Praktiker lernen von Praktikern - Sachsen - Ganztägig Lernen.
Praktiker lernen von Praktikern - Sachsen - Ganztägig Lernen.
Praktiker lernen von Praktikern - Sachsen - Ganztägig Lernen.
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Praktiker</strong> <strong>lernen</strong> <strong>von</strong> <strong>Praktiker</strong>n<br />
herausgegeben <strong>von</strong> der Servicestelle Ganztagsangebote <strong>Sachsen</strong>
STATT EINES VORWORTES –<br />
Interview mit den Netzwerk-Initiatorinnen Marlen Wippler (Deutsche Kinder- und<br />
Jugendstiftung) und Martina Jahn (Sächsisches Staatsministerium für Kultus)<br />
<strong>von</strong> der Servicestelle Ganztagsangebote <strong>Sachsen</strong> .......................................................3<br />
SCHULPORTRÄTS<br />
Annenschule Chemnitz ....................................................................................8<br />
Augustum-Annen-Gymnasium Görlitz ............................................................14<br />
Franziskaneum Meißen ...................................................................................20<br />
Grundschule Mittelherwigsdorf .......................................................................26<br />
Gustav-Hertz-Schule, Gymnasium der Stadt Leipzig ......................................32<br />
Gymnasium Schkeuditz ...................................................................................38<br />
J.-G.-Fichte-Schule Mittweida ..........................................................................44<br />
Johann-Heinrich-Pestalozzi-Gymnasium Rodewisch .....................................50<br />
Martin-Andersen-Nexö-Gymnasium Dresden .................................................56<br />
Mittelschule „Anne Frank“ Stauchitz ..............................................................62<br />
Mittelschule Brand-Erbisdorf ..........................................................................68<br />
Mittelschule „Clara Zetkin“ Freiberg ...............................................................74<br />
Mittelschule „Maxim Gorki“ Hainichen ...........................................................80<br />
Mittelschule Oederan .......................................................................................86<br />
Pestalozzi-Gymnasium Heidenau ....................................................................92<br />
Wiprecht-Gymnasium Groitzsch ......................................................................98<br />
INHALTLICHE SCHWERPUNKTE DER NETZWERKARBEIT<br />
Soziales <strong>Lernen</strong> ................................................................................................104<br />
Hausaufgaben ................................................................................................................... 107<br />
Rhythmisierung ................................................................................................................ 111<br />
Individuelles Fördern und Fordern .............................................................................. 116<br />
Freiarbeit ............................................................................................................................. 119<br />
KONTAKTE .................................................................................................................122<br />
INHALT
Martina Jahn ist Lehrerin und leitet seit<br />
2008 das Beratungsteam der Servicestelle<br />
Ganztagsangebote <strong>Sachsen</strong>.<br />
Marlen Wippler ist Diplom-Pädagogin und<br />
arbeitet im Serviceteam der Servicestelle<br />
Ganztagsangebote.
„Was man hier <strong>lernen</strong> konnte, ist in keinem<br />
Lehrbuch nachzulesen.“<br />
Statt eines Vorwortes – Interview mit den Netzwerk-Initiatorinnen Marlen Wippler<br />
(Deutsche Kinder- und Jugendstiftung) und Martina Jahn (Sächsisches Staatsministerium<br />
für Kultus) <strong>von</strong> der Servicestelle Ganztagsangebote <strong>Sachsen</strong><br />
Wie ist die Idee zum Netzwerk entstanden und mit welcher Zielstellung sind Sie<br />
angetreten?<br />
Marlen Wippler: Die Servicestelle Ganztagsangebote <strong>Sachsen</strong> ist eine Kooperation<br />
des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus und der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung<br />
im Rahmen des Bundesprogramms „Ideen für mehr! Ganztägig <strong>lernen</strong>.“.<br />
Wir waren der Meinung, es kann über die sonstigen Aktivitäten unserer Servicestelle<br />
hinaus eine engere Begleitung der Schulen bei der Weiterentwicklung <strong>von</strong> GTA geben.<br />
Gemeinsam mit den Kollegen vom Institut für Schulentwicklung in Dortmund haben<br />
wir die Idee des Schulnetzwerkes besprochen. Gemeinsam haben wir ein Konzept<br />
entwickelt, das einen Austausch zwischen Schulen aus unterschiedlichen Regionen<br />
und zwischen unterschiedlichen Schularten ermöglicht. Dieser Austausch geht über<br />
das hinaus, was sonst an einem Fachtag geschieht – erstens, weil er regelmäßig statt-<br />
<br />
besuchen und so die Arbeit des anderen mit eigenen Augen sehen können. Hier kommt<br />
ein fester Expertenkreis regelmäßig miteinander ins Gespräch.<br />
Martina Jahn: Trotz sich ändernder Rahmenbedingungen suchen Schulen nach neuen<br />
Ideen und Umsetzungsmöglichkeiten. Das kostet viel Kraft, bietet aber auch große<br />
Chancen sowohl für Stabilität als auch für Weiterentwicklung. Dieses enorme Potenzial<br />
an Ideen gilt es zu nutzen – zum Beispiel, um andere Schulen zu motivieren, das<br />
zu bewahren, was sie sich mit großem Engagement aufgebaut haben, oder um zu<br />
zeigen, dass es trotz aller Schwierigkeiten neue Lösungswege gibt. Ein Ziel unserer<br />
Arbeit mit den Netzwerken war und bleibt deshalb der Austausch <strong>von</strong> Wissen und<br />
Erfahrung unter pädagogisch und organisatorisch fundierten Gegebenheiten. Um<br />
Best-Practice-Methoden gemeinsam weiterzuentwickeln und zu festigen, braucht<br />
man einen vertrauten, sicheren Raum. Gute Netzwerke sind auch im eigentlichen<br />
Wortsinn Netze, die die Teilnehmer auffangen, wenn sich das Gefühl breitmacht, mit<br />
seinen Problemen Einzelkämpfer zu sein. Wir als Initiatoren haben es als unsere<br />
Aufgabe gesehen, die beiden regionalen Netze so stabil zu gestalten, dass keiner<br />
durch die Maschen fällt.<br />
3
Nach Abschluss der Netzwerkarbeit haben die beteiligten Schulen den Status<br />
einer Referenzschule inne. Was leistet eine solche Schule?<br />
Marlen Wippler: Eine Referenzschule steht anderen Schulen mit den gewonnenen<br />
und weiterentwickelten Erfahrungen zur Verfügung, bietet sich als Multiplikator der<br />
eigenen Ideen an und trägt das im Netzwerk erarbeitete Wissen weiter. Die Idee<br />
dahinter lautet „<strong>Praktiker</strong> <strong>lernen</strong> <strong>von</strong> <strong>Praktiker</strong>n“ – die Idee des Peer-to-Peer-Austauschs<br />
ist die Grundlage der Netzwerkaktivitäten. Die GTA-Koordinatoren aus den<br />
Netzwerkschulen haben sich ein profundes Wissen angeeignet, haben viele Methoden<br />
<br />
Sie sind bereit, ihre Schulen zu öffnen, und können anderen Schulen wichtige Impulse<br />
bei der Bearbeitung <strong>von</strong> GTA-Themen wie Rhythmisierung und soziales <strong>Lernen</strong> geben.<br />
Deswegen sind sie es, die andere Schulen am besten animieren und ermutigen können,<br />
ähnliche Schritte zu unternehmen.<br />
Martina Jahn: Bis der Punkt erreicht ist, an dem neue Ideen an einer Schule etabliert<br />
sind und funktionieren, legen die Akteure unter Umständen einen steinigen Weg zurück.<br />
Unterwegs müssen sie sich mitunter auch wieder <strong>von</strong> Sachen verabschieden oder<br />
eingestehen, dass sie Fehler gemacht haben. Wenn Referenzschulen anderen Schulen<br />
über diesen Weg, den sie gegangen sind, authentisch berichten –, nach dem Motto<br />
„Wir waren genau dort, wo ihr jetzt seid, und es war zeitweise wirklich schwierig, aber<br />
auf die und die Weise haben wir es doch geschafft und unser Ziel erreicht“ – dann hat<br />
das einen ganz anderen Stellenwert, als wenn wir zum Fachtag kluge Ratschläge erteilen.<br />
Hospitationen, für die sich die Referenzschulen zur Verfügung stellen, bieten<br />
