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Praktiker lernen von Praktikern - Sachsen - Ganztägig Lernen.

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<strong>Praktiker</strong> <strong>lernen</strong> <strong>von</strong> <strong>Praktiker</strong>n<br />

herausgegeben <strong>von</strong> der Servicestelle Ganztagsangebote <strong>Sachsen</strong>


STATT EINES VORWORTES –<br />

Interview mit den Netzwerk-Initiatorinnen Marlen Wippler (Deutsche Kinder- und<br />

Jugendstiftung) und Martina Jahn (Sächsisches Staatsministerium für Kultus)<br />

<strong>von</strong> der Servicestelle Ganztagsangebote <strong>Sachsen</strong> .......................................................3<br />

SCHULPORTRÄTS<br />

Annenschule Chemnitz ....................................................................................8<br />

Augustum-Annen-Gymnasium Görlitz ............................................................14<br />

Franziskaneum Meißen ...................................................................................20<br />

Grundschule Mittelherwigsdorf .......................................................................26<br />

Gustav-Hertz-Schule, Gymnasium der Stadt Leipzig ......................................32<br />

Gymnasium Schkeuditz ...................................................................................38<br />

J.-G.-Fichte-Schule Mittweida ..........................................................................44<br />

Johann-Heinrich-Pestalozzi-Gymnasium Rodewisch .....................................50<br />

Martin-Andersen-Nexö-Gymnasium Dresden .................................................56<br />

Mittelschule „Anne Frank“ Stauchitz ..............................................................62<br />

Mittelschule Brand-Erbisdorf ..........................................................................68<br />

Mittelschule „Clara Zetkin“ Freiberg ...............................................................74<br />

Mittelschule „Maxim Gorki“ Hainichen ...........................................................80<br />

Mittelschule Oederan .......................................................................................86<br />

Pestalozzi-Gymnasium Heidenau ....................................................................92<br />

Wiprecht-Gymnasium Groitzsch ......................................................................98<br />

INHALTLICHE SCHWERPUNKTE DER NETZWERKARBEIT<br />

Soziales <strong>Lernen</strong> ................................................................................................104<br />

Hausaufgaben ................................................................................................................... 107<br />

Rhythmisierung ................................................................................................................ 111<br />

Individuelles Fördern und Fordern .............................................................................. 116<br />

Freiarbeit ............................................................................................................................. 119<br />

KONTAKTE .................................................................................................................122<br />

INHALT


Martina Jahn ist Lehrerin und leitet seit<br />

2008 das Beratungsteam der Servicestelle<br />

Ganztagsangebote <strong>Sachsen</strong>.<br />

Marlen Wippler ist Diplom-Pädagogin und<br />

arbeitet im Serviceteam der Servicestelle<br />

Ganztagsangebote.


„Was man hier <strong>lernen</strong> konnte, ist in keinem<br />

Lehrbuch nachzulesen.“<br />

Statt eines Vorwortes – Interview mit den Netzwerk-Initiatorinnen Marlen Wippler<br />

(Deutsche Kinder- und Jugendstiftung) und Martina Jahn (Sächsisches Staatsministerium<br />

für Kultus) <strong>von</strong> der Servicestelle Ganztagsangebote <strong>Sachsen</strong><br />

Wie ist die Idee zum Netzwerk entstanden und mit welcher Zielstellung sind Sie<br />

angetreten?<br />

Marlen Wippler: Die Servicestelle Ganztagsangebote <strong>Sachsen</strong> ist eine Kooperation<br />

des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus und der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung<br />

im Rahmen des Bundesprogramms „Ideen für mehr! Ganztägig <strong>lernen</strong>.“.<br />

Wir waren der Meinung, es kann über die sonstigen Aktivitäten unserer Servicestelle<br />

hinaus eine engere Begleitung der Schulen bei der Weiterentwicklung <strong>von</strong> GTA geben.<br />

Gemeinsam mit den Kollegen vom Institut für Schulentwicklung in Dortmund haben<br />

wir die Idee des Schulnetzwerkes besprochen. Gemeinsam haben wir ein Konzept<br />

entwickelt, das einen Austausch zwischen Schulen aus unterschiedlichen Regionen<br />

und zwischen unterschiedlichen Schularten ermöglicht. Dieser Austausch geht über<br />

das hinaus, was sonst an einem Fachtag geschieht – erstens, weil er regelmäßig statt-<br />

<br />

besuchen und so die Arbeit des anderen mit eigenen Augen sehen können. Hier kommt<br />

ein fester Expertenkreis regelmäßig miteinander ins Gespräch.<br />

Martina Jahn: Trotz sich ändernder Rahmenbedingungen suchen Schulen nach neuen<br />

Ideen und Umsetzungsmöglichkeiten. Das kostet viel Kraft, bietet aber auch große<br />

Chancen sowohl für Stabilität als auch für Weiterentwicklung. Dieses enorme Potenzial<br />

an Ideen gilt es zu nutzen – zum Beispiel, um andere Schulen zu motivieren, das<br />

zu bewahren, was sie sich mit großem Engagement aufgebaut haben, oder um zu<br />

zeigen, dass es trotz aller Schwierigkeiten neue Lösungswege gibt. Ein Ziel unserer<br />

Arbeit mit den Netzwerken war und bleibt deshalb der Austausch <strong>von</strong> Wissen und<br />

Erfahrung unter pädagogisch und organisatorisch fundierten Gegebenheiten. Um<br />

Best-Practice-Methoden gemeinsam weiterzuentwickeln und zu festigen, braucht<br />

man einen vertrauten, sicheren Raum. Gute Netzwerke sind auch im eigentlichen<br />

Wortsinn Netze, die die Teilnehmer auffangen, wenn sich das Gefühl breitmacht, mit<br />

seinen Problemen Einzelkämpfer zu sein. Wir als Initiatoren haben es als unsere<br />

Aufgabe gesehen, die beiden regionalen Netze so stabil zu gestalten, dass keiner<br />

durch die Maschen fällt.<br />

3


Nach Abschluss der Netzwerkarbeit haben die beteiligten Schulen den Status<br />

einer Referenzschule inne. Was leistet eine solche Schule?<br />

Marlen Wippler: Eine Referenzschule steht anderen Schulen mit den gewonnenen<br />

und weiterentwickelten Erfahrungen zur Verfügung, bietet sich als Multiplikator der<br />

eigenen Ideen an und trägt das im Netzwerk erarbeitete Wissen weiter. Die Idee<br />

dahinter lautet „<strong>Praktiker</strong> <strong>lernen</strong> <strong>von</strong> <strong>Praktiker</strong>n“ – die Idee des Peer-to-Peer-Austauschs<br />

ist die Grundlage der Netzwerkaktivitäten. Die GTA-Koordinatoren aus den<br />

Netzwerkschulen haben sich ein profundes Wissen angeeignet, haben viele Methoden<br />

<br />

Sie sind bereit, ihre Schulen zu öffnen, und können anderen Schulen wichtige Impulse<br />

bei der Bearbeitung <strong>von</strong> GTA-Themen wie Rhythmisierung und soziales <strong>Lernen</strong> geben.<br />

Deswegen sind sie es, die andere Schulen am besten animieren und ermutigen können,<br />

ähnliche Schritte zu unternehmen.<br />

Martina Jahn: Bis der Punkt erreicht ist, an dem neue Ideen an einer Schule etabliert<br />

sind und funktionieren, legen die Akteure unter Umständen einen steinigen Weg zurück.<br />

Unterwegs müssen sie sich mitunter auch wieder <strong>von</strong> Sachen verabschieden oder<br />

eingestehen, dass sie Fehler gemacht haben. Wenn Referenzschulen anderen Schulen<br />

über diesen Weg, den sie gegangen sind, authentisch berichten –, nach dem Motto<br />

„Wir waren genau dort, wo ihr jetzt seid, und es war zeitweise wirklich schwierig, aber<br />

auf die und die Weise haben wir es doch geschafft und unser Ziel erreicht“ – dann hat<br />

das einen ganz anderen Stellenwert, als wenn wir zum Fachtag kluge Ratschläge erteilen.<br />

Hospitationen, für die sich die Referenzschulen zur Verfügung stellen, bieten<br />

gensbedingungen<br />

und Stolpersteinen und den gemeinsamen Blick auf neue Wege.<br />

Was war die Motivation der Schulen, an dem Netzwerk teilzunehmen –<br />

hauptsächlich der kollegiale Austausch?<br />

Martina Jahn: Auf jeden Fall, aber Sie dürfen nicht vergessen, dass damit richtig<br />

viel Arbeit verbunden war: Es gab Treffen, Hospitationen, es waren Ziele und regelmäßige<br />

Dokumentationen zu erarbeiten, der Wissenstransfer ins Kollegium der<br />

jeweiligen Schule sicherzustellen etc. Wer sich dieser Arbeit stellt, erwartet auch<br />

etwas. Unsere Schulen sind den Netzwerken mit unterschiedlichen Voraussetzungen<br />

beigetreten und daher auch mit unterschiedlichen Zielsetzungen. Einmal, um wichtige<br />

Hinweise zu erhalten, zum anderen aber auch, um wertvolle Erfahrungen zu teilen und<br />

zu diskutieren. Ich will das an einem Beispiel verdeutlichen. Der Aufgabe einer gelungenen<br />

Rhythmisierung stellen sich alle Schulen, doch welche Modelle es dabei gibt,<br />

welche Voraussetzungen man dafür an der eigenen Schule schaffen kann und muss,


wie man für die Binnenrhythmisierung möglichst alle Kollegen ins Boot holt – für<br />

solche Fragen gemeinsam nach Antworten zu suchen, um danach das eigene Konzept<br />

zu stabilisieren oder weiterzuentwickeln – das waren Ziele des Austausches<br />

der meisten Netzwerkschulen.<br />

Marlen Wippler: Mit der Beteiligung am Netzwerk verbanden einige GTA-Koordinatoren<br />

sicher die Hoffnung, GTA zu mehr Anerkennung und zu einem anderen Stellenwert<br />

an der ganzen Schule zu verhelfen. Die Netzwerkaktivitäten haben unterstrichen,<br />

dass GTA etwas Wichtiges ist, nicht nur das Anhängsel am Nachmittag.<br />

Sie machten deutlich, dass – gerade wenn es etwa ums Thema Rhythmisierung<br />

geht – die Änderungen den gesamten Schulalltag betreffen.<br />

Wie war die Netzwerkarbeit eigentlich organisiert und welche Inhalte standen<br />

im Mittelpunkt?<br />

Martina Jahn: Die Inhalte haben die Schulen bestimmt. Die Evaluation des Feedbacks<br />

zur Auftaktveranstaltung bildete die Grundlage für die thematische Ausgestaltung<br />

der vier Netzwerktreffen pro Jahr: Mit einem fachlichen Input durch<br />

externe Referenten sind wir in jede Veranstaltung eingestiegen – zum Beispiel<br />

zu Themen wie „Hausaufgaben oder Lernzeit?“, „Welchen Beitrag leistet freie<br />

Stillarbeit für eine gelungene Rhythmisierung?“, „Wie sind die Ergebnisse <strong>von</strong><br />

Freiarbeit messbar?“, „Wie kann Evaluation zeitsparend, effektiv und zielführend<br />

mit dem Blick auf die Gesamtkonzeption <strong>von</strong> GTA gestaltet werden?“, „Evaluation<br />

für den Antrag oder für die Schule?“ etc. Daran schlossen sich dann Arbeitsgruppenphasen<br />

an. Jeder Teilnehmer berichtete zum Stand der Dinge an der eigenen<br />

Schule, wer Erfahrungen auf diesem Gebiet hatte, teilte diese mit der Runde und<br />

<br />

Marlen Wippler: An den Nachmittagen der Netzwerktreffen haben wir uns außerdem<br />

immer die Ziele der Schulen angesehen und ausgewertet, was im vergangenen<br />

Quartal passiert ist. Diese Schritte wurden dann auch in einer „Galerie“ für alle<br />

Beteiligten sichtbar gemacht – jeder konnte nachvollziehen, was in den anderen<br />

Schulen passiert. Vertrauen spielt im Rahmen <strong>von</strong> Netzwerken eine wichtige Rolle,<br />

man lernt ja nicht nur aus Erfolgen, sondern auch aus Misserfolgen. Deswegen<br />

braucht es ein Klima, in dem man keine Scheu haben muss, beides zu thematisieren.<br />

Über die Netzwerktreffen hinaus gab es auch Hospitationen. In den beiden Netzwerkgruppen<br />

– auf Wunsch der Beteiligten hatten wir die große Gruppe in zwei<br />

Regionalgruppen aufgeteilt, um effektiv in kleinen Gruppen arbeiten zu können<br />

und um den Reiseaufwand gering zu halten – haben wir insgesamt acht der beteiligten<br />

Schulen besucht.<br />

5


Hat die Arbeit am Netzwerk Ihren Blick auf das Phänomen Ganztag verändert?<br />

Gab es Dinge, die Sie überrascht haben?<br />

Marlen Wippler: Mich hat überrascht, welchen großen Stellenwert das Thema soziales<br />

<strong>Lernen</strong> einnimmt – das hätte ich vor zwei Jahren so nicht gedacht. Erstaunlich war<br />

auch, dass vielen Schulen durch die Netzwerkarbeit erst bewusst geworden ist, wie<br />

weit sie eigentlich sind, was sie alles geschafft haben. Viele waren fast überrascht<br />

<strong>von</strong> sich selbst. Ich denke, da könnten einige mit Fug und Recht etwas selbstbewusster<br />

auftreten. Wir haben gerade bei den Hospitationen wirklich tolle Sachen erlebt –<br />

beispielsweise am Hertz-Gymnasium Leipzig. Ein Ergebnis da<strong>von</strong> war, dass zum Beispiel<br />

Herr Bonk vom Martin-Andersen-Nexö-Gymnasium Dresden mit seinen Schülern<br />

noch mal ins Hertz-Gymnasium gefahren ist, um sich das Schüler-Organisations-Team<br />

(ORG-Team) anzusehen. Danach sind die Leipziger Schüler nach Dresden gekommen.<br />

So etwas freut uns natürlich besonders, weil dies alles auf Eigeninitiative beruhte.<br />

Martina Jahn: Durch solche AHA-Effekte bei den Schulen selbst wird auch wieder<br />

neue Motivation frei, jenseits <strong>von</strong> Förderrichtlinien, Bewilligungsbescheiden und<br />

Honorarverträgen. In den Netzwerktreffen sind sich die Schulen stärker als erwartet<br />

darüber klargeworden, was sie eigentlich alles stemmen und dass andere Schulen<br />

ähnliche Probleme bewältigen. Das öffnet den Blick dafür, Bewährtes zu erhalten und<br />

zu stabilisieren, statt ständig etwas Neues auf die Beine zu stellen, und es setzt<br />

positive Energie frei. Gleichzeitig mahnt es, für sich selbst und engagierte Mitstreiter<br />

zu sorgen, damit Bewährtes nicht nur erhalten, sondern gezielt weiterentwickelt<br />

und nach außen schlüssig kommuniziert werden kann. Auch das hat der Austausch<br />

im Netzwerk bewirkt.<br />

Mein Blick auf das Phänomen Ganztag ist zum einen schärfer geworden im Hinblick<br />

auf die Möglichkeiten der Umsetzung, und zum anderen sehe ich mit noch mehr<br />

Achtung auf die Akteure, die immer wieder mit neuem Engagement Ganztagskonzepte<br />

im Sinne „ihrer Schüler“ entwickeln und umsetzen. Netzwerker haben dazu in<br />

besonderem Maße beigetragen.<br />

War die Heterogenität der Schultypen im Netzwerk (gemeinsames Arbeiten <strong>von</strong><br />

Gymnasien, Mittelschulen sowie einer Grundschule) so gewollt und wenn ja:<br />

Hat sich das Konzept bewährt?<br />

Marlen Wippler: Das war eine bewusste Entscheidung. Wir wissen aus unserer Erfahrung,<br />

dass Lehrer einer bestimmten Schulart oft staunen, was Lehrer an anderen Schularten<br />

leisten – man weiß eben wenig <strong>von</strong>einander. Wenn ich bloß den Tunnelblick<br />

auf eine bestimmte Schulart habe, bleiben mir viele Phänomene verborgen, und es<br />

ging ja bei der Netzwerkarbeit auch immer darum, den eigenen Horizont zu erweitern.


Martina Jahn: Eine besondere Stellung hatte sicher die Grundschule Mittelherwigsdorf<br />

als einzige dieser Schulart inne. Die Kolleginnen <strong>von</strong> dort waren auch zunächst<br />

skeptisch, ob sich die Teilnahme unter diesen Voraussetzungen lohnen würde, aber<br />

ich denke, sie haben eine Menge wertvoller Hinweise <strong>von</strong> anderen Netzwerkern<br />

erhalten. Und ich kann nur sagen: In der Grundschule Mittelherwigsdorf haben wir<br />

die spannendste Hospitation der ganzen zwei Jahre erlebt, dieses Feedback kam<br />

auch <strong>von</strong> anderen Teilnehmern. An diesem Tag wurden viele falsche Vorstellungen<br />

über Ganztagsangebote an Grundschulen aus dem Weg geräumt. Neben wertvollen<br />

Tipps zu Evaluationsmethoden, zu auf Rhythmisierung zugeschnittenen Förderkonzepten-<br />

und angeboten, zu erfolgreicher Kooperation mit außerschulischen Partnern<br />

und einer effektiven Hausaufgabenbetreuung mit Lernwerkstatt bekamen wir einen<br />

wirklich authentischen und überzeugenden Beweis dafür, dass GTA an Grundschulen<br />

nicht nur Freizeitangebote sind, die der Hort allein leisten kann. Wenn Kollegen vom<br />

Wiprecht-Gymnasium Groitzsch Tipps da<strong>von</strong> für die Gestaltung ihres GTA-Konzeptes<br />

übernehmen, spricht das auf jeden Fall für Heterogenität in einem Netzwerk.<br />

Welches Fazit ziehen Sie nach diesen beiden Jahren? Was wird <strong>von</strong> den Netzwerkaktivitäten<br />

bleiben?<br />

Martina Jahn: Unter den Kollegen sind zum Teil intensive Kontakte entstanden, die<br />

das Netzwerk überdauern werden. Mein persönliches Fazit fällt sehr positiv aus. Ich<br />

habe die Sache damals durchaus differenziert betrachtet, habe mich gefragt, was<br />

ein solches Netzwerk leisten kann. Ich bin mehr als 30 Jahre im Schuldienst, aber<br />

was hier für Ideen auf den Tisch kamen und was bei den Hospitationen zu erleben<br />

war – das hat mich sehr bewegt, motiviert und angeregt, zum Beispiel beim Thema<br />

hirngerechtes <strong>Lernen</strong>: Jede sich erfüllende Gewissheit wird vom Gehirn belohnt! Ich<br />

nehme einen riesigen Rucksack <strong>von</strong> Ideen für meine Beratertätigkeit mit, die ich mit<br />

möglichst vielen Kollegen teilen möchte. Was ich hier <strong>lernen</strong> konnte, ist in keinem<br />

Lehrbuch nachzulesen.<br />

Marlen Wippler: Ich wünsche mir, dass die Referenzschulen das gesammelte Wissen<br />

<strong>von</strong> den Netzwerktreffen und dem kollegialen Erfahrungsaustausch weitergeben an<br />

andere Schulen, die genau dieses Know-how benötigen. Wir stehen den Schulen<br />

natürlich weiterhin als verlässliche Ansprechpartner zur Seite und helfen gern beim<br />

Organisieren <strong>von</strong> Hospitationen oder Treffen.<br />

7


ANNENSCHULE<br />

CHEMNITZ


ZEIT, SICH ZU BEWEGEN<br />

9


Annenschule Chemnitz<br />

Schulform: Mittelschule<br />

Organisationsform: gebunden<br />

Schülerzahl: 252 (2011/12)<br />

Ganztagsangebote seit: 2005<br />

Rhythmisierung: 70-Minuten-Blöcke, „Blaues Band“<br />

Besonderheiten: Rhythmisierung, Kooperation mit<br />

Außenpartnern<br />

Wer das Schulhaus der Annenschule Chemnitz betritt und sich ein wenig auf die Atmosphäre<br />

einlässt, dem entgeht das Besondere an dieser Schule nicht: der freundliche<br />

Umgang miteinander, die entspannten Gesichter, die Art und Weise, wie die Schüler<br />

miteinander reden. Man merkt, dass sich Schüler wie auch Lehrer an ihrer Schule wohl-<br />

<br />

sogar auf das Klingeln zum Stundenbeginn verzichten – ein enormer Vertrauensvorschuss,<br />

der sich aber bezahlt gemacht hat. Auch die Zusammensetzung unserer<br />

Gesprächsrunde gestaltet sich ein wenig anders als gewohnt: Neben GTA-Koordinator<br />

Peter Ebert und Katrin Döring, Mitglied der Steuergruppe GTA, sowie der Schulleiterin<br />

Gudrun Uhlmamn ist mit Candy Baumann auch eine Schülerin der Klasse 9 eingeladen,<br />

das Bild der Schule durch ihre Sicht auf die Dinge zu komplettieren.<br />

Der Ganztag ist an der Annenschule in Chemnitz keine Exklusivveranstaltung für die<br />

<br />

zugeschnittenen Angeboten. Einige freilich tun das besonders intensiv: Momentan<br />

sind es 20 Schüler der 5. und 6. Klassen, die auf Wunsch der Eltern täglich bis 16 Uhr<br />

in der Schule betreut und gefördert werden und Angebote in den Bereichen Sport,<br />

Stillbeschäftigung und individuelle Förderung wahrnehmen. Durch die konsequente<br />

Wochenrhythmisierung und die Integration <strong>von</strong> Angeboten in den Stundenplan ist<br />

GTA längst kein Anhängsel zum „regulären“ Unterricht mehr, sondern ein selbstverständlicher<br />

und unverzichtbarer Bestandteil des Schulalltags – und zwar für alle.<br />

Dafür sorgt seit drei Jahren das sogenannte Blaue Band – ein Zeitfenster nach der<br />

zweiten Unterrichtseinheit, in dem die Kinder jeden Tag ihren besonderen Interessen<br />

nachgehen: in Form <strong>von</strong> wahlobligatorischen Kursen (WOK), DIE-Kursen (die regel-<br />

<br />

täglichen Teamstunde, welche die Klasse mit ihrem Klassenlehrer verbringt.<br />

Dass trotz dieses ambitionierten Modells selbstverständlich die im Lehrplan vorgesehenen<br />

Fachstunden unterrichtet werden, ist den Rechen- und Planungskünsten <strong>von</strong><br />

