AKTIV FÜR EINE SAUBERE UMWELT - Altstoff Recycling Austria
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Interview<br />
Wissen und Verhalten –<br />
zwei verschiedene<br />
Paar Schuhe<br />
Warum jemand etwas<br />
wegwirft, absichtlich oder<br />
unabsichtlich „liegen lässt“<br />
erklärt Gesundheits- und<br />
Umweltpsychologin Dr. Renate<br />
Cervinka im TRENNT-Interview.<br />
Zur Person: Ing. Dr. Renate Cervinka<br />
Assistenzprofessorin am Institut für Umwelthygiene<br />
der Medizinischen Universität Wien<br />
Renate Cervinka ist ausgebildete Biochemikerin und<br />
machte 1978 ihren Abschluss in den Fächern Psychologie<br />
und Pädagogik an der Universität Wien. Sie ist<br />
als Gesundheitspsychologin tätig und forscht, lehrt<br />
und berät an der Medizinischen Universität Wien,<br />
Zentrum für Public Health. Seit 1986 ist sie Dozentin<br />
für Umweltpsychologie an der Fakultät für Psychologie/Universität<br />
Wien. Ihre Spezialgebiete sind Stress,<br />
Wohlbefinden und Lebensqualität, umweltfreundliches<br />
Verhalten, Gesundheitsverhalten und transdisziplinäre<br />
Bewertung von umweltbezogenen Projekten.<br />
Derzeit beschäftigt sie sich hauptsächlich mit<br />
Umwelt, Gesundheit, nachhaltiger Entwicklung und<br />
„Green Care“.<br />
Foto: Privat<br />
Welche Motive stecken hinter Umweltverschmutzung im<br />
Allgemeinen und dem achtlosen Wegwerfen von Müll, dem<br />
Littering?<br />
Die Frage nach Motiven kann psychologisch als Frage nach<br />
förderlichen und hinderlichen Faktoren umformuliert werden.<br />
Littering begünstigende und dem Littering entgegenwirkende<br />
Faktoren finden sich sowohl in der Person selbst<br />
als auch im sozialen und räumlichen Umfeld der Person.<br />
Personenfaktoren, die Littering entgegenwirken, können<br />
gegliedert werden in Einstellungen, Normen und Werte,<br />
Wissen und Handlungsroutinen. Ein ausgeprägtes Umweltbewusstsein,<br />
die Verbundenheit mit der Natur oder die Liebe<br />
zur Natur, die Verbundenheit mit dem Ort, persönliches<br />
Verantwortungsgefühl sowie die Bereitschaft zu sozialem<br />
Handeln sind einige dieser Persönlichkeitseigenschaften, die<br />
dem Littering entgegenstehen. Desinteresse und mangelndes<br />
Wissen begünstigen hingegen das Littering. Oft ist litternden<br />
Personen die Bedeutsamkeit ihres Verhaltens nicht<br />
bewusst und/oder sie konnten im Verlauf ihrer Sozialisation<br />
kein entsprechendes Verhaltensrepertoire ausbilden. In<br />
Umfragen zum Thema Littering werden vor allem Faulheit<br />
und Bequemlichkeit als Gründe genannt. Bei Jugendlichen<br />
kann auch der Wunsch nach Widerstand gegen das „Establishment“<br />
und Rebellion eine Rolle spielen. Handlungsroutinen<br />
kommt ebenfalls eine große Bedeutung zu. Es sollte<br />
also vermieden werden, dass Personen z.B. in der U-Bahn<br />
lernen, Zeitungen „liegen zu lassen“ und nicht entsprechend<br />
zu entsorgen. Dies führt dazu, dass auch andere Dinge fallen<br />
gelassen oder weg geworfen werden. Umweltschutzverhalten,<br />
und dazu ist das Nicht-Littern zu zählen, weist sozialwissenschaftlich<br />
Ähnlichkeiten mit pro-sozialem Verhalten<br />
auf. Entsprechende Einstellungen, Normen und Werten begünstigen<br />
oder verhindern nachfolgende Handlungen.<br />
Ist Littering symptomatisch für bestimmte<br />
Gesellschaftsschichten oder wirft der Generaldirektor seine<br />
leere Trinkflasche genauso weg wie der Arbeiter am Bau?<br />
Wir müssen uns von diesem kategorialen Denken entfernen.<br />
Studienergebnisse weisen zwar darauf hin, dass männliche<br />
und jugendliche Personen tendenziell mehr littern;<br />
viel wichtiger sind jedoch strukturelle Faktoren: In einem<br />
bereits stark verschmutzten Umfeld ohne adäquate Entsorgungsmöglichkeiten<br />
erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für<br />
Littering, unabhängig davon, welcher Gesellschaftsschicht<br />
eine Person angehört.<br />
Wie sieht es mit bestimmten Verhaltensmustern aus? Wann<br />
wirft „man“ etwas nicht in den Mistkübel, sondern in die<br />
Landschaft?<br />
Ob Personen littern oder nicht, hängt wie schon oben erwähnt,<br />
von persönlichen, sozialen, situativen und vor allem<br />
strukturellen Faktoren ab. Zu den persönlichen Faktoren<br />
zählen das Wissen über richtige Verhaltensweisen und die<br />
eigenen Einstellungen, Normen und Werte. Gewohnheiten<br />
haben einen starken Einfluss darauf, ob umweltbezogene<br />
Einstellungen wirksam werden oder nicht. Situative Aspekte<br />
wie Dunkelheit und das Gefühl von Anonymität können<br />
Littering begünstigen. Wenn Personen in Gruppen unterwegs<br />
sind, spielen die Einstellungen und Normen, die in<br />
dieser Gruppe vorherrschen, eine wichtige Rolle. Besondere<br />
Bedeutung kommt den Strukturfaktoren zu: Je weniger<br />
Entsorgungsmöglichkeiten vorhanden und je weiter diese<br />
entfernt sind, desto eher wird gelittert. In verschmutzten<br />
Umgebungen wird deutlich mehr Abfall „in die Landschaft“<br />
geworfen als in sauberen Umgebungen.<br />
Wie kann man Ihrer Meinung nach die Menschen davon<br />
überzeugen, auf ihre Umwelt generell besser Acht zu geben?<br />
Die Vermittlung von Wissen spielt natürlich eine bedeutende<br />
Rolle; Wissen steht jedoch in keinem direkten Zusammenhang<br />
mit dem Verhalten. Damit Wissen auch in entsprechendes<br />
Verhalten umgesetzt wird, ist es notwendig,<br />
das Ausbilden umweltbezogener Einstellungen, Normen<br />
und Werte zu fördern. Eine Möglichkeit dafür besteht darin,<br />
Personen an der Gestaltung von Räumen zu beteiligen<br />
und so ihre Verbundenheit mit diesen Räumen zu erhöhen.<br />
Mindestens ebenso wichtig ist es, Verhaltensangebote zur<br />
Verfügung zu stellen, wo sie gebraucht werden: z.B. Müllcontainer<br />
vor Discos oder Ablagemöglichkeiten für gelesene<br />
Gratiszeitungen in U-Bahn-Zügen. Handlungsanreize wie<br />
der Gewinn für den Einzelnen können umweltbewusstes<br />
Verhalten zusätzlich unterstützen. Nicht zuletzt benötigen<br />
Personen auch Feedback über ihr Verhalten bzw. damit einhergehende<br />
Konsequenzen.<br />
Würde es Sinn machen, mit hohen Strafen zu drohen, oder<br />
sollte man besser auf Belohnung setzen oder beides?<br />
Strafen werden unterschiedlich diskutiert. Es besteht kein<br />
Zweifel an ihrer handlungslenkenden Wirkung, allerdings<br />
müssen sie dazu konsequent durchgezogen werden. Aus<br />
psychologischer Sicht sind Strafen kritisch zu sehen, weil<br />
sie ein Gefühl von Widerstand und Trotz hervorrufen und<br />
sich somit auch kontraproduktiv auswirken können. Belohnungen<br />
für richtiges Verhalten sind effektiver und kommen<br />
auch bei der Bevölkerung besser an.<br />
Wo muss man mit der Bewusstseinsbildung Ihrer Meinung<br />
nach beginnen – bei den Kindern, den Eltern, bei beiden?<br />
Bewusstseinsbildung muss unbedingt schon im Kindesalter<br />
ansetzen, allerdings im Dialog mit den Eltern. Eltern fungieren<br />
als Vorbilder und spielen daher eine zentrale Rolle in der<br />
Vermittlung von Werthaltungen bzw. Handlungsroutinen<br />
an ihre Kinder.<br />
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