gensbedingungen<br />
und Stolpersteinen und den gemeinsamen Blick auf neue Wege.<br />
Was war die Motivation der Schulen, an dem Netzwerk teilzunehmen –<br />
hauptsächlich der kollegiale Austausch?<br />
Martina Jahn: Auf jeden Fall, aber Sie dürfen nicht vergessen, dass damit richtig<br />
viel Arbeit verbunden war: Es gab Treffen, Hospitationen, es waren Ziele und regelmäßige<br />
Dokumentationen zu erarbeiten, der Wissenstransfer ins Kollegium der<br />
jeweiligen Schule sicherzustellen etc. Wer sich dieser Arbeit stellt, erwartet auch<br />
etwas. Unsere Schulen sind den Netzwerken mit unterschiedlichen Voraussetzungen<br />
beigetreten und daher auch mit unterschiedlichen Zielsetzungen. Einmal, um wichtige<br />
Hinweise zu erhalten, zum anderen aber auch, um wertvolle Erfahrungen zu teilen und<br />
zu diskutieren. Ich will das an einem Beispiel verdeutlichen. Der Aufgabe einer gelungenen<br />
Rhythmisierung stellen sich alle Schulen, doch welche Modelle es dabei gibt,<br />
welche Voraussetzungen man dafür an der eigenen Schule schaffen kann und muss,
wie man für die Binnenrhythmisierung möglichst alle Kollegen ins Boot holt – für<br />
solche Fragen gemeinsam nach Antworten zu suchen, um danach das eigene Konzept<br />
zu stabilisieren oder weiterzuentwickeln – das waren Ziele des Austausches<br />
der meisten Netzwerkschulen.<br />
Marlen Wippler: Mit der Beteiligung am Netzwerk verbanden einige GTA-Koordinatoren<br />
sicher die Hoffnung, GTA zu mehr Anerkennung und zu einem anderen Stellenwert<br />
an der ganzen Schule zu verhelfen. Die Netzwerkaktivitäten haben unterstrichen,<br />
dass GTA etwas Wichtiges ist, nicht nur das Anhängsel am Nachmittag.<br />
Sie machten deutlich, dass – gerade wenn es etwa ums Thema Rhythmisierung<br />
geht – die Änderungen den gesamten Schulalltag betreffen.<br />
Wie war die Netzwerkarbeit eigentlich organisiert und welche Inhalte standen<br />
im Mittelpunkt?<br />
Martina Jahn: Die Inhalte haben die Schulen bestimmt. Die Evaluation des Feedbacks<br />
zur Auftaktveranstaltung bildete die Grundlage für die thematische Ausgestaltung<br />
der vier Netzwerktreffen pro Jahr: Mit einem fachlichen Input durch<br />
externe Referenten sind wir in jede Veranstaltung eingestiegen – zum Beispiel<br />
zu Themen wie „Hausaufgaben oder Lernzeit?“, „Welchen Beitrag leistet freie<br />
Stillarbeit für eine gelungene Rhythmisierung?“, „Wie sind die Ergebnisse <strong>von</strong><br />
Freiarbeit messbar?“, „Wie kann Evaluation zeitsparend, effektiv und zielführend<br />
mit dem Blick auf die Gesamtkonzeption <strong>von</strong> GTA gestaltet werden?“, „Evaluation<br />
für den Antrag oder für die Schule?“ etc. Daran schlossen sich dann Arbeitsgruppenphasen<br />
an. Jeder Teilnehmer berichtete zum Stand der Dinge an der eigenen<br />
Schule, wer Erfahrungen auf diesem Gebiet hatte, teilte diese mit der Runde und<br />
<br />
Marlen Wippler: An den Nachmittagen der Netzwerktreffen haben wir uns außerdem<br />
immer die Ziele der Schulen angesehen und ausgewertet, was im vergangenen<br />
Quartal passiert ist. Diese Schritte wurden dann auch in einer „Galerie“ für alle<br />
Beteiligten sichtbar gemacht – jeder konnte nachvollziehen, was in den anderen<br />
Schulen passiert. Vertrauen spielt im Rahmen <strong>von</strong> Netzwerken eine wichtige Rolle,<br />
man lernt ja nicht nur aus Erfolgen, sondern auch aus Misserfolgen. Deswegen<br />
braucht es ein Klima, in dem man keine Scheu haben muss, beides zu thematisieren.<br />
Über die Netzwerktreffen hinaus gab es auch Hospitationen. In den beiden Netzwerkgruppen<br />
– auf Wunsch der Beteiligten hatten wir die große Gruppe in zwei<br />
Regionalgruppen aufgeteilt, um effektiv in kleinen Gruppen arbeiten zu können<br />
und um den Reiseaufwand gering zu halten – haben wir insgesamt acht der beteiligten<br />
Schulen besucht.<br />
5
Hat die Arbeit am Netzwerk Ihren Blick auf das Phänomen Ganztag verändert?<br />
Gab es Dinge, die Sie überrascht haben?<br />
Marlen Wippler: Mich hat überrascht, welchen großen Stellenwert das Thema soziales<br />
<strong>Lernen</strong> einnimmt – das hätte ich vor zwei Jahren so nicht gedacht. Erstaunlich war<br />
auch, dass vielen Schulen durch die Netzwerkarbeit erst bewusst geworden ist, wie<br />
weit sie eigentlich sind, was sie alles geschafft haben. Viele waren fast überrascht<br />
<strong>von</strong> sich selbst. Ich denke, da könnten einige mit Fug und Recht etwas selbstbewusster<br />
auftreten. Wir haben gerade bei den Hospitationen wirklich tolle Sachen erlebt –<br />
beispielsweise am Hertz-Gymnasium Leipzig. Ein Ergebnis da<strong>von</strong> war, dass zum Beispiel<br />
Herr Bonk vom Martin-Andersen-Nexö-Gymnasium Dresden mit seinen Schülern<br />
noch mal ins Hertz-Gymnasium gefahren ist, um sich das Schüler-Organisations-Team<br />
(ORG-Team) anzusehen. Danach sind die Leipziger Schüler nach Dresden gekommen.<br />
So etwas freut uns natürlich besonders, weil dies alles auf Eigeninitiative beruhte.<br />
Martina Jahn: Durch solche AHA-Effekte bei den Schulen selbst wird auch wieder<br />
neue Motivation frei, jenseits <strong>von</strong> Förderrichtlinien, Bewilligungsbescheiden und<br />
Honorarverträgen. In den Netzwerktreffen sind sich die Schulen stärker als erwartet<br />
darüber klargeworden, was sie eigentlich alles stemmen und dass andere Schulen<br />
ähnliche Probleme bewältigen. Das öffnet den Blick dafür, Bewährtes zu erhalten und<br />
zu stabilisieren, statt ständig etwas Neues auf die Beine zu stellen, und es setzt<br />
positive Energie frei. Gleichzeitig mahnt es, für sich selbst und engagierte Mitstreiter<br />
zu sorgen, damit Bewährtes nicht nur erhalten, sondern gezielt weiterentwickelt<br />
und nach außen schlüssig kommuniziert werden kann. Auch das hat der Austausch<br />
im Netzwerk bewirkt.<br />
Mein Blick auf das Phänomen Ganztag ist zum einen schärfer geworden im Hinblick<br />
auf die Möglichkeiten der Umsetzung, und zum anderen sehe ich mit noch mehr<br />
Achtung auf die Akteure, die immer wieder mit neuem Engagement Ganztagskonzepte<br />
im Sinne „ihrer Schüler“ entwickeln und umsetzen. Netzwerker haben dazu in<br />
besonderem Maße beigetragen.<br />
War die Heterogenität der Schultypen im Netzwerk (gemeinsames Arbeiten <strong>von</strong><br />
Gymnasien, Mittelschulen sowie einer Grundschule) so gewollt und wenn ja:<br />
Hat sich das Konzept bewährt?<br />
Marlen Wippler: Das war eine bewusste Entscheidung. Wir wissen aus unserer Erfahrung,<br />
dass Lehrer einer bestimmten Schulart oft staunen, was Lehrer an anderen Schularten<br />
leisten – man weiß eben wenig <strong>von</strong>einander. Wenn ich bloß den Tunnelblick<br />
auf eine bestimmte Schulart habe, bleiben mir viele Phänomene verborgen, und es<br />
ging ja bei der Netzwerkarbeit auch immer darum, den eigenen Horizont zu erweitern.
Martina Jahn: Eine besondere Stellung hatte sicher die Grundschule Mittelherwigsdorf<br />
als einzige dieser Schulart inne. Die Kolleginnen <strong>von</strong> dort waren auch zunächst<br />
skeptisch, ob sich die Teilnahme unter diesen Voraussetzungen lohnen würde, aber<br />
ich denke, sie haben eine Menge wertvoller Hinweise <strong>von</strong> anderen Netzwerkern<br />
erhalten. Und ich kann nur sagen: In der Grundschule Mittelherwigsdorf haben wir<br />
die spannendste Hospitation der ganzen zwei Jahre erlebt, dieses Feedback kam<br />
auch <strong>von</strong> anderen Teilnehmern. An diesem Tag wurden viele falsche Vorstellungen<br />
über Ganztagsangebote an Grundschulen aus dem Weg geräumt. Neben wertvollen<br />
Tipps zu Evaluationsmethoden, zu auf Rhythmisierung zugeschnittenen Förderkonzepten-<br />
und angeboten, zu erfolgreicher Kooperation mit außerschulischen Partnern<br />
und einer effektiven Hausaufgabenbetreuung mit Lernwerkstatt bekamen wir einen<br />
wirklich authentischen und überzeugenden Beweis dafür, dass GTA an Grundschulen<br />
nicht nur Freizeitangebote sind, die der Hort allein leisten kann. Wenn Kollegen vom<br />
Wiprecht-Gymnasium Groitzsch Tipps da<strong>von</strong> für die Gestaltung ihres GTA-Konzeptes<br />
übernehmen, spricht das auf jeden Fall für Heterogenität in einem Netzwerk.<br />
Welches Fazit ziehen Sie nach diesen beiden Jahren? Was wird <strong>von</strong> den Netzwerkaktivitäten<br />
bleiben?<br />
Martina Jahn: Unter den Kollegen sind zum Teil intensive Kontakte entstanden, die<br />
das Netzwerk überdauern werden. Mein persönliches Fazit fällt sehr positiv aus. Ich<br />
habe die Sache damals durchaus differenziert betrachtet, habe mich gefragt, was<br />
ein solches Netzwerk leisten kann. Ich bin mehr als 30 Jahre im Schuldienst, aber<br />
was hier für Ideen auf den Tisch kamen und was bei den Hospitationen zu erleben<br />
war – das hat mich sehr bewegt, motiviert und angeregt, zum Beispiel beim Thema<br />
hirngerechtes <strong>Lernen</strong>: Jede sich erfüllende Gewissheit wird vom Gehirn belohnt! Ich<br />
nehme einen riesigen Rucksack <strong>von</strong> Ideen für meine Beratertätigkeit mit, die ich mit<br />
möglichst vielen Kollegen teilen möchte. Was ich hier <strong>lernen</strong> konnte, ist in keinem<br />
Lehrbuch nachzulesen.<br />
Marlen Wippler: Ich wünsche mir, dass die Referenzschulen das gesammelte Wissen<br />
<strong>von</strong> den Netzwerktreffen und dem kollegialen Erfahrungsaustausch weitergeben an<br />
andere Schulen, die genau dieses Know-how benötigen. Wir stehen den Schulen<br />
natürlich weiterhin als verlässliche Ansprechpartner zur Seite und helfen gern beim<br />
Organisieren <strong>von</strong> Hospitationen oder Treffen.<br />
7
ANNENSCHULE<br />
CHEMNITZ
ZEIT, SICH ZU BEWEGEN<br />
9
Annenschule Chemnitz<br />
Schulform: Mittelschule<br />
Organisationsform: gebunden<br />
Schülerzahl: 252 (2011/12)<br />
Ganztagsangebote seit: 2005<br />
Rhythmisierung: 70-Minuten-Blöcke, „Blaues Band“<br />
Besonderheiten: Rhythmisierung, Kooperation mit<br />
Außenpartnern<br />
Wer das Schulhaus der Annenschule Chemnitz betritt und sich ein wenig auf die Atmosphäre<br />
einlässt, dem entgeht das Besondere an dieser Schule nicht: der freundliche<br />
Umgang miteinander, die entspannten Gesichter, die Art und Weise, wie die Schüler<br />
miteinander reden. Man merkt, dass sich Schüler wie auch Lehrer an ihrer Schule wohl-<br />
<br />
sogar auf das Klingeln zum Stundenbeginn verzichten – ein enormer Vertrauensvorschuss,<br />
der sich aber bezahlt gemacht hat. Auch die Zusammensetzung unserer<br />
Gesprächsrunde gestaltet sich ein wenig anders als gewohnt: Neben GTA-Koordinator<br />
Peter Ebert und Katrin Döring, Mitglied der Steuergruppe GTA, sowie der Schulleiterin<br />
Gudrun Uhlmamn ist mit Candy Baumann auch eine Schülerin der Klasse 9 eingeladen,<br />
das Bild der Schule durch ihre Sicht auf die Dinge zu komplettieren.<br />
Der Ganztag ist an der Annenschule in Chemnitz keine Exklusivveranstaltung für die<br />
<br />
zugeschnittenen Angeboten. Einige freilich tun das besonders intensiv: Momentan<br />
sind es 20 Schüler der 5. und 6. Klassen, die auf Wunsch der Eltern täglich bis 16 Uhr<br />
in der Schule betreut und gefördert werden und Angebote in den Bereichen Sport,<br />
Stillbeschäftigung und individuelle Förderung wahrnehmen. Durch die konsequente<br />
Wochenrhythmisierung und die Integration <strong>von</strong> Angeboten in den Stundenplan ist<br />
GTA längst kein Anhängsel zum „regulären“ Unterricht mehr, sondern ein selbstverständlicher<br />
und unverzichtbarer Bestandteil des Schulalltags – und zwar für alle.<br />
Dafür sorgt seit drei Jahren das sogenannte Blaue Band – ein Zeitfenster nach der<br />
zweiten Unterrichtseinheit, in dem die Kinder jeden Tag ihren besonderen Interessen<br />
nachgehen: in Form <strong>von</strong> wahlobligatorischen Kursen (WOK), DIE-Kursen (die regel-<br />
<br />
täglichen Teamstunde, welche die Klasse mit ihrem Klassenlehrer verbringt.<br />
Dass trotz dieses ambitionierten Modells selbstverständlich die im Lehrplan vorgesehenen<br />
Fachstunden unterrichtet werden, ist den Rechen- und Planungskünsten <strong>von</strong><br />
GTA-Koordinator Ebert zu verdanken. Nachdem man bereits vor mehr als zehn Jahren
<strong>von</strong> der Einzelstunde zum 90-Minuten-Block übergegangen war, wurden die Schwachstellen<br />
dieses Rhythmisierungsmodells immer deutlicher – als besonders ungünstig<br />
erwies es sich für jüngere Schüler und im Hinblick auf die geringere Aufnahmefähigkeit<br />
nach der Mittagspause. Die Lösung fand sich in Form eines 70-Minuten-Modells,<br />
das inzwischen seit zwei Jahren erfolgreich praktiziert wird. Das Blaue Band ist die<br />
Summe der „Blauen Minuten“, die durch die Reduzierung der Unterrichtsblöcke <strong>von</strong><br />
90 auf 70 Minuten frei werden. Da das Blaue Band auch Formate für den fächerverbindenden<br />
Unterricht (WOK) und die Methodenvermittlung vorsieht, hatten die einzelnen<br />
Lehrer keine Bedenken, Zeit <strong>von</strong> ihrem Fachunterricht abzuziehen, die dann<br />
<br />
verloren gehen. Alle Befürchtungen, dass sich das neue Modell als folgenreicher<br />
Fehler erweisen würde, konnten zerstreut werden. Die überzeugendsten Argumente<br />
dabei sind die konstant guten Prüfungsergebnisse. Aus der Sicht <strong>von</strong> Katrin Döring<br />
spricht noch ein weiteres Argument für den Abschied <strong>von</strong> der Einzelstunde. „Den Ansprüchen,<br />
die an einen Lehrer heute gestellt werden – ich nenne nur die Stichworte<br />
Methodenvielfalt, bewegter Unterricht, individuelle Förderung –, kann man in dem<br />
knappen 45-Minuten-Rhythmus aus meiner Sicht kaum noch gerecht werden.“<br />
Möglich wird die Aufrechterhaltung dieses Angebotes auch durch die Einbindung zahlreicher<br />
externer Partner. Dabei setzt man in Chemnitz seit Jahren mit großem Erfolg<br />
<br />
nur wenig jüngeren Schülern, der Lehrern mitunter verwehrt bleibt. Candy Baumann<br />
beschreibt dies aus Schülersicht: „Wenn ein Schüler ein Problem hat und sagt ‚Ich<br />
verstehe das einfach nicht’, dann hilft es oft, wenn er es einmal ganz anders oder <strong>von</strong><br />
jemandem ganz anderen erklärt bekommt. Und das kann z. B. ein Student, der nur<br />
zehn Jahre älter ist, eben in mancher Hinsicht besser.“ GTA-Koordinator Peter Ebert ist<br />
der Meinung, dass das Potenzial der Studenten <strong>von</strong> vielen Schulen unterschätzt wird.<br />
Nach seiner Meinung schlummert darin – zumindest für die Schulen in Universitätsstädten<br />
– ein ungehobener Schatz. Zudem ist die Verbindlichkeit, mit der die Stu-<br />
11
GTA-Koordinator Peter Ebert,<br />
Schülerin Candy Baumann,<br />
Katrin Döring, Mitglied der<br />
Steuergruppe GTA, und Schulleiterin<br />
Gudrun Uhlmann<br />
denten ihre Aufgaben in der Schule wahrnehmen, viel höher als zunächst erwartet.<br />
Zum Teil sorgen sie sogar für Vertretungen oder für einen Nachfolger, wenn sie keine<br />
Zeit (mehr) haben. Seit einer Annonce in der Jobbörse der Technischen Universität<br />
Chemnitz vor einigen Jahren ist Unterstützung durch Studenten zu einem Selbstläufer<br />
geworden – und auch bei der inhaltlichen Ausgestaltung erweisen sie sich als selbstständig<br />
und äußerst zuverlässig.<br />
Eine weiteres Angebot, mit dem die Annenschule sich auf neues Terrain vorwagt, ist<br />
die Kommunikationszeit. In ihr können die Schüler auf kurzem Weg das loswerden,<br />
was ihnen unter den Nägeln brennt. Zum anderen repräsentiert sie ein neues Verständnis<br />
<strong>von</strong> individueller Förderung. Dabei wird zunächst individuell oder in einer<br />
kleinen Gruppe der tatsächliche Hilfebedarf artikuliert, sodass der Lehrer ganz gezielt<br />
helfen kann. Von der Intensivierung der Kommunikation, wie sie die KOMM-Zeit<br />
ermöglicht – ob zwischen Lehrern und Schülern oder den Schülern bzw. den Lehrern<br />
<br />
sondern auch das Erklären selbst Lernerfolge zeitigt.<br />
Modelle auszuprobieren, deren Praxistauglichkeit sich noch zu erweisen hatte – ist<br />
man da nicht auch ein Risiko eingegangen? „Das mag sein“, räumt Peter Ebert ein,<br />
<br />
<br />
mit Blick auf die Leitungsebene: „Man braucht natürlich eine Schulleitung, die sich<br />
dafür starkmacht und die ein breites Kreuz zeigt, auch wenn es mal Gegenwind gibt.“<br />
Wie man hört, interessieren sich inzwischen sogar Schulen aus anderen Bundesländern<br />
für die an der Annenschule umgesetzten Ideen – gut möglich, dass sich das<br />
Blaue Band demnächst als Exportschlager erweist.
AUGUSTUM-<br />
ANNEN-<br />
GYMNASIUM<br />
GÖRLITZ
UNTERRICHT DER ANDEREN ART<br />
IN EINER 5. UND EINER 6. KLASSE<br />
15
Augustum-Annen-Gymnasium Görlitz<br />
Schulform: Gymnasium<br />
Organisationsform: teilgebunden<br />
Schülerzahl: 741 (2011/12)<br />
Ganztagsangebote seit: 2007/2008<br />
Rhythmisierung: zwei 90-Minuten-Blöcke<br />
Besonderheiten: wöchentliche Projekttage (als Form<br />
der Rhythmisierung), individuelles Fördern und Fordern<br />
Kurz nachdem wir in Görlitz eintreffen, heißt es: Manege frei! Die Ganztagsklasse 5g<br />
stürmt in Richtung Turnhalle, um sich ihren Übungen zu widmen. Später am Nachmittag<br />
werden die Mädchen und Jungs nach einigen Wochen des Probens und Trainierens<br />
ihren großen Auftritt vor anderen Schülern haben. Mit dem wöchentlichen Projekttag<br />
setzt das Annen-Gymnasium eine spannende Form des fächerverbindenden Unterrichts<br />
um. Und wer beobachten kann, mit welcher Begeisterung und welchem Enthusiasmus<br />
sich die kleinen Clowns, Artisten und Tänzer auf der Generalprobe vorbereiten,<br />
der bekommt eine Ahnung da<strong>von</strong>, was Klassenleiterin Petra Lüdtke meint, wenn sie<br />
vom „Unterricht der anderen Art“ spricht.<br />
Im Jahr 2007 begann man zunächst damit, in der vierzügigen Schule eine Klasse<br />
als Ganztagsklasse zu unterrichten – dieses System hat bis heute für die Klassen 5<br />
und 6 Bestand. Dabei sind die Voraussetzungen, unter denen die Pädagogen und<br />
die Kinder der 5. und 6. Klasse derzeit arbeiten, nicht optimal: Wegen dringend<br />
nötiger Sanierungsmaßnahmen müssen sie sich für zwei Jahre in einem Provisorium<br />
einrichten: einem Plattenbau, an dem seit circa 20 Jahren nichts mehr getan wurde.<br />
An einem 30 Minuten Fußweg entfernten zweiten Standort werden die Schüler ab<br />
Klasse 8 unterrichtet. Aber dieses infrastrukturelle Handicap hält die Kollegen in<br />
Görlitz nicht da<strong>von</strong> ab, einen spannenden, abwechslungsreichen Ganztag zu gestalten.<br />
Sie haben gelernt zu improvisieren – und sie haben das Wichtigste: einen guten<br />
Draht zu den Kindern. Dabei war auch Petra Lüdtke, wie sie offen gesteht, am Anfang<br />
alles andere als überzeugt: Ist der Ganztag mit den zur Verfügung stehenden Res-<br />
<br />
Hatte Andrea Rudolph, die engagierte Initiatorin des Ganztagsangebotes am Annen-<br />
Gymnasium, anfangs noch Mühe, die neuen Klassen zu füllen, so gibt es heute doppelt<br />
so viele Anmeldungen wie zur Verfügung stehende Plätze. Da man in Görlitz keine<br />
halben Sachen mag und auf ein sehr engagiertes Kollegium zählen kann, wurde der Ganztag<br />
hier sehr konsequent eingeführt. Das heißt, man integrierte nicht nur zusätzliche
Freizeitangebote am Nachmittag, sondern sorgte für einen Wechsel <strong>von</strong> Fordern und<br />
Fördern, ergänzte den Lehrplaninhalt, führte eine bewegte Pause nach dem ersten<br />
Unterrichtsblock ein und begann, an einem wöchentlichen Projekttag fächerverbindend<br />
<br />
Geschichte, Deutsch und Sport in Themenkomplexen wie „Weltreise: Ägypten“, „Vom<br />
Fliegen“, „Im antiken Griechenland“ oder eben „So ein Zirkus“ kombiniert. Jedes<br />
<br />
planerisch anspruchsvolles, aber absolut lohnenswertes Vorgehen. Rhythmisierung<br />
des Unterrichts kann eben auch mehr sein als Blockunterricht.<br />
Doch was genau bringt denn dieser Projekttag den Schülern, vom Spaß einmal abgesehen<br />
– gibt es da messbare Ergebnisse? Schulleiter Friedhelm Neumann hat diesbezüglich<br />
keine Zweifel und beobachtet, dass viele Ganztagsschüler ein anderes<br />
Selbstwertgefühl gewinnen, dass sie anders auftreten und gelernt haben, ihren Lernalltag<br />
zu strukturieren und sich zu präsentieren. „Deshalb bin ich überzeugt: Je eher<br />
man damit anfängt, desto besser.“ Auch die soziale Komponente – die Kommunikation<br />
über Klassenstufen hinweg und der Impuls, anderen zu helfen – ist äußerst wertvoll.<br />
Das zeigt sich beispielsweise bei der <strong>von</strong> Schülern in Eigenregie veranstalteten offenen<br />
Bühne „Kulturm“. Hier können die Teilnehmer selbst geschriebene Texte vortragen<br />
oder mit einem Instrument auftreten. Das Interesse sei zuletzt so groß gewesen, dass<br />
der angestammte Veranstaltungsort nicht mehr ausreichte, berichtet der Schulleiter<br />
stolz. Die Art, wie sich die Schüler dort begegnen und der spürbare Respekt vor der<br />
Leistung des jeweils anderen sind wichtige Indizien für ein intaktes Schulklima.<br />
Damit nicht nur die Ganztagsklassen über den Lehrplaninhalt hinaus gefördert werden,<br />
bietet die Schule für die anderen 5. und 6. Klassen sowie ältere Schüler eine Vielzahl<br />
<strong>von</strong> Angeboten am Nachmittag – zumeist in enger Zusammenarbeit mit den Vereinen,<br />
mit denen das Annen-Gymnasium kooperiert. Dabei liegen die Schwerpunkte auf alten<br />
Sprachen (Latein, Hebräisch, Altgriechisch) und Sport (z. B. Unihockey).<br />
17
Schulleiter Friedhelm Neumann<br />
und Klassenleiterin Petra Lüdtke<br />
Weitere feste Bestandteile der Stundentafel in den Klassen 5 und 6 sind Förderunterricht<br />
und Begabtenförderung sowie drei Lerntrainingsstunden („<strong>Lernen</strong> <strong>lernen</strong>“).<br />
In deren Rahmen werden die Schüler zu Beginn der 5. Klasse in verschiedene Lerntypen<br />
eingeteilt. Das hilft ihnen, selbst zu erkennen, auf welchen Wegen sie die<br />
besten Ergebnisse erzielen und wo sie besonders aufpassen müssen. Eine entsprechende<br />
Dokumentation im Klassenbuch zeigt den jeweiligen Fachlehrern, mit welchen<br />
Methoden die Schüler bereits vertraut sind, und dient als Grundlage für die Binnendifferenzierung.<br />
Wegen der guten Erfahrungen auf diesem Gebiet plant man in Görlitz,<br />
in den kommenden Jahren „<strong>Lernen</strong> <strong>lernen</strong>“ zusätzlich zu den im Stundenplan festgeschriebenen<br />
Stunden als Projekt durchzuführen und zu intensivieren.<br />
Mit Blick auf die Zukunft wünschen sich Petra Lüdtke und Friedhelm Neumann vor<br />
allem eines: „Wir hoffen sehr – im Sinne der Kinder und auch der Lehrer –, dass das<br />
ganze Engagement, die Zeit und das Herzblut, das hier und an anderen Orten in die<br />
Etablierung des Ganztags investiert wurde, auch nachhaltig wirkt, um die mühsam<br />
aufgebauten Strukturen nun auch zu nutzen und weiterzuentwickeln.“
FRANZISKANEUM<br />
MEISSEN
SCHULE IM UMBAU<br />
21
Franziskaneum Meißen<br />
Schulform: Gymnasium<br />
Organisationsform: offen<br />
Schülerzahl: 809 (2011/12)<br />
Ganztagsangebote seit: 2005<br />
Rhythmisierung: 2./3. Stunde = 90-Minuten-Block<br />
Besonderheiten: Rhythmisierung, Begabten förderung<br />
„Haben Sie das gemerkt?“ „Was denn?“ „Wir sind gerade vom alten Teil der Schule in<br />
den neuen gewechselt – hier war früher Schluss.“ GTA-Koordinatorin Renate Baldauf<br />
ist sichtlich stolz auf den neuen Teil ihrer Schule – fast wirkt es, als könne sie selbst<br />
noch nicht ganz fassen, welche Möglichkeiten sich mit dem Umbau für die Entwicklung<br />
des Ganztagsangebots im Franziskaneum ergeben. In den vergangenen beiden<br />
Jahren entstand ein moderner Verbindungsbau. Und auch die Umbauarbeiten am<br />
Ganztagsprogramm sind in vollem Gange.<br />
Das Franziskaneum bietet seinen Schülern derzeit montags bis donnerstags additive<br />
Ganztagsangebote, für die sich die Schüler zu Beginn des Jahres verbindlich anmelden.<br />
Ab 15 Uhr können sie sich für 60 oder 90 Minuten so unterschiedlichen Angeboten<br />
wie Theater, Big Band, Roboterprogrammierung, Tai-Chi, Schmuckbasteln, Schülerzeitung<br />
oder Mediendesign widmen.<br />
Doch bei der Bereitstellung zusätzlicher freiwilliger Angebote will es Renate Baldauf<br />
nicht bewenden lassen. Parallel zum Beginn der Netzwerktätigkeit begann sie nach<br />
einem Rhythmisierungsmodell zu suchen, das unter den Meißner Voraussetzungen<br />
funktionieren und mehrheitsfähig im Kollegium sein könnte. Denn es braucht schon<br />
gute Argumente, um die Lehrerinnen und Lehrer <strong>von</strong> einem Kurswechsel bei der<br />
Gestaltung der Stundentafel zu überzeugen. Zum einen konnten sich vor Beginn der<br />
Bauarbeiten viele nicht vorstellen, wie man in einer solchen Schule den Ganztag<br />
gestalten könnte – in dieser Hinsicht haben die mit dem Neubau geschaffene, bessere<br />
Mittagsversorgung und ein Imbissangebot <strong>von</strong> 10.00 bis 15.00 Uhr Renate Baldaufs<br />
Vorhaben Schwung und Nachdruck verliehen. Sie weckten die Lust darauf, Neuland zu<br />
betreten. Zum anderen fällt es manchen schwer, eine etablierte und funktionierende<br />
Struktur aufzugeben – zugunsten <strong>von</strong> etwas Neuem, dessen Auswirkungen man noch<br />
nicht vollständig einschätzen kann. Die Kollegen der Arbeitsgruppe „Individuelles<br />
Fördern“ leisteten gemeinsam mit Renate Baldauf viel Überzeugungsarbeit und betonten<br />
immer wieder die Vorteile der Binnenrhythmisierung, <strong>von</strong> denen Lehrer und Schüler
Abständen zwischen verschiedenen Fachrichtungen hin- und herwechseln – mit<br />
entsprechenden Auswirkungen auf die Unterrichtsvorbereitung und das Unterrichtsmaterial,<br />
das jeden Tag bewegt werden muss. Mit einem knappen Votum stimmte<br />
das Kollegium im März 2011 für die Erarbeitung einer umfassenden Rhythmisierung,<br />
die allerdings erst nach Abschluss der Sanierungsarbeiten am Hauptgebäude in<br />
vollem Umfang greifen wird und im Detail noch weiter ausgestaltet werden muss. Mit<br />
der Zusammenfassung zweier Einzelstunden zum Block einmal am Tag wurde bereits<br />
ein erster Schritt gegangen, darüber hinaus obliegt es den Kollegen individuell, auch<br />
die 4. und 5. Stunde als Einheit zu gestalten.<br />
Ein weiteres Rhythmisierungselement wurde mit der Einführung des Ganztagsangebotes<br />
der betreuten Lernzeit in der 0. und der 7. Stunde bereits realisiert – sie<br />
löste im August 2011 die herkömmliche Hausaufgabenbetreuung ab. Renate Baldauf<br />
und ihre Kollegen wollten das Angebot öffnen und wieder attraktiver machen – und<br />
konnten mit der neuen Terminierung gleich noch ein organisatorisches Problem lösen.<br />
Denn die jahrgangsübergreifende Lernzeit schließt die bisher bestehende Lücke<br />
zwischen dem Ende des regulären Unterrichts und dem Beginn der Ganztagsangebote<br />
gegen 15 Uhr. So sind weniger Schüler versucht, mittags nach Hause zu gehen, obwohl<br />
sie grundsätzlich an den Ganztagsangeboten interessiert wären.<br />
Mit der betreuten Lernzeit werden die Schüler auch zu mehr Eigenverantwortung erzogen.<br />
Sie <strong>lernen</strong>, Inhalte zu strukturieren und den Aufwand für bestimmte Aufgaben<br />
realistisch einzuschätzen. Große Teile ihres Lern- und Hausaufgabenpensums können<br />
sie hier unter Aufsicht eines Fachlehrers bewältigen. Besonders eignet sie sich für<br />
Gruppenarbeiten, zu denen sich die Schüler allerdings in andere Räume zurückziehen<br />
müssen. Zwar wurde auf eine verbindliche Einschreibung verzichtet, um keine unnö-<br />
<br />
es nicht an jedem Tag genauso viel zu tun. Eines ist aber Voraussetzung: eine ruhige,<br />
23
GTA-Koordinatorin<br />
Renate Baldauf<br />
konzentrierte Arbeitsatmosphäre. In der 0. Stunde hilft der gleitende Unterrichtsbeginn<br />
mit der betreuten Lernzeit vor allem den Schülern, die jeden Tag lange Wege zu<br />
bewältigen haben, ihre knappe Zeit bestmöglich zu nutzen – denn sie sind unter Umständen<br />
bereits 45 Minuten früher in der Schule als diejenigen, die vor Ort wohnen.<br />
Auch auf das individuelle Fordern und Fördern wird am Franziskaneum großer Wert<br />
gelegt. Frau Baldauf beschreibt diese Herausforderung folgendermaßen: „Wenn Sie<br />
eine Klasse haben, 28 Schüler, dann sind das 28 unterschiedliche Menschen mit<br />
unterschiedlichen Charakteren, unterschiedlichen Fähigkeiten, unterschiedlicher<br />
Herkunft, unterschiedlichen Lerneinstellungen – und unsere Aufgabe ist es, allen<br />
gerecht zu werden.“ Im Rahmen <strong>von</strong> GTA gab es in den vergangenen Jahren zahlreiche<br />
Angebote zur Begabtenförderung, vor allem in den Fächern Mathe, Physik und<br />
Chemie. Einige da<strong>von</strong> konnten aufgrund fehlender Ressourcen nicht fortgeführt werden –<br />
hier bemüht man sich derzeit, neue kompetente außerschulische Partner zu gewinnen.<br />
Insgesamt wird ein Drittel der Angebote <strong>von</strong> Externen betreut. Im Bereich der Hochbegabtenförderung<br />
arbeitet man im Netzwerk „Gifted“ mit und sucht individuelle<br />
Lösungen. Eine sprachlich hochbegabte Schülerin der 9. Klasse besucht bereits den<br />
Englischunterricht in Klasse 10. Der Stundenplan konnte abgestimmt werden. Ein<br />
Schüler der 12. Jahrgangsstufe absolviert jeweils montags schon einen Studientag<br />
an der TU Dresden. Die Schüler werden <strong>von</strong> den Kollegen des Begabtennetzwerkes<br />
individuell begleitet.<br />
Renate Baldaufs Fazit zur Netzwerkarbeit fällt positiv aus: „Gerade im Hinblick auf<br />
Rhythmisierungsmodelle lieferte der Austausch einen großen Pool an Ideen und wird<br />
auch in Zukunft noch wertvolle Anregungen bei der konkreten Ausgestaltung geben –<br />
<br />
schärfte aber auch den Blick für die Unterschiede. Am Ende muss jede Schule ihren
GRUNDSCHULE<br />
MITTELHERWIGS-<br />
DORF
FÜR DIE KLEINEN GROSSES LEISTEN<br />
27
Grundschule Mittelherwigsdorf<br />
Schulform: Grundschule<br />
Organisationsform: offen<br />
Schülerzahl: 96 (2011/12)<br />
Ganztagsangebote seit: 2005<br />
Rhythmisierung: Wochenplan, 90-Minuten-Blöcke<br />
Besonderheiten: Rhythmisierung, individuelles Fördern<br />
und Fordern am Vormittag, Freiarbeit<br />
Die Grundschule in Mittelherwigsdorf nahm als einzige Grundschule unter zahlreichen<br />
Gymnasien und Mittelschulen eine Sonderstellung im Netzwerk ein. Doch<br />
es war nicht dieser formale Grund, der GTA-Koordinatorin Brigitte Albert und Schulleiterin<br />
Katrin Zwahr den Respekt ihrer Kolleginnen und Kollegen eintrug, sondern<br />
hauptsächlich der Ideenreichtum und das überdurchschnittliche Engagement, mit<br />
denen sie und ihr Team den Schulalltag im Sinne der Kinder neu gestalten. Tragende<br />
Säulen ihrer Strategie sind ein neues Rhythmisierungskonzept, das die Förderangebote<br />
in den Vormittag integriert, die altersgerechte Planung und Ausgestaltung des<br />
Blockunterrichts und eine intensive Kooperation mit dem Hort, zum Beispiel bei der<br />
Hausaufgabenbetreuung.<br />
Alles begann mit einer Frage: „Machen deutsche Schulen dumm?“ So hieß ein Film,<br />
den sich das Kollegium vor inzwischen zehn Jahren anlässlich eines pädagogischen<br />
Tages anschaute und der sie zum Nachdenken brachte: Toll, was woanders so auf die<br />
Beine gestellt wird – können wir unsere Kinder hier nicht auch besser fördern? Die<br />
Bedingungen dafür waren zunächst schwierig: Noch gab es die GTA-Förderrichtlinie<br />
nicht und logistisch wurde jede Nachmittagsveranstaltung wegen der extern angesiedelten<br />
Horte und den zahlreichen Fahrschülern zu einem Kraftakt. Doch die Lust<br />
auf Veränderung war stärker als die Skepsis.<br />
Im Schuljahr 2003/2004 wurde erstmals einmal pro Woche ein AG-Tag angeboten,<br />
wohlgemerkt noch ohne zusätzliche Mittel. Dann wurde das Angebot <strong>von</strong> Jahr zu Jahr<br />
ausgebaut und qualitativ weiterentwickelt. Die verstärkte GTA-Förderung eröffnete<br />
neue Möglichkeiten – für die Schüler, aber auch für die in Teilzeit arbeitenden Lehrer,<br />
die nun die Chance hatten, im Förderbereich tätig zu werden: Man konnte nun über<br />
die dafür vorgesehenen zwei Stunden pro Woche hinaus etwas für die Kinder tun.<br />
Ein Meilenstein war die Ausarbeitung eines rhythmisierten Wochenplans mit ein-<br />
<br />
mittwochs in der ersten Stunde statt. Dem Kollegium der Grundschule gelingt das
Kunststück, zu dieser Zeit für ca. 100 Kinder gleichzeitig adäquate Angebote abzusichern:<br />
<strong>von</strong> der Förderung in Mathematik, Lesen und Schreiben über die Schulung<br />
der Feinmotorik und des logischen Denkens bis zu Begabtenförderung und dem<br />
Tschechischunterricht. Neben den Lehrern kommen auch externe Kräfte <strong>von</strong> Vereinen<br />
und dem Hort zum Einsatz, damit die Gruppen nicht zu groß werden. Fällt ein Kursleiter<br />
aus, gibt es ein vom Hort betreutes Sportangebot, das die Kinder auffängt –<br />
nur ein Beispiel für das inzwischen symbiotische Verhältnis der beiden Einrichtungen.<br />
Dass das Förderkonzept nur im Zusammenhang mit der Rhythmisierung betrachtet<br />
werden kann, ist für die Kolleginnen der Grundschule eine Selbstverständlichkeit:<br />
„Grundschulkinder sind nicht zu jeder Tageszeit und durchgängig belastbar. Also<br />
muss man die Förderung dann eintakten, wenn die Kinder besonders aufnahmefähig<br />
sind: am Vormittag“. Der Nachmittag dagegen gehört inzwischen ausschließlich der<br />
Freizeitgestaltung mit Ganztagsangeboten, die für alle offen sind und auf freiwilliger<br />
Basis besucht werden.<br />
Der verstärkte Einsatz des Blockunterrichts war das Ergebnis eines Schulentwicklungsforums,<br />
bei dem Lehrer, Schüler, Eltern und Hortner einmal im Jahr zusammenkommen,<br />
wobei die Schüler sich diese Lernzeiten explizit wünschten. Katrin Zwahr sieht sich<br />
hier immer wieder mit Vorurteilen konfrontiert: 90 Minuten Unterricht – geht denn<br />
das mit Grundschulkindern? „Das hängt alles da<strong>von</strong> ab, wie ich diese 90 Minuten<br />
rhythmisiere. Ich muss Bewegungs- und Entspannungsphasen einplanen, eine Struktur<br />
entwickeln, Abwechslung zwischen frontalen und freien Phasen schaffen – es gibt<br />
so viele Möglichkeiten, spannenden Unterricht zu gestalten.“ Stichwort Bewegung:<br />
Die wird in Mittelherwigsdorf selbstverständlich in den Unterricht integriert – durch<br />
die Auswahl entsprechender Methoden (z. B. spielerische Umsetzung des Vokabeln<strong>lernen</strong>s),<br />
die Organisation des Unterrichts (z. B. Arbeitsmaterial selbstständig holen)<br />
und nach Möglichkeit die inhaltliche Verknüpfung mit dem zu vermittelnden Stoff.<br />
Das gelingt so überzeugend, dass einige dieser Elemente künftig auch im Gymnasium<br />
29
Schulleiterin Katrin Zwahr und<br />
GTA-Koordinatorin Brigitte Albert<br />
in Groitzsch zur Anwendung kommen – sie waren einem Kollegen im Rahmen einer<br />
Netzwerkhospitation positiv aufgefallen. Wie ernst die Schule das Thema nimmt,<br />
zeigt auch die Teilnahme am Projekt „Bewegte Schule – Partner für Sicherheit“, im<br />
<br />
Auch bezüglich der Hausaufgaben hat sich einiges entwickelt: Seit diesem Schuljahr<br />
nehmen alle Schüler täglich zwischen 13.30 und 14.30 Uhr an einer Lernzeit teil –<br />
ein Abschied vom System „richtig oder falsch“ und eine Annäherung an einen umfassenderen<br />
Begriff des <strong>Lernen</strong>s auch bei der Hausaufgabenorganisation. Die Klassen<br />
gehen mit ihrem Hortner nach dem Mittagessen zurück ins Klassenzimmer, um Aufgaben<br />
zu erledigen, zu üben, etwas nachzuholen, aber auch um ein Plakat zu basteln<br />
oder ein Gedicht zu <strong>lernen</strong>. Zudem steht für alle Klassen ein Lehrer zur Verfügung,<br />
der je nach Bedarf hinzugezogen werden kann. Mit der Nutzung der Lernwerkstatt<br />
wird angestrebt, dass die Kinder in Zukunft noch intensiver <strong>lernen</strong> und selbstständiger<br />
werden. Auf jeden Fall sollten sie – zumindest in der Grundschule – nichts mehr mit<br />
nach Hause nehmen müssen.<br />
Auch schuljahresbegleitende Projekte wie der Schulzirkus werden im Rahmen <strong>von</strong><br />
GTA organisiert. Alle vier Jahre kommt ein Kinder- und Jugendzirkus nach Mittelherwigsdorf,<br />
damit jedes Kind, das die Schule durchläuft, einmal an diesem Erlebnis<br />
teilhaben kann. Die erfahrenen Zirkuspädagogen integrieren jedes Kind entsprechend<br />
seiner Fähigkeiten und am Ende steht eine öffentliche Aufführung, an der alle beteiligt<br />
sind – auch Kinder aus der tschechischen Partnerschule. Das Erlebnis, in der<br />
Manege zu stehen, ist für die Kinder unvergesslich. Für Katrin Zwahr, Brigitte Albert<br />
und ihre Kolleginnen sind das wunderbare Momente: „Wenn wir sehen, welches<br />
Potenzial sich hier – oft an unerwarteter Stelle – entfaltet, dann wissen wir, dass<br />
unsere Anstrengungen sich gelohnt haben.“
GUSTAV-HERTZ-<br />
GYMNASIUM<br />
LEIPZIG
EINE SCHULE DES LEBENS<br />
33
Gustav-Hertz-Schule, Gymnasium der Stadt Leipzig<br />
Schulform: Gymnasium<br />
Organisationsform: teilgebunden<br />
Schülerzahl: 516 (2011/12)<br />
Ganztagsangebote seit: 2005<br />
Rhythmisierung: 45-Minuten-Stunden<br />
Besonderheiten: Soziales <strong>Lernen</strong>, Schüler unterrichten<br />
Schüler (Form des individuellen Förderns und Forderns)<br />
Was meinen Sie, wie es ankommt, wenn man Schülern im Rahmen <strong>von</strong> GTA anbietet,<br />
gemeinsam mit einem Künstler ein Auto in seine Einzelteile zu zerlegen und daraus<br />
eine Skulptur zu bauen? Sensationell? Die Schüler der Leipziger Hertz-Schule ließ das<br />
kalt – keine einzige Anmeldung gab es für dieses Angebot. Aber <strong>von</strong> dieser etwas<br />
ungewöhnlichen Ausnahme abgesehen trifft das Team um die GTA-Koordinatoren<br />
Sybille Pilz und Dr. Antje Willma mit dem Konzept der Hertz-Zeit bei den Schülern voll<br />
ins Schwarze. Ein weiterer Grund, warum sich die Schüler an ihrer Schule so offensichtlich<br />
wohlfühlen: Hier traut man ihnen etwas zu, überträgt Verantwortung, stärkt<br />
die Eigeninitiative. Wie es sich eben für eine Schule des Lebens gehört.<br />
Mit der Hertz-Zeit bietet das Gymnasium am Leipziger Stadtrand allen Schülern der<br />
Klassen 5 bis 9 einmal in der Woche die Gelegenheit, ihren speziellen Interessen<br />
nachzugehen. Die Stunde wird nicht einfach an den regulären Unterricht angehängt,<br />
sondern ist donnerstags ab 12.45 Uhr in die Stundentafel integriert. Aus mehr als<br />
25 Angeboten können die Schüler bei der Einschreibung wählen: <strong>von</strong> sportlichen<br />
und kreativen Kursen wie dem Tanzen und dem kreativen Gestalten bis zu exotischeren<br />
wie dem Bauen <strong>von</strong> Architekturmodellen. Neben der Förderung <strong>von</strong> Talenten<br />
und Neigungen bot die Hertz-Zeit eine willkommene Gelegenheit, die Stundentafel<br />
aufzubrechen und jahrgangsstufenübergreifend zu arbeiten. Durch die Platzierung<br />
am Mittag ist außerdem sichergestellt, dass möglichst alle Schüler auf diese Weise<br />
ihren Horizont erweitern können – auch diejenigen, die aufgrund ihrer familiären<br />
<br />
Hertz-Zeit wird sowohl <strong>von</strong> externen Kräften als auch <strong>von</strong> Lehrern bestritten, die<br />
dann <strong>von</strong> den Kindern – losgelöst vom Fachunterrichtskontext – auch ganz anders<br />
wahrgenommen werden. Für die Klassen ab der Stufe 10 aufwärts sieht der Stundenplan<br />
parallel zur Hertz-Zeit die sogenannte Lernzeit als Ganztagsangebot vor:<br />
Hier können die Schüler selbst über ihre Zeit verfügen, im Computerkabinett und in<br />
der Bibliothek arbeiten oder sich gemeinsam mit einem Projekt befassen. Auf der
Zielgeraden zum Abitur haben sie ein so hohes Pensum zu bewältigen, dass ihnen<br />
<br />
Ein Modell des sozialen <strong>Lernen</strong>s, das inzwischen – im Wortsinn – Schule macht, ist<br />
das ORG-Team, das an der Hertz-Schule inzwischen seit mehr als zehn Jahren in Eigenregie<br />
Veranstaltungen organisiert: den Hertz-Ball, das Sommerfest oder auch mal<br />
einen Weihnachtsmarkt. Die Lehrer halten sich dabei ganz bewusst aus den Aktivitäten<br />
des Teams heraus, denn ein großer Reiz der Arbeit besteht für die Schülerinnen und<br />
Schüler natürlich darin, zu beweisen, dass sie es auch allein hinbekommen können.<br />
Und selbst wenn mal ein Projekt scheitert oder ganz anders läuft als geplant, so ist<br />
dies keine Katastrophe. Schließlich ist nach dem Prinzip Learning by Doing auch das<br />
Scheitern eine wichtige Erfahrung, die zur Schule des Lebens gehört. Durch das<br />
Engagement im ORG-Team <strong>lernen</strong> die Schüler, Verantwortung zu übernehmen, aber<br />
auch Aufgaben zu delegieren – Soft Skills, die man zwar auch im Unterricht er<strong>lernen</strong><br />
kann, die aber in der Praxis oft zu kurz kommen. Inzwischen hat das ORG-Team einen<br />
hohen Professionalisierungsgrad erreicht. Und der Enthusiasmus, mit dem hier zu<br />
Werke gegangen wird, überrascht die Lehrer auch nach vielen Jahren noch: Für das<br />
letzte Sommerfest etwa hatten die Schüler Unmengen an Sand herangekarrt, damit<br />
auch echte Urlaubsstimmung aufkommt – für ganze vier Stunden.<br />
Ein Element des individuellen Forderns und Förderns, mit dem man in Leipzig sehr<br />
gute Erfahrungen gemacht hat, heißt selbsterklärend Schüler unterrichten Schüler.<br />
Die <strong>von</strong> Frau Schmidt ins Leben gerufene Initiative zielt darauf ab, Schüler mit Förderbedarf<br />
und gute Schüler höherer Klassen zusammenzubringen – der Schule kommt<br />
hier lediglich eine koordinierende Funktion zu. Der Effekt jedenfalls ist erstaunlich:<br />
<br />
der die Hilfe in Anspruch nimmt. Er reaktiviert sein Wissen und lernt ganz nebenbei,<br />
Inhalte didaktisch aufzuarbeiten. Der <strong>Lernen</strong>de dagegen sieht sich im Vergleich mit<br />
35
GTA-Koordinatorinnen<br />
Dr. Antje Willma<br />
und Sybille Pilz<br />
<br />
besten Fall einen neuen Zugang zu dem Unterrichtsstoff, der ihm bisher Schwierigkeiten<br />
bereitete. Bester Beweis dafür, dass diese Form des individuellen Förderns<br />
gut ankommt, sind lange Wartelisten, besonders im Fach Mathematik. Die Schule<br />
stimuliert die Hilfsbereitschaft der älteren Schüler. Wie auch beim ORG-Team gilt<br />
die Devise: Der Weg ist das Ziel. Keiner erwartet Perfektion, aber den ehrlichen Willen<br />
zu helfen und Engagement. Dabei ist das Förderkonzept der Hertz-Schule durchaus<br />
noch ausbaufähig, denn während Schüler mit schlechteren Noten und deren Eltern<br />
ihren Bedarf artikulieren, werden <strong>von</strong> den leistungsstarken Schülern kaum Angebote<br />
zur zusätzlichen Förderung nachgefragt.<br />
Die Netzwerkarbeit, so Dr. Antje Willma, habe der Schule in vielen konkreten Punkten<br />
weitergeholfen. Sie vermittelte aber noch etwas anderes sehr Wertvolles: Anerkennung<br />
und Bestätigung: „Uns ist eigentlich im Laufe dieser zwei Jahre erst so richtig bewusst<br />
geworden, dass wir mit unseren Mitteln und Möglichkeiten schon eine ganze Menge<br />
erreicht haben. Darauf sind wir stolz. Aber wir haben auch über den Tellerrand geschaut<br />
und nehmen kontinuierlich weiter neue Ideen auf.“ Eine dieser Ideen ist eine<br />
Ganztagsklasse mit zusätzlichen Sportangeboten und zwei integrierten Hausaufgaben-<br />
bzw. Förderstunden – ein Modell, das den beiden bei einer Hospitation am<br />
Gymnasium in Groitzsch aufgefallen war.
GYMNASIUM<br />
SCHKEUDITZ
VIVA LA NEUGIER<br />
39
Gymnasium Schkeuditz<br />
Schulform: Gymnasium<br />
Organisationsform: offen (Bläserklasse gebunden)<br />
Schülerzahl: 1070 (2011/12)<br />
Ganztagsangebote seit: 2005/2006<br />
Rhythmisierung: 45-Minuten-Stunden<br />
Besonderheiten: Bläserklasse, Arbeiten an zwei<br />
Standorten<br />
Wer wie wir an einem Dienstagmorgen die Markranstädter „Filiale“ des Gymnasiums<br />
Schkeuditz besucht, mag zunächst seinen Ohren kaum trauen: Aus dem Klassenraum<br />
der 5f tönt laute Blasmusik. Noch größer ist die Überraschung, als sich die Tür öffnet.<br />
Dann sehen wir uns plötzlich einem kleinen Orchester mit 21 Schülerinnen und Schülern<br />
gegenüber. Und es kommt noch besser: Die Bläserklasse unter Leitung <strong>von</strong> Musiklehrer<br />
Lars Haugk bringt uns sogar ein Ständchen. Nicht jeder Ton sitzt, aber darum<br />
geht es bei diesem Ganztagsangebot nicht vorrangig. Worum es geht, lässt sich an<br />
den Gesichtern der Kinder ablesen: um die pure Freude am Musizieren – und um den<br />
Stolz darauf, was die Klasse gemeinsam leisten kann.<br />
Das Gymnasium Schkeuditz ist eine außergewöhnliche Schule – allerdings nicht nur<br />
wegen ihrer Bläserklasse, sondern allein schon aufgrund der besonderen Struktur:<br />
Sie besteht als einziges Gymnasium in <strong>Sachsen</strong> aus zwei Schulen in verschiedenen<br />
Städten, die mindestens dreizügig bis zur Oberstufe geführt werden. Die Entfernung<br />
zwischen den Standorten Markranstädt und Schkeuditz beträgt 13 km. Entsprechend<br />
intensiv ist die Reisetätigkeit der Lehrer – und der Schüler ab Sekundarstufe II. Das<br />
Gymnasium bietet ein sprachliches (Englisch, Russisch/Französisch, Latein) und ein<br />
<br />
An beiden Standorten können Schüler montags bis donnerstags <strong>von</strong> 13.30 Uhr bis<br />
16.00 Uhr aus einem breiten additiven unterrichtsergänzenden und freizeitpädagogischen<br />
Angebot wählen: Dabei reicht die Auswahl <strong>von</strong> Sportangeboten wie Floor-<br />
<br />
<strong>von</strong> Partnerschaften mit Schulen in Frankreich und der Ukraine widmen. Zu Beginn<br />
<br />
gebote ihren Neigungen entsprechen. Können sie während dieser beiden Wochen<br />
– auch innerhalb der Stunde – zwischen mehreren Angeboten wechseln, müssen sie<br />
sich dann ab der dritten Woche verbindlich für den Rest mindestens des 1. Schul-
halbjahres festlegen. Auch Hausaufgabenbetreuung wird an vier Tagen pro Woche<br />
angeboten. Aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre arbeitet man hier möglichst<br />
mit einem konstanten Ansprechpartner, der an allen Tagen für die Schüler da ist.<br />
Der Stolz <strong>von</strong> GTA-Koordinatorin Beate Schaaf ist natürlich die oben bereits erwähnte<br />
Bläserklasse – eine spezielle Ganztagsklasse am Standort Markranstädt, deren<br />
Schüler zwei Jahre lang statt des regulären Musikunterrichts und darüber hinaus ein<br />
Blasinstrument <strong>lernen</strong>. Bis zu sechs Stunden pro Woche verwenden die Schüler<br />
darauf, ihre Fähigkeiten und das Zusammenspiel im Orchester zu schulen. „Was<br />
<br />
<strong>von</strong> ihnen haben noch nie ein Instrument gespielt – und würden es wohl ohne diese<br />
Klasse auch nie tun. Und bereits nach drei Monaten haben diese Kinder zum Weihnachts-<br />
<br />
Bei der Ganztagsklasse gelingt zudem, was ansonsten schon aufgrund der beiden<br />
Standorte unmöglich ist: Die GTA-Stunden für die Orchesterprobe sind in den regu-<br />
<br />
der örtlichen Musikschule am Nachmittag statt. Der Effekt ist spürbar: Die Ganztagsklassen<br />
zeichnen sich durch einen starken Zusammenhalt aus – und sie <strong>lernen</strong>, dass<br />
sowohl das Können jedes Einzelnen als auch Teamgeist gefragt sind. Damit die Entwicklung<br />
nach Beendigung der 6. Klasse nicht einfach abbricht, plant man langfristig<br />
den Aufbau einer Schul-Big-Band.<br />
Darüber hinaus unterhalten das Haus Markranstädt wie auch das Haus Schkeuditz<br />
enge Kooperationen mit zahlreichen Sportvereinen beider Städte. Hier herrscht eine<br />
gute Balance zwischen Geben und Nehmen: Die Honorarkräfte und Freiwilligen aus<br />
den Vereinen bereichern das nachmittägliche Freizeitangebot immens – und gewinnen<br />
im Gegenzug eventuell neue Mitglieder für ihre Vereine. Bei den Projekten im<br />
Bereich soziales <strong>Lernen</strong> kooperiert man mit dem örtlichen Mehrgenerationenhaus<br />
Markranstädt und zunehmend auch mit der Mittelschule, mit der sich das Gymnasium<br />
41
GTA-Koordinatorin Christiane Brandenburg,<br />
stellvertretende Schulleiterin Beate Schaaf<br />
ein Gebäude und eine Sozialpädagogin teilt. Ein Fußballturnier und die gemeinsame<br />
erfolgreiche Teilnahme am karitativen Peter-Escher-Lauf boten Raum für Begegnungen<br />
auf Augenhöhe.<br />
Am Standort Schkeuditz besuchen die Schüler einen modernen Campus mit einem<br />
<strong>von</strong> Grund auf sanierten und mit neuester Technik ausgestatten Schulgebäude aus<br />
der Gründerzeit – eine neue Turnhalle direkt auf dem Campus wird 2013 fertiggestellt.<br />
GTA-Koordinatorin Christiane Brandenburg verweist auf eine Besonderheit des<br />
Hauses: das astronomische Zentrum mit Planetarium und Observatorium, das <strong>von</strong> der<br />
AG „Sterngucker“ genutzt wird. Neben der reinen Beobachtung fertigen die Schüler<br />
hier beispielsweise auch Modelle <strong>von</strong> Himmelskörpern an. Andere Angebote nehmen<br />
Impulse aus der Wirtschaft vor Ort auf. Die enge Zusammenarbeit mit dem Schkeuditzer<br />
Flughafen beispielsweise – hier betreibt die DHL Hub Leipzig GmbH ein Drehkreuz<br />
– kommt der Ökologie-AG zugute. Sie nutzt einen vom Unternehmen als Ausgleich<br />
für die Bodenversiegelung angelegten 18 ha großen Wald als grünes Klassenzimmer.<br />
Die Schüler entnehmen Bodenproben, analysieren Flächen und stellen Informationstafeln<br />
auf. Für dieses Engagement wurde die AG 2010 beim Wettbewerb „Entdecke<br />
die Vielfalt“ ausgezeichnet.<br />
An der Netzwerkarbeit schätzten Christiane Brandenburg und Beate Schaaf vor allem<br />
die intensiven Einblicke in die Praxis: „Es ist interessant zu sehen, wie die anderen<br />
im Detail arbeiten. Die Schülerpatenschaften sind etwas, das wir uns auch sehr gut<br />
an unserer Schule vorstellen können. Ebenfalls wäre die Einrichtung einer Ganztagsklasse<br />
Sport im Haus Schkeuditz denkbar.“ Und welchen Tipp würden sie anderen<br />
Schulen mit auf den Weg geben? „Wer glaubt, er könne Kollegen oder Eltern Neuerungen<br />
einfach überstülpen, der ist auf dem Holzweg. Man muss alle Vorhaben detailliert<br />
erklären und so viele Leute wie möglich mit ins Boot holen. Sonst lässt sich langfristig<br />
kaum etwas bewegen.“
J.-G.-FICHTE-<br />
SCHULE<br />
MITTWEIDA
LERNEN LERNEN<br />
45
J.-G.-Fichte-Schule Mittweida<br />
Schulform: Mittelschule<br />
Organisationsform: teilgebunden<br />
Schülerzahl: 416 (2011/12)<br />
Ganztagsangebote seit: 2005<br />
Rhythmisierung: 80-Minuten-Blöcke<br />
Besonderheiten: Rhythmisierung, Schulclub<br />
Beim Stichwort Wappentier denken die meisten wohl an Adler, Bär oder Leopard.<br />
Dass sich die Fichteschule Mittweida ausgerechnet für die Schildkröte entschied,<br />
hat drei naheliegende Gründe – die sind <strong>von</strong> recht stattlicher Natur und bewohnen<br />
einen kleinen Teich im Speiseraum. Die Schildkröten Michelangelo, Donatello und<br />
Leonardo sind die Stars der Schule und ziehen die Aufmerksamkeit der Kinder wie<br />
auch der Besucher magisch an. Für das Schulklima und die Ganztagsaktivitäten<br />
der Johann-Gottlieb-Fichte-Schule sind sie allerdings kein passendes Bild – denn<br />
hier herrscht alles andere als Trägheit.<br />
Wahrscheinlich ist es vor allem die Gelassenheit, die Matthias Möbius an den beiden<br />
Schildkröten bewundert, denn da<strong>von</strong> braucht er als Schulleiter eine ganze Menge.<br />
Mit circa 430 Schülern aus 60 Orten gehört die Johann-Gottlieb-Fichte-Schule zu<br />
den größten Mittelschulen <strong>Sachsen</strong>s. Großen Stellenwert räumt das Kollegium der<br />
Zusätzlichen Pädagogischen Arbeit (ZPA) ein, bei der das Methoden<strong>lernen</strong> und die<br />
schule<br />
<strong>von</strong> einem Angebot „<strong>Lernen</strong> <strong>lernen</strong>“.<br />
In diesem Jahr wird im Zuge der verstärkten Rhythmisierung ein 40-Minuten-Takt<br />
eingeführt. Die 10 Minuten, welche durch die Planung <strong>von</strong> 80-Minuten-Blöcken gewonnen<br />
werden, addieren sich dann zu Unterrichtseinheiten, die für Förderung,<br />
Differenzierung und erzieherische Arbeit zur Verfügung stehen. Generell werden<br />
momentan circa 30 Prozent des Unterrichts im Block gehalten, die anderen 70 Prozent<br />
als Einzelstunden.<br />
In Zukunft wird das Thema Rhythmisierung einen noch wichtigeren Platz auf der<br />
Agenda der Schule einnehmen und schon im Schuljahr 2012/2013 soll ein entsprechendes<br />
Modell eingeführt werden. Auf dem Weg dorthin hat man sich auch bei<br />
den anderen Netzwerkschulen umgeschaut und deren Erfahrungen ausgewertet.
Um das Kollegium auf die mit dem Ganztag einhergehenden Herausforderungen<br />
adäquat vorzubereiten, gab es intensive Fortbildungsmaßnahmen. Dabei baut man<br />
in Mittweida nicht nur auf externe Partner, sondern nutzt auch hausinterne Ressourcen.<br />
Die Schule verfügt als etablierter Standort für die Lehrerfortbildung über einen<br />
großen Erfahrungsschatz: In den 90er-Jahren wurde an der Fichteschule die erste<br />
Lehrerlernwerkstatt an einer sächsischen Mittelschule gegründet. Seitdem wurden<br />
mehr als 60 Veranstaltungen für Schulen und Institutionen sowie pädagogische Tage<br />
für andere Schulen durchgeführt. Zudem öffnete sich die Schule für zahlreiche Hospitationen<br />
<strong>von</strong> Kollegen.<br />
Apropos Öffnung: Auch in dieser Hinsicht hat sich mit der Etablierung des Ganztags<br />
einiges getan: Eine Reihe <strong>von</strong> Ganztagsangeboten – darunter Filzen, Mountainbike,<br />
Arbeiten mit Ton – werden <strong>von</strong> externen Honorarkräften gestaltet, andere Angebote<br />
sind nur durch ehrenamtliches Engagement aufrechtzuerhalten, beispielsweise die<br />
Physiotherapie. Als Integrationsschule öffnet man sich in Mittweida auch für Kinder,<br />
die ihren Schulabschluss unter erschwerten Bedingungen erwerben müssen. Dazu<br />
zählen Aussiedlerkinder, die in einer DaZ-Klasse (Deutsch als Zweitsprache) zunächst<br />
die Grundlagen für den „normalen“ Unterricht erwerben, und Integrationskinder<br />
aus der psychiatrischen Kinderklinik vor Ort, mit der die Schule eine enge Kooperation<br />
verbindet.<br />
Gar nicht hoch genug kann man aus Sicht der Schulleitung die Leistungen der an<br />
der Fichteschule seit Jahren tätigen Sozialpädagogin einschätzen, nicht zuletzt,<br />
weil hier intensiv an der Entwicklung <strong>von</strong> sozialen Kompetenzen und am Aufbau <strong>von</strong><br />
<br />
zum Ausbau des Ganztagsangebotes, ist zudem der täglich <strong>von</strong> 7 bis 16 Uhr geöffnete<br />
Schulclub ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt der schulischen Freizeitangebote.<br />
Carola Seifert vom Kooperationspartner Christliches Jugenddorfwerk (CJD) und ihre<br />
47
Schulleiter<br />
Matthias Möbius<br />
Kollegen haben ein offenes Ohr für die Alltagsprobleme der Schüler und genießen<br />
bei ihnen hohes Ansehen. Sie leisten immens wichtige Aufklärungsarbeit, etwa zu<br />
Drogenmissbrauch und Internetmobbing, gestalten Projekte zur Gewaltprävention<br />
und sensibilisieren für die Verantwortung, die auf junge Eltern zukommt, wenn sie<br />
sich für ein Kind entscheiden. Ein sehr gefragtes Angebot ist in diesem Zusammenhang<br />
beispielweise der Babysimulator, mit dem 14- bis 16-jährige Mädchen oder<br />
junge Paare eine Art Mutter- oder Elternpraktikum absolvieren können. Sie erleben<br />
für einige Tage und Nächte, was es bedeutet, in einem sehr jungen Alter rund um die<br />
Uhr für ein Baby verantwortlich zu sein. Die lebensechte Puppe „schreit“, wenn sie<br />
Hunger hat, gewindelt werden will oder Zuneigung erwartet. Der an einem Armband<br />
befestigte Transponder zeichnet dann auf, inwieweit die Mädchen ihren elterlichen<br />
<br />
und beraten.
JOHANN-<br />
HEINRICH-<br />
PESTALOZZI-<br />
GYMNASIUM<br />
RODEWISCH
LERNEN MIT KOPF, HERZ UND HAND<br />
51
Johann-Heinrich-Pestalozzi-Gymnasium Rodewisch<br />
Schulform: Gymnasium<br />
Organisationsform: offen<br />
Schülerzahl: 683 (2011/12)<br />
Ganztagsangebote seit: 2004<br />
Rhythmisierung: 90-Minuten-Blöcke<br />
Besonderheiten: Rhythmisierung, Schüler helfen<br />
Schülern (Form des sozialen <strong>Lernen</strong>s)<br />
Betritt man das Foyer des Johann-Heinrich-Pestalozzi-<br />
Gymnasiums in Rodewisch, blickt man direkt auf ein<br />
großes, <strong>von</strong> einem ehemaligen Lehrer gestaltetes<br />
Wandbild. Es zeigt ein Kanu namens PESTA, das <strong>von</strong><br />
einer bunt gemischten Crew aus Jungen und Mädchen<br />
verschiedenen Alters in Richtung Abitur gesteuert<br />
wird. Und Richtung Sonnenschein. „<strong>Lernen</strong> mit Kopf,<br />
Herz & Hand“ steht in großen Lettern darüber – denn<br />
das Kollegium in Rodewisch bekennt sich explizit zu<br />
dem ganzheitlichen Lernideal, das man mit dem Namenspatron Pestalozzi<br />
assoziiert. Und auch die <strong>von</strong> Katrin Arndt und Barbara Langner koordinierten<br />
Ganztagsangebote dienen diesem übergeordneten Ziel: dafür zu sorgen,<br />
dass sich die Begabungen und Anlagen der knapp 700 hier <strong>lernen</strong>den Kinder<br />
bestmöglich entfalten können.<br />
Als man in Rodewisch im Jahr 2005 begann, das GTA-Konzept umzusetzen, standen<br />
zunächst materielle Gründe im Vordergrund: Das Schulgebäude aus dem Jahr 1930<br />
bedurfte dringend einer Modernisierung – und die Stadt Rodewisch konnte die dafür<br />
benötigten Mittel aus dem Investitionsprogramm „Zukunft, Bildung und Betreuung“<br />
(IZBB) des BMBF nur im Zuge einer Umstellung auf das Ganztagskonzept beantragen.<br />
Seitdem verfügt die Schule u. a. über naturwissenschaftliche Fachkabinette für Biologie,<br />
Chemie und Physik, über eine Kantine, einen Schulclub sowie einen großen<br />
Sportplatz. Die äußeren Bedingungen für den Ganztagsbetrieb waren damit geschaffen<br />
– und wie weit das Kollegium in den darauffolgenden Jahren mit der inhaltlichen<br />
Ausgestaltung vorankam, ist beachtenswert.<br />
Ein erster großer Schritt war die konsequente Umstellung <strong>von</strong> Einzelstunden auf<br />
Blöcke – eine anfangs im Kollegium viel diskutierte Maßnahