es in dem Obstregal<br />

vor ihm gerade Äpfel im Sonderangebot<br />

gibt. Die US-Handelsriesen Macy’s und<br />

Walmart sowie die britische Supermarktkette<br />

Tesco erkunden<br />

gerade die Einsatzmöglichkeiten<br />

der Technik, die dem Ortungssystem<br />

GPS ähnelt.<br />

In Deutschland testet jetzt der<br />

Outdoor-Ausrüster Mammut als<br />

einer der ersten Markenanbieter<br />

in seinem Laden in Frankfurt die<br />

Video<br />

In der App-<strong>Ausgabe</strong><br />

finden Sie<br />

einen Kommentar<br />

über Apples<br />

Produktstrategie<br />

neue Technik:Kunden, die sich die entsprechende<br />

Mammut-App auf ihr Apple-Gerät<br />

geladen haben, werden im Laden <strong>vom</strong> Bildschirm<br />

direkt zum neuen Bergschuh oder<br />

der wetterfesten Jacke geführt. Viele Apple<br />

Stores in den USA wurden in den vergangenen<br />

Monaten mit iBeacons ausgerüstet.<br />

Weil die Technologie am Montag voriger<br />

Woche aber mit keinem einzigen Wort erwähnt<br />

wurde, erwarten Brancheninsider,<br />

dass Apple in den nächsten Monaten Größeres<br />

dazu präsentieren wird.<br />

Apple-Kenner spekulieren, dass sich der<br />

Computerbauer in den kommenden Monaten<br />

auch als Finanzdienstleister versuchen<br />

wird und dafür an einem mobilen Zahlungssystem<br />

arbeitet – einer Art<br />

Apple Bank. So schrieb das Unternehmen<br />

im vergangenen Jahr die<br />

Stelle eines „Ingenieurs für Zahlungssoftware“<br />

aus, „der dabei<br />

hilft, Zahlungssysteme der nächsten<br />

Generation zu entwickeln“.<br />

In der Jobbeschreibung heißt<br />

es, die Person werde vor allem<br />

Erfahrungen mit globalen Zahlungssystemen<br />

im Einzelhandel sammeln. Die Basis<br />

für ein solches System besitzt Apple mit<br />

Daten von bald einer Milliarde Kreditkartenbesitzern,<br />

die sich damit unter anderem<br />

bei iTunes und im Online-Store des Konzerns<br />

registriert haben.<br />

GEIST DES GRÜNDERS<br />

Gangsta-Rapper, Musiker, Modemacher,<br />

Schlafforscher und Gegenspieler – die Führungselite<br />

von Apple war selten so bunt. Sie<br />

alle sollen in die Richtung marschieren, die<br />

Apple-Chef Cook am vergangenen Montag<br />

bei seinem Auftritt vorgab. „Wir können wie<br />

kein anderer Hard- und Software zum Wohle<br />

der Nutzer miteinander vereinen“,<br />

schwärmte er über sich und Apple.<br />

Wer auf der Entwicklerkonferenz zugegen<br />

war, der spürte, da beschwört einer<br />

den Geist von Apple-Gründer Jobs, den<br />

nun ein Top-Team aus der zweiten Reihe in<br />

die Zukunft retten soll.<br />

n<br />

matthias.hohensee@wiwo.de | Silicon Valley,<br />

andreas menn, thomas stölzel<br />

WirtschaftsWoche 7.6.<strong>2014</strong> Nr. 24 45<br />

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Unternehmen&Märkte<br />

Kein Deal<br />

um jeden<br />

Preis<br />

SIEMENS | Welche Folgen hätte<br />

ein Zusammenschluss von<br />

General Electric und Alstom für<br />

Deutschlands wichtigsten<br />

Technologiekonzern?<br />

Noch einmal will Jeff Immelt nicht<br />

nach Paris reisen, um Parlament<br />

und Regierung seine Pläne für die<br />

Übernahme des angeschlagenen Alstom-<br />

Konzerns zu erklären. Bei seinem letzten<br />

Auftritt vor der Nationalversammlung in<br />

der französischen Hauptstadt hatte der<br />

CEO des amerikanischen Mischkonzerns<br />

General Electric (GE) versprochen, keine<br />

Jobs zu streichen, sondern im Gegenteil<br />

1000 neue Stellen in Frankreich zu schaffen.<br />

Von einem „verbesserten“ und „gestärkten“<br />

Angebot sprach Frankreichs<br />

Staatspräsident François Hollande nach<br />

Immelts Auftritt. Das sei nun aber das letzte<br />

Wort gewesen, nochmals nachgebessert<br />

würde die Offerte nicht, heißt es in GE-<br />

Kreisen. „Immelts Schicksal wird schließlich<br />

nicht in Paris, sondern am Ende aller<br />

Tage an der Wall Street entschieden.“<br />

Immelts Gegenspieler Joe Kaeser will sich<br />

bis zum 16. Juni zu einem Angebot für die<br />

Energietechniksparte der Franzosen äußern.<br />

Der Siemens-Chef beklagt allerdings,<br />

die Deutschen hätten nicht den gleichen Zugang<br />

zu den Alstom-Büchern wie GE. Nicht<br />

wenige Beobachter halten diesen Vorwurf<br />

allerdings für eine Taktik, mit der Kaeser<br />

schon mal den Ausstieg aus dem politisch<br />

initiierten Milliarden-Übernahmevorhaben<br />

einklingeln wolle. Zu groß sind die Herausforderungen<br />

von Kaesers geplantem Konzernumbau<br />

schon ohne den Alstom-Deal.<br />

Doch wie bedrohlich wären die Folgen<br />

einer amerikanisch-französischen Allianz<br />

für Deutschlands bedeutendsten Technologiekonzern?<br />

Die vier wichtigsten Fragen<br />

und Antworten:<br />

Wie gefährlich wäre eine<br />

Übernahme von Alstom<br />

durch GE für das Energiegeschäft<br />

von Siemens?<br />

Der Auftrieb war gewaltig, als GE in der<br />

vergangenen Woche auf der Messe Power-<br />

Gen Europe in Köln seine neue hocheffiziente<br />

Gasturbine <strong>vom</strong> Typ 9H vorstellte.<br />

Die Veranstaltung am Rhein ist die wichtigste<br />

für Kraftwerkstechnik und Energiewirtschaft<br />

außerhalb der USA. GE nutzte<br />

sie, um ein Zeichen in Richtung München<br />

zu setzen. Denn auch Siemens hat mit seiner<br />

in Berlin gefertigten 8000H-Gasturbine<br />

eine ähnlich moderne Anlage mit hohem<br />

Wirkungsgrad im Angebot.<br />

Es ist vor allem das Geschäft der Münchner<br />

mit der Energieerzeugung aus fossilen<br />

Pokern mit Paris Die Braut Alstom schaut<br />

sich Siemens-Chef Kaeser ganz genau an<br />

Brennstoffen, das im Falle einer Allianz aus<br />

GE und Alstom einen mächtigen Gegenspieler<br />

bekäme. Die Franzosen erzielten<br />

zuletzt 70 Prozent ihres Umsatzes von 20<br />

Milliarden Euro mit Energietechnik.<br />

Schon vor mehr als einem Jahrzehnt hatten<br />

die Amerikaner von Alstom das Gasturbinengeschäft<br />

mit den dazugehörigen<br />

Werken im elsässischen Belfort übernommen.<br />

Weil die Franzosen dort auch ihre<br />

Dampfturbinen bauen, fertigen seitdem<br />

beide Unternehmen in der französischen<br />

Stadt auf gegenüberliegenden Straßenseiten<br />

ihre Anlagen.<br />

Bei einer Alstom-Übernahme bekäme<br />

GE auch eben jenes Dampfturbinengeschäft<br />

der Franzosen in die Hand. Es entstünde<br />

ein neues Schwergewicht, dessen<br />

Sparte für Energietechnik doppelt so groß<br />

wäre wie die des deutschen Konkurrenten.<br />

Siemens erwirtschaftete mit Energietechnik<br />

im Geschäftsjahr 2013 (zum 30. September)<br />

einen Umsatz von fast 27 Milliarden<br />

Euro.<br />

Zwar läuft das Kraftwerksgeschäft in Europa<br />

wegen der Energiewende seit einigen<br />

Jahren schleppend, die Musik spielt hier<br />

FOTOS: IMAGO/IPON, BILDFOLIO/UTE SCHMIDT<br />

46 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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zurzeit in Asien und Amerika. Allerdings<br />

sitzt Alstom auf einem gewaltigen Bestand<br />

lang laufender Wartungsverträge für Kraftwerke,<br />

vor allem in Deutschland. Der Konzern<br />

aus Frankreich gilt als größter unabhängiger<br />

Serviceanbieter auf diesem Feld.<br />

Auch und vor allem auf diese Verträge haben<br />

es die Amerikaner abgesehen, denn<br />

das Servicegeschäft wirft extrem hohe Renditen<br />

ab.<br />

Sehr stark ist Alstom außerdem bei der<br />

Stromübertragung, einem Bereich, in dem<br />

Siemens zuletzt Probleme hatte und den<br />

GE bisher noch nicht im Portfolio hat.<br />

Fazit: Beim Geschäft mit Energieerzeugung<br />

aus fossilen Brennstoffen bekäme<br />

Siemens einen mächtigen Wettbewerber.<br />

Kaesers Plan, künftig vor allem auf das Ölund<br />

Gasgeschäft in den USA zu setzen, wäre<br />

mit neuen Herausforderungen behaftet.<br />

Was würde aus der Vormachtstellung<br />

von Siemens<br />

bei Windkraftanlagen?<br />

Mit einem Marktanteil von 7,4 Prozent ist<br />

Siemens der weltweit viertgrößte Anbieter<br />

von Windkraftanlagen. Vor den Münchnern<br />

liegen nur noch Vestas aus Dänemark,<br />

der chinesische Hersteller Goldwind<br />

und Enercon aus Aurich in Ostfriesland.<br />

In Brande in Dänemark haben die<br />

Münchner hochmoderne Fertigungsstraßen<br />

aufgebaut. Dort bauen sie auf einer<br />

Plattform verhältnismäßig kostengünstig<br />

zahlreiche unterschiedlich große Modelle.<br />

Von der Strategie profitiert Siemens inzwischen<br />

auch in den USA, dem Heimatmarkt<br />

von GE: Ende 2013 konnten die Münchner<br />

gleich zwei Milliardenaufträge zur Bestückung<br />

zweier amerikanischer Windparks<br />

an Land ziehen.<br />

Bei großen Anlagen für den Einsatz auf<br />

hoher See ist Siemens sogar Weltmarktführer.<br />

Kein anderer Hersteller hat so viele<br />

Windräder vor deutschen, britischen, niederländischen<br />

und dänischen Küsten in<br />

den Schlick gerammt. Vor allem mit seiner<br />

gewaltigen Sechs-Megawatt-Turbine setzt<br />

Siemens Maßstäbe. Vor der Nordseeinsel<br />

Juist wird der Konzern demnächst zwei<br />

Windparks mit insgesamt 100 dieser leistungsstarken<br />

Anlagen bestücken.<br />

GE setzt bisher eher auf kleinere Windturbinen<br />

für die Energieerzeugung an<br />

Land. Die Anlagen für den europäischen<br />

Markt baut der Konzern aus dem US-Bundesstaat<br />

Connecticut im niedersächsischen<br />

Salzbergen. Alstom dagegen hat<br />

Windkraftanlagen für den Offshore-Betrieb<br />

im Angebot.<br />

Fazit: Auch wenn GE durch eine Übernahme<br />

des Energiegeschäfts von Alstom zu einem<br />

bedeutenden Mitspieler beim Geschäft<br />

mit Windkraftanlagen auf hoher See<br />

würde: Siemens’ herausgehobene Stellung<br />

im Windgeschäft bliebe auf längere Sicht<br />

erhalten.<br />

Was ändert sich für Kaesers<br />

geplanten Konzernumbau?<br />

Hinter vorgehaltener Hand heißt es bei Siemens,<br />

eine Übernahme der Alstom-Energiesparte<br />

sei angesichts der Umwälzungen,<br />

vor denen man in München derzeit stehe,<br />

schwer zu bewältigen. Kaeser peile daher<br />

keinen Deal um jeden Preis mit den Franzosen<br />

an. Er wolle sich allerdings in fünf<br />

Jahren auch nicht vorwerfen lassen, die<br />

Chance für eine Übernahme des Alstom-<br />

Energiegeschäfts verpasst zu haben.<br />

Die meisten Analysten warnen denn<br />

auch, eine Allianz mit Alstom könnte Kaesers<br />

Anfang Mai vorgelegtes Restrukturierungsprogramm<br />

Vision 2020, mit dem der<br />

Siemens-Chef eine Milliarde Euro einsparen<br />

will, über den Haufen werfen.<br />

Die Gefahr steige, warnen etwa die Analysten<br />

von JP Morgan, dass Großprojekte<br />

scheiterten. Solche Fehlschläge, von denen<br />

es in der Ära von Kaeser-Vorgänger Peter<br />

Löscher viel zu viele gab, will der Siemens-<br />

Chef um jeden Preis vermeiden.<br />

¹ inklusive Wasserkraft; ² gesamte<br />

Division Fossil Power Generation<br />

inklusive Service; ³ inklusive<br />

Turbinen für Atomkraftwerke;<br />

Quelle: Unternehmen<br />

Als der Siemens-Chef im vergangenen<br />

Jahr seinen Posten antrat und sich ausrechnen<br />

ließ, wie viele neue Mitarbeiter in<br />

den zurückliegenden Jahren eingestellt<br />

worden waren, war er geschockt: Ohne<br />

dass der Umsatz gestiegen war, hatte sein<br />

Vorgänger Löscher 2011 und 2012 netto<br />

36 000 neue Jobs geschaffen.<br />

Daher sollen schon ohne einen Zusammenschluss<br />

mit den Franzosen bei Siemens<br />

in den kommenden Jahren bis zu<br />

11 600 Stellen wegfallen. 4000 Arbeitsplätze<br />

werden überflüssig, weil Siemens sich<br />

von seiner Cluster-Struktur verabschiedet,<br />

mit der der Konzern bislang sein globales<br />

Geschäft regional organisiert hat. Weitere<br />

7600 Jobs sind betroffen, weil Kaeser die<br />

Führungsebene der Sektoren inklusive<br />

der zugehörigen Supportfunktionen streichen<br />

will.<br />

Fazit: Das Restrukturierungsprogramm<br />

wäre für Siemens ohne eine Allianz mit<br />

Alstom leichter zu bewältigen. Kaeser<br />

könnte sein Ziel, das Unternehmen zu alter<br />

Stärke zurückzuführen, schneller erreichen,<br />

wenn er sich nicht mit der schwierigen<br />

Integration des Alstom-Geschäfts herumschlagen<br />

müsste.<br />

Was passiert mit der margenschwachen<br />

Zugsparte?<br />

Als Vision klang alles so gut: Siemens<br />

übernimmt von Alstom die Energietechnik,<br />

und im Gegenzug bekommen die<br />

Groß schluckt Klein<br />

Wie stark Siemens und Alstom im Energiesektor sind<br />

Umspanntechnik und Energieübertragung Windenergie Gas- und Dampfturbinen<br />

Umsatz<br />

6,2 Mrd. €<br />

3,8 Mrd. €<br />

Mitarbeiter<br />

Siemens<br />

Alstom<br />

Umsatz<br />

Umsatz<br />

5,2 Mrd. € 10,7 Mrd. €²<br />

1,8 Mrd. €¹ 9,2 Mrd. €³<br />

Mitarbeiter<br />

Mitarbeiter<br />

21 870 19 000 6900 9400 30 290 37 000<br />

»<br />

WirtschaftsWoche 7.6.<strong>2014</strong> Nr. 24 47<br />

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Unternehmen&Märkte<br />

»<br />

Franzosen von den Deutschen die<br />

Zugsparte übertragen. So entstehen zwei<br />

europäische Champions: Der eine mit<br />

Sitz in Paris wird mit seinen ICEs und<br />

TGVs zu einem Global Player beim Geschäft<br />

mit Hochgeschwindigkeitszügen,<br />

der andere aus München ein Schwergewicht<br />

bei der Energietechnik. Siemens<br />

wäre mit dem deutsch-französischen<br />

Deal außerdem ein Sorgenkind los. Denn<br />

das Geschäft mit den Hochgeschwindigkeitszügen<br />

bereitete den Münchnern zuletzt<br />

viel Ärger.<br />

So weit, so schön ausgemalt. Bleibt allerdings<br />

ein großes Aber: Wird aus der Allianz<br />

aus Siemens und Alstom nichts, müssen<br />

die Deutschen ihre Zugsparte selbst in<br />

Ordnung bringen.<br />

Das wird keine leichte Aufgabe. Wegen<br />

technischer Probleme musste Siemens die<br />

Auslieferung von 16 ICE-Zügen an die<br />

Deutsche Bahn immer wieder verschieben.<br />

Schwierigkeiten bereitete vor allem<br />

die Steuerungssoftware der Züge mit einem<br />

Gesamtauftragswert von 530 Millionen<br />

Euro. Die peinlichen Verzögerungen<br />

haben zu Sonderbelastungen im dreistelligen<br />

Millionenbereich geführt.<br />

Softwareexperten bei Siemens hatten<br />

indes schon lange vor den Problemen gewarnt.<br />

Der Zeitplan, den Kaeser-Vorgänger<br />

Löscher den Zugtechnikern vorgegeben<br />

hatte, war viel zu ambitioniert. Ein<br />

professionelleres Projektmanagement ist<br />

denn auch ein wesentlicher Pfeiler von<br />

Kaesers Restrukturierungsprogramm für<br />

den Konzern.<br />

Die Siemens-Arbeitnehmervertreter befürchten<br />

zudem, ein Zusammenschluss<br />

mit Alstom könnte zu beträchtlichen Jobverlusten<br />

in der Zugsparte führen. Betroffen<br />

von Stellenstreichungen wären vor allem<br />

die Produktionsstandorte Krefeld und<br />

Allach in Bayern.<br />

Fazit: Bekommt General Electric am Ende<br />

den Zuschlag für den Alstom-Deal und<br />

bleiben damit die Züge bei Siemens, hat Jochen<br />

Eickholt einiges zu tun. Der Manager<br />

wird künftig die Division Mobility führen,<br />

in der das Zuggeschäft gebündelt ist. Bei<br />

der Marge rangiert die Division im Siemens-internen<br />

Vergleich am unteren Ende.<br />

Als oberste Priorität hat Kaeser seinem<br />

neuen Mobility-Chef daher vor allem ins<br />

Programm geschrieben: „Stringente Projektausführung<br />

des Auftragsbestands sicherstellen.“<br />

Angesichts der vielen Pannen<br />

in der Löscher-Ära eine gewaltige Herausforderung.<br />

n<br />

matthias.kamp@wiwo.de | München<br />

Die Geizmeister<br />

WIZZ AIR | Extremer Magerservice und Niedrigkosten haben<br />

die ungarische Linie zu Osteuropas größtem Billigflieger gemacht.<br />

Jetzt soll der Börsengang folgen.<br />

Als Ryanair-Chef Michael O’Leary Europas<br />

größtem Billigflieger im<br />

Herbst eine Service-Initiative verordnete,<br />

hielt das selbst seine ärgste Konkurrentin<br />

für eine Zeitenwende: „Ohne guten<br />

Kundendienst hat in unserer Branche<br />

keiner Erfolg“, lobte Easyjet-Chefin Carolyn<br />

McCall die Entscheidung, nicht mehr für<br />

jede Kleinigkeit die Hand aufzuhalten.<br />

Das sieht József Váradi anders. Der Chef<br />

und Gründer des ungarischen Billigfliegers<br />

Wizz Air kassiert seit gut einem Jahr nicht<br />

mehr nur für Getränke oder Sitzreservierungen.<br />

Bei Wizz zahlen Kunden bis zu 40<br />

Euro, wenn sie statt einer kleinen Tasche<br />

den üblichen Kabinentrolley mit an Bord<br />

nehmen wollen.<br />

Die Strenge hat dem Erfolg nicht geschadet.<br />

Geizmeister Wizz, der an deutschen<br />

Durchstarten an die Börse Wizz Air greift<br />

die etablierten Billigflieger an<br />

Flughäfen wie Köln, Dortmund, Hahn,<br />

Weeze oder Memmingen pro Jahr fast eine<br />

Million Kunden hat, verzeichnet das größte<br />

Wachstum unter Europas fünf größten Billigfliegern.<br />

Dabei war Wizz Air dank des<br />

dichten Streckennetzes bis nach Dubai<br />

und des Wirtschaftswachstums in Osteuropa<br />

2013 operativ sogar profitabler als die<br />

Wettbewerber.<br />

Nun wagt Váradi den nächsten Schritt.<br />

Noch im Juni will er das 2003 gegründete<br />

Unternehmen in London an die Börse<br />

bringen. Bei einem geschätzten Börsenwert<br />

von gut einer Milliarde Euro erhoffen<br />

sich Váradi und seine Miteigner wie der<br />

US-Fonds Indigo Partners sowie eine Tochter<br />

der genossenschaftlichen DZ Bank aus<br />

Deutschland Einnahmen von 200 Millionen<br />

Euro.<br />

Das Geld kann Wizz gut brauchen. Denn<br />

das bisherige Wachstum hat die Linie finanziell<br />

ausgelaugt. Um weiter zuzulegen,<br />

hat sie 67 weitere Flugzeuge fest bestellt.<br />

„Wizz hat klar zu wenig Kapital, um den<br />

bisherigen Kurs fortzusetzen“, heißt es in<br />

einer Studie der auf die Flugbranche spezialisierten<br />

Beratung Capa aus Sydney.<br />

Mit dem Börsengeld jedoch stünden die<br />

Chancen gut, sagt Analyst Peter Morris<br />

<strong>vom</strong> renommierten Londoner Marktforschungsunternehmen<br />

Ascend Aviation. Er<br />

gründet den Optimismus auf die ungewöhnlichen<br />

Ideen des Managements um<br />

Váradi und seinen Verwaltungsratschef<br />

William Franke.<br />

ORIGINELLE SPARIDEEN<br />

Franke steuerte sein Wissen als Ex-Chef<br />

von Billigfliegern wie Frontier aus den USA<br />

oder Tiger Airways aus Singapur bei, Váradi<br />

brachte seine Erfahrung <strong>vom</strong> amerikanischen<br />

Konsumgüter-Riesen Procter &<br />

Gamble ein – und beide ergänzten das mit<br />

ein paar Extras zum Modell Wizz. „Wizz hat<br />

das Regelbuch für Low Cost um ein paar<br />

originelle Ideen erweitert“, urteilt etwa der<br />

britische Branchendienst Anna.aero.<br />

Um die Kosten zu drücken, nutzt Wizz<br />

nicht nur wie andere Billigflieger auch gern<br />

kleinere Flughäfen mit extrem niedrigen<br />

Gebühren. Die Linie hat auch die niedrigs-<br />

FOTO: PR<br />

48 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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Im Windschatten der Großen<br />

Europas selbstständige Billigflieger<br />

Airline Sitz Umsatz (Mrd. €) Operative Rendite* Passagiere Kosten (Cent)** Flotte<br />

Easyjet<br />

Ryanair<br />

Norwegian<br />

Wizz Air<br />

Pegasus<br />

Großbritannien<br />

Irland<br />

Norwegen<br />

Ungarn<br />

Türkei<br />

* Einnahmen vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen zu Umsatz; ** <strong>Ausgabe</strong>n pro angebotenen Passagierkilometer;<br />

Angaben für jüngstes Geschäftsjahr; Quelle: Unternehmen, Capa<br />

ten Verwaltungskosten und den höchsten<br />

Umsatz pro Mitarbeiter. Sie kümmert sich<br />

selbst nur um zentrale Bereiche und verteilt<br />

diese quer durch Europa an den jeweils<br />

günstigsten Standort. So sitzen Finanzabteilung<br />

und Chefetage in der Bankenmetropole<br />

London, der Flugbetrieb in<br />

Ungarn und der einfachere Teil der Verwaltung<br />

in der von den aktuellen Unruhen<br />

kaum berührten westlichen Ukraine.<br />

Das Gros der Arbeit erledigen günstige<br />

Dienstleister aus Osteuropa. Nur die Wartung<br />

übernimmt die relativ teure Lufthansa<br />

5,1 17 % 60 800 000<br />

226<br />

5,0 23 %<br />

1,9 18 %<br />

1,0 24 %<br />

0,9 22 %<br />

81 700 000<br />

20 700 000<br />

13 900 000<br />

17 000 000<br />

303<br />

Technik. „Doch das rechnet sich, weil die<br />

Maschinen weniger Pannen haben und<br />

der Name Lufthansa den Verdacht zerstreut,<br />

Wizz könne an der Sicherheit sparen“,<br />

sagt Váradi.<br />

MEHR KOSTENPFLICHTIGE EXTRAS<br />

Die Einnahmen steigert Wizz durch das im<br />

Vergleich zum Rest der Branche besonders<br />

breite Angebot an kostenpflichtigen Extras.<br />

Neben den üblichen Offerten wie Sitzen<br />

mit mehr Beinfreiheit oder Gebühren für<br />

aufgegebenes Gepäck verkauft die Linie<br />

94<br />

50<br />

51<br />

auch das Recht auf kostenlose Umbuchung<br />

oder Entschädigung bei Verspätungen (jeweils<br />

zehn Euro), schnellere Sicherheitskontrollen<br />

(vier Euro) und einen Rabatt<br />

von zehn Euro pro Flug (für 30 Euro pro<br />

Jahr). Das Modell kommt bei den Kunden<br />

an: Mit gut 25 Euro pro Passagier hat Wizz<br />

derzeit in Europa den höchsten Umsatz abseits<br />

des Ticketverkaufs.<br />

Wizz hilft auch die starke Stellung in Osteuropa.<br />

Weil sie vor allem Flugbegleiter aus<br />

der Region anstellt, ihre Internet-Seite in 19<br />

Sprachen anbietet und 17 Währungen akzeptiert,<br />

ist sie zwischen der Ostsee und<br />

dem Schwarzen Meer in fast jedem Land<br />

eine der beiden größten Fluglinien und<br />

profitiert deshalb <strong>vom</strong> wirtschaftlichen<br />

Aufschwung in der Region.<br />

Somit glauben die Analysten von Ascend<br />

und Capa, dass Wizz den Siegeszug fortsetzt,<br />

selbst wenn Easyjet oder Ryanair aus<br />

Mangel an Wachstumschancen in Westeuropa<br />

verstärkt in den Osten ziehen. „Noch<br />

ein, zwei Jahre, dann sind wir so groß, dass<br />

uns die Großen kaum mehr schlagen können“,<br />

prophezeit ein Wizz-Insider. „Dann<br />

bleibt denen nur noch, uns zu kaufen.“ n<br />

ruediger.kiani-kress@wiwo.de<br />

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Unternehmen&Märkte<br />

Zehn Minuten im Minus<br />

BANKEN | Um zu sparen, lagern die Geldhäuser immer mehr Aufgaben an Billigtöchter aus.<br />

Was sind die Folgen für Mitarbeiter und Kunden?<br />

Banking am Fließband<br />

Mitarbeiter einer Deutschen-Bank-<br />

Tochter wickeln den Zahlungsverkehr ab<br />

Attraktiver kann eine Bankfiliale<br />

kaum gelegen sein: Die Stammbelegschaft<br />

der Berliner Volksbank genießt<br />

nahe der Shoppingmeile am Kurfürstendamm<br />

den Blick auf das Raubtiergehege<br />

im Tiergarten gegenüber. Weniger idyllisch<br />

residieren ihre 330 Ex-Kollegen in einer<br />

Servicegesellschaft, die seit rund vier<br />

Jahren in einem schäbigen Bürocenter am<br />

Flughafen Tegel Sicherheiten für die in den<br />

Filialen vergebenen Kredite erfassen oder<br />

Grundbucheinträge veranlassen.<br />

Die Auslagerung von Aufgaben und Jobs<br />

in der Finanzbranche nimmt zu, weil der<br />

Kostendruck durch das immer niedrigere<br />

Zinsniveau und die strengere Regulierung<br />

steigt. „Banken reagieren mit Personalabbau,<br />

bei dem Stellen gestrichen oder in<br />

Servicegesellschaften ausgelagert werden“,<br />

sagt Reinhard Messenböck, Partner und<br />

Experte für Retailbanking bei der Beratung<br />

Boston Consulting Group (BCG) in Berlin.<br />

„Die Finanzinstitute setzen angesichts<br />

sinkender Erträge im Privatkundengeschäft<br />

stärker auf Industrialisierung“, beobachtet<br />

Jürgen Moormann, Professor an der<br />

Frankfurt School of Finance. Bankeigene<br />

Servicetöchter oder Fremdanbieter halten<br />

Zahlungsverkehr, Wertpapiergeschäft oder<br />

Kreditabwicklung laut Moormann viel<br />

günstiger am Laufen: nicht nur wegen der<br />

niedrigeren Löhne, sondern weil sie sich<br />

aufs Massengeschäft spezialisiert haben.<br />

Wie viel deutsche Banken insgesamt<br />

auslagern, ist nicht mit Zahlen belegt. Der<br />

Trend lässt sich aber deutlich ablesen:<br />

n So streicht die Commerzbank 5200 Stellen<br />

bis 2016, während ihre Servicetöchter<br />

zusätzliche Tätigkeiten übernehmen und<br />

ihre niedriger entlohnten Belegschaften<br />

aufstocken (siehe Interview Seite 54).<br />

n Die Deutsche Bank hat im April 10 000<br />

Servicemitarbeiter aus den eigenen Reihen<br />

und der übernommenen Postbank in einer<br />

Dienstleistungsgesellschaft gebündelt, um<br />

dank einheitlicher Standards und geringerer<br />

Personalkosten jährlich 770 Millionen<br />

Euro zu sparen. Der Kündigungsschutz gilt<br />

nur bis Ende <strong>2014</strong>.<br />

n Die HypoVereinsbank hat im Sommer<br />

2013 ihre Rechenzentren mit rund 300 Mitarbeitern<br />

in ein Gemeinschaftsunternehmen<br />

mit dem IT-Riesen IBM ausgelagert.<br />

Der Schritt ist Teil eines groß angelegten<br />

Verlagerungsprojekts der italienischen<br />

HVB-Mutter UniCredit, die von der IBM-<br />

Expertise profitieren will. Sie spart aber<br />

auch Geld, weil Aufgaben künftig teilweise<br />

an billigeren Standorten in der Slowakei<br />

oder Tschechien erledigt werden.<br />

Internationale Wettbewerber machen<br />

den deutschen Banken vor, wie weit sich<br />

das treiben lässt: Nach einer Untersuchung<br />

der Daten von zehn global agierenden<br />

Banken durch die US-Beratung McLagan<br />

haben diese im Durchschnitt fast 40 Prozent<br />

ihrer Belegschaften an Standorte mit<br />

besonders niedrigen Löhnen ausgelagert.<br />

Doch welche Folgen hat das Verschieben<br />

für Banken, Mitarbeiter und Kunden?<br />

Die Kreditinstitute sparen dank dieser<br />

Maßnahmen nicht nur Geld. Sie können<br />

dem Personal in den Servicetöchtern zudem<br />

leichter kündigen und flexiblere Arbeitszeiten<br />

vereinbaren. Durch die Spaltung<br />

der Belegschaft in zwei Klassen erhö-<br />

FOTO: LAIF/FRANZ BISCHOF<br />

52 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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hen die Arbeitgeber zudem den Druck auf<br />

die Stammbeschäftigten, um diese bei den<br />

im Mai gestarteten Tarifverhandlungen zu<br />

Zugeständnissen zu bewegen – etwa den<br />

Samstag als Normalarbeitstag einzuführen.<br />

„Die Drohung weiterer Tarifflucht<br />

schwingt immer mit“, sagt Mark Roach,<br />

Banken-Experte bei der Dienstleistungsgewerkschaft<br />

Verdi.<br />

Die Servicetochter der Berliner Volksbank<br />

etwa bezahlt Altbeschäftigte weiter<br />

nach Tarif. Aber für Neuankömmlinge werden<br />

meist schlechtere Konditionen mit weniger<br />

Gehalt und Urlaub vereinbart. Zudem<br />

sind betriebsbedingte Kündigungen<br />

laut Arbeitnehmervertretern nun einfacher,<br />

denn die Mutterbank muss dafür nur<br />

den Umfang der Aufträge reduzieren.<br />

AUF EFFIZIENZ GETRIMMT<br />

Wie sich der steigende Druck auf die Mitarbeiter<br />

äußert, lässt sich bei einer der größten<br />

Finanzfabriken des Landes beobachten.<br />

Diese trägt den schmucklosen Namen<br />

BCB Betriebs-Center für Banken und sitzt<br />

in einem ebenso schmucklosen Bürokomplex<br />

hinter dem Frankfurter Hauptfriedhof.<br />

2004 von der Postbank ausgegründet, gehört<br />

die Servicetochter nach der Übernahme<br />

der Postbank durch die Deutsche Bank<br />

2010 nun zum Branchenprimus. Die<br />

deutschlandweit 2200 BCB-Mitarbeiter<br />

halten den Zahlungsverkehr für Deutsche<br />

Bank und Postbank am Laufen, aber auch<br />

für die Konkurrenten HypoVereinsbank<br />

und HSH Nordbank.<br />

Die BCBler checken jeden Morgen an<br />

der Stechuhr ein, und die macht einen kleinen,<br />

aber feinen Unterschied, der zeigt, wie<br />

der Ablauf in den Servicetöchtern auf Effizienz<br />

getrimmt wird. Den Mitarbeitern<br />

knappst der Arbeitgeber seit 2011 täglich<br />

zehn Minuten der erfassten Zeit ab, weil er<br />

den Weg zwischen den Stempelstellen an<br />

den Eingängen und in der Tiefgarage nicht<br />

mehr als Arbeitszeit anerkennt. Gewerkschaft<br />

und Arbeitnehmer müssen die Kröte<br />

schlucken, weil sonst längere Arbeitszeiten<br />

und Urlaubsabzug drohen.<br />

Noch feiern die Gewerkschaften den<br />

Schritt als Kompromiss, weil die Deutsche<br />

Bank bis Ende des Jahres auf betriebsbedingte<br />

Kündigungen verzichtet und bis Ende<br />

2016 Standortgarantien ausgesprochen<br />

hat. Doch der Weg in die Zwei-Klassen-Gesellschaft<br />

für die Belegschaft ist beschritten,<br />

denn den gewünschten Spareffekt erreichen<br />

die Banken nicht allein mit Nadelstichen<br />

wie der Zehn-Minuten-Minusbuchung,<br />

sondern auch durch die Übertragung<br />

des Fließbandprinzips aus der Industrieproduktion<br />

auf den Finanzsektor.<br />

„In den Servicefabriken zerhacken die<br />

Banken die Aufgaben in so kleine Teile,<br />

dass sie immer weniger Qualifikation und<br />

Verantwortung erfordern“, sagt Verdi-<br />

Mann Roach. Die Beschäftigten lassen sich<br />

mit dieser Methode auf niedrigeren Gehaltsstufen<br />

eingruppieren.<br />

Frei <strong>vom</strong> Bankentarif sind die Servicetöchter<br />

der Commerzbank, die sich in<br />

strukturschwachen Regionen wie dem<br />

Ruhrgebiet oder in Ostdeutschland angesiedelt<br />

haben. Mit vielen der dortigen Mitarbeiter<br />

sind flexible Arbeitsverträge vereinbart,<br />

bei denen die Regelzeit von 35<br />

Stunden je Woche um sieben Stunden<br />

über- oder unterschritten werden kann – je<br />

nach Arbeitsanfall.<br />

Die Kunden profitieren <strong>vom</strong> Auslagern<br />

durch besseren Service. So sind Hotlines<br />

wegen flexiblerer Arbeitszeiten rund um<br />

die Uhr erreichbar. Und Anfragen über soziale<br />

Netzwerke an die lokale Bank wie »<br />

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Unternehmen&Märkte<br />

INTERVIEW Frank Annuscheit<br />

»Niedrigeres Lohnniveau«<br />

Der Commerzbank-Personalvorstand baut Stellen ab und verlagert<br />

Aufgaben in billigere Servicetöchter.<br />

DER HAUSMEISTER<br />

Annuscheit, 51, steuert seit<br />

Ende 20<strong>06</strong> als Chief Operating<br />

Officer die internen Prozesse<br />

der Commerzbank. 2008<br />

zog er in den Vorstand ein, wo<br />

er die IT verantwortet und<br />

seit Jahresanfang auch das<br />

Personalressort.<br />

Herr Annuscheit, Sie<br />

sind seit Januar neuer<br />

Personalvorstand und<br />

müssen gleich Tausende<br />

Jobs streichen. Wie weit<br />

sind Sie?<br />

Es läuft schneller als gedacht.<br />

Ein gutes Drittel<br />

der 5200 abzubauenden<br />

Stellen haben wir bereits<br />

geschafft und ein weiterer<br />

Abbau ist schon vertraglich<br />

fixiert. Deshalb<br />

bin ich optimistisch,<br />

dass wir das wie geplant<br />

bis 2016 schaffen.<br />

Wird der „Bankbeamte“<br />

mit seinem sicheren und<br />

gut bezahlten Job zum<br />

Auslaufmodell?<br />

Den gibt es schon lange<br />

nicht mehr. Internet,<br />

neue Medien, aber auch<br />

die neuen Aufsichtsregeln<br />

erfordern andere Fähigkeiten von<br />

unseren Mitarbeitern. Zudem ist das Gehaltsniveau<br />

in der Branche immer noch<br />

zu stark von den guten Zeiten des Bankgewerbes<br />

geprägt.<br />

Wer erledigt jetzt die Aufgaben der<br />

ausscheidenden Mitarbeiter?<br />

An vielen Stellen sorgen automatische<br />

Prozesse dafür, dass vorher manuelle Tätigkeiten<br />

wegfallen. Darüber hinaus betreiben<br />

wir schon länger spezialisierte<br />

Servicetöchter, in die zunehmend Aufgaben<br />

verlagert werden. Diese Bereiche<br />

wickeln immer mehr Geschäft ab, auch<br />

die Zahl der dort Beschäftigten steigt.<br />

Mittlerweile arbeiten dort mehr als 2000<br />

Personen, und noch im laufenden Jahr<br />

planen wir einen weiteren Ausbau um<br />

circa 300 neue Mitarbeiter.<br />

Was tun die Servicetöchter genau?<br />

Zunächst wurden dort vorwiegend standardisierte<br />

Tätigkeiten wie Zahlungsverkehr<br />

oder einfache Kontoführung bearbeitet.<br />

Die Servicetöchter übernehmen<br />

nun aber immer höherwertige Aufgaben<br />

wie Softwaretests, Teile der Wertpapierabwicklung<br />

oder der<br />

Kreditsachbearbeitung.<br />

Warum wächst die<br />

Bedeutung der Servicegesellschaften?<br />

Die konzerneigenen<br />

Töchter ermöglichen es,<br />

unsere Dienstleistungen<br />

kostengünstiger zu erbringen.<br />

Unser Konzept<br />

ist dem Auslagern an externe<br />

Dienstleister in<br />

vielen Punkten überlegen.<br />

Wir müssen uns so<br />

die Kostenersparnis mit<br />

keinem Fremdanbieter<br />

teilen und behalten<br />

zudem die Kontrolle.<br />

Letzteres wird immer<br />

wichtiger, weil die Bankenaufsicht<br />

auch auf<br />

diesem Feld ihre Anforderungen<br />

verschärft.<br />

Was zahlen Sie den Leuten<br />

der internen Servicegesellschaften?<br />

Die Standorte liegen meist in Regionen,<br />

die ein niedrigeres Lohnniveau haben<br />

als unser Hauptsitz in Frankfurt, also etwa<br />

im Osten Deutschlands oder in Polen.<br />

Aus Sicht der dortigen Bevölkerung<br />

sind die Servicegesellschaften attraktive<br />

Arbeitgeber. Es gibt dort aber zunehmend<br />

auch sehr gut bezahlte Stellen,<br />

abhängig von Ausbildung und Einsatzgebiet.<br />

So schaffen wir in strukturschwachen<br />

Regionen begehrte Arbeitsplätze,<br />

die durch ihren Effizienzgewinn auch<br />

die Jobs in der Konzernmutter sichern.<br />

Keine Angst, dass die Servicebelegschaften<br />

in die Gewerkschaft eintreten<br />

und in den Bankentarifvertrag drängen?<br />

Natürlich steht es den Mitarbeitern dort<br />

frei, sich zu organisieren und tarifrechtlich<br />

vertreten zu lassen. Wir müssen aber<br />

an allen Stellen Kosten sparen, dazu<br />

zwingt uns das schwierige Marktumfeld<br />

etwa durch niedrige Zinsen sowie die<br />

steigenden Kosten für strengere Regulierungsauflagen.<br />

mark.fehr@wiwo.de | Frankfurt<br />

»<br />

in der Sparkassen-Gruppe können<br />

schneller von einer extra dafür zuständigen<br />

Tochter beantwortet werden. Kostenlose<br />

Girokonten, wie sie etwa die Commerzbank<br />

anbietet, rechnen sich nur,<br />

wenn die Maschinenräume im Hintergrund<br />

effizient laufen. Und das tun sie am<br />

billigsten bei den Servicetöchtern oder<br />

Spezialanbietern etwa für Wertpapierdienste.<br />

Der Finanzaufsicht BaFin in Bonn ist der<br />

Trend zum verstärkten Zentralisieren und<br />

Auslagern nicht verborgen geblieben.<br />

Denn Banken lagern nicht nur konzernintern<br />

Dienstleistungen aus, sondern vergeben<br />

auch zuvor selbst erledigte Aufgaben<br />

an Fremdfirmen. Was die Aufseher sorgt:<br />

Von deren potenziellem Ausfall wäre dann<br />

gleich ein Großteil der Branche betroffen.<br />

Als HypoVereinsbank und HSH Nordbank<br />

ihre Maschinenräume an die damalige<br />

Postbank-Tochter BCB auslagerten,<br />

ahnten sie nicht, dass diese später übernommen<br />

würde. Jetzt hängen die Münchner<br />

und die Landesbanker aus dem Norden<br />

von dem großen Konkurrenten Deutsche<br />

Bank ab.<br />

TEURE SCHNITTSTELLEN<br />

Die Auslagerung an Fremdfirmen hat noch<br />

andere Nachteile. So müssen sich HSH und<br />

HVB den Preisvorteil der Auslagerung mit<br />

der Deutschen Bank teilen und Umsatzsteuer<br />

zahlen, die sie als Bank nicht <strong>vom</strong><br />

Finanzamt erstattet bekommen. Hinzu<br />

kommt:„Die Banken geben damit Kontrolle<br />

auf und müssen gleichzeitig teure<br />

Schnittstellen für die IT einrichten“, sagt<br />

BCG-Berater Messenböck. Diese Kosten<br />

verringern die Ersparnis beträchtlich.<br />

Die Commerzbank hat daher nach der<br />

Übernahme der Dresdner Bank 2008 ihren<br />

Wertpapierservice von der großen Frankfurter<br />

Dienstleisterin dwp Bank zurückgeholt.<br />

Sie spart daher verstärkt im eigenen<br />

Haus, wobei die Löhne nicht die einzige,<br />

aber eine wichtige Stellschraube sind.<br />

Einige Mitarbeiter in den Servicetöchtern<br />

der Commerzbank verdienten mit<br />

7,50 Stundenlohn und Teilzeitverträgen<br />

anfangs so schlecht, dass sie ihre Löhne<br />

mit Zuschüssen der Arbeitsagentur aufstocken<br />

mussten. Erst als die Arbeitnehmerseite<br />

dies im Aufsichtsrat der Commerzbank<br />

zur Sprache brachte, führte diese im<br />

Frühjahr 2013 eine Lohnuntergrenze von<br />

8,49 Euro je Stunde ein. Der jetzt so gut wie<br />

beschlossene gesetzliche Mindestlohn<br />

liegt nur einen Cent darüber.<br />

n<br />

mark.fehr@wiwo.de | Frankfurt<br />

FOTO: PR<br />

54 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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Die Licht-Gestalt<br />

SERIE DIE TURNAROUNDER (I) | Osram Vom Glühbirnenhersteller zum High-Tech-Konzern:<br />

Vorstandschef Wolfgang Dehen hat den einstigen Verlustbringer in die Gewinnzone<br />

gebracht. Wie führt er das Traditionsunternehmen ins digitale Zeitalter?<br />

FOTO: PATRICK WACK FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE<br />

Osrams Zukunft beginnt in einem<br />

Gewerbegebiet neben<br />

der A 3 am Stadtrand von Regensburg.<br />

In langen, hell getünchten<br />

Hallen wachen rund<br />

1000 Mitarbeiter über die Halbleiterproduktion.<br />

In kleinen Labors nebenan tüfteln<br />

Entwickler an ultraflachen und biegsamen<br />

Leuchten, die bald auf den Hecks von<br />

BMW, Audi und Mercedes kleben sollen.<br />

Ingenieure führen Kunden neue Anwendungen<br />

vor, etwa einen ins Smartphone integrierten<br />

Beamer, mit dem der Nutzer<br />

spontan eine Präsentation an die Wand<br />

werfen kann.<br />

Der größte der weltweit mehr als 30 Osram-Standorte<br />

befindet sich im Niederbayrischen<br />

und will so gar nicht zum angestaubten<br />

Image des traditionsreichen<br />

Glühbirnenherstellers passen. In der Kantine<br />

wird an vielen Tischen Englisch gesprochen.<br />

Chinesen, Koreaner, Amerikaner und<br />

Deutsche diskutieren bei Salat und Steaks<br />

über die Vorteile von Sechs-Zoll- gegenüber<br />

Vier-Zoll-Wafern. Vor den Glasfronten<br />

erstrecken sich großzügige Grünanlagen –<br />

das Gelände in Regensburg könnte auch<br />

ein Campus im Silicon Valley sein.<br />

Der Mann, der dafür sorgen soll, dass es<br />

künftig überall in der weitverzweigten Osram-Welt<br />

so aussieht, sitzt in einem<br />

schlichten Büro über den Fabrikhallen.<br />

Wolfgang Dehen ist seit gut drei Jahren Vorstandsvorsitzender<br />

bei Osram. Der 60-jährige<br />

Westfale hat dem Konzern einen harten<br />

Sanierungskurs verordnet und ihn<br />

nach vielen verlustreichen Jahren schließlich<br />

zurück in die Gewinnzone geführt. Im<br />

Juli 2013 hat Dehen mitgeholfen, das Unternehmen<br />

<strong>vom</strong> Mutterkonzern Siemens<br />

abzuspalten und erfolgreich an die Bör-<br />

DIE TURNAROUNDER<br />

Neue Serie:<br />

Die WirtschaftsWoche analysiert<br />

in loser Folge, wie die<br />

Chefs von Krisenunternehmen<br />

die Wende geschafft haben.<br />

»<br />

Aufrechte Haltung<br />

Osram-Chef Dehen<br />

gilt als knallharter<br />

und rücksichtsloser<br />

Sanierer<br />

WirtschaftsWoche 7.6.<strong>2014</strong> Nr. 24 55<br />

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Unternehmen&Märkte<br />

»<br />

se zu bringen. In dieser Woche schließlich<br />

hat er sich im Kampf um den künftigen<br />

Kurs und das Tempo des Umbaus gegen<br />

seinen 15 Jahre jüngeren Technikvorstand<br />

Peter Laier durchgesetzt. Der wird nun seinen<br />

Posten räumen.<br />

Osram ist ein Vorzeigebeispiel dafür, wie<br />

man ein krisengeschütteltes Unternehmen<br />

auf Vordermann bringen kann. Die WirtschaftsWoche<br />

startet in dieser <strong>Ausgabe</strong> eine<br />

Serie, in der sie in loser Folge über Turnarounds<br />

berichten wird. Mit welchen Instrumenten<br />

haben die Chefs die Wende geschafft?<br />

Wie haben sie Widerstände überwunden?<br />

Wie sichern sie das Erreichte ab<br />

und treiben das Unternehmen voran?<br />

Bei Osram trug ein ganzes Bündel von<br />

Maßnahmen zum Erfolg bei:<br />

n Konsequent hat der Osram-Chef das<br />

margenstarke Geschäft mit Spezialbeleuchtung<br />

und Lichtquellen für die Autoindustrie<br />

ausgebaut. Hier gilt Osram inzwischen<br />

weltweit als Platzhirsch.<br />

n An allen Standorten hat Dehen die Produktion<br />

auf Effizienz getrimmt. Beim Materialeinkauf<br />

tut sich Osram jetzt mit anderen<br />

Abnehmern zusammen, um bei den<br />

Lieferanten günstigere Preise zu erzielen.<br />

n Der Osram-Chef investiert große Summen<br />

in Zukunftstechnik wie halbleiterbasierte<br />

Leuchtmittel. Hier hat er die Forschungsaktivitäten<br />

massiv hochgefahren.<br />

n Dehen hat die Organisation kräftig verschlankt<br />

und flexibler gemacht, indem er<br />

den Großteil der alten Führungsmannschaft<br />

entlassen hat. Die Bürokratie aus<br />

Siemens-Zeiten ist Vergangenheit.<br />

n Massive Einsparungen konnte der Osram-CEO<br />

erzielen, indem er beim traditionellen<br />

Geschäft, etwa mit Leuchtstoffröhren,<br />

Kapazitäten abgebaut hat.<br />

n Dehen investiert in den Boomstaaten<br />

Asiens, wo Urbanisierung und rasch zunehmender<br />

Wohlstand zu zweistelligen<br />

Wachstumsraten beim Geschäft mit<br />

Leuchtmitteln führen. Soeben hat Osram<br />

eine Fabrik in Wuxi bei Shanghai eröffnet,<br />

die LED-Leuchten für den chinesischen<br />

Markt herstellt. Das Werk kostete einen<br />

dreistelligen Millionenbetrag.<br />

Trotzdem ist der Osram-Chef noch nicht<br />

am Ziel angekommen. Im aktuellen Geschäftsjahr<br />

(zum 30.9.) wird der Umsatz<br />

nur stagnieren, statt wie geplant um drei<br />

Prozent zu wachsen, gab das Unternehmen<br />

in der vergangenen Woche bekannt.<br />

Der Umbruch, in den der rasante Wandel<br />

in der Lichtindustrie den Münchner<br />

Konzern gestürzt hat, ist tiefer greifend, als<br />

auch Sanierer Dehen zunächst geglaubt<br />

hat. Der kantige Manager aus Solingen<br />

muss noch stärker aufs Gas treten.<br />

Das zeigt auch der Börsenkurs des<br />

MDax-Unternehmens. In den vergangenen<br />

drei Monaten hat das Papier, das vor<br />

einem Jahr mit knapp 24 Euro in den Handel<br />

kam und bis auf 50 Euro kletterte, ein<br />

Drittel seines Werts verloren. Mittelfristig,<br />

da ist sich Dehen allerdings sicher, sind die<br />

Chancen größer als die Risiken. „Wir haben<br />

auf einmal ein digitales Produkt“, sagt<br />

er und deutet auf die kleinen Leuchtdioden<br />

in der Deckenlampe über ihm.<br />

Dadurch, dass traditionelle Leuchtmittel<br />

wie die Energiesparlampe – die alte Glühlampe<br />

mit dem Faden aus Wolfram sowieso<br />

– nach und nach durch Leuchtmittel auf<br />

der Basis von Halbleitern ersetzt würden,<br />

eröffneten sich Möglichkeiten, von denen<br />

heute noch niemand etwas ahne, so Dehen:<br />

„LED-basierte Produkte und Lösungen<br />

könnten in speziellen Anwendungen<br />

zum Beispiel einem Jetlag vorbeugen, ein<br />

Feuer melden oder einen Alarm auslösen.“<br />

Die rasanten Umwälzungen in der Lichtindustrie<br />

vergleicht der Osram-Chef mit<br />

Digitale Lampen<br />

Die Leuchtmittelindustrie steht vor<br />

gewaltigen Umwälzungen.<br />

Kaum einen Haushalt<br />

gab es in<br />

Deutschland, in<br />

dessen Wohnzimmer-<br />

oder Küchenlampe<br />

nicht die<br />

gute alte Osram-<br />

Glühlampe mit<br />

Wolframfaden<br />

steckte. Die Zeiten sind vorbei. Das<br />

Licht kommt künftig aus Leuchtdioden.<br />

Die neuen LED-Leuchtmittel sind äußerst<br />

energiesparend und halten lange.<br />

Die Experten der Unternehmensberatung<br />

McKinsey prognostizieren, dass<br />

der LED-Anteil am Beleuchtungsmarkt<br />

2016 weltweit auf<br />

rund 45 Prozent<br />

steigt, bis 2020 sogar<br />

auf 70 Prozent.<br />

Bis dahin dürfte der<br />

Umsatz von heute<br />

11 Milliarden auf<br />

etwa 70 Milliarden<br />

Euro steigen.<br />

der digitalen Revolution in der Medienwelt<br />

oder in den Fabriken, wo unter dem<br />

Schlagwort Industrie 4.0 Fertigungsprozesse<br />

vollständig automatisiert werden.<br />

Dehen will das Unternehmen, das vor<br />

fast 100 Jahren in Berlin als einfacher<br />

Glühlampenhersteller begann, nun noch<br />

schneller ins digitale Zeitalter führen.<br />

Im März 19<strong>06</strong> meldet die Deutsche Gasglühlicht-Anstalt<br />

das Warenzeichen Osram<br />

für die Produkte „Elektrische Glüh- und<br />

Bogenlichtlampen“ beim Kaiserlichen Patentamt<br />

in Berlin an. Der Name ist eine<br />

Schöpfung aus den Bezeichnungen für die<br />

Elemente Osmium und Wolfram.<br />

MEHR ALS 100 JAHRE TRADITION<br />

Um die Kräfte zu bündeln und im Wettbewerb<br />

gegen GE und Philips bestehen zu<br />

können, schließen sich 1920 die drei deutschen<br />

Glühlampenhersteller zusammen:<br />

AEG, Siemens und die Deutsche Gasglühlicht,<br />

die das Glühlampen-Geschäft 1919 in<br />

die neu gegründete Osram GmbH ausgelagert<br />

hat. Sitz wird Berlin.<br />

Das Geschäft mit den Glühbirnen floriert.<br />

Schon in den Dreißigerjahren ist Osram<br />

einer der größten Hersteller der Welt,<br />

mit Niederlassungen unter anderem in<br />

Shanghai und Rio de Janeiro. In Deutschland<br />

kommt Osram auf einen Marktanteil<br />

von 70 Prozent. Kaum ein Haushalt im<br />

Nachkriegsdeutschland, in dessen Wohnzimmerlampen<br />

keine Osram-Birnen stecken.<br />

„Hell wie der lichte Tag“: So wirbt das<br />

Unternehmen seit Jahrzehnten an den historischen<br />

Geschäfts- und Bürogebäuden<br />

am Münchner Karlsplatz.<br />

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs verlegt<br />

Osram den Sitz nach München. Die<br />

Leuchtstoffröhre kommt, die Halogenlampe,<br />

später die Energiesparlampe. Osram<br />

investiert, expandiert und mischt in allen<br />

Segmenten kräftig mit. So wird das Unternehmen<br />

zum Beispiel zu einem der wichtigsten<br />

Leuchtenlieferanten der Autoindustrie.<br />

1978 schließlich übernimmt Siemens<br />

Osram komplett. Gut 35 000 Mitarbeiter<br />

erwirtschaften zuletzt einen Umsatz<br />

von fast 5,3 Milliarden Euro.<br />

Doch der Vormarsch der LED-Leuchten<br />

beschert dem Konzern unruhige Zeiten,<br />

wie er sie in seiner langen Geschichte noch<br />

nicht erlebt hat. Denn das Geschäft mit traditionellen<br />

Leuchtmitteln – also Leuchtstoffröhren,<br />

aber auch Energiesparlampen<br />

– schrumpft, und das viel schneller, als<br />

auch Konzernchef Dehen erwartet hat.<br />

Einer, der den Schrumpfkurs in dem Geschäft<br />

verwalten muss, ist Willi Sattler. An<br />

FOTOS: AKG IMAGES, PR, ANDREAS POHLMANN FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE, ROBERT BREMBECK FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE<br />

56 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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einem sonnigen Vormittag sitzt der Betriebsratschef<br />

des Osram-Werks in Augsburg<br />

in seinem Büro gleich hinter dem Fabriktor.<br />

Der Blick geht auf ein Stehcafé mit<br />

frühstückenden Rentnern auf der anderen<br />

Straßenseite. Gleich hinter Sattler beginnen<br />

die grauen Werkshallen mit den orangefarbenen<br />

Osram-Schriftzügen. Die Stimmung<br />

an den Fließbändern ist schlecht.<br />

„Bis jetzt haben wir die Jobkürzungen<br />

hier ohne betriebsbedingte Kündigungen<br />

hinbekommen“, sagt Sattler. Denn noch gilt<br />

für den Stellenabbau in Augsburg der großzügige<br />

Sozialplan der einstigen Mutter Siemens.<br />

Doch die Unsicherheit ist groß. „Wie<br />

viele Arbeitsplätze fallen hier noch weg?“,<br />

fragt Sattler besorgt. Vor sieben Jahren haben<br />

bei Osram in Augsburg noch 2000<br />

Menschen gearbeitet; heute sind es 1300.<br />

„Und weitere 300 Stellenstreichungen sind<br />

geplant“, rechnet Betriebsrat Sattler vor.<br />

MASSIVES SPARPROGRAMM<br />

Das Werk in Augsburg verkörpert den Abstieg<br />

einer alten, nicht mehr konkurrenzfähigen<br />

Industrie. In der 1922 eröffneten Fabrik<br />

erfanden Osram-Tüftler einst die Energiesparlampe.<br />

Hier wurden Blitzwürfel gebaut,<br />

die auf den einfachen Fotoapparaten<br />

der Siebzigerjahre saßen. Heute produziert<br />

Osram in Augsburg hauptsächlich Leuchtstoffröhren<br />

und das Glas dafür. Doch die<br />

Nachfrage schrumpft. Jährlich 200 Millionen<br />

Leuchten wurden in Augsburg vor sieben<br />

Jahren gefertigt. Heute sind es noch<br />

135 Millionen, Tendenz fallend.<br />

Sattler weiß um die großen Chancen, die<br />

die Umstellung in der Beleuchtung auf<br />

energiesparende LEDs bietet. „Da stehen<br />

wir in der Entwicklung erst ganz am Anfang“,<br />

sagt der Betriebsrat und verweist auf<br />

mögliche Verwendungen in Smartphones.<br />

Doch für Augsburg hat die neue Entwicklung<br />

bislang nichts gebracht. „Natürlich<br />

würden wir hier auch gerne LED-Leuchten<br />

bauen“, sagt Sattler. Doch dafür gibt es bei<br />

Osram bisher keine Pläne.<br />

Dehen ist im Moment vor allem damit<br />

beschäftigt, Osram weiter auf Effizienz zu<br />

trimmen. Hinter dem griffigen Titel „Push“<br />

verbirgt sich ein Programm, mit dem er bis<br />

Ende des Jahres 1,2 Milliarden Euro einsparen<br />

will. 8700 Arbeitsplätze, davon 1450<br />

in Deutschland, fallen weg. 11 von weltweit<br />

44 Standorten will Dehen schließen.<br />

Der Osram-Chef legt großen Wert auf<br />

Begrifflichkeiten. „Push“ sei kein bloßes<br />

Restrukturierungsprogramm, bei dem nur<br />

gespart und gekürzt werde, betont er, sondern<br />

ein Verbesserungsprogramm:„Damit<br />

vollziehen wir den Wandel in der Lichtindustrie<br />

von analog zu digital nach.“<br />

Die Anstrengungen zahlen sich aus. Erstmals<br />

nach mehreren verlustreichen Jahren<br />

hat Osram im Ende September 2013 abgelaufenen<br />

Geschäftsjahr wieder einen kleinen<br />

Gewinn erwirtschaftet. Und zwischen<br />

Oktober 2013 und März <strong>2014</strong> verdoppelte<br />

sich die Umsatzrendite (Ebita) im Vergleich<br />

zum Vorjahr auf acht Prozent. Dies<br />

ist auch die Zielvorgabe für das aktuelle<br />

Geschäftsjahr.<br />

Das Problem: Weil das Geschäft mit den<br />

klassischen Leuchtmitteln schneller<br />

schrumpft als erwartet, sank der Umsatz<br />

zwischen Oktober und März um drei Prozent<br />

auf 2,6 Milliarden Euro. Dehen kündigte<br />

Ende April an, man werde das Geschäft<br />

Ausgebrannt Osram-Technikvorstand Laier<br />

wollte das hohe Tempo seines Chefs bei der<br />

Sanierung nicht mitgehen<br />

Saubere Leistung Reinraum im Osram-<br />

Halbleiterwerk im bayrischen Regensburg<br />

mit konventionellen und halbleiterbasierten<br />

Leuchten organisatorisch voneinander<br />

trennen. Bei Letzteren verbucht Osram derzeit<br />

Zuwächse von fast 50 Prozent.<br />

FEINDE IM KONZERN<br />

Dem Kapitalmarkt gefällt Dehens konsequentes<br />

Vorgehen. Im aktuellen Quartal<br />

werde Osram kräftig wachsen, meinen etwa<br />

die Analysten von Warburg Research.<br />

Dank des weitreichenden Umstrukturierungsprogramms<br />

habe Osram gute Chancen,<br />

die angepeilten Margen zu erreichen.<br />

Mit seinem forschen Vorgehen macht<br />

Dehen sich im Unternehmen auch Feinde.<br />

Nicht wenige sind über die rabiaten Methoden<br />

bei der Sanierung ihres Unternehmens<br />

entsetzt. Weltweit habe er mehr als<br />

zwei Drittel der Führungsmannschaft mit<br />

teils „sehr unschönen Methoden“ entfernt,<br />

sagt ein Mitglied des Aufsichtsrats. Der studierte<br />

Betriebswirt gilt manchen als skrupellos,<br />

eiskalt, als knallharter Sanierer.<br />

Dehen fechten solche Vorwürfe nicht an.<br />

„Ich versuche, ein konsequenter und konsistenter<br />

Mensch zu sein“, sagt er und nuschelt<br />

dabei ein wenig, die Beine weit von<br />

sich gestreckt. Natürlich sei es für einen<br />

Manager manchmal leichter Ja als Nein zu<br />

sagen. „Ich gehe aber nicht den leichten<br />

Weg“, sagt Dehen.<br />

Vielleicht braucht ein Unternehmen in<br />

einer Branche, die einem so raschen Wandel<br />

ausgesetzt ist, einen wie Dehen. Und<br />

der oft ein wenig spröde und unzugänglich<br />

wirkende Manager holzt ja nicht nur, sondern<br />

investiert auch und schafft neue Jobs.<br />

Eichstätt ist ein Städtchen im Altmühltal<br />

in Bayern. Sträßchen mit Kopfsteinpflas-<br />

»<br />

WirtschaftsWoche 7.6.<strong>2014</strong> Nr. 24 57<br />

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Unternehmen&Märkte<br />

»<br />

ter durchziehen den Ortskern. Rund um<br />

den Marktplatz gruppieren sich hell verputzte<br />

Häuser. Wenige Meter weiter beginnen<br />

die grünen Hügel oberhalb des Flusses.<br />

Kaum 12 000 Menschen wohnen in<br />

Eichstätt, und wer nicht in der Landwirtschaft<br />

oder einem der Geschäfte im Dorf<br />

arbeitet, der ist bei Osram beschäftigt.<br />

Bislang fertigen die 700 Mitarbeiter vor<br />

allem Halogenlampen für die Autoindustrie,<br />

außerdem Spezialleuchten, etwa für<br />

Beamer oder Filmvorführgeräte in Kinos,<br />

mit denen Osram besonders hohe Margen<br />

erzielt. Doch das wird bald nicht mehr<br />

alles sein.<br />

PREISVERFALL BEI LEDS<br />

Zurzeit legen Arbeiter letzte Hand an eine<br />

neue Fertigungsstraße. Von diesem Sommer<br />

an werden rund 60 Osram-Mitarbeiter<br />

LED-Leuchten für den Privathaushalt fertigen.<br />

Die Technik: Strom wird in einen winzigen<br />

Halbleiterkristall geleitet und erzeugt<br />

dort einen Lichtblitz.<br />

Etwa zehn Euro dürfte die LED-Lampe<br />

in klassischer Birnenform mit einer Leistung<br />

von 40 Watt, die Osram europaweit<br />

anbieten will, im Baumarkt kosten. Viel<br />

Geld, doch vor wenigen Jahren musste der<br />

Kunde dafür noch 70 Euro zahlen. Das<br />

neue Osram-Produkt spart viel Energie<br />

und hat eine Lebensdauer von rund 25 000<br />

Stunden. Eine klassische Glühlampe gibt<br />

nach etwa 2000 Stunden den Geist auf.<br />

Gut zehn Millionen Euro investiert Osram<br />

in die neue Fertigung in Eichstätt. Dehen<br />

setzt damit auf die rasche Verbreitung<br />

der LED-Lampen. In Deutschland liegt der<br />

LED-Anteil schon bei 25 Prozent mit stark<br />

steigender Tendenz. Im Herbst, so erwarten<br />

Experten, wird für Endverbraucher<br />

Guter Start<br />

Entwicklung der Osram-Aktie seitdem<br />

Börsengang<br />

Quelle: Thomson Reuters<br />

2013 <strong>2014</strong><br />

in Euro<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

erstmals die Preisschwelle von zehn Euro<br />

unterschritten. Das dürfte noch einmal für<br />

kräftigen Rückenwind beim Geschäft mit<br />

LED-Leuchten für Privathaushalte sorgen.<br />

Osram erzielt 34 Prozent seines Umsatzes<br />

mit den neuen Leuchten auf Halbleiterbasis;<br />

in drei Jahren sollen es 50 Prozent<br />

sein. Insgesamt wächst der weltweite<br />

Lichtmarkt, vor allem dank der raschen Urbanisierung<br />

in Schwellenländern, jedes<br />

Jahr um sieben Prozent. In China sind es<br />

sogar gut 20 Prozent.<br />

Das LED-Licht bietet, anders als traditionelles<br />

Licht, neue Möglichkeiten: Es sorgt<br />

nicht nur für helle Wohnungen, Büros oder<br />

Straßen, sondern beeinflusst auch die Befindlichkeit.<br />

Im Münchner Klinikum rechts<br />

der Isar etwa verwenden die Mediziner<br />

LED-Leuchten in der Schmerztherapie.<br />

Auf Langstreckenflügen kann das neuartige<br />

Licht den gefürchteten Jetlag mildern.<br />

Möglich machen dies die unterschiedlichen,<br />

sehr feinen Farbabstufungen, die<br />

sich mit LED-Licht erzielen lassen. Biodynamisches<br />

Licht nennen das die Forscher<br />

bei Osram in Regensburg.<br />

Zusammen mit der Hochschule München<br />

testet Osram, wie Licht die Aufmerksamkeit<br />

der Studenten beim Lernen beeinflusst.<br />

In einem Seminarraum der Hochschule<br />

hat Osram dazu zwölf LED-Deckenleuchten<br />

aufgehängt. Mit ihnen lässt sich<br />

das Licht jeder Tageszeit simulieren; vor allem<br />

das für die Steuerung aller biologischen<br />

Funktionen so wichtige blaue Licht.<br />

Die Augen haben spezielle Zellen, die nur<br />

dieses Licht aufnehmen und verarbeiten.<br />

Erste Resultate zeigen, dass die Aufmerksamkeit<br />

durch das gesteuerte LED-Licht<br />

um 30 Prozent höher ist als bei traditionellem<br />

Licht. Vor allem das gefürchtete Mittagstief<br />

setze gar nicht mehr oder erst später<br />

ein, berichten die Studenten.<br />

Um bei solchen Anwendungen vorne<br />

mitzuspielen, investiert Osram kräftig in die<br />

Forschung. 6,4 Prozent seines Umsatzes hat<br />

Osram im vergangenen Jahr konzernweit<br />

dafür ausgegeben. In Regensburg, dem<br />

Zentrum der LED-Aktivitäten mit gut 1500<br />

Mitarbeitern in der Forschung, liegt die<br />

Quote sogar bei zehn Prozent.<br />

ZUKUNFTSMARKT ASIEN<br />

Dehen macht Druck, denn anders als beim<br />

traditionellen Licht dauert ein Entwicklungszyklus<br />

in der LED-Technologie nur<br />

sechs bis neun Monate statt fünf Jahre.<br />

Gleichzeitig sitzt dem Osram-Chef die<br />

Konkurrenz aus Asien im Nacken. Hoch innovative<br />

Schwergewichte wie Samsung,<br />

LG, Sharp und Toshiba drängen mit Macht<br />

ins LED-Geschäft. Nicht leichter wird Dehens<br />

Aufgabe durch den kontinuierlichen<br />

Preisverfall bei LEDs. Im Schnitt verbilligen<br />

sich die Chip-Leuchten jedes Jahr<br />

»<br />

Erstes Etappenziel erreicht<br />

Wichtige Osram-Kennzahlen (Amtsantritt von Vorstandschef Wolfgang Dehen im April 2011)<br />

Umsatz<br />

in Milliarden Euro<br />

5,5<br />

Zahl der Mitarbeiter<br />

in Tausend<br />

42<br />

Gewinn nach Steuern*<br />

in Millionen Euro<br />

400<br />

Ebita-Marge*<br />

in Prozent<br />

10<br />

Bilanzsumme<br />

in Milliarden Euro<br />

5,2<br />

5,4<br />

5,3<br />

5,2<br />

5,1<br />

5,0<br />

40<br />

38<br />

36<br />

200<br />

0<br />

–200<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

5,0<br />

4,8<br />

4,6<br />

4,4<br />

4,9<br />

34<br />

–400<br />

0 4,2<br />

2011 2012 2013 2011 2012 2013 2011 2012 2013 2011 2012 2013 2011 2012 2013<br />

*Performance im Geschäftsjahr 2012 aufgrund hoher Restrukturierungskosten; Quelle: Geschäftsberichte, Börsenprospekt<br />

58 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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Unternehmen&Märkte<br />

Asien im Blick<br />

In der Nähe von<br />

Shanghai fertigt<br />

Osram LEDs für<br />

den chinesischen<br />

Markt<br />

FOTO: PATRICK WACK FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE<br />

»<br />

um 20 Prozent. Gut für den Kunden,<br />

doch Osram muss ständig nach Wegen suchen,<br />

die Kosten weiter zu reduzieren.<br />

Dehen denkt darum bereits darüber<br />

nach, was nach dem Ende des Restrukturierungsprogramms<br />

„Push“ kommen<br />

könnte. Die stärker als erwarteten Rückgänge<br />

im traditionellen Lichtgeschäft machen<br />

weitere Schritte nötig. „Der Wandel<br />

im Lichtmarkt von den traditionellen zu<br />

den halbleiterbasierten Produkten hat sich<br />

weiter beschleunigt“, sagt Dehen. Daher<br />

werde es auch nach <strong>2014</strong> Restrukturierungen<br />

geben, die dann Teil des normalen Geschäftsverlaufs<br />

würden. So würden eben<br />

auch 2015 die Kapazitäten im traditionellen<br />

Lichtgeschäft der Marktentwicklung<br />

weiter angepasst. Der Abbau von 8700 Arbeitsplätzen<br />

dürfte daher noch nicht das<br />

Ende der Fahnenstange sein.<br />

Auch in anderen Bereichen sind Dehens<br />

Leute ständig auf der Suche nach weiterem<br />

Sparpotenzial. In Eichstätt etwa arbeiten die<br />

Forscher daran, den Glasanteil an der<br />

Leuchte zu verringern. Auch tut Osram sich<br />

mit anderen Abnehmern zusammen, um<br />

bei Lieferanten von Rohstoffen wie Wolfram,<br />

Quarz oder Xenon bessere Preise erzielen zu<br />

können. Für die LED-Birne in Privathaushalten<br />

hat Osram eine Plattform entwickelt,<br />

mit der das Unternehmen viele Varianten zu<br />

relativ niedrigen Kosten anbieten kann.<br />

Branchenkenner empfehlen den Deutschen<br />

allerdings deutlich radikalere<br />

Schritte. „Osram sollte die LED-Chips zukaufen,<br />

statt sie selbst herzustellen“, rät etwa<br />

Roger Chu, Chefanalyst und LED-<br />

Experte beim Branchendienst Trendforce<br />

in Taipei. Zudem sollte der Konzern noch<br />

viel stärker auf Lösungen mit höherer<br />

Wertschöpfung setzen, etwa Spezialbeleuchtungen<br />

mit den dazugehörigen<br />

Steuerungssystemen.<br />

TRIUMPH UM JEDEN PREIS<br />

Dehen lässt solche Einwände nicht gelten.<br />

Um höchste Qualität zu gewährleisten,<br />

müsse Osram die Chips selbst herstellen.<br />

Außerdem benötige der Konzern das<br />

Know-how aus dem Massengeschäft, um<br />

bei den hochprofitablen Nischenprodukten<br />

wirklich erfolgreich zu sein.<br />

Fast wie ein Besessener arbeitet der immer<br />

etwas unnahbar wirkende Westfale<br />

daran, den Traditionskonzern ins digitale<br />

Zeitalter zu führen. Dehen will den Triumph<br />

um jeden Preis, denn seine Mission<br />

bei Osram ist auch seine ganz persönliche<br />

Abrechnung mit der einstigen Konzernmutter<br />

Siemens, wo der Manager viele Demütigungen<br />

ertragen musste. Der Zeitpunkt<br />

ist für Dehen gekommen, es allen<br />

noch einmal zu zeigen.<br />

Als Siemens 2001 den Autoelektronikhersteller<br />

VDO gekauft hatte, machte der<br />

Konzern Dehen zum Chef der neuen Tochter.<br />

Anfang 20<strong>07</strong> bekam er die Order, VDO<br />

an die Börse zu bringen. Doch das misslang.<br />

Der Autozulieferer Continental war<br />

als Interessent aufgetaucht und übernahm<br />

im Sommer 20<strong>07</strong> VDO für gut elf Milliarden<br />

Euro. Dehen konnte nur zuschauen.<br />

Ein Jahr später rückte der Westfale in den<br />

Siemens-Vorstand auf und wurde gleichzeitig<br />

Chef des Energiegeschäfts. Doch bei<br />

der Mannschaft in Erlangen kam er nie<br />

richtig an. „Das sind kernige Typen in der<br />

Energiesparte“, sagt ein ehemaliger Siemens-Manager,<br />

„Ingenieure mit Öl an den<br />

Händen.“ Nichts für den nüchternen Zahlenmenschen<br />

Dehen.<br />

Ein Briefing nach dem anderen habe er<br />

abgehalten und sehr viel Papier produziert,<br />

erinnert sich ein Ex-Siemens-Kollege, und<br />

dabei unablässig sein Mantra gepredigt:<br />

„Make your numbers, no surprises, no excuses.“<br />

Erreicht hat Dehen damit wohl<br />

kaum einen der Siemensianer.<br />

Selbst nachts an der Bar auf den Führungskräftetagungen<br />

am Starnberger See<br />

taute Dehen selten auf; stets blieb er die<br />

kalte Autorität. Im April 2001 schließlich<br />

schob der damalige Siemens-Chef Peter<br />

Löscher den Manager ab auf den Osram-<br />

Chefsessel. Dort sollte er den Börsengang<br />

des Leuchtenherstellers vorbereiten.<br />

Doch auch daraus wurde zunächst nichts.<br />

Wegen mangelnden Interesses wurde Osram<br />

vor einem Jahr mithilfe eines Spinoffs<br />

von der Mutter abgespalten und börsennotiert.<br />

Dehen weiß, dass seine Mission noch<br />

nicht beendet ist. Das ist sie erst, wenn er<br />

Osram dauerhaft auf die Erfolgsspur gesetzt<br />

hat. Wie lange das noch dauert, ist ungewiss.<br />

Bei der Frage, ob er seinen Vertrag<br />

als Vorstandsvorsitzender über März 2016<br />

hinaus verlängern wolle, taut Dehen auf:<br />

Der Osram-Chef antwortet, ohne etwas zu<br />

sagen – mit einem leichten Lächeln. n<br />

matthias.kamp@wiwo.de | München<br />

WirtschaftsWoche 7.6.<strong>2014</strong> Nr. 24 59<br />

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Spezial | Mittelstand<br />

Hoffnung auf Verlängerung<br />

FUSSBALL-WM | Kleine und mittelgroße deutsche Unternehmen profitieren von dem<br />

großen Sportereignis in Brasilien. Die Chancen sind groß, danach so richtig ins Geschäft<br />

zu kommen – sofern die Firmen die speziellen Widrigkeiten des Marktes meistern.<br />

Zum Eröffnungsspiel am 12.<br />

Juni serviert Klaus-Peter Kofler<br />

das brasilianische Nationalgericht<br />

Feijoada: Bohneneintopf mit<br />

Fleisch, dazu geröstetes Maniokmehl und<br />

Orangenscheiben. Während unten auf dem<br />

Rasen des Stadions in São Paulo die Teams<br />

aus Brasilien und Kroatien um den ersten<br />

WM-Sieg kämpfen, beköstigt Koflers<br />

Catering-Unternehmen Kofler & Kompanie<br />

oben auf den teuren Rängen rund 15 000<br />

VIP-Gäste.<br />

Der 49-jährige Mittelständler aus Berlin<br />

(Jahresumsatz:72 Millionen Euro) ist, soviel<br />

steht jetzt schon fest, einer der Gewinner<br />

der Fußball-WM <strong>2014</strong> in Brasilien. In insgesamt<br />

vier der zwölf Weltmeisterschafts-Stadien<br />

übernimmt Kofler, der auch schon<br />

beim Geburtstagsdinner von Kanzlerin Angela<br />

Merkel oder beim Staatsbesuch der<br />

englischen Queen in Deutschland aufgetischt<br />

hat, die Versorgung der Edelfans mit<br />

erlesenen Speisen und Getränken. Als einzigem<br />

nicht brasilianischen Unternehmer<br />

hat der allmächtige Weltfußballverband Fifa<br />

dem gelernten Konditor Kofler das Catering<br />

herausragender Gäste übertragen. Erwartete<br />

Zusatzeinnahmen: 30 Millionen Euro.<br />

WM-GEWINNER AUS DEUTSCHLAND<br />

Was Fans die schönste Nebensache der Welt<br />

nennen, ist für Unternehmer wie Kofler ein<br />

lohnendes Geschäft – und der Einstieg in<br />

den wichtigen Wachstumsmarkt Brasilien.<br />

Ähnlich wie der Berliner Catering-Unternehmer<br />

entdecken auch andere deutsche<br />

Mittelständler die Chancen, welche die<br />

siebtgrößte Volkswirtschaft der Welt ihnen<br />

bietet: Von dem zu erwartenden Investitionsboom<br />

des Landes in den nächsten Jahren<br />

profitieren auch kleine und mittlere Unternehmen.<br />

Die Haushaltseinkommen steigen,<br />

die brasilianische Mittelschicht wächst<br />

– und damit auch die Nachfrage nach teureren<br />

Produkten und Serviceleistungen.<br />

Bisher haben sich vor allem Großkonzerne<br />

wie VW oder BASF im Land am Amazonas<br />

niedergelassen. Nun registriert die<br />

Deutsch-Brasilianische Industrie- und Handelskammer<br />

in São Paulo, dass immer mehr<br />

deutsche Mittelständler nach Brasilien kommen<br />

– in den vergangenen Jahren etwa 200.<br />

Viele von ihnen haben wie Caterer Kofler&Kompanie<br />

über die Fußball-WM den<br />

Einstieg in den brasilianischen Markt gefunden.<br />

Denn in den zwölf Fußballpalästen, in<br />

denen das Turnier ausgetragen wird, steckt<br />

jede Menge deutsche Wertarbeit: Duscharmaturen<br />

von Hansgrohe aus dem Schwarzwald,<br />

Dachkonstruktionen von Hightex aus<br />

Bernau am Chiemsee und dem Berliner Architekturbüro<br />

GMP. Airsense aus Schwerin<br />

liefert Detektoren im Kampf gegen Terro-<br />

»<br />

Gegen Hunger, Unwetter und Terroristen<br />

Was deutsche Spezialisten zum Gelingen der WM in Brasilien beitragen – zum Beispiel<br />

Kofler (Catering)<br />

Unternehmensumsatz<br />

72 Millionen Euro<br />

Lufft (Wettersensoren)<br />

Unternehmensumsatz<br />

17 Millionen Euro<br />

Airsense (Detektoren)<br />

Unternehmensumsatz<br />

4 Millionen Euro<br />

Ort des Eröffnungsspiels<br />

Stadion São Paulo<br />

FOTO: GETTY IMAGES/AFP<br />

60 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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Spezial | Mittelstand<br />

»<br />

rismus und Lufft aus Fellbach (bei Stuttgart)<br />

Sensoren für bessere Wetterprognosen.<br />

Die Technik von Goal Control aus Würselen<br />

bei Aachen überwacht elektronisch, ob der<br />

Ball die Torlinie überschritten hat und die<br />

Rasenbewässerung stammt <strong>vom</strong> hessischen<br />

Unternehmen Wisy.<br />

Die Liste der deutschen WM-Gewinner<br />

lässt sich locker verlängern. Der Münchner<br />

Modehändler Hirmer etwa errichtet über<br />

seine Immobilientochter das Camp der<br />

DFB-Elf und ihrer Betreuer im Bundesstaat<br />

Bahia – inklusive Trainingsplatz, Swimmingpool<br />

und Medienzentrum. In einem<br />

der 14 Apartments auf der Anlage wohnt<br />

auch Bäckermeister Günther Thiermann<br />

aus Bad Hönningen bei Koblenz, der eigens<br />

mitreist, um Lahm, Özil, Götze und<br />

Co. mit Vollkornware zu versorgen.<br />

Klar ist: Für viele Mittelständler ist die<br />

WM ein Sprungbrett auf den brasilianischen<br />

Markt. Caterer Kofler hat sich bereits<br />

Folgeaufträge gesichert. Für die nächsten<br />

zehn Jahre wird seine Kompanie in den<br />

Stadien von Belo Horizonte, São Paulo und<br />

Porto Alegre alle Fans bei allen Spielen der<br />

brasilianischen Liga bewirten. Und einen<br />

Großauftrag für die Olympischen Sommerspiele<br />

2016 in Rio – das nächste sportliche<br />

Großereignis – hat er fast sicher.<br />

Der Zeitpunkt zum Einstieg in den brasilianischen<br />

Markt ist günstig. Zwar legt das<br />

Bruttoinlandsprodukt des lateinamerikanischen<br />

Flächenstaates derzeit nur um etwa<br />

zwei Prozent zu – statt etwa 7,5 Prozent<br />

Kofler & Kompanie Catering<br />

Klaus Peter Kofler, Inhaber<br />

Der Berliner Mittelständler bewirtet die<br />

VIP-Gäste in vier WM-Arenen. Von dem<br />

großen Fußballturnier erhofft er sich<br />

Zusatzeinnahmen von 30 Millionen Euro.<br />

im Rekordjahr 2010. Die Inflation steigt, die<br />

Unternehmer investieren weniger, und<br />

auch die Konsumenten halten sich nach<br />

Jahren des Booms erstmalig zurück.<br />

Für Neueinsteiger aus dem Mittelstand<br />

ist das ein Vorteil, findet Ferdinand Rogoschewski,<br />

der die Niederlassung des westfälischen<br />

Industrieventilatorenherstellers<br />

Reitz in Brasilien leitet: „Im Boom haben es<br />

Mittelständler schwer, überhaupt wahrgenommen<br />

zu werden.“ So kann man heute<br />

Vizeweltmeister Brasilien<br />

In welchen Ländern Unternehmen am<br />

liebsten investieren*<br />

56 %<br />

52 %<br />

37 %<br />

* Mehrfachnennungen möglich; Quelle: PwC<br />

34 %<br />

26 %<br />

China Brasilien Indien USA Mexiko<br />

wieder Ingenieure auf dem Arbeitsmarkt<br />

finden, ohne sie für absurd hohe Gehälter<br />

anheuern zu müssen. Auch bei Fabrik- und<br />

Büroimmobilien gibt es ein Überangebot,<br />

das die Preise sinken lässt. Der schwächere<br />

Real hat zudem die Kosten einer Investition<br />

reduziert. Außerdem haben potenzielle<br />

Kunden mehr Zeit: „Bei Ingenieurbüros<br />

und Großkonzernen bekam man vor drei,<br />

vier Jahren als deutscher Mittelständler<br />

keinen Termin“, sagt Rogoschewski. Das sei<br />

jetzt ganz anders. „Die Kunden wollen den<br />

Wettbewerb unter ihren Zulieferern.“<br />

INVESTITION IN INFRASTRUKTUR<br />

Zumindest auf mittlere Sicht stimmen die<br />

Perspektiven Investoren optimistisch. Die<br />

Mehrheit der 190 Millionen Brasilianer verfügt<br />

über ein weit höheres Einkommen als<br />

etwa Inder oder Chinesen. Deutsche Unternehmen<br />

können zudem auf die großen<br />

Investitionsprogramme des Landes hoffen,<br />

die Brasiliens Regierung anschieben will,<br />

um die Mängel bei der Stromversorgung,<br />

im Straßen- und Schienennetz, bei den<br />

Airports sowie den Häfen zu beseitigen.<br />

Ein Unternehmerparadies ist Brasilien allerdings<br />

nicht, wie auch einige der WM-Investoren<br />

aus dem Mittelstand feststellen<br />

mussten. Hansgrohe, der Armaturenhersteller<br />

aus dem Schwarzwald, klagt etwa<br />

über die vergleichsweise hohen Steuern, die<br />

schon mal mehr als ein Drittel des Gewinns<br />

ausmachen können. Zudem ändern sich<br />

die Steuergesetze häufig und willkürlich<br />

»<br />

FOTO: DDP IMAGES/DAPD<br />

62 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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Spezial | Mittelstand<br />

in den Laboren messen. Herstellern von<br />

Windrädern helfen die Schwaben, ihre<br />

Turbinen so auszurichten, dass sie möglichst<br />

viel Energie erzeugen.<br />

In Brasilien sind die Fellbacher über ihren<br />

Vertriebspartner RoMiotto schon seit<br />

mehr als zehn Jahren vertreten. Der WM-<br />

Auftrag, sagt Hirzel, dient auch der Imagepflege;<br />

gerade einmal 120 000 Euro erwirtschaften<br />

die Sensorspezialisten damit. Hirzel<br />

hofft nun auf einen viel größeren Coup<br />

im Wachstumsmarkt Brasilien: Die mehr<br />

als 60 Flughäfen des Landes wollen die Sicherheit<br />

am Rollfeld optimieren und benötigen<br />

dafür präzise Messtechnik.<br />

Während der WM <strong>vom</strong> 12. Juni bis 13. Juli<br />

erwartet Lufft übrigens vergleichsweise<br />

kühle Temperaturen und große Niederschlagsmengen.<br />

Fritz-Walter-Wetter also,<br />

benannt nach dem Kapitän der deutschen<br />

Weltmeister-Elf 1954 – kein schlechtes<br />

Omen für die deutsche National-Elf.<br />

AIRSENSE<br />

Die Sprengstoffschnüffler<br />

»<br />

(siehe dazu auch Kasten Seite 69). Die<br />

Dachkonstrukteure von Hightex verzweifelten<br />

an der mangelnden Kooperation ihres<br />

brasilianischen Partners. Und Catering-Unternehmer<br />

Kofler kann viel über die Mühlen<br />

der brasilianischen Bürokratie erzählen. Allein<br />

die Gründung einer brasilianischen<br />

Tochterfirma fresse neun Monate, die Kontoeröffnung<br />

noch mal vier Monate.<br />

Weil der Berliner Unternehmer das<br />

wusste, nahm er sich viel Zeit im Land und<br />

eröffnete schon ein Büro in Rio de Janeiro.<br />

„Wir sind da am Anfang ohne Auftrag hin“,<br />

erinnert sich Kofler. Seine Zuversicht reichte<br />

aus, das Potenzial für Sport-Catering zu<br />

erkennen. Um in Brasilien Fuß zu fassen,<br />

investierte er rund eine Million Dollar.<br />

LUFFT<br />

Die Wetterpropheten<br />

Lufft Wettersensoren<br />

Klaus Hirzel, Miteigentümer<br />

Der schwäbische Unternehmer rüstet die<br />

WM-Stadien mit Messgeräten aus. Das<br />

bringt 120 000 Euro mehr Umsatz. Nach<br />

der WM hofft Hirzel auf weitere Aufträge.<br />

Eine „WM der Strapazen“ erwartet Bundestrainer<br />

Jogi Löw. Temperaturen von<br />

mehr als 30 Grad Celsius und bis zu 80 Prozent<br />

Luftfeuchtigkeit machen jede körperliche<br />

Anstrengung zur Qual. Stetig droht<br />

ein Wolkenbruch, der jede Spielfläche unter<br />

Wasser setzen kann – wie 1974 beim Regenmatch<br />

zwischen Deutschland und Polen.<br />

Binnen einer Stunde kann es in Brasilien<br />

leicht 100 Liter und mehr pro Quadratmeter<br />

regnen.<br />

Klaus Hirzel, Miteigentümer des schwäbischen<br />

Mittelständlers Lufft aus Fellbach<br />

bei Stuttgart, wird solche meteorologischen<br />

Albtraum-Szenarien nicht verhindern<br />

können. Aber er kann rechtzeitig warnen:<br />

Lufft (Jahresumsatz 2013: 17 Millionen<br />

Euro, rund 100 Mitarbeiter) rüstet alle<br />

zwölf WM-Stadien mit mobilen Wetterstationen<br />

aus. Dank schwäbischer Präzisionstechnik<br />

lassen sich Sturm, Blitz, Platzregen<br />

oder extreme Hitze auf die Stunde genau<br />

vorhersagen. Die Gastgeber haben dann<br />

noch Zeit, um den Austragungsort zu<br />

wechseln oder den Anstoß zu verschieben.<br />

Das Traditionsunternehmen Lufft, 1881<br />

gegründet, ist in 60 Ländern aktiv, wichtigste<br />

Märkte sind China und die USA. Die Exportquote<br />

liegt bei 80 Prozent. Zu den Kunden<br />

zählen etwa Pharmaunternehmen, für<br />

die Lufft-Sensoren das Umgebungsklima<br />

Das Schlimmste, das bei der Fußballweltmeisterschaft<br />

passieren kann: Terroristen<br />

zünden in einem der Stadien oder an einem<br />

öffentlichen Platz in Rio de Janeiro eine<br />

Bombe, möglicherweise versetzt mit radioaktiven<br />

Stoffen. Eine abstrakte Fantasie?<br />

Nicht für Wolf Münchmeyer und Andreas<br />

Walte, Geschäftsführer des Schweriner<br />

Unternehmens Airsense Analytics<br />

GmbH (vier Millionen Euro Jahresumsatz,<br />

24 Mitarbeiter, 97 Prozent Exportquote).<br />

Die beiden Deutschen stellen seit zehn<br />

Jahren Sprengstoffdetektoren her, die Terrorattacken<br />

wie diese verhindern sollen –<br />

auch bei der Fußball-WM in Brasilien.<br />

Rund 80 Airsense-Detektoren werden<br />

beim Turnier im Einsatz sein – in Stadien,<br />

auf Plätzen und Flughäfen. Auch bei den<br />

Olympischen Spielen 2016 in Brasilien sollen<br />

die Messgeräte aus Mecklenburg-Vorpommern<br />

für Sicherheit sorgen.<br />

Die Geräte wirken wie bunte Handstaubsauger.<br />

Die Detektoren sollen dank empfindlicher<br />

Sensoren Salzsäure, Blausäure,<br />

chemische Kampfstoffe und radioaktive<br />

Substanzen ausfindig machen. Vereinfacht<br />

gesagt, erkennen die Geräte das Gasgemisch,<br />

das solche Stoffe ausstoßen.<br />

An Terroranschläge hatten Elektrotechniker<br />

Münchmeyer und Physiker Walte<br />

überhaupt nicht gedacht, als sie Airsense<br />

1996 als Spinoff der TU Hamburg gründeten.<br />

Die beiden Naturwissenschaftler zielten<br />

auf die Lebensmittelindustrie als<br />

»<br />

FOTO: CHRISTOF MATTES FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE<br />

64 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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Spezial | Mittelstand<br />

»<br />

Kunden. Ihre Detektoren hatten sie darauf<br />

getrimmt, zu erkennen, wann Joghurt<br />

schimmelt oder Nüsse ranzig werden.<br />

Doch das Geschäft lief nur schleppend<br />

an. „Hätte ich in den ersten beiden Gründungsjahren<br />

nicht nebenbei Schiffsstabilisatoren<br />

programmiert, wäre die Firma<br />

nicht am Leben geblieben“, sagt Münchmeyer.<br />

Der Umschwung kam mit den Terroranschlägen<br />

<strong>vom</strong> 11. September 2001. Die Airsense-Gründer<br />

erkannten die Sicherheitsbranche<br />

als Wachstumsmarkt. Statt auf Lebensmittel<br />

programmierten sie ihre Detektoren<br />

nun auf Sprengstoffe.<br />

Nach zwei Jahren Entwicklung und zahlreichen<br />

Sondergenehmigungen zum Umgang<br />

mit radioaktiven Stoffen und speziellen<br />

Chemikalien ging das erste Gerät 2004<br />

in Serienreife. Einer der ersten Käufer war<br />

das italienische Innenministerium. Mittlerweile<br />

exportiert Airsense seine Detektoren<br />

in fast alle Länder Europas, nach Brasilien,<br />

Russland, Indien und China. Preis: je<br />

nach Gerät und Ausstattung zwischen<br />

10 000 und 300 000 Euro. Ein zweistelliger<br />

Millionenumsatz dürfte für Airsense bei<br />

der Fußball-WM in Brasilien anfallen.<br />

Um an den Auftrag zu gelangen, konnte<br />

Airsense mit der leichten Bedienbarkeit<br />

der Geräte und internationaler Erfahrung<br />

Hansgrohe<br />

Armaturen- und Brausenhersteller<br />

Carsten Voß, Verkaufsleite<br />

Lateinamerika<br />

Mit Edelduschen in zwei Stadien ist der<br />

Bad-Spezialist aus Schiltach im Schwarzwald<br />

bei der WM dabei. 2013 erzielte Voß<br />

ein zweistelliges Umsatzplus in Brasilien.<br />

punkten. „In Brasilien gibt es etwa andere<br />

Putzmittel als in Deutschland“, sagt Walte.<br />

„Daher müssen wir die Geräte anders einstellen,<br />

damit sie nicht ausschlagen.“<br />

Gründer Münchmeyer wird bei der WM<br />

in Brasilien am Ort sein. Zumindest dann,<br />

wenn er nicht von einem der Sprengstoffdetektoren<br />

an den Flughäfen aufgehalten<br />

wird. „Man muss bei den Tests mit Sprengstoffen<br />

absolut sauber arbeiten. Wenn<br />

auch nur die geringe Spuren von Sprengstoff<br />

am Anzug sind, schlagen die Detektoren<br />

am Flughafen sofort an und dann hat<br />

man viel Erklärungsbedarf.“<br />

GERKAN, MARG UND PARTNER<br />

Die Stadionplaner<br />

Wenn es um weltweiten Stadionbau geht,<br />

kommt am Hamburger Architekturbüro<br />

Gerkan, Marg und Partner (gmp) kaum einer<br />

vorbei. „Gmp hat bei den Stadien quasi<br />

eine Monopolstellung“, sagt Gerhard Zach,<br />

Vorsitzender des Verbandes Deutscher Architekten.<br />

Die Architekten-Sozietät gmp (Jahresumsatz<br />

2013: 90 Millionen Euro) ist auf<br />

Großprojekte spezialisiert. Nicht immer<br />

geht alles glatt. Beim Bau des Berliner Pannenflughafens<br />

BER räumt gmp zwar Fehler<br />

ein; die hätten jedoch nicht zu der Verzögerung<br />

um mehrere Jahre geführt.<br />

Mit Sportstätten lief es bislang besser: Für<br />

die Fußballweltmeisterschaften in Deutschland<br />

und Südafrika sowie für die Olympischen<br />

Spiele in Peking hat gmp die Arenen<br />

konzipiert – weltweit sind es mittlerweile<br />

über 20 Stadien. In Brasilien sind das Nationalstadion<br />

in der Hauptstadt Brasilia sowie<br />

die Arena da Amazônia in Manaus im Norden<br />

des Landes unter Federführung der<br />

deutschen Architekten entstanden. Für das<br />

Stadion in Belo Horizonte im Südosten<br />

lieferte gmp den Entwurf.<br />

Der Bau in Manaus, wo etwa am 22. Juni<br />

die deutschen Vorrundengegner USA und<br />

Portugal aufeinandertreffen, war aufgrund<br />

der langen Transportwege eine große logistische<br />

Herausforderung. Die Hauptstadt<br />

des brasilianischen Bundesstaates Amazonas<br />

liegt mitten im Dschungel direkt am<br />

Amazonas und etwa 1300 Kilometer <strong>vom</strong><br />

Meer entfernt.<br />

Vier Arbeiter kamen dort während der<br />

Bauphase ums Leben. „Die technischen<br />

Geräte und Gerüste sind auf dem neuesten<br />

Stand gewesen“, sagt gmp-Partner Hubert<br />

Nienhoff. Die nötigen Sicherheitsvorkehrungen<br />

seien getroffen worden. „Menschliches<br />

Versagen gibt es auf Baustellen leider<br />

immer wieder.“<br />

Vor acht Jahren war Architekt Nienhoff<br />

zum ersten Mal nach Brasilien gereist, um<br />

den Markt zu sondieren. Trotz der jahrelangen<br />

Vorbereitungszeit sind die Stadien<br />

erst mit Verspätung fertiggestellt worden.<br />

Am Anfang der Planung habe es auch den<br />

einen oder anderen lokalen Partner mit zu<br />

wenig Leistungsfähigkeit und Kompetenz<br />

gegeben, formuliert er diplomatisch.<br />

Letztlich sind die Stadien doch fertig geworden.<br />

Laut Betreiber belaufen sich die<br />

Kosten für das Stadion in Brasilia auf umgerechnet<br />

460 Millionen Euro, für die Arena<br />

da Amazônia auf knapp 200 Millionen.<br />

Wie viel bei gmp hängen geblieben ist, vermag<br />

Nienhoff nicht zu sagen. Gerhard<br />

Zach <strong>vom</strong> Verband Deutscher Architekten<br />

glaubt, dass die Hamburger Stadionplaner<br />

ihren Schnitt gemacht haben: „Ein Unternehmen<br />

wie gmp würde sich sonst nicht<br />

auf ein solches Großprojekt einlassen.“<br />

FOTO: VICTOR AFARO FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE<br />

66 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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HANSGROHE<br />

im Osten des Landes, wo etwa die Mannschaften<br />

lockt bereits das nächste Prestigeprojekt:<br />

aus Holland, Frankreich und Spa-<br />

die Olympischen Spiele in Brasilien.<br />

Die Wasser-Weltmeister<br />

nien Vorrundenspiele bestreiten, konnte<br />

Brasilien gewinnt, Deutschland ist abgeschlagen<br />

Hansgrohe publicityträchtig mit Armatu-<br />

HIRMER IMMOBILIEN GMBH<br />

– zumindest beim Duschen. Im ren ausstatten. „Das sind schöne Projekte,<br />

Auftrag des Armaturen- und Brausenherstellers<br />

die unseren Bekanntheitsgrad steigern“,<br />

Die Quartiermacher<br />

Hansgrohe aus Schiltach im sagt Carsten Voß, Hansgrohe-Verkaufslei-<br />

In den 14 weißen Bungalows mit den auf-<br />

Schwarzwald hat das britische Marktforschungsinstitut<br />

ICM Research die Badegewohnheiten<br />

in verschiedenen Ländern erforscht.<br />

Ergebnis: Mit mehr als 100 Minuten<br />

täglich verbringen die Brasilianer weltweit<br />

die meiste Zeit im Bad, die hitzegeplagten<br />

Südamerikaner duschen gerne<br />

auch zweimal am Tag. Die Deutschen – mit<br />

ter für Lateinamerika. 2013 erzielte der Armaturen-Manager<br />

trotz Währungsturbulenzen<br />

ein zweistelliges Umsatzwachstum<br />

in Brasilien.<br />

Solche Erfolge trösten Hansgrohe-Statthalter<br />

Voß über die Anlaufprobleme und<br />

Schwierigkeiten im brasilianischen Markt<br />

hinweg. Zwar liegt der Hafen Santos nur 50<br />

fälligen braunen Dächern, direkt am Meer,<br />

werden die 23 deutschen Nationalspieler<br />

plus Betreuer wohnen. An alles ist gedacht:<br />

Pool, Grillplatz, Trainingsgelände. ARD<br />

und ZDF werden aus der Nähe des Camps<br />

in Bahia im Osten Brasiliens berichten.<br />

Hinter der Anlage steckt die Münchner<br />

Firma Hirmer Immobilien GmbH. Fast alle<br />

einer durchschnittlichen Verweildauer von Kilometer von der Hansgrohe-Niederlassung<br />

Münchner kennen das Eckhaus in der Nähe<br />

49 Minuten – müssen dagegen fast schon<br />

als Körperpflege-Muffel gelten.<br />

Seit 2010 ist Hansgrohe (Jahresumsatz<br />

2013: 841 Millionen Euro) mit einer Niederlassung<br />

im boomenden Nasszellender<br />

in São Paulo entfernt. Doch weil<br />

Hafenausbau stockt und die Containerterminals<br />

überlastet sind, importieren die<br />

Schwarzwälder ihre Duschen und Wasserhähne<br />

über den 1000 Kilometer nördlich<br />

des Marienplatzes mit dem üppigen Ge-<br />

ranienschmuck und den Rundbögen am<br />

Eingang. Drinnen beraten Damen <strong>vom</strong><br />

Fach beim Kauf von Maßanzügen und<br />

Manschettenknöpfen. In den Regalen des<br />

Markt Brasilien vertreten. Die aufsteigende von São Paulo gelegenen Atlantikhafen Herrenbekleidungshauses (geschätzter<br />

Mittelschicht des Landes kann sich inzwischen<br />

die teuren, importierten Armaturen<br />

aus Schiltach für ihre Badezimmer leisten.<br />

Auch bei der WM mischen die Armaturenhersteller<br />

Vitória. „Als Mittelständler geht man im<br />

Hafen von Santos unter“, erklärt Voß.<br />

„Der Markt ist riesig, da nehmen wir vorübergehend<br />

höhere Kosten und eine noch<br />

Jahresumsatz: 192 Millionen Euro) liegen<br />

Trachtenjanker und Armani-Hosen. Uli<br />

Hoeneß, inzwischen inhaftierter Steuerbetrüger,<br />

war dort Stammgast.<br />

aus dem Schwarzwald mit. nicht optimale Infrastruktur in Kauf“, trös-<br />

Der Immobilien-Ableger von Hirmer, der<br />

Die Stadien in Porto Alegre und Curitiba tet sich der Hansgrohe-Manager. Und 2016 Objekte in München, Leipzig und Dres-»<br />

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Spezial | Mittelstand<br />

»<br />

den verwaltet, ist dagegen kaum bekannt.<br />

Weil sie für die Bekleidungshäuser<br />

sowieso ständig auf der Suche nach geeigneten<br />

Verkaufsflächen und Standorten ist,<br />

entschied die Geschäftsleitung vor 20 Jahren,<br />

ins Immobiliengeschäft einzusteigen.<br />

Ende 2013 erhielt Geschäftsführer Christian<br />

Hirmer den Zuschlag für den Bau des<br />

DFB-Mannschaftsquartiers mit Trainingsgelände<br />

im Bundesstaat Bahia. Das Grundstück<br />

hatte der 43-Jährige schon vor vier<br />

Jahren erworben. Angesichts der anstehenden<br />

Olympiade und der WM – sowie der<br />

aufstrebenden Mittelschicht des Landes –<br />

wollte Hirmer dort in Luxusresorts investieren,<br />

kam mit der Bebauung jedoch kaum<br />

voran. Vor eineinhalb Jahren stellte das brasilianische<br />

Unternehmer-Netzwerk LIDE<br />

dann den Kontakt zwischen Hirmer und<br />

dem DFB her. Ende Dezember wurden die<br />

Deutschen in die Gruppe G gelost. Da war<br />

klar, dass die DFB-Elf nur rund zwei Flugstunden<br />

<strong>vom</strong> Grundstück der Hirmers entfernt<br />

spielen wird. Der DFB entschied, das<br />

Mannschaftsquartier dort bauen zu lassen.<br />

Für Hirmer begann eine große Herausforderung:<br />

In dem abgelegenen 800-Seelen-Dorf<br />

Santo André gab es praktisch keine<br />

funktionierende Infrastruktur, die Straßen<br />

glichen Sandpisten. Einen Brunnen<br />

und eine Anlage zur Frischwasseraufbereitung<br />

musste der Immobilien-Unternehmer<br />

erst anlegen lassen.<br />

Innerhalb von fünf Monaten auf 15 000<br />

Quadratmetern 14 Luxusbungalows und<br />

einen Trainingsplatz zu bauen – das ist<br />

Hightex Dachspezialisten<br />

Frank Molter, Geschäftsführer<br />

Dank des High-Tech-Dachs aus Bayern fällt<br />

beim Finale im Maracanã-Stadion kein<br />

Schatten auf den Rasen. Die WM brachte<br />

25 Millionen Euro Zusatzeinnahmen.<br />

selbst in Deutschland knapp bemessen.<br />

Ob alles rechtzeitig fertig wird, wird sich<br />

wohl dann auch erst in letzter Minute entscheiden.<br />

Hirmer setzt auf die Kombination<br />

von „deutscher Organisation und brasilianischer<br />

Improvisationskunst“. Nach der<br />

WM will er die Anlage als Luxusresort vermarkten.<br />

Dass auf dem Gelände einst die<br />

deutsche National-Elf campiert hat, dürfte<br />

dabei sicher nicht hinderlich sein.<br />

HIGHTEX<br />

Die High-Tech-Dachdecker<br />

Beim WM-Finale am 13. Juli wird auf dem<br />

Rasen des Maracanã-Stadions in Rio de<br />

Janeiro kein einziger irritierender Schatten<br />

eines Pfeilers zu sehen sein. Grund dafür<br />

ist das ringförmige, weiße Dach. Eine<br />

selbsttragende Felgenkonstruktion, über<br />

die sich eine lichtdurchlässige, weiße<br />

Membran spannt – made in Germany, gefertigt<br />

von dem bayrischen Unternehmen<br />

Hightex (Umsatz 2012: 18 Millionen Euro,<br />

25 Mitarbeiter) aus Bernau am Chiemsee.<br />

Die Bayern sind hoch spezialisierte<br />

Dachdecker. Neben dem Finalstadion Maracanã<br />

haben die Ingenieure <strong>vom</strong> Chiemsee<br />

auch die Innendecke des Stadions in<br />

Natal erstellt und das blumenartige Dach<br />

der Arena in Porto Alegre konstruiert: Von<br />

der Mitte des Stadions aus gehen blütenblätterartige<br />

Segel ab, die bis auf den Boden<br />

reichen. Bis zu 240 Stundenkilometer<br />

Wind kann die Konstruktion aushalten.<br />

Hightex ist spezialisiert auf den Aufbau<br />

von Leichtbaudächern aus sogenanntem<br />

PTFE-Glas, das sich durch hohe Beständigkeit<br />

auszeichnet. Auch für die WM-Stadien<br />

in Südafrika haben die Bayern bereits Stadiondächer<br />

gefertigt.<br />

Brasilien hat sich aber als besonders<br />

schwieriger Markt erwiesen. „Wir haben<br />

dort viel über unsere eigenen Schwächen<br />

gelernt“, sagt Hightex-Geschäftsführer<br />

Frank Molter. „ Deutsche und Brasilianer<br />

sind, was Streitkultur angeht, diametral<br />

entgegengesetzt, die Brasilianer nehmen<br />

Rücksicht auf alles“, sagt Molter am Firmensitz<br />

in Bernau. Projektleiter Johannes<br />

Maier nickt. Der groß gewachsene Mann<br />

hat mit seiner achtköpfigen Mannschaft<br />

ein Jahr lang in Brasilien gelebt und dort<br />

die Baustellen geleitet. Direkte Kritik gelte<br />

in Brasilien als unangebracht, sagt er. Niemand<br />

soll bloßgestellt werden. Nur führe<br />

das dazu, dass Entscheidungen sehr langsam<br />

getroffen werden. „Und dann muss auf<br />

einmal alles ganz schnell gehen“, so Maier.<br />

Hightex bekam das bei der Zusammenarbeit<br />

mit seinem brasilianischen Partner<br />

zu spüren: Um lokale Kontakte zu nutzen,<br />

gingen die Bayern ein Joint Venture mit<br />

dem brasilianischen Membran-Spezialisten<br />

SEPA ein. Doch das Unternehmen hielt<br />

seine Fristen nicht ein und lieferte auch die<br />

zur Bilanzerstellung benötigten Zahlen<br />

nicht. Die Konsequenz: Die kleine Hightex<br />

GmbH, deren Muttergesellschaft an der<br />

Londoner Börse notiert ist, wurde sechs<br />

Monate <strong>vom</strong> Handel ausgeschlossen.<br />

Trotzdem ist Maier mit seiner Arbeit zufrieden.<br />

„Wir sind pünktlich fertig geworden,<br />

und technisch waren wir einwandfrei.“<br />

In den vergangenen Jahren hat<br />

Hightex mit seinen drei WM-Projekten<br />

einen Umsatz von 25 Millionen Euro erwirtschaftet.<br />

Unter dem Strich sorgten die<br />

Turbulenzen des brasilianischen Partners<br />

für einen Verlust bei Hightex.<br />

Nun hoffen Molter und Maier auf Folgeaufträge.<br />

Hightex verhandelt bereits in<br />

Russland, wo 2018 die nächste WM stattfinden<br />

soll, und auch schon in Katar, dem voraussichtlichen<br />

Austragungsort für 2022. n<br />

alexander.busch@wiwo.de | São Paulo, marc etzold,<br />

jacqueline goebel, franz hubik, andreas macho,<br />

max nowroth, anja stehle<br />

FOTO: WOLF HEIDER-SAWALL FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE<br />

68 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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STEUERN UND RECHT<br />

Rigide und<br />

willkürlich<br />

Woran deutsche Mittelständler in<br />

Brasilien oft scheitern.<br />

nehmen im Schnitt 34 Prozent Steuern auf<br />

den Gewinn – der weltweite Durchschnitt<br />

liegt bei 27 Prozent. Doch es ist nicht nur<br />

die Höhe der Steuern, über die sich die<br />

Unternehmer ärgern. Gleichzeitig ändern<br />

sich Steuergesetze häufig und willkürlich.<br />

Kleinste Fehler bei den Angaben können<br />

sich nach ein paar Jahren zu horrend teuren<br />

Strafen aufsummieren.<br />

Umwelt- und Arbeitsgesetze: Ausländische<br />

Firmen werden von den Behörden<br />

meist genauer geprüft. Die Umweltgesetze<br />

sind mittlerweile genauso streng wie in den<br />

USA. Wer ein Unternehmen kauft und die<br />

Immobilie nicht sorgfältig auf Altlasten<br />

durchcheckt, kann böse Überraschungen<br />

erleben. „Gerade Mittelständler verzichten<br />

oft darauf, vor einer Übernahme die Unternehmen<br />

auf Herz und Nieren zu prüfen“,<br />

beobachtet Rechtsanwältin Maria Beatriz<br />

Kowalewski, die bei der Sozietät Tozzini-<br />

Freire in São Paulo für deutsche Firmenkunden<br />

zuständig ist. „Deutsche Geschäftsführer<br />

sind oft zu gutgläubig.“<br />

Das arbeitnehmerfreundliche Arbeitsrecht<br />

Brasiliens stammt aus den Dreißiger-<br />

Der bürokratische Aufwand ist kafkaesk.<br />

Drei Jahre lang brauchte der Armaturenhersteller<br />

Hansgrohe aus dem Schwarzwald,<br />

bis die bereits gegründete brasilianische<br />

Niederlassung eine vollwertige<br />

Importlizenz für ihre eigenen Produkte<br />

bekam. Mittelständler, die in Brasilien investieren,<br />

unterschätzen regelmäßig die<br />

Startschwierigkeiten. Überrascht stellen<br />

viele Neueinsteiger fest, dass im tropisch<br />

lockeren Brasilien die Rahmenbedingungen<br />

im Geschäftsalltag rigide sind. Die<br />

wichtigsten Fallstricke:<br />

Steuern: Die Abgaben und Aufschläge<br />

sind hoch und komplex. Laut einer Studie<br />

der Wirtschaftsprüfer von KPMG aus dem<br />

Jahr 2011 zahlen brasilianische Unterjahren<br />

und kann Unternehmern ebenfalls<br />

zum Verhängnis werden. Wer zum Beispiel<br />

die Arbeitszeiten seiner Angestellten<br />

nicht kontrolliert, kann auch Jahre später<br />

von Gerichten hohe Nachzahlungen für<br />

angeblich geleistete Überstunden aufgebrummt<br />

bekommen.<br />

Personal: Die Qualität einheimischer<br />

Manager ist durchwachsen. Fehlbesetzungen<br />

für den Posten des Geschäftsführers<br />

oder Filialleiters vor Ort kommen durchaus<br />

häufig vor. „Auf der Führungsebene<br />

mangelt es in Brasilien noch an einer konsequenten,<br />

nachhaltigen Unternehmensführung“,<br />

beobachtet Wilhelm Goschy aus<br />

dem Vorstand der Staufen AG, einer auf<br />

den Mittelstand spezialisierten Unternehmensberatung<br />

aus Köngen bei Stuttgart.<br />

Goschy rät daher Mittelständlern, die in<br />

Brasilien investieren, lieber dazu, einen<br />

qualifizierten Personalberater zu bezahlen,<br />

als dem Rat eines Amigos zu vertrauen.<br />

Ein Vorteil ist es auch, wenn der brasilianische<br />

Geschäftsführer zuvor mal in<br />

Deutschland gearbeitet hat.<br />

alexander.busch@wiwo.de | São Paulo<br />

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Technik&Wissen<br />

Mit der Sonne rechnen<br />

INTERNET | Je mehr Daten durchs Web rauschen, desto mehr Strom saugen die<br />

Rechenzentren. Nun starten Google, Facebook und Co. eine Ökooffensive:<br />

Sie bauen Solarparks, kühlen ihre Computer in der Arktis oder verkaufen Hausbesitzern<br />

Server als Heizung. Das Netz wird grüner – und treibt die Energiewende voran.<br />

Drei gleißende Lichter strahlen<br />

über die Mojave-Wüste in der<br />

Nähe von Las Vegas. Mancher<br />

Autofahrer, der hier auf dem<br />

Interstate Highway Nummer<br />

15 in Kalifornien unterwegs ist, könnte sie<br />

für eine Fata Morgana halten.<br />

Es sind die Türme von Ivanpah, einem<br />

gigantischen neuen Kraftwerk, das seinesgleichen<br />

sucht. Es erzeugt aus Sonnenwärme<br />

Dampf, der Turbinen antreibt. Die produzieren<br />

so viel Strom, wie 140 000 Haushalte<br />

verbrauchen. Die drei Kolosse, jeder<br />

fast so hoch wie der Kölner Dom, sind getaucht<br />

in flirrende Sonnenstrahlen, gebündelt<br />

von 347 000 Spiegeln, die sich wie ein<br />

See aus Quecksilber in die Wüste ergießen.<br />

Das Kraftwerk ist das größte seiner Art<br />

und hat einen ungewöhnlichen Investor:<br />

Google. Der Internet-Konzern hat 170 Millionen<br />

Dollar in das Solarprojekt gesteckt.<br />

Und das ist nur der kleine Teil einer gewaltigen<br />

Ökooffensive des Suchmaschinen-<br />

Riesen: Für mehr als eine Milliarde Dollar<br />

baut Google Windräder und Solarparks mit<br />

der Leistung zweier Atomkraftwerke.<br />

Nicht Gutmenschentum treibt die Nerds<br />

aus Kalifornien ins Geschäft mit dem Ökostrom<br />

– sondern der Hunger nach Energie.<br />

E-Mails, Videos und Bilder mögen nur aus<br />

Bits und Bytes bestehen. Doch je mehr Daten<br />

wir um die Welt schicken, je mehr<br />

Cloud-Dienste wir nutzen, desto größer<br />

wird der ganz reale Stromverbrauch der<br />

Datenzentren und Netzwerke.<br />

Allein Googles Rechner-Heer schluckt<br />

3,3 Terawattstunden im Jahr, so viel wie eine<br />

mittlere Großstadt. Addiert man den<br />

Verbrauch aller anderen Netzdienste wie<br />

Facebook oder Dropbox hinzu und rechnet<br />

Grüne Datenflut<br />

Weltmarkt für energiesparende<br />

Rechenzentren<br />

17,1<br />

Mrd. $<br />

2012<br />

Quelle: Pike Research<br />

45,4<br />

Mrd. $<br />

2016<br />

auch den Betrieb der Datennetze mit ein,<br />

ergibt sich laut der Umweltorganisation<br />

Greenpeace ein Stromkonsum von 684 Terawattstunden.<br />

Im Länderranking der<br />

Stromverbraucher käme das Internet auf<br />

Platz sechs. Zwei Prozent der globalen<br />

CO 2 -Emissionen verursacht der Betrieb<br />

von Servern, Monitoren und PCs, schätzt<br />

die IT-Nachhaltigkeitsinitiative Gesi.<br />

STROMKOSTEN KAPPEN<br />

Damit ist das Web schon so schmutzig wie<br />

der Flugverkehr. Dabei hat die Vernetzung<br />

des Planeten gerade erst begonnen: Zwischen<br />

2012 und 2017, schätzt der US-Netzwerkkonzern<br />

Cisco, verdreifacht sich der<br />

Datenverkehr zu den Rechenzentren.<br />

Nicht nur für Umweltschützer, auch für<br />

viele Akteure in der Branche steht fest: Es<br />

ist höchste Zeit für eine Energiewende des<br />

World Wide Web. Vor allem Google, Facebook<br />

und Apple, die drei Riesen aus dem<br />

Silicon Valley, machen vor, wie es geht. Sie<br />

investieren Milliarden Dollar in grüne<br />

Kraftwerke. Das Ziel steht fest – 100 Prozent<br />

Ökostrom. Nicht nur, weil es gut fürs Image<br />

ist, sondern auf Dauer auch billiger, wenn<br />

fossile Rohstoffe immer teurer werden.<br />

Denn die Stromrechnung macht 40 Prozent<br />

der Betriebskosten eines Datenzentrums<br />

aus. Wer Strom spart, macht mehr<br />

Gewinn. Ideen gibt es dazu genug: Clevere<br />

Cloud-Anbieter verzichten auf Klimaanlagen<br />

und postieren ihre Server stattdessen<br />

in der Arktis. In Stockholm speisen Datenzentren<br />

ihre Abwärme ins Fernwärmenetz<br />

– gegen Bezahlung. Das Dresdner Start-up<br />

Cloud&Heat verkauft Server gar an Hausbesitzer<br />

– als Heizung, die kein Öl benötigt.<br />

Grüne Datenzentren, melden die Marktforscher<br />

von Pike Research, sind das neue<br />

Boom-Business: Das weltweite Geschäft<br />

wachse jährlich um rund 30 Prozent – auf<br />

45 Milliarden Dollar im Jahr 2016.<br />

Unternehmen wir eine Reise durch das<br />

nachhaltige Internet – auf fünf Stationen<br />

von Island über die USA bis nach Berlin.<br />

1 | SERVER AM POLARKREIS<br />

Schwefel liegt in der Luft, als Örn Orrason<br />

seinen Wagen auf die Schnellstraße nach<br />

Keflavik lenkt. Lava, die hier vor Tausenden<br />

Jahren floss und dann erkaltete, hat die Gegend<br />

rund um die isländische Hafenstadt<br />

in eine Mondlandschaft verwandelt. Und<br />

tief unter dem Gestein, das verrät der Geruch,<br />

brodelt noch immer ein Höllenfeuer<br />

aus den Urzeiten der Erdgeschichte.<br />

Touristen lieben die Vulkanlandschaft,<br />

weil sie hier in heißen Quellen baden können,<br />

in der berühmten Blauen Lagune, und<br />

dabei einen Blick erhaschen in die feurige<br />

Vergangenheit der Insel. Orrason liebt sie,<br />

FOTO: GETTY IMAGES/ETHAN MILLER<br />

70 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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Strom für die Suchmaschine<br />

Google investiert massiv in Solarenergie – wie<br />

hier im kalifornischen Kraftwerk Ivanpah<br />

3Mal mehr Daten als<br />

heute strömen im Jahr<br />

2017 durch die Netze<br />

684<br />

Terawattstunden Strom<br />

verbrauchen Datenzentren<br />

und -netze pro Jahr<br />

2Prozent der Kohlendioxid-Emissionen<br />

verursachen Rechner<br />

weil er in ihr Islands Zukunft sieht – eine<br />

Zukunft aus Siliziumchips, Glasfaserkabeln<br />

und Tausenden Festplatten. Lange<br />

hat Island nur Fisch exportiert. „Jetzt“, sagt<br />

Orrason, „exportieren wir Bits und Bytes.“<br />

Der Isländer arbeitet bei Farice, einem<br />

Betreiber zweier Seekabel, die die Insel seit<br />

2004 und 2009 mit Schottland, Dänemark<br />

und dem globalen Datennetz verbinden.<br />

So einsam das Vulkan-Eiland im Nordatlantik<br />

liegt – in letzter Zeit erhält Orrason<br />

oft Besuch von Firmenchefs, die seine Internet-Schnellstrecke<br />

nutzen möchten.<br />

In der Branche spricht sich herum, dass<br />

nah am Polarkreis ideale Bedingungen<br />

herrschen, um energiehungrige Server aufzustellen.<br />

Selbst an heißen Sommertagen<br />

wird es nicht wärmer als 25 Grad. Die ganzjährig<br />

kalte Luft macht Klimaanlagen überflüssig.<br />

Die verbrauchen 40 Prozent des<br />

Stroms in einem Rechenzentrum. Gleichzeitig<br />

ist Ökostrom aus Wasserkraft und<br />

Erdwärme im Überfluss vorhanden.<br />

Die Nachbarn in Skandinavien erleben<br />

dank dieser Vorzüge schon einen IT-Boom:<br />

Google hat im finnischen Hamina ein Rechenzentrum<br />

gebaut, das mit Wasser aus<br />

der Ostsee gekühlt wird, und investiert nun<br />

weitere 600 Millionen Dollar in den Standort.<br />

Facebook errichtet im schwedischen<br />

Luleå am Polarkreis bereits seinen zweiten<br />

Serverpark. Microsoft zieht nach und stellt<br />

für 250 Millionen Dollar einen Cloud-Speicher<br />

in Finnland auf.<br />

Auch Island entwickelt sich nun zu einem<br />

grünen Daten-Eldorado. Weil der<br />

Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull<br />

vielen Geschäftskunden noch präsent ist,<br />

muss Kabelbetreiber Orrason sie vor<br />

»<br />

WirtschaftsWoche 7.6.<strong>2014</strong> Nr. 24 71<br />

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Technik&Wissen<br />

»<br />

allem von einem überzeugen: dass ihre<br />

Server nicht von Lava verschluckt oder von<br />

Erdbeben zerrüttet werden. Als ob im Silicon<br />

Valley keine Erdstöße drohten.<br />

Vulkane hin oder her: Längst haben<br />

zahlreiche Unternehmen ihre Server in Island<br />

postiert, viele auf einem ehemaligen<br />

Militärgelände der Nato, in das Orrason<br />

nun mit seinem Wagen einbiegt. In Lagerhallen,<br />

groß wie Fußballfelder, hat das britische<br />

IT-Unternehmen Verne Global Ende<br />

2011 eines der modernsten Datenzentren<br />

der Welt eröffnet – und eines der grünsten.<br />

Auf dem Hof begrüßt Orrason den Deutschen<br />

Andreas Sturm. Der drahtige Netzwerkexperte<br />

betreut bei Verne Global das<br />

Geschäft im deutschsprachigen Raum.<br />

Sturm führt die Besucher durch mehrere<br />

Sicherheitsschleusen, hinein in eine Halle<br />

voller Serverschränke. Ventilatoren pressen<br />

kühle Außenluft durch die Schrankreihen,<br />

es brummt wie im Bienenstock.<br />

„Die Computer hier brauchen fünf Megawatt<br />

elektrische Leistung“, sagt Sturm. So<br />

viel wie 6000 Haushalte. Für Islands Energieversorger<br />

Landsvirkjun kein Problem.<br />

Dieses Jahr nimmt er ein neues Wasserkraftwerk<br />

mit 95 Megawatt Leistung in<br />

Betrieb. Der Strom kostet in Island für Industriekunden<br />

im Idealfall nur 3,2 Cent pro<br />

Kilowattstunde – in Deutschland 8,6 Cent.<br />

Mehr als ein Dutzend Kunden nutzen<br />

Vernes Ökodatenzentrum. Etwa der Autobauer<br />

BMW, der hier die Aerodynamik seiner<br />

Fahrzeuge berechnet, Unfälle simuliert<br />

und das Design optimiert – und damit so<br />

viel CO 2 spart, wie das Verbrennen von 1,5<br />

Millionen Liter Benzin freisetzt. Und Climate<br />

Action, ein Klimaschutzprogramm<br />

der Vereinten Nationen, speichert seine<br />

E-Mails auf Verne-Servern.<br />

In einem nahe gelegenen Serverpark des<br />

isländischen IT-Dienstleisters Advania hat<br />

der norwegische Web-Browser-Anbieter<br />

Opera Dutzende Server in zwei blauen<br />

Containern postiert. Ruft ein Handynutzer<br />

irgendwo in Europa oder Afrika eine Web-<br />

Seite auf, dann komprimieren die Computer<br />

auf Island sie zuvor auf ein Zehntel der<br />

Datenmenge. 1,4 Milliarden Web-Seiten<br />

rechnen die Opera-Computer auf Island<br />

pro Tag klein. Surfen im Netz wird so<br />

schneller und billiger.<br />

Noch haben die beiden Datenleitungen<br />

zur Eis-Insel reichlich Platz, dem IT-Boom<br />

steht nichts entgegen. Aber wenn wieder<br />

Vulkane ausbrechen? „Die sind Hunderte<br />

Kilometer entfernt“, sagt Verne-Manager<br />

Sturm. „Und Asche in der Luft erkennen<br />

wir mit Laser-Sensoren.“ Dann schließen<br />

Warme Quelle Ein Kraftwerk an Islands Blauer Lagune erzeugt sauberen Strom aus Erdwärme<br />

sich die Fenster – und ein Wärmetauscher<br />

kühlt die Luft für die Computer.<br />

2 | GRÜNSTROM VON APPLE<br />

Schweine, Mais, Kartoffeln: Iowa, der US-<br />

Bundesstaat im Mittleren Westen, ist bekannt<br />

für seine bodenständigen Exportwaren.<br />

Nun bietet der Mais-Staat ein weiteres<br />

Naturprodukt feil – Strom aus Windkraft.<br />

656 Windräder will der Energiekonzern<br />

MidAmerican Energy aus Des Moines,<br />

Hauptstadt des Bundesstaates, in der weiten<br />

Landschaft aufstellen – für 1,9 Milliarden<br />

Dollar. Es ist die größte Investition in<br />

Iowas Geschichte. Und es ist ein offenes<br />

Geheimnis, welcher Konzern die Entscheidung<br />

angestoßen hat: Facebook. Das soziale<br />

Netzwerk baut in Iowa ein 300 Millionen<br />

Dollar teures Datenzentrum, das<br />

Strom aus den Windparks beziehen wird.<br />

So werden die großen Internet-Konzerne,<br />

oft als Umweltsünder gescholten, nun<br />

zu Treibern der Energiewende. Auch Google<br />

hat schon mehrere Energieversorger in<br />

Oklahoma und North Carolina dazu gedrängt,<br />

in Ökokraftwerke zu investieren.<br />

Und die IT-Konzerne bauen selbst gewaltige<br />

grüne Kraftwerke. Apple hat an seinem<br />

Rechnerpark in North Carolina zwei<br />

Solarparks mit insgesamt 40 Megawatt<br />

Leistung installiert. Nachts erzeugen<br />

Brennstoffzellen Strom aus Biogas. Auch<br />

Erdwärme und Windkraft nutzt der Apfel-<br />

Konzern für seine vier Serverparks. iCloud,<br />

Siri, Maps: Sämtliche Cloud-Dienste von<br />

Apple saugen 100 Prozent Grünstrom.<br />

Andere Internet-Konzerne interessieren<br />

sich allerdings kaum für sauberen Strom.<br />

Vor allem Amazon, inzwischen einer der<br />

größten Cloud-Anbieter weltweit, bezieht<br />

immer noch zum Großteil Energie aus<br />

Kohle und Gas. Der Konzern ist vor allem<br />

an geringen Strompreisen interessiert.<br />

Doch das könnte ein strategischer Fehler<br />

sein. Denn schon jetzt zeichnet sich ab,<br />

dass künftig jene Datenzentren die besten<br />

Preise bieten können, die nicht von steigenden<br />

Ressourcenkosten abhängig sind –<br />

und jene, die wenig Strom verbrauchen.<br />

3 | SCHWIMMENDE SERVER<br />

Computer in Wasser zu tauchen, das weiß<br />

selbst der Laie, ist weder für den Computer<br />

noch für seinen Benutzer gut. Michael<br />

Kopka schert sich nicht darum. Um sein<br />

neues Kühlverfahren für Server zu demonstrieren,<br />

lässt der Manager beim US-<br />

Technologiekonzern 3M auf Messen in<br />

Deutschland schon einmal ganze Server<br />

bei laufendem Betrieb in einem Becken<br />

voll Flüssigkeit baden gehen.<br />

Der Kurzschluss bleibt aus – dank der geheimen<br />

Zusammensetzung der Flüssigkeit:<br />

Sie sieht wie Wasser aus, ist aber keines.<br />

Sie leitet keinen Strom, aber umso besser<br />

Wärme. Und sie lässt sensible Elektronik<br />

nicht korrodieren. „Gegenüber heutigen<br />

Kühlverfahren“, sagt Kopka, „spart die<br />

Methode 97 Prozent Energiekosten.“<br />

Grüne IT, das wird immer klarer, ist vor<br />

allem gutes Wärmemanagement. Zum Beispiel,<br />

indem Ingenieure die kalte Luft gezielter<br />

durch die Serverschränke leiten.<br />

Dazu stellen sie die Server so einander gegenüber,<br />

dass sich in den Gängen je die<br />

kalten oder die warmen Seiten begegnen.<br />

So strömt kalte Luft direkt zu den Prozessoren,<br />

ohne sich schon vorher zu erwärmen.<br />

Aber auch die IT selbst wird effizienter.<br />

Alle 18 Monate verdoppeln Computer-<br />

FOTOS: ACTION PRESS, LAIF/POLARIS/SPENCER MANDELL, PR<br />

72 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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Wärmequelle Server im Stockholmer Datenzentrum Prionen heizen Wohnungen und Büros<br />