GTA-Koordinator Ebert zu verdanken. Nachdem man bereits vor mehr als zehn Jahren


<strong>von</strong> der Einzelstunde zum 90-Minuten-Block übergegangen war, wurden die Schwachstellen<br />

dieses Rhythmisierungsmodells immer deutlicher – als besonders ungünstig<br />

erwies es sich für jüngere Schüler und im Hinblick auf die geringere Aufnahmefähigkeit<br />

nach der Mittagspause. Die Lösung fand sich in Form eines 70-Minuten-Modells,<br />

das inzwischen seit zwei Jahren erfolgreich praktiziert wird. Das Blaue Band ist die<br />

Summe der „Blauen Minuten“, die durch die Reduzierung der Unterrichtsblöcke <strong>von</strong><br />

90 auf 70 Minuten frei werden. Da das Blaue Band auch Formate für den fächerverbindenden<br />

Unterricht (WOK) und die Methodenvermittlung vorsieht, hatten die einzelnen<br />

Lehrer keine Bedenken, Zeit <strong>von</strong> ihrem Fachunterricht abzuziehen, die dann<br />

<br />

verloren gehen. Alle Befürchtungen, dass sich das neue Modell als folgenreicher<br />

Fehler erweisen würde, konnten zerstreut werden. Die überzeugendsten Argumente<br />

dabei sind die konstant guten Prüfungsergebnisse. Aus der Sicht <strong>von</strong> Katrin Döring<br />

spricht noch ein weiteres Argument für den Abschied <strong>von</strong> der Einzelstunde. „Den Ansprüchen,<br />

die an einen Lehrer heute gestellt werden – ich nenne nur die Stichworte<br />

Methodenvielfalt, bewegter Unterricht, individuelle Förderung –, kann man in dem<br />

knappen 45-Minuten-Rhythmus aus meiner Sicht kaum noch gerecht werden.“<br />

Möglich wird die Aufrechterhaltung dieses Angebotes auch durch die Einbindung zahlreicher<br />

externer Partner. Dabei setzt man in Chemnitz seit Jahren mit großem Erfolg<br />

<br />

nur wenig jüngeren Schülern, der Lehrern mitunter verwehrt bleibt. Candy Baumann<br />

beschreibt dies aus Schülersicht: „Wenn ein Schüler ein Problem hat und sagt ‚Ich<br />

verstehe das einfach nicht’, dann hilft es oft, wenn er es einmal ganz anders oder <strong>von</strong><br />

jemandem ganz anderen erklärt bekommt. Und das kann z. B. ein Student, der nur<br />

zehn Jahre älter ist, eben in mancher Hinsicht besser.“ GTA-Koordinator Peter Ebert ist<br />

der Meinung, dass das Potenzial der Studenten <strong>von</strong> vielen Schulen unterschätzt wird.<br />

Nach seiner Meinung schlummert darin – zumindest für die Schulen in Universitätsstädten<br />

– ein ungehobener Schatz. Zudem ist die Verbindlichkeit, mit der die Stu-<br />

11


GTA-Koordinator Peter Ebert,<br />

Schülerin Candy Baumann,<br />

Katrin Döring, Mitglied der<br />

Steuergruppe GTA, und Schulleiterin<br />

Gudrun Uhlmann<br />

denten ihre Aufgaben in der Schule wahrnehmen, viel höher als zunächst erwartet.<br />

Zum Teil sorgen sie sogar für Vertretungen oder für einen Nachfolger, wenn sie keine<br />

Zeit (mehr) haben. Seit einer Annonce in der Jobbörse der Technischen Universität<br />

Chemnitz vor einigen Jahren ist Unterstützung durch Studenten zu einem Selbstläufer<br />

geworden – und auch bei der inhaltlichen Ausgestaltung erweisen sie sich als selbstständig<br />

und äußerst zuverlässig.<br />

Eine weiteres Angebot, mit dem die Annenschule sich auf neues Terrain vorwagt, ist<br />

die Kommunikationszeit. In ihr können die Schüler auf kurzem Weg das loswerden,<br />

was ihnen unter den Nägeln brennt. Zum anderen repräsentiert sie ein neues Verständnis<br />

<strong>von</strong> individueller Förderung. Dabei wird zunächst individuell oder in einer<br />

kleinen Gruppe der tatsächliche Hilfebedarf artikuliert, sodass der Lehrer ganz gezielt<br />

helfen kann. Von der Intensivierung der Kommunikation, wie sie die KOMM-Zeit<br />

ermöglicht – ob zwischen Lehrern und Schülern oder den Schülern bzw. den Lehrern<br />

<br />

sondern auch das Erklären selbst Lernerfolge zeitigt.<br />

Modelle auszuprobieren, deren Praxistauglichkeit sich noch zu erweisen hatte – ist<br />

man da nicht auch ein Risiko eingegangen? „Das mag sein“, räumt Peter Ebert ein,<br />

<br />

<br />

mit Blick auf die Leitungsebene: „Man braucht natürlich eine Schulleitung, die sich<br />

dafür starkmacht und die ein breites Kreuz zeigt, auch wenn es mal Gegenwind gibt.“<br />

Wie man hört, interessieren sich inzwischen sogar Schulen aus anderen Bundesländern<br />

für die an der Annenschule umgesetzten Ideen – gut möglich, dass sich das<br />

Blaue Band demnächst als Exportschlager erweist.


AUGUSTUM-<br />

ANNEN-<br />

GYMNASIUM<br />

GÖRLITZ


UNTERRICHT DER ANDEREN ART<br />

IN EINER 5. UND EINER 6. KLASSE<br />

15


Augustum-Annen-Gymnasium Görlitz<br />

Schulform: Gymnasium<br />

Organisationsform: teilgebunden<br />

Schülerzahl: 741 (2011/12)<br />

Ganztagsangebote seit: 2007/2008<br />

Rhythmisierung: zwei 90-Minuten-Blöcke<br />

Besonderheiten: wöchentliche Projekttage (als Form<br />

der Rhythmisierung), individuelles Fördern und Fordern<br />

Kurz nachdem wir in Görlitz eintreffen, heißt es: Manege frei! Die Ganztagsklasse 5g<br />

stürmt in Richtung Turnhalle, um sich ihren Übungen zu widmen. Später am Nachmittag<br />

werden die Mädchen und Jungs nach einigen Wochen des Probens und Trainierens<br />

ihren großen Auftritt vor anderen Schülern haben. Mit dem wöchentlichen Projekttag<br />

setzt das Annen-Gymnasium eine spannende Form des fächerverbindenden Unterrichts<br />

um. Und wer beobachten kann, mit welcher Begeisterung und welchem Enthusiasmus<br />

sich die kleinen Clowns, Artisten und Tänzer auf der Generalprobe vorbereiten,<br />

der bekommt eine Ahnung da<strong>von</strong>, was Klassenleiterin Petra Lüdtke meint, wenn sie<br />

vom „Unterricht der anderen Art“ spricht.<br />

Im Jahr 2007 begann man zunächst damit, in der vierzügigen Schule eine Klasse<br />

als Ganztagsklasse zu unterrichten – dieses System hat bis heute für die Klassen 5<br />

und 6 Bestand. Dabei sind die Voraussetzungen, unter denen die Pädagogen und<br />

die Kinder der 5. und 6. Klasse derzeit arbeiten, nicht optimal: Wegen dringend<br />

nötiger Sanierungsmaßnahmen müssen sie sich für zwei Jahre in einem Provisorium<br />

einrichten: einem Plattenbau, an dem seit circa 20 Jahren nichts mehr getan wurde.<br />

An einem 30 Minuten Fußweg entfernten zweiten Standort werden die Schüler ab<br />

Klasse 8 unterrichtet. Aber dieses infrastrukturelle Handicap hält die Kollegen in<br />

Görlitz nicht da<strong>von</strong> ab, einen spannenden, abwechslungsreichen Ganztag zu gestalten.<br />

Sie haben gelernt zu improvisieren – und sie haben das Wichtigste: einen guten<br />

Draht zu den Kindern. Dabei war auch Petra Lüdtke, wie sie offen gesteht, am Anfang<br />

alles andere als überzeugt: Ist der Ganztag mit den zur Verfügung stehenden Res-<br />

<br />

Hatte Andrea Rudolph, die engagierte Initiatorin des Ganztagsangebotes am Annen-<br />

Gymnasium, anfangs noch Mühe, die neuen Klassen zu füllen, so gibt es heute doppelt<br />

so viele Anmeldungen wie zur Verfügung stehende Plätze. Da man in Görlitz keine<br />

halben Sachen mag und auf ein sehr engagiertes Kollegium zählen kann, wurde der Ganztag<br />

hier sehr konsequent eingeführt. Das heißt, man integrierte nicht nur zusätzliche


Freizeitangebote am Nachmittag, sondern sorgte für einen Wechsel <strong>von</strong> Fordern und<br />

Fördern, ergänzte den Lehrplaninhalt, führte eine bewegte Pause nach dem ersten<br />

Unterrichtsblock ein und begann, an einem wöchentlichen Projekttag fächerverbindend<br />

<br />

Geschichte, Deutsch und Sport in Themenkomplexen wie „Weltreise: Ägypten“, „Vom<br />

Fliegen“, „Im antiken Griechenland“ oder eben „So ein Zirkus“ kombiniert. Jedes<br />

<br />

planerisch anspruchsvolles, aber absolut lohnenswertes Vorgehen. Rhythmisierung<br />

des Unterrichts kann eben auch mehr sein als Blockunterricht.<br />

Doch was genau bringt denn dieser Projekttag den Schülern, vom Spaß einmal abgesehen<br />

– gibt es da messbare Ergebnisse? Schulleiter Friedhelm Neumann hat diesbezüglich<br />

keine Zweifel und beobachtet, dass viele Ganztagsschüler ein anderes<br />

Selbstwertgefühl gewinnen, dass sie anders auftreten und gelernt haben, ihren Lernalltag<br />

zu strukturieren und sich zu präsentieren. „Deshalb bin ich überzeugt: Je eher<br />

man damit anfängt, desto besser.“ Auch die soziale Komponente – die Kommunikation<br />

über Klassenstufen hinweg und der Impuls, anderen zu helfen – ist äußerst wertvoll.<br />

Das zeigt sich beispielsweise bei der <strong>von</strong> Schülern in Eigenregie veranstalteten offenen<br />

Bühne „Kulturm“. Hier können die Teilnehmer selbst geschriebene Texte vortragen<br />

oder mit einem Instrument auftreten. Das Interesse sei zuletzt so groß gewesen, dass<br />

der angestammte Veranstaltungsort nicht mehr ausreichte, berichtet der Schulleiter<br />

stolz. Die Art, wie sich die Schüler dort begegnen und der spürbare Respekt vor der<br />

Leistung des jeweils anderen sind wichtige Indizien für ein intaktes Schulklima.<br />

Damit nicht nur die Ganztagsklassen über den Lehrplaninhalt hinaus gefördert werden,<br />

bietet die Schule für die anderen 5. und 6. Klassen sowie ältere Schüler eine Vielzahl<br />

<strong>von</strong> Angeboten am Nachmittag – zumeist in enger Zusammenarbeit mit den Vereinen,<br />

mit denen das Annen-Gymnasium kooperiert. Dabei liegen die Schwerpunkte auf alten<br />

Sprachen (Latein, Hebräisch, Altgriechisch) und Sport (z. B. Unihockey).<br />

17


Schulleiter Friedhelm Neumann<br />

und Klassenleiterin Petra Lüdtke<br />

Weitere feste Bestandteile der Stundentafel in den Klassen 5 und 6 sind Förderunterricht<br />

und Begabtenförderung sowie drei Lerntrainingsstunden („<strong>Lernen</strong> <strong>lernen</strong>“).<br />

In deren Rahmen werden die Schüler zu Beginn der 5. Klasse in verschiedene Lerntypen<br />

eingeteilt. Das hilft ihnen, selbst zu erkennen, auf welchen Wegen sie die<br />

besten Ergebnisse erzielen und wo sie besonders aufpassen müssen. Eine entsprechende<br />

Dokumentation im Klassenbuch zeigt den jeweiligen Fachlehrern, mit welchen<br />

Methoden die Schüler bereits vertraut sind, und dient als Grundlage für die Binnendifferenzierung.<br />

Wegen der guten Erfahrungen auf diesem Gebiet plant man in Görlitz,<br />

in den kommenden Jahren „<strong>Lernen</strong> <strong>lernen</strong>“ zusätzlich zu den im Stundenplan festgeschriebenen<br />

Stunden als Projekt durchzuführen und zu intensivieren.<br />

Mit Blick auf die Zukunft wünschen sich Petra Lüdtke und Friedhelm Neumann vor<br />

allem eines: „Wir hoffen sehr – im Sinne der Kinder und auch der Lehrer –, dass das<br />

ganze Engagement, die Zeit und das Herzblut, das hier und an anderen Orten in die<br />

Etablierung des Ganztags investiert wurde, auch nachhaltig wirkt, um die mühsam<br />

aufgebauten Strukturen nun auch zu nutzen und weiterzuentwickeln.“


FRANZISKANEUM<br />

MEISSEN


SCHULE IM UMBAU<br />

21


Franziskaneum Meißen<br />

Schulform: Gymnasium<br />

Organisationsform: offen<br />

Schülerzahl: 809 (2011/12)<br />

Ganztagsangebote seit: 2005<br />

Rhythmisierung: 2./3. Stunde = 90-Minuten-Block<br />

Besonderheiten: Rhythmisierung, Begabten förderung<br />

„Haben Sie das gemerkt?“ „Was denn?“ „Wir sind gerade vom alten Teil der Schule in<br />

den neuen gewechselt – hier war früher Schluss.“ GTA-Koordinatorin Renate Baldauf<br />

ist sichtlich stolz auf den neuen Teil ihrer Schule – fast wirkt es, als könne sie selbst<br />

noch nicht ganz fassen, welche Möglichkeiten sich mit dem Umbau für die Entwicklung<br />

des Ganztagsangebots im Franziskaneum ergeben. In den vergangenen beiden<br />

Jahren entstand ein moderner Verbindungsbau. Und auch die Umbauarbeiten am<br />

Ganztagsprogramm sind in vollem Gange.<br />

Das Franziskaneum bietet seinen Schülern derzeit montags bis donnerstags additive<br />

Ganztagsangebote, für die sich die Schüler zu Beginn des Jahres verbindlich anmelden.<br />

Ab 15 Uhr können sie sich für 60 oder 90 Minuten so unterschiedlichen Angeboten<br />

wie Theater, Big Band, Roboterprogrammierung, Tai-Chi, Schmuckbasteln, Schülerzeitung<br />

oder Mediendesign widmen.<br />

Doch bei der Bereitstellung zusätzlicher freiwilliger Angebote will es Renate Baldauf<br />

nicht bewenden lassen. Parallel zum Beginn der Netzwerktätigkeit begann sie nach<br />

einem Rhythmisierungsmodell zu suchen, das unter den Meißner Voraussetzungen<br />

funktionieren und mehrheitsfähig im Kollegium sein könnte. Denn es braucht schon<br />

gute Argumente, um die Lehrerinnen und Lehrer <strong>von</strong> einem Kurswechsel bei der<br />

Gestaltung der Stundentafel zu überzeugen. Zum einen konnten sich vor Beginn der<br />

Bauarbeiten viele nicht vorstellen, wie man in einer solchen Schule den Ganztag<br />

gestalten könnte – in dieser Hinsicht haben die mit dem Neubau geschaffene, bessere<br />

Mittagsversorgung und ein Imbissangebot <strong>von</strong> 10.00 bis 15.00 Uhr Renate Baldaufs<br />

Vorhaben Schwung und Nachdruck verliehen. Sie weckten die Lust darauf, Neuland zu<br />

betreten. Zum anderen fällt es manchen schwer, eine etablierte und funktionierende<br />

Struktur aufzugeben – zugunsten <strong>von</strong> etwas Neuem, dessen Auswirkungen man noch<br />

nicht vollständig einschätzen kann. Die Kollegen der Arbeitsgruppe „Individuelles<br />

Fördern“ leisteten gemeinsam mit Renate Baldauf viel Überzeugungsarbeit und betonten<br />

immer wieder die Vorteile der Binnenrhythmisierung, <strong>von</strong> denen Lehrer und Schüler


Abständen zwischen verschiedenen Fachrichtungen hin- und herwechseln – mit<br />

entsprechenden Auswirkungen auf die Unterrichtsvorbereitung und das Unterrichtsmaterial,<br />

das jeden Tag bewegt werden muss. Mit einem knappen Votum stimmte<br />

das Kollegium im März 2011 für die Erarbeitung einer umfassenden Rhythmisierung,<br />

die allerdings erst nach Abschluss der Sanierungsarbeiten am Hauptgebäude in<br />

vollem Umfang greifen wird und im Detail noch weiter ausgestaltet werden muss. Mit<br />

der Zusammenfassung zweier Einzelstunden zum Block einmal am Tag wurde bereits<br />

ein erster Schritt gegangen, darüber hinaus obliegt es den Kollegen individuell, auch<br />

die 4. und 5. Stunde als Einheit zu gestalten.<br />

Ein weiteres Rhythmisierungselement wurde mit der Einführung des Ganztagsangebotes<br />

der betreuten Lernzeit in der 0. und der 7. Stunde bereits realisiert – sie<br />

löste im August 2011 die herkömmliche Hausaufgabenbetreuung ab. Renate Baldauf<br />

und ihre Kollegen wollten das Angebot öffnen und wieder attraktiver machen – und<br />

konnten mit der neuen Terminierung gleich noch ein organisatorisches Problem lösen.<br />

Denn die jahrgangsübergreifende Lernzeit schließt die bisher bestehende Lücke<br />

zwischen dem Ende des regulären Unterrichts und dem Beginn der Ganztagsangebote<br />

gegen 15 Uhr. So sind weniger Schüler versucht, mittags nach Hause zu gehen, obwohl<br />

sie grundsätzlich an den Ganztagsangeboten interessiert wären.<br />

Mit der betreuten Lernzeit werden die Schüler auch zu mehr Eigenverantwortung erzogen.<br />

Sie <strong>lernen</strong>, Inhalte zu strukturieren und den Aufwand für bestimmte Aufgaben<br />

realistisch einzuschätzen. Große Teile ihres Lern- und Hausaufgabenpensums können<br />

sie hier unter Aufsicht eines Fachlehrers bewältigen. Besonders eignet sie sich für<br />

Gruppenarbeiten, zu denen sich die Schüler allerdings in andere Räume zurückziehen<br />

müssen. Zwar wurde auf eine verbindliche Einschreibung verzichtet, um keine unnö-<br />

<br />

es nicht an jedem Tag genauso viel zu tun. Eines ist aber Voraussetzung: eine ruhige,<br />

23


GTA-Koordinatorin<br />

Renate Baldauf<br />

konzentrierte Arbeitsatmosphäre. In der 0. Stunde hilft der gleitende Unterrichtsbeginn<br />

mit der betreuten Lernzeit vor allem den Schülern, die jeden Tag lange Wege zu<br />

bewältigen haben, ihre knappe Zeit bestmöglich zu nutzen – denn sie sind unter Umständen<br />

bereits 45 Minuten früher in der Schule als diejenigen, die vor Ort wohnen.<br />

Auch auf das individuelle Fordern und Fördern wird am Franziskaneum großer Wert<br />

gelegt. Frau Baldauf beschreibt diese Herausforderung folgendermaßen: „Wenn Sie<br />

eine Klasse haben, 28 Schüler, dann sind das 28 unterschiedliche Menschen mit<br />

unterschiedlichen Charakteren, unterschiedlichen Fähigkeiten, unterschiedlicher<br />

Herkunft, unterschiedlichen Lerneinstellungen – und unsere Aufgabe ist es, allen<br />

gerecht zu werden.“ Im Rahmen <strong>von</strong> GTA gab es in den vergangenen Jahren zahlreiche<br />

Angebote zur Begabtenförderung, vor allem in den Fächern Mathe, Physik und<br />

Chemie. Einige da<strong>von</strong> konnten aufgrund fehlender Ressourcen nicht fortgeführt werden –<br />

hier bemüht man sich derzeit, neue kompetente außerschulische Partner zu gewinnen.<br />

Insgesamt wird ein Drittel der Angebote <strong>von</strong> Externen betreut. Im Bereich der Hochbegabtenförderung<br />

arbeitet man im Netzwerk „Gifted“ mit und sucht individuelle<br />

Lösungen. Eine sprachlich hochbegabte Schülerin der 9. Klasse besucht bereits den<br />

Englischunterricht in Klasse 10. Der Stundenplan konnte abgestimmt werden. Ein<br />

Schüler der 12. Jahrgangsstufe absolviert jeweils montags schon einen Studientag<br />

an der TU Dresden. Die Schüler werden <strong>von</strong> den Kollegen des Begabtennetzwerkes<br />

individuell begleitet.<br />

Renate Baldaufs Fazit zur Netzwerkarbeit fällt positiv aus: „Gerade im Hinblick auf<br />

Rhythmisierungsmodelle lieferte der Austausch einen großen Pool an Ideen und wird<br />

auch in Zukunft noch wertvolle Anregungen bei der konkreten Ausgestaltung geben –<br />

<br />

schärfte aber auch den Blick für die Unterschiede. Am Ende muss jede Schule ihren


GRUNDSCHULE<br />

MITTELHERWIGS-<br />

DORF


FÜR DIE KLEINEN GROSSES LEISTEN<br />

27


Grundschule Mittelherwigsdorf<br />

Schulform: Grundschule<br />

Organisationsform: offen<br />

Schülerzahl: 96 (2011/12)<br />

Ganztagsangebote seit: 2005<br />

Rhythmisierung: Wochenplan, 90-Minuten-Blöcke<br />

Besonderheiten: Rhythmisierung, individuelles Fördern<br />

und Fordern am Vormittag, Freiarbeit<br />

Die Grundschule in Mittelherwigsdorf nahm als einzige Grundschule unter zahlreichen<br />

Gymnasien und Mittelschulen eine Sonderstellung im Netzwerk ein. Doch<br />

es war nicht dieser formale Grund, der GTA-Koordinatorin Brigitte Albert und Schulleiterin<br />

Katrin Zwahr den Respekt ihrer Kolleginnen und Kollegen eintrug, sondern<br />

hauptsächlich der Ideenreichtum und das überdurchschnittliche Engagement, mit<br />

denen sie und ihr Team den Schulalltag im Sinne der Kinder neu gestalten. Tragende<br />

Säulen ihrer Strategie sind ein neues Rhythmisierungskonzept, das die Förderangebote<br />

in den Vormittag integriert, die altersgerechte Planung und Ausgestaltung des<br />

Blockunterrichts und eine intensive Kooperation mit dem Hort, zum Beispiel bei der<br />

Hausaufgabenbetreuung.<br />

Alles begann mit einer Frage: „Machen deutsche Schulen dumm?“ So hieß ein Film,<br />

den sich das Kollegium vor inzwischen zehn Jahren anlässlich eines pädagogischen<br />

Tages anschaute und der sie zum Nachdenken brachte: Toll, was woanders so auf die<br />

Beine gestellt wird – können wir unsere Kinder hier nicht auch besser fördern? Die<br />

Bedingungen dafür waren zunächst schwierig: Noch gab es die GTA-Förderrichtlinie<br />

nicht und logistisch wurde jede Nachmittagsveranstaltung wegen der extern angesiedelten<br />

Horte und den zahlreichen Fahrschülern zu einem Kraftakt. Doch die Lust<br />

auf Veränderung war stärker als die Skepsis.<br />

Im Schuljahr 2003/2004 wurde erstmals einmal pro Woche ein AG-Tag angeboten,<br />

wohlgemerkt noch ohne zusätzliche Mittel. Dann wurde das Angebot <strong>von</strong> Jahr zu Jahr<br />

ausgebaut und qualitativ weiterentwickelt. Die verstärkte GTA-Förderung eröffnete<br />

neue Möglichkeiten – für die Schüler, aber auch für die in Teilzeit arbeitenden Lehrer,<br />

die nun die Chance hatten, im Förderbereich tätig zu werden: Man konnte nun über<br />

die dafür vorgesehenen zwei Stunden pro Woche hinaus etwas für die Kinder tun.<br />

Ein Meilenstein war die Ausarbeitung eines rhythmisierten Wochenplans mit ein-<br />

<br />

mittwochs in der ersten Stunde statt. Dem Kollegium der Grundschule gelingt das


Kunststück, zu dieser Zeit für ca. 100 Kinder gleichzeitig adäquate Angebote abzusichern:<br />

<strong>von</strong> der Förderung in Mathematik, Lesen und Schreiben über die Schulung<br />

der Feinmotorik und des logischen Denkens bis zu Begabtenförderung und dem<br />

Tschechischunterricht. Neben den Lehrern kommen auch externe Kräfte <strong>von</strong> Vereinen<br />

und dem Hort zum Einsatz, damit die Gruppen nicht zu groß werden. Fällt ein Kursleiter<br />

aus, gibt es ein vom Hort betreutes Sportangebot, das die Kinder auffängt –<br />

nur ein Beispiel für das inzwischen symbiotische Verhältnis der beiden Einrichtungen.<br />

Dass das Förderkonzept nur im Zusammenhang mit der Rhythmisierung betrachtet<br />

werden kann, ist für die Kolleginnen der Grundschule eine Selbstverständlichkeit:<br />

„Grundschulkinder sind nicht zu jeder Tageszeit und durchgängig belastbar. Also<br />

muss man die Förderung dann eintakten, wenn die Kinder besonders aufnahmefähig<br />

sind: am Vormittag“. Der Nachmittag dagegen gehört inzwischen ausschließlich der<br />

Freizeitgestaltung mit Ganztagsangeboten, die für alle offen sind und auf freiwilliger<br />

Basis besucht werden.<br />

Der verstärkte Einsatz des Blockunterrichts war das Ergebnis eines Schulentwicklungsforums,<br />

bei dem Lehrer, Schüler, Eltern und Hortner einmal im Jahr zusammenkommen,<br />

wobei die Schüler sich diese Lernzeiten explizit wünschten. Katrin Zwahr sieht sich<br />

hier immer wieder mit Vorurteilen konfrontiert: 90 Minuten Unterricht – geht denn<br />

das mit Grundschulkindern? „Das hängt alles da<strong>von</strong> ab, wie ich diese 90 Minuten<br />

rhythmisiere. Ich muss Bewegungs- und Entspannungsphasen einplanen, eine Struktur<br />

entwickeln, Abwechslung zwischen frontalen und freien Phasen schaffen – es gibt<br />

so viele Möglichkeiten, spannenden Unterricht zu gestalten.“ Stichwort Bewegung:<br />

Die wird in Mittelherwigsdorf selbstverständlich in den Unterricht integriert – durch<br />

die Auswahl entsprechender Methoden (z. B. spielerische Umsetzung des Vokabeln<strong>lernen</strong>s),<br />

die Organisation des Unterrichts (z. B. Arbeitsmaterial selbstständig holen)<br />

und nach Möglichkeit die inhaltliche Verknüpfung mit dem zu vermittelnden Stoff.<br />

Das gelingt so überzeugend, dass einige dieser Elemente künftig auch im Gymnasium<br />

29


Schulleiterin Katrin Zwahr und<br />

GTA-Koordinatorin Brigitte Albert<br />

in Groitzsch zur Anwendung kommen – sie waren einem Kollegen im Rahmen einer<br />

Netzwerkhospitation positiv aufgefallen. Wie ernst die Schule das Thema nimmt,<br />

zeigt auch die Teilnahme am Projekt „Bewegte Schule – Partner für Sicherheit“, im<br />

<br />

Auch bezüglich der Hausaufgaben hat sich einiges entwickelt: Seit diesem Schuljahr<br />

nehmen alle Schüler täglich zwischen 13.30 und 14.30 Uhr an einer Lernzeit teil –<br />

ein Abschied vom System „richtig oder falsch“ und eine Annäherung an einen umfassenderen<br />

Begriff des <strong>Lernen</strong>s auch bei der Hausaufgabenorganisation. Die Klassen<br />

gehen mit ihrem Hortner nach dem Mittagessen zurück ins Klassenzimmer, um Aufgaben<br />

zu erledigen, zu üben, etwas nachzuholen, aber auch um ein Plakat zu basteln<br />

oder ein Gedicht zu <strong>lernen</strong>. Zudem steht für alle Klassen ein Lehrer zur Verfügung,<br />

der je nach Bedarf hinzugezogen werden kann. Mit der Nutzung der Lernwerkstatt<br />

wird angestrebt, dass die Kinder in Zukunft noch intensiver <strong>lernen</strong> und selbstständiger<br />

werden. Auf jeden Fall sollten sie – zumindest in der Grundschule – nichts mehr mit<br />

nach Hause nehmen müssen.<br />

Auch schuljahresbegleitende Projekte wie der Schulzirkus werden im Rahmen <strong>von</strong><br />

GTA organisiert. Alle vier Jahre kommt ein Kinder- und Jugendzirkus nach Mittelherwigsdorf,<br />

damit jedes Kind, das die Schule durchläuft, einmal an diesem Erlebnis<br />

teilhaben kann. Die erfahrenen Zirkuspädagogen integrieren jedes Kind entsprechend<br />

seiner Fähigkeiten und am Ende steht eine öffentliche Aufführung, an der alle beteiligt<br />

sind – auch Kinder aus der tschechischen Partnerschule. Das Erlebnis, in der<br />

Manege zu stehen, ist für die Kinder unvergesslich. Für Katrin Zwahr, Brigitte Albert<br />

und ihre Kolleginnen sind das wunderbare Momente: „Wenn wir sehen, welches<br />

Potenzial sich hier – oft an unerwarteter Stelle – entfaltet, dann wissen wir, dass<br />

unsere Anstrengungen sich gelohnt haben.“


GUSTAV-HERTZ-<br />

GYMNASIUM<br />

LEIPZIG


EINE SCHULE DES LEBENS<br />

33


Gustav-Hertz-Schule, Gymnasium der Stadt Leipzig<br />

Schulform: Gymnasium<br />

Organisationsform: teilgebunden<br />

Schülerzahl: 516 (2011/12)<br />

Ganztagsangebote seit: 2005<br />

Rhythmisierung: 45-Minuten-Stunden<br />

Besonderheiten: Soziales <strong>Lernen</strong>, Schüler unterrichten<br />

Schüler (Form des individuellen Förderns und Forderns)<br />

Was meinen Sie, wie es ankommt, wenn man Schülern im Rahmen <strong>von</strong> GTA anbietet,<br />

gemeinsam mit einem Künstler ein Auto in seine Einzelteile zu zerlegen und daraus<br />

eine Skulptur zu bauen? Sensationell? Die Schüler der Leipziger Hertz-Schule ließ das<br />

kalt – keine einzige Anmeldung gab es für dieses Angebot. Aber <strong>von</strong> dieser etwas<br />

ungewöhnlichen Ausnahme abgesehen trifft das Team um die GTA-Koordinatoren<br />

Sybille Pilz und Dr. Antje Willma mit dem Konzept der Hertz-Zeit bei den Schülern voll<br />

ins Schwarze. Ein weiterer Grund, warum sich die Schüler an ihrer Schule so offensichtlich<br />

wohlfühlen: Hier traut man ihnen etwas zu, überträgt Verantwortung, stärkt<br />

die Eigeninitiative. Wie es sich eben für eine Schule des Lebens gehört.<br />

Mit der Hertz-Zeit bietet das Gymnasium am Leipziger Stadtrand allen Schülern der<br />

Klassen 5 bis 9 einmal in der Woche die Gelegenheit, ihren speziellen Interessen<br />

nachzugehen. Die Stunde wird nicht einfach an den regulären Unterricht angehängt,<br />

sondern ist donnerstags ab 12.45 Uhr in die Stundentafel integriert. Aus mehr als<br />

25 Angeboten können die Schüler bei der Einschreibung wählen: <strong>von</strong> sportlichen<br />

und kreativen Kursen wie dem Tanzen und dem kreativen Gestalten bis zu exotischeren<br />

wie dem Bauen <strong>von</strong> Architekturmodellen. Neben der Förderung <strong>von</strong> Talenten<br />

und Neigungen bot die Hertz-Zeit eine willkommene Gelegenheit, die Stundentafel<br />

aufzubrechen und jahrgangsstufenübergreifend zu arbeiten. Durch die Platzierung<br />

am Mittag ist außerdem sichergestellt, dass möglichst alle Schüler auf diese Weise<br />

ihren Horizont erweitern können – auch diejenigen, die aufgrund ihrer familiären<br />

<br />

Hertz-Zeit wird sowohl <strong>von</strong> externen Kräften als auch <strong>von</strong> Lehrern bestritten, die<br />

dann <strong>von</strong> den Kindern – losgelöst vom Fachunterrichtskontext – auch ganz anders<br />

wahrgenommen werden. Für die Klassen ab der Stufe 10 aufwärts sieht der Stundenplan<br />

parallel zur Hertz-Zeit die sogenannte Lernzeit als Ganztagsangebot vor:<br />

Hier können die Schüler selbst über ihre Zeit verfügen, im Computerkabinett und in<br />

der Bibliothek arbeiten oder sich gemeinsam mit einem Projekt befassen. Auf der


Zielgeraden zum Abitur haben sie ein so hohes Pensum zu bewältigen, dass ihnen<br />

<br />

Ein Modell des sozialen <strong>Lernen</strong>s, das inzwischen – im Wortsinn – Schule macht, ist<br />

das ORG-Team, das an der Hertz-Schule inzwischen seit mehr als zehn Jahren in Eigenregie<br />

Veranstaltungen organisiert: den Hertz-Ball, das Sommerfest oder auch mal<br />

einen Weihnachtsmarkt. Die Lehrer halten sich dabei ganz bewusst aus den Aktivitäten<br />

des Teams heraus, denn ein großer Reiz der Arbeit besteht für die Schülerinnen und<br />

Schüler natürlich darin, zu beweisen, dass sie es auch allein hinbekommen können.<br />

Und selbst wenn mal ein Projekt scheitert oder ganz anders läuft als geplant, so ist<br />

dies keine Katastrophe. Schließlich ist nach dem Prinzip Learning by Doing auch das<br />

Scheitern eine wichtige Erfahrung, die zur Schule des Lebens gehört. Durch das<br />

Engagement im ORG-Team <strong>lernen</strong> die Schüler, Verantwortung zu übernehmen, aber<br />

auch Aufgaben zu delegieren – Soft Skills, die man zwar auch im Unterricht er<strong>lernen</strong><br />

kann, die aber in der Praxis oft zu kurz kommen. Inzwischen hat das ORG-Team einen<br />

hohen Professionalisierungsgrad erreicht. Und der Enthusiasmus, mit dem hier zu<br />

Werke gegangen wird, überrascht die Lehrer auch nach vielen Jahren noch: Für das<br />

letzte Sommerfest etwa hatten die Schüler Unmengen an Sand herangekarrt, damit<br />

auch echte Urlaubsstimmung aufkommt – für ganze vier Stunden.<br />

Ein Element des individuellen Forderns und Förderns, mit dem man in Leipzig sehr<br />

gute Erfahrungen gemacht hat, heißt selbsterklärend Schüler unterrichten Schüler.<br />

Die <strong>von</strong> Frau Schmidt ins Leben gerufene Initiative zielt darauf ab, Schüler mit Förderbedarf<br />

und gute Schüler höherer Klassen zusammenzubringen – der Schule kommt<br />

hier lediglich eine koordinierende Funktion zu. Der Effekt jedenfalls ist erstaunlich:<br />

<br />

der die Hilfe in Anspruch nimmt. Er reaktiviert sein Wissen und lernt ganz nebenbei,<br />

Inhalte didaktisch aufzuarbeiten. Der <strong>Lernen</strong>de dagegen sieht sich im Vergleich mit<br />

35


GTA-Koordinatorinnen<br />

Dr. Antje Willma<br />

und Sybille Pilz<br />

<br />

besten Fall einen neuen Zugang zu dem Unterrichtsstoff, der ihm bisher Schwierigkeiten<br />

bereitete. Bester Beweis dafür, dass diese Form des individuellen Förderns<br />

gut ankommt, sind lange Wartelisten, besonders im Fach Mathematik. Die Schule<br />

stimuliert die Hilfsbereitschaft der älteren Schüler. Wie auch beim ORG-Team gilt<br />

die Devise: Der Weg ist das Ziel. Keiner erwartet Perfektion, aber den ehrlichen Willen<br />

zu helfen und Engagement. Dabei ist das Förderkonzept der Hertz-Schule durchaus<br />

noch ausbaufähig, denn während Schüler mit schlechteren Noten und deren Eltern<br />

ihren Bedarf artikulieren, werden <strong>von</strong> den leistungsstarken Schülern kaum Angebote<br />

zur zusätzlichen Förderung nachgefragt.<br />

Die Netzwerkarbeit, so Dr. Antje Willma, habe der Schule in vielen konkreten Punkten<br />

weitergeholfen. Sie vermittelte aber noch etwas anderes sehr Wertvolles: Anerkennung<br />

und Bestätigung: „Uns ist eigentlich im Laufe dieser zwei Jahre erst so richtig bewusst<br />

geworden, dass wir mit unseren Mitteln und Möglichkeiten schon eine ganze Menge<br />

erreicht haben. Darauf sind wir stolz. Aber wir haben auch über den Tellerrand geschaut<br />

und nehmen kontinuierlich weiter neue Ideen auf.“ Eine dieser Ideen ist eine<br />

Ganztagsklasse mit zusätzlichen Sportangeboten und zwei integrierten Hausaufgaben-<br />

bzw. Förderstunden – ein Modell, das den beiden bei einer Hospitation am<br />

Gymnasium in Groitzsch aufgefallen war.


GYMNASIUM<br />

SCHKEUDITZ


VIVA LA NEUGIER<br />

39


Gymnasium Schkeuditz<br />

Schulform: Gymnasium<br />

Organisationsform: offen (Bläserklasse gebunden)<br />

Schülerzahl: 1070 (2011/12)<br />

Ganztagsangebote seit: 2005/2006<br />

Rhythmisierung: 45-Minuten-Stunden<br />

Besonderheiten: Bläserklasse, Arbeiten an zwei<br />

Standorten<br />

Wer wie wir an einem Dienstagmorgen die Markranstädter „Filiale“ des Gymnasiums<br />

Schkeuditz besucht, mag zunächst seinen Ohren kaum trauen: Aus dem Klassenraum<br />

der 5f tönt laute Blasmusik. Noch größer ist die Überraschung, als sich die Tür öffnet.<br />

Dann sehen wir uns plötzlich einem kleinen Orchester mit 21 Schülerinnen und Schülern<br />

gegenüber. Und es kommt noch besser: Die Bläserklasse unter Leitung <strong>von</strong> Musiklehrer<br />

Lars Haugk bringt uns sogar ein Ständchen. Nicht jeder Ton sitzt, aber darum<br />

geht es bei diesem Ganztagsangebot nicht vorrangig. Worum es geht, lässt sich an<br />

den Gesichtern der Kinder ablesen: um die pure Freude am Musizieren – und um den<br />

Stolz darauf, was die Klasse gemeinsam leisten kann.<br />

Das Gymnasium Schkeuditz ist eine außergewöhnliche Schule – allerdings nicht nur<br />

wegen ihrer Bläserklasse, sondern allein schon aufgrund der besonderen Struktur:<br />

Sie besteht als einziges Gymnasium in <strong>Sachsen</strong> aus zwei Schulen in verschiedenen<br />

Städten, die mindestens dreizügig bis zur Oberstufe geführt werden. Die Entfernung<br />

zwischen den Standorten Markranstädt und Schkeuditz beträgt 13 km. Entsprechend<br />

intensiv ist die Reisetätigkeit der Lehrer – und der Schüler ab Sekundarstufe II. Das<br />

Gymnasium bietet ein sprachliches (Englisch, Russisch/Französisch, Latein) und ein<br />

<br />

An beiden Standorten können Schüler montags bis donnerstags <strong>von</strong> 13.30 Uhr bis<br />

16.00 Uhr aus einem breiten additiven unterrichtsergänzenden und freizeitpädagogischen<br />

Angebot wählen: Dabei reicht die Auswahl <strong>von</strong> Sportangeboten wie Floor-<br />

<br />

<strong>von</strong> Partnerschaften mit Schulen in Frankreich und der Ukraine widmen. Zu Beginn<br />

<br />

gebote ihren Neigungen entsprechen. Können sie während dieser beiden Wochen<br />

– auch innerhalb der Stunde – zwischen mehreren Angeboten wechseln, müssen sie<br />

sich dann ab der dritten Woche verbindlich für den Rest mindestens des 1. Schul-


halbjahres festlegen. Auch Hausaufgabenbetreuung wird an vier Tagen pro Woche<br />

angeboten. Aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre arbeitet man hier möglichst<br />

mit einem konstanten Ansprechpartner, der an allen Tagen für die Schüler da ist.<br />

Der Stolz <strong>von</strong> GTA-Koordinatorin Beate Schaaf ist natürlich die oben bereits erwähnte<br />

Bläserklasse – eine spezielle Ganztagsklasse am Standort Markranstädt, deren<br />

Schüler zwei Jahre lang statt des regulären Musikunterrichts und darüber hinaus ein<br />

Blasinstrument <strong>lernen</strong>. Bis zu sechs Stunden pro Woche verwenden die Schüler<br />

darauf, ihre Fähigkeiten und das Zusammenspiel im Orchester zu schulen. „Was<br />

<br />

<strong>von</strong> ihnen haben noch nie ein Instrument gespielt – und würden es wohl ohne diese<br />

Klasse auch nie tun. Und bereits nach drei Monaten haben diese Kinder zum Weihnachts-<br />

<br />

Bei der Ganztagsklasse gelingt zudem, was ansonsten schon aufgrund der beiden<br />

Standorte unmöglich ist: Die GTA-Stunden für die Orchesterprobe sind in den regu-<br />

<br />

der örtlichen Musikschule am Nachmittag statt. Der Effekt ist spürbar: Die Ganztagsklassen<br />

zeichnen sich durch einen starken Zusammenhalt aus – und sie <strong>lernen</strong>, dass<br />

sowohl das Können jedes Einzelnen als auch Teamgeist gefragt sind. Damit die Entwicklung<br />

nach Beendigung der 6. Klasse nicht einfach abbricht, plant man langfristig<br />

den Aufbau einer Schul-Big-Band.<br />

Darüber hinaus unterhalten das Haus Markranstädt wie auch das Haus Schkeuditz<br />

enge Kooperationen mit zahlreichen Sportvereinen beider Städte. Hier herrscht eine<br />

gute Balance zwischen Geben und Nehmen: Die Honorarkräfte und Freiwilligen aus<br />

den Vereinen bereichern das nachmittägliche Freizeitangebot immens – und gewinnen<br />

im Gegenzug eventuell neue Mitglieder für ihre Vereine. Bei den Projekten im<br />

Bereich soziales <strong>Lernen</strong> kooperiert man mit dem örtlichen Mehrgenerationenhaus<br />

Markranstädt und zunehmend auch mit der Mittelschule, mit der sich das Gymnasium<br />

41


GTA-Koordinatorin Christiane Brandenburg,<br />

stellvertretende Schulleiterin Beate Schaaf<br />

ein Gebäude und eine Sozialpädagogin teilt. Ein Fußballturnier und die gemeinsame<br />

erfolgreiche Teilnahme am karitativen Peter-Escher-Lauf boten Raum für Begegnungen<br />

auf Augenhöhe.<br />

Am Standort Schkeuditz besuchen die Schüler einen modernen Campus mit einem<br />

<strong>von</strong> Grund auf sanierten und mit neuester Technik ausgestatten Schulgebäude aus<br />

der Gründerzeit – eine neue Turnhalle direkt auf dem Campus wird 2013 fertiggestellt.<br />

GTA-Koordinatorin Christiane Brandenburg verweist auf eine Besonderheit des<br />

Hauses: das astronomische Zentrum mit Planetarium und Observatorium, das <strong>von</strong> der<br />

AG „Sterngucker“ genutzt wird. Neben der reinen Beobachtung fertigen die Schüler<br />

hier beispielsweise auch Modelle <strong>von</strong> Himmelskörpern an. Andere Angebote nehmen<br />

Impulse aus der Wirtschaft vor Ort auf. Die enge Zusammenarbeit mit dem Schkeuditzer<br />

Flughafen beispielsweise – hier betreibt die DHL Hub Leipzig GmbH ein Drehkreuz<br />

– kommt der Ökologie-AG zugute. Sie nutzt einen vom Unternehmen als Ausgleich<br />

für die Bodenversiegelung angelegten 18 ha großen Wald als grünes Klassenzimmer.<br />

Die Schüler entnehmen Bodenproben, analysieren Flächen und stellen Informationstafeln<br />

auf. Für dieses Engagement wurde die AG 2010 beim Wettbewerb „Entdecke<br />

die Vielfalt“ ausgezeichnet.<br />

An der Netzwerkarbeit schätzten Christiane Brandenburg und Beate Schaaf vor allem<br />

die intensiven Einblicke in die Praxis: „Es ist interessant zu sehen, wie die anderen<br />

im Detail arbeiten. Die Schülerpatenschaften sind etwas, das wir uns auch sehr gut<br />

an unserer Schule vorstellen können. Ebenfalls wäre die Einrichtung einer Ganztagsklasse<br />

Sport im Haus Schkeuditz denkbar.“ Und welchen Tipp würden sie anderen<br />

Schulen mit auf den Weg geben? „Wer glaubt, er könne Kollegen oder Eltern Neuerungen<br />

einfach überstülpen, der ist auf dem Holzweg. Man muss alle Vorhaben detailliert<br />

erklären und so viele Leute wie möglich mit ins Boot holen. Sonst lässt sich langfristig<br />

kaum etwas bewegen.“


J.-G.-FICHTE-<br />

SCHULE<br />

MITTWEIDA


LERNEN LERNEN<br />

45


J.-G.-Fichte-Schule Mittweida<br />

Schulform: Mittelschule<br />

Organisationsform: teilgebunden<br />

Schülerzahl: 416 (2011/12)<br />

Ganztagsangebote seit: 2005<br />

Rhythmisierung: 80-Minuten-Blöcke<br />

Besonderheiten: Rhythmisierung, Schulclub<br />

Beim Stichwort Wappentier denken die meisten wohl an Adler, Bär oder Leopard.<br />

Dass sich die Fichteschule Mittweida ausgerechnet für die Schildkröte entschied,<br />

hat drei naheliegende Gründe – die sind <strong>von</strong> recht stattlicher Natur und bewohnen<br />

einen kleinen Teich im Speiseraum. Die Schildkröten Michelangelo, Donatello und<br />

Leonardo sind die Stars der Schule und ziehen die Aufmerksamkeit der Kinder wie<br />

auch der Besucher magisch an. Für das Schulklima und die Ganztagsaktivitäten<br />

der Johann-Gottlieb-Fichte-Schule sind sie allerdings kein passendes Bild – denn<br />

hier herrscht alles andere als Trägheit.<br />

Wahrscheinlich ist es vor allem die Gelassenheit, die Matthias Möbius an den beiden<br />

Schildkröten bewundert, denn da<strong>von</strong> braucht er als Schulleiter eine ganze Menge.<br />

Mit circa 430 Schülern aus 60 Orten gehört die Johann-Gottlieb-Fichte-Schule zu<br />

den größten Mittelschulen <strong>Sachsen</strong>s. Großen Stellenwert räumt das Kollegium der<br />

Zusätzlichen Pädagogischen Arbeit (ZPA) ein, bei der das Methoden<strong>lernen</strong> und die<br />

schule<br />

<strong>von</strong> einem Angebot „<strong>Lernen</strong> <strong>lernen</strong>“.<br />

In diesem Jahr wird im Zuge der verstärkten Rhythmisierung ein 40-Minuten-Takt<br />

eingeführt. Die 10 Minuten, welche durch die Planung <strong>von</strong> 80-Minuten-Blöcken gewonnen<br />

werden, addieren sich dann zu Unterrichtseinheiten, die für Förderung,<br />

Differenzierung und erzieherische Arbeit zur Verfügung stehen. Generell werden<br />

momentan circa 30 Prozent des Unterrichts im Block gehalten, die anderen 70 Prozent<br />

als Einzelstunden.<br />

In Zukunft wird das Thema Rhythmisierung einen noch wichtigeren Platz auf der<br />

Agenda der Schule einnehmen und schon im Schuljahr 2012/2013 soll ein entsprechendes<br />

Modell eingeführt werden. Auf dem Weg dorthin hat man sich auch bei<br />

den anderen Netzwerkschulen umgeschaut und deren Erfahrungen ausgewertet.


Um das Kollegium auf die mit dem Ganztag einhergehenden Herausforderungen<br />

adäquat vorzubereiten, gab es intensive Fortbildungsmaßnahmen. Dabei baut man<br />

in Mittweida nicht nur auf externe Partner, sondern nutzt auch hausinterne Ressourcen.<br />

Die Schule verfügt als etablierter Standort für die Lehrerfortbildung über einen<br />

großen Erfahrungsschatz: In den 90er-Jahren wurde an der Fichteschule die erste<br />

Lehrerlernwerkstatt an einer sächsischen Mittelschule gegründet. Seitdem wurden<br />

mehr als 60 Veranstaltungen für Schulen und Institutionen sowie pädagogische Tage<br />

für andere Schulen durchgeführt. Zudem öffnete sich die Schule für zahlreiche Hospitationen<br />

<strong>von</strong> Kollegen.<br />

Apropos Öffnung: Auch in dieser Hinsicht hat sich mit der Etablierung des Ganztags<br />

einiges getan: Eine Reihe <strong>von</strong> Ganztagsangeboten – darunter Filzen, Mountainbike,<br />

Arbeiten mit Ton – werden <strong>von</strong> externen Honorarkräften gestaltet, andere Angebote<br />

sind nur durch ehrenamtliches Engagement aufrechtzuerhalten, beispielsweise die<br />

Physiotherapie. Als Integrationsschule öffnet man sich in Mittweida auch für Kinder,<br />

die ihren Schulabschluss unter erschwerten Bedingungen erwerben müssen. Dazu<br />

zählen Aussiedlerkinder, die in einer DaZ-Klasse (Deutsch als Zweitsprache) zunächst<br />

die Grundlagen für den „normalen“ Unterricht erwerben, und Integrationskinder<br />

aus der psychiatrischen Kinderklinik vor Ort, mit der die Schule eine enge Kooperation<br />

verbindet.<br />

Gar nicht hoch genug kann man aus Sicht der Schulleitung die Leistungen der an<br />

der Fichteschule seit Jahren tätigen Sozialpädagogin einschätzen, nicht zuletzt,<br />

weil hier intensiv an der Entwicklung <strong>von</strong> sozialen Kompetenzen und am Aufbau <strong>von</strong><br />

<br />

zum Ausbau des Ganztagsangebotes, ist zudem der täglich <strong>von</strong> 7 bis 16 Uhr geöffnete<br />

Schulclub ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt der schulischen Freizeitangebote.<br />

Carola Seifert vom Kooperationspartner Christliches Jugenddorfwerk (CJD) und ihre<br />

47


Schulleiter<br />

Matthias Möbius<br />

Kollegen haben ein offenes Ohr für die Alltagsprobleme der Schüler und genießen<br />

bei ihnen hohes Ansehen. Sie leisten immens wichtige Aufklärungsarbeit, etwa zu<br />

Drogenmissbrauch und Internetmobbing, gestalten Projekte zur Gewaltprävention<br />

und sensibilisieren für die Verantwortung, die auf junge Eltern zukommt, wenn sie<br />

sich für ein Kind entscheiden. Ein sehr gefragtes Angebot ist in diesem Zusammenhang<br />

beispielweise der Babysimulator, mit dem 14- bis 16-jährige Mädchen oder<br />

junge Paare eine Art Mutter- oder Elternpraktikum absolvieren können. Sie erleben<br />

für einige Tage und Nächte, was es bedeutet, in einem sehr jungen Alter rund um die<br />

Uhr für ein Baby verantwortlich zu sein. Die lebensechte Puppe „schreit“, wenn sie<br />

Hunger hat, gewindelt werden will oder Zuneigung erwartet. Der an einem Armband<br />

befestigte Transponder zeichnet dann auf, inwieweit die Mädchen ihren elterlichen<br />

<br />

und beraten.


JOHANN-<br />

HEINRICH-<br />

PESTALOZZI-<br />

GYMNASIUM<br />

RODEWISCH


LERNEN MIT KOPF, HERZ UND HAND<br />

51


Johann-Heinrich-Pestalozzi-Gymnasium Rodewisch<br />

Schulform: Gymnasium<br />

Organisationsform: offen<br />

Schülerzahl: 683 (2011/12)<br />

Ganztagsangebote seit: 2004<br />

Rhythmisierung: 90-Minuten-Blöcke<br />

Besonderheiten: Rhythmisierung, Schüler helfen<br />

Schülern (Form des sozialen <strong>Lernen</strong>s)<br />

Betritt man das Foyer des Johann-Heinrich-Pestalozzi-<br />

Gymnasiums in Rodewisch, blickt man direkt auf ein<br />

großes, <strong>von</strong> einem ehemaligen Lehrer gestaltetes<br />

Wandbild. Es zeigt ein Kanu namens PESTA, das <strong>von</strong><br />

einer bunt gemischten Crew aus Jungen und Mädchen<br />

verschiedenen Alters in Richtung Abitur gesteuert<br />

wird. Und Richtung Sonnenschein. „<strong>Lernen</strong> mit Kopf,<br />

Herz & Hand“ steht in großen Lettern darüber – denn<br />

das Kollegium in Rodewisch bekennt sich explizit zu<br />

dem ganzheitlichen Lernideal, das man mit dem Namenspatron Pestalozzi<br />

assoziiert. Und auch die <strong>von</strong> Katrin Arndt und Barbara Langner koordinierten<br />

Ganztagsangebote dienen diesem übergeordneten Ziel: dafür zu sorgen,<br />

dass sich die Begabungen und Anlagen der knapp 700 hier <strong>lernen</strong>den Kinder<br />

bestmöglich entfalten können.<br />

Als man in Rodewisch im Jahr 2005 begann, das GTA-Konzept umzusetzen, standen<br />

zunächst materielle Gründe im Vordergrund: Das Schulgebäude aus dem Jahr 1930<br />

bedurfte dringend einer Modernisierung – und die Stadt Rodewisch konnte die dafür<br />

benötigten Mittel aus dem Investitionsprogramm „Zukunft, Bildung und Betreuung“<br />

(IZBB) des BMBF nur im Zuge einer Umstellung auf das Ganztagskonzept beantragen.<br />

Seitdem verfügt die Schule u. a. über naturwissenschaftliche Fachkabinette für Biologie,<br />

Chemie und Physik, über eine Kantine, einen Schulclub sowie einen großen<br />

Sportplatz. Die äußeren Bedingungen für den Ganztagsbetrieb waren damit geschaffen<br />

– und wie weit das Kollegium in den darauffolgenden Jahren mit der inhaltlichen<br />

Ausgestaltung vorankam, ist beachtenswert.<br />

Ein erster großer Schritt war die konsequente Umstellung <strong>von</strong> Einzelstunden auf<br />

Blöcke – eine anfangs im Kollegium viel diskutierte Maßnahme, die aber heute auf<br />

Zustimmung trifft. Vor drei Jahren begann man mit der Etablierung einer Klasse mit


äußerten Wunsch nach. Diese Klassen – pro Schuljahr jeweils eine der drei 5. Klassen –<br />

werden jeden Tag bis 15 Uhr in der Schule betreut. An zwei Tagen der Woche, dienstags<br />

und donnerstags, wird der Stundenplan der Klasse nach dem zweiten Block aufgelockert.<br />

Die Kinder gehen dann gemeinsam in Ruhe essen – jenseits des Trubels zu<br />

den „Stoßzeiten“ – und nehmen in kleinen Gruppen <strong>von</strong> maximal zwölf Teilnehmern<br />

eines <strong>von</strong> drei Angeboten wahr – am beliebtesten sind Sport- und Kreativangebote.<br />

Danach geht auch für sie der normale Unterricht weiter. Findet in der 7./8. Stunde<br />

kein Unterricht statt, können die Schüler gemeinsam diese Zeit nutzen, um ihre Hausaufgaben<br />

zu erledigen, am Förderunterricht teilzunehmen, eine der mehr als 60 Arbeitsgemeinschaften<br />

zu besuchen oder im Schulclub zu spielen. Apropos Hausaufgaben:<br />

Alle Schüler des Gymnasiums können montags bis donnerstags jeweils in der 7. und<br />

8. Stunde entsprechende Betreuungsangebote nutzen.<br />

Am Pestalozzigymnasium in Rodewisch wird dem sozialen <strong>Lernen</strong> hohe Bedeutung<br />

<br />

Begegnungen jenseits des Klassenverbandes statt. Zudem werden Schüler motiviert,<br />

für einige Stunden die Perspektive zu wechseln und sich selbst als Lehrer zu versuchen<br />

– beispielsweise am Tag der Naturwissenschaften, an dem die Schüler der<br />

11. Jahrgangsstufe geschlossen den Unterricht für die jüngeren Schüler gestalten.<br />

Sie reichen naturwissenschaftliche Projekte ein und werden dabei <strong>von</strong> einem Lehrer<br />

betreut. „Die machen richtig tollen Unterricht“, schwärmt Katrin Arndt <strong>von</strong> ihren<br />

jungen „Kollegen“.<br />

Im Rahmen des Grundschulprojekts „unterrichten“ einige Zehntklässler im Beisein <strong>von</strong><br />

Grundschullehrern die Grundschüler der umliegenden Orte – meist sind es Schüler,<br />

die bereits Interesse an einem späteren Lehramtsstudium geäußert haben und hier<br />

erste Erfahrungen sammeln wollen. Ein ähnlicher Ansatz liegt dem Modell „Schüler<br />

helfen Schülern“ zugrunde, für das passende „Pärchen“ aus Sechst- und Neuntklässlern<br />

gebildet werden.<br />

53


GTA-Koordinatorinnen<br />

Katrin Arndt und<br />

Barbara Langner<br />

Barbara Langner beobachtet immer wieder erfreut, mit welchem Respekt die Jüngeren<br />

zu den Großen aufblicken. Die wiederum nehmen die Sache so ernst, dass sie die<br />

Kleinen fast „adoptieren“ und auch über fachliche Fragen hinaus immer da sind, wenn<br />

sich Probleme abzeichnen. Fester Treffpunkt für die „Lerntandems“ ist die 7. Stunde<br />

am Montag. Die Schüler verabreden sich im Schulclub oder im Hausaufgabenzentrum,<br />

melden sich an und können sich dann frei im Schulgebäude bewegen, um selbst<br />

einen geeigneten Arbeitsort auszusuchen. Als zusätzlicher Anreiz für ein Schuljahr<br />

kontinuierlicher Betreuung erhalten die Mentoren ein kleines Dankeschön. Obwohl<br />

das Pestalozzigymnasium sehr aktiv im Förderbereich ist – beispielsweise auch im<br />

Hinblick auf die Begabtenförderung – ist es kaum möglich, allen Nachfragen gerecht<br />

zu werden. Kinder wie auch Eltern signalisieren regelmäßig einen höheren Bedarf.<br />

Ihre Offenheit beweist die Schule auch in einer über Jahre gewachsenen Kooperation<br />

mit der Sonnenhofschule aus dem Nachbarort Auerbach. Für die dort <strong>lernen</strong>den<br />

geistig Behinderten organisieren die 10. Klassen ein großes Sportfest. Mit welcher<br />

Ernsthaftigkeit die Schüler diese Aufgabe angehen, lässt sich bereits daran erkennen,<br />

dass sie im Vorfeld in der Schule hospitieren, um auch wirklich für alle Kinder<br />

entsprechende Angebote unterbreiten zu können. Darüber hinaus kooperiert man<br />

mit der nahe gelegenen Musikschule, wobei auch einige der Angebote mit Förder-<br />

<br />

<br />

reicherung. Doch obwohl sie bei ihren Hospitationen schon wieder viele neue Ideen<br />

sammeln konnten, heißt das Motto der kommenden Jahre: Tiefe statt Breite. Statt den<br />

Ganztag weiter auszubauen, sollen die bestehenden Angebote konsolidiert und im<br />

Detail qualitativ weiterentwickelt werden. „Unterrichten müssen wir ja »nebenbei«<br />

auch noch“, schickt Barbara Langner mit einem Augenzwinkern hinterher.


MARTIN-<br />

ANDERSEN-<br />

NEXÖ-<br />

GYMNASIUM<br />

DRESDEN


BILDUNGSERLEBNISSE,<br />

DIE EIN LEBEN LANG WIRKEN<br />

57


Martin-Andersen-Nexö-Gymnasium Dresden<br />

Schulform: Gymnasium<br />

Organisationsform: offen<br />

Schülerzahl: 476 (2011/12)<br />

Ganztagsangebote seit: 2005/2006<br />

Rhythmisierung: 45-Minuten-Stunden, Einzelblockbildung<br />

möglich<br />

Besonderheiten: Evaluation GTA, Begabtenförderung,<br />

soziales <strong>Lernen</strong><br />

An einem Dienstagnachmittag gegen 13.30 Uhr beginnt unser Rundgang durch das<br />

Martin-Andersen-Nexö-Gymnasium. Wir begegnen im Schachkurs Fünftklässlern, die<br />

eine WM-Partie aus den 60er-Jahren nachspielen, einem Physikstudenten <strong>von</strong> der<br />

TU Dresden, der mit Schülern der 9. Klasse Fachfragen diskutiert, und Sechstklässlern<br />

im Astronomiekurs, die uns aus dem Stand erklären, wie man mit einem Teleskop<br />

<br />

Team), einen Schülerzeitungsredakteur und den Techniker des Bandraums. Und wir<br />

staunen – spätestens jetzt wissen wir, dass das Martin-Andersen-Nexö-Gymnasium<br />

keine Schule wie jede andere ist. Dazu tragen auch zahlreiche Ganztagsangebote<br />

bei, die Schülern eine vertiefte Beschäftigung mit ihren Spezialthemen ermöglichen,<br />

einen kreativen oder sportlichen Gegenpol setzen oder im Bereich der Schuljugendarbeit<br />

angesiedelt sind.<br />

Das Martin-Andersen-Nexö-Gymnasium ist seit Jahrzehnten eine Institution in Dresden.<br />

Wer sein Abitur an dieser Schule ablegt, dem stehen viele Türen offen. Als Gymnasium<br />

mit vertiefter mathematisch-naturwissenschaftlicher Ausbildung – bis 1989 Spezialschule<br />

für Mathematik und Naturwissenschaften – bietet es 470 begabten Schülerinnen<br />

und Schülern Impulse weit über den eigentlichen Unterrichtsstoff hinaus.<br />

Ermöglicht wird dies unter anderem durch eine veränderte Stundentafel, die <strong>von</strong><br />

der 5. bis zur 10. Klasse eine zusätzliche Stunde für mathematisch-naturwissenschaft-<br />

<br />

„Lerne das <strong>Lernen</strong>“ lautet ein Motto der Schule – und damit man diesem Anspruch<br />

gerecht wird, gibt es eine Reihe <strong>von</strong> eng mit dem Unterricht verzahnten Ganztagsangeboten,<br />

mit denen Schüler individuell gefordert und gefördert werden. Ein Angebot<br />

<br />

Stadtgebiet haben hier schon vor ihrem Wechsel auf das Gymnasium die Möglichkeit,<br />

sich mit Mathematik im weitesten Sinne zu beschäftigen. Gut rechnen können<br />

die meisten <strong>von</strong> ihnen bereits, nun sollen sie Experimentier- und Probierfreude ent-


wickeln, Knobelaufgaben lösen und spielerisch <strong>lernen</strong>, wie man sich einem Problem<br />

nähert, obwohl der Weg zur Lösung nicht vorgezeichnet ist. Die Nachfrage nach den<br />

Plätzen ist so groß, dass zusätzlich Kompaktkurse in den Ferien angeboten werden.<br />

Für die älteren Schüler gibt es ein dichtes Netz <strong>von</strong> Angeboten zur Begabtenförderung.<br />

Wer überdurchschnittliche Leistungen und ein gefestigtes Interesse an einem Fach<br />

vorweist, wird zu ein oder zwei Leistungszentren <strong>von</strong> vier pro Klassenstufe eingeladen.<br />

Hier werden die Besten ihres Fachs in kleinen Gruppen auf Wettbewerbe vorbereitet<br />

und dabei mit Methoden und Inhalten konfrontiert, die weit über den Unterrichtsstoff<br />

<br />

greifend spezielle Mathezirkel und Physikzirkel statt. Auch in ihnen geht es neben der<br />

Festigung und Vertiefung <strong>von</strong> Kenntnissen darum, sich mit weiter gehenden Fragen<br />

auseinanderzusetzen, die im Unterricht nicht beantwortet werden können. Ganz nebenbei<br />

trägt die Vorbereitung auf Wettbewerbe und Olympiaden sowie die Organisation<br />

<strong>von</strong> Projekten und Projektwochen dazu bei, dass die Rhythmisierung nicht nur auf<br />

der Ebene der Tages- und Wochenpläne greift, sondern auch den Schuljahresplan<br />

<br />

Unverzichtbar für die Begabtenförderung ist die Kooperation mit Partnern aus Wirtschaft<br />

und Wissenschaft, speziell mit der TU Dresden. Im Rahmen der wissenschaftlichen<br />

Projektwoche gehen die Klassen 7 und 8 einmal im Jahr an die Universität,<br />

wo sie gemeinsam mit Wissenschaftlern und Studenten konzentriert einer Forschungsaufgabe<br />

nachgehen. Nicht nur die komplexen Inhalte bringen die Schüler weiter,<br />

sondern auch die weniger verschulte Art der Wissensvermittlung. All das zusammen<br />

fördert auch die Persönlichkeitsentwicklung immens, wie Schulleiter Armin Asper<br />

stolz feststellt: „Sie müssten das mal miterleben, wenn beispielsweise ein Siebtklässler<br />

im Hörsaal souverän zum Thema Brückenbau referiert – ich selbst staune immer<br />

wieder, was Schüler in diesem Alter zu leisten imstande sind.“ Um kontinuierlich<br />

Bildungserlebnisse jenseits des klassischen Lehrer-Schüler-Verhältnisses zu initiieren,<br />

setzt die Schule bei den Ganztagsangeboten auf zahlreiche externe Kräfte,<br />

59


GTA-Koordinator<br />

Johannes Bonk<br />

unter ihnen pensionierte Lehrer des Martin-Andersen-Nexö-Gymnasiums. Auch<br />

frühere Absolventen, die sich der Schule nach wie vor verbunden fühlen, sind ins<br />

Schulleben integriert und übernehmen zum Teil sogar Patenschaften.<br />

Bei so viel Leistungsorientierung sind natürlich auch Gegengewichte gefragt.<br />

GTA-Koordinator Johannes Bonk legt großen Wert auf eine allseitig humanistische<br />

Bildung seiner Schülerinnen und Schüler. Sichergestellt wir diese durch eine Vielzahl<br />

<strong>von</strong> Angeboten im künstlerisch-musischen (Theater, Schülerband, Malerei)<br />

<br />

jüngeren Schüler den Ausgleich für den teilweise bis 17 Uhr andauernden Schultag –<br />

und ganz nebenbei werden dabei auch wichtige soziale Kompetenzen gestärkt.<br />

Ein schönes Beispiel für die komplementäre Gestaltung <strong>von</strong> Unterricht und Ganztag<br />

sind die Theatergruppen. Unter Anleitung eines Theaterpädagogen werden ergänzend<br />

zum Unterricht Stücke inszeniert, und dies nicht nur in Deutsch, sondern auch<br />

in Englisch. Angrenzend an den Bandraum gibt es dafür eine kleine Studiobühne<br />

inklusive Ton- und Beleuchtungstechnik, und natürlich wird auch diese <strong>von</strong> Schülern<br />

bedient.<br />

Wertvollen Input für das Netzwerk lieferte die Schule in Form eines rechnergestützten<br />

Evaluationsprogramms mit schülergerechten Fragen – entwickelt und programmiert<br />

in der Informatik-AG. Entstanden ist ein Modul, das dem Martin-Andersen-Nexö-<br />

Gymnasium und anderen interessierten Schulen die mit hohem Aufwand verbundene<br />

Evaluation deutlich erleichtern könnte.<br />

<br />

in den vergangenen beiden Jahren viele wertvolle Impulse erhalten – und mit den<br />

vom Leipziger Hertz-Gymnasium übernommenen Modellen der Schülerpatenschaften<br />

und des ORG-Teams auch einiges konkret umgesetzt. Beide sind inzwischen fester<br />

Bestandteil unseres Schullebens.“


MITTELSCHULE<br />

»ANNE FRANK«<br />

STAUCHITZ


EIN STÜCK GEMEINSAMER LEBENSWEG<br />

63


Mittelschule „Anne Frank“ Stauchitz<br />

Schulform: Mittelschule<br />

Organisationsform: teilgebunden<br />

Schülerzahl: 312 (2011/12)<br />

Ganztagsangebote seit: 2006<br />

Rhythmisierung: 90-Minuten-Blöcke, „Blaue Pause“<br />

Besonderheiten: freie Stillarbeit nach Wochenplänen,<br />

vernetzter Unterricht nach Leitthemen, Rhythmisierung<br />

des Schultages<br />

„Schüler, Lehrer und Eltern unserer Schule begreifen sich als Partner, die ein Stück<br />

Lebensweg gemeinsam gehen“. Das klingt gut, aber seien wir ehrlich: Leitbilder klingen<br />

immer gut. Umso schöner ist es zu sehen, dass dieser Anspruch an der Anne-Frank-<br />

Mittelschule weit mehr ist als ein wohlfeiles Lippenbekenntnis. In Stauchitz ist es gelungen,<br />

die Schule zum kulturellen und kommunikativen Zentrum einer ganzen Region<br />

zu entwickeln.<br />

Ein Rhythmisierungskonzept, das Fachunterricht, vernetzten Unterricht und freie Stillarbeit<br />

verbindet, eine kreative „Blaue Pause“ in der Mittagszeit, bewegte Pausen,<br />

Hausaufgabenhilfe, Teamteaching, Schulclub und vieles mehr – die Transformation<br />

zur Schule mit Ganztagsangeboten wurde in Stauchitz konsequent vorangetrieben<br />

und geht weit über kosmetische Veränderungen hinaus. Sie betrifft nicht nur den Umfang<br />

des Angebotes, sondern hat auch gravierende Auswirkungen auf die Organisation<br />

des Schultages und das Selbstverständnis der Lehrer. Zugegeben – die Voraussetzungen,<br />

um etwas zu bewegen, sind besser als anderswo: ein neues Schulgebäude, starke<br />

Unterstützung durch die Gemeinde und keine überfüllten Klassen. Aber der eigentliche<br />

Trumpf ist ein anderer: ein eingeschworenes Kollegium ohne Angst vor Veränderungen<br />

und mit Heike Möbius eine GTA-Koordinatorin, die für ihre Ideen brennt und diese<br />

nach außen kommuniziert. „Ich glaube, das wird oft unterschätzt – wenn man die weit<br />

verbreitete Erwartungshaltung nach dem Motto »Schule mach mal« aufbrechen will,<br />

muss man die Eltern <strong>von</strong> Beginn an einbeziehen, ihnen genau erklären, was man vorhat<br />

und warum sich dies positiv auf die Entwicklung ihrer Kinder auswirken könnte.“<br />

Ein Kernstück des Stauchitzer Ganztagsmodells ist die „Blaue Pause“ – ein in den<br />

täglichen Stundenplan integriertes Zeitfenster <strong>von</strong> 11.40 Uhr bis 12.40 Uhr, in dem<br />

Schüler der 5., 6. (jeweils zweimal pro Woche) und der 7. Klasse (einmal pro Woche)<br />

unter fachkundiger Anleitung an der Schule ihren Interessen nachgehen – beim<br />

Sport, mit Kreativ-, Spiel- und Förderangeboten.


Ursprünglich fand die mittägliche Kreativpause einmal wöchentlich im zehn Gehminuten<br />

entfernten Schulclub statt. Doch immer mehr Kinder fragten, ob sie das<br />

nicht öfter machen könnten – und vielleicht sogar in der Schule? Planerisch war die<br />

„Blaue Pause“ eine riesige Herausforderung, „aber wenn man wirklich will, kann<br />

man vieles schaffen, was zunächst nicht machbar erscheint“, kommentiert Frau Möbius.<br />

<br />

<br />

tendrin<br />

und es ergibt sich immer mal wieder die in diesem Alter so wichtige Möglichkeit,<br />

zwanglos ins Gespräch zu kommen.<br />

Ein weiteres Puzzleteil des Ganztagskonzeptes ist der Vernetzte Unterricht (VU),<br />

welcher bereits seit 1995 praktiziert wird. Verschiedene Themen (wie z. B. in Klasse 5<br />

„Mit Jeans in die Steinzeit“ oder „Auf ins Land der Pharaonen“), bis zu vier wechselnd<br />

im Schuljahr, werden unterrichtet und die verschiedenen Fachbereiche (Bio,<br />

Geo, D, Sp, Mu, Ma …) versuchen, die Thematik zu erhellen. Eine besondere Rolle<br />

spielen hier ebenso das Methodentraining (Stichwort: „<strong>Lernen</strong> <strong>lernen</strong>“) sowie die<br />

Partner- und Gruppenarbeit.<br />

Die ersten Schritte in Richtung Ganztag ging die Schule 2006/2007. Seitdem wird<br />

in Stauchitz an einem besonderen Rhythmisierungskonzept sowie ansprechenden<br />

Angeboten für alle Schüler gearbeitet.<br />

Um das eigenverantwortliche <strong>Lernen</strong> zusätzlich zu fördern, setzt das Kollegium<br />

um Heike Möbius auf die freie Stillarbeit, mit der für die 5. und 6. Klassen viermal<br />

in der Woche der Unterrichtstag beginnt. Dieser erste Block sorgt zudem für einen<br />

gleitenden Beginn des Schultags. Je nach Busankunftszeit kommen die Schüler<br />

herein, nehmen sich entsprechend ihrem Arbeitsplan selbstständig ihre Aufgaben<br />

und beginnen zu arbeiten. Das zeitliche Budget für die Stillarbeit kommt zustande,<br />

indem die Lehrer Stoff für eine Stunde als Aufgaben in die Stillarbeit geben. Es gibt<br />

65


GTA-Koordinatorin<br />

Heike Möbius<br />

den Richtwert, dass in zwei Stunden zwei Aufgaben zu erledigen sind. Einige sind<br />

vom Fachlehrer abzuzeichnen, andere kontrollieren die Schüler selbst. Für die<br />

Betreuung stehen zwei, manchmal auch drei Lehrer bereit – so kann parallel der<br />

Computer genutzt werden (z. B. beim Vokabeltraining) und es kann sich jemand<br />

individuell der wachsenden Zahl <strong>von</strong> Kindern mit LRS oder Dyskalkulie widmen, die<br />

eine spezielle Förderung brauchen, um nicht den Anschluss zu verlieren. Heike Möbius<br />

bestreitet nicht, dass die erstmalige Zusammenstellung der Aufgaben für die Stillarbeit<br />

einen immensen Arbeitsaufwand mit sich bringt. Dafür können sich die Lehrer<br />

nun, quasi im Routinebetrieb, ganz auf die Schüler konzentrieren.<br />

Das Kollegium wurde mit Fortbildungen und Methodentraining intensiv auf die<br />

neuen Unterrichtsformen vorbereitet. Und immer, wenn man selbst nicht weiterkam,<br />

holte man sich kompetente Hilfe <strong>von</strong> außen. So lernten die Lehrer, besser auf die<br />

verschiedenen Typen einzugehen: Wie weit darf man gehen bei der Ermutigung <strong>von</strong><br />

überbehüteten Kindern, die man zur Selbstständigkeit erziehen möchte? Und wie<br />

<br />

Professionalisierung fanden sich innerhalb des Kollegiums Themen-Teams, die den<br />

Ausbau der freien Stillarbeit oder des vernetzten Unterrichts vorantrieben.<br />

Und was passiert nach Schulschluss? Dann öffnet viermal pro Woche bis 16 Uhr<br />

der Schulclub im ehemaligen Grundschulgebäude des Ortes. Und der bietet den<br />

Schülern nicht nur Möglichkeiten zum Toben, sondern auch eine kleine Küche in<br />

der Stärkungen gereicht werden, Modelleisenbahn und Tischtennisplatte sowie eine<br />

<strong>von</strong> ehemaligen Lehrern der Schule organisierte Hausaufgabenhilfe.


MITTELSCHULE<br />

BRAND-<br />

ERBISDORF


DIE SCHÜLER NEHMEN, WIE SIE SIND<br />

69


Mittelschule Brand-Erbisdorf<br />

Schulform: Mittelschule<br />

Organisationsform: offen<br />

Schülerzahl: 329 (2011/12)<br />

Ganztagsangebote seit: 2006<br />

Rhythmisierung: 90-Minuten-Blöcke<br />

Besonderheiten: Rhythmisierung, Schulclub<br />

„Und hier oben auf dem Dachboden versteckt sich noch ein besonderes Highlight“,<br />

macht uns Schulleiterin Martina Kilian am Ende unseres Erkundungsganges durch<br />

<br />

uns unmittelbar in einer anderen Zeit. In Eigenregie haben Schüler der höheren<br />

Klassen sortiert und arrangiert, was vom Schulleben vergangener Jahrzehnte übrig<br />

geblieben ist: alte Klassenbücher und Unterrichtsmaterialien, Banner und Wimpel,<br />

Bücher, Schallplatten und Fotos. Bei ihrer täglichen pädagogischen Arbeit orientiert<br />

sich das Brand-Erbisdorfer Kollegium allerdings weniger an der Vergangenheit –<br />

vielmehr wird der Ganztagsbetrieb konsequent ausgebaut.<br />

Als Martina Kilian zum Schuljahr 2010/2011 an die Mittelschule nach Brand-Erbisdorf<br />

kam, fand sie eine unentschiedene Situation vor: Zwar hatte man mit additiven<br />

Angeboten bereits seit 2006 den Einstieg in den Ganztag gewagt, aber man war die<br />

Sache nicht mit letzter Konsequenz angegangen und es gab noch einige Baustellen –<br />

zum Beispiel die bis dato nicht verwirklichte Einführung des 90-Minuten-Taktes.<br />

Es erwies sich als Vorteil, dass sie tatsächlich „<strong>von</strong> außen“ kam und als ehemalige<br />

Mitarbeiterin des Kultusministeriums keinem der beiden bestehenden Lager zugeordnet<br />

werden konnte. Martina Kilian brachte den stockenden Diskussionsprozess<br />

wieder in Gang und regte die Gründung einer Arbeitsgruppe Zeitmanagement an,<br />

die nach den Bedürfnissen <strong>von</strong> Lehrern, Eltern und Schülern fragte und darauf aufbauend<br />

ein für die Schule geeignetes Konzept ausarbeitete. Ausgangspunkt dabei<br />

war die Unzufriedenheit <strong>von</strong> Lehrern und Schülern mit den kurzen Pausenzeiten:<br />

Fünf Minuten sind nicht viel, wenn man sich in einem sehr großen Gebäude bewegen<br />

und den Raum wechseln muss. Man einigte sich schließlich darauf, es ein<br />

halbes Jahr mit dem Blockunterricht zu versuchen.<br />

Dass die Umstellung bei den Schülern gut ankam, zeigte die Zustimmungsrate <strong>von</strong><br />

98 Prozent bei einer schriftlichen Befragung nach einem Halbjahr. Ausschlaggebend<br />

dafür war vor allem die neue Qualität der Pausen, die nun tatsächlich der Erholung<br />

dienen. Damit die Kinder sich bewegen können, wurde viel in die Gestaltung der Außen-


anlagen investiert. Es gibt eine Tischtennisplatte, einen Bolzplatz und bald auch<br />

eine Basketballanlage. Neben der Nutzung <strong>von</strong> GTA-Mitteln gelang es, Sponsoren<br />

dafür zu gewinnen. Bei der Pausenaufsicht werden die Lehrer <strong>von</strong> der Schulclubleiterin<br />

und älteren Schüler der 9. und 10. Klassen unterstützt. Sie geben beispielsweise<br />

Sportgeräte aus und sammeln diese am Ende wieder ein. Verstärkt wird die<br />

jahrgangsübergreifende Kommunikation durch Patenschaften zwischen den 5. und<br />

den 9. Klassen. Doch nicht nur für die Schüler, auch für die anfangs so skeptischen<br />

Lehrer erwies sich die Befürchtung, weniger Unterrichtsstoff vermitteln zu können,<br />

bald als gegenstandslos. Vielen wurde nun erst bewusst, dass der 45-Minuten-Takt<br />

sie daran hinderte, bestimmte Unterrichtsformen zu etablieren, die sie eigentlich<br />

<br />

329 Schüler <strong>lernen</strong> an der Mittelschule <strong>von</strong> Brand-Erbisdorf – und der Anspruch <strong>von</strong><br />

GTA-Koordinatorin Christiane Schmidt und Schulleiterin Martina Kilian ist es, keinen<br />

<strong>von</strong> ihnen verloren zu geben: „Wir nehmen die Schüler, wie sie sind.“ In ihrem Konzept<br />

des stärkenorientierten <strong>Lernen</strong>s spielen Ganztagsangebote eine wichtige Rolle.<br />

Sie helfen, Talente zunächst zu entdecken und dann kontinuierlich zu fördern. Wenn<br />

man hier Erfolgserlebnisse schafft, kann man die Schüler auch für andere Lerninhalte<br />

motivieren. Sie erhalten immer wieder die Gelegenheit, über ihre Stärken zu<br />

<br />

sich durch die Jahrgangsstufen fort bis zur intensiven Berufs- und Studienberatung,<br />

welche die Schule außerhalb <strong>von</strong> GTA anbietet.<br />

<br />

gestaltet – die Freiwilligkeit ist nach Meinung <strong>von</strong> Christiane Schmidt einer der<br />

Gründe für die hohe Akzeptanz und Teilnehmerzahlen, die kaum hinter denen <strong>von</strong><br />

gebundenen Angeboten zurückfallen. Speziell die Förderangebote sollen künftig<br />

auch in den Vormittag integriert werden. Hier hat die Schule mit dem Lerncoaching<br />

im Schuljahr 2011/2012 ein Angebot etabliert, das den klassischen Förderunter-<br />

-<br />

71


GTA-Koordinatorin Christiane Schmidt<br />

und Schulleiterin Martina Kilian<br />

übergreifend organisiert ist, sodass die Schüler sich untereinander helfen können.<br />

Die heterogene Zusammensetzung im Hinblick auf Alter und Leistungsstärke erweist<br />

sich dabei nicht als Hindernis. Im Gegenteil: Sie eröffnet neues Potenzial und<br />

stärkt die Kooperation innerhalb der Schülerschaft. Im Rahmen des Lerncoachings<br />

kann zwar auch klassische Förderarbeit geleistet werden, es eignet sich aber auch<br />

zur Vermittlung <strong>von</strong> Lerntechniken und zur Vorbereitung auf Klassenarbeiten. Gerade<br />

ab der 7. Klasse, in der das Interesse an GTA erfahrungsgemäß deutlich nachlässt,<br />

erfreut sich das Lerncoaching großer Beliebtheit. In vielen Fällen trägt es dazu bei,<br />

die einbrechenden Leistungen in einer lernpsychologisch schwierigen Zeit wieder zu<br />

stabilisieren. Ab dem kommenden Jahr sollen mit der Einrichtung einer Lernwerkstatt<br />

zudem bessere räumliche Bedingungen geschaffen werden. Wo jetzt noch auf<br />

die Klassenräume ausgewichen werden muss, soll es dann einen zentralen Raum<br />

geben mit Bibliothek, Medienecke, Materialsammlungen und einem Lernraum speziell<br />

für Projektarbeiten.<br />

Eine wichtige Rolle im Ganztagskonzept der Mittelschule in Brand-Erbisdorf spielt<br />

inzwischen auch der Schulclub. Als „erste Amtshandlung“ der neuen Leiterin wurden<br />

die Fernseher und Computer aus dem Club entfernt – mit erstaunlichen Resultaten:<br />

Es wird wieder mehr geredet, gespielt und gebastelt. Martina Kilian und Christiane<br />

Schmidt sind sehr glücklich über diese Entwicklung: „Einige Kinder werden zu Hause<br />

oft genug vor den Medien »geparkt« – wir sollten ihnen zumindest in der Schule etwas<br />

anderes bieten, sie fordern und mit ihnen ins Gespräch kommen.“<br />

Die Netzwerkarbeit der vergangenen beiden Jahre bewerten die beiden als gewinnbringend:<br />

„Bei allen Netzwerkschulen konnte man etwas Interessantes beobachten –<br />

und im Unterschied zur Schule ist abgucken ja hier nicht nur erlaubt, sondern sogar<br />

explizit gewünscht. Auch wenn man nicht in jeder Hinsicht die gleiche Meinung<br />

vertritt: Der intensive Austausch war für uns sehr wertvoll.“


MITTELSCHULE<br />

»CLARA ZETKIN«<br />

FREIBERG


DRANBLEIBEN<br />

75


Mittelschule „Clara Zetkin“ Freiberg<br />

Schulform: Mittelschule<br />

Organisationsform: teilgebunden<br />

Schülerzahl: 305 (2011/12)<br />

Ganztagsangebote seit: 2004<br />

Rhythmisierung: 90-Minuten-Blöcke<br />

Besonderheiten: Rhythmisierung, Hausaufgaben,<br />

individuelles Fördern und Fordern<br />

Es gibt Schulen, da sitzen die Lehrer in den Pausen für sich allein in ihren Vorbereitungszimmern<br />

oder in kleinen Grüppchen verteilt im Lehrerzimmer. In Freiberg sieht das<br />

ganz anders aus: Hier versammelt sich das Kollegium an einer großen Kaffeetafel,<br />

um schon vor dem Beginn des Schultages auf dem kurzen Weg Dinge miteinander<br />

zu klären – und natürlich auch, um für eine entspannte Atmosphäre zu sorgen, in der<br />

es Spaß macht zu unterrichten. Seit acht Jahren wird an der Mittelschule Clara Zetkin<br />

Schulentwicklungsarbeit betrieben. Mit der Einführung des Ganztags und der Schulsanierung<br />

im Jahr 2008 eröffneten sich viele neue Möglichkeiten. Der wichtigste<br />

Schlüssel zum Erfolg ist jedoch ein anderer: Innerhalb des Kollegiums gibt es kein<br />

Denken in Zuständigkeiten mehr.<br />

Martina Uhlmann und Kerstin Kaltschmidt sind Lob für ihre Schule gewöhnt. Viele,<br />

die hier zu einem Besuch oder einer Hospitation kommen, zeigen sich begeistert<br />

über die Ausstattung der Schule und die Fülle an Aktivitäten. Die beiden GTA-Koordinatorinnen<br />

und die Schulleiterin Anne-Kathrin Kreis freuen sich nach wie vor riesig<br />

über dieses positive Feedback, weil sie wissen, wie hart viele dieser Veränderungen<br />

erkämpft worden sind. Und dass vieles, was Besucher, Schüler und sie selbst heute<br />

als selbstverständlich wahrnehmen, noch wenige Jahre zuvor vage Ideen, ja Utopien<br />

<strong>von</strong> einem anderen Schulalltag waren. Man wusste, wo man hinwollte, aber der Weg<br />

dahin war in keiner Karte verzeichnet. „Am Anfang gab es natürlich extrem hohen<br />

Abstimmungsbedarf, wir haben uns Woche für Woche zusammengesetzt und gefragt:<br />

Wie geht das? Wir hatten keine Erfahrungen, keine Muster, an denen wir uns hätten<br />

<br />

das zu ihr passt“, erinnert sich die Schulleiterin Anne-Kathrin Kreis. Man rückte<br />

enger zusammen, redete mehr miteinander. Einige Kollegen, die früher hauptsächlich<br />

die 9. und 10. Klassen unterrichtet haben, zeigten wenig Interesse daran, was<br />

in den 5. und 6. Klassen passiert – bis sie selbst Klassenlehrer in diesen Klassenstufen<br />

wurden. Und plötzlich saßen alle in einem Boot.


Den Beginn der Veränderungen markierte der Übergang <strong>von</strong> Einzel- zu Doppelstunden.<br />

Als sich dann mit der Popularisierung des Ganztagskonzepts neue Chancen eröffneten,<br />

wurde schnell klar, dass Unterricht und additive Angebote nur als Einheit<br />

begriffen werden können und auch entsprechend in die Stundentafel integriert<br />

werden müssen. Also sorgte man bei der Planung dafür, dass auf Phasen des konzentrierten<br />

Arbeitens immer eine Phase der Entspannung folgt. Wer heute als Schüler<br />

der gebundenen Ganztagsklassen in den Klassenstufen 5 und 6 an der Clara-Zetkin-<br />

Mittelschule lernt, für den wechseln sich am Vormittag Unterricht, AGs, Förderunterricht<br />

oder Freizeitangebote ab. Einmal wöchentlich können auch die Schüler ab Klasse 7<br />

innerhalb des Schultages Ganztagsangebote wahrnehmen. Zudem setzt die Schule<br />

auf das Konzept der A/B-Wochen, sodass sich z. B. GTA und Sport abwechseln.<br />

Auf der sogenannten LESPK – einer Konferenz, an der Lehrer, Eltern, Schüler und<br />

inzwischen auch externe Partner teilnehmen – wird jeweils das vergangene Schuljahr<br />

ausgewertet und das neue geplant. Ein Ergebnis der jüngsten Konferenz war<br />

beispielsweise die Neukonzeption der Hausaufgabenerteilung. Mit der zweimal<br />

<br />

Konzept integriert und so die Möglichkeit geschaffen, dass Schüler individueller an<br />

Themen arbeiten. Wer unter Umständen erst gegen 16.30 Uhr zu Hause sein kann,<br />

soll sich nicht noch hinsetzen und Hausaufgaben erledigen müssen. Stattdessen<br />

wurde ein Aufgabenpool erarbeitet, der nicht ganz so eng an den aktuellen Lernstoff<br />

gebunden ist. Die Aufgaben sind auch nicht <strong>von</strong> Stunde zu Stunde, sondern über<br />

<br />

sondern auch die Lehrer, die wertvolle Unterrichtszeit gewinnen, anstatt die Hausaufgaben<br />

kontrollieren zu müssen. Die dennoch notwendige Kontrolle und Rückkopplung<br />

wird nun <strong>von</strong> Schülern der höheren Klassen erledigt – sogenannten Lernteams<br />

–, und es gibt Lösungsblätter, anhand derer die Schüler selbst überprüfen<br />

können, ob sie richtig gearbeitet haben. Jeder Schüler führt einen Lernzeitordner,<br />

77


GTA-Koordinatorinnen<br />

Kerstin Kaltschmidt<br />

und Martina Uhlmann<br />

und die Arbeitsblätter werden schließlich je nach Bedarf in den Unterricht einbezogen.<br />

Aber auch in anderer Hinsicht erweist sich die Lernzeit als Vorteil: Sie ist ein sehr<br />

<br />

wichtigen Klassenarbeit mehr Lernzeit beanspruchen und so seine Schüler mit entsprechenden<br />

Aufgaben besser vorbereiten.<br />

Auch bei Förderangeboten geht man inzwischen andere Wege. Zunächst ist mit der<br />

Verlegung auf den Vormittag, an dem Konzentrations- und Aufnahmefähigkeit am<br />

höchsten sind, dafür gesorgt, dass die Inhalte bei den Teilnehmern auch wirklich<br />

ankommen und ihre Wirkung entfalten. Und auch der Fokus hat sich verschoben:<br />

Die konkreten fachlichen Inhalte wie Mathe, Deutsch usw. wurden ergänzt um die<br />

Vermittlung <strong>von</strong> Methoden-, Sprach- und Sozialkompetenz. Die 5. Klassen werden<br />

in fünf Gruppen geteilt, damit ein konzentrierter Unterricht möglich ist, nach acht<br />

Wochen rotieren die Gruppen. Kerstin Kaltschmidt und Martina Uhlmann verbinden<br />

damit ein Anliegen, das ihnen sehr am Herzen liegt: „Es gibt bei uns nicht mehr<br />

die Unterscheidung guter Schüler/schlechter Schüler. Es gibt nur noch das Förderkind.“<br />

Und allen, die sich wie sie auf den Weg machen, empfehlen die beiden GTA-<br />

Koordinatorinnen: „Dranbleiben. Der Erfolg des Ganztags hängt für Schüler wie auch<br />

für die Lehrer da<strong>von</strong> ab, dass man den Weg konsequent weitergeht, auch wenn es<br />

mal Rückschläge und Enttäuschungen gibt.“


MITTELSCHULE<br />

»MAXIM GORKI«<br />

HAINICHEN


DEN KINDERN ETWAS BIETEN<br />

81


Mittelschule „Maxim Gorki“ Hainichen<br />

Schulform: Mittelschule<br />

Organisationsform: teilweise gebunden seit 2011/2012<br />

Schülerzahl: 435 (2011/12)<br />

Ganztagsangebote seit: 2008<br />

Rhythmisierung: 90-Minuten-Blöcke<br />

Besonderheiten: Rhythmisierung, individuelles Fördern<br />

und Fordern, Schulclub<br />

Fragt man Corinna Weinhold, GTA-Koordinatorin an der Maxim-Gorki-Schule in Hainichen,<br />

nach dem größten Plus des Ganztagsmodells, muss sie nicht lange überlegen:<br />

„Von fachlichen Dingen einmal ganz abgesehen: Unser Anspruch ist es, die Kinder<br />

nicht nur aufzubewahren, sondern sie bestmöglich zu betreuen und entsprechend<br />

ihren Neigungen zu fördern. Auch und gerade diejenigen, die vielleicht etwas schwieriger<br />

sind.“ Gemeinsam mit Kollegen, einer sehr engagierten Schulclubleiterin, der<br />

Stadt und externen Kursleitern setzt sie alles daran, den Kindern spannende Bildungsangebote<br />

zu unterbreiten – und mit Maßnahmen im Bereich des sozialen <strong>Lernen</strong>s ein<br />

<strong>von</strong> Respekt und gegenseitiger Anerkennung geprägtes Schulklima zu schaffen.<br />

Seit 2011/2012 gibt es an der Mittelschule „Maxim Gorki“ teilweise gebundene<br />

<br />

ausschließlich nachmittags statt. Grund dafür ist die hohe Zahl auswärtiger Schüler,<br />

die auf Schul- und Linienbusse angewiesen sind, sowie die komplizierte räumliche<br />

Situation: Es gibt zwei Schulstandorte, die zehn Minuten Fußweg <strong>von</strong>einander entfernt<br />

liegen, und einen Sportkomplex an einem dritten Standort. Es ist also bereits<br />

unter normalen Umständen jede Menge Organisationstalent erforderlich, wenn nicht<br />

jeder Tag zu einem „Wandertag“ werden soll.<br />

Dafür war man im Hinblick auf ein anderes Rhythmisierungselement – den Blockunterricht<br />

– seiner Zeit voraus, denn der wurde schon 2004 konsequent eingeführt,<br />

bevor es einen Bezug zur Ganztagsthematik gab. Ab 7.30 Uhr wird in Blöcken <strong>von</strong><br />

jeweils 90 Minuten unterrichtet, unterbrochen <strong>von</strong> jeweils halbstündigen Pausen.<br />

Corinna Weinhold ist überzeugt da<strong>von</strong>, in diesem Lernrhythmus den Lehrstoff besser<br />

und nachhaltiger vermitteln zu können. Mit Weiterbildungen und Schulungen wurde<br />

das Kollegium auf die Veränderung vorbereitet – und weiß sich daher auch zu helfen,<br />

wenn die Aufmerksamkeit mal nachlässt. „Dann schieben wir bewegte Pausen ein.<br />

Ich habe zum Beispiel immer einen kleinen Ball dabei oder andere Spielideen im<br />

Hinterkopf, in Deutsch gibt es Laufdiktate. Drei bis vier Minuten Entspannung können<br />

hier wirklich Wunder bewirken.“


Das Methodentraining „<strong>Lernen</strong> <strong>lernen</strong>“ war an der Maxim-Gorki-Schule bisher als<br />

Projektwoche zu Beginn der 5. Klasse eingetaktet. Die Schüler haben so gleich am<br />

Anfang ganz grundlegende Dinge zur Organisation ihres Schulalltages gelernt, zum<br />

Beispiel wie man Ränder zieht, wie man einen Hefter oder ein Hausaufgabenheft<br />

führt. Inzwischen wird das Projekt über das ganze Schuljahr fortgeführt, da die komprimierte<br />

Vermittlung am Schuljahresbeginn auch Nachteile hatte: Die Fachlehrer<br />

mussten immer wieder Zeit aufwenden, um die Inhalte zu wiederholen und aufzufrischen<br />

– Zeit, die für die Vermittlung des eigentlichen Stoffes fehlte. Einen deutlichen<br />

Fortschritt brachte die Einführung <strong>von</strong> Methodenheftern, welche die Schüler<br />

mit Beginn der 5. Klasse gemeinsam mit ihren Klassenlehrern anlegen und die sie<br />

dann nach und nach ergänzen. So kann man zum entsprechenden Zeitpunkt – z. B.<br />

wenn Gruppenarbeit oder ein Kurzvortrag ansteht – auf das Material im Hefter verweisen,<br />

statt immer wieder <strong>von</strong> vorn anzufangen. Der Methodenhefter macht den<br />

greifend<br />

funktionieren, die ihnen in Chemie genauso weiterhelfen wie in Deutsch.<br />

Für die Entspannung im Schulalltag ist der Schulclub <strong>von</strong> zentraler Bedeutung. Er ist auch<br />

die erste Anlaufstelle für Kinder, die lange vor Schulbeginn ankommen. Schuljugendarbeiterin<br />

Conny, deren Stelle vom Christlichen Jugenddorfwerk Deutschlands e. V. über<br />

<br />

Vertrauensperson für die Schüler. Da<strong>von</strong> zeugt auch die Wandgestaltung im Club, wo<br />

sich eine <strong>von</strong> Schülern gestaltete Lobeshymne und Danksagung an die nächste<br />

reiht. Die Kinder können im Schulclub nicht nur bis 15.30 Uhr spielen, sondern auch<br />

unter Aufsicht ihre Hausaufgaben erledigen. Die Sozialarbeiterin spielt zudem eine<br />

wichtige Rolle für die Schulstation. Gemeinsam mit einem Lehrer kümmert sie sich<br />

während bestimmter Unterrichtsblöcke um Schüler, die gestört haben und deswegen<br />

vorübergehend vom Unterricht ausgeschlossen wurden. Sie versuchen dann heraus-<br />

<br />

83


GTA-Koordinatorin<br />

Corinna Weinhold<br />

wieder „in die Spur“ zu helfen. Corinna Weinhold plädiert für den Einsatz <strong>von</strong> Sozialarbeitern<br />

an der Schule: „Wir sehen hier jeden Tag, dass sie unheimlich viel bewirken<br />

<br />

Ein weiteres wichtiges Angebot der Schule in Hainichen zum sozialen <strong>Lernen</strong> sind<br />

die Schülerpatenschaften, die jedoch im Unterschied zu anderen Netzwerkschulen<br />

nicht der Wissensvermittlung dienen, sondern der Ausbildung eines klassenübergreifenden<br />

Miteinanders. Engagierte Schüler aus der 9. und 10. Klasse nehmen sich<br />

dabei Schülern der 5. und 6. Klasse an, mit denen es Probleme gibt – den Hinweis<br />

gibt der jeweilige Klassenlehrer. Dann versuchen die beiden, das Problem ohne die<br />

Hilfe eines Lehrers zu lösen. Und das funktioniert ganz ohne den berühmten erho-<br />

<br />

die etwas sagen, bestehen gute Chancen, dass ihre Ratschläge auch angenommen<br />

werden. Entstanden sind diese Patenschaften aus der Streitschlichtergruppe, die an<br />

der Schule existiert hat und in naher Zukunft wiederbelebt werden soll. Der Gruppe<br />

war es in vielen Fällen gelungen, deeskalierend zu wirken. Im Falle eines ausufernden<br />

Streits werden die beiden Parteien an einem neutralen Ort wie dem Schulclub<br />

zu einem Treffen gebeten, bei dem klare Regeln gelten: Ich darf den anderen nicht<br />

beschimpfen, ich darf nicht laut werden. Die Streitschlichter hören sich beide<br />

Seiten an, ohne zu werten, und laden die Streitparteien ein, sich in die Perspektive<br />

des anderen zu versetzen.<br />

Was Corinna Weinhold in Zukunft gern noch umsetzen möchte, ist ein gleitender<br />

Unterrichtsbeginn, wie sie ihn in Stauchitz bei einer Hospitation kennengelernt hat –<br />

das käme aus ihrer Sicht den vielen auswärtigen Schülern sehr entgegen. Darüber<br />

hinaus hat der Austausch im Netzwerk sie in ihrer Haltung bestärkt, dass es sich lohnt,<br />

neugierig zu bleiben: „Ich hatte noch nie Angst davor, Neuland zu betreten. Sicher<br />

erreicht man nicht immer, was man sich gewünscht hat, aber man muss es wenigstens<br />

probiert haben – und das gebe ich auch meinen Schülern mit auf den Weg.“


MITTELSCHULE<br />

OEDERAN


AUF BEWÄHRTES VERTRAUEN,<br />

FÜR NEUES AUFGESCHLOSSEN SEIN<br />

87


Mittelschule Oederan<br />

Schulform: Mittelschule<br />

Organisationsform: teilgebunden<br />

Schülerzahl: 238 (2011/12)<br />

Ganztagsangebote seit: 2002/2003<br />

Rhythmisierung: 90-Minuten-Blöcke<br />

Besonderheiten: Rhythmisierung, Freiarbeit, individuelles<br />

Fördern und Fordern<br />

Es ist ein grauer, regnerischer Vormittag im Februar. Eigentlich sollten die Jungs der<br />

6. Klasse jetzt an ihren Fahrrädern schrauben: Doch in der Werkstatt herrscht Stille,<br />

kein Mensch ist zu sehen. Lediglich in den Kreativräumen wird gearbeitet. GTA-Koordinatorin<br />

Esther Kommant wundert sich kurz – allerdings nur, bis sie aus dem Fenster<br />

geblickt hat: Die Kinder vom Mountainbike-Kurs trotzen dem schlechten Wetter und<br />

schulen ihre Reaktionsfähigkeit an einem Parcours aus Packpaletten. Die Schule in<br />

Oederan ist in Bewegung – im wörtlichen, aber auch im metaphorischen Sinne.<br />

Blickt man auf den modernen, lichten Anbau mit Computerkabinett und Speisesaal<br />

und die spielenden Kinder auf dem neu gestalteten Pausenhof, kann man sich kaum<br />

vorstellen, dass diese Schule noch vor wenigen Jahren in ihrer Existenz bedroht war:<br />

Aufgrund der demographischen Situation konnten in Oederan in den Schuljahren<br />

2006/2007 und 2007/2008 keine 5. Klassen gebildet werden. Es wurde ein Konzept<br />

für den Schulversuch „Gemeinschaftsschule“ erarbeitet. Das beinhaltete das Angebot<br />

eines gymnasialen Kurses und die damit verbundene Förderung, welche einen Ausweg<br />

aufzeigte. In kürzester Zeit wurde die Schule zu einer Alternative für Schüler der<br />

Region, bei denen die Entscheidung pro oder contra Gymnasium nach der 5. Klasse<br />

schwerfällt. Denn an der Mittelschule Oederan <strong>lernen</strong> die Kinder in der 5. und 6. Klasse<br />

gemeinsam, ab der 7. Klasse besuchen die Besten den gymnasialen Kurs, in dem<br />

nach gymnasialem Lehrplan unterrichtet wird. So sind sie bestens vorbereitet auf<br />

einen eventuellen Schulwechsel nach Ende der 9. Klasse.<br />

Der Weg in den Ganztag begann für die Schule in Oederan bereits im Schuljahr<br />

2003/2004 mit der Umstellung auf Unterrichtsblöcke zu je 90 Minuten. Da sich diese<br />

Zeitstruktur für Schüler wie für Lehrer bestens bewährt hat, wird bis heute daran<br />

festgehalten. Bis zum vergangenen Schuljahr gab es für die Klassen 6 und 8 gebundene<br />

Ganztagsangebote, mit den in diesem Schuljahr zur Verfügung stehenden Ressourcen<br />

konnten entsprechende Angebote nur noch für die 6. Klassen abgedeckt werden.


Betreut werden die Ganztagskurse zum überwiegenden Teil <strong>von</strong> Externen, darüber<br />

hinaus werden Know-how und Räumlichkeiten der örtlichen Volkskunstschule genutzt.<br />

Überhaupt ist die Öffnung nach außen fester Bestandteil des GTA-Konzepts – und<br />

das Interesse an einer Kooperation mit der Schule ist hoch. Esther Kommant legt großen<br />

Wert darauf, dass herausragende im Rahmen <strong>von</strong> GTA entstandene Arbeiten ihren<br />

<br />

eines Kurses Großschach-Figuren für den Schulhof entstanden, und für ein Altersheim<br />

wurden thematische Wandreliefs gestaltet.<br />

Ein weiterer Schwerpunkt der Schule ist der Fremdsprachenerwerb: Ab der 6. Klasse<br />

<strong>lernen</strong> alle Schüler eine zweite Fremdsprache – Russisch oder Französisch. Wer nach<br />

einem Halbjahr merkt, dass ihn das überfordert, der kann die Zeit auch im Rahmen<br />

eines Ganztagsangebots für die Zusatzförderung in Mathe oder Deutsch nutzen.<br />

Wiederholer absolvieren <strong>von</strong> Beginn des Schuljahres an die Zusatzförderung und<br />

konzentrieren sich so auf das Wesentliche. Am Ende der 6. Klasse können die Schüler<br />

nochmals entscheiden, ob sie die zweite Fremdsprache weiterführen – danach gibt<br />

bis zum Schulabschluss keine Wechselmöglichkeiten mehr. In anderen Fächern wie<br />

z. B. Biologie wird innerhalb des Unterrichts differenziert, da hier die Schüler eines<br />

Jahrgangs nicht nach dem jeweils angestrebten Schulabschluss getrennt unterrichtet<br />

werden.<br />

An der Mittelschule Oederan wird großer Wert darauf gelegt, die Schüler zu Selbstständigkeit<br />

und einem verantwortlichen Umgang mit der Zeit zu erziehen. Ab der<br />

6. Klasse beginnt fast jeder Tag mit dem Ganztagsangebot Freiarbeit: In dieser Zeit<br />

bearbeiten die Schüler in ihrem Klassenraum selbstständig die <strong>von</strong> den Fachlehrern<br />

für jeweils eine Woche zusammengestellten Aufgaben. Wann sie für welches Fach<br />

arbeiten, bleibt ihnen selbst überlassen – auch eventuelle Recherche-arbeiten im<br />

Computerkabinett müssen zeitlich eingetaktet werden. Hilfestellungen bei der Lösung<br />

89


GTA-Koordinatorin<br />

Esther Kommant<br />

der Aufgaben bekommen sie <strong>von</strong> den jeweiligen Fachlehrern, die im Rotationsmodus<br />

die Freiarbeit betreuen. Erste Anlaufstelle bei Fragen sind jedoch die eigenen Mitschüler<br />

– auch das ist ein durchaus gewünschter Effekt der Freiarbeit. Wenn Aufgaben<br />

ein lautes Üben erfordern, kann man in ein anderes Zimmer wechseln. Ist dagegen<br />

besonders viel Ruhe und Konzentration nötig, ziehen einige Schüler vorübergehend<br />

in die Bibliothek um. Lediglich die Fächer Informatik, Sport, Chemie, Physik lassen<br />

sich aus naheliegenden Gründen nicht in die Freiarbeit integrieren.<br />

Im Hinblick auf die Rhythmisierung ist Oederan in den vergangenen Jahren deutlich<br />

vorangekommen. Seit vier Jahren gibt es einmal in der Woche Ganztagsangebote,<br />

<br />

20-, 30- und 45-minütigen Pausen. Nach dem Mittagessen in der neu erbauten<br />

Kantine schließen sich der vierte Block oder Einzelstunden an. Förderangebote gibt<br />

es – über die Stundentafel der 5. und 6. Klassen hinaus – für Schüler mit einer Lese-<br />

Rechtschreib-Schwäche durchgehend <strong>von</strong> der 5. bis zur 9. Klasse.<br />

Was Esther Kommant anderen Schulen bei der Weiterentwicklung ihrer Ganztagsangebote<br />

mit auf den Weg geben würde? „Ausgehend <strong>von</strong> meinen eigenen Erfahrungen<br />

würde ich sagen: Seien Sie prinzipiell offen für neue Ideen und Entwicklungen,<br />

aber vertrauen Sie gleichzeitig auf die eigenen Stärken. Nur so gelingt es, den einmal<br />

eingeschlagenen Weg konsequent weiterzugehen.“


PESTALOZZI-<br />

GYMNASIUM<br />

HEIDENAU


RAUM FÜR VERÄNDERUNGEN<br />

93


Pestalozzi-Gymnasium Heidenau<br />

Schulform: Gymnasium<br />

Organisationsform: offen<br />

Schülerzahl: 540 (2011/12)<br />

Ganztagsangebote seit: 2008<br />

Rhythmisierung: Doppelstunden, Einzelstunden<br />

Besonderheiten: betreute Freizeit (als Bestandteil des<br />

Rhythmisierungskonzeptes)<br />

„So, die Aufwärmung war prima – jetzt probieren wir noch ein paar Würfe“, ruft<br />

Herr Kühnel seinen Schützlingen zu. Ihre Blicke, ihre Körperspannung verraten, dass<br />

die Schüler ganz konzentriert bei der Sache sind. Vielleicht ist es kein Zufall, dass<br />

wir bei unserer Stippvisite zuerst den Judokurs besuchen. Am Pestalozzi-Gymnasium<br />

in Heidenau weiß man schließlich zu kämpfen. Denn obwohl die räumlichen Voraussetzungen<br />

alles andere als ideal sind, konnte ein ehrgeiziges GTA-Programm etabliert<br />

werden. Durch den bereits geplanten Ergänzungsbau, der hoffentlich in naher<br />

Zukunft realisiert werden kann, würde sich zusätzlicher Raum für Veränderungen<br />

ergeben. Und den wüsste das Kollegium auch zu nutzen.<br />

Vor vier Jahren erarbeiteten Schulleiter Uwe Beck sowie die GTA-Koordinatorin<br />

Kerstin Steinert den ersten GTA-Antrag, ein Jahr später konnte die praktische Arbeit<br />

aufgenommen werden. Der Impuls dazu kam aus der Diskussion heraus und <strong>von</strong><br />

verschiedenen Seiten: Kollegium, Elternrat, Schüler – alle hatten Lust auf eine Veränderung,<br />

alle waren involviert. Dazu Schulleiter Uwe Beck: „Für uns wäre es undenkbar,<br />

den Lehrern oder den Schülern etwas vor die Nase zu setzen und zu sagen: So<br />

machen wir das jetzt. Dann wird mit den Füßen abgestimmt und nach einem Jahr<br />

ist alles vorbei. Wir verfolgen hier eine Politik der kleinen Schritte. Aber diese Schritte<br />

werden <strong>von</strong> allen mitgetragen und beruhen auf einem breiten Konsens.“ Und so<br />

beschäftigte man sich in Heidenau intensiv mit den Modellen, die an anderen Schulen<br />

<br />

Bedingungen am Pestalozzi-Gymnasium funktionieren könnte. Zu berücksichtigen<br />

waren dabei die hohe Anzahl an Kindern aus dem Umland, die auf Linienbusse<br />

angewiesen sind, zum anderen die schwierige Raumsituation – es gibt eine Außenstelle<br />

und es fehlen Vorbereitungs- wie auch Lagerräume.<br />

Entschieden hat man sich letztlich für die Einführung des Doppelstundenprinzips<br />

und offene Ganztagsangebote am Nachmittag, die sich auf die Bereiche Kunst,


Sport, Freizeit und individuelle Förderung verteilen. Hier reicht die Bandbreite <strong>von</strong><br />

Judo und Schach über den Gospelchor und Theater bis hin zu vertiefenden Sprach-<br />

<br />

mit Spanisch eine dritte Fremdsprache zu er<strong>lernen</strong>. Die Förderangebote richten<br />

sich an alle Schülerinnen und Schüler, wie die stellvertretende GTA-Koordinatorin<br />

Ina Arndt unterstreicht: „Es wäre falsch, GTA automatisch mit Nachhilfe gleichzusetzen.<br />

Wir bemühen uns hier an der Schule sehr darum, auch die Stärksten ihres<br />

Fachs zu fördern, indem wir sie mit Inhalten konfrontieren, die deutlich über den<br />

Schulstoff hinausgehen.“ Die Ganztagsangebote beginnen aus organisatorischen<br />

Gründen einheitlich um 14.30 Uhr – so können alle Kinder unabhängig vom jeweiligen<br />

Schulschluss die zusätzlichen Angebote wahrnehmen. Die Zeit bis dahin wird<br />

mit einer betreuten Freizeit in der 7. Stunde und der Hausaufgabenzeit überbrückt,<br />

beides dient auch der Rhythmisierung des Schultages.<br />

In der betreuten Freizeit können sich die Kinder ein wenig erholen – schließlich muss<br />

der reichhaltige Input des Vormittags auch verarbeitet werden. Die Praxis hat gezeigt,<br />

dass der betreuten Freizeit auch eine große Bedeutung im Hinblick auf das soziale<br />

<strong>Lernen</strong> zukommt. Kerstin Steinert erläutert diesen Aspekt: „Es mag zunächst erstaunlich<br />

klingen, aber wir haben beobachtet, dass viele Kinder mitunter einfach nicht<br />

gelernt haben, wie sie ihre Freizeit sinnvoll gestalten können: Sie wissen nicht, wie<br />

man spielt. Zusammen mit anderen Kindern wird das aber schnell besser und<br />

wirkt sich im besten Falle sogar auf die Freizeit aus, die sie zu Hause verbringen.“<br />

Hervorzuheben ist, dass auch Eltern für die Ausgestaltung der betreuten Freizeit<br />

gewonnen werden konnten. Dieses ehrenamtliche Engagement hilft, die Kontinuität<br />

der Betreuung abzusichern, trägt zur entspannten Atmosphäre bei, die typisch für<br />

dieses Angebot ist, und setzt neue Akzente in der Betreuung.<br />

95


GTA-Koordinatorin Kerstin<br />

Steinert (rechts) und ihre<br />

Stellvertreterin Ina Arndt<br />

Ab der 8. Stunde können die Schülerinnen und Schüler dreimal pro Woche unter<br />

Anleitung eines Lehrers Hausaufgaben erledigen. Die betreute Freizeit läuft in<br />

dieser Zeit parallel weiter – so ist für eine konzentrierte Arbeitsatmosphäre gesorgt,<br />

auch wenn mal nur ein geringes Pensum zu erledigen ist. Wer fertig ist, wechselt<br />

in einen anderen Raum, um zu lesen oder noch ein wenig zu spielen. In der Praxis<br />

gestaltet sich die Hausaufgabenzeit oft auch als individuelle Förderung für Schüler,<br />

die ihre Lernziele so leichter erreichen. Deswegen kamen im laufenden Schuljahr<br />

<br />

als besonders hoch eingeschätzt wurde – beispielsweise Mathematik. Ältere Schüler<br />

nutzen die Zeit, um selbstständig an Projekten zu arbeiten. Dass die Schüler trotzdem<br />

noch Aufgaben mit nach Hause nehmen, gerade wenn es ums Üben oder Recherchieren<br />

geht, ist aus Sicht der GTA-Koordinatorinnen für die Ansprüche eines Gymnasiums<br />

normal und akzeptabel. In diesem Punkt sehen sie sich aber immer wieder<br />

auch mit Erwartungen <strong>von</strong> Eltern konfrontiert, welche die Ganztagsangebote des<br />

Gymnasiums als Fortsetzung des Hortes ab der 5. Klasse fehlinterpretieren.<br />

Als Stolperstein für die weitere Gestaltung <strong>von</strong> Ganztagsangeboten hat sich für die<br />

Heidenauer herausgestellt, dass es kaum gelingt, Kurse über mehrere Jahre hinweg<br />

als aufbauende Module anzubieten, wie es vor allem für Fremdsprachen wünschenswert<br />

wäre. Als ein- oder halbjährige Angebote sind sie dagegegen gut geeignet, um<br />

sich über eigene Stärken bewusst zu werden, sie zu erweitern und sich in verschiedenen<br />

Bereichen auszuprobieren.<br />

Den Gewinn aus der Netzwerkarbeit sehen die Heidenauer bei ihrer alltäglichen<br />

Arbeit: „Der Austausch mit den anderen Schulen war wertvoll und hat uns in dem<br />

bestätigt, was wir tun. Und gerade wenn es um die Formulierung <strong>von</strong> Wünschen<br />

<br />

auch auf die Praxiserfahrung anderer Schulen bauen – im Sinne <strong>von</strong>: Es wäre<br />

schön, wenn ...“


WIPRECHT-<br />

GYMNASIUM<br />

GROITZSCH


DIE TALENTESCHMIEDE<br />

99


Wiprecht-Gymnasium Groitzsch<br />

Schulform: Gymnasium<br />

Organisationsform: offen<br />

Schülerzahl: 574 (2011/12)<br />

Ganztagsangebote seit: 2005<br />

Rhythmisierung: einzelne 90-Minuten-Blöcke<br />

Besonderheiten: Talenteförderung (Form des individuellen<br />

Förderns und Forderns), Soziales <strong>Lernen</strong><br />

Ein Proberaum mit professioneller Aufnahmetechnik, in dem sogar kleine CD-Produktionen<br />

für Chor und Schülerband möglich sind;; Chinesischunterricht ab der 7. Klasse;;<br />

Ethikstunden im Altersheim – am Groitzscher Wiprecht-Gymnasium im Südosten<br />

Leipzigs werden ohne großes Gerede ambitionierte Ideen umgesetzt, <strong>von</strong> denen man<br />

anderswo nur sagen würde: „Klingt interessant, aber ...“ Natürlich haben die GTA-<br />

Koordinatoren Riccardo Eichler und Andre Proskawetz die gleichen Sorgen wie ihre<br />

Kollegen in anderen Schulen. Aber wenn es darum geht, für die Schüler im ländlichen<br />

Raum einen spannenden Ganztag zu gestalten, setzen sie alles in Bewegung.<br />

An dem dreizügigen Gymnasium gibt es seit 2007 pro Jahrgang eine Ganztagsklasse,<br />

die in diesem Schuljahr zwei zusätzliche Stunden Sport pro Woche absolviert und<br />

der zwei zusätzliche Stunden für die Hausaufgabenbetreuung zur Verfügung stehen.<br />

Diese werden mit GTA-Fördermitteln realisiert. Andre Proskawetz, selbst Sportlehrer,<br />

ist überzeugt, dass man den Kindern den Unterschied anmerkt: „Aufgrund der zusätzlichen<br />

Sportstunden sind sie wesentlich ausgeglichener und aufnahmefähiger – das<br />

höre ich auch <strong>von</strong> Kollegen immer wieder.“<br />

Keine Frage: Bewegung tut gut – und zwar nicht nur Schülern. Aus dieser Erkenntnis<br />

heraus setzte man sich in Groitzsch zu Beginn der Netzwerkarbeit zum Ziel, das<br />

Ganztagskonzept qualitativ weiterzuentwickeln, die Öffnung der Schule voranzutreiben<br />

und die statische Aufeinanderfolge <strong>von</strong> Einzelstunden zugunsten eines<br />

Blockmodells aufzulösen. Auf diesem Weg ist die Schule deutlich vorangekommen:<br />

Ab nächstem Jahr wird zunächst ein Block in der 3. und 4. Stunde durchgängig<br />

unterrichtet, die Etablierung eines zweiten Blocks wird angestrebt. Das hat nicht nur<br />

Auswirkungen auf den Unterricht, sondern wie gewünscht auch auf die Pausenstruktur:<br />

Durch die Zusammenlegung zweier Stunden und die Verkürzung <strong>von</strong> Pausen<br />

wird Zeit gewonnen, die dringend für die Verlängerung der Mittagspause <strong>von</strong><br />

aktuell 25 auf dann 45 Minuten gebraucht wird. Während momentan nur wenige<br />

Schüler überhaupt am Mittagessen teilnehmen, erhofft sich Andre Proskawetz


diesbezüglich eine deutliche Verbesserung – auch wegen eines für das kommende<br />

Jahr geplanten Mensaneubaus. Während man sich beim Thema Rhythmisierung<br />

Hilfe bei anderen Schulen holte und im Netzwerk nach geeigneten Modellen suchte,<br />

gehört das Wiprecht-Gymnasium in Groitzsch im Hinblick auf das systematische<br />

Fordern und Fördern selbst zu den Vorreitern, die nachahmenswerte Modelle entwickeln.<br />

Ab der 6. Klasse trifft der Klassenlehrer – der die Schüler durch den täglichen<br />

Umgang gut kennt – die Entscheidung, wer einer individuellen Förderung in den Fächern<br />

Mathe und Deutsch bedarf. Die besonders talentierten oder unterstützungs-<br />

<br />

Stundenplan integrierten Förderangebot pro Woche in kleineren Gruppen <strong>von</strong> vier<br />

bis sechs Kindern. In den Spitzengruppen geht es darum, die besten ihres Faches mit<br />

spannenden Angeboten zu noch besseren Leistungen zu stimulieren und sie auf<br />

Wettbewerbe vorzubereiten;; in den Sprachfächern werden beispielsweise Theaterund<br />

Musicalaufführungen vorbereitet und umgesetzt.<br />

Bei den Fördergruppen liegt das Hauptinteresse der Pädagogen darauf, Unterrichtsinhalte<br />

noch einmal aufzubereiten und dafür zu sorgen, dass das Niveau zwischen<br />

den leistungsstarken und den leistungsschwachen Schülern im Klassenverbund<br />

nicht zu stark differiert. Wer weder der einen noch der anderen Leistungsgruppe<br />

zuzuordnen ist, für den gibt es eine Vielzahl <strong>von</strong> kreativen oder sportlichen Ganztagsangeboten,<br />

beispielsweise die sogenannten MUKU-Stunden – ein innovatives,<br />

klassenübergreifendes Format, das die Beschäftigung mit musikalischen und<br />

künstlerischen Inhalten verknüpft.<br />

Nach anfänglicher Skepsis ist die Talenteförderung inzwischen ein Selbstläufer,<br />

<br />

werden kann, und auch die Lehrer, denen das gelegentliche Unterrichten in kleinen,<br />

konzentrierten Gruppen eine willkommene Abwechslung mit einer entspannten<br />

und konstruktiven Lernatmosphäre ist.<br />

101


GTA-Koordinatoren<br />

Riccardo Eichler und<br />

Andre Proskawetz<br />

Was die Öffnung der Schule und die Zusammenarbeit mit Externen angeht, kämpfen<br />

die Groitzscher mit denselben Problemen wie alle anderen nicht in den urbanen<br />

Ballungszentren gelegenen Schulen. Es erweist sich als schwierig, geeignete Außen-<br />

<br />

Angebot auf die Beine zu stellen.<br />

So bietet die Schule in Zusammenarbeit mit dem Konfuzius-Institut Leipzig seit<br />

einigen Jahren Chinesischunterricht an – das Interesse ist überraschenderweise<br />

so groß, dass dieser Kurs zu Beginn des Schuljahres als erster ausgebucht war.<br />

Als offen erweist sich die Schule aber auch in anderer Hinsicht: Jedes Jahr hilft sie<br />

mit, ein Integrationssportfest auszurichten, bei dem sich 20 bis 30 Schüler als<br />

ehrenamtliche Organisatoren, Kampfrichter, Riegenführer und Betreuer zur Verfügung<br />

stellen. Darüber hinaus kooperieren die Groitzscher mit einem örtlichen Altersheim:<br />

Die 9. Klassen verbringen die Hälfte ihrer Ethikstunden in dieser Einrichtung, wo sie<br />

mit den Bewohnern spazieren gehen, ihnen vorlesen, Theater spielen oder einfach<br />

durch zwanglose Unterhaltungen etwas Abwechslung und Farbe in deren Leben bringen.<br />

Dank dieses generationenübergreifenden Projekts ist der Ethikunterricht<br />

nicht auf den Austausch über Ideen und Werte begrenzt, sondern gelebter Dienst<br />

am Menschen, der zu Rücksicht und Verantwortungsgefühl erzieht. Dies ist eine<br />

gelungene Kooperation mit Außenpartnern, über die Ganztagsangebote hinaus.<br />

<br />

Nehmen die Waage hielt: „Wir haben eine Reihe <strong>von</strong> Ideen <strong>von</strong> unseren Hospitationen<br />

mitgebracht und umgesetzt – zum Beispiel <strong>von</strong> der Grundschule Mittelherwigsdorf<br />

die Vorteile des Blockunterrichtes und vom Hertz-Gymnasium Leipzig die Anregung<br />

zu »Schüler helfen Schülern«. Gleichzeitig haben wir mit der GTA-Sport-Klasse und<br />

dem Chinesischunterricht Veränderungen in anderen Schulen angestoßen. Genau so<br />

sollte es unter Kollegen sein.“


103


THEMA SOZIALES LERNEN<br />

Dem Thema soziales <strong>Lernen</strong> wird an vielen der an den Netzwerken beteiligten Schulen<br />

ein hoher Stellenwert beigemessen. Soziales <strong>Lernen</strong> trägt maßgeblich dazu bei, dass<br />

die Schüler sich selbst und andere differenzierter wahrnehmen, sich ihrer eigenen<br />

Gefühle bewusst werden und <strong>lernen</strong>, ihre Bedürfnisse zu artikulieren. Auch die Fähigkeit,<br />

bei der Lösung eines Problems die Perspektive des Gegenübers einzunehmen –<br />

sei es ein Lehrer oder ein Schüler – wird durch Methoden des sozialen <strong>Lernen</strong>s<br />

gleichen,<br />

für mehr Chancengleichheit im Bildungssystem zu sorgen und etwas für<br />

die Gewaltprävention zu tun.<br />

Die Möglichkeiten, soziales <strong>Lernen</strong> in den Unterricht zu integrieren, sind vielfältig:<br />

<br />

<br />

<br />

des sozialen <strong>Lernen</strong>s aufnehmen und vermitteln, sind beispielsweise der in Gruppen<br />

organisierte Projektunterricht und offene Unterrichtsformen wie die Freiarbeit. In all<br />

diesen Formaten sind die Schüler nicht nur Rezipienten, sondern wirken aktiv mit –<br />

beispielsweise, indem sie ihre weniger leistungsstarken Mitschüler unterstützen<br />

<br />

Auch außerhalb des Unterrichts bieten sich zahlreiche Möglichkeiten des sozialen<br />

<strong>Lernen</strong>s – beispielsweise in einer Moderatoren-AG oder eine Streitschlichtergruppe,<br />

wie sie auch viele der am Netzwerk beteiligten Schulen seit Jahren erfolgreich anlei-<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

kann die Moderatoren AG über die Mediation hinaus auch Veranstaltungen wie den


Lehrerschaft weiß, wer jeweils dem Schülerrat angehört und diesen auch respektiert:<br />

stalten<br />

können. Jede Form der Partizipation generiert ein gewisses Maß an Öffentlichkeit<br />

für die Schüler – und damit auch Anerkennung. Über die Schülervertretung<br />

hinaus können Anlässe geschaffen werden, bei denen alle Schüler eingeladen sind,<br />

<br />

Schuljahres ein Schulentwicklungsforum statt, im Rahmen dessen das vergangene<br />

Schuljahr ausgewertet wird. Nach der ZUG-Methode (Zufrieden, Unzufrieden, Ge-<br />

<br />

<br />

in Fragen der Schulentwicklung einbezogen und für das Lernklima wie auch den täglichen<br />

Umgang miteinander sensibilisiert. Außerdem <strong>lernen</strong> sie, eigenverantwortlich<br />

zu agieren.<br />

<br />

jedem Fall, dass das jeweilige Projekt die Interessen der Schüler widerspiegelt.<br />

<br />

den hohen Förderbedarf beispielsweise in Mathematik oder den Fremdsprachen<br />

abzudecken, und sorgt gleichzeitig durch das Peer-to-Peer-<strong>Lernen</strong> für willkommene<br />

Abwechslung im Schulalltag. Mancher Schüler nimmt Inhalte anders und besser auf,<br />

<br />

<br />

-<br />

<br />

als fünf der insgesamt 16 Netzwerkschulen praktiziert – u. a. in Rodewisch, Leipzig,<br />

Groitzsch. Gerade dieses Format ist ein schönes Beispiel für den umfangreichen<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

und welche Anreize für leistungsstarke bzw. ältere Schüler gesetzt werden können,<br />

leistungsschwächeren bzw. jüngeren Schülern zu helfen. Das Argument, dass die Ver-<br />

<br />

<br />

realistisch sein. Und da die unterrichtenden Schüler ja auch eine ganze Menge leisten,<br />

105


sprechen:<br />

„Wichtig ist aus meiner Sicht auch, dass die Lehrer sich da<br />

nach der Koordinationsphase weitestgehend heraushalten.<br />

Wir erwarten hier ja auch nicht Perfektion, sondern in erster<br />

Linie Engagement.<br />

Das beste Zeichen ist eigentlich immer, wenn man gar nichts <strong>von</strong> dem jeweiligen<br />

<br />

mit dem <strong>Lernen</strong> in der Tandemkonstellation sind fast durchgängig positiv.<br />

Zum sozialen <strong>Lernen</strong> gehört aber auch, einen Blick über den Tellerrand der eigenen<br />

Schule hinaus zu wagen und mit anderen Schulen/Institutionen zusammenzuarbei-<br />

bringt<br />

und Begegnungen auf Augenhöhe ermöglicht, die sich sonst nicht ergeben<br />

<br />

lichkeit<br />

zusammenbringt, ist die Begeisterung für den Sport. Gemeinsam nehmen<br />

<br />

<br />

-<br />

lernt<br />

und optimal auf die Bedürfnisse der behinderten Schüler eingehen kann.*<br />

* In diesen Beitrag sind Informationen aus dem Impulsvortrag <strong>von</strong> Dr. Wolfgang Wildfeuer vom<br />

<br />

einem Netzwerktreffen am 28.9.2011 in Dresden.


THEMA HAUSAUFGABEN<br />

<br />

Ausgestaltung des Ganztags – und daran ist nicht zuletzt der missverständliche Be-<br />

<br />

<br />

„Im schlechtesten Falle glauben die Eltern, damit jegliche<br />

Verantwortung für die Bildung ihrer Kinder an die Lehrer<br />

delegieren zu können.“<br />

<br />

<br />

-<br />

<br />

<br />

<br />

in nennenswertem Umfang zuzumuten sind – und auch darüber, welche Angebote<br />

<br />

bis 15.30 Uhr Unterricht hat und anschließend eventuell noch mit dem Bus unterwegs<br />

<br />

zu einer zusätzlichen Schulstunde.<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

ergibt sich speziell für leistungsschwächere Schüler die Situation, dass sie die<br />

<br />

<br />

<br />

wältigung ihrer schulischen Aufgaben erwarten dürfen.<br />

Grundsätzliche sollte die Diskussion <strong>von</strong> den Schulordnungen für die einzelnen<br />

<br />

<br />

gehalten werden. Darüber hinaus lautet der Tenor, dass die Aufgaben so zu stellen<br />

<br />

<br />

107


Zielstellung. Aber wie kann man all diesen Ansprüchen gerecht werden, ohne ande-<br />

<br />

Machen Sie sich bewusst, dass die Lernkultur an einer Ganztagsschule nicht nur die<br />

<br />

sondern auch Schulaufgaben, die in der Schule erledigt werden können, und das<br />

Format Lernzeit, in dem Schüler individuell an einer Aufgabe arbeiten. Schulaufgaben<br />

und Lernzeit können vieles abfangen: So können bei entsprechender Planung einige<br />

<br />

andere Förderformate integriert werden. Jede Schule, die das Thema Ganztag ernst<br />

nimmt, muss sich früher oder später mit der Frage beschäftigen, ob und wie sie die<br />

<br />

<br />

den<br />

hat.<br />

Dabei sind neben der Planung der Stundentafel eine Reihe <strong>von</strong> organisatorischen<br />

Fragen zu klären, zum Beispiel:<br />

Wer betreut die Kinder beim Erledigen der Hausaufgaben?<br />

Steht ein geeigneter Raum zur Verfügung?<br />

Wie ist der Teilnahmemodus geregelt (verbindlich/freiwillig)?<br />

Hat die Betreuung durch einen Fachlehrer eher erklärenden,<br />

motivierenden oder korrektiven Charakter?<br />

<br />

-<br />

<br />

<br />

<br />

diesen Fragen wie auch bei der Auswahl der Betreuer auszahlt und die Angebote<br />

<br />

munikation ist eine wichtige Gelingensbedingung – und zwar nicht nur unter den<br />

<br />

-


nie die Frage aus dem Blick geraten, welchen didaktischen Nutzen die Aufgaben<br />

<br />

<br />

<br />

Fortführung <strong>von</strong> Projekten aus dem Unterricht, begleitende und selbstgestellte Aufgaben<br />

sowie <strong>von</strong> anderen Schüler/-innen gestellte Aufgaben abwechseln. Schließlich<br />

stellt sich auch die Frage der Differenzierung, die im Zuge <strong>von</strong> GTA bei der Unterrichts-<br />

<br />

sollte hinter diesem Anspruch nicht zurückbleiben. Schließlich fällt die Zeit, die<br />

Schüler für die Bewältigung der Aufgaben aufwenden müssen, sehr unterschiedlich<br />

<br />

ständen eine halbe Stunde in Anspruch – das sorgt bei den Leistungsstarken für<br />

Langeweile, auf der anderen Seite für Frust.<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

allem ist das Verhältnis einzelner Module innerhalb des pädagogischen Gesamt-<br />

<br />

<br />

<br />

die Vorbereitungswoche.<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

außen signalisiert, wo die Grenzen dessen liegen, was Schule leisten kann. Am<br />

-<br />

109


etreuung ein. Nach einer entsprechenden Anfrage erklärten sich einige Mütter und<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

derer die Schüler selbst überprüfen können, ob sie ihre Aufgaben erfolgreich gelöst<br />

<br />

jeweiligen Schulporträts.*<br />

* In diesen Beitrag sind Informationen aus einem Impulsvortrag <strong>von</strong> Thomas Schnetzer (Institut für<br />

<br />

wurde er zu einem Netzwerktreffen am 15.6.2011 in Mittweida.


THEMA RHYTHMISIERUNG<br />

Ob Grundschule, Mittelschule oder Gymnasium – die Rhythmisierung bildet das<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

kann. Umso wichtiger ist es, sich die triftigen Gründe für eine konsequente Rhythmisierung<br />

immer wieder zu vergegenwärtigen – und einen Blick auf Beispiele guter<br />

<br />

Ausgangspunkt der Überlegungen zur Rhythmisierung ist ein Paradigmen- bzw.<br />

Perspektivwechsel im Ganztag: Statt den Fokus auf ein festes Curriculum zu legen,<br />

orientieren sich Ganztagsangebote primär an den biopolaren Bedürfnissen der<br />

<br />

<br />

<br />

spannung gesorgt ist – und zwar sowohl innerhalb eines Tagesabschnitts als auch<br />

<br />

zwischen den Polen Bewegung vs. Ruhe, gelenktes Arbeiten vs. Selbsttätigkeit und<br />

individuelles Arbeiten vs. Gruppenarbeit befördert einen Unterricht im Sinne des<br />

Ganztags.<br />

Beispielgebende Rhythmisierungsmodelle orientieren sich deshalb zunächst an<br />

<br />

Leistungsfähigkeit über den Tag betrachtet großen Schwankungen unterworfen ist –<br />

mit einem breiten Leistungsgipfel am Vormittag und einem länger andauernden Leis-<br />

<br />

<br />

und Zerstreuung dienen. Die schwankende Leistungsfähigkeit ist beispielsweise ein<br />

Grund, warum viele Schulen ihren Förderunterricht inzwischen in den vormittäglichen<br />

<br />

<br />

nötigsten brauchen, während bei einer Platzierung am Nachmittag nur ein geringer<br />

<br />

eine gleichmäßige Verteilung fordernder Unterrichtseinheiten zu achten, damit die<br />

tägliche Gesamtbelastung nicht zu groß wird. Daher ist die Rhythmisierung in der offenen<br />

und gebundenen Organisationsform des Ganztages unterschiedlich ausgeprägt.<br />

111


Auch innerhalb einer Unterrichtseinheit spielt die Rhythmisierung eine wichtige Rolle.<br />

Die Lehrer können beispielsweise durch eine hohe Variabilität der Lehr- und Lernformen,<br />

<br />

Projektarbeit, Gruppenarbeit) und die Integration <strong>von</strong> Phasen gelenkter Bewegung<br />

<br />

<br />

„Man muss sich einfach nur vorstellen, wie sich das anfühlt,<br />

<strong>von</strong> 8.00 Uhr bis 15.00 Uhr in demselben Raum zu sein – das<br />

zermürbt auf Dauer, das kann nicht funktionieren. Auch für die<br />

Lehrer nicht.“<br />

<br />

<br />

im Laufe des Prozesses, wie tiefgreifend und umfassend die Veränderungen sind, wenn<br />

<br />

nicht isoliert an einer bestimmten Stelle Veränderungen herbeiführen, ohne dass diese<br />

viele andere Veränderungen nach sich ziehen – das betrifft Fragen der Organisation,<br />

<br />

der dem aktuellen lernpsychologischen Forschungsstand gerecht wird, der braucht<br />

<br />

die Zusammenfassung <strong>von</strong> Stunden zu Blöcken nachdenkt, braucht gleichzeitig ein<br />

überzeugendes Pausenkonzept. Zudem müssen gerade im ländlichen Raum die Be-<br />

<br />

<br />

<br />

giums etc. Deshalb ist keine Lösung 1:1 <strong>von</strong> einer Schule auf eine andere übertragbar.<br />

Für die Gruppe der 16 Netzwerkschulen war der erste und entscheidende Schritt in<br />

Richtung eines Rhythmisierungskonzepts der Abschied vom 45-Minuten-Takt. Der<br />

Blockunterricht ermöglicht eine deutliche größere Methodenvielfalt, schafft die Voraussetzungen<br />

für fächerübergreifendes Arbeiten und ist für Schüler wie auch Lehrer<br />

organisatorisch mit weniger Stresse verbunden: Man muss nicht so viel Material<br />

bewegen und kann sich gezielter vorbereiten, wenn drei oder vier statt acht verschie-<br />

<br />

<br />

Format etabliert hat, wurden in Mittweida (80 Minuten) oder Chemnitz (70 Minuten)


gewagt hat, konnte jedoch ein positives Resümee gezogen werden. Als Beispiel sei hier<br />

<br />

<br />

Jahr lang konsequent zu verfolgen. Nach Ablauf der Zeit war die Zustimmung überwälti-<br />

<br />

<br />

<br />

Mit Blick auf die Rhythmisierung können sie interessante Impulse liefern.*<br />

Rhythmisierungsplan der Annenschule Chemnitz<br />

Mo Di Mi Do Fr<br />

1. Lerneinheit<br />

<br />

70 min<br />

2. Lerneinheit<br />

<br />

70 min<br />

3. Lerneinheit<br />

11.00 - 12.10 Uhr<br />

70 min<br />

4. Lerneinheit<br />

12.40 - 13.50 Uhr<br />

70 min<br />

5. Lerneinheit<br />

14.00 - 15.10 Uhr<br />

70 min<br />

2 10 18 24 32<br />

4 12 20 26 34<br />

Wahlobligatorische<br />

Kurse (WOK)<br />

6 14<br />

8 16<br />

DAS BLAUE BAND<br />

Die-Kurse<br />

22<br />

Neigungskurse Lernzeit Teamstunde mit<br />

Klassenlehrer<br />

Kommunikationszeit<br />

Lehrerkommunikation<br />

/<br />

Dienstberatung<br />

28<br />

30<br />

113<br />

* <br />

tagsangebote in <strong>Sachsen</strong>. Von der Idee zum Konzept – Eine Praxisbroschüre“ <strong>von</strong> Martina Jahn und


Rhythmisierungsplan der Grundschule Mittelherwigsdorf<br />

Zeit Mo Di Mi Do Fr<br />

07.30 - 08.00 Uhr Gleitzeitbeginn mit Frühstück<br />

08.00 - 09.35 Uhr 1. Unterrichtsblock<br />

<br />

08.00 - 08.45 Uhr<br />

Förderkurse<br />

09.35 - 09.55 Uhr Spiel- und Bewegungspause<br />

09.55 - 11.30 Uhr 2. Unterrichtsblock<br />

<br />

11.30 - 11.45 Uhr Bewegungspause<br />

12.00 Uhr Schulbus<br />

11.45 - 13.15 Uhr 3. Unterrichtsblock oder Einzelstunde<br />

13.45 Uhr Schulbus<br />

13.00 - 14.30 Uhr Lernzeit / Hausaufgabenzeit Schulhort<br />

14.30 - 15.30 Uhr Arbeitsgemeinschaften / Hortangebote<br />

15.40 Uhr Schulbus


Rhythmisierungsplan der Mittelschule Brand-Erbisdorf<br />

Zeit Mo Di Mi Do Fr<br />

07.00-07.30 Uhr Betreuung der Busschüler im Schulclub<br />

07.35-09.05 Uhr Fachunterricht Fachunterricht Fachunterricht Fachunterricht Fachunterricht<br />

09.05-09.25 Uhr Öffnung Bibliothek und Lesezimmer, Sportspiele<br />

09.25-10.55 Uhr Fachunterricht Fachunterricht Fachunterricht Fachunterricht Fachunterricht<br />

10.55-11.20 Uhr Mittagspause, Öffnung Bibliothek, Lesezimmer und Schulclub, Sportspiele<br />

11.20-12.50 Uhr Fachunterricht Fachunterricht Fachunterricht Fachunterricht Fachunterricht<br />

Fachunterricht Fachunterricht Fachunterricht GTA<br />

<br />

stunde<br />

13.10-14.40 Uhr<br />

Förderunterricht,<br />

GTA, Schulclub<br />

Förderunterricht,<br />

GTA, Schulclub<br />

Förderunterricht,<br />

GTA, Schulclub<br />

Förderunterricht,<br />

GTA, Schulclub<br />

115


THEMA INDIVIDUELLES FÖRDERN UND FORDERN<br />

-<br />

<br />

<br />

Beispiel zu den neurowissenschaftlichen Grundlagen des <strong>Lernen</strong>s. So zeigt die Studie<br />

<br />

Sächsischen Bildungsinstitutes, dass Ganztagsangebote ein wichtiger Bestandteil des<br />

<br />

<br />

sind und so den individuellen Lernprozess optimal unterstützen.<br />

<br />

<br />

Schülern gleichen Alters erscheinen – tatsächlich aber bringt jeder Schüler andere<br />

Vorerfahrungen mit, lernt unterschiedlich schnell und kommt auf unterschiedlichen<br />

-<br />

<br />

<br />

<br />

und anzuerkennen.<br />

<br />

<strong>von</strong> Lerngruppen nach prognostizierter Leistungsfähigkeit, Alter, Interesse oder<br />

Geschlecht) und der inneren Differenzierung (oder Binnendifferenzierung), die auf<br />

die individuelle Förderung <strong>von</strong> einzelnen <strong>Lernen</strong>den innerhalb einer bestehenden<br />

<br />

verschieden anspruchsvoller Aufgaben für bestimmte Schülergruppen bzw. auf<br />

aufgabenerteilung.<br />

<br />

des Förderkreislaufs bewährt. Ausgangspunkt hierbei ist die Durchführung einer<br />

pädagogischen Diagnose<br />

<strong>von</strong> Stärken und Schwächen, Belastungsfaktoren und Unterstützungsressourcen.


mitbeurteilungen. Das gilt im Übrigen nicht nur für die initiale Bestandsaufnahme,<br />

<br />

Förderns ist die Benotung allein kein hinreichendes Instrument zur Bewertung <strong>von</strong><br />

Leistungsfortschritten.<br />

Auf Basis der Diagnose können dann Ziele ausgehandelt und vereinbart werden,<br />

<br />

<br />

erreichbar sind, dass sie motivieren und dass die Schüler möglichst aktiv in die Förder-<br />

<br />

„Unser Ziel ist es zunächst, die Besonderheiten der Schüler zu<br />

erkennen. Wenn das gelingt und wenn sie dementsprechend<br />

gefördert werden, kann man sie dann auch für viele andere<br />

Sachen begeistern. Wir arbeiten da zum Beispiel <strong>von</strong> Klasse 5<br />

bis Klasse 10 mit Portfolios, wo die Schüler ihre Stärken doku<br />

<br />

hilfreich, bis hin zur Berufswahl.“<br />

Zu den Maßnahmen<br />

werden können, zählen u. a. Lernverträge und Bildungsvereinbarungen, der Förderunterricht<br />

in kleinen Gruppen, Tutorenprogramme, kooperative Lernformen (z. B. Schülerpatenschaften,<br />

Projektarbeit, Gruppenarbeit), individualisierte Lernaufgaben und<br />

ernder,<br />

nicht abschließbarer Prozess zu verstehen: In regelmäßigen Abständen gilt<br />

es, den Stand der Dinge zu prüfen und gegebenenfalls Justierungen vorzunehmen.<br />

Für den Lehrer erwachsen aus all diesen Punkten neue Anforderungen und ein<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

das dann idealerweise fachübergreifend umgesetzt werden kann.<br />

117


Schließlich steht die Schule auch vor der Aufgabe, ein adäquates Umfeld für das<br />

<br />

Rückzugsräume zum ruhigen, individuellen <strong>Lernen</strong> geschaffen werden. Viele der<br />

Netzwerkschulen – u. a. die Grundschule Mittelherwigsdorf, die Mittelschule<br />

<br />

richtung <strong>von</strong> Lernwerkstätten, die nicht nur eine Bibliothek umfassen, sondern<br />

auch eine Medienecke, Materialsammlungen und Computerarbeitsplätze für Re-<br />

<br />

<br />

<br />

am Gymnasium Schkeuditz bieten gute Voraussetzungen für das individuelle <strong>Lernen</strong>.<br />

<br />

weniger Minuten aufgelöst werden kann – hin zum Stuhlkreis oder zu Gruppenarbeitsplätzen.*<br />

* In diesen Beitrag sind Informationen aus dem Impulsvortrag <strong>von</strong> Carina Kendler zum Fachtag


FREIARBEIT<br />

Um die bei vielen Lehrern vorherrschende Skepsis gegenüber der Freiarbeit abzubauen,<br />

sollte man zunächst herausstreichen, was Freiarbeit nicht bedeutet: Sie dient<br />

nicht zum bloßen Abarbeiten <strong>von</strong> Seiten und Nummern im jeweiligen Lehrbuch,<br />

sie ist kein Vorwand, um dem Lehrer zusätzliche Ruhezeiten zu bescheren und die<br />

Schüler sich selbst zu überlassen – und sie ist auch nicht gleichzusetzen mit der<br />

Stillbeschäftigung. Stattdessen hat sich die aus der Reformpädagogik stammende<br />

Methode der Freiarbeit an vielen Schulen mit Ganztagsangeboten bewährt, um Unterrichtsinhalte<br />

neu zu erarbeiten, zu festigen und zu erproben. Sie trägt dazu bei,<br />

dass Schülerinnen und Schüler Verantwortung für ihre Lernprozesse übernehmen,<br />

<br />

<br />

genem<br />

Arbeiten.<br />

Die Freiarbeit ist nicht frei <strong>von</strong> Struktur – im Gegenteil: Sie erfordert gerade am Anfang<br />

viel organisatorisches Geschick und kann nicht voraussetzungslos eingeführt<br />

schule<br />

mit, auf die in den Mittelschulen und Gymnasien aufgebaut werden kann.<br />

<br />

<br />

men<br />

des offenen Unterrichts aufgebaut werden kann, müssen die Schülerinnen und<br />

Schüler im Rahmen des regulären Unterrichts sukzessive mit den grundlegenden<br />

Techniken und Methoden der Freiarbeit vertraut gemacht werden. Dazu zählen die<br />

-<br />

<br />

und die Schulung der Fähigkeit, die eigenen Leistungen realistisch einzuschätzen.<br />

<br />

des Lerncoachings.<br />

beitsstunden<br />

gewisse Voraussetzungen zu erfüllen: Der Raum, in dem die Freiarbeit<br />

<br />

<br />

Pinnwand, an der die Aufgaben für alle sichtbar ausgehängt werden. Freiarbeitsaufgaben<br />

verbleiben meist in der Schule.<br />

119


Grundsätzlich erfordert die Freiarbeit ein hohes Maß an Offenheit und Neugier –<br />

ohne einen gewissen Vertrauensvorschuss ist sie nicht realisierbar: Die beteiligten<br />

<br />

überhaupt die nötige Zeit für das Format vorhanden ist. Damit werden sie nur einverstanden<br />

sein, wenn sie sicher sein können, dass diese Stunde keine verlorene<br />

stunde<br />

zum Teil für kontroverse Diskussionen, weil Lehrer ihre Schüler nur noch alle<br />

<br />

dazu, kann sich schnell ein Monat ohne Fachunterricht ergeben. Aus diesem Grund<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

und nachfolgende Kollegen über viele Jahre. In die Erarbei<br />

<br />

Der Aufwand kommt zustande, da die Mehrzahl der Aufgaben nicht einfach vom Fach-<br />

<br />

auf die Freiarbeit didaktisch neu erschlossen werden, wenn sich die Schülerinnen und<br />

<br />

<br />

<br />

keit,<br />

in einem gewissen Rahmen selbst zu entscheiden, welche Aufgabe man wann<br />

erledigt, ist für die Schüler enorm motivierend.<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

genommen und hat sich ein Pool <strong>von</strong> Aufgaben bewährt, können die betreuenden<br />

<br />

eingehen.


Zu den Netzwerkschulen, an denen die Freiarbeit praktiziert wird, gehören die Grundschule<br />

Mittelherwigsdorf, die Mittelschule in Stauchitz und die Mittelschule in Oederan.<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

kann, dass alle Schüler bereits über die entsprechende Selbstständigkeit verfügen,<br />

<br />

werden zunächst nur Aufgaben aus zwei Fächern in der Freiarbeit erledigt, später wird<br />

es kontinuierlich mehr.<br />

-<br />

<br />

<br />

im Rahmen <strong>von</strong> schulinternen Fortbildungen angeeignet. Danach begann man mit<br />

<br />

<br />

Lehrer zurücknehmen. Ich bin dann in einer Beobachterrolle und schreite nur ein, wenn<br />

*<br />

121<br />

* In diesen Beitrag sind Informationen aus dem Impulsvortrag zum Thema Freiarbeit<br />

<br />

er am 18.6.2011 bei einem Netzwerktreffen in Dresden.


Annenschule<br />

Chemnitz<br />

Annenstraße 23<br />

09111 Chemnitz<br />

Augustum-Annen-Gymnasium<br />

Görlitz<br />

Annengasse 4<br />

02627 Görlitz<br />

Franziskaneum<br />

Meißen<br />

Kaendlerstraße 1<br />

01662 Meißen<br />

Grundschule<br />

Mittelherwigsdorf<br />

Hauptstraße 50<br />

02763 Mittelherwigsdorf<br />

Gustav-Hertz-Schule<br />

Gymnasium der Stadt Leipzig<br />

Dachsstraße 5<br />

04329 Leipzig<br />

Gymnasium<br />

Schkeuditz<br />

Lessingstraße 10<br />

04435 Schkeuditz<br />

J.-G.-Fichte-Schule<br />

Mittweida<br />

Schulstraße 6<br />

09648 Mittweida<br />

Johann-Heinrich-Pestalozzi-<br />

Gymnasium Rodewisch<br />

Straße des Friedens 5<br />

08228 Rodewisch<br />

Tel. 0371/369130<br />

Mail annen-ms@t-online.de<br />

Web www.annenschule.de<br />

Tel. 03581/7500790<br />

Mail mail@anne-augustum.de<br />

Web www.anne-augustum.de<br />

Tel. 03521/76040<br />

Mail sekretariat@franziskaneum.de<br />

Web www.franziskaneum.de<br />

Tel. 03583/512579<br />

Mail info@grundschule-mittelherwigsdorf.de<br />

Web www.grundschule-mittelherwigsdorf.de<br />

Tel. 0341/2502510<br />

Mail GHGSekretariat@gmx.de<br />

Web www.gustav-hertz-gymnasium.de<br />

Tel. 034204/62622<br />

Mail schulleitung@gymnasiumschkeuditz.de<br />

Web www.gymnasium-schkeuditz.de<br />

Tel. 03727/2117<br />

Mail <br />

Web <br />

Tel. 03744/189880<br />

Mail schulleitung-pestaro@gmx.de<br />

Web www.pesta-rodewisch.de<br />

ADRESSEN &<br />

KONTAKTE


Martin-Andersen-Nexö-<br />

Gymnasium Dresden<br />

Haydnstraße 49<br />

01309 Dresden<br />

Mittelschule „Anne Frank“<br />

Stauchitz<br />

Riesaer Straße 20<br />

01594 Stauchitz<br />

Mittelschule<br />

Brand-Erbisdorf<br />

August-Bebel-Straße 28<br />

09618 Brand-Erbisdorf<br />

Mittelschule „Clara Zetkin“<br />

Freiberg<br />

Dörnerzaunstraße 2<br />

09599 Freiberg<br />

Mittelschule „Maxim Gorki“<br />

Hainichen<br />

Lutherplatz 6<br />

09661 Hainichen<br />

Mittelschule<br />

Oederan<br />

Frankenberger Straße 19/21<br />

09569 Oederan<br />

Pestalozzi-Gymnasium<br />

Heidenau<br />

Hauptstraße 37<br />

01809 Heidenau<br />

Wiprecht-Gymnasium<br />

Groitzsch<br />

Am Gymnasium 1<br />

04539 Groitzsch<br />

Sächsisches Staatsministerium<br />

für Kultus – Servicestelle Ganztagsangebote<br />

<strong>Sachsen</strong><br />

PF 10 09 10<br />

01079 Dresden<br />

Tel. 0351/3110146<br />

Mail GYM-MAN@mailbox.tu-dresden.de<br />

Web www.manos-dresden.de<br />

Tel. 035268/82219<br />

Mail mittelschule-stauchitz@t-online.de<br />

Web www.sn.schule.de/~ms-stauchitz<br />

Tel. 037322/5760<br />

Mail kilian.msbed@freenet.de<br />

Web www.ms-bed.de<br />

Tel. 03731/7987880<br />

Mail mscz@schule.tu-freiberg.de<br />

Web www.zetkin-schule.de.vu<br />

Tel. 037207/659979<br />

Mail mittelschule-hainichen@gmx.de<br />

Web www.mittelschule-hainichen.de<br />

Tel. 037292/60296<br />

Mail mittelschule-oederan@t-online.de<br />

Web www.mittelschule-oederan.de<br />

Tel. 03529/512371<br />

Mail sekretariat@pestalozzigymnasiumheidenau.de<br />

Web www.pestalozzi-gymnasium-heidenau.info<br />

Tel. 034296/42462<br />

Mail mail@gymnasium-groitzsch.de<br />

Web www.gymnasium-groitzsch.de<br />

Tel. 0351/5642961<br />

Fax 0351/5642904<br />

Mail martina.jahn@smk.sachsen.de<br />

marlen.wippler@smk.sachsen.de<br />

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Servicestelle Ganztagsangebote <strong>Sachsen</strong> (Hrsg.)<br />

Eine Kooperation des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus<br />

und der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung gemeinnützige GmbH<br />

Layout und Design:<br />

Sandra Uhlitzsch, www.sandruschka.de<br />

Fotos: Dirk Sterzel<br />

Lektorat: Henry Kuritz<br />

Druck: Union Druckerei Dresden<br />

2.000 Exemplare<br />

Kontakt:<br />

Sächsisches Staatsministerium für Kultus<br />

Servicestelle Ganztagsangebote <strong>Sachsen</strong><br />

Carolaplatz 1<br />

01097 Dresden<br />

Tel. 0351/5642961<br />

serviceteam.gta@smk.sachsen.de<br />

weitere Informationen erhalten Sie unter:<br />

www.sachsen.ganztaegig-<strong>lernen</strong>.de<br />

Zum Autor:<br />

Helge Pfannenschmidt, geb. 1974, Studium der Germanistik, Anglistik und Sprechwissenschaft/Phonetik<br />

in Jena und Canterbury (UK), arbeitet als Freier Lektor,<br />

Texter und Publizist in Dresden.<br />

© Deutsche Kinder- und Jugendstiftung gemeinnützige GmbH<br />

IMPRESSUM


In den beiden Schuljahren 2010/11 und 2011/12 schlossen sich 16 sächsische<br />

Schulen mit Ganztagsangeboten zu einem Schulnetzwerk zusammen. Die Servicestelle<br />

Ganztagsangebote organisierte, koordinierte und begleitete die Arbeit<br />

des Netzwerkes. Jede teilnehmende Schule setzte sich ein eigenes Ziel für die<br />

Netz werk arbeit. So wurden Konzepte zur Rhythmisierung, zum sozialen <strong>Lernen</strong><br />

und zum Fördern und Fordern an den Schulen weiterentwickelt. Die Broschüre<br />

dokumentiert die Konzepte dieser zwei Schuljahre und bietet An regungen und<br />

Ideen für die qualitative Weiterentwicklung <strong>von</strong> Ganztagsangeboten an sächsischen<br />

Schulen. Darüber hinaus stellen die Netzwerkschulen ihr Wissen jetzt als<br />

Referenzschulen zur Verfügung.<br />

»Trotz sich ändernder Rahmenbedingungen suchen Schulen nach neuen Ideen<br />

und Umsetzungsmöglichkeiten. Das kostet viel Kraft, bietet aber auch große<br />

Chancen sowohl für Stabilität als auch für Weiterentwicklung. Dieses enorme<br />

Potenzial an Ideen gilt es zu nutzen – zum Beispiel, um andere Schulen zu motivieren,<br />

das zu bewahren, was sie sich mit großem Engagement aufgebaut haben,<br />

oder um zu zeigen, dass es trotz aller Schwierigkeiten neue Lösungswege gibt.<br />

Ein Ziel unserer Arbeit mit den Netzwerken war und bleibt deshalb der Austausch<br />

<strong>von</strong> Wissen und Erfahrung unter pädagogisch und organisatorisch fundierten<br />

Gegebenheiten.«<br />

Aus Martina Jahns Fazit zur Netzwerkarbeit<br />

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