chips ihre Rechenleistung – bei gleichbleibendem<br />

Stromverbrauch. Sparsame SSD-<br />

Speicher ersetzen rotierende Festplatten.<br />

Und Virtualisierungssoftware verschiebt<br />

Daten so auf einzelne Geräte, dass diese<br />

am effizientesten ausgelastet werden (siehe<br />

auch Seite 74).<br />

Trotzdem: Datenzentren bleiben Heizkraftwerke.<br />

Der Strom, der in Computer<br />

fließt, wird nahezu komplett in Wärme umgesetzt.<br />

„Die Abwärme lässt sich aber nutzen“,<br />

sagt Ralph Hintemann, IT-Experte<br />

beim Berliner Borderstep Institut. „Darin<br />

steckt ein Riesenpotenzial.“<br />

4 | WOLKE IM KELLER<br />

Daten seien das neue Öl, heißt es oft sprichwörtlich,<br />

aber für Matthias Kutschmar hat<br />

dieser Satz eine handfeste Bedeutung. Der<br />

Kaffeeunternehmer hat in seinem neuen<br />

Einfamilienhaus am Stadtrand von Berlin<br />

eine ungewöhnliche Heizung installiert.<br />

Zwei brummende Stahlschränke, je zwei<br />

Meter hoch: Computerserver.<br />

Die Schränke in Kutschmars Haus sind<br />

via Datenleitung mit dem Internet verbunden.<br />

Sie sind Teil einer Cloud, eines vernetzten<br />

Rechnerparks also. Aber zugleich<br />

geben sie ihre Hitze über einen Wärmetauscher<br />

an einen großen Wassertank ab. Mit<br />

dem Wasser kann Kutschmar auch an kalten<br />

Wintertagen das ganze Haus heizen<br />

und nebenbei ein heißes Bad nehmen.<br />

„Ich habe alles durchgerechnet“, sagt der<br />

47-Jährige, „und das hier ist die preiswerteste<br />

Heizung, die ich auftreiben konnte.“<br />

Die hat der Berliner beim Dresdner<br />

Start-up Cloud&Heat gekauft. Preis: 12 000<br />

Euro. Dafür garantiert der Anbieter 15 Jahre<br />

genug Warmwasser und Heizleistung für<br />

den Bedarf einer Familie. Er zahlt auch den<br />

Strom, der zu 100 Prozent aus erneuerbaren<br />

Quellen stammt, die Internet-Anbindung<br />

und die Wartung. „Um Öl- und Gaspreise“,<br />

sagt Ralf Knobloch, Technik-Chef<br />

bei Cloud&Heat, „machen sich unsere<br />

Kunden keine Gedanken mehr.“<br />

Vor allem in gut isolierten Gebäuden mit<br />

Passivhaus-Standard spielt die Datenheizung<br />

ihre Stärken aus. Ein Serverschrank<br />

spart hier gegenüber Öl und Gas in 15 Jahren<br />

30 Prozent Betriebskosten ein – sofern<br />

Heizöl jährlich fünf Prozent teurer wird.<br />

Auch die Cloud-Kunden sparen Geld:<br />

Die Server für den Heizungskeller sind im<br />

Vergleich zu zentralen Rechenzentren um<br />

60 Prozent günstiger, da Klimatisierung,<br />

Umhausung und Bewachung weniger kosten.<br />

Wer versucht, sie gewaltsam zu öffnen,<br />

löst eine Zwangsabschaltung aus, die zugleich<br />

die virtuellen Schlüssel zu den Da-<br />

12000<br />

Euro kostet ein<br />

Serverschrank<br />

als Heizung fürs<br />

Einfamilienhaus<br />

30<br />

Prozent Kosten<br />

spart das<br />

System gegenüber<br />

Heizöl<br />

ten löscht. Manchen mag das nicht sicher<br />

genug sein. Aber mehrere Start-ups und<br />

Mittelständler haben Cloud&Heat ihre Informationen<br />

schon anvertraut.<br />

Und was im kleinen Heizkeller funktioniert,<br />

klappt auch im großen Datenzentrum:<br />

Der Stockholmer Cloud-Anbieter<br />

ISP Bahnhof, bekannt geworden durch ein<br />

architektonisch spektakuläres Datenzentrum<br />

in einem alten Atombunker, hat bereits<br />

zwei seiner fünf Rechenfabriken an<br />

das Fernwärmenetz der schwedischen<br />

Hauptstadt angeschlossen – und kassiert<br />

sogar Geld dafür. „Die Hitze der Server hat<br />

uns immer Geld gekostet“, sagt Gustav<br />

Bergquist, Cloud-Chef bei ISP Bahnhof.<br />

„Jetzt beschert sie uns Einnahmen.“<br />

Nach spätestens fünf Jahren soll sich die<br />

Investition bezahlt machen. Seine nächsten<br />

Datenzentren will ISP Bahnhof von<br />

Grund auf für die optimale Nutzung der<br />

Wärme konzipieren – und damit einen<br />

neuen Effizienzrekord erreichen.<br />

5 | ALGEN ZÜCHTEN<br />

Seit in der schwedischen Kleinstadt Växjö<br />

ein Datenzentrum den Betrieb aufgenommen<br />

hat, ist das ganze Jahr über Fußballsaison.<br />

Denn die Abwärme der Rechner<br />

fließt in einen Wasserkreislauf direkt unter<br />

ein Rasenfeld und hält es frei von Schnee.<br />

Energiekreisläufe, wie die Schweden sie<br />

nutzen, will auch Oliver Fronk anzapfen –<br />

und für die Landwirtschaft einsetzen. Der<br />

Datenzentren-Spezialist des IT-Dienstleisters<br />

Prior1 in St. Augustin bei Bonn hat ein<br />

preisgekröntes Konzept mit entwickelt, das<br />

die Wärme von Servern in Hochhausfarmen<br />

speist.<br />

Dort heizen die Rechner<br />

Treibhäuser, in denen Gemüse<br />

wächst; sie wärmen<br />

Zuchttanks für Fische; und<br />

sie spenden Reaktoren<br />

Energie, in denen Algen<br />

gedeihen – der Rohstoff<br />

der Zukunft für Biogas,<br />

Kosmetika, Tiernahrung<br />

und Medikamente.<br />

Schon in drei bis vier<br />

Jahren, glaubt Fronk,<br />

könnten solche Serverund<br />

Algenfarmen den Betrieb<br />

aufnehmen. Und sie<br />

wären dann buchstäblich<br />

grüne Datenzentren. n<br />

andreas.menn@wiwo.de<br />

Lesen Sie weiter auf Seite 74 »<br />

WirtschaftsWoche 7.6.<strong>2014</strong> Nr. 24 73<br />

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Technik&Wissen<br />

SOFTWARE<br />

Bloß keine Lücken<br />

Florian Leibert hat die Technik von Twitter mit aufgebaut. Nun hilft<br />

sein Start-up, Rechenzentren effizient wie nie zu managen.<br />

Von Finnland ganz im Norden bis nach<br />

Chile weit im Süden: Google betreibt über<br />

die Welt verteilt 13 Rechenzentren, damit<br />

Internet-Nutzer möglichst schnell Aktienkurse<br />

suchen, Videos bei YouTube speichern<br />

und E-Mails abrufen können. In riesigen<br />

Hallen werkeln dazu Tausende<br />

Hochleistungscomputer, die hungrig<br />

nach Daten sind – und nach Energie. Jede<br />

der Rechenfabriken verbraucht so viel<br />

Strom wie eine Kleinstadt.<br />

Der Energiehunger könnte noch viel<br />

größer sein. Doch ein System mit Codenamen<br />

Borg hilft dem Internet-Giganten,<br />

seine Daten besser zu verwalten als viele<br />

andere Firmen. Es reduziere den Bedarf<br />

an Serverleistung um mehrere Prozent,<br />

so John Wilkes, der bei Google für dessen<br />

Weiterentwicklung verantwortlich ist. Das<br />

klingt nach etwas Kostenoptimierung, hat<br />

aber enorme Konsequenzen: „Das entspricht<br />

einem weiteren Datencenter, das<br />

wir nicht bauen müssen“, erklärt Wilkes.<br />

Borg verteilt Daten und Rechenaufgaben<br />

möglichst optimal auf alle Server. Wilkes<br />

vergleicht das mit der Aufgabe, verschieden<br />

große Holzscheite in Körbe zu<br />

sortieren. Das System ordnet sie so an,<br />

dass möglichst keine Lücken bleiben.<br />

Lange war Borg eins der am strengsten<br />

gehüteten Geheimnisse Googles, denn es<br />

verschaffte dem Konzern enorme Wettbewerbsvorteile.<br />

Inzwischen nutzen immer<br />

mehr Firmen vergleichbare Technik.<br />

BETRIEBSSYSTEM FÜR DIE CLOUD<br />

Eine entscheidende Rolle spielt dabei ein<br />

deutscher Softwareingenieur: Florian<br />

Leibert. Er hat zwischen 2009 und 2011<br />

beim Kurznachrichtendienst Twitter die<br />

Suchfunktion mit entwickelt. Auch die<br />

Empfehlungen, welcher anderen Person<br />

ein Nutzer folgen sollte, gehen auf ihn zurück.<br />

Sein vielleicht größter Dienst für<br />

Twitter war, den Vortrag seines Freundes<br />

Ben Hindman zu organisieren. Der war<br />

damals Doktorand an der Universität in<br />

Berkeley, wo er mit anderen ein Programm<br />

namens Mesos entwickelt hat.<br />

Zwar interessierten sich nur acht Mitarbeiter<br />

bei Twitter dafür. Doch das waren immerhin<br />

zehn Prozent der Belegschaft. Vor<br />

allem aber waren drei Ex-Google-Mitarbeiter<br />

dabei, die in Mesos ihr Borg-System<br />

wiedererkannten.<br />

Und so heuerte der Zwitscherdienst<br />

Hindman an, um das System einzuführen.<br />

Dort geht inzwischen nichts mehr ohne Mesos.<br />

Leibert erkannte das Potenzial und<br />

gründete gemeinsam mit Tobias Knaup, einem<br />

Schulfreund aus Schweinfurt, vor einem<br />

Jahr Mesosphere. Übrigens nicht die<br />

Von Schweinfurt ins Silicon Valley Florian<br />

Leibert will mit Open Source Geld verdienen<br />

erste Firma der beiden: Bereits mit 15 hatten<br />

sie ihr eigenes Unternehmen und entwickelten<br />

E-Commerce-Dienstleistungen.<br />

Inzwischen hat Mesosphere 23 Mitarbeiter,<br />

darunter ehemalige Entwickler von<br />

Amazon, Adobe oder Intel. Prominent sind<br />

auch die Investoren: Zu den Geldgebern gehören<br />

die Risikokapitalgeber Andreessen<br />

Horowitz und Kleiner Perkins, die einst<br />

auch Facebook oder Twitter finanzierten.<br />

Um zu erklären, was Mesos genau ist,<br />

vergleicht Leibert es mit einem Betriebssystem.<br />

Windows etwa sagt dem PC, welche<br />

Rechenoperationen die Prozessoren erledigen<br />

müssen. Genauso organisiert Mesos<br />

riesige Big-Data-Analysen. „Es lässt das Rechenzentrum<br />

wie einen Riesencomputer<br />

aussehen“, so Leibert. „Das ist wie ein Betriebssystem<br />

für Datencenter und die<br />

Cloud.“<br />

Heute braucht jede IT-Firma Experten,<br />

die für Datencenter individuell Rechenprozesse<br />

oder komplexe Big-Data-Abfragen<br />

konfigurieren. Mesos soll das enorm<br />

vereinfachen. Auch in Notfällen sind weniger<br />

Spezialisten notwendig. Streiken etwa<br />

Teile eines Rechenzentrums, verteilt<br />

Mesos die dort geplanten Aufgaben automatisch<br />

neu. Vor allem aber kann die Effizienz<br />

enorm gesteigert werden. „Die<br />

meisten Rechenzentren laufen heute mit<br />

einer Auslastung zwischen 8 und 15 Prozent“,<br />

sagt Leibert. Mesos könne man<br />

den Wert auf 25 bis 30 Prozent steigern.<br />

SERVERKOSTEN HALBIERT<br />

Die Vorteile erkennen immer mehr Unternehmen.<br />

So setzen neben Twitter auch<br />

Ebay, PayPal und die Videoplattform Vimeo<br />

auf Mesos. In Deutschland hat Leibert<br />

Gespräche mit ersten Interessenten<br />

geführt. Um den hiesigen Markt zu erobern,<br />

hat das Unternehmen im Mai ein<br />

Büro in Hamburg eröffnet.<br />

Wie viel das System bringen kann, zeigt<br />

das Softwareunternehmen HubSpot:<br />

Dank Mesos konnte der Marketingspezialist<br />

die Zahl der bei Amazon angemieteten<br />

Server deutlich reduzieren, die Kosten<br />

sanken um bis zu 50 Prozent.<br />

Am stärksten setzt derzeit Airbnb auf<br />

das Mesos. Die Online-Zimmervermittlung<br />

hat ihre komplette Infrastruktur auf<br />

das System umgestellt. Verantwortlich<br />

dafür: Leibert und sein Freund Knaup.<br />

Ihre Firma Mesosphere steht noch ganz<br />

am Anfang, doch Leibert hofft auf gute<br />

Geschäfte. Dabei ist das Programm kostenlos,<br />

denn es ist eine Open-Source-Anwendung<br />

wie das Betriebssystem Linux.<br />

„Man muss aber ein relativ hohes technisches<br />

Verständnis haben, um Mesos aufzusetzen“,<br />

sagt Leibert. Sein Start-up<br />

agiert daher bisher als Dienstleister. Bis<br />

Anfang kommenden Jahres will er zudem<br />

ein Softwarepaket entwickeln, das auch<br />

kostenpflichtige Teile beinhaltet. Das Geschäftsmodell<br />

von Mesosphere sei mit<br />

der US-Firma Red Hat vergleichbar: Der<br />

größte Linux-Anbieter erzielte im Vorjahr<br />

einen Umsatz von 1,3 Milliarden Dollar.<br />

Nur Google wird Leibert wahrscheinlich<br />

nicht als Kunden gewinnen: Der Konzern<br />

arbeitet an einem eigenen Nachfolgesystem<br />

für Borg. Der Projektname dafür lautet<br />

Omega – die Technik soll Mesos noch<br />

stärker ähneln als das derzeitige System.<br />

oliver.voss@wiwo.de<br />

FOTO: PRIVAT<br />

74 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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Zocken als Beruf Asien gilt als Hochburg<br />

für Schiebereien bei Sportwetten –<br />

und wäscht dabei auch noch Schwarzgeld<br />

FOTO: LAIF/SINOPIX/COLIN GALLOWAY<br />

Liebe zur Geometrie<br />

FUSSBALL | Sportwetten bewegen Milliardenbeträge – und locken<br />

Betrüger. Auch bei der Fußball-WM in Brasilien drohen Manipulationen.<br />

Wie Datendetektive den Schiebern auf die Spur kommen.<br />

Zahlenkolonnen flackern über einen<br />

abgenutzten Röhrenbildschirm. Er<br />

ist die einzige Lichtquelle im dunklen,<br />

drückend heißen Zimmer. Ein junger<br />

Asiate sitzt davor und starrt auf den Monitor<br />

voller Quoten, Wetteinsätze und einer<br />

nicht enden wollenden Liste von Fußballspielen.<br />

Leise klackert seine Tastatur, er riskiert<br />

immer nur kleine Summen, setzt auf<br />

immer andere Turniere.<br />

Als es nach einer langen Nacht auf den<br />

Straßen hell wird, geht er nicht etwa zur Arbeit,<br />

sondern macht weiter. Denn er spielt<br />

nicht zum Vergnügen – es ist sein Job. Nach<br />

den Befehlen seiner Mafia-Bosse mischt er<br />

als Strohmann im Online-Wettmarkt mit.<br />

Anonyme Marionetten wie den jungen<br />

Spieler gibt es vor allem in Asien zu Tausenden.<br />

Der Kontinent gilt als eine Hochburg<br />

für Geldwäsche und Manipulation bei<br />

Sportwetten. Rund 100 Milliarden Euro<br />

wäscht die organisierte Kriminalität weltweit<br />

laut einer Studie der Pariser Universität<br />

Panthéon-Sorbonne pro Jahr über dieses<br />

Geschäft, das von Land zu Land mehr<br />

oder weniger reglementiert ist. Insgesamt<br />

sollen auf dem Wettmarkt rund 200 bis 500<br />

Milliarden Euro umgesetzt werden, 80 Prozent<br />

über illegale Geschäfte. Betroffen von<br />

den kriminellen Aktivitäten sind fast alle<br />

Sportarten, sei es Kricket, Basketball oder<br />

Fußball – bis hin in kleine Ligen.<br />

Jetzt, kurz vor der Fußballweltmeisterschaft<br />

in Brasilien, mehren sich die Bedenken,<br />

dass auch dort die Wettmafia aktiv<br />

sein wird. Ralf Mutschke, der Sicherheitschef<br />

des Weltfußballverbandes Fifa, warnte<br />

bereits Anfang des Jahres: „Wir müssen<br />

ganz klar davon ausgehen, dass die organisierte<br />

Kriminalität versucht, auch WM-<br />

Spiele zu manipulieren.“<br />

Denn für Kriminelle ist es nicht nur lohnen,<br />

illegale Einnahmen durch Wetten<br />

reinzuwaschen – sie lassen sich so gleich<br />

vermehren. Am leichtesten, wenn das Ergebnis<br />

vorher feststeht. So wohl geschehen<br />

bei Testspielen kurz vor der letzten WM in<br />

Südafrika, wie ein geheimer Bericht der Fifa<br />

dokumentiert, den die „New York Times“<br />

Manche Gauner<br />

sind so dreist<br />

und kaufen ganze<br />

Sportvereine<br />

kürzlich öffentlich gemacht hat. Hier hat<br />

ein Schiedsrichter für das gewünschte<br />

Spielergebnis gesorgt, aber auch Spieler<br />

oder gar Trainer machen mit. Und regelmäßig<br />

auch in Europa: Nach Ermittlungen<br />

der Polizeibehörde Europol hat die Wettmafia<br />

zwischen 2008 und 2011 etwa 380<br />

Spiele manipuliert, teils in der Champions<br />

League und während der WM-Qualifikation.<br />

Insgesamt 425 Spieler, Schiedsrichter<br />

und Verbandsfunktionäre sollen beteiligt<br />

gewesen sein. Zu Verhaftungen kam es<br />

aber nur in rund 50 Fällen.<br />

Um diese Machenschaften aufzudecken,<br />

sind Datenreihen und Statistiken zum unverzichtbaren<br />

Hilfsmittel für Ermittler und<br />

Wettanbieter geworden. Bei den Analysen<br />

geht es nicht nur um Einsätze und Gewinnquoten,<br />

sondern künftig auch um das Verhalten<br />

der Spieler und Schiedsrichter.<br />

Noch immer wetten viele Sportfans in<br />

Hinterzimmern und auf der Straße. Aber<br />

mehr und mehr Geschäft läuft über das Internet.<br />

Längst setzen die Zocker nicht mehr<br />

nur auf Spielergebnisse, sondern auch auf<br />

die Zahl der Tore in der ersten Halbzeit, der<br />

gegebenen Ecken oder welche Mannschaft<br />

als erste ein Tor schießt. All das bietet Gelegenheit<br />

für Manipulationen – und erzeugt<br />

nebenbei eine riesige Menge an Bits und<br />

Bytes. Big Data lässt grüßen.<br />

KRITIK AN DER FIFA<br />

Im eigenen Interesse versucht die Wettmafia,<br />

über Strohmänner so unauffällig wie<br />

möglich Profite herauszuschlagen. Selten<br />

sind Kriminelle so dreist und kaufen vor einem<br />

Spiel ganze Fußballclubs, um die<br />

Mannschaft dann nach Belieben umzubauen,<br />

wie 2005 im Fall des finnischen AC<br />

Allianssi. Der chinesische Geschäftsmann<br />

Zheyun Ye, in der Wettszene kein Unbekannter,<br />

erwarb den Verein überstürzt und<br />

ließ neue Spieler inklusive eines Ersatztorwarts<br />

für ein entscheidendes Spiel antreten:<br />

Die Mannschaft verlor mit 0:8.<br />

Um Unregelmäßigkeiten im Sport aufzudecken,<br />

hat die Fifa 20<strong>07</strong> in Zürich das „Early<br />

Warning System“ (EWS) gegründet. „Unsere<br />

Hauptarbeit ist die Analyse wettmarktrelevanter<br />

Daten“, sagt Jacek Wojdyla, zuständig<br />

für internationale Zusammenarbeit<br />

beim EWS. Angaben der Wettanbieter bilden<br />

eine der Informationsquellen. „Wir<br />

überwachen Wettangebote, Quotenbewegungen<br />

und verfolgen die Liquidität des<br />

»<br />

WirtschaftsWoche 7.6.<strong>2014</strong> Nr. 24 75<br />

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Technik&Wissen<br />

Hitze des Gefechts Heatmaps verraten, wo sich Fußballer – in diesem Beispiel<br />

Mittelfeldspieler Bastian Schweinsteiger – auf dem Platz bevorzugt aufhalten<br />

»<br />

Marktes mit einem technischen System“,<br />

so Wojdyla. Komme es dabei zu auffälligen<br />

Mustern, etwa wenn sich die Wettquoten<br />

für die Gesamtzahl der Tore noch kurz vor<br />

dem Spiel stark ändern, meldet das EWS<br />

dies an die Fifa. Einfluss auf den Wettmarkt<br />

oder dessen Anbieter nehmen darf es aber<br />

nicht. Zudem halten Kritiker die 100-prozentige<br />

Tochter der Fifa für zu abhängig,<br />

um effektiv zu arbeiten. Ihre Nähe zum Verband<br />

sei ein Hindernis, klagt unter anderem<br />

Transparency International.<br />

WENN GROSSRECHNER BLIND SIND<br />

Das EWS ist nur eines von vielen Warnsystemen.<br />

Die Wettbranche selbst beschäftigt<br />

Mathematiker und Informatiker, um Betrügereien<br />

aufzudecken. Daneben greift sie<br />

schon länger auf Datensammler wie die St.<br />

Gallener Firma Sportradar zurück. Die liefern<br />

die Basis für mathematische Tests, ob<br />

etwa ein Spielausgang plausibel ist.<br />

„Wir erheben Daten über circa 200 000<br />

Sportereignisse pro Jahr in den unterschiedlichsten<br />

Sportarten“, sagt Johannes<br />

Ranke, Direktor für Sports Data & Licensing<br />

bei Sportradar. „Scouts vor Ort im Stadion<br />

oder TV-Übertragungen liefern Informationen,<br />

die wir neben den Medien auch<br />

Wettanbietern zur Verfügung stellen.“<br />

Denn um ein Spiel effektiv beurteilen zu<br />

können, fließen in das Warnsystem namens<br />

„Fraud Detection System“, das Sportradar<br />

anbietet, nicht nur Marktstatistiken.<br />

Es erfasst auch Spiel-Ergebnisse, Tabellenplätze<br />

von Mannschaften oder Spielaufstellungen.<br />

Erst so lassen sich überhaupt Abweichungen<br />

von einem erwarteten oder<br />

sehr wahrscheinlichen Ausgang eines<br />

Spiels errechnen. Wettmuster, die auffällig<br />

sind und sonst in einer Masse von Transaktionen<br />

untergehen, fischen Großrechner<br />

dann nach Wahrscheinlichkeitsgesetzen<br />

heraus. Ein einzelner Mensch kann das<br />

nicht mehr leisten, weil sich nur im riesigen<br />

Gesamtbild der Zahlen Muster abzeichnen.<br />

Aber auch Zahlendetektive und Computer<br />

müssen sich in einigen Fällen geschlagen<br />

geben. Heute sind sie blind, sobald es<br />

keine Bewegungen auf dem Wettmarkt gibt<br />

und nicht Geschäftemacherei im Vordergrund<br />

steht. Etwa wenn nur einige wenige,<br />

ein Abwehrspieler oder Torwart, am Spiel<br />

drehen. Oder wenn politische Interessen,<br />

wie in der WM 1978, eine Rolle spielen.<br />

Vieles deutet darauf hin, dass die Nationalmannschaft<br />

von Peru damals Argentinien<br />

mit einem 0:6 zum Einzug ins Finale verholfen<br />

haben soll. Als Gegenleistung soll<br />

das Militärregime in Argentinien politische<br />

Störenfriede für Peru beseitigt haben.<br />

Doch in Zukunft sollen Daten auch in<br />

diesen Fällen helfen herauszufinden, ob etwas<br />

faul war an einem Match. So zumindest<br />

die Vision zweier Informatiker der<br />

Universität Konstanz. Mit einem Projekt zu<br />

„Soccer Analytics“ und dem Betrachten<br />

von „Fußballspielen als System“ wollen<br />

Zocken im Netz<br />

Das Geschäft mit Online-Sportwetten wächst<br />

rasant –weltweit und in Europa<br />

Nettoumsätze (in Milliarden Dollar)<br />

Welt Europa<br />

3,7<br />

2008<br />

4,3 4,4<br />

5,3<br />

* geschätzt;<br />

Quelle: bet-at-home.com, H2 Gambling Capital<br />

5,9<br />

2,5 2,8 3,4 3,4 3,8<br />

2009<br />

2010<br />

2011* 2012*<br />

Sven Kosub und Ulrik Brandes von diesem<br />

Jahr an mit ihren Studenten Mustern in<br />

Spielen auf die Spur kommen. Vergleichbare<br />

Projekte zur Analyse von Interaktionen<br />

im Fußball verfolgen Forscher an der<br />

Deutschen Sporthochschule in Köln.<br />

WEG VON DER ZAHLENFIXIERUNG<br />

Heute erfassen bei jedem Bundesligaspiel<br />

Vereine und einzelne Unternehmen schon<br />

Positionsdaten der Spieler, teils mit Sensoren<br />

in Schienbeinschonern oder über Videoanalysen.<br />

Sie ermitteln, wie viele Kilometer<br />

ein Philipp Lahm gelaufen ist oder<br />

wie viele Fehlpässe sich Rafael van der<br />

Vaart erlaubt hat. „Was nicht passiert in einem<br />

Spiel, ist meist am interessantesten“,<br />

sagt Brandes, Professor für Algorithmik.<br />

Statt nur Statistiken zu wälzen und Daten,<br />

herausgelöst aus ihrem Kontext, zu betrachten,<br />

fordern er und Kollege Kosub eine<br />

Art ganzheitliche Analyse von Spielen.<br />

Die Geometrie sei dabei ein Schlüssel, also<br />

die räumlichen Beziehungen zwischen<br />

den Spielern und die Netzwerke, die sie bilden.<br />

Es bringe nichts, zu wissen, wie viel<br />

ein Stürmer im Spiel gerannt sei. Wann er<br />

wo auf dem Spielfeld war und nichts tat, sei<br />

ebenso wichtig, so die Forscher. „Damit<br />

lässt sich die Leistung eines Fußballers<br />

besser beurteilen“, erklärt Sven Kosub.<br />

So ließe sich auffälliges Verhalten einzelner<br />

Fußballer womöglich irgendwann<br />

ebenso ablesen wie deren Fitness. Doch<br />

umfassend ausgewertet werden die Daten<br />

nach Meinung der Informatiker nicht.<br />

„Selbst an den Universitäten ist das Potenzial<br />

der Netzwerkanalyse noch nicht richtig<br />

verstanden“, so Brandes. „Ich halte es für<br />

sehr unwahrscheinlich, dass die Wirtschaft<br />

oder Vereine weiter sind.“<br />

Firmen wie Opta und Impire nutzen Positionsdaten<br />

bisher vor allem, um Spiele im<br />

Nachhinein grafisch darzustellen. Wo es<br />

auf dem Platz besonders heiß herging, verdeutlichen<br />

sie in Heatmaps oder machen<br />

Spielzüge in Momentaufnahmen nachvollziehbar.<br />

Die wertvollen Daten halten sie<br />

nur für ihre zahlenden Kunden bereit – zum<br />

Bedauern der Informatiker. Noch ist die Erfassung<br />

solcher Informationen aufwendig<br />

und damit eine schützenswerte Investition.<br />

Sollte sich die Analyse der räumlichen Positionen<br />

von Spielern als wirksames Instrument<br />

bewähren, könnte die Wettbranche<br />

zum neuen Kunden der Positions-Tracker<br />

werden. Und die Fixierung der Buchmacher<br />

auf reine Zahlen würde dann durch<br />

die Liebe zur Geometrie ergänzt.<br />

n<br />

peter gotzner, technik@wiwo.de<br />

FOTO: IMPIRE AG A DELTATRE COMPANY<br />

76 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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VALLEY TALK | Erst pumpten russische Investoren<br />

Milliardensummen ins High-Tech-Tal. Jetzt versuchen<br />

die Chinesen ihr Glück. Von Matthias Hohensee<br />

Geld und Geduld<br />

FOTO: JEFFREY BRAVERMAN FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE<br />

Ausländer prägen seit Jahren das<br />

Silicon Valley. 36 Prozent der<br />

Einwohner wurden im Ausland<br />

geboren, US-weit sind es 13 Prozent.<br />

60 Prozent der Ingenieure hier stammen<br />

aus dem Ausland. Nach Englisch und<br />

Spanisch ist Chinesisch dritthäufigste Sprache<br />

in den Haushalten des High-Tech-Tals.<br />

Die Einwanderer bringen nicht nur Talente<br />

mit, sondern auch Kapital – oder sie ziehen<br />

es an. Zwar gibt es keine Erhebungen,<br />

wie viel der zwölf Milliarden Dollar an Wagniskapital,<br />

die vergangenes Jahr ins Silicon<br />

Valley flossen, aus ausländischen Quellen<br />

stammen. Schätzungen gehen aber von bis<br />

zu 40 Prozent aus. So hat etwa russisches<br />

Kapital den Boom der sozialen Netzwerke<br />

in der vergangenen Dekade befeuert, allem<br />

voran die Digital-Sky-Gruppe um Wagnisfinanzierer<br />

Yuri Milner.<br />

Nach den Russen kommen nun Gelder<br />

aus Asien, vor allem aus China. Seit Jahren<br />

schon kaufen Chinesen Immobilien im<br />

High-Tech-Tal. Doch sie investieren auch<br />

in Unternehmen. Nach Studien des Marktforschungsunternehmens<br />

CB Insight<br />

haben Finanziers aus China und Taiwan<br />

seit 20<strong>07</strong> mindestens 2,6 Milliarden Dollar<br />

in Internet-Unternehmen in den USA gesteckt.<br />

Die chinesischen Internet-Giganten<br />

Alibaba und Tencent haben eigene Fonds<br />

aufgelegt. Ebenso wie der chinesische<br />

Mischkonzern Fosun, der ein eigenes Büro<br />

im Silicon Valley eröffnet und 100 Millionen<br />

Dollar für Investitionen reserviert hat.<br />

Aufsehen erregt nun die Suchmaschine<br />

Baidu. Das Google Chinas hat angekündigt,<br />

300 Millionen Dollar in ein Forschungszentrum<br />

für künstliche Intelligenz (KI)<br />

zu stecken. Es soll bis zu 200 Mitarbeiter<br />

beschäftigen und hat dafür Andrew Ng<br />

gewonnen. Der leitete bis vor Kurzem das<br />

KI-Labor an der Stanford-Universität und<br />

arbeitete zuvor als Forscher bei Google.<br />

Im Kern geht es darum, mit künstlicher<br />

Intelligenz Informationen nicht nur gründlicher<br />

zu analysieren, sondern auch ihren<br />

Kontext zu verstehen, um besser entscheiden<br />

zu können. Google etwa erwarb dafür<br />

gerade das britische Start-up Deep Mind,<br />

angeblich für eine halbe Milliarde Dollar.<br />

Auch Facebook besitzt ein KI-Labor.<br />

Der Baidu-Plan unterstreicht laut Anand<br />

Sanwal, dem CEO von CB Insight, die<br />

unterschiedliche Investment-Philosophie<br />

der Chinesen. Während Geldgeber aus<br />

den USA und Europa vor allem auf den<br />

amerikanischen Markt schauen, sehen<br />

chinesische Investoren das Silicon Valley<br />

als Forschungs-Brückenkopf. Sie werben<br />

damit, mithilfe des Know-hows aus Kalifornien<br />

weitgehend unerschlossene Internet-<br />

Wachstumsmärkte in Asien besetzen<br />

zu können. Und sie verweisen auf ihre Expertise<br />

in der Fertigung.<br />

UNGLEICHER WETTBEWERB<br />

Wie stark chinesisches Kapital die Internet-<br />

Branche in den USA prägen wird, hängt<br />

auch von der Politik ab. In Washington wird<br />

schon länger kritisiert, dass sich chinesische<br />

Online-Riesen wie Baidu oder Alibaba<br />

auf dem US-Markt tummeln können, während<br />

das Reich der Mitte für Anbieter wie<br />

Facebook oder Twitter ganz verschlossen<br />

oder der Marktzugang im Fall von Google<br />

mit Auflagen versehen ist. Doch interveniert<br />

haben die USA nur, wenn chinesische<br />

Unternehmen, etwa der Telekommunikationsanbieter<br />

Huawei, sicherheitskritische<br />

Technologien kaufen wollten.<br />

Zudem müssen die chinesischen Investoren<br />

auch noch beweisen, dass sie an die<br />

Erfolge der Russen anknüpfen können.<br />

Unternehmen mit chinesischer Beteiligung<br />

wie die Fertiger JustFab und Fab.com etwa<br />

straucheln derzeit. Doch die Chinesen<br />

haben Geduld und können – mit der Regierung<br />

im Rücken – lange durchhalten.<br />

Nicht zufällig ist Lenovo heute der größte<br />

Computerkonzern der Welt. Seine Anleger<br />

tolerieren mickrige Margen – oder müssen<br />

sie akzeptieren.<br />

Der Autor ist WirtschaftsWoche-Korrespondent<br />

im Silicon Valley und beobachtet<br />

von dort seit Jahren die Entwicklung der<br />

wichtigsten US-Technologieunternehmen.<br />

WirtschaftsWoche 7.6.<strong>2014</strong> Nr. 24 77<br />

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Management&Erfolg<br />

»Outen Sie sich –<br />

je früher, desto besser«<br />

INTERVIEW | John Browne Wie der Ex-BP-Chef sein erzwungenes Coming-out erlebt hat.<br />

Und was er Unternehmen im Umgang mit homosexuellen Managern rät.<br />

Lord Browne, in Ihrem gerade veröffentlichten<br />

Buch plädieren Sie für die Vorteile<br />

des Coming-out und empfehlen Unternehmen<br />

einen offen Umgang mit Homosexualität.<br />

Bedauern Sie, sich nicht früher<br />

öffentlich zu Ihrer Homosexualität bekannt<br />

zu haben?<br />

Ja. Aus heutiger Sicht wünsche ich mir, ich<br />

hätte diesen Schritt früher getan.<br />

Glauben Sie wirklich, dass Sie trotzdem<br />

noch BP-Chef geworden wären?<br />

Schwer zu sagen. Ich nehme an, Offenheit<br />

über meine sexuelle Orientierung wäre in<br />

der Ölbranche zu Beginn meiner Karriere<br />

tatsächlich unmöglich gewesen. Als ich<br />

Vorstandsvorsitzender wurde, vor allem<br />

aber am Ende meiner Amtszeit, hätte ich es<br />

wahrscheinlich wagen können.<br />

Und sich die Schmach des erzwungenen<br />

Outings erspart...<br />

Ich war 59 Jahre alt, als ich 20<strong>07</strong> zu diesem<br />

Schritt gezwungen wurde. Die Mauern, die<br />

ich um mein Privatleben gebaut hatte, begannen<br />

zu zerfallen. Als ich dann im Auto<br />

saß und den Konzern verließ, den ich mit<br />

aufgebaut hatte, fühlte es sich an, als ob ich<br />

sterben würde.<br />

Haben Sie den Rücktritt je bereut?<br />

Nein. Ich bin sehr froh, dass ich an diesem<br />

Punkt die Bremse gezogen habe. Ich war<br />

bereit, mein Leben komplett zu ändern.<br />

Was hat Sie davon abgehalten, sich früher<br />

und aus eigenen Stücken zu Ihrer Homosexualität<br />

zu bekennen?<br />

Einerseits die Geschichte, schließlich wurden<br />

Homosexuelle in der Vergangenheit<br />

oft verfolgt, anderseits meine Erziehung.<br />

Ich glaubte früher, dass meine Beziehungen<br />

im Beruf und Privatleben Schaden<br />

nehmen würden. Es war die Angst – und es<br />

ist auch heute immer noch die Angst –, die<br />

Menschen davon abhält, sich offen zu ihrer<br />

Sexualität zu bekennen.<br />

Sie haben 1966 mit 21 Jahren direkt<br />

nach dem Studium bei BP angeheuert,<br />

wurden nach Alaska geschickt und zum<br />

Öl-Ingenieur ausgebildet. Würden Sie heute<br />

einem Berufsanfänger in einer ähnlichen<br />

Situation empfehlen, sich zu outen?<br />

Ja, absolut. Ich rate jedem homosexuellen<br />

Manager, sich zu outen – je früher, desto<br />

besser. Als ich jung war, war es sehr aufregend,<br />

ein Doppelleben zu führen, aber je<br />

älter ich wurde, desto anstrengender wurde<br />

es. Ich bin heute davon überzeugt, dass<br />

es besser ist, sich nicht zu verstecken, authentisch<br />

zu sein, und das schon zu einem<br />

Zeitpunkt, wo man im Berufsleben noch<br />

keine Lügengeschichte entwickelt hat, die<br />

dazu dient das Privatleben zu verschleiern.<br />

Sie haben sich zeitlebens nicht einmal<br />

Ihrer Mutter offenbart...<br />

Korrekt. Meine Mutter war in Auschwitz inhaftiert,<br />

hat dort homosexuelle Mitgefangene<br />

erlebt und mir stets abgeraten, anderen<br />

»Ich bin schwul«<br />

Diese Manager stehen zu ihrer<br />

Homosexualität.<br />

Christopher Bailey, 43,<br />

Burberry<br />

Der Chef der britischen<br />

Luxusmarke ist der erste<br />

CEO eines wichtigen, börsennotierten<br />

britischen Unternehmens,<br />

der offen zu seiner Homosexualität steht.<br />

Ulrich Köstlin, 61,<br />

Bayer Schering<br />

Der Ex-Vorstand des<br />

Pharmakonzerns outete<br />

sich 2003 und ist damit die<br />

Ausnahme unter deutschen Top-Managern.<br />

Seit 2011 ist Köstlin im Ruhestand.<br />

Peter Thiel, 46,<br />

Investor<br />

Der Co-Gründer des Online-Bezahlsystems<br />

PayPal<br />

und Facebook-Großinvestor<br />

ist laut Magazin „Out“ einer der<br />

mächtigsten Homosexuellen Amerikas.<br />

Menschen persönliche Geheimnisse zu verraten.<br />

Ich bin sicher, dass sie meine Homosexualität<br />

als Nachteil betrachtet hätte, der<br />

verborgen werden musste, um eine Katastrophe<br />

zu verhindern. Sie war außerdem<br />

sehr praktisch veranlagt. Hätte ich ihr meine<br />

sexuelle Neigung verraten, hätte sie gesagt:<br />

Mir ist das egal, heirate, bekomme Kinder<br />

und behalte es für dich. Denn es kommt ja<br />

nichts Gutes dabei heraus. Traurig ist nur,<br />

dass auch im Jahr <strong>2014</strong> viele Menschen<br />

nicht wagen, sich im beruflichen Umfeld offen<br />

zu ihrer sexuellen Neigung zu bekennen.<br />

Woran liegt die Zurückhaltung?<br />

Oft sind es Defizite in der Unternehmensführung.<br />

Das Top-Management versäumt es<br />

meist, klar erkennbar zu demonstrieren,<br />

dass ein tolerantes Umfeld für ein Comingout<br />

ein Wert ist, dem man sich verpflichtet<br />

fühlt.<br />

Was sollten die Unternehmen tun, damit<br />

sich diese Situation ändert?<br />

Erkennen, dass es nicht um etwas geht, das<br />

man einfach an die Personalabteilung delegiert,<br />

sondern von der Führungsebene<br />

angepackt werden muss. Es muss für Minderheiten<br />

Vorbilder geben, denen sie<br />

nacheifern können und die signalisieren,<br />

dass man es schaffen kann. Außerdem ist<br />

es wichtig, dass man als Führungskraft in<br />

einem Unternehmen dafür sorgt, dass<br />

auch die heterosexuellen Mitarbeiter – und<br />

die sind nun mal in der Mehrheit – eine<br />

Unternehmenspolitik unterstützen, die der<br />

Inklusion verpflichtet ist. Nur wenn man<br />

ein sicheres und akzeptierendes Umfeld<br />

schafft, ermöglicht man sexuellen Minderheiten<br />

das Coming-out.<br />

Warum muss man denn seine sexuelle<br />

Neigung im beruflichen Umfeld so<br />

offensiv nach außen tragen? Das ist doch<br />

Privatsache.<br />

Schon. Aber kleine Dinge können Großes<br />

bewirken und ein neues Klima schaffen. Es<br />

beginnt schon damit, dass man im Gespräch<br />

nicht von vorneherein annehmen<br />

sollte, jeder habe einen Partner des je-<br />

»<br />

FOTOS: DDP IMAGES/CAMERA PRESS/TRISTAN GREGORY, PICTURE-ALLIANCE/DPA/GERO BRELOER, VISUM/ANDREAS MÜLLER, THE GUARDIAN/MATTHEW FARRANT<br />

78 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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DER TABU-<br />

BRECHER<br />

Lord Browne of<br />

Madingley, 66, war<br />

von 1994 bis 20<strong>07</strong><br />

CEO von BP. Eine<br />

Falschaussage im Zusammenhang<br />

mit einer<br />

homosexuellen Affäre<br />

zwang ihn zum Rücktritt.<br />

Soeben erschien sein drittes<br />

Buch „The Glass Closet“ (Random<br />

House, 34,99 US-Dollar)<br />

WirtschaftsWoche 7.6.<strong>2014</strong> Nr. 24 79<br />

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Management&Erfolg<br />

»<br />

weils anderen Geschlechts. Man muss<br />

sich einfach mal in die Lage des anderen<br />

hineinversetzen – was es bedeutet, wenn<br />

man auf dem Schreibtisch nicht selbstverständlich<br />

ein Foto seines gleichgeschlechtlichen<br />

Lebenspartners aufstellen<br />

kann. Wenn man im Büro nie darüber<br />

sprechen kann, was man am Wochenende<br />

gemacht hat. Oder darüber, dass der Partner<br />

im Krankenhaus liegt und man ihn<br />

vielleicht nicht besuchen darf – ist das<br />

nicht schrecklich?<br />

Manche Personalabteilungen fragen<br />

Mitarbeiter sogar schriftlich nach ihrer<br />

sexuellen Orientierung.<br />

Auch da geht es manchmal einfach nur um<br />

ganz praktische Dinge. Denken Sie an international<br />

tätige Konzerne, die ihre Mitarbeiter<br />

in Länder entsenden, in denen Homosexualität<br />

illegal ist oder sogar unter Todesstrafe<br />

steht – was in 77 Ländern weltweit<br />

der Fall ist.<br />

Meist schweigen Konzernchefs aber wenn<br />

es um dieses Thema geht, um<br />

die Geschäfte in diesen Ländern nicht<br />

zu gefährden.<br />

Oberste Priorität hat die Sicherheit der<br />

eigenen Mitarbeiter, niemals darf ein Chef<br />

etwas tun, was sie gefährden würde. Firmen<br />

können versuchen, Meinungen zu beeinflussen,<br />

und als ich bei BP war, haben<br />

wir das auf verschiedenen Wegen getan. Ist<br />

die Lage völlig inakzeptabel, muss man<br />

sich sogar aus einem Land zurückziehen.<br />

Heute hält BP knapp 20 Prozent am<br />

Staatskonzern Rosneft – sollte BP-Chef<br />

Bob Dudley da im Hinblick auf die<br />

Anti-Schwulen-Politik der russischen<br />

Regierung Kritik üben?<br />

Ich will nicht darüber reden, was BP tun<br />

sollte, denn ich habe das Unternehmen<br />

verlassen. Ganz allgemein gilt aber: Kritik<br />

bringt nichts, wenn einem die Leute die<br />

Tür vor der Nase zuschlagen. Wichtig ist, in<br />

möglichst vielen Ländern der Welt innerhalb<br />

des Unternehmens ein Umfeld zu<br />

schaffen, in dem Minderheiten gleiche<br />

Chancen haben.<br />

Verhängnisvolle<br />

Affäre Browne auf<br />

einer Bootstour mit<br />

seinem damaligen<br />

Freund Jeff Chevalier,<br />

der den BP-Chef als<br />

homosexuell outete<br />

und diesen zu einer<br />

Falschaussage vor<br />

Gericht verleitete, die<br />

20<strong>07</strong> in Brownes<br />

Rücktritt mündete<br />

Ein Klima der Offenheit und Toleranz<br />

für Minderheiten ist gut fürs Geschäft<br />

Sie selbst haben sich damals bei BP ausdrücklich<br />

für die Förderung von sexuellen<br />

Minderheiten eingesetzt. Hat es geholfen,<br />

dass niemand wusste, dass Sie selbst<br />

betroffen waren?<br />

Ich war jedenfalls recht deutlich in meiner<br />

Position, hatte aber gleichzeitig Angst vor<br />

den Folgen. Selbst der linksliberale „Guardian“<br />

veröffentlichte damals die Schlagzeile:<br />

„BP fördert Schwule“! Das sagte viel darüber<br />

aus, wie das Klima damals war.<br />

Hat Sie in den vier Jahrzehnten bei BP<br />

je jemand nach Ihrer sexuellen Neigung<br />

gefragt?<br />

Viele Leute vermuteten wohl, dass ich homosexuell<br />

bin, aber gefragt hat in all den<br />

Jahren nur einmal ein Journalist.<br />

Und was haben Sie ihm geantwortet?<br />

Sie haben den falschen Mann.<br />

Warum ist das Coming-out der Mitarbeiter<br />

eigentlich gut für ein Unternehmen?<br />

Ist doch ganz einfach: Wenn jemand für<br />

mich arbeitet, will ich sicher sein, dass ich<br />

sein oder ihr ganzes Hirn zur Verfügung<br />

habe. Ich will nicht, dass jemand sich darauf<br />

konzentriert, einen Teil des eigenen<br />

Lebens zu verbergen und alle möglichen<br />

Strategien zu entwickeln, damit nicht herauskommt,<br />

dass er oder sie homo- oder<br />

bisexuell ist. Denn das alles verursacht versteckte<br />

Kosten und reduziert die Produktivität.<br />

Manche Studien kommen zu dem<br />

Schluss, dass die Produktivität eines Mitarbeiters<br />

in so einem Fall um 30 Prozent<br />

sinken kann. Das hat also auch volkswirtschaftliche<br />

Nachteile.<br />

Das wirklich zu messen ist ja wohl kaum<br />

möglich, oder?<br />

Fest steht, dass ein Mitarbeiter, der authentischer<br />

ist, bessere zwischenmenschliche<br />

Beziehungen und mehr Vertrauen aufbaut.<br />

Das hilft auch dem Verhältnis zu externen<br />

Kunden. Ein Klima, das Offenheit und Toleranz<br />

für Minderheiten schafft, ist gut fürs<br />

Geschäft, weil man Produkte besser vermarkten<br />

kann – schließlich gibt es jede<br />

Menge schwuler und lesbischer Konsumenten.<br />

Es könnte aber gewisse Kreise, die<br />

für Unternehmen ökonomisch ebenfalls<br />

attraktiv wären, auch abschrecken...<br />

Allerdings. Tatsächlich hat mir neulich ein<br />

junger Ingenieur und Berater erzählt, er<br />

müsse seine Sexualität geheim halten, da<br />

dies seine Kunden abschrecken könnte.<br />

Auf jeden Fall will man als Unternehmen<br />

die besten Talente anziehen, und unter<br />

den Minderheiten sind oft Überflieger, die<br />

sich besonders anstrengen – die kommen<br />

unter Umständen aber nicht, wenn man<br />

ihnen nicht das richtige Umfeld bietet.<br />

Ist in manchen Branchen das Coming-out<br />

für Homo-, Bi- und Transsexuelle schwerer<br />

als in anderen?<br />

Das gilt sicherlich für die Branchen Energie<br />

und Bergbau. Soweit ich weiß, gibt es dort<br />

in den oberen Führungsetagen keinen einzigen<br />

Homosexuellen. Bei den Medien und<br />

Kreativen ist es anders, auch im Finanzund<br />

Bankenbereich. Generell, glaube ich,<br />

ist es für Einzelkämpfer einfacher als für<br />

Mitarbeiter in großen Organisationen. Soweit<br />

bekannt, gibt es unter den Fortune-500-Unternehmen<br />

keinen einzigen<br />

homosexuellen Chef und hier in Großbritannien<br />

mit Christopher Bailey bei Burberry<br />

auch erst einen einzigen Vorstandsvorsitzendenden<br />

eines großen, börsennotierten<br />

Unternehmens.<br />

Kennen Sie in Deutschland einen homosexuellen<br />

Konzernchef?<br />

Nein, ich habe nicht einmal Gerüchte gehört.<br />

Wohl kaum, weil es keinen gibt?<br />

Dafür gibt es eigentlich nur zwei Erklärungen:<br />

Entweder trauen sich die Betroffen<br />

nicht, an die Öffentlichkeit zu gehen. Oder<br />

es gibt die Schere im Kopf: Jemand sagt<br />

sich, ich bin schwul und werde mich deshalb<br />

gar nicht erst darum bemühen, an die<br />

Spitze zu kommen. Das wäre dann wieder<br />

die Angst vor der möglichen Demütigung.<br />

Die hat der frühere deutsche Fußballprofi<br />

Thomas Hitzlsperger offenbar inzwi-<br />

»<br />

FOTO: DAILY MIRROR<br />

80 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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Management&Erfolg<br />

»<br />

schen überwunden – er hat sich im<br />

vergangenen Jahr geoutet. Sie kennen<br />

sich – was hat ihn zu diesem Schritt<br />

bewogen als ehemaliger Aktiver einer<br />

Sportart, in der Homosexualität noch<br />

immer ein Tabuthema ist?<br />

Ich war sicherlich nur einer von vielen, mit<br />

denen sich Thomas beraten hat. Ich traf ihn<br />

am Wochenende bei gemeinsamen Freunden<br />

auf dem Land – ich kann nicht verraten<br />

wo –, und wir haben viel gesprochen.<br />

Worüber?<br />

Er hat damals über vieles nachgedacht, unter<br />

anderem, ob er für seinen Schritt kritisiert<br />

werden würde. Ich habe ihm gesagt, es ist<br />

dein Leben, denk an dich selbst und nicht an<br />

die anderen. Er hat dann mit dem Interview<br />

einen sehr eleganten Weg gewählt.<br />

Sie sind immer noch in der Energiebranche<br />

tätig, die als besonders homophob gilt.<br />

Was tun Sie heute bei Riverstone dafür,<br />

dass sich das ändert?<br />

Riverstone ist ja nur ein kleines Unternehmen<br />

mit knapp 20 Mitarbeitern, außer mir<br />

gibt es noch einen weiteren homosexuellen<br />

Kollegen hier. Wir haben kaum Hierarchien,<br />

und so ist das kein Problem. Grundsätzlich<br />

bin ich jetzt stärker daran interessiert, in der<br />

Wirtschaft generell etwas zu verändern und<br />

nicht nur in einem einzelnen Unternehmen<br />

oder einer Branche wie dem Energiesektor.<br />

Mein Buch und die gleichnamige Web-Site<br />

„www.glasscloset.org“, die wir eingerichtet<br />

haben, sollen dazu beitragen. Dort kann<br />

man sich austauschen, findet Beispiele von<br />

Erfahrungen anderer Schwuler und Lesben<br />

im Berufsleben, und es gibt Links zu Netzwerken<br />

wie Outstanding.<br />

Sie sind in Hamburg geboren und haben<br />

jetzt schon einige Jahre einen Partner<br />

vietnamesisch-chinesischer Abstammung,<br />

dessen Familie Südvietnam verlassen<br />

musste und der in der Nähe von Hannover<br />

aufgewachsen ist. Könnten Sie sich eine<br />

Hochzeit in Deutschland vorstellen?<br />

Ich habe ja durchaus eine enge Beziehung<br />

zu Deutschland: Ich war der erste Ausländer,<br />

der in einem deutschen Aufsichtsrat<br />

saß – dem von Daimler Benz. Und natürlich<br />

war ich für BP viel geschäftlich in Deutschland<br />

unterwegs. Heute bin ich nur noch<br />

privat dort. Früher habe ich auch Deutsch<br />

gesprochen. Aber heiraten würde ich hier<br />

in England. Als Mitglied des House of Lords<br />

kann ich Ihnen sagen: Es war schwer genug,<br />

das entsprechende Gesetz durchs Parlament<br />

zu bekommen. Ich denke immer<br />

über eine mögliche Eheschließung nach –<br />

aber dazu gehören bekanntlich zwei. n<br />

yvonne.esterhazy@wiwo.de | London<br />

Relevanz beweisen<br />

ANWÄLTE | Mandanten imponieren, neue Klienten akquirieren,<br />

beim Nachwuchs punkten: Juristen werben zunehmend in eigener<br />

Sache. Wer das am besten kann, zeigt ein exklusives PR-Ranking.<br />

Mal geht es um Beratung spektakulärer<br />

Fusionen, mal um aktuelle<br />

Gerichtsurteile, mal um die Ernennung<br />

neuer Partner: Nüchtern, aber regelmäßig<br />

mehrmals monatlich vermeldet<br />

die Pressestelle von Freshfields, was sich<br />

gerade so tut bei der internationalen Großkanzlei.<br />

Gewohnt nüchtern auch der Ton<br />

einer Mitteilung von Mitte Januar: Man habe<br />

erstmals eine Platzierung auf dem Stonewall<br />

Top 100-Index erreicht, schreibt die<br />

Kanzlei, die allein in Deutschland auf eine<br />

knapp 175-jährige Tradition verweisen<br />

kann. Das britische Ranking zeichnet Arbeitgeber<br />

aus, „die sich um Gleichstellung<br />

von schwulen, lesbischen, bi- oder transsexuellen<br />

(LBGT) Mitarbeitern am Arbeitsplatz<br />

bemühen“. Freshfields landete auf<br />

Platz 66 von 369 Unternehmen. Die ungewohnte<br />

Offenheit zahlte sich aus: Mehrere<br />

Medien griffen die Freshfields-Meldung<br />

auf, bis hin zur „FAZ“.<br />

„Eine der seltenen Gelegenheiten, das<br />

Engagement unserer LGBT-Mitarbeiter<br />

nach außen zu würdigen, weil wir ein klares<br />

Bekenntnis zu Diversity brauchen, um<br />

auch künftig Top-Talente im juristischen<br />

Nachwuchs an uns zu binden“, freut sich<br />

Freshfields-Managing-Partner Klaus-Stefan<br />

Hohenstatt. Außerdem klopften internationale<br />

Kunden in ihren Ausschreibungen<br />

ab, was Kanzleien für Diversity tun.<br />

Ob internationale Großsozietät oder<br />

etablierte mittelständische Kanzlei: So wie<br />

Freshfields denken mittlerweile viele Anwälte<br />

über den Wert professioneller Kommunikation<br />

– und rüsten ihre Presseabteilungen<br />

auf. Vorbei die Zeiten, in denen Assistentinnen<br />

Journalisten Auskunft gaben.<br />

Weil Juristen einerseits immer stärker über<br />

das Schicksal einzelner Manager und kompletter<br />

Unternehmen mitentscheiden, andererseits<br />

sich der Kampf um Mandate und<br />

Talente verschärft hat, übernehmen immer<br />

mehr Kommunikationsfachleute die Informationspolitik<br />

und Außendarstellung der<br />

Paragrafen-Profis, um Expertise und Profil<br />

ihrer Kanzlei öffentlich zu schärfen.<br />

„Anwaltsleistungen sind eine Vertrauensleistung,<br />

deren Ergebnisse sich erst<br />

später zeigen und für Kunden nur schwer<br />

einschätzbar sind“, sagt Kay-Uwe Bartels,<br />

Strategieberater für Kanzleien. Da wird PR<br />

in eigener Sache zum unverzichtbaren<br />

Werkzeug, um Mandanten die eigene Relevanz<br />

zu beweisen, neue Klienten zu akquirieren<br />

und beim Nachwuchs zu punkten.<br />

Aus diesem Grund hat die Wirtschafts-<br />

Woche mit dem Dienstleister Landau Media<br />

zum siebten Mal die Presseresonanz<br />

der 50 umsatzstärksten Wirtschaftskanzleien<br />

in Deutschland analysiert – 18 Medien<br />

wurden untersucht, von der „Süddeutschen<br />

Zeitung“ übers „Manager Magazin“<br />

bis zum „Focus“, mit einer Gesamtauflage<br />

von mehr als 265 Millionen Exemplaren.<br />

Erstmals ergänzend ermittelt wurden – von<br />

der Kommunikationsagentur Faktenkon-<br />

FOTO: PICTURE-ALLIANCE/DPA/MARTIN GERTEN<br />

82 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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Wunsch nach positiven Schlagzeilen<br />

Die Kanzleien drängen in die Öffentlichkeit<br />

tor – auch die Treffer in Online-Publikumsmedien<br />

von Spiegel Online bis Focus.de.<br />

Mit 1349 Treffern lag die Ausbeute in den<br />

digitalen Medien um gut zehn Prozent<br />

über der in den Printmedien.<br />

Das Ergebnis: Mit insgesamt 249 Nennungen<br />

in Print- und Online-Medien<br />

eroberte Freshfields Platz eins der meist<br />

erwähnten Kanzleien, gefolgt von Konkurrent<br />

Gleiss Lutz. Auf Platz drei landete<br />

Hengeler Müller, die meisten Ränge machte<br />

Norton Rose gut: Die Kanzlei schob sich<br />

in der öffentlichen Wahrnehmung von<br />

Rang 41 auf 21 vor (siehe Tabelle).<br />

Ein Mehrwert für die Kanzleien – denn<br />

laut Landau-Media-Analyse sind 95 Prozent<br />

der Artikel neutral-informativ gehalten<br />

– nur in zwei Prozent der Veröffentlichungen<br />

herrscht ein negativer Unterton.<br />

Womit es Kanzleien in die Presse schafften?<br />

Neben dem Erläutern juristischer<br />

Sachverhalte und dem Erteilen von Rechtsrat<br />

werden Kanzleien immer häufiger auch<br />

im Kontext ihrer Mandaten genannt.<br />

DAUERBRENNER FRAUENQUOTE<br />

Die Themen, zu denen die Top-Juristen zitiert<br />

wurden, sind aber breiter gefächert:<br />

Zu den Dauerbrennern zählten laut Uwe<br />

Mommert, Chef von Landau Media, Diskussionen<br />

um die drohende Frauenquote<br />

für Aufsichtsräte ebenso wie Ratschläge zu<br />

Selbstanzeigen für Steuersünder.<br />

Besonders erpicht sind die Kanzleien außerdem<br />

darauf, sich als attraktive Arbeitgeber<br />

für Junganwälte zu präsentieren – vor<br />

allem bei den weiblichen. Denn dass sie zu<br />

wenig Partnerinnen an Bord haben, macht<br />

den Sozietäten Sorgen. Ihre Erfahrung: Gerade<br />

junge Juristinnen kehren ihnen oft<br />

nach kurzer Zeit den Rücken und wechseln<br />

lieber in den Staatsdienst, weil ihnen dort<br />

nach einer Kinderpause die Rückkehr in<br />

den Beruf keinen Karriereknick beschert.<br />

Nur folgerichtig, dass Porträts von weiblichen<br />

Vorbildern Konjunktur hatten: etwa<br />

von Daniela Weber-Rey, dreifache Mutter<br />

und bis vergangenen Mai Partnerin bei Clifford<br />

Chance, Mitglied der Regierungskommission<br />

Deutscher Corporate Governance<br />

Kodex und seit gut einem Jahr bei der Deutschen<br />

Bank als Chief Governance Officer.<br />

Oder Daniela Seeliger, Partnerin von<br />

Linklaters und Kartellrechtsexpertin, die<br />

ebenfalls drei Kinder großzieht und jungen<br />

Kolleginnen als Mentorin beisteht. n<br />

claudia.toedtmann@wiwo.de<br />

Freshfields klar vorn<br />

Wie oftdie Top-50-Wirtschaftskanzleien in den Medien von sich reden machen<br />

Rang<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7<br />

8<br />

9.<br />

11<br />

12<br />

13<br />

14<br />

15<br />

16<br />

17<br />

18<br />

19<br />

20<br />

21<br />

22..<br />

25<br />

26<br />

27<br />

28..<br />

31<br />

32<br />

33<br />

34<br />

34<br />

36<br />

37<br />

38..<br />

41.<br />

43..<br />

46<br />

47<br />

48<br />

49<br />

50<br />

Trend 1<br />

4<br />

5<br />

4<br />

4<br />

7<br />

4<br />

4<br />

7<br />

4<br />

7<br />

–<br />

4<br />

7<br />

5<br />

5<br />

4<br />

4<br />

7<br />

4<br />

4<br />

4<br />

5<br />

5<br />

7<br />

5<br />

7<br />

4<br />

7<br />

5<br />

7<br />

4<br />

5<br />

7<br />

4<br />

7<br />

7<br />

5<br />

4<br />

5<br />

7<br />

7<br />

5<br />

7<br />

5<br />

7<br />

7<br />

5<br />

5<br />

7<br />

7<br />

Kanzlei<br />

Freshfields Bruckhaus Deringer<br />

Gleiss Lutz<br />

Hengeler Müller<br />

CMS Hasche Sigle<br />

Clifford Chance<br />

Flick Gocke Schaumburg<br />

White & Case<br />

Linklaters<br />

Hogan Lovells<br />

Allen & Overy<br />

Rödl & Partner<br />

Baker & McKenzie<br />

Noerr<br />

Görg<br />

DLA Piper<br />

Taylor Wessing<br />

Shearman & Sterling<br />

Latham & Watkins<br />

Redeker Sellner Dahs<br />

Osborne Clarke<br />

Norton Rose<br />

Graf von Westfalen<br />

Mayer Brown<br />

Beiten Burkhardt<br />

Jones Day<br />

P+P Pöllath + Partners<br />

Skadden Arps Slate Meagher & Flom<br />

Bird & Bird<br />

Oppenhoff & Partner<br />

SZA Schilling Zutt & Anschütz<br />

GSK Stockmann + Kollegen<br />

Heuking Kühn Lüer Wojtek<br />

Ashurst<br />

McDermott Will & Emery<br />

Salans<br />

Orrick Hölters & Elsing<br />

Cleary Gottlieb Stehen & Hamilton<br />

Friedrich Graf von Westphalen & Partner<br />

Heisse Kursawe Eversheds<br />

SJ Berwin<br />

WilmerHale<br />

Luther<br />

Menold Bezler<br />

Weil Gotshal & Manges<br />

CBH Rechtsanwälte<br />

K&L Gates<br />

Milbank Tweed Hadley & McCloy<br />

Kümmerlein<br />

Esche Schümann Commichau<br />

Oppenländer<br />

Artikel gesamt<br />

249<br />

157<br />

154<br />

143<br />

131<br />

115<br />

103<br />

102<br />

100<br />

100<br />

93<br />

84<br />

83<br />

77<br />

72<br />

68<br />

51<br />

49<br />

47<br />

44<br />

33<br />

32<br />

32<br />

32<br />

30<br />

27<br />

25<br />

24<br />

24<br />

24<br />

23<br />

21<br />

17<br />

16<br />

16<br />

15<br />

14<br />

13<br />

13<br />

13<br />

12<br />

12<br />

10<br />

10<br />

10<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

3<br />

1 nur Print; 2 Juli 2012–Juni 2013; 3 Januar–Dezember 2013; 4 im Vorjahr nicht gelistet<br />

Print 2013 (2012) 2<br />

110 (93)<br />

75 (110)<br />

75 (70)<br />

79 (54)<br />

63 (65)<br />

65 (50)<br />

35 (29)<br />

55 (55)<br />

49 (44)<br />

43 (42)<br />

50 (–) 4<br />

53 (45)<br />

43 (45)<br />

30 (54)<br />

13 (21)<br />

41 (26)<br />

20 (15)<br />

24 (24)<br />

22 (14)<br />

29 (14)<br />

15 (4)<br />

14 (22)<br />

13 (12)<br />

7 (25)<br />

7 (17)<br />

12 (16)<br />

12 (5)<br />

18 (18)<br />

14 (35)<br />

12 (13)<br />

9 (4)<br />

12 (29)<br />

1 (2)<br />

14 (8)<br />

7 (10)<br />

9 (6)<br />

6 (11)<br />

7 (0)<br />

5 (11)<br />

1 (2)<br />

6 (9)<br />

5 (21)<br />

6 (6)<br />

3 (7)<br />

2(2)<br />

3 (3)<br />

2 (6)<br />

2 (9)<br />

3 (0)<br />

1 (2)<br />

Online 3<br />

139<br />

82<br />

79<br />

64<br />

68<br />

50<br />

68<br />

47<br />

51<br />

57<br />

43<br />

31<br />

40<br />

47<br />

59<br />

29<br />

31<br />

25<br />

25<br />

15<br />

18<br />

18<br />

19<br />

25<br />

23<br />

15<br />

13<br />

6<br />

10<br />

12<br />

14<br />

9<br />

16<br />

2<br />

9<br />

6<br />

8<br />

6<br />

8<br />

12<br />

6<br />

7<br />

4<br />

7<br />

8<br />

5<br />

5<br />

4<br />

2<br />

2<br />

WirtschaftsWoche 7.6.<strong>2014</strong> Nr. 24 83<br />

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Geld&Börse<br />

»Sie können nicht anders«<br />

AKTIEN | Die Welle billigen Geldes treibt die Börsen scheinbar unaufhörlich<br />

nach oben. Wie lange sollen Anleger sie reiten?<br />

März 2000<br />

bis März 2003<br />

Januar 1994<br />

bis März 2000<br />

Aktien für alle<br />

Der Telekom-Börsengang<br />

1996 (Foto: Ex-Chef Ron<br />

Sommer) macht aus<br />

Sparbuch-Deutschen<br />

Aktionäre. Sie kaufen,<br />

was das Zeug<br />

hält, und pumpen<br />

die Blase auf.<br />

Internet- und<br />

Medienbuden<br />

werden milliardenschwer.<br />

Böses Erwachen<br />

Die Internet-Blase platzt.<br />

2000 muss Thomas Haffa<br />

(Foto) als EM.TV-Chef<br />

seine Prognosen kippen.<br />

Es wird klar, dass<br />

das Geschäftsmodell<br />

vieler<br />

Börsenstars<br />

nur<br />

auf heißer<br />

Luft<br />

beruht.<br />

1994 1996 1998 2000 2002<br />

Als statt TV-Journalisten noch<br />

Aktienhändler und Makler das<br />

Frankfurter Parkett bevölkerten,<br />

versorgte der Börsenvorstand<br />

diese reichlich mit Kalorien:<br />

Immer, wenn der Dax eine runde<br />

Marke nahm, gab es Torte. Bei 5000 Punkten,<br />

im März 1998, „30 Kilo gekochte Walnusscreme<br />

mit fünf Biskuitböden“, zum<br />

letzten Mal bei 8000, kurz vor dem 2000er-<br />

Crash. Danach war Schluss mit dem fetten<br />

Leben – kein Konditor musste mehr bereitstehen,<br />

um bei Anruf schnell eine Tausender-Zahl<br />

aus Zuckerguss zu spritzen.<br />

In den letzten Tagen wäre die Geduld der<br />

Buttercreme-Bereitschaftstruppe auch arg<br />

strapaziert worden. Immer wieder tastete<br />

sich der Dax an die 10 000 heran und prallte<br />

ab. Bis Redaktionsschluss – vor dem<br />

Zinsbeschluss der Europäischen Zentralbank<br />

(EZB) am Donnerstag – hatte er sie<br />

noch nicht genommen. Profis zögern mit<br />

Käufen: „Die globale Liquiditätsschwemme<br />

wird uns zwar noch lange begleiten, aktuell<br />

werden wir aber eher verkaufen als<br />

kaufen“, sagt Maik Käbisch, Vorstand des<br />

Vermögensverwalters Döttinger/Straubinger,<br />

der eine Milliarde Euro managt: „Wir<br />

hatten bis Mai tolle Monate. Wer seine Jahresziele<br />

schon erreicht hat, fragt sich, was<br />

er zu verlieren hat, wenn er Aktien in seinem<br />

Portfolio reduziert.“ Sicher könne der<br />

Dax über 10 000 Punkte hinausschießen,<br />

FOTOS: AP PHOTO/BERND KAMMERER, INTERFOTO/<br />

LOOKBACK, AP PHOTO/RON EDMONDS, PR, PICTURE-<br />

ALLIANCE/DPA/SERGIO GARCIA<br />

84 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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10 000<br />

Dax<br />

8000<br />

6000<br />

März 2003<br />

bis Juli 20<strong>07</strong><br />

Neue Sorglosigkeit<br />

Fed-Chef Alan Greenspan<br />

hält die Zinsen unten<br />

und legt die Saat der<br />

Subprime-Krise. Amerikaner<br />

bekommen billige<br />

Kredite. Viele beleihen<br />

ihr Haus und konsumieren<br />

– oder kaufen Aktien.<br />

Juli 20<strong>07</strong> bis<br />

Februar 2009<br />

Weltweites Beben<br />

Im Juli 20<strong>07</strong> muss Stefan<br />

Ortseifen (Foto), Chef der<br />

biederen IKB, massive<br />

Verluste durch US-Subprime-Papiere<br />

melden.<br />

Damit ist klar: Die US-Immobilienkrise<br />

wird zum<br />

globalen Problem, das<br />

dann in Lehman-Pleite,<br />

2008er-Crash und<br />

Rezession mündet.<br />

Seit Februar 2009<br />

Gigantische Geldflut<br />

Weltweit fluten Zentralbanken<br />

die Märkte mit<br />

Geld und senken die Zinsen<br />

auf null. EZB-Präsident<br />

Mario Draghi (Foto)<br />

verspricht im Juli 2012,<br />

er werde den Euro<br />

„um jeden Preis“<br />

retten – und die<br />

Börse jubelt.<br />

4000<br />

2000<br />

1800<br />

2004 20<strong>06</strong> 2008 2010 2012 14<br />

„aber grundsätzlich sehe ich Rückschlagpotenzial“,<br />

so Käbisch. Die Börse ignoriere<br />

zu viele Probleme, wie die Kämpfe in der<br />

Ukraine und Konflikte in Asien. Nur zu gut<br />

sind Anlegern die Abstürze nach früheren<br />

Hochs in Erinnerung (siehe Grafik oben).<br />

Ist die Party an den Börsen schon vorbei?<br />

Oder können Anleger weiter auf die Geldflut<br />

der Notenbanken bauen, die die Aktienkurse<br />

treibt – trotz einiger Warnsignale?<br />

Fest steht: Langfristig gehören Aktien ins<br />

Depot. „Anleihen und Sparkonten bringen<br />

auf Jahre hinaus einfach nichts“, sagt der erfahrene<br />

Geldmanager Jens Ehrhardt (siehe<br />

Interview Seite 87). „Man muss Aktien haben,<br />

sonst wird man kalt enteignet, weil die<br />

Inflation höher liegt als die Renditen.“<br />

Das ist das „Einerseits“. Das „Andererseits“:<br />

Alles ist eine Frage des Timings. „Der<br />

beste Zeitpunkt, auf breiter Front in Aktien<br />

zu gehen, ist bereits vorbei“, sagt Ehrhardt.<br />

Aktien seien in einem „sehr reifen Bullenmarkt“,<br />

bestätigt Eberhardt Unger, Chefvolkswirt<br />

von Fairesearch. Er bezweifelt,<br />

dass Konjunktur und Unternehmensgewinne<br />

durch die Maßnahmen der EZB wie<br />

von der Börse erhofft steigen: „Wer bei 0,25<br />

Prozent nicht investiert, tut es auch bei 0,1<br />

Prozent nicht.“ Ehrhardt und Käbisch sind<br />

als Vermögensverwalter, die vor allem Kapital<br />

bewahren wollen, vorsichtige Naturen.<br />

Bankanalysten, die Aktien verkaufen<br />

wollen, sind optimistischer.<br />

»<br />

WirtschaftsWoche 7.6.<strong>2014</strong> Nr. 24 85<br />

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Geld&Börse<br />

Die Geldspritzen der EZB helfen. Sie<br />

senken die Finanzierungskosten der<br />

Unternehmen, schreiben die Analysten der<br />

Société Générale. Dies und ein schwächerer<br />

Euro seien gut für die Unternehmensgewinne.<br />

Die Analysten haben untersucht,<br />

welche Aktien von den geldpolitischen Lockerungen<br />

in den USA und Japan besonders<br />

profitiert haben: Bankaktien und Papiere<br />

von Produzenten zyklischer Konsumgüter,<br />

etwa Autoaktien. Wiederholt sich das<br />

in Europa, wäre das gut für Daimler und Co.<br />

Der Dax orientiert sich seit jeher stark an<br />

der US-Börse. Insofern ist es eine gute<br />

Nachricht, dass US-Unternehmen zuletzt<br />

positiv überraschten. Über 70 Prozent der<br />

Unternehmen im Index S&P 500 verdienten<br />

laut einer Analyse des Bankhauses<br />

Warburg im ersten Quartal mehr als erwartet.<br />

Stabilere Konjunktur, eine immer noch<br />

üppige Geldversorgung durch die Fed und<br />

zunehmend Kapitalrückflüsse aus dem<br />

Ausland sprechen für US-Aktien. „Mit dem<br />

frischen Geld der Fed haben Amerikaner<br />

stark in Europa gekauft, nachdem EZB-<br />

Präsident Mario Draghi seine Garantie für<br />

Anleihen ausgesprochen hatte“, sagt Christopher<br />

Nichols, der für den schottischen<br />

Versicherer Standard Life mehr als 30 Milliarden<br />

Euro verwaltet, „nun holen sie es zurück<br />

in die USA, wo man für sein Geld derzeit<br />

mehr Wachstum bekommt.“<br />

Anleger ignorieren<br />

Risiken wie die<br />

Ukraine-Kämpfe<br />

Monetärer Rückenwind flaut ab. An<br />

den Börsen, sagt Unger, zähle Liquidität<br />

aktuell mehr als Umsätze und Gewinne.<br />

Dank des billigen Geldes seien die Kurse<br />

„alle künstlich aufgebläht“. Doch die US-<br />

Notenbank Fed bremst. Monat für Monat<br />

verringert sie ihre Anleihekäufe und drosselt<br />

die Zufuhr frischen Geldes an die Börse.<br />

Seit Beginn des schrittweisen Abschieds<br />

<strong>vom</strong> Gelddrucken („Tapering“) hat sie ihre<br />

monatlichen Anleihekäufe halbiert. In China<br />

ist die Überschussliquidität, der Teil der<br />

Geldmenge, der nicht zur Finanzierung des<br />

Wirtschaftswachstums gebraucht wird und<br />

an die Kapitalmärkte fließt, schon negativ.<br />

Dort könnte Geld knapp werden; gar nicht<br />

gut für die Börsen. Auch in Europa herrschen<br />

deflationäre Kräfte, die Gift für die<br />

Börse sind: Konsumenten und Unternehmen<br />

sparen und entschulden sich, Kredite<br />

werden kaum vergeben. „Die Börse hatte<br />

nun sechs Jahre lang geldpolitisch optimale<br />

Bedingungen; die Erwartungen der von<br />

den Notenbanken verwöhnten Anleger<br />

sind entsprechend hoch. Da drohen empfindliche<br />

Rückschläge“, warnt Ehrhardt.<br />

Anteil stark steigender Aktien sinkt.<br />

Wenn nur noch wenige Aktien eine<br />

Hausse treiben, deutet dies eine Trendwende<br />

an. In Europa haben 57 Prozent der 500<br />

größten Börsenwerte auf Zwölfs-Monats-<br />

Sicht stärker zugelegt als der entsprechende<br />

Index. Zwar wird der Anstieg damit noch<br />

breit getragen (im Mittel seit 2001 liegt der<br />

Anteil der Kurstreiber bei 60 Prozent). Doch<br />

seit Mitte 2013 ist der Wert von 70 Prozent<br />

zurückgefallen, ein Warnzeichen.<br />

Krisenherd Ukrainischer Soldat an einem<br />

Armee-Checkpoint im Donezk-Gebiet<br />

Aktien sind hoch bewertet. Das signalisiert<br />

das Shiller-Kurs-Gewinn-<br />

Verhältnis, eine robuste Kennzahl. Für das<br />

von Nobelpreisträger Robert Shiller erfundene<br />

Maß wird der Börsenwert der Unternehmen<br />

durch deren gemittelten, inflationsbereinigten<br />

Gewinn der letzten zehn<br />

Jahre geteilt. Die Langfristperspektive soll<br />

verhindern, dass Anleger sich von optimistischen<br />

Gewinnprognosen zu Aktienkäufen<br />

verleiten lassen. Für den S&P 500 liegt das<br />

Shiller-KGV bei 25,9 – über dem Durchschnitt<br />

seit 1881 (16,5) – allerdings auch unter<br />

dem Rekordhoch von 44,2 in 1999.<br />

Ähnlich ist das Bild im Dax, orientiert<br />

man sich an den erwarteten Gewinnen:<br />

Der Börsenwert der Dax-Aktien entspricht<br />

dem 17-Fachen der von Analysten für <strong>2014</strong><br />

erwarteten Nettogewinne, deutlich über<br />

dem langfristigen Mittel von knapp 12.<br />

Alternativen nicht in Sicht. Anleger<br />

sollten bei der Bewertungsfrage aber<br />

nicht nur auf historische Durchschnittswerte<br />

schauen, „sondern auch einen Vergleich<br />

zu anderen Vermögensklassen ziehen, etwa<br />

Anleihen und Immobilien; relativ sind Aktien<br />

nach wie vor billig“, sagt Käbisch. Philipp<br />

Vorndran, Stratege bei Flossbach von<br />

Storch, geht davon aus, dass Pensionsfonds<br />

und Versicherungen mehr Aktien nachfragen<br />

werden. „Sie können gar nicht anders“,<br />

sagt er. „Noch halten sie sich zurück; keiner<br />

will der Idiot sein, der als Letzter bei 10 000<br />

Punkten aufgesprungen ist; aber wenn die<br />

Marke nachhaltig fällt, werden die Versicherungen<br />

kommen; sonst schaffen sie keine<br />

Rendite für ihre Kunden mehr.“ n<br />

hauke.reimer@wiwo.de | Frankfurt,<br />

stefan hajek, niklas hoyer<br />

Für Langfrist-Anleger mit Nachholbedarf<br />

Gut gemanagte Fonds, die sich weltweit oder in den USA auf unterbewertete Titel konzentrieren, und zwei kostengünstige Indexfonds<br />

Fondsname<br />

Robeco CG Global Premium Equities<br />

Loys Global P<br />

Invesco US Value Equity<br />

iShares S&P 500 ETF<br />

Deka Dax ETF<br />

Fondswährung<br />

Euro<br />

Euro<br />

US-Dollar<br />

Euro<br />

Euro<br />

ISIN<br />

LU0940004830<br />

LU01<strong>07</strong>944042<br />

LU<strong>06</strong><strong>07</strong>514121<br />

DE000A0YBR61<br />

DE000ETFL011<br />

Wertentwicklung 1<br />

<strong>2014</strong><br />

5,2<br />

6,2<br />

5,8<br />

5,4<br />

5,7<br />

5 Jahre 1<br />

16,9<br />

15,2<br />

18,7<br />

16,4<br />

14,3<br />

Volatilität 2<br />

1 in Prozent, bei fünf Jahren pro Jahr (in Euro gerechnet); 2 je höher die Jahresvolatilität (Schwankungsintensität um den Mittelwert) in den vergangenen drei Jahren, desto riskanter der<br />

Fonds; Quelle: Morningstar, eigene Recherchen: Stand: 4. Juni <strong>2014</strong><br />

10,6<br />

9,8<br />

11,9<br />

10,2<br />

18,1<br />

Strategie<br />

Weltweiter Aktienmix; aktuell 56% USA, 13% Euro-Zone, 11% Großbritannien;<br />

wichtigste Einzelwerte: CVS Caremark, Comcast, Roche, Macy’s<br />

Aktienmix mit 53% Titeln aus der Euro-Zone, 12% USA, 12% Japan;<br />

wichtigste Werte: Bechtle, BP, Deutsche Post, Groupe Bruxelles Lambert<br />

US-Aktienschwerpunkt; am stärksten sind Aktien der Branchen Finanzen,<br />

Gesundheit, Energie vertreten; wichtigste Werte: Citigroup, Weatherford<br />

Günstiger Indexfonds mit allen Aktien des US-Leitindex<br />

Günstiger Indexfonds mit allen Aktien des deutschen Leitindex<br />

FOTO: BERT BOSTELMANN FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE<br />

86 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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Geld&Börse<br />

»Die Party macht erst mal Pause«<br />

INTERVIEW | Jens Ehrhardt Der erfahrene Geldmanager erklärt, warum er kurzfristig Risiken für die<br />

Börse sieht, langfristig aber Aktien in jedes Depot gehören.<br />

FOTO: CORBIS/DEMOTIX/PETR SHELOMOVSKIY<br />

Herr Ehrhardt, der Dax hat die<br />

10 000 Punkte im Visier. Kommt<br />

die nächste Stufe der Rally?<br />

Man sollte diese runden Marken<br />

nicht unterschätzen. Sie sind oft<br />

zähe Widerstände; fallen sie aber,<br />

kann darauf ein langer, stabiler<br />

Aufwärtstrend folgen, weil mehr<br />

Leute ermutigt werden, Aktien zu<br />

kaufen. Zauderer sehen: Die<br />

Marke hält, sie legen ihre Bedenken<br />

ab. Beim Dow Jones zumindest<br />

war es so. Der Dow nahm<br />

drei Anläufe und brauchte zehn<br />

Jahre – 1972 bis 1982 –, um die<br />

damals gigantisch erscheinende<br />

Marke von 1000 Punkten zu überwinden.<br />

1982 stand die Weltwirtschaft<br />

am Beginn des Globalisierungsbooms,<br />

die Börsen profitierten<br />

<strong>vom</strong> Abbau von Handelsbeschränkungen.<br />

Insofern ist das schwer mit der<br />

heutigen Situation vergleichbar,<br />

schon richtig. Vor allem waren Aktien<br />

damals billig; nach der langen<br />

Seitwärtsphase von 1966 bis 1980<br />

gab es viele Papiere mit einstelligen<br />

Kurs-Gewinn-Verhältnissen<br />

(KGV) und hohen Dividendenrenditen.<br />

Das ist heute anders?<br />

Ja, Aktien sind im historischen<br />

Vergleich nicht mehr günstig. Die<br />

KGVs sind zwar noch nicht so<br />

hoch wie in echten Blasenzeiten.<br />

In Deutschland hatten Aktien<br />

1999/2000 ein durchschnittliches KGV von<br />

fast 45; zehn Jahre davor, in der japanischen<br />

Spekulationsblase, waren die Werte<br />

in Tokio sogar noch teurer. Heute liegen die<br />

Bewertungen eher im historischen Mittel<br />

oder leicht darüber. Aber: Die Kurse sind<br />

jetzt mehr als zwei Jahre lang gestiegen,<br />

während die Unternehmensgewinne stagniert<br />

haben. Das macht sich in gestiegenen<br />

Bewertungen bemerkbar. Wirklich<br />

günstige Aktien findet man kaum noch. Vor<br />

allem arbeiten die meisten Unternehmen<br />

schon mit rekordhohen Gewinnmargen,<br />

das macht ihre Gewinne anfällig und die<br />

DER GELDMENGEN-EXPERTE<br />

Ehrhardt, 72, ist Gründer, Hauptaktionär und Vorstandschef<br />

einer der größten unabhängigen Vermögensverwaltungen<br />

Europas, der DJE Kapital aus Pullach bei München. Zusätzlich<br />

berät er zahlreiche Fonds. Ehrhardt gilt als der erfahrenste<br />

Geldmanager Deutschlands. Er promovierte 1974 über den<br />

Einfluss der Geldpolitik auf die Aktienmärkte.<br />

stimmung. So weit sind wir bei<br />

Weitem nicht. Die Aktie gilt breiten<br />

Anlegerschichten noch immer<br />

als riskant, übrigens nicht nur<br />

Kleinsparern, sondern besonders<br />

auch den Großen, wie etwa Versicherungen.<br />

Also fehlt noch das große Finale<br />

vor dem nächsten Crash?<br />

Ich denke schon. Zudem enden<br />

die meisten lang anhaltenden<br />

Haussen nicht, weil den Marktteilnehmern<br />

auf einmal dämmert,<br />

dass Aktien zu teuer seien und sie<br />

anfangen zu verkaufen.<br />

Nicht? Viele glauben das.<br />

Das wird meist als Erklärung im<br />

Nachhinein für einen Abschwung<br />

angeboten. Eine fundamentale<br />

Überbewertung ist fast nie der<br />

Auslöser einer Talfahrt.<br />

Was dann?<br />

Die Geldpolitik, genauer gesagt:<br />

die Versorgung der Märkte mit<br />

frischem Geld und die Zinsen.<br />

Beides beeinflusst die Kurse sehr<br />

viel stärker als die Bewertung von<br />

Aktien. Ich habe die Börsen-<br />

Wendepunkte der vergangenen<br />

40 Jahre untersucht und festgestellt,<br />

dass langjährige Haussen<br />

immer erst endeten, nachdem<br />

zuvor mehrfach und substanziell<br />

die Zinsen erhöht worden waren.<br />

Nur wenn Sie also glauben, dass<br />

in den nächsten Monaten die<br />

Zinsen steigen, sollten Sie raus<br />

aus Aktien.<br />

Und was glauben Sie?<br />

Ich denke, dass die Zinsen nahezu weltweit<br />

noch für lange Zeit niedrig bleiben werden.<br />

Denn die Schuldenlast der Staaten hat sich<br />

seit Beginn der Krise nicht verringert – im<br />

Gegenteil. Würden die Notenbanken die<br />

Zinsen substanziell steigen lassen, drohten<br />

unmittelbar Staatspleiten. Ex-US-Notenbank-Präsident<br />

Ben Bernanke soll auf einer<br />

Party jüngst ausgeplaudert haben, er<br />

sei der Meinung, dass es keine nennenswert<br />

höheren Zinsen geben werde, solange<br />

er lebe. Er ist erst 60. Etwas plakativ, aber<br />

Aktien verwundbar. Trotzdem können die<br />

Kurse, unter dem Gesichtspunkt der Bewertungen,<br />

gut und gerne noch 20, 30 Prozent<br />

steigen, bevor es wirklich bedenklich<br />

wird.<br />

Was macht Sie da so zuversichtlich?<br />

Erstens ist die Stimmung noch nicht euphorisch<br />

genug, es ist keine Hausfrauenoder<br />

Taxifahrer-Hausse wie Ende der<br />

Neunzigerjahre. Damals redete alle Welt<br />

von Aktien; Börsenlaien verschuldeten<br />

sich, um Aktien auf Pump zu kaufen. Die<br />

Unternehmenschefs <strong>vom</strong> Neuen Markt<br />

waren Popstars, es herrschte Goldgräber- durchaus denkbar.<br />

»<br />

WirtschaftsWoche 7.6.<strong>2014</strong> Nr. 24 87<br />

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Geld&Börse<br />

Die niedrigen Zinsen dürften also weiter<br />

dafür sorgen, dass Anleger mehr Aktien<br />

kaufen und die Hausse befeuern?<br />

Ja, auf lange Sicht schon. Die Niedrigzinsen<br />

machen Aktien nun mal relativ gesehen attraktiver.<br />

Vor allem, weil die Alternativen<br />

zur Aktie alle noch teurer sind: Eine Immobilie<br />

in guter Lage kostet umgerechnet den<br />

25- bis 35-fachen Jahresgewinn; sie sollte<br />

eigentlich günstiger sein als eine gute Aktie,<br />

weil sie nicht so liquide handelbar ist.<br />

Eine Staatsanleihe, die zwei Prozent Zins<br />

bringt, hat umgerechnet ein KGV von 50.<br />

Aktien sind preislich der Einäugige unter<br />

den Blinden.<br />

Also sollte man welche haben?<br />

Ich denke, ganz ohne geht es nicht. Und<br />

die von den meisten Experten seit drei<br />

Jahren gebetsmühlenartig herbeigeredete<br />

„Great Rotation“, die massenhafte Flucht<br />

von Großanlegern wie Versicherungen<br />

und Pensionsfonds aus Anleihen, hat<br />

noch kaum stattgefunden. Es ist nicht viel<br />

passiert, wenn man deren jetzige<br />

Aktienquoten mit den Neunzigern<br />

vergleicht. Das Gros der Mittel<br />

bleibt am Rentenmarkt investiert.<br />

In den ersten Monaten <strong>2014</strong><br />

gab es sogar eine leicht rückläufige<br />

Tendenz: Renten- und Geldmarktfonds<br />

hatten wieder netto<br />

Zuflüsse, vor allem in den USA.<br />

Die Manager großer Mischfonds<br />

und -portfolios in den USA haben<br />

derzeit sehr hohe Cash-Quoten.<br />

Da ist noch Munition für steigende<br />

Kurse.<br />

Und was macht der deutsche<br />

Privatanleger?<br />

Der ist diesmal gar nicht dabei;<br />

die Zahl der freien Aktionäre sinkt<br />

und sinkt, obwohl die Kurse steigen.<br />

Die Gefahr besteht durchaus,<br />

dass der deutsche Privatanleger<br />

wieder erst einsteigt, wenn die<br />

Party schon vorbei ist.<br />

Warum sollte die Party denn<br />

vorbei sein?<br />

Vorbei noch nicht; aber mit einer<br />

Pause in den kommenden Wochen<br />

oder Monaten rechne ich.<br />

Das Wachstum der Geldmengen<br />

und, davon abgeleitet, die Überschussliquidität,<br />

also die Liquidität,<br />

die nicht zur Finanzierung des<br />

Wirtschaftswachstums benötigt<br />

wird und zum Teil an die Kapitalmärkte<br />

fließt, signalisieren dies.<br />

Das Wachstum der Geldmenge<br />

M1...<br />

...außerhalb der Banken zirkulierendes<br />

Bargeld und täglich kündbare Einlagen...<br />

...ist einer der besten Börsenindikatoren,<br />

die ich kenne. Es läuft den Kursen um<br />

sechs Monate voraus, es flacht sich in der<br />

Euro-Zone deutlich ab. Zuletzt betrug es<br />

gegenüber dem Vorjahr noch 5,6 Prozent,<br />

vor einem Jahr waren es noch fast neun,<br />

2009 auch schon mal 13 Prozent.<br />

Wie sieht es mit der Geldversorgung der<br />

Börsen aktuell aus?<br />

Da müssen wir nach Wirtschaftsräumen<br />

differenzieren. Die Stammtischmeinung,<br />

es werde weltweit immerzu Geld gedruckt,<br />

die Geldmenge explodiere, und das fließe<br />

alles in die Kapitalmärkte, stimmt so pauschal<br />

nicht. Ansatzweise ist das in den USA<br />

der Fall, hierzulande nicht. Unbestritten<br />

ist, dass die lockere Geldpolitik der vergangenen<br />

Jahre den Aktienkursen geholfen<br />

hat. Sehr viel besser kann es für die Börse<br />

monetär aber nun nicht mehr werden. Da<br />

drohen Enttäuschungen, sollte die Geld-<br />

»Das große Finale haben<br />

wir nicht gesehen, dazu<br />

fehlt noch die Euphorie«<br />

politik auch nur geringfügig konservativer<br />

sein als von den Anlegern erwartet.<br />

Und, wird sie konservativer?<br />

Der monetäre Rückenwind lässt jedenfalls<br />

nach. Die USA verringern ihre Anleihekäufe.<br />

In Japan verpuffen die Gelddruckprogramme,<br />

weil die Banken das neue Geld<br />

bei der Notenbank zurückparken, anstatt<br />

Kredite zu vergeben – ähnlich wie in Südeuropa,<br />

wo starke deflationäre Kräfte wirken.<br />

Und in den Schwellenländern ist das<br />

Geldmengenwachstum eingebrochen. Insgesamt<br />

kann also von einer Liquiditätsflut<br />

derzeit keine Rede sein.<br />

Was sollten Privatanleger tun?<br />

Wer noch keine Aktien hat, sollte trotz der<br />

gestiegenen Kurse einige kaufen. Wie viel,<br />

hängt stark von persönlichen Umständen<br />

wie Alter, Anlageziele und Risikofreude ab.<br />

25 Prozent des Vermögens in Aktien ist<br />

aber sicher nicht zu viel.<br />

Aber eine ganze Menge, wenn man von<br />

null kommt...<br />

Man sollte jetzt auch nicht alles<br />

auf einmal investieren, sondern in<br />

mehreren kleinen Schritten, besonders<br />

nach Rückschlägen. Mit<br />

solchen ist jederzeit zu rechnen.<br />

Generell wäre ich derzeit vorsichtig<br />

mit deutschen Aktien, lieber<br />

sollte man international breit gestreut<br />

kaufen.<br />

Warum das?<br />

Der Dax hat in den letzten sechs<br />

Jahren stärker als andere Börsen<br />

von zwei starken Treibern profitiert:Von<br />

der lockeren Geldpolitik<br />

in den USA und dem Boom<br />

Chinas; beide aber schwächen<br />

sich ab. Gekauft haben im Dax vor<br />

allem angelsächsische Großinvestoren,<br />

munitioniert mit dem frischen<br />

Geld der US-Notenbank.<br />

Teilweise sind sie auch im Nebenwerteindex<br />

MDax engagiert, der<br />

noch teurer ist als der Dax. Die<br />

Amerikaner sind jetzt entsprechend<br />

stark in Europa und speziell<br />

in Deutschland investiert<br />

und dürften künftig eher daheim<br />

kaufen, auch weil sich die US-<br />

Konjunktur besser entwickelt als<br />

die europäische. US-Anleger, die<br />

jetzt aus Dax-Aktien aussteigen,<br />

würden zudem gute Währungsgewinne<br />

realisieren.<br />

Und China?<br />

China droht <strong>vom</strong> Treiber zum Risikofaktor<br />

für deutsche Aktien zu<br />

werden. Ich glaube zwar nicht an<br />

FOTO: BERT BOSTELMANN FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE, VISUM/PANOS PICTURES/QILAI SHEN<br />

88 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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eine harte Landung, aber die US-<br />

Industrie ist weniger abhängig<br />

von China als die deutsche, für die<br />

China nach Frankreich und den<br />

USA bereits der drittwichtigste<br />

Markt ist. Das macht den Dax derzeit<br />

wesentlich riskanter als die<br />

großen US-Indizes, die viel Technologie,<br />

Pharma und starke Binnenwerte<br />

enthalten. Defensive,<br />

weltweit aktive Unternehmen haben<br />

wir in Deutschland kaum.<br />

Große Binnenwerte auch nicht.<br />

Was droht in China?<br />

Der Immobilienboom könnte ein<br />

abruptes Ende nehmen. Die Bautätigkeit<br />

nahm 2013 fast zwölf Prozent<br />

der Gesamtwirtschaftsleistung<br />

ein – viel zu viel und annähernd<br />

so hoch wie in Spanien<br />

oder Irland zu Zeiten der dortigen<br />

Immobilienblasen. In China kaufen<br />

viele Menschen Wohnungen,<br />

ohne sie je gesehen zu haben, nur, um sie<br />

mit möglichst viel Gewinn schnell wieder<br />

zu verkaufen, ein klares Blasensymptom.<br />

Erste Vorboten eines Crashs gibt es schon,<br />

etwa geringere Kreditvergabe und rückläufige<br />

Bautätigkeit.<br />

Was hat die Immobilienblase in China mit<br />

dem Dax zu tun ?<br />

Viele Wohnungen in China stehen leer, da<br />

sie ja reine Spekulationsobjekte sind. Können<br />

diese nicht wie gedacht teurer verkauft<br />

werden, werden viele Spekulanten ihre<br />

Kredite nicht mehr bedienen. Die Banken<br />

und Schattenbanken, die viel finanziert haben,<br />

müssten sie abschreiben. Sie kämen<br />

selbst in Schieflage, die Kreditvergabe an<br />

die Industrie und Privatleute käme zum Erliegen<br />

– wie in der US-Subprimekrise eben.<br />

Das würde die Wirtschaft der gesamten Region<br />

in Mitleidenschaft ziehen und damit<br />

auch die deutschen Exporte. Die starke Abhängigkeit<br />

<strong>vom</strong> Export und von Asien kann<br />

also für den Dax zum Bumerang werden.<br />

Aber Asien macht mir noch aus anderen<br />

Gründen Sorge.<br />

Aus welchen denn?<br />

Ich spreche viel mit Managern asiatischer<br />

Unternehmen. Alle haben Angst vor China.<br />

Sie fürchten, dass China seinen Machtbereich<br />

und den Zugang zu Rohstoffen in der<br />

Region aggressiv ausweiten könnte.<br />

Sie reden von Krieg?<br />

Das ist in der Tat die Angst vieler, ja. Mit Vietnam<br />

gibt es Spannungen, mit Korea,<br />

auch mit Japan. Auch die Annäherung Chinas<br />

an Russland sehen viele mit Sorge. Die<br />

geopolitischen Risiken – auch die Ukraine-<br />

»Chinas Immobilienboom<br />

hat bedenkliche Ausmaße,<br />

er könnte abrupt enden«<br />

Krise ist ja alles andere als ausgestanden –<br />

und China sind die beiden großen Risiken<br />

für den Dax. Treten sie nicht ein, sollten<br />

Aktien in den kommenden Jahren besser<br />

laufen als andere Anlageformen; kommt es<br />

aber zur Eskalation der einen oder anderen<br />

Krise, würde speziell der deutsche Aktienmarkt<br />

leiden.<br />

Wie sollen Anleger mit dieser Situation<br />

umgehen ?<br />

Um es klar zu sagen: Der beste Zeitpunkt,<br />

auf breiter Front in Aktien zu gehen, ist vorbei.<br />

Voll rein in Aktien muss man, wenn die<br />

Geldpolitik gelockert wird, die Zinsen gesenkt<br />

und die Konjunktur noch unten ist.<br />

Dann haben Aktien den größten Hebel.<br />

Wenn die Konjunktur bereits wieder<br />

brummt, ist das Beste gelaufen.<br />

Der beste Zeitpunkt ist vorbei, aber was<br />

ist die Alternative zu Aktien?<br />

Das ist der Punkt. Wir erleben die historisch<br />

seltene Konstellation, dass Zinsprodukte<br />

wie Anleihen und Sparkonten auf<br />

Jahre hinaus einfach nichts bringen. Man<br />

muss also Aktien haben, sonst wird man<br />

kalt enteignet, weil die Inflation höher liegt<br />

als die Renditen.<br />

Derzeit ist die Inflation schwach.<br />

Ja, aber auch bei 1,5 Prozent Inflation verlieren<br />

Sie mit 0,2 Prozent Rendite nach<br />

Steuern in ihrem Depot Kaufkraft, genauso<br />

wie bei 10,0 Prozent Inflation und acht Prozent<br />

Zins. Die Finanzrepression hat viele<br />

Spielarten, aber sie ist Fakt. Die Lösung<br />

heißt – auch, wenn das keiner mehr hören<br />

will – breit diversifizieren.<br />

Was schlagen Sie vor?<br />

Gekauft wie gesehen Käufer in<br />

China kennen Wohnungen oft<br />

nur als Modell, hoffen auf schnellen<br />

Gewinn<br />

Mit einem Drittel Aktien, einem<br />

Drittel Immobilien und einem<br />

Drittel kurzfristigen Zinsanlagen<br />

machen Sie nicht viel falsch.<br />

Gold?<br />

Wird weiter eher schwach tendieren;<br />

kurzfristig sieht Gold technisch<br />

etwas überverkauft aus, ich<br />

sehe aber nicht, was den Goldpreis<br />

mittelfristig sehr stark treiben<br />

sollte. Als Krisenschutz für<br />

den Fall der Fälle können Anleger<br />

aber ein wenig Gold beimischen.<br />

Welche Aktien?<br />

Den Dax würde ich nicht mehr<br />

kaufen; klar, es gibt Unternehmen,<br />

deren Geschäft selbst im Fall eines<br />

China-Crashs laufen würde, etwa<br />

die Post, aber da sind Hinz und Kunz schon<br />

drin. Die Börsen in den USA und Großbritannien<br />

gefallen mir besser. Weltweit sind<br />

die Gewinnmargen der Unternehmen und<br />

die Cash-Flow-Renditen aber nahezu ausgereizt.<br />

Was wir nun an der Börse brauchen,<br />

ist neues Umsatzwachstum. Angelsächsische<br />

Unternehmen scheinen tatsächlich anzufangen<br />

zu investieren, was langfristig gut<br />

für die Konjunktur wäre, die US-Maschinen<br />

und andere Ausrüstungen sind im Schnitt<br />

über 20 Jahre alt. Die schlechte dortige Produktivität<br />

könnte verbessert werden.<br />

Investitionen kosten Geld. Wenn Unternehmen<br />

investieren, drohen niedrigere<br />

Dividenden und Gewinne, also wären höhere<br />

KGVs die Folge.<br />

Richtig, aber mit etwas Verzögerung würden<br />

die Aktien dann über Umsatzwachstum<br />

neuen Schub kriegen. Auch diese Verzögerung<br />

spricht dafür, größere Käufe erst<br />

nach Rücksetzern zu wagen. Europäische<br />

Titel würde ich nur noch sehr wenige kaufen.<br />

Ölwerte wie Total oder Statoil gefallen<br />

uns noch gut, sie haben die Hausse kaum<br />

mitgemacht und investieren weniger, was<br />

steigende Cash-Flows bringt. Generell ist<br />

Europa aber schon gut gelaufen. In der Euro-Krise<br />

ist es ruhig; sie kann aber jederzeit<br />

wieder aufflammen. Die Probleme, Staatsverschuldung<br />

und Arbeitslosigkeit, sind<br />

ungelöst. Eine neue Zuspitzung droht,<br />

wenn sich bei den nächsten Wahlen der<br />

Trend zu rechtspopulistischen, euroskeptischen<br />

Parteien manifestiert und diese mit<br />

einem Euro-Austritt ernst machen. n<br />

stefan.hajek@wiwo.de<br />

WirtschaftsWoche 7.6.<strong>2014</strong> Nr. 24 89<br />

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Geld&Börse | Barron’s<br />

Raubtiere angreifen<br />

US-BÖRSE | Die Aufsicht SEC versagt noch immer. Das zeigen drei<br />

aktuelle Fälle, sagt Ex-Hedgefondsmanager David Rocker.<br />

Übernahmeangebot war eine<br />

Umgehung des Insiderhandelsverbots<br />

zu beobachten: Ackman,<br />

der potenzielle Übernahmepartner,<br />

kaufte am freien Markt noch<br />

rasch nahezu zehn Prozent der<br />

Allergan-Aktien. Damit sicherte<br />

er sich einen Gewinn, denn er<br />

wusste ja, dass die Übernahme<br />

stattfinden würde. Wegen Verstoßes<br />

gegen die Insiderregeln kann er nicht<br />

zur Rechenschaft gezogen werden, das verhindert<br />

eine kleine Formsache: Die sind<br />

nur verletzt, wenn der Insider durch die<br />

Weitergabe dieser Information seine<br />

Pflichten gegenüber seinen Aktionären<br />

verletzt. Valeant aber hat mit der Weitergabe<br />

der Information an Ackman gegen keine<br />

Insiderregel verstoßen, denn Ackman und<br />

Valeant sind Partner. Beraten wurde Ackman<br />

<strong>vom</strong> ehemaligen SEC-Chefermittler<br />

Robert Khuzami, der im Vorjahr die Seiten<br />

wechselte. Als Partner der Rechtsanwaltskanzlei<br />

Kirkland und Ellis arbeitet er für<br />

fünf Millionen Dollar Jahreshonorar für die<br />

Leute, die er zuvor regulierte.<br />

Ist die US-Aufsicht SEC in der Lage, Probleme<br />

früh zu erkennen und gefährlichen<br />

Praktiken einen Riegel vorzuschieben?<br />

Oder ist sie ein ineffizienter<br />

Weisungsempfänger, der immer erst reagiert,<br />

wenn es zu spät ist? Haben die Markthüter<br />

das Rüstzeug und die Motivation, um<br />

potenziell destabilisierendes Verhalten zu<br />

verhindern?<br />

Die Erfolgsbilanz ist entmutigend. Die<br />

SEC war im Vorfeld der Skandale um Enron,<br />

Bernie Madoff und eine ganze Reihe<br />

anderer ausführlich gewarnt worden.<br />

Trotzdem unternahm sie wenig, um Anleger<br />

zu schützen. Höchst beunruhigend ist<br />

auch das hartnäckige Schweigen der<br />

Markthüter angesichts einer Reihe aktueller<br />

Fälle.<br />

Erster Fall: Die Umstände rund um die<br />

jüngste Geldbeschaffungsaktion des Elektroautoherstellers<br />

Tesla würden eine sofortige<br />

Untersuchung rechtfertigen. Es gälte,<br />

festzustellen, ob die chinesische Mauer<br />

zwischen Wall-Street-Analysten und Investmentbankern<br />

nicht längst zu einem japanischen<br />

Stellschirm verkommen ist:<br />

Adam Jonas, Tesla-Analyst bei Morgan<br />

Stanley, hob am 25. Februar sein Kursziel<br />

für die Tesla-Aktie auf 320 Dollar an. Dabei<br />

notierte die Aktie zu dem Zeitpunkt bereits<br />

bei 218 Dollar. Ihr Kurs hatte sich in den<br />

vorhergehenden zwölf Monaten vervierfacht.<br />

In den nachfolgenden beiden Tagen<br />

kletterte der Kurs auf 253 Dollar. Genau<br />

hier kam Tesla ins Spiel: Das Unternehmen<br />

begab eine Wandelanleihe mit fünf Jahren<br />

Laufzeit, mit dem bescheidenen Kupon<br />

von 0,25 Prozent und zum festgelegten<br />

Wandlungspreis von 360 Dollar – also 42<br />

Prozent über dem nach der Morgan-Stanley-Analyse<br />

stark gestiegenen Kurs.<br />

Morgan Stanley war einer der vier Konsortialführer.<br />

Ein offensichtlicher Interessenskonflikt?<br />

Darüber machen sich zahlreiche<br />

Wall-Street-Kommentatoren seither<br />

Gedanken. Die SEC aber schweigt. Tesla sicherte<br />

sich mit dem Deal eine erstaunlich<br />

günstige Finanzierung, die Investmentbanken<br />

kassierten mehrere zehn Millionen<br />

Dollar an Gebühren, und die Anleger sitzen<br />

jetzt mit Wandlern da, die mehr als 100<br />

Millionen Dollar weniger wert sind.<br />

Zweiter Fall: Hedgefondsmanager Bill<br />

Ackman will mit dem kanadischen Pharmakonzern<br />

Valeant den Botox-Hersteller<br />

Allergan übernehmen. Vor dem<br />

Die beste<br />

Geschichte aus<br />

der aktuellen<br />

<strong>Ausgabe</strong> von<br />

dem führenden<br />

amerikanischen<br />

Magazin für<br />

Geldanleger.<br />

ANGST VOR KONFLIKTEN<br />

Dritter Fall: Wall-Street-Kritiker Michael<br />

Lewis nimmt in seinem neuen Buch „Flash<br />

Boys“ den Hochfrequenzhandel unter die<br />

Lupe. Sinn und Zweck der SEC ist, „die Anleger<br />

zu schützen und das faire, ordnungsgemäße<br />

und effiziente Funktionieren der<br />

Märkte sicherzustellen“. Es gibt reihenweise<br />

Untersuchungen, die belegen, wie sich<br />

Hochfrequenzhändler mit ihren blitzschnellen<br />

Computerprogrammen in Millisekunden<br />

Vorteile zulasten regulärer Anleger<br />

verschaffen. Sie investieren Millionen<br />

von Dollar in Hochleistungstechnologie,<br />

nur um diesen Millisekundenvorsprung<br />

nutzen und ungestraft stehlen zu können<br />

(siehe auch WirtschaftsWoche 23/<strong>2014</strong>).<br />

Die Regulierungsbehörden rühren auch<br />

hier keinen Finger.<br />

Sie haben offenbar die Verantwortung<br />

abgegeben. Finanziert werden sie <strong>vom</strong> US-<br />

Kongress, wo Lobbyisten der Finanzbranche<br />

zahlreicher denn je sind. Die SEC steht<br />

folglich unter beträchtlichem Druck. Ihr<br />

Job wäre es aber, sich an Gesetze zu halten,<br />

nicht an die Gesetzgeber. Die SEC agiert,<br />

als hätte sie zu viele Rechtsanwälte und zu<br />

wenige Analysten und Wirtschaftsprüfer.<br />

Die leitenden Beamten wollen sich offenbar<br />

nicht mit den Lobbyisten und großen<br />

Anwaltskanzleien anlegen, weil sie nach<br />

Beendigung ihrer Tätigkeit bei der SEC von<br />

diesen zu enormen Gehältern<br />

eingestellt werden.<br />

Wer die Amerikaner vor den<br />

Raubtieren der Wall Street schützen<br />

will, muss mit Zuckerbrot<br />

und Peitsche arbeiten: Höhere<br />

SEC-Gehälter und Regeln, die einen<br />

Seitenwechsel mitten in der<br />

Schlacht verhindern, wären ein<br />

Anfang.<br />

n<br />

geld@wiwo.de<br />

ILLUSTRATION: TOM MACKINGER<br />

90 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.


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Geld&Börse<br />

Zu viel Schlechtfeld<br />

EURO GRUNDINVEST | Das Fondshaus fällt mit nebulösen Immobiliendeals<br />

auf und lässt Anleger von einem Phantom beruhigen.<br />

keine „Brigitte Lorenz“. Und Projekte im<br />

Umfang von 100 Millionen Euro gibt es laut<br />

einer von der EGI selbst erstellten Übersicht<br />

von Anfang März auch nicht.<br />

Es ist vielmehr unklar, wo das Kapital der<br />

einzelnen Fonds konkret steckt. Fragen<br />

hierzu beantwortet die EGI nur rudimentär.<br />

Sie kann nicht einmal erklären, mit<br />

welchen Geschäften der bereits aufgelöste<br />

erste Fonds der Gruppe, der EGI 12, eine<br />

jährliche Rendite von zwölf Prozent pro<br />

Jahr erwirtschaftet haben will. Genauso<br />

dubios ist, dass die Gruppe im Juni 2011 eine<br />

„City Residenz“ in München mit einer<br />

angeblich sensationellen Rendite verkauft<br />

haben soll – die Gesellschaft aber keine Angaben<br />

zum Objekt machen kann.<br />

Malte Hartwieg ist ein äußerst vielseitiger<br />

Geschäftsmann: Ursprünglich<br />

gelernt hat er den Beruf<br />

des Maurers. 2008 finanzierte er seiner<br />

Ehefrau in München ein Spa für Männer.<br />

Stolz erzählte er im Fernsehinterview, dass<br />

er das Nobel-Etablissement aus der eigenen<br />

Tasche bezahlen konnte. Parallel betrieb<br />

er bis vor Kurzem den Finanzvertrieb<br />

dima24, dessen Mitarbeiter am Telefon geschlossene<br />

Fonds diverser Anbieter an Privatanleger<br />

verscherbelten. Und weil Hartwieg<br />

so gut weiß, wie man mit Geld umgeht,<br />

legte er zuletzt auch eigene Fonds auf,<br />

die das Geld der Dima-Kunden gewinnbringend<br />

in Immobilien, Edelmetalle, Öl<br />

und Gas in Deutschland, Nahost oder der<br />

Karibik investieren sollten.<br />

Doch Hartwieg hat sich offensichtlich<br />

verschätzt. Nicht nur, dass der Männer-Spa<br />

seine Pforten geschlossen hat: Anleger, die<br />

in Fonds aus dem Hartwieg-Reich mit den<br />

Namen Selfmade und NCI investiert hatten,<br />

haben seit Monaten keine Ausschüttungen<br />

gesehen (siehe Kasten Seite 94).<br />

Laut Eigenwerbung hat Dima Fondsbeteiligungen<br />

für 2,3 Milliarden Euro vermittelt.<br />

Zwischen 200 und 320 Millionen davon<br />

sollen nach Schätzungen von Unternehmenskennern<br />

in Hartwieg-Fonds wie Selfmade<br />

oder NCI geflossen sein.<br />

FÜR GENIESSER Promi-Koch Holger<br />

Stromberg kochte für Tünde und Malte<br />

Hartwiegs Männer-Spa (von links)<br />

TOLLE NEWS VON EINEM PHANTOM<br />

Entspannt zurücklehnen konnten sich bislang<br />

nur die Zeichner von fünf Immobilienfonds<br />

mit dem Namen Euro Grundinvest<br />

(EGI), die auch zur Hartwieg-Gruppe<br />

gehören – die Deutschland-Fonds EGI 12,<br />

15, 17 und 18 und ein Spanien-Fonds.<br />

Erst kürzlich überbrachte eine Dame namens<br />

„Brigitte Lorenz“ den Anlegern des<br />

Fonds EGI 15 im Namen der Gesellschaft<br />

fantastische Nachrichten: „Die Euro<br />

Grundinvest ist einer der solidesten Bauträger<br />

Münchens“, heißt es in einem Brief.<br />

Das aktuelle Projektvolumen läge mit<br />

mehr als 100 Millionen Euro deutlich über<br />

dem bisher platzierten Eigenkapital. „Diese<br />

Entwicklung macht es nun möglich, für<br />

Sie die im Prospekt versprochenen Erfolge<br />

zu realisieren.“ Will heißen: Die Anleger<br />

des EGI 15 sollen die angekündigten acht<br />

Prozent Zinsen und auch noch eine Gewinnbeteiligung<br />

von bis zu vier Prozent<br />

pro Jahr auf ihre Einlagen bekommen.<br />

Die Sache hat nur einen ganz kleinen<br />

Haken: Bei der Euro Grundinvest gibt es<br />

WO SIND DIE MILLIONEN?<br />

Bis März 2013 flossen knapp 54 Millionen<br />

Euro in die EGI-Fonds. Wie viel danach<br />

noch verkauft wurde, ist nicht bekannt.<br />

Über Genussrechte sollen laut Schätzung<br />

eines Unternehmenskenners bis heute<br />

weitere zehn Millionen in die Gruppe geflossen<br />

sein. Wie viel insgesamt zusammenkam,<br />

sagt EGI nicht.<br />

Die Fonds selbst erwerben keine Immobilien.<br />

Vielmehr soll der Großteil des eingezahlten<br />

Kapitals an andere Unternehmen<br />

der Gruppe weitergereicht werden,<br />

die Malte Hartwieg über mehrere Zwischengesellschaften<br />

bis Mai komplett gehörten.<br />

Wo das Geld jedes einzelnen Fonds<br />

steckt, erklärt die EGI nicht. Ob es gewinnbringend<br />

investiert wurde, ist unklar.<br />

n In den 2010 aufgelegten EGI 12 zahlten<br />

Anleger knapp 11,7 Millionen Euro ein. Vor<br />

und bei der Auflösung des Fonds Mitte<br />

2013 erhielten sie 15,7 Millionen Euro zurück.<br />

Sollte die Differenz in Höhe von vier<br />

Millionen Euro tatsächlich erwirtschaftet<br />

worden sein, wäre das ein außerordentliches<br />

Kunststück: Von den 11,7 Millionen<br />

Euro, die Anleger eingezahlt hatten, wurden<br />

9,6 Millionen Euro an eine Gesellschaft<br />

weitergereicht, die das Geld investieren<br />

sollte. Der Rest war für Fondskosten<br />

einkalkuliert. Die EGI müsste mit diesem<br />

Betrag 64 Prozent Rendite gleich 6,1 Millionen<br />

Euro Gewinn gemacht haben. Nur so<br />

wären für die Fondszeichner zwölf Prozent<br />

Rendite pro Jahr herausgekommen.<br />

Die EGI behauptet, dass die Rendite von<br />

der Euro Grundinvest Objekt München<br />

GmbH komme, die auch noch Renditen für<br />

den Fonds EGI 18 abwerfen soll. Wie diese<br />

das Wunder vollbracht hat, erklärt die EGI<br />

nicht. Sollte die GmbH tatsächlich Profit in<br />

der Höhe gemacht haben, dann aber ver-<br />

FOTO: PICTURE-ALLIANCE/DPA/ROBERT HAAS<br />

92 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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mutlich nicht durch gewinnbringende Immobiliengeschäfte:<br />

In der letzten publizierten<br />

Bilanz der Gesellschaft von 2011 findet<br />

sich kein Hinweis auf Grundeigentum.<br />

Laut der Bilanz der Mutter hatte die Objekt<br />

München GmbH ihr Eigenkapital 2012 sogar<br />

aufgezehrt und stand mit knapp<br />

100 000 Euro im Minus. Und einer internen<br />

Aufstellung der EGI ist zu entnehmen, dass<br />

die Objekt München GmbH auch im März<br />

<strong>2014</strong> weder ein Haus noch ein Grundstück<br />

besaß. Beim Grundbuchamt München war<br />

Mitte März ebenfalls kein Immobilienbesitz<br />

verzeichnet.<br />

n Dass die Gewinne des EGI 12 aus dem<br />

Verkauf einer „City Residenz“ im Münchner<br />

Stadtteil Bogenhausen stammen, ist<br />

zumindest fraglich. Im Juni 2011 wurde<br />

zwar auf diversen Internet-Portalen, über<br />

die Unternehmen ihre Pressemitteilungen<br />

verbreiten, eine spektakuläre Erfolgsmeldung<br />

veröffentlicht: EGI habe das Mehrfamilienhaus<br />

„City Residenz“ in München<br />

mit 1100 Quadratmetern an einen „institutionellen<br />

Investor aus dem Mittleren Osten“<br />

verkauft. Nach nur sechs Monaten,<br />

mit einem „hohen Ertrag“. Ein wahres Luxusobjekt<br />

soll das gewesen sein, mit extra<br />

großen Stellplätzen für Limousinen bis<br />

sechs Meter Länge und einer sportwagentauglichen<br />

Tiefgarageneinfahrt.<br />

Einem Unternehmenskenner zufolge<br />

hat EGI diesen Bau aber nie besessen. EGI<br />

behauptet, die Meldung stamme nicht von<br />

ihr, sie müsse herausfinden, wer sie eingestellt<br />

habe und um welches Objekt es sich<br />

handle. Was bei der Suche herauskam, teilte<br />

sie auch zwei Monate nach einer Anfrage<br />

der WirtschaftsWoche nicht mit.<br />

n Dass die Gruppe Projekte mit einem Volumen<br />

von 100 Millionen Euro besitzen<br />

soll, wie die erfundene EGI-Mitarbeiterin<br />

Brigitte Lorenz den Anlegern des EGI 15<br />

»Die Euro Grundinvest<br />

ist einer der<br />

solidesten Bauträger<br />

Münchens«<br />

Fiktive Mitarbeiterin in einem Brief an Anleger<br />

berichtete, ist ebenfalls höchst verwunderlich.<br />

Denn laut einer „vorläufigen“ Liste der<br />

EGI von Anfang März verfügt die Gruppe<br />

inklusive der Objekte in Spanien nur über<br />

Projekte im Umfang von 81 Millionen Euro.<br />

Eine endgültige Aufstellung, die bis Mitte<br />

Mai avisiert wurde, lieferte EGI nicht.<br />

MÄRCHENHAFTE GEWINNE<br />

Spannender als das Projektvolumen, worunter<br />

die EGI die unbelasteten Sachwerte<br />

und die erwarteten, aber keineswegs sicheren<br />

Einnahmen ihrer Objekte zusammenfasst,<br />

ist ohnehin, wie viel Geld tatsächlich<br />

in Immobilien investiert wurde.<br />

Für drei von sieben Projekten in<br />

Deutschland beziffert die EGI die Investitionen<br />

auf 3,9 Millionen Euro. Zu den anderen<br />

Objekten nennt sie keine Zahlen. Ein<br />

Unternehmenskenner schätzt die Investitionssumme<br />

für zwei weitere Objekte auf<br />

zwölf Millionen Euro. Hinzu kommen zwei<br />

bislang unbebaute Grundstücke, darunter<br />

48100 Quadratmeter in München, die beim<br />

Grundbuchamt als „Schlechtfeld/Ackerland“<br />

geführt werden. Damit dürfte sich<br />

das in deutsche Immobilien investierte Kapital<br />

auf weniger als 20 Millionen Euro belaufen<br />

– so viel hatte allein der Fonds EGI 17<br />

bis März 2013 an Kapital eingesammelt.<br />

Fraglich ist, ob das reicht, um an alle Anleger<br />

nicht nur jedes Jahr die versprochenen<br />

Zinsen, sondern am Ende auch das<br />

eingesetzte Kapital plus etwaiger Gewinnbeteiligungen<br />

und Frühzeichnerboni auszuzahlen:<br />

n Komplett fertiggestellt wurde bislang nur<br />

ein einziges Bauwerk. Das Haus mit 30 Eigentumswohnungen<br />

in Karlsfeld bei München<br />

soll 11,5 Millionen Euro eingespielt<br />

haben. Nach Informationen der WirtschaftsWoche<br />

hat das Objekt rund 7,3 Millionen<br />

Euro gekostet. Demnach bliebe ein<br />

Gewinn von 4,2 Millionen Euro. Die EGI<br />

äußert sich zu den Kosten nicht.<br />

n Das Jacobi-Palais im Münchner Stadtteil<br />

Bogenhausen ist in sechs Eigentumswohnungen<br />

unterteilt. Fünf davon sollen bislang<br />

verkauft worden sein. Insgesamt soll<br />

das Projekt, das laut einem Insider nur 4,5<br />

Millionen gekostet hat, stolze 8,1 Millionen<br />

Euro wert sein. Das scheint sportlich kalkuliert:<br />

Laut einer Immobilienanzeige kostet<br />

dort ein Quadratmeter im ersten Stock<br />

knapp 7249 Euro. Das macht bei einer verkaufbaren<br />

Fläche von insgesamt 776 Quadratmetern<br />

5,6 Millionen Euro. Selbst<br />

wenn das Penthouse zu einem höheren<br />

Preis verkauft wurde, dürften sich schwer<br />

mehr als sechs Millionen Euro mit dem<br />

Objekt erzielen lassen – macht 1,5 Millionen<br />

Euro Gewinn.<br />

Zusammen mit den 4,2 Millionen Gewinn<br />

aus Karlsfeld käme die Gruppe mit<br />

ihren direkten Immobilieninvestments<br />

bislang also auf einen Gesamtgewinn von<br />

5,7 Millionen Euro – ein Erfolg, wenngleich<br />

sie die Summe noch nicht komplett auf<br />

dem Konto hat. Verglichen mit den 6,2 Millionen<br />

Euro Gewinn, den die Objektgesellschaften<br />

allein für die Anleger des EGI 12<br />

erwirtschaftet haben sollen, erscheint ein<br />

Gesamtgewinn von 5,7 Millionen Euro für<br />

die gesamte Gruppe und damit alle EGI-<br />

Fonds aber mickrig.<br />

»<br />

GEMISCHTE BILANZ Die Euro Grundinvest hat in Karlsfeld (links) ihr erstes Objekt vollendet. In Gilching (rechts) stockt der Bau<br />

WirtschaftsWoche 7.6.<strong>2014</strong> Nr. 24 93<br />

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Geld&Börse<br />

»<br />

Bei anderen Projekten läuft dagegen vieles<br />

nicht nach Plan:<br />

n So verkündet die EGI bereits im April<br />

2012, dass die Vorbereitungen für den Bau<br />

von Einfamilienhäusern und Doppelhaushälften<br />

in Dachau „auf Hochtouren laufen“.<br />

Im März <strong>2014</strong> hieß es: „Das Immobilienprojekt<br />

in Dachau ist auf der Zielgeraden<br />

und soll im Sommer abgeschlossen werden.“<br />

Bislang steht dort erst ein Gebäude.<br />

n Das gleiche Bild in Röhrmoos: Im April<br />

2012 verkündet die EGI, dass dort im März<br />

die Bauarbeiten für 16 Doppelhaushälften<br />

beginnen. Gelogen hat EGI nicht. Schließlich<br />

sagte sie nicht, im März welchen Jahres.<br />

Und so lässt sich Anlegern das Projekt<br />

zwei Jahre später noch mal als „neues Immobilienvorhaben“<br />

unterjubeln, dessen<br />

Baustart nun „im Sommer geplant“ ist.<br />

Unter Umständen liegt es an der mangelnden<br />

Qualifikation von EGI-Geschäftsführer<br />

Erwin Beran, dass die Projekte nicht<br />

»Die EGI investiert<br />

in inflationsgeschützte<br />

Sachwerte«<br />

Werbebroschüre der Euro Grundinvest AG<br />

in Schwung kommen. Laut einem Insider<br />

war Beran vor seinem anspruchsvollen Job<br />

bei der EGI Hartwiegs Chauffeur. Die Frage,<br />

welche Ausbildung Beran qualifiziere,<br />

mit Anlegergeld finanzierte Millionenprojekte<br />

zu managen, beantwortet EGI nicht.<br />

Sie verweist lapidar auf dessen „langjährige<br />

Tätigkeit im Wirtschaftsbereich“.<br />

Hartwieg hat derweil eine neue Spielwiese<br />

gefunden. Beim Unternehmen Crypsilon<br />

stand er bis vor Kurzem im Impressum.<br />

Hier sollen Anleger Rechenleistung<br />

für „High Performance Computer“ buchen.<br />

Mit denen sollen Einheiten der virtuellen<br />

Währung Bitcoin generiert werden.<br />

Laut Homepage des Unternehmens hat<br />

sich eine solche Investition „bereits nach<br />

wenigen Monaten“ amortisiert. Und mit<br />

seiner Beteiligung Krüger Sachwert GmbH<br />

hat Hartwieg auch bereits eine neue Vertriebsplattform<br />

für Finanzprodukte.<br />

Bleibt abzuwarten, was er sich als Nächstes<br />

einfallen lässt, wenn auch dieses Business<br />

nicht funktionieren sollte.<br />

n<br />

melanie.bergermann@wiwo.de<br />

DIMA 24<br />

Maltes Imperium<br />

Auf drei Kontinenten wurde mit dem<br />

Geld der Hartwieg-Anleger jongliert.<br />

Bei „Nitro“ denken nicht nur Chemiker an<br />

Sprengstoff – es ist eine geläufige Kurzform<br />

für Nitroglyzerin. An was Malte Hartwieg<br />

dachte, als er eine seiner zentralen<br />

Firmen „Nitro Invest“ nannte, ist nicht<br />

überliefert. Fakt ist aber, dass der gelernte<br />

Maurer und spätere Finanzvertriebler<br />

rund um die Nitro Invest GmbH ein hochexplosives<br />

Anlagekonstrukt gebastelt hat.<br />

Vier Emissionshäuser haben 21 geschlossene<br />

Fonds und Genussrechte aufgelegt,<br />

Tausende Anleger bis zu 320 Millionen<br />

Euro in das Konglomerat gesteckt – meist<br />

vermittelt über dima24.de, ein Online-<br />

Portal, das ebenfalls Hartwieg hochgezogen<br />

hat (WirtschaftsWoche 04/<strong>2014</strong>).<br />

Nun droht alles in die Luft zu fliegen.<br />

n Selfmade Capital: Hartwiegs erstes eigenes<br />

Emissionshaus hat neun geschlossene<br />

Fonds aufgelegt. Sechs Emirates-<br />

Fonds von Selfmade sollten laut<br />

Prospekten in Immobilien oder Infrastrukturprojekte<br />

im arabischen Raum investieren,<br />

der India-Fonds in Infrastruktur in Indien,<br />

der Caribbean-Fonds in ein<br />

Luxus-Ferienresort in der Karibik und der<br />

Brazil-Fonds in brasilianische Wohnimmobilien.<br />

Die Beteiligungen<br />

sind fragwürdig gestrickt:<br />

Die deutschen Fondsgesellschaften<br />

zeichnen Genussrechte<br />

von Firmen in den<br />

Zielländern, konkrete Vorgaben<br />

für die Verwendung<br />

der Mittel gibt es nicht. Was<br />

in den Emiraten, der Karibik<br />

und anderswo mit dem Geld<br />

passierte, ist unklar. Auszahlungen<br />

bekommen Anleger<br />

jedenfalls nicht mehr.<br />

Der von Hartwieg beauftragte<br />

Anwalt Werner Klumpe<br />

teilte Anlegern im April mit,<br />

dass er daran arbeite, den<br />

Verbleib des Geldes zu klären.<br />

Schuld an der Misere sei Geschäftspartner<br />

Christian K., der vor Ort verantwortlich<br />

gewesen sei.<br />

n Euro Grundinvest: Nach der Selfmade-<br />

Welle nahm Hartwieg Immobilien ins Programm.<br />

Über seine Holding Nitro Invest<br />

GELDFAHNDER<br />

Anwalt Klumpe<br />

sucht für Hartwieg<br />

verschwundene<br />

Anleger-Millionen<br />

gründete er das Emissionshaus Euro<br />

Grundinvest. Dieses legte fünf geschlossene<br />

Fonds und zuletzt Genussrechte auf.<br />

n New Capital Invest (NCI): Von den fünf<br />

Fonds der Nitro-Tochter investierten drei<br />

in Öl- und Gasquellen in den USA, dazu<br />

gibt es einen Fonds für die Goldsuche in<br />

Kanada und einen Silberfonds. Die Lage<br />

ist bei der Mehrzahl der NCI-Fonds so<br />

trostlos wie bei Selfmade: Anleger bekommen<br />

keine Auszahlungen mehr, die<br />

Anwaltskanzlei versucht zu klären, was<br />

mit dem Geld passiert ist. Auch hier soll<br />

laut Anwalt Klumpe Hartwiegs Geschäftspartner<br />

Christian K. der Schuldige sein.<br />

n Panthera: Dieses Emissionshaus der<br />

Nitro-Holding brachte bislang erst einen<br />

geschlossenen Fonds auf den Markt. Er<br />

investiert laut Eigenwerbung über eine luxemburgische<br />

Gesellschaft in Derivate.<br />

Anleger können nach drei Jahren kündigen,<br />

empfohlen wird allerdings eine Haltedauer<br />

von fünf Jahren mit einer möglichen<br />

Rendite von 173 Prozent. Wer 30<br />

Jahre dabei bleibt, soll sagenhafte 2691<br />

Prozent erhalten. Wo die herkommen sollen,<br />

ist ein Rätsel– zumal nach Abzug der<br />

Nebenkosten nur gut drei Viertel des Anlegergeldes<br />

investiert werden.<br />

STAATSANWÄLTE PRÜFEN<br />

Während die Nitro Invest GmbH nach wie<br />

vor Hartwieg gehört, hat der 41-Jährige<br />

die Anteile an der Verkaufsplattform dima24.de<br />

Anfang des Jahres<br />

an seine Mitarbeiter Renate<br />

Wallauer und Frank Schuhmann<br />

abgegeben. Die Lage<br />

bei Nitro Invest, dima24.de,<br />

Selfmade Capital und NCI sowie<br />

den meisten ihrer Fonds<br />

ist kritisch: Hartwiegs Anwalt<br />

Klumpe warnt in einem<br />

Schreiben <strong>vom</strong> April dieses<br />

Jahres vor zahlreichen Insolvenzen,<br />

wenn Anleger Schadensersatzansprüche<br />

erfolgreich<br />

geltend machen. Die<br />

Staatsanwaltschaft München<br />

bestätigt, dass ihr mehrere<br />

Strafanzeigen gegen Hartwieg<br />

und K. vorliegen. Seit<br />

Anfang des Jahres prüft die Behörde, ob<br />

sie ein Ermittlungsverfahren einleitet.<br />

Hartwieg äußerte sich auf Nachfrage<br />

nicht zu den Anzeigen, K. war für eine<br />

Stellungnahme nicht zu erreichen.<br />

florian.zerfass@wiwo.de | Frankfurt<br />

FOTO: BRAUERPHOTOS/S.BRAUER<br />

94 Nr. 24 7.6.14 WirtschaftsWoche<br />

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Geld&Börse | Steuern und Recht<br />

VERSANDHANDEL<br />

Zurück auf eigene Kosten<br />

Vom 13. Juni an gelten neue gesetzliche Regeln für den Online-Handel.<br />

Wer bei Amazon, Zalando oder einem anderen<br />

Online-Händler bestellt, muss sich ab Mitte Juni<br />

auf neue Regeln einstellen. Bisher gab es ein automatisches<br />

Rückgaberecht. Künftig muss der<br />

Kunde innerhalb von 14 Tagen die Bestellung widerrufen.<br />

Ein Musterformular für den Widerruf<br />

muss der Händler mitsenden, spätestens dann,<br />

wenn die Ware ausgeliefert wird. Für die Kosten<br />

der Rücksendung muss der Kunde aufkommen.<br />

In der Praxis werden Online-Käufer jedoch meist<br />

nicht zur Kasse gebeten. So glaubt Christoph<br />

Wenk-Fischer, Chef des Bundesverbands E-Commerce,<br />

dass die meisten Online-Händler weiterhin<br />

kostenfreie Rücksendungen anbieten werden<br />

(WirtschaftsWoche 21/<strong>2014</strong>). „Einige Anbieter<br />

könnten jedoch versuchen, Rücksendegebühren<br />

RECHT EINFACH | Allergie<br />

Pollen, Chemikalien, Bekleidung:<br />

Allergien nehmen zu. Einige<br />

Allergiker ziehen vor Gericht.<br />

§<br />

Birkenpollen. In den Siebzigerjahren<br />

pflanzte eine<br />

Gemeinde entlang einer<br />

Straße Birken. Jahrzehnte<br />

später verlangte ein Anwohner,<br />

die Bäume zu fällen. Grund: Wegen<br />

einer Allergie gegen Birkenpollen<br />

sei er häufig krank. Seine<br />

Klage scheiterte. Bei Umwelteinflüssen<br />

sei ein „durchschnittlich<br />

empfindlicher Mensch“ maßge-<br />

bend, so die Richter. Das Grundstück<br />

sei trotz Pollenflug nutzbar,<br />

ein Kahlschlag daher unangemessen<br />

(Verwaltungsgericht Neustadt,<br />

4 K 923/12 NK).<br />

Heiße Tücher. Eine Flugpassagierin<br />

vertrug keine dampfenden Erfrischungstücher.<br />

Bei einem Langstreckenflug<br />

von Indien nach<br />

Frankfurt machte die Dame ein<br />

Crewmitglied beim Einsteigen auf<br />

ihre Unverträglichkeit aufmerksam.<br />

Als die dampfenden Tücher dennoch<br />

verteilt wurden, bekam die<br />

im Kleingedruckten, zu verstecken“, sagt Albrecht<br />

von Breitenbuch, Partner der Kanzlei Orrick,<br />

Herrington & Sutcliffe in Berlin. Von der Rücksendung<br />

ausgeschlossen sind Waren, die aus<br />

hygienischen Gründen versiegelt sind und deren<br />

Verpackung geöffnet wurde. „Das gilt auch für<br />

elektronische Datenträger, bei denen die Versiegelung<br />

geöffnet wurde und bei denen unklar ist,<br />

ob sie benutzt wurden“, sagt Anwalt von Breitenbuch.<br />

Online-Händler müssen ihren Kunden<br />

mindestens eine kostenfreie, zumutbare Bezahlmöglichkeit<br />

anbieten. Zuschläge, beispielsweise<br />

für den Kauf mit Kreditkarte ohne vergleichbare<br />

Alternativen, sind nicht zulässig. Ebenso ist es<br />

unzulässig, im Online-Bestellformular kostenpflichtige<br />

Zusatzleistungen bereits anzukreuzen.<br />

Passagierin einen Anfall. Ein Gericht<br />

sprach ihr hierfür 1500 Euro<br />

Schmerzensgeld zu. Nach dem<br />

entsprechenden Hinweis hätten<br />

die Flugbegleiter die Allergikerin<br />

vor einem Kontakt mit den<br />

Tüchern schützen müssen (Oberlandesgericht<br />

Frankfurt , 16 U<br />

170/13).<br />

ARBEITSZIMMER<br />

Bei Telearbeit<br />

selbst zahlen<br />

Wer als Arbeitnehmer zu Hause<br />

arbeitet, kann die Aufwendungen<br />

für sein häusliches Arbeitszimmer<br />

absetzen. Nicht jeder<br />

Arbeitsplatz in eigenem Haus<br />

entspricht jedoch den steuerrechtlichen<br />

Vorgaben. Mitunter<br />

lassen sich die Kosten dafür<br />

nicht absetzen. So wollte ein<br />

Arbeitnehmer den Telearbeitsplatz<br />

in seinem Haus geltend<br />

machen. Er hatte mit seinem<br />

Arbeitgeber eine Vereinbarung<br />

geschlossen, dass er zwei von<br />

fünf Arbeitstagen in der Woche<br />

von zu Hause arbeitet. Das<br />

Finanzamt lehnte es ab, die<br />

Kosten für den Telearbeitsplatz<br />

steuerlich anzurechnen.<br />

Schließlich, so das Finanzamt,<br />

hätte er jederzeit seinen Arbeitsplatz<br />

im Unternehmen<br />

nutzen können. Die <strong>Ausgabe</strong>n<br />

für das häusliche Arbeitszimmer<br />

seien demnach gar nicht<br />

notwendig gewesen. Gegen den<br />

Bescheid klagte der Telearbeiter.<br />

Der Bundesfinanzhof stellte<br />

sich allerdings auf die Seite des<br />

Finanzamts (VI R 40/12). Steuerrechtlich<br />

sei sein Telearbeitsplatz<br />

kein häusliches Arbeitszimmer,<br />

weil der Arbeitgeber<br />

einen anderen Arbeitsplatz zur<br />

Verfügung gestellt habe. Der<br />

Telearbeiter muss die Kosten<br />

fürs Arbeitszimmer aus eigener<br />

Tasche bezahlen.<br />

Schutzanzug. Ein Mediziner arbeitete<br />

als Zeitsoldat bei der Bundeswehr.<br />

Bei einem Probealarm wurde<br />

bei ihm eine Allergie gegen die<br />

ABC-Schutzausrüstung festgestellt.<br />

Der Arzt klagte daraufhin,<br />

aus dem Soldatenverhältnis entlassen<br />

zu werden. Vergebens. Laut<br />

Dienstvorschriften könnten Stabsärzte<br />

auch Verwaltungsaufgaben<br />

übernehmen, so die Richter. Es sei<br />

daher möglich, sie <strong>vom</strong> Tragen der<br />

Schutzausrüstung zu befreien<br />

(Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz,<br />

10 A 10926/13.OVG).<br />

FOTOS: AGENTUR FOCUS/OSTKREUZ/JULIAN RÖDER, DDP/SASCHA SCHUERMANN, PR<br />

96 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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BAUMÄNGEL<br />

Wer pfuscht, muss entschädigen<br />

Die Eigentümer eines Grundstücks<br />

schlossen 1999 mit einem<br />

Bauunternehmen einen<br />

Bauvertrag für ein Holzblockhaus<br />

für umgerechnet 201 960<br />

Euro. Das Haus bestand aus einer<br />

Hauptwohnung und einer<br />

Einliegerwohnung in der unteren<br />

Etage, die vermietet werden<br />

sollte. Im Februar 2000 waren<br />

nach Abzug bereits geleisteter<br />

Abschlagszahlungen noch<br />

18 463 Euro offen. Nach Besichtigung<br />

des Hauses lehnten die<br />

Bauherren die Abnahme wegen<br />

Mängeln ab. So fehlten unter<br />

anderem in der Einliegerwohnung<br />

die Fenster. Weil sich das<br />

Bauunternehmen weigerte, die<br />

Mängel zu beseitigen, bevor die<br />

18 463 Euro bezahlt wurden, beauftragten<br />

die Bauherren ein<br />

anderes Unternehmen, die Einliegerwohnung<br />

bewohnbar zu<br />

machen. Der Rest des Hauses<br />

war wegen Mängeln unbewohnbar.<br />

Die Eigentümer zogen<br />

in die untere Etage. Die<br />

Bauherren verklagten darauf<br />

das Bauunternehmen auf Ersatz<br />

der ausgefallenen Mieteinnahmen<br />

für die Einliegerwohnung<br />

sowie eine Entschädigung<br />

dafür, dass sie die Hauptwohnung<br />

des Hauses nicht nutzen<br />

konnten. Der Bundesgerichtshof<br />

bestätigte den Anspruch der<br />

Bauherren auf Entschädigung<br />

MIETRECHT<br />

Hausrecht geht vor Kontrolle<br />

Die Vermieterin eines Hauses<br />

wollte in der Wohnung eines<br />

Mieters die installierten Rauchmelder<br />

kontrollieren. Als sie<br />

versuchte, Räume zu betreten,<br />

in der keine Rauchmelder waren,<br />

forderte der Mieter sie auf,<br />

die Wohnung zu verlassen. Als<br />

sie sich weigerte zu gehen, trug<br />

sie der Mieter aus dem Haus.<br />

Daraufhin kündigte die Vermieterin<br />

den Mietvertrag fristlos,<br />

hilfsweise innerhalb der gesetzlichen<br />

Frist. Gegen die Kündigung<br />

klagte der Mieter. Der<br />

SCHNELLGERICHT<br />

STADT DARF TAUBEN-FÜTTERN VERBIETEN<br />

§<br />

Die Stadt Stuttgart darf einer Einwohnerin verbieten,<br />

Tauben zu füttern. Es sei legitim, so die Zahl<br />

der Vögel im Stadtgebiet zu begrenzen und Gefahren<br />

durch die Übertragung von Krankheiten abzuwehren<br />

(Verwaltungsgericht Stuttgart, 5 K 433/12).<br />

SCHNARCHEN IST ZUMUTBAR<br />

§<br />

Wer als Kassenpatient während eines Krankenhausaufenthalts<br />

in einem Mehrbettzimmer untergebracht<br />

ist, muss Ruhestörungen durch Besuche<br />

von Angehörigen oder das Schnarchen anderer Patienten<br />

hinnehmen. Er hat keinen Anspruch darauf,<br />

dass die Krankenkasse die Kosten für ein Einzelzimmer<br />

trägt (Sozialgericht Detmold, S 5 KR 138/12).<br />

Bundesgerichtshof entschied,<br />

dass sowohl die fristlose als<br />

auch die ordentliche Kündigung<br />

unwirksam waren (VIII ZR<br />

289/13). Die Vermieterin habe<br />

das Hausrecht ihres Mieters<br />

verletzt und trage daher eine<br />

Mitschuld am rabiaten Rausschmiss,<br />

so die Richter. Zwar<br />

habe der Mieter die Grenzen<br />

der zulässigen Notwehr überschritten,<br />

sein Verstoß sei aber<br />

nicht so gravierend gewesen,<br />

dass dies eine Kündigung gerechtfertigt<br />

hätte.<br />

(VII ZR 199/13). Schließlich sei<br />

die Einliegerwohnung mit 75<br />

Quadratmeter nur etwa halb so<br />

groß gewesen wie die unbewohnbare<br />

Hauptwohnung mit<br />

136 Quadratmetern, so die<br />

Richter. Ein Anspruch auf eine<br />

Entschädigung scheide nicht<br />

schon deshalb aus, weil ein anderes<br />

Gericht den Bauherren<br />

bereits Schadensersatz für den<br />

Mietausfall zuerkannt hatte.<br />

Der Schadensersatz für die entgangenen<br />

Mieten und die Entschädigung<br />

für den Nutzungsausfall<br />

müssten aber verrechnet<br />

werden. Wegen formaler Fehler<br />

muss das Oberlandesgericht<br />

Stuttgart erneut entscheiden.<br />

GERICHTSVERFAHREN<br />

Geld für lange<br />

Wartezeit<br />

Dauert ein entscheidungsreifes<br />

Gerichtsverfahren bei einem Finanzgericht<br />

unverhältnismäßig<br />

lange, kann der Kläger dies rügen<br />

und Schadensersatz von<br />

1200 Euro pro Jahr verlangen. In<br />

dem <strong>vom</strong> Bundesfinanzhof entschiedenen<br />

Fall dauerte das<br />

Verfahren 34 Monate (X K<br />

8/13). Der BFH hielt 24 Monate<br />

für angemessen, für die übrigen<br />

neun Monate erhielt der Kläger<br />

900 Euro Schadensersatz.<br />

WIDERRUF MUSS SPEICHERBAR SEIN<br />

§<br />

Widerrufsbelehrungen, die Unternehmen ihren<br />

Kunden im Internet anbieten, sind unwirksam,<br />

wenn sie sich nur aufrufen, aber nicht speichern oder<br />

ausdrucken lassen (Bundesgerichtshof, III ZR<br />

368/13). Kunden, die ihren Vertrag widerrufen, müssen<br />

daher die Widerrufsfrist von zwei Wochen nach<br />

Vertragsschluss nicht einhalten. Eine Frau hatte sich<br />

am 9. August 2010 für einen Lehrgang für Naturheilverfahren<br />

angemeldet. Der Kurs sollte <strong>vom</strong> 9. April<br />

2011 bis 20. Mai 2012 stattfinden. Am 19. Dezember<br />

2010 sagte die Frau den Kurs ab. Sie zahlte freiwillig<br />

zehn Prozent der Lehrgangsgebühren. Der Anbieter<br />

verlangte die volle Summe. Zu Unrecht, wie der BGH<br />

befand, denn die Widerrufsbelehrung sei unwirksam.<br />

WM-SONDERREGELN<br />

TOBIAS MAHLSTEDT<br />

ist Fachanwalt<br />

für<br />

Mietrecht in<br />

der Kanzlei<br />

Börgers in<br />

Berlin.<br />

n Herr Mahlstedt, für diese<br />

Weltmeisterschaft gibt es<br />

erstmals Sonderregeln,<br />

nach denen der Lärmschutz<br />

gelockert wird. Was ist neu?<br />

Durch die Zeitverschiebung<br />

werden viele Spiele erst nach<br />

22 Uhr angepfiffen. Die Bundesländer<br />

können es Kommunen<br />

daher erlauben, dass Fanmeilen<br />

und Wirte Spiele auch<br />

nach 22 Uhr zeigen dürfen –<br />

ausnahmsweise sogar nach<br />

Mitternacht. Die Sonderregel<br />

gilt für Fußballübertragungen<br />

auf öffentlichen Plätzen oder<br />

in Kneipen. Das heißt: Mietern,<br />

die sich <strong>vom</strong> Lärm im<br />

Biergarten belästigt fühlen,<br />

wird die Polizei bis Mitternacht<br />

nicht weiterhelfen.<br />

n Bei Lärmbelästigung darf<br />

ein Mieter seine Miete<br />

mindern. Fällt das dann weg?<br />

Wenn der Vermieter nicht für<br />

Ruhe sorgen kann, bleibt der<br />

Anspruch auf eine Mietminderung<br />

gegenüber dem Vermieter<br />

bestehen. Der Mieter muss<br />

aber zum Beispiel anhand eines<br />

Lärmprotokolls nachweisen,<br />

dass seine Ruhe nach 22<br />

Uhr mehrfach mit mindestens<br />

40 Dezibel gestört worden ist.<br />

Und da die Weltmeisterschaft<br />

rund einen Monat dauert,<br />

könnte die Lärmbelastung von<br />

einem Gericht durchaus als<br />

wesentlich eingestuft werden.<br />

n Was gilt bei privaten<br />

Feiern?<br />

Für private WM-Partys auf<br />

Balkonen, der Terrasse oder<br />

im Garten gilt nach wie vor:<br />

Um 22 Uhr ist Nachtruhe.<br />

Anschließend darf in der<br />

Wohnung zwar weitergefeiert<br />

werden, aber bei deutlich<br />

reduzierter Lautstärke.<br />

WirtschaftsWoche 7.6.<strong>2014</strong> Nr. 24 Redaktion: martin.gerth@wiwo.de, annina reimann | Frankfurt<br />

97<br />

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Geld&Börse | Geldwoche<br />

KOMMENTAR | Das Spiel mit den<br />

Hochzinsanleihen läuft immer<br />

wieder nach dem gleichen miesen<br />

Skript. Von Annina Reimann<br />

Schmierenkomödie<br />

Gewiefte Anwälte und<br />

pfiffige Banker spielen<br />

am Anleihemarkt<br />

nach immer gleichem<br />

Muster Theater. Erster Akt: Ein<br />

klammes Unternehmen<br />

braucht Geld, die Bank will<br />

nichts mehr geben. Es legt eine<br />

Hochzinsanleihe auf, einen<br />

Junkbond – übersetzt: Schrott.<br />

Damit Anleger anbeißen, werden<br />

sie mit rund acht Prozent<br />

Zins geködert. Verbindliche Finanzkennzahlen<br />

(Covenants)<br />

suggerieren Sicherheit. Sinkt<br />

etwa die Eigenkapitalquote unter<br />

eine Schwelle, dürfen Anleger<br />

ihr Geld zurückfordern. In<br />

der Praxis aber läuft das anders:<br />

Reißt ein Unternehmen<br />

Covenants, setzt es Anlegern<br />

die Pistole auf die Brust. Falls<br />

sie nicht zustimmten, dass Regeln<br />

geändert würden, komme<br />

die Pleite. Der als Retter gefeierte<br />

Investor des Fahrradbauers<br />

Mifa etwa verlangt Verzicht.<br />

Nichts fürchten Unternehmer<br />

mehr, als dass nicht genug Geld<br />

zusammenkommt. Immer wieder<br />

höre ich, dass Eigentümer<br />

privat Millionen in Bonds stecken,<br />

aber schnell verkaufen,<br />

nachdem man Anlegern die Jubelnachricht<br />

überbracht hat,<br />

dass das Ding spielend platziert<br />

wurde. Für Sparer sieht das so<br />

aus, als ob die Anleihe ein voller<br />

Erfolg wäre. Hilft alles nichts,<br />

sollen auch heimlich Provisionen<br />

von Unternehmen an die<br />

Schrottverkäufer fließen.<br />

Der zweite Akt, die Aufstockung<br />

der Anleihe, läuft meist<br />

hinter den Kulissen. Anleger bekommen<br />

nur die Meldung, dass<br />

das Unternehmen bei einer Privatplatzierung<br />

frische Millionen<br />

aufgenommen hat. Folge: Schulden<br />

und Zinslast steigen, jeder<br />

zuvor investierte Euro wird<br />

wackliger. Der Tütensuppenhersteller<br />

Zamek war ein Jahr nach<br />

der Aufstockung pleite.<br />

Alarmstufe Rot herrscht,<br />

wenn das Unternehmen in ein<br />

niedrigeres Segment der Börse<br />

wechselt – in Frankfurt etwa<br />

<strong>vom</strong> Entry Standard ins Quotation<br />

Board. Es muss weniger Zahlen<br />

melden. Dem Abstieg folgt<br />

oft die Pleite – wie bei Windreich<br />

und Payom Solar. Die Anleihe<br />

des Spiele-Vermarkters Gamigo<br />

wechselt zum 20. Juni aus<br />

Kostengründen ins Quotation<br />

Board. Ein Witz, der Entry Standard<br />

kostet im Jahr 5000 Euro,<br />

und Kosten für Finanzberichte<br />

will Gamigo nicht sparen, die soll<br />

es weiter geben.<br />

TRAURIGES FINALE<br />

Ist die Pleite klar, betreten neue<br />

Darsteller die Bühne: Insolvenzverwalter,<br />

die es verstehen, die<br />

Leiche zu fleddern. Sie entlohnen<br />

sich fürstlich, für die Anleger<br />

bleibt fast nichts. Oft steht<br />

im Skript der Spezialisten ein<br />

Debt-to-Equity-Swap: Schulden<br />

werden in Aktien getauscht, Anleger<br />

enteignet – Solarworld<br />

lässt grüßen.<br />

Brummt das Geschäft wider<br />

Erwarten, wird die Anleihe vorzeitig<br />

gekündigt. Stand ja so im<br />

Prospekt. Chemiker Nabaltec<br />

etwa zog Anlegern ihre Papiere<br />

unterm Hintern weg. Ähnliches<br />

droht bei Dürr: Der Maschinenbauer<br />

darf eine Anleihe im September<br />

kündigen. Anleger bekämen<br />

100 Prozent – auch, wenn<br />

sie zu 105 gekauft haben.<br />

Der Vorhang fiel in den letzten<br />

Monaten oft – doch Ausfälle wie<br />

Mifa, Rena, S.A.G. Solarstrom,<br />

3W Power werden keine Ausnahme<br />

bleiben. Die Zugabe<br />

kommt: Ab 2015 laufen Junkbonds<br />

über Milliarden aus.<br />

Casino Royale<br />

466 Milliarden Dollar<br />

Wertpapierkredite<br />

TREND DER WOCHE<br />

Zwangsverkäufe drohen<br />

An der Wall Street wurden massenhaft Aktien auf<br />

Pump gekauft – ein Warnsignal.<br />

Das Ende der vergangenen zwei<br />

Haussen an Wall Street kündigte<br />

sich in einer raschen Ausweitung<br />

der Spekulationsneigung<br />

der Anleger an. Abzulesen war<br />

das an der Entwicklung der für<br />

den Kauf von Aktien beliehenen<br />

Wertpapierdepots. An der New<br />

York Stock Exchange (Nyse) erreichten<br />

die Wertpapierkredite<br />

im Februar ein neues Rekordvolumen<br />

von 466 Milliarden<br />

Dollar. Der steile Anstieg startete<br />

im August 2012. Angefacht<br />

wurde die Spekulationsmanie<br />

damals vor allem durch den<br />

Freifahrtschein, den der damalige<br />

US-Notenbankpräsident<br />

Ben Bernanke mit der Ankündigung<br />

einer dritten Runde von<br />

Anleihekäufen ausstellte. Bis<br />

zum Hoch im Februar weiteten<br />

Anleger ihre auf Pump finanzierten<br />

Wertpapierkäufe um<br />

fast 190 Milliarden Dollar aus.<br />

Unter Berücksichtigung der von<br />

Aktienfonds gehaltenen Cashreserven<br />

fiel die Nettoliquidität<br />

auf ein Rekordminus von 209<br />

Milliarden Dollar. Fallen die<br />

Kurse der auf Pump gekauften<br />

Aktien, sinken Beleihungsgrenzen<br />

der Depots. Werden diese<br />

unterschritten, gehen Aktien<br />

automatisch in den Verkauf.<br />

Das drückt die Kurse zusätzlich.<br />

Ansatzweise war das bisher erst<br />

zu spüren bei Trendaktien aus<br />

Internet und Social Media. Seit<br />

Februar schrumpfte das Wertpapierkreditvolumen<br />

an der<br />

Nyse um gut sechs Prozent.<br />

Nach dem Platzen der Blasen<br />

von 2000 und 20<strong>07</strong> hatte es sich<br />

jeweils mehr als halbiert, bevor<br />

es wieder nach oben ging.<br />

Trends der Woche<br />

Entwicklung der wichtigsten Finanzmarkt-Indikatoren<br />

Stand: 4.6.<strong>2014</strong> / 18.00 Uhr aktuell seit einer Woche 1 seit einem Jahr 1<br />

Dax 30 9926,67 –0,1 +19,7<br />

MDax 16865,02 –0,3 +20,4<br />

Euro Stoxx 50 3237,93 –0,3 +17,5<br />

S&P 500 1926,49 +0,9 +18,1<br />

Euro in Dollar 1,3627 +0,1 +4,1<br />

Bund-Rendite (10 Jahre) 1 1,42 +0,<strong>06</strong> 2 –0,13 2<br />

US-Rendite (10 Jahre) 1 2,59 +0,11 2 +0,45 2<br />

Rohöl (Brent) 3 1<strong>07</strong>,82 –1,7 +5,8<br />

Gold 4 1245,25 –1,4 –11,0<br />

Kupfer 5 6835,00 –2,8 –6,8<br />

1<br />

in Prozent; 2 in Prozentpunkten; 3 in Dollar pro Barrel; 4 in Dollar pro Feinunze,<br />

umgerechnet 914,75 Euro; 5 in Dollar pro Tonne; Quelle: vwd group<br />

FOTOS: BERT BOSTELMANN FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE, BLOOMBERG NEWS/JIN LEE, LAIF/CHRISTIAN SCHMID<br />

98 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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DAX-AKTIEN<br />

Strafkurse für Banken<br />

Drohende Prozesse dürften den <strong>Ausgabe</strong>preis der<br />

neuen Deutsche-Bank-Aktien empfindlich drücken.<br />

HITLISTE<br />

Dass der französischen BNP<br />

Paribas wegen Verletzung der<br />

US-Sanktionspolitik eine Strafe<br />

von zehn Milliarden Dollar<br />

droht, kommt für die Deutsche<br />

Bank zur Unzeit. Eigentlich<br />

ist die Deutsche gerade<br />

dabei, über eine Kapitalerhöhung<br />

acht Milliarden Euro<br />

einzusammeln, um damit vor<br />

allem im Wertpapiergeschäft<br />

in die Offensive zu gehen.<br />

Nun dürfte sie allein mit Blick<br />

auf ihre etwa 1000 größere<br />

Rechtsstreitigkeiten und das<br />

drakonisch gestiegene Strafmaß<br />

einen wesentlichen Teil<br />

der Einnahmen für mögliche<br />

Straf- und Vergleichszahlungen<br />

reservieren. Bisher hat die<br />

Deutsche dafür nur zwei Milliarden<br />

Euro zurückgestellt.<br />

Der Kursabschlag, mit dem<br />

derzeit neue Aktien der Deutschen<br />

Bank angeboten werden,<br />

dürfte eher größer ausfallen.<br />

Wahrscheinlich werden es<br />

bis zu 30 Prozent gegenüber<br />

den Altaktien. Für die neuen<br />

Anteile ergäbe das Kurse<br />

zwischen 20 und 22 Euro. Mehr<br />

zahlen sollten Anleger nicht.<br />

Magere Zeiten Sparer<br />

werden Spekulanten<br />

DAX<br />

Keine Einbahnstraße<br />

Wer jetzt noch auf den Börsenzug aufspringen will,<br />

sollte defensive Werte wählen.<br />

Dax<br />

Kurs Kursent- Gewinn KGV Börsen- Dividen-<br />

(€) wicklung pro Aktie (€) wert den-<br />

1 Woche 1 Jahr <strong>2014</strong> 2015 2015<br />

(Mio. €) rendite<br />

(%) 1<br />

Dax 9926,67 –0,1 +19,7<br />

Aktie<br />

Stand: 4.6.<strong>2014</strong> / 18.00 Uhr<br />

Adidas 77,95 –0,9 –6,7 4,17 5,<strong>06</strong> 15 16308 1,92<br />

Allianz 123,50 –1,0 +3,7 13,65 13,96 9 56310 4,29<br />

BASF NA 85,09 +0,3 +13,3 5,92 6,45 13 78153 3,17<br />

Bayer NA 105,55 +0,8 +28,7 6,10 6,93 15 87284 1,99<br />

Beiersdorf 73,95 +0,2 +7,7 2,56 2,84 26 18635 0,95<br />

BMW St 91,27 –0,1 +24,5 8,68 9,18 10 58697 2,85<br />

Commerzbank 11,44 –4,6 +46,3 0,63 1,<strong>06</strong> 11 13025 -<br />

Continental 173,45 –0,9 +72,8 12,64 14,37 12 34691 1,44<br />

Daimler 69,31 ±0 +42,6 6,<strong>06</strong> 6,83 10 74122 3,25<br />

Deutsche Bank 29,72 –1,8 –19,1 2,94 4,08 7 30291 2,52<br />

Deutsche Börse 55,44 ±0 +10,3 3,80 4,22 13 1<strong>07</strong>00 3,79<br />

Deutsche Post 27,12 ±0 +40,7 1,71 1,91 14 32782 2,95<br />

Deutsche Telekom 12,41 +1,5 +42,5 0,63 0,68 18 55239 4,03<br />

E.ON 14,31 +1,0 +11,3 0,94 1,01 14 28624 4,19<br />

Fresenius Med.C. St 48,34 –0,4 –7,2 3,64 4,01 12 14865 1,59<br />

Fresenius SE&Co 110,35 +0,5 +19,9 6,34 7,17 15 24904 1,13<br />

Heidelberg Cement St 64,05 +0,2 +8,8 4,01 5,04 13 12009 0,94<br />

Henkel Vz 85,25 +0,9 +13,8 4,30 4,68 18 34658 1,43<br />

Infineon 9,<strong>07</strong> –0,2 +37,7 0,41 0,53 17 9800 1,32<br />

K+S NA 25,13 –3,0 –19,9 1,43 1,52 17 4810 0,99<br />

Lanxess 51,70 –0,7 –10,4 2,25 3,59 14 4302 0,97<br />

Linde 155,40 +1,1 +6,9 8,08 9,<strong>07</strong> 17 28850 1,93<br />

Lufthansa 19,69 +1,6 +15,2 1,90 3,00 7 9056 -<br />

Merck 126,65 –0,1 +3,2 9,20 9,56 13 8184 1,50<br />

Münchener Rückv. 160,75 –1,2 +13,6 17,37 17,59 9 28829 4,51<br />

RWE St 29,52 +0,8 +12,5 2,22 2,27 13 17880 3,39<br />

SAP 55,61 –0,8 –4,8 3,42 3,73 15 68317 1,98<br />

Siemens 97,94 –0,1 +24,6 6,59 7,50 13 86285 3,<strong>06</strong><br />

ThyssenKrupp 21,62 –3,3 +40,8 0,54 1,21 18 11121 -<br />

Volkswagen Vz. 192,80 –1,0 +16,7 22,00 24,61 8 88754 2,11<br />

1<br />

berechnet mit der zuletzt gezahlten Dividende<br />

Angenommen, ein Anleger<br />

hat eine Million Euro gespart<br />

und will von seinem Vermögen<br />

leben. Früher klappte das,<br />

ohne dass er große Risiken<br />

eingehen musste. Heute bekommt<br />

er, weil die Zinsen von<br />

den Notenbanken so weit<br />

nach unten manipuliert wurden,<br />

keine weitgehend risikolose<br />

Rendite mehr, von der er<br />

leben könnte. Deshalb muss<br />

er spekulieren und hohe Renditen<br />

suchen. Wollte die EZB<br />

die Kapitalbildung unterstützen,<br />

müsste sie die Zinsen eigentlich<br />

erhöhen. Doch mit<br />

ihrer Nullzinspolitik macht sie<br />

aus früheren Sparern Spekulanten.<br />

Dabei können natürlich<br />

Kapitalverluste auftreten.<br />

Der Mangel an Anlagealternativen<br />

ist das einzig wirklich<br />

ernst zu nehmende Argument,<br />

das für die Aktienanlage<br />

spricht. Nur nachdem die<br />

Börse schon einen langen<br />

Lauf hinter sich hat, stellt sich<br />

die Frage, ob der Sprung in<br />

Aktien sofort erfolgen muss<br />

oder – trotz unverzinstem<br />

Cash – nicht etwas Geduld<br />

ratsam erscheint. Immerhin<br />

dauerte es zwischen Ende<br />

1999 und Mai 2013 4884 Tage,<br />

bis der Dax nach einem Anstieg<br />

um 20 Prozent die nächsten<br />

20 Prozent eingefahren hatte.<br />

Zwischenzeitlich platzten<br />

zwei Anlageblasen. Klar, auch<br />

bei Aktien muss differenziert<br />

werden. Einen regelmäßigen<br />

und dauerhaften Cash-Flow in<br />

Form von Dividenden liefern<br />

solide finanzierte Unternehmen<br />

mit einer starken Wettbewerbsposition,<br />

etwa der<br />

Schweizer Nahrungsmittelmulti<br />

Nestlé (WirtschaftsWoche<br />

22/<strong>2014</strong>). Mit ihnen lassen sich<br />

auch längere Durststrecken an<br />

den Börsen überbrücken.<br />

Zwischen 88 und 4884 Tagen<br />

Wie viel Tage der Deutsche Aktienindex<br />

(Dax) seit Anfang 1994 jeweils<br />

für 20 Prozent Indexplus benötigte<br />

(Start bei 2268,0 Punkten)<br />

...am<br />

20 Prozent Indexplus erreicht...<br />

15.10.1996<br />

18.2.1997<br />

4.7.1997<br />

27.2.1998<br />

26.5.1998<br />

23.12.1999<br />

7.5.2013<br />

13.5.<strong>2014</strong><br />

?<br />

...nach<br />

Tagen<br />

1016<br />

126<br />

136<br />

238<br />

88<br />

576<br />

4884<br />

371<br />

Quelle: Bloomberg, eigene Berechnung<br />

?<br />

...bei Indexstand<br />

2721,6<br />

3265,9<br />

3919,1<br />

4702,9<br />

5643,5<br />

6772,2<br />

8126,6<br />

9751,9<br />

11702,3<br />

WirtschaftsWoche 7.6.<strong>2014</strong> Nr. 24 99<br />

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Geld&Börse | Geldwoche<br />

AKTIE RWE<br />

Energie ist relevanter<br />

als Investmentbanking<br />

Strahlendes Grün RWE-Atomkraftwerk<br />

Gundremmingen<br />

Weil die deutschen Energiekonzerne<br />

von der Politik dereinst<br />

in die Kernenergie reingetrieben<br />

worden seien,<br />

müsse die Politik jetzt auch<br />

Mitverantwortung tragen für<br />

deren Rückbau und die Beseitigung<br />

der Altlasten, fordert<br />

RWE-Vorstandschef Peter Terium.<br />

Zusammen mit seinem<br />

E.On-Kollegen Johannes<br />

Teyssen hatte Terium bereits<br />

im Februar erste Gedankenspiele,<br />

die Kernkraftwerke<br />

und die von der Branche für<br />

deren Rückbau gebildeten<br />

Rücklagen in Höhe von 37<br />

Milliarden Euro (zehn Milliarden<br />

Euro bei RWE) in eine<br />

staatliche Stiftung zu überführen,<br />

bei Regierungsvertretern<br />

in Berlin vorgetragen. Dort<br />

heißt es zwar, die uneingeschränkte<br />

Verantwortung und<br />

die Kosten für den sicheren<br />

Auslaufbetrieb der Kraftwerke<br />

bis 2022, deren Stilllegung<br />

und Rückbau sowie für die<br />

Zwischenlagerung des Atommülls<br />

liege bei den Energieversorgern.<br />

Diese hätten zudem<br />

keinen fertigen Plan<br />

vorgelegt und stünden auch<br />

in keinem konkreten Dialog<br />

mit der Bundesregierung.<br />

Trotzdem: Der Coup von<br />

RWE und Co. ist geglückt, die<br />

Kuh ist jetzt auf dem Eis. Und<br />

mit Blick auf die positive Reaktion<br />

der Börse auf den Vorstoß<br />

der beiden größten deutschen<br />

Versorger wird sie da<br />

auch nicht mehr so rasch runter<br />

kommen. Die Hoffnung, dass es<br />

zu einer Einigung mit der Bundesregierung<br />

kommt, bei der<br />

das Restrisiko aus dem Atomausstieg<br />

auf den Steuerzahler<br />

übertragen wird, regt die Fantasie<br />

der Börsianer an. Stutzig<br />

macht vor allem, dass Informationen<br />

über das Ansinnen der<br />

Energiekonzerne erst Monate<br />

nach den Besuchen von Terium<br />

und Teyssen in Berlin durchsickerten.<br />

Unter Experten aller<br />

Couleur ist längst klar, dass die<br />

gesetzlich geforderten und von<br />

den Versorgern auch gebildeten<br />

Rücklagen nicht ausreichen<br />

werden, den Atomausstieg voll<br />

zu finanzieren. Summen jenseits<br />

von 65 Milliarden Euro<br />

machen die Runde.<br />

Paradox:Je höher die Schätzungen<br />

über die tatsächlichen<br />

Ausstiegskosten, desto mehr<br />

Hoffnungen dürfen sich RWE<br />

und Co. auf ein Entgegenkommen<br />

der Bundesregierung machen.<br />

Die Drohung mit dem eigenen<br />

Untergang funktioniert<br />

eben nicht nur bei Banken. Und<br />

in Sachen Systemrelevanz für<br />

eine Volkswirtschaft stehen Versorger<br />

gewiss vor den Banken.<br />

RWE<br />

ISIN: DE00<strong>07</strong>037129<br />

110<br />

90<br />

70<br />

50<br />

30<br />

50-Tage-Linie<br />

200-Tage-Linie<br />

20<br />

2004 <strong>2014</strong><br />

Kurs/Stoppkurs (inEuro): 29,18/24,60<br />

KGV2013/<strong>2014</strong>: Verlust/12,2<br />

Dividendenrendite (inProzent): 3,4<br />

Chance<br />

Risiko<br />

Niedrig<br />

Hoch<br />

Quelle: Thomson Reuters<br />

Das kesselt<br />

Sudhaus mit Krones-<br />

Getränketechnik<br />

AKTIE Krones<br />

Trotz Insider-Verkauf<br />

attraktiv<br />

Für knapp eine halbe Million<br />

Euro verkauft Krombacher-<br />

Miteigentümerin Petra Schadeberg-Herrmann<br />

Aktien von<br />

Krones. Brechen nach den<br />

Verkäufen der Krones-Aufsichtsrätin<br />

schwere Zeiten für<br />

die Aktie des Abfüllanlagen-<br />

Spezialisten an? Keineswegs,<br />

denn nach den etwas schwächeren<br />

Bestellungen Ende<br />

2013 hat sich das Geschäft zuletzt<br />

wieder belebt. Gut läuft<br />

der Verkauf in den Schwellenländern,<br />

deren Umsatzanteil<br />

im ersten Quartal von 55 auf<br />

59 Prozent zulegte. Krones<br />

profitiert hier <strong>vom</strong> steigenden<br />

Nahrungsmittelbedarf und<br />

der damit verbundenen höheren<br />

Nachfrage nach Abfüllund<br />

Verpackungsmaschinen.<br />

Stabil ist auch der Heimatmarkt,<br />

in dem Krones 13 Prozent<br />

des Geschäfts macht.<br />

Im ersten Quartal verbesserte<br />

sich der Umsatz um drei<br />

Prozent auf 703 Millionen Euro,<br />

der Nettogewinn legte um<br />

elf Prozent auf 30 Millionen<br />

Euro zu. Die Bestellungen<br />

stiegen um acht Prozent auf<br />

740 Millionen Euro. Im Gesamtjahr<br />

sollten damit 2,9<br />

Milliarden Euro Umsatz (plus<br />

vier Prozent) drin sein. Die<br />

Gewinnmargen ziehen leicht<br />

an, niedrige Metallpreise entlasten<br />

zudem. Damit kann der<br />

Nettogewinn in diesem Jahr<br />

von 119 Millionen Euro auf<br />

rund 130 Millionen steigen.<br />

Binnen vier Jahren hätte Krones<br />

damit den Umsatz um 30 Prozent<br />

und den Gewinn um 60<br />

Prozent erhöht. Krones verfügt<br />

aktuell über 200 Millionen Euro<br />

Barmittel, in den Büchern stehen<br />

1,3 Milliarden Euro Eigenkapital<br />

oder 57 Prozent der Bilanzsumme.<br />

Das verschafft<br />

Raum für Zukäufe und solide<br />

Dividendenzahlungen. Die Aktie<br />

bleibt ein Favorit unter deutschen<br />

Nebenwerten.<br />

Krones<br />

ISIN:DE00<strong>06</strong>335003<br />

75<br />

65<br />

55<br />

45<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

2008 2011 14<br />

Kurs/Stoppkurs (inEuro): 70,90/60,25<br />

KGV2013/<strong>2014</strong>: 18,6/16,7<br />

Dividendenrendite (inProzent): 2,8<br />

Chance<br />

Risiko<br />

Niedrig<br />

Hoch<br />

Quelle: Thomson Reuters<br />

200-Tage-Linie<br />

FOTOS: PR (2), REUTERS/PICHI CHUANG, GLOW IMAGES<br />

100 Redaktion: Geldwoche+Zertifikate: Frank Doll, Anton Riedl<br />

Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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ZERTIFIKATE US-Technologieaktien<br />

Der große Trend ist<br />

noch nicht vorüber<br />

Power-Pakete In zehn Jahren<br />

170 Prozent Wachstum<br />

Tickets für Techno-Fans<br />

Zertifikate auf amerikanische Technologieaktien<br />

(Nasdaq-100-Index, aktuell 3720 Punkte)<br />

Kurs (Euro)<br />

Stoppkurs (Euro)<br />

Funktion<br />

Kauf-Verkaufs-<br />

Spanne (Prozent)<br />

Emittentin<br />

(Ausfallprämie)<br />

ISIN<br />

Chance/Risiko<br />

Indexzertifikat für Aufschwung<br />

27,35<br />

23,25<br />

Steigt und fällt wie der Aktienindex<br />

Nasdaq 100; Kurs eines Zertifikats<br />

entspricht einem Hundertstel<br />

des Index geteilt durch<br />

Euro-Dollar-Kurs (aktuell 1,36);<br />

keine Währungssicherung, keine<br />

feste Laufzeitgrenze; Dividenden<br />

im Index nicht enthalten<br />

0,00 (aktuell ohne Spread)<br />

Quelle: Banken, Thomson Reuters<br />

Deutsche Bank (0,7 Prozent = geringe Ausfallgefahr)<br />

DE00<strong>07</strong>093395<br />

6/5<br />

Mit einer neuen Strategie bindet<br />

Microsoft im wachstumsstarken<br />

Geschäft mit Mietsoftware<br />

via Internet seine<br />

Konkurrenten ein: Wer etwa als<br />

Kunde des Cloud-Marktführers<br />

Salesforce auf bestimmte Programme<br />

zugreift, macht das<br />

über Betriebssoftware von Microsoft.<br />

Die Web-Konzerne<br />

Google und Facebook wollen<br />

mithilfe von Satelliten und<br />

Drohnen die Teile der Welt erschließen,<br />

in denen es bisher<br />

kein Internet gibt. Amazon<br />

stößt zwar bei seiner Expansion<br />

zunehmend auf Widerstand,<br />

etwa durch Streiks in<br />

Deutschland. Doch wenn der<br />

Online-Händler <strong>2014</strong> etwa 90<br />

Milliarden Dollar Umsatz erzielt,<br />

hätte er sein Geschäftsvolumen<br />

in nur fünf Jahren verdreifacht.<br />

Und Apple bringt zwar<br />

derzeit nur neue Betriebssysteme<br />

und keine Hardware auf den<br />

Markt, wird mit rund 40 Milliarden<br />

Dollar in diesem Jahr aber<br />

netto so viel verdienen, wie die<br />

gesamte Deutsche Bank an der<br />

Börse wert ist.<br />

US-Technologiekonzerne sind<br />

derzeit die stärksten und größten<br />

Wachstumsunternehmen weltweit.<br />

Um 170 Prozent haben die<br />

im Technologie-Index Nasdaq<br />

versammelten High Techs das<br />

Geschäftsvolumen in den vergangenen<br />

zehn Jahren erhöht.<br />

Der Gewinn stieg in der gleichen<br />

Zeit gar doppelt so stark. Die hohe<br />

Rendite ist ein Zeichen dafür,<br />

dass der Erfolgstrend der Technikaktien<br />

noch nicht vorbei sein<br />

dürfte.<br />

Gerade eingeführt im Nasdaq-<br />

Handel sind die Papiere des chinesische<br />

Online-Händlers JD.<br />

Nach sieben Tagen stehen sie 30<br />

Prozent im Gewinn. Und in den<br />

nächsten Wochen dürfte Alibaba<br />

an den Start gehen, der größte<br />

Internet-Einzelhändler der Welt.<br />

Discountzertifikatfür Seitwärtstrend<br />

24,70<br />

20,90<br />

Bietet Maximalgewinn von 10,1 Prozent,<br />

wenn Index zur Fälligkeit<br />

(23. Dezember 2015) bei 3700 Punkten<br />

steht; Indexrückschläge sind bis zu<br />

3360 Punkte abgesichert, darunter<br />

beginnt Verlustzone; keine Währungssicherung<br />

(Berechnung mit Euro-Kurs<br />

von 1,36 Dollar)<br />

0,04<br />

DE000DX7QFY7<br />

5/4<br />

ANLEIHE Hochtief/ACS<br />

Bauen auf<br />

Spanisch<br />

Hoch die Gläser Convention<br />

Center Anaheim, Kalifornien<br />

Am mehr als zehn Milliarden<br />

Dollar teuren Megabrückenbau<br />

zwischen Hongkong und<br />

Macao ist Hochtief mit umgerechnet<br />

780 Millionen Euro<br />

dabei. Nahe Doha, der Hauptstadt<br />

des Emirats Katar, hat<br />

der Essener Baukonzern einen<br />

Großauftrag für 56 Kilometer<br />

Autobahn bekommen.<br />

In Kanada ist Hochtief bei der<br />

Sanierung des Ruskin-Staudamms<br />

dabei, im kalifornischen<br />

Anaheim bei der Erweiterung<br />

des Convention<br />

Centers. Rechnet man Währungseffekte<br />

und Unternehmensverkäufe<br />

heraus, erhöhten<br />

sich die Neuaufträge im<br />

ersten Quartal um 19 Prozent.<br />

Operativ ist der Essener<br />

Baukonzern in diesem Jahr<br />

gut gestartet. Auf vergleichbarer<br />

Basis ist der Nettogewinn<br />

um 23 Prozent auf 53 Millionen<br />

Euro gestiegen. Bis Ende<br />

des Jahres rechnen Analysten<br />

damit, dass Hochtief aus rund<br />

25 Milliarden Euro Umsatz<br />

gut 1,5 Milliarden operativen<br />

Gewinn (vor Zinsen, Steuern,<br />

Abschreibungen und Amortisation)<br />

holt. Gemessen an<br />

den Nettoschulden von 575<br />

Millionen Euro, ist das eine<br />

solide Relation. Die Eigenkapitalquote<br />

von 22 Prozent ist<br />

im Vergleich zu anderen Baukonzernen<br />

gut. So gesehen<br />

sind die 2,3 Prozent Jahresrendite<br />

der neuen, bis 2019<br />

laufenden Hochtief-Anleihe<br />

kein so schlechtes Angebot.<br />

Allerdings, ein Investment<br />

in Hochtief – egal, ob Aktie<br />

oder Anleihe – birgt eine Unsicherheit:<br />

Der 1873 gegründete<br />

Traditionskonzern ist in<br />

der Hand des spanischen<br />

Bauriesen ACS. Der hat seit<br />

seinem Einstieg 20<strong>07</strong> seinen<br />

Anteil schrittweise hochgeschraubt<br />

und besitzt inzwischen<br />

59 Prozent des Aktienkapitals.<br />

Die Gefahr ist groß, dass<br />

Hochtief früher oder später als<br />

eigener Konzern von der Börse<br />

verschwindet. Hochtief könnte<br />

dann neben den Schwester-Unternehmen<br />

Leighton aus Australien,<br />

Turner und Flatiron aus<br />

den USA und Dragados aus<br />

Spanien nur als Unternehmensmarke<br />

im weltweiten ACS-Verbund<br />

erhalten bleiben, spezialisiert<br />

auf den Wachstumsmarkt<br />

Infrastrukturbau (Wirtschafts-<br />

Woche 13/<strong>2014</strong>). Wer heute Anleihen<br />

von Hochtief kauft und<br />

behält, hätte dann aller Voraussicht<br />

nach Anleihen von ACS im<br />

Depot.<br />

Mit nur zehn Prozent Eigenkapitalquote<br />

ist ACS ein schwächerer<br />

Schuldner als Hochtief<br />

allein. Allerdings kommen die<br />

Spanier beim Abbau ihres<br />

Schuldenberges dank der Integration<br />

ihrer lukrativen Töchter<br />

Hochtief und Leighton gut voran.<br />

Seit dem Einstieg bei Hochtief<br />

baute ACS die Nettoschulden<br />

um etwa zwei Drittel auf<br />

derzeit 4,6 Milliarden Euro ab.<br />

Hochtief-ACS-Anleihen sind<br />

ein spekulatives Investment als<br />

Ergänzung in einem internationalen<br />

Anleihedepot.<br />

Kurs (%) 101,55<br />

Kupon (%) 2,625<br />

Rendite (%) 2,30<br />

Laufzeit bis 28. Mai 2019<br />

Währung<br />

Euro<br />

ISIN<br />

DE000A12TZ95<br />

WirtschaftsWoche 7.6.<strong>2014</strong> Nr. 24 101<br />

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Geld&Börse | Geldwoche<br />

FONDS Agressor<br />

Übernahmen bringen<br />

die Franzosen voran<br />

Die besten Länder-Aktienfonds<br />

Wie die erfolgreichsten Portfolio-Manager abgeschnitten haben<br />

Fondsname<br />

ISIN<br />

Wertentwicklung<br />

in Prozent<br />

seit 3<br />

Jahren 1<br />

seit einem<br />

Jahr<br />

Volatilität<br />

2<br />

in<br />

Prozent<br />

Von der Rolle Neuer Chef soll<br />

Kabelbauer Nexans stärken<br />

Frankreich ist bei internationalen<br />

Investoren eher unbeliebt.<br />

Sie irritiert das starke<br />

Abschneiden der rechtspopulistischen<br />

Partei Front National<br />

(FN) bei der Europawahl<br />

und die nur zaghaften Versuche<br />

der Regierung, die Staatsfinanzen<br />

zu sanieren und die<br />

Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.<br />

Der Standardwerteindex<br />

CAC 40 hat sich trotzdem<br />

in diesem Jahr mit einem<br />

Plus von 9,5 Prozent besser<br />

entwickelt als der Dax. Seinen<br />

Höchststand aus dem Jahr<br />

20<strong>07</strong> hat der französische Index<br />

allerdings noch nicht wieder<br />

erreicht. Fondsmanager<br />

Damien Lanternier von der<br />

Fondsgesellschaft Financière<br />

de l’Echiquier aus Paris hält<br />

die Lage in seiner Heimat<br />

nicht für dramatisch. „Reformen<br />

sind in Frankreich nur<br />

mit einer linken Regierung<br />

möglich, und der FN wird bei<br />

den Entscheidungen keine<br />

Rolle spielen, weil er keine<br />

Partner findet.“<br />

Dass Maßnahmen der Europäischen<br />

Zentralbank<br />

Frankreich viel bringen, erwartet<br />

er nicht: „Wir benötigen<br />

nicht noch mehr billiges<br />

Geld, sondern Kostensenkungen<br />

und mehr Flexibilität auf<br />

dem Arbeitsmarkt.“<br />

Lanternier kann für den<br />

Fonds europaweit investieren.<br />

Er sucht nach Unternehmen,<br />

die finanziell gesund<br />

sind und einen soliden Cash-<br />

Flow erzielen. Dabei achtet er<br />

auf ein Management, dem er<br />

zutraut, die Margen zu verbessern.<br />

Häufig wird er in seiner<br />

Heimat fündig. Französische<br />

Aktien haben in dem Portfolio<br />

einen hohen Anteil von 57 Prozent.<br />

Einer seiner Neuzugänge<br />

ist der Kabelhersteller Nexans,<br />

dessen CEO er zutraut, Wettbewerbsnachteile<br />

gegenüber dem<br />

italienischen Konkurrenten<br />

Prysmian abzubauen. Der<br />

Fondskurs hat zuletzt von Übernahmeangeboten<br />

profitiert. Die<br />

zum Fonds gehörende Numericable<br />

hat seit der Ankündigung,<br />

dass sie den zweitgrößten französischen<br />

Mobilfunkanbieter<br />

SFR für 17 Milliarden Euro kaufen<br />

will, 50 Prozent zugelegt.<br />

„Der Zusammenschluss bringt<br />

milliardenschwere Synergien<br />

im umkämpften Telekommarkt“,<br />

sagt Lanternier. Auch<br />

die zum Fonds gehörenden Aktien<br />

des Schiffsausrüsters Bourbon<br />

und der IT-Beratung Steria<br />

stiegen nach Übernahmeofferten.<br />

Mit dem Luxusgüterkonzern<br />

Kering (früher PPR) setzt<br />

der Experte auf einen stärkeren<br />

Konsum in Schwellenländern.<br />

Agressor<br />

ISIN:FR0010321802<br />

240<br />

220<br />

200<br />

180<br />

160<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

Chance<br />

Risiko<br />

CAC-40-<br />

Aktienindex<br />

Frankreich<br />

10 11 12 13 14<br />

Niedrig<br />

auf100 umbasiert<br />

Quelle:Thomson Reuters<br />

Hoch<br />

Frankreich<br />

Agressor (Financière de l’Echiquier)<br />

Fidelity France<br />

JPMorgan France Equity<br />

Lyxor ETF CAC 40 3<br />

EdR Tricolore Rendement<br />

SSgA France Index Equity<br />

Italien<br />

Schroder ISF Italian<br />

Fidelity Italy<br />

CS EF (Lux) Italy<br />

DWS Invest Italian Equities<br />

Oyster Italian Value<br />

iShares FTSE MIB 3<br />

AXA WF Framlington Italy<br />

Pioneer Italian Equity<br />

SSgA Italy Index Equity<br />

Mediolanum Italian Equity<br />

Oyster Italian Opportunities<br />

Großbritannien<br />

Threadneedle UK Smaller Companies<br />

Threadneedle UK Equity Alpha<br />

JO Hambro UK Growth<br />

Threadneedle UK Equities<br />

Invesco UK Equity<br />

JO Hambro UK Dynamic<br />

iShares MSCI UK Small Cap<br />

JO Hambro UK Equity Income<br />

Jupiter UK Growth Fund<br />

iShares FTSE 250 3<br />

Newton UK Opportunities<br />

Schroder ISF UK Equity<br />

JOHCM UK Opportunities<br />

Threadneedle UK Mid 250<br />

Russell UK Equity<br />

Russell UK Equity Plus<br />

iShares UK Dividend<br />

Investec GSF UK Equities GBP<br />

UBS EF Greater Britain<br />

Lazard UK Equities<br />

M&G UK Growth Euro<br />

Newton Higher Income GBP<br />

CMI UK Equity Index Tracking<br />

Fidelity Fast UK GBP<br />

Axa Rosenberg UK Equity Alpha<br />

FR0010321802<br />

LU0048579410<br />

LU<strong>07</strong>73547947<br />

FR00<strong>07</strong>052782<br />

FR0010588350<br />

FR0000018<strong>07</strong>9<br />

LU0<strong>06</strong>7016716<br />

LU0048584766<br />

LU0055733355<br />

LU0254493041<br />

LU0096450399<br />

IE00B1XNH568<br />

LU0087656699<br />

LU0085424223<br />

FR0000017972<br />

IE0004905604<br />

LU0<strong>06</strong>9164738<br />

GB0001530343<br />

GB00B12WJY78<br />

IE0031005543<br />

GB0001448900<br />

IE0030382794<br />

GB00B4T7JX59<br />

IE00B3VWLG82<br />

GB00B03KR500<br />

GB0004792130<br />

IE00B00FV128<br />

GB0031189888<br />

LU0045667853<br />

GB00B0LLB641<br />

GB0033547604<br />

IE00<strong>07</strong>356698<br />

IE00B12V2X41<br />

IE00B0M63<strong>06</strong>0<br />

LU0345775364<br />

LU0098994139<br />

IE0005<strong>06</strong>2744<br />

GB00B23X9910<br />

GB00<strong>06</strong>779218<br />

LU0129304613<br />

LU0525802699<br />

IE0031<strong>07</strong>0059<br />

1 jährlicher Durchschnitt(in Euro gerechnet); 2 je höherdie Jahresvolatilität(Schwankungsintensität)<br />

in den vergangenen drei Jahren, desto riskanter derFonds; 3 weitereETFsmit<br />

diesem Index vonanderen Anbietern; Quelle: Morningstar;Stand: 2.6.<strong>2014</strong><br />

8,7<br />

10,1<br />

8,7<br />

8,6<br />

6,8<br />

8,3<br />

9,5<br />

11,8<br />

7,8<br />

4,7<br />

9,6<br />

4,1<br />

10,3<br />

5,5<br />

3,4<br />

6,8<br />

5,6<br />

18,0<br />

19,3<br />

17,5<br />

17,5<br />

19,2<br />

17,7<br />

16,2<br />

18,3<br />

18,7<br />

15,3<br />

13,9<br />

12,8<br />

15,6<br />

15,6<br />

13,6<br />

13,1<br />

13,5<br />

12,8<br />

10,3<br />

10,2<br />

12,0<br />

12,4<br />

11,5<br />

12,7<br />

12,0<br />

20,3<br />

18,6<br />

18,5<br />

17,5<br />

16,3<br />

14,8<br />

34,5<br />

34,1<br />

30,3<br />

27,7<br />

27,7<br />

27,6<br />

26,5<br />

25,4<br />

25,0<br />

24,7<br />

22,9<br />

29,6<br />

24,5<br />

24,4<br />

22,8<br />

21,6<br />

21,5<br />

20,5<br />

20,2<br />

20,2<br />

19,4<br />

17,7<br />

17,6<br />

17,5<br />

17,2<br />

16,9<br />

16,8<br />

16,6<br />

16,3<br />

15,8<br />

15,5<br />

14,6<br />

13,7<br />

13,6<br />

13,3<br />

13,3<br />

14,2<br />

13,9<br />

15,8<br />

15,7<br />

15,3<br />

15,3<br />

18,5<br />

20,9<br />

22,7<br />

22,1<br />

18,5<br />

23,0<br />

20,4<br />

18,6<br />

22,6<br />

22,5<br />

18,7<br />

14,4<br />

11,5<br />

14,6<br />

10,8<br />

12,7<br />

13,5<br />

14,0<br />

12,8<br />

14,2<br />

12,6<br />

11,7<br />

13,1<br />

9,8<br />

13,7<br />

12,5<br />

12,6<br />

10,7<br />

11,9<br />

12,0<br />

13,7<br />

12,9<br />

10,7<br />

12,5<br />

11,2<br />

11,9<br />

FOTO: DPA/PICTURE-ALLIANCE/MAXIME JEGAT<br />

102 Redaktion Fonds: Heike Schwerdtfeger<br />

Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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Geld&Börse | Geldwoche<br />

CHARTSIGNAL<br />

Das schwächste Glied<br />

Die neue Baisse am griechischen Aktienmarkt ist<br />

eine Warnung für die europäischen Finanzmärkte.<br />

Jede Kette ist nur so stark wie<br />

ihr schwächstes Glied. Mit<br />

zeitweise über 90 Prozent Verlust<br />

seit Oktober 20<strong>07</strong> hatte<br />

die Börse Athen, gemessen<br />

am Index ASE, während der<br />

Finanz- und Euro-Krise die<br />

mit Abstand höchsten Verluste<br />

unter den europäischen<br />

Börsen erlitten. Überdurchschnittlich<br />

mit 188 Prozent Indexplus<br />

fiel in Athen auch die<br />

Rally seit Juni 2012 aus. Doch<br />

von Mitte März bis Mitte Mai<br />

<strong>2014</strong> stand die Börse Athen<br />

wieder unter starkem Abgabedruck.<br />

Der ASE hatte zwischenzeitlich<br />

23 Prozent verloren.<br />

Bereits im April wurde<br />

eine kleine, zunächst unscheinbare<br />

Schulter-Kopf-<br />

Schulter-Formation (SKS) mit<br />

dem Durchbruch der Nackenlinie<br />

komplettiert (1). Die<br />

nach rechts unten geneigte<br />

Nackenlinie signalisierte<br />

technische Schwäche. Es folgte<br />

ein Kurseinbruch, bei dem<br />

auch die Aufwärtstrendlinie<br />

T1 unterschritten wurde (2).<br />

Die anschließende Gegenreaktion<br />

endete an T1, die jetzt<br />

Abstieg <strong>vom</strong> Olymp<br />

Seit MitteMärz steht die Börse Athen wieder unter<br />

starkem Abgabedruck<br />

1400<br />

1300<br />

1200<br />

1100<br />

1000<br />

900<br />

800<br />

700<br />

5<br />

Börse Athen*<br />

2013<br />

S1<br />

S2<br />

BroadeningTop<br />

*Athens Stock Exchange General Index (ASE); Quelle: Thomson Reuters<br />

als Widerstand wirkt (3). Der<br />

darauf folgende Kursrückgang<br />

reichte bis unter die Unterstützung<br />

bei gut 1100 Punkten. Die<br />

aktuelle Erholung könnte zur<br />

Ausbildung einer weiteren großen<br />

Schulter, vergleichbar mit<br />

jener <strong>vom</strong> Januar <strong>2014</strong> (S3) führen.<br />

Alternativ lässt sich auch<br />

ein Broadening Top erkennen.<br />

Bei dieser Trendumkehrformation<br />

verlaufen die Kurse innerhalb<br />

von zwei auseinanderlaufenden<br />

Linien. Abgeschlossen<br />

wurde die Formation durch den<br />

Fall unter die Unterstützung des<br />

Januartiefs (4). Das Abwärtspotenzial<br />

entspricht jenem der<br />

SKS-Formation. Bei einem Fall<br />

unter die potenzielle Nackenlinie<br />

ließe sich aus der Höhe der<br />

SKS-Formation ein Abwärtspotenzial<br />

von etwa 30 Prozent ableiten.<br />

Ein Test der Tiefpunkte<br />

<strong>vom</strong> Juli 2013 (5) bei unter 800<br />

Punkten wäre zu erwarten. Die<br />

Aktienmärkte sind zwar längst<br />

kein verlässlicher Indikator<br />

mehr für die Konjunktur. Aber<br />

die Richtung der Aktienkurse in<br />

Südeuropa bestimmt die Wahrnehmung<br />

der Euro-Krise mit.<br />

T1<br />

S3<br />

K<br />

S<br />

<strong>2014</strong><br />

S Nackenlinie<br />

1<br />

3<br />

2<br />

4<br />

PotenzielleNackenlinie<br />

200-Tage-Linie<br />

RELATIVE STÄRKE<br />

Vermieten wie Otto<br />

Die Deutsche Euroshop profitiert von niedrigen<br />

Zinsen – und zahlt deshalb fette Dividenden.<br />

Immobilienaktien laufen besonders<br />

gut, wenn die Zinsen<br />

niedrig sind und womöglich<br />

noch weiter nachgeben. Dann<br />

sind Mieteinnahmen in der<br />

Regel deutlich höher als herkömmliche<br />

Zinseinnahmen.<br />

Dieser Effekt hat die Aktien<br />

der Deutschen Euroshop bis<br />

auf Rang 4 der Tabelle getrieben.<br />

Und der Kursanstieg geht<br />

weiter. Vor einem Jahr stockte<br />

der Shoppingcenter-Investor<br />

seine Beteiligung am lukrativen<br />

Altmarkt in Dresden auf. Die<br />

Mieteinnahmen im Konzern<br />

dürften in diesem Jahr auf gut<br />

2,15 Euro je Aktie klettern (plus<br />

drei Prozent). Damit ist für <strong>2014</strong><br />

ein Dividendenanstieg auf 1,30<br />

Euro je Aktie leicht möglich.<br />

Der Großaktionär (Versandriese<br />

Otto mit 15,9 Prozent) hätte<br />

bestimmt nichts dagegen.<br />

Wer schlägt den Index?<br />

Die innerhalb der vergangenen drei Monate am stärksten<br />

gestiegenen und gefallenen Aktien 1<br />

Rang Aktie Index Kurs 2 Kursentwicklung Relative Trend 3<br />

(€) (in Prozent) Stärke<br />

3 Monate 1 Jahr<br />

(in Prozent)<br />

Gewinner<br />

1 Nordex TecDax 15,90 +35,32 +184,74 32,5<br />

2 Dialog Semic. NA (GB) TecDax 21,99 +23,89 +84,95 22,4<br />

3 Nemetschek TecDax 69,43 +24,29 +50,93 21,9<br />

4 Deutsche Euroshop MDax 36,46 +14,51 +10,24 13,1 4<br />

5 Bechtle TecDax 64,37 +13,27 +70,36 12,6<br />

6 Banco Santander (ES) Stoxx50 7,49 +16,70 +48,02 12,3<br />

7 Elringklinger Na MDax 30,61 +12,25 +10,59 12,0 4<br />

8 Drillisch TecDax 27,60 +11,88 +119,31 10,6 4<br />

9 Unilever N.V. (NL) Stoxx50 32,<strong>06</strong> +13,19 +1,99 10,4 4<br />

10 ThyssenKrupp Dax 21,63 +10,50 +40,91 10,4<br />

11 BMW St Dax 90,88 +11,02 +23,98 9,3 4<br />

12 BG Group (GB) Stoxx50 1226,50 +11,80 +1,78 9,2 4<br />

13 Henkel Vz Dax 85,35 +12,16 +13,98 8,7 4<br />

14 Unilever plc. (GB) Stoxx50 2700,00 +11,02 -2,03 8,3 4<br />

15 KUKA MDax 41,08 +12,61 +14,11 8,2 5<br />

16 Stratec Biomed TecDax 35,46 +7,85 +0,21 7,5 4<br />

17 Manz TecDax 72,30 +5,70 +118,40 7,2 5<br />

18 LVMH (FR) Stoxx50 145,15 +10,25 +7,88 7,0 4<br />

19 LEG Immobilien MDax 50,84 +10,57 +18,51 6,9 4<br />

20 Hugo Boss NA MDax 105,00 +7,64 +22,69 6,1 4<br />

21 Novartis (CH) Stoxx50 79,55 +7,<strong>07</strong> +16,56 6,0<br />

22 Total (FR) Stoxx50 50,89 +10,29 +31,50 5,9<br />

23 AstraZeneca (GB) Stoxx50 4363,50 +8,79 +30,53 5,8 4<br />

24 Krones MDax 70,69 +8,80 +28,20 5,8 5<br />

Verlierer<br />

151 SMA Solar Technol. TecDax 27,79 -40,36 +11,74 -43,4<br />

150 Südzucker MDax 14,61 -30,98 -43,99 -37,0<br />

149 Osram Licht MDax 36,09 -26,61 - -28,8<br />

148 Drägerwerk TecDax 75,54 -21,15 -22,<strong>07</strong> -23,6<br />

147 Aixtron TecDax 10,42 -17,47 -20,41 -22,4 5<br />

146 Wacker Chemie MDax 82,29 -18,04 +49,51 -21,1<br />

145 Wincor Nixdorf MDax 47,30 -15,90 +6,53 -18,8<br />

144 LPKF Laser&El. TecDax 15,30 -15,03 +36,50 -17,1<br />

143 Pfeiffer Vacuum TecDax 77,87 -12,66 -5,55 -16,7 5<br />

1<br />

aus Dax, MDax, TecDax und Stoxx Europe 50 im Vergleich zum Stoxx Europe 600;<br />

2<br />

bei GB in Pence, bei CH in Franken; 3 Änderung um mindestens fünf Ränge; 4.6.<strong>2014</strong>,<br />

14:00 Uhr<br />

104 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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Perspektiven&Debatte<br />

Schönheit<br />

abseits<br />

des Balles<br />

BRASILIEN | Der Gastgeber der Fußballweltmeisterschaft<br />

<strong>2014</strong> lenkt mit den<br />

Spielorten den Blick auf weniger bekannte<br />

und dennoch lohnende Reiseziele –<br />

während, aber vor allem auch nach dem<br />

Fußballspektakel.<br />

Zwölf Spielorte in einem Land mit doppelt so viel<br />

Fläche wie die EU, in das die Bundesrepublik 24 Mal<br />

hineinpassen würde – das Austragungsland der Fußballweltmeisterschaft<br />

bietet ganz eigene Herausforderungen, aber<br />

auch besondere Attraktionen. Die deutsche Nationalmannschaft<br />

muss für ihre drei Vorrundenspiele etwa 6000 Kilometer fliegen –<br />

das ist knapp die Entfernung zwischen Frankfurt und New York.<br />

Für die Fußballfans sind die Distanzen eine Chance. An vielen<br />

Spielorten gibt es Sehenswürdigkeiten. Eine Übersicht über die<br />

touristischen Attraktionen, von Traumstränden oder avantgardistischen<br />

Kunst- und Architekturparks bis zu historischen Städtchen<br />

und Dschungellandschaften.<br />

SALVADOR DE BAHIA<br />

Deutschland : Portugal, 16. Juni<br />

Salvador de Bahia ist mit 3,3 Millionen Einwohnern die drittgrößte<br />

Stadt Brasiliens und das Zentrum der afro-brasilianischen Kultur<br />

des Landes. Von hier kommen der Tanzkampf Capoeira und die<br />

Blocos Afro, Trommelgruppen wie Olodum, die jedes Spiel der Seleção<br />

begleiten, am liebsten beim Public Viewing in der kolonialen<br />

Altstadt. Nur hier gibt es die Moqueca: Fisch und Meeresfrüchte<br />

in Palmöl und Kokosmilch gekocht. Meisterhaft macht das Beto<br />

Pimentel in seinem Restaurant Paraíso Tropical. Hier kommt nur<br />

auf den Tisch, was am frühen Morgen aus dem Meer, den Plantagen<br />

und aus dem Regenwald geholt wurde (restauranteparaisotropical.com.br).<br />

In der Nähe von Salvador liegen Traumstrände.<br />

Morro de São Paulo ist mit dem Katamaran in eineinhalb Stunden<br />

zu erreichen. Auf der Insel gibt es geschmackvolle Pousadas, Design-Hotels,<br />

in denen sich die Gäste von den Partys an den Stränden<br />

erholen können. Tipp: minhaloucapaixao.com.br<br />

»<br />

GRAFIK: MARTIN HAAKE<br />

1<strong>06</strong> Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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Perspektiven&Debatte<br />

FORTALEZA<br />

Deutschland : Ghana, 21. Juni<br />

spektakeln in Südamerika. Wer dort übernachtet,<br />

erlebt sie menschenleer.<br />

Tipp: hoteldascataratas.com<br />

Über die Strände der Nordostmetropole<br />

fegt permanent ein kräftiger, erfrischender<br />

Wind. Das ist gut für die Windkraftanlagen<br />

– aber noch interessanter für das Windund<br />

Kite-Surfer-Paradies Jeriquaquara, 300<br />

Kilometer entfernt von der Hauptstadt des<br />

Bundesstaates Ceará. Das ehemalige Hippiedorf<br />

ist heute zwar voller gestylter Unterkünfte,<br />

doch die Stadt konnte sich etwas<br />

<strong>vom</strong> Woodstock-Feeling erhalten. So trifft<br />

sich zum Beispiel jeden späten Nachmittag<br />

das ganze Dorf auf der gewaltigen Düne<br />

am Strand, um die Sonne im Meer versinken<br />

zu sehen. Tipp: Pousada Jeriba.<br />

jeriba.com.br<br />

RECIFE<br />

Deutschland : USA, 26. Juni<br />

Die Hafenstadt<br />

Recife ist mit 1,5<br />

Millionen Einwohnern<br />

Hauptstadt<br />

des Bundesstaats<br />

Pernambuco.<br />

Relativ nahe<br />

der anstrengenden<br />

Metropole<br />

liegt mit 550 Kilometern<br />

und gut 45<br />

Flugminuten entfernt<br />

die Inselgruppe Fernando de Noronha.<br />

Vor den Stränden des Vulkanarchipels<br />

ist das Wasser so klar wie im Aquarium.<br />

Die Küste zählt zu den schönsten<br />

Tauchgebieten der Welt und ist dennoch<br />

sehr ruhig.<br />

Tipp: Pousada Zé Maria.<br />

pousadazemaria.com.br<br />

PORTO ALEGRE<br />

Achtelfinale ggf. mit Deutschland<br />

(Gruppenerster), 30. Juni<br />

Cabernet statt Caipirinha: 90 000 Hektar<br />

Wein werden heute in Brasilien angebaut,<br />

fast so viel wie in Deutschland. Italiener<br />

brachten die ersten Trauben nach Brasilien.<br />

Der Merlot ist beliebt, brasilianischer<br />

Sekt gewinnt internationale Preise. Im<br />

südbrasilianischen Bento Gonçalves reiht<br />

sich im „Tal des Weines“ ein Gut an das<br />

nächste.<br />

Tipp: Casa Valduga, Miolo und Salton.<br />

BELO HORIZONTE<br />

Mögliches Halbfinale<br />

Brasilien : Deutschland, 8. Juli<br />

Der brasilianische Bergbaumilliardär Bernardo<br />

Paz beschloss vor 15 Jahren, dass er<br />

nicht mehr reicher werden wollte – und begann<br />

seine Farm zu einem botanischen<br />

Garten auszubauen und mit zeitgenössischer<br />

Kunst zu füllen. Führende Künstler<br />

der Gegenwart hat er eingeladen, sich dort<br />

auszutoben. Preisgekrönte Architekten haben<br />

in Inhotim für die Avantgarde Pavillons<br />

gebaut – die selbst wieder architektonische<br />

Avantgarde sind (inhotim.org.br).<br />

Tipp: estalagemdomirante.com.br<br />

MANAUS<br />

Vorrunde: USA, Schweiz<br />

Brasilien, das ist Regenwald, der sich unter<br />

Luxusbedingungen erkunden lässt und<br />

zum Reiseprogramm gehören sollte.<br />

Tipp: anavilhanaslodge.com<br />

CURITIBA<br />

Vorrunde u. a. mit Argentinien,<br />

Spanien, Iran, Russland<br />

Die südbrasilianische Stadt ist der kälteste<br />

Ort des Landes. Die Wasserfälle von Iguazú<br />

zählen zu den aufregendsten Natur-<br />

BRASILIA<br />

Viertelfinale mit möglicher<br />

deutscher Beteiligung, 5. Juli<br />

Für die Stadt, erbaut von dem für seine<br />

Kurven in Beton bekannten Architekten<br />

Oscar Niemeyer, reicht ein Tag. Beim morgendlichen<br />

Joggen am Pampulha-See können<br />

Besucher mit etwas Glück die Präsidentin<br />

Dilma Rousseff sehen, wenn sie ihren<br />

„Palast der Morgenröte“ verlässt.<br />

Tipp: Brasília Palace. brasiliapalace.com.br<br />

CUIABÁ<br />

Vorrunde: Chile, Japan,<br />

Nigeria, Südkorea<br />

Im Pantanal, dem Schwemmgebiet mit<br />

der atemraubenden Fauna, kann man Jaguaren<br />

nachpirschen.<br />

Tipp: jaguarresearchcenter.com<br />

RIO DE JANEIRO<br />

Achtelfinale, Viertelfinale und<br />

das Finale am 13. Juli<br />

Die Stadt am Zuckerhut und unterm Christo<br />

ist voller Sehenswürdigkeiten. Einen<br />

Ausflug wert ist das historische Städtchen<br />

Paraty. Heute sind in den kolonialen Herrenhäusern<br />

der Altstadt auch Restaurants<br />

untergebracht.<br />

Tipp: Pousada Ouro. pousadaouro.com.br<br />

alexander.busch@wiwo.de | São Paulo<br />

FOTOS: PICTURE PRESS/ROBERT HARDING PICTURE LIBRARY, AGÊNCIA O GLOBO/FABIO SEIXO, ACTION PRESS/REX FEATURES<br />

108 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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Perspektiven&Debatte | Kost-Bar<br />

ALLES ODER NICHTS<br />

BERNHARD BRUGGER<br />

Geschäftsführer des<br />

Rabattdienstes Payback<br />

Aktien oder Gold?<br />

Aktien, ich glaube an<br />

den Erfolg von Wirtschaftsunternehmen.<br />

Cabrio oder SUV?<br />

Ich fahre seit über zehn<br />

Jahren mein altes VW Käfer<br />

Cabrio und freue mich jedes<br />

Mal, wenn es anspringt.<br />

Apartment oder Villa?<br />

Haus mit Garten für die<br />

Kinder.<br />

Fitnessstudio oder<br />

Waldlauf?<br />

Beides okay – noch viel mehr<br />

Spaß macht mir aber Fußballschauen<br />

mit Freunden.<br />

Buch oder DVD?<br />

Kindle und Filme-Downloads,<br />

da gibt’s noch mal Punkte.<br />

Dusche oder Wanne?<br />

Dusche – Wanne im Winter<br />

mit Zeit.<br />

Maßschuhe oder Sneakers?<br />

Wenn ich kann, Sneakers.<br />

Rotwein oder Weißwein?<br />

Definitiv Rotwein, für mich als<br />

Bayer darf’s aber gerne auch<br />

mal ein Bier sein.<br />

Jazz oder Klassik?<br />

Electronic und Rock.<br />

Berge oder Meer?<br />

Nichts schlägt einen sonnigen<br />

Skitag.<br />

Tee oder Kaffee?<br />

Grüner Tee – Kaffee trinke ich<br />

schon seit Jahren nicht mehr.<br />

CARL-ORFF-FESTIVAL IN ANDECHS<br />

Fingerzimbel und Lustspiel<br />

Der Komponist und Musikpädagoge Carl Orff (1895–1982) ist Schulkindern<br />

durch das nach ihm benannte leicht zu spielende Orff-Instrumentarium wie<br />

Fingerzimbel, Schellentrommel oder Holzblocktrommel bekannt und Fernsehzuschauern<br />

durch die häufige Verwendung des Beginns seiner szenischen Kantate<br />

Carmina Burana. Die Carl Orff Festspiele in Andechs starten am 14. Juni jedoch<br />

mit dem Programm „Orff und Büchner“, das die Gemeinsamkeiten des Musikers<br />

und des Schriftstellers erörtert. Am 27. Juni feiert Büchners Lustspiel „Leonce<br />

und Lena“ Premiere, das Orff vertonte. Neben Kammerkonzerten steht ab 24. Juli<br />

bis 3. August dann Orffs Carmina Burana in einer Aufführung mit Licht und<br />

Projektionen auf dem Programm. carl-orff-festspiele.de<br />

KARL<br />

Der Große<br />

Er ist seit 1200 Jahren tot.<br />

Dennoch widmet ihm die Stadt<br />

Aachen an drei Orten eine<br />

Mammutschau. Karl der Große<br />

brachte das Frankenreich zu<br />

seiner größten Ausdehnung,<br />

die Spuren seines Wirkens sind<br />

in der Ausstellung <strong>vom</strong> 20. Juni<br />

bis 21. September zu sehen. Im<br />

Krönungssaal des Aachener<br />

Rathauses sieht der Besucher<br />

in „Orte der Macht“ höfisches<br />

Leben. In „Karls Kunst“ im Centre<br />

Charlemagne ist Kunst der<br />

Karolingerzeit und in der Domschatzkammer<br />

sind „Verlorene<br />

Schätze“ zu sehen.<br />

karldergrosse<strong>2014</strong>.de<br />

THE NEW YORKER<br />

„I can’t give you a raise, but I can give you<br />

this ,Also Participated‘ ribbon“<br />

FOTOS: STEFAN A. SCHUHBAUER-VON JENA, PR; CARTOON: BARBARA SMALLER/CONDÉ NAST PUBLICATIONS/WWW.CARTOONBANK.COM<br />

110 Redaktion: thorsten.firlus@wiwo.de<br />

Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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Leserforum<br />

Geld&Börse<br />

Ultraschnelle Computerhändler und<br />

ihre Geschäfte sind in Verruf geraten.<br />

Heft 24/<strong>2014</strong><br />

Des Hasen Tod<br />

Es ist auffallend, wie häufig die<br />

WirtschaftsWoche Themen aus<br />

dem Finanzbereich auch zu ihrem<br />

Titel macht. Dieser Artikel<br />

scheint mir besonders gelungen,<br />

weil er sehr akribisch beschreibt,<br />

wie diese Flash Boys agieren. Das<br />

liest sich alles sehr spannend<br />

und bietet viele Informationen.<br />

Dass sich um den schnellen<br />

Handel eine regelrechte Industrie<br />

entwickelt hat, die Handelsdaten<br />

und Rechnerplätze<br />

vermarktet, klingt schon fast bedrohlich,<br />

zumal das rechtliche<br />

Umfeld solchen Transaktionen<br />

scheinbar viel Freiraum lässt. Da<br />

ist es doch tröstlich, dass auch in<br />

diesem Metier die Regeln des<br />

Wettbewerbs gelten und schnelle<br />

Gewinne die Konkurrenz<br />

anlocken. Wie heißt es doch so<br />

schön: „Viele Hunde sind des<br />

Hasen Tod.“<br />

Gerold Brandt<br />

via E-Mail<br />

Im Sog<br />

des billigen<br />

Geldes<br />

Das bringtdie Null-Zins-Politik<br />

fürKonjunktur, Unternehmen<br />

und Anleger<br />

Unternehmen&Märkte<br />

Interview mit den Gründern des<br />

Boulevard-Web-Portals Heftig.co.<br />

Heft 23/<strong>2014</strong><br />

Flachheiten<br />

Dass man mit geistiger Oberflächlichkeit<br />

viel Geld verdienen<br />

kann, ist nichts Neues. Warum<br />

die WirtschaftsWoche einem<br />

Vertreter dieser Branche ganze<br />

drei Heftseiten einräumt,<br />

23<br />

Schweiz CHF 8,20 | Österreich €5,30 | Benelux €5,30 | Griechenland €6,00 | Großbritannien GBP 5,40 | Italien €6, 0 | Polen PLN 27,50 | Portugal €6,10 | Slowakei €6,10 | Spanien €6,00 | Tschechische Rep. CZK 200,- | Ungarn FT 2000,-<br />

2.6.<strong>2014</strong>|Deutschland €5,00<br />

2 3<br />

4 1 98<strong>06</strong>5 805008<br />

erschließt sich mir nicht. Denn<br />

ich kann mir nicht vorstellen,<br />

dass ein nennenswerter Teil der<br />

Leserschaft solche Seiten im<br />

Netz aufsucht. Ein großer Nachteil<br />

der elektronischen Medien<br />

ist das riesige Angebot an Flachheiten,<br />

die leider zahlreich konsumiert<br />

werden. Gibt es nichts<br />

Sinnvolleres zu tun, als irgendwelchem<br />

Mist Aufmerksamkeit<br />

zu schenken?<br />

Ingolf Wappler<br />

Lengefeld (Sachsen)<br />

Ganz schön heftig<br />

Als ich das Interview mit den beiden<br />

Heftig-Gründern las, fiel es<br />

mir schwer, zu glauben, dass die<br />

WirtschaftsWoche so ein Thema<br />

zur Einführungsgeschichte ihrer<br />

Rubrik Unternehmen&Märkte<br />

macht. Das ist schon ganz schön<br />

heftig! Diese Geschichte wirkt<br />

aufgestülpt. Ist es ein Mega-<br />

Trend, 25- bis 45-jährige, weibliche<br />

Medienmuffel mit Rührstorys<br />

zu beglücken? Wo liegt die<br />

wirtschaftliche Relevanz? Warum<br />

den beiden Gründern Glöß<br />

und Schilling so viel Aufmerksamkeit<br />

eingeräumt wird, bleibt<br />

mir leider verschlossen. Ein<br />

Start-up-Artikel, wie er auf Ihren<br />

Seiten „Menschen der Wirtschaft“<br />

wöchentlich erscheint,<br />

hätte es auch getan. Lobenswert<br />

– das sei bei aller Kritik erwähnt –<br />

ist allemal die Art und Weise, wie<br />

das Interview geführt wurde –<br />

frisch, frech und dennoch immer<br />

sachlich.<br />

Horst Schnoor<br />

via E-Mail<br />

Der Volkswirt<br />

Axel Honneth, Direktor des Frankfurter<br />

Instituts für Sozialforschung,<br />

über Ungleichheit. Heft 22/<strong>2014</strong><br />

Gut gemacht<br />

Ein hervorragendes Interview!<br />

Ihre Auswahl des Gesprächspartners<br />

war der richtige Griff.<br />

Treffende Argumente zur<br />

Präzisierung des diffusen Unbehagens<br />

an einer pauschalen<br />

Marktgläubigkeit. Gut gemacht!<br />

Dr. Eckhard Apenburg<br />

Kirchseeon (Bayern)<br />

Feinschliff<br />

Der Markt ist ein Geben und<br />

Nehmen. Ein Ausloten von<br />

Chancen und Risiken. Die Ausgewogenheit<br />

(ich spreche bewusst<br />

nicht von einer Gerechtigkeit<br />

– die gibt es im absoluten<br />

Sinne nie) sollte das Maß aller<br />

Dinge sein. Und die Marktteilnehmer<br />

haben die Freiheit,<br />

auch einen sozialen Ort hieraus<br />

zu entwickeln. Mit „mehr oder<br />

weniger Staat“ hat das zunächst<br />

nichts zu tun. Die Aufgabe des<br />

Staates sollte sein, die vorhandenen<br />

wirtschaftspolitischen<br />

Instrumente mit ordnungpolitischem<br />

Feinschliff weitsichtig zu<br />

gestalten, um somit eine gesellschaftliche<br />

Einheit zu ermöglichen.<br />

Mehr Staat bedeutet<br />

nicht mehr Freiheit. Im Gegenteil!<br />

Dessen sollten wir uns stets<br />

bewusst werden.<br />

Karl Heinz Schmehr<br />

Lampertheim (Hessen)<br />

Geld&Börse<br />

Das Wehklagen der Versicherer über<br />

niedrige Zinsen zeigt Wirkung.<br />

Heft 22/<strong>2014</strong><br />

Mausetot<br />

Über all dem Gezerre und Gezeter<br />

über die geplanten gesetzlichen<br />

Änderungen im Bereich<br />

der Lebensversicherung wird<br />

offenbar völlig übersehen, dass<br />

mit den vorgesehenen rechtlichen<br />

Änderungen die traditionelle<br />

kapitalbildende Lebensversicherung<br />

in Deutschland<br />

mausetot ist. Obwohl es sich bei<br />

dieser um eine privatwirtschaftliche<br />

Veranstaltung handelt,<br />

basierte sie ja bisher auf einem<br />

Kollektivprinzip und funktionierte<br />

nach einem rollierenden<br />

System: Der Bestand finanziert<br />

das Neugeschäft. Auf dieser Basis<br />

– und lange Zeit unterstützt<br />

durch steuerliche Vorteile –<br />

konnte die gemischte kapitalbildende<br />

Lebensversicherung<br />

über Jahrzehnte ihre zentrale<br />

Aufgabe – substanzielle Erträge<br />

mit werthaltigen Garantien<br />

über Jahrzehnte zur Sicherstellung<br />

einer Altersversorgung –<br />

voll erfüllen. Die dramatischen<br />

Änderungen der ökonomischen<br />

Rahmenbedingungen<br />

und die zahlreichen rechtlichen<br />

Veränderungen, vor allem mit<br />

und seit der Einführung<br />

des neuen Vertragsrechts 2008,<br />

haben dieses Erfolgsmodell<br />

zerstört.<br />

Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Heilmann<br />

Berlin<br />

Unternehmen&Märkte<br />

Die Stromkonzerne können den<br />

Ausstieg aus der Atomkraft auch<br />

selbst stemmen. Heft 21/<strong>2014</strong><br />

Unterirdisch<br />

Bei der Suche nach einem Endlager<br />

für den Atommüll ist man<br />

viel zu sehr auf eine unterirdische<br />

Lagerung fixiert. Warum<br />

nicht ein oberirdisches Endlager<br />

schaffen? Ein Bunker mit<br />

meterdicken Betonwänden,<br />

eventuell auch 10 oder 20 Meter<br />

unter der Erdoberfläche, dürfte<br />

wesentlich billiger sein als die<br />

1,6 Milliarden Euro, die nur die<br />

Erkundung des Endlagers von<br />

Gorleben bisher gekostet hat.<br />

Ein solcher Bunker wäre auch<br />

nicht abhängig von geologischen<br />

Formationen, was die<br />

Standortsuche wesentlich vereinfachen<br />

dürfte. Auch könnte<br />

der Zustand des eingelagerten<br />

Atommülls jederzeit kontrolliert<br />

und der Müll sogar problemlos<br />

wieder ausgelagert<br />

werden, wenn später einmal<br />

tatsächlich Techniken zum<br />

Unschädlichmachen zur Verfügung<br />

stehen sollten. In der<br />

öffentlichen Diskussion wird<br />

diese Möglichkeit einer Endlagerung<br />

leider nur selten<br />

erwähnt – und das auch nur<br />

am Rande.<br />

Eberhard Steiniger<br />

Melsungen (Hessen)<br />

Leserbriefe geben die Meinung des<br />

Schreibers wieder, die nicht mit der<br />

Redaktionsmeinung übereinstimmen<br />

muss. Die Redaktion behält sich vor,<br />

Leserbriefe gekürzt zu veröffentlichen.<br />

WirtschaftsWoche<br />

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112 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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A<br />

ACS............................................................................ 101<br />

Adidas............................................................................ 9<br />

Adobe.....................................................................41, 74<br />

Advania........................................................................ 70<br />

Airbnb.......................................................................... 74<br />

Airsense....................................................................... 60<br />

Alibaba................................................................. 77, 101<br />

Alstom..........................................................................46<br />

Amazon................................................................ 74, 101<br />

Andreessen Horowitz.....................................................74<br />

Apple..............................................................41, 70, 101<br />

Arvato.......................................................................... 12<br />

Audi..............................................................................55<br />

B<br />

Baidu............................................................................77<br />

BASF............................................................................ 60<br />

Bayer............................................................................14<br />

Bayer Schering..............................................................78<br />

Beats............................................................................41<br />

Berliner Volksbank........................................................ 52<br />

Bertelsmann................................................................. 12<br />

BMW............................................................................ 55<br />

BNP Paribas..................................................................99<br />

Boston Consulting Group............................................... 52<br />

BP................................................................................78<br />

Burberry................................................................. 41, 78<br />

Bwin.............................................................................11<br />

C<br />

C8 MediSensors............................................................41<br />

Capricorn........................................................................9<br />

Carnival Cruises.............................................................. 6<br />

CB Insight.....................................................................77<br />

Cleanagents....................................................................8<br />

Clifford Chance............................................................. 82<br />

Cloud&Heat.................................................................. 70<br />

Commerzbank...............................................................54<br />

Continental...................................................................55<br />

D<br />

Deep Mind.................................................................... 77<br />

Depfa........................................................................... 11<br />

Deutsche Bank..........................................52, 82, 99, 101<br />

Deutsche Euroshop..................................................... 104<br />

Deutsche Lufthansa...................................................... 48<br />

Deutsche Telekom...........................................................9<br />

Digital Sky.....................................................................77<br />

dima24.........................................................................92<br />

Dixon............................................................................41<br />

DJE Kapital................................................................... 87<br />

Döttinger/Straubinger....................................................84<br />

3M............................................................................... 70<br />

Dropbox........................................................................70<br />

DZ Bank........................................................................48<br />

E<br />

Easyjet..........................................................................48<br />

Ebay............................................................................. 74<br />

Enercon........................................................................46<br />

E-Plus.............................................................................9<br />

Euro Grundinvest.......................................................... 92<br />

European Founders Fund............................................... 12<br />

F<br />

Fab.com....................................................................... 77<br />

Facebook.................................................. 70, 74, 77, 101<br />

Fairesearch...................................................................84<br />

Farice........................................................................... 70<br />

Fifa...............................................................................60<br />

Flossbach von Storch.................................................... 84<br />

Fosun........................................................................... 77<br />

Freshfields....................................................................82<br />

Frontier........................................................................ 48<br />

G<br />

Gazprom.......................................................................18<br />

Geile Weine...................................................................14<br />

General Electric............................................................ 46<br />

Gleiss Lutz.................................................................... 82<br />

GMP............................................................................. 60<br />

Goal Control..................................................................60<br />

Goldwind...................................................................... 46<br />

Google............................................ 8, 41, 70, 74, 77, 101<br />

Gravis...........................................................................41<br />

H<br />

Hansgrohe.............................................................. 14, 60<br />

Helpling.......................................................................... 8<br />

Hengeler Müller............................................................ 82<br />

Hightex.........................................................................60<br />

Hirmer Immobilien........................................................ 60<br />

Hochtief..................................................................... 101<br />

Homejoy.........................................................................8<br />

HubSpot....................................................................... 74<br />

Hypo Real Estate...........................................................11<br />

HypoVereinsbank.......................................................... 52<br />

I<br />

IBM.............................................................................. 12<br />

ICM Research............................................................... 60<br />

Indigo Partners............................................................. 48<br />

Intel..............................................................................74<br />

ISP Bahnhof..................................................................70<br />

J<br />

J.C. Penney...................................................................41<br />

JD.............................................................................. 101<br />

JP Morgan.................................................................... 46<br />

JustFab.........................................................................77<br />

K<br />

Kinnevik........................................................................12<br />

Kleiner Perkins..............................................................74<br />

Kofler & Kompanie........................................................ 60<br />

KPMG...........................................................................69<br />

Krones........................................................................100<br />

L<br />

Landau Media............................................................... 82<br />

Landsvirkjun................................................................. 70<br />

Lenovo..........................................................................77<br />

LG................................................................................ 55<br />

Lieferheld....................................................................... 8<br />

Linklaters......................................................................82<br />

Lufft............................................................................. 60<br />

M<br />

Macy’s..........................................................................41<br />

Mammut.......................................................................41<br />

McDonald’s.................................................................. 18<br />

Mercedes......................................................................55<br />

Mesosphere..................................................................74<br />

Microsoft....................................................................101<br />

Mysugr......................................................................... 41<br />

N<br />

Nemetschek................................................................. 28<br />

Nestlé.....................................................................14, 99<br />

NeXovation..................................................................... 9<br />

Nike..........................................................................9, 41<br />

Norton Rose..................................................................82<br />

O<br />

O2.................................................................................. 9<br />

Opera........................................................................... 70<br />

Osram...........................................................................55<br />

Otto............................................................................104<br />

P<br />

PayPal.......................................................................... 74<br />

PBB..............................................................................11<br />

Porsche Design............................................................. 10<br />

Posco........................................................................... 14<br />

Prior1........................................................................... 70<br />

Procter & Gamble..........................................................48<br />

Profine......................................................................... 18<br />

R<br />

RBC..............................................................................41<br />

Rdio..............................................................................41<br />

Red Hat........................................................................ 74<br />

Reitz.............................................................................60<br />

Rheinmetall.................................................................. 12<br />

RIB...............................................................................28<br />

Riverstone.................................................................... 78<br />

Rocket Internet.............................................................12<br />

RoMiotto.......................................................................60<br />

Rosneft.........................................................................78<br />

Rostelekom...................................................................18<br />

RWE........................................................................... 100<br />

Ryanair.........................................................................48<br />

S<br />

Sablono........................................................................ 28<br />

Salesforce.............................................................41, 101<br />

Samsung.................................................................41, 55<br />

SAP.............................................................................. 18<br />

Schaeffler.....................................................................14<br />

Serverpark....................................................................70<br />

Sharp............................................................................55<br />

Siemens..................................................................46, 55<br />

Slacker......................................................................... 41<br />

Société Générale...........................................................84<br />

Spotify..........................................................................41<br />

Standard Life................................................................ 84<br />

Staufen.........................................................................69<br />

Strabag.....................................................................4, 16<br />

T<br />

Tencent........................................................................ 77<br />

Tesco........................................................................... 41<br />

Tiger Airways................................................................ 48<br />

Tipico........................................................................... 11<br />

Toshiba.........................................................................55<br />

TozziniFreire................................................................. 69<br />

Trendforce....................................................................55<br />

Twitter..........................................................................74<br />

U<br />

Unilever........................................................................14<br />

V<br />

VDO..............................................................................55<br />

Verne Global................................................................. 70<br />

Vestas.......................................................................... 46<br />

Vimeo...........................................................................74<br />

Vodafone........................................................................ 9<br />

Voest Alpine..................................................................14<br />

Volkswagen...................................................................60<br />

Louis Vuitton.................................................................10<br />

W<br />

Walmart........................................................................41<br />

Warburg........................................................................84<br />

Wisy............................................................................. 60<br />

Wizz Air........................................................................ 48<br />

WMF.............................................................................14<br />

X<br />

XLHealth.......................................................................41<br />

Y<br />

Yandex..........................................................................18<br />

Z<br />

Zalando........................................................................ 12<br />

WirtschaftsWoche 7.6.<strong>2014</strong> Nr. 24 113<br />

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Ausblick<br />

„Als Trainer stehst du an der<br />

Wand. Nach Siegen<br />

wirst du als Messias gefeiert, als<br />

Heilsbringer fürs ganze Volk.<br />

Wenn du ein Spiel verlierst, bist<br />

du der Staatsfeind Nummer 1.“<br />

Joachim Löw<br />

Trainer der deutschen<br />

Fußballnationalmannschaft<br />

„Der Fußball ist ein<br />

Milliardenmarkt geworden.<br />

Letztlich richten sich die<br />

Gehälter in unserer<br />

Marktwirtschaft nach Angebot<br />

und Nachfrage.“<br />

Dietmar Hopp<br />

Gründer des Softwarekonzerns SAP<br />

und Förderer des Bundesligisten<br />

Hoffenheim, über Spielergehälter<br />

„Bei der Weltmeisterschaft<br />

wird Adidas dominieren.“<br />

Herbert Hainer<br />

Adidas-Chef, über die größte Werbekampagne<br />

in der Firmengeschichte<br />

„Ein Trainer hat etwas von<br />

einem Unternehmer und<br />

umgekehrt. Beide haben mit<br />

vielen Individualisten zu<br />

tun und müssen daraus ein<br />

schlagkräftiges Team formen.“<br />

Eduard Dörrenberg<br />

Chef des Kosmetikunternehmens<br />

Dr. Wolff und Sponsor des<br />

abgestiegenen Bundesliga-<br />

Zweitligisten Arminia Bielefeld<br />

„Es wird ein<br />

harter Kampf.“<br />

Bill McDermott<br />

neuer SAP-Vorstandsvorsitzender,<br />

über die Positionierung des<br />

Softwarekonzerns im Cloud-Geschäft<br />

„Nur weil wir den<br />

besten Hammer haben, ist nicht<br />

jedes Problem ein Nagel.“<br />

Barack Obama<br />

US-Präsident, über Amerikas<br />

Führungsanspruch in der Welt und<br />

den Einsatz des US-Militärs<br />

„Ein Gesicht der Achtzigerjahre<br />

kann nicht die Probleme<br />

der nächsten fünf Jahre lösen.“<br />

David Cameron<br />

Großbritanniens Premierminister,<br />

über Jean-Claude Juncker, der<br />

neuer Präsidenten der EU-Kommission<br />

werden will<br />

»Seid freundlich und<br />

zurückhaltend. Zeigt, dass ihr<br />

aus Deutschland kommt. Schminkt<br />

euch zum Beispiel schwarz-rot-gold.<br />

Wir sind dort sehr willkommen.«<br />

Thomas de Maizière<br />

Bundesinnenminister (CDU), auf die Frage, wie sich die deutschen Fans bei der<br />

Fußballweltmeisterschaft in Brasilien verhalten sollten<br />

„Europa muss sich<br />

nicht erpressen lassen.“<br />

Jean-Claude Juncker<br />

Spitzenkandidat der Europäischen<br />

Volkspartei bei der Europawahl, über<br />

den Widerstand gegen seine Wahl<br />

zum Präsidenten der EU-Kommission<br />

„Ordnungspolitisch halte ich<br />

den Mindestlohn für falsch,<br />

der Markt sollte den Preis<br />

bestimmen. Allerdings muss es<br />

möglich sein, dass jeder<br />

von seiner eigenen Arbeit leben<br />

kann, ohne dass der Staat<br />

subventionierend eingreift.“<br />

Jürgen Fitschen<br />

Co-Chef der Deutschen Bank<br />

„Ich bin stocksauer.“<br />

Hartmut Mehdorn<br />

Geschäftsführer des neuen<br />

Berliner Flughafens BER, zur<br />

Korruptionsaffäre dort<br />

„Wir werden uns<br />

nicht damit abfinden,<br />

dass die Inflation<br />

zu lange zu niedrig bleibt.“<br />

Mario Draghi<br />

Präsident der<br />

Europäischen Zentralbank<br />

„Als gelernter Maurer<br />

gehe ich davon aus,<br />

dass ich in den Fußstapfen<br />

nicht versinken werde.“<br />

Wolfgang Büchele<br />

neuer Chef des Linde-Konzerns, über<br />

die Verdienste seines Vorgängers<br />

Wolfgang Reitzle, der<br />

den Industriegasehersteller zum<br />

Weltmarktführer entwickelte<br />

„Ich könnte mich<br />

um meinen Wein- und<br />

Olivenanbau in der Toskana<br />

kümmern – aber das<br />

kann auch noch warten.“<br />

Wolfgang Reitzle<br />

Ex-Chef von Linde, nach<br />

seinem Abschied <strong>vom</strong><br />

Münchner Konzern<br />

„Milliarden, Mann,<br />

es waren Milliarden!“<br />

David Tepper<br />

bestbezahlter Hedgefondsmanager,<br />

zum Moderator des US-Börsenfernsehens<br />

CNBC, der dessen<br />

Verdienst für 2013 versehentlich in<br />

Millionen Dollar angab statt in<br />

Milliarden Dollar<br />

ILLUSTRATION: TORSTEN WOLBER<br />

114 Nr. 24 7.6.<strong>2014</strong> WirtschaftsWoche<br />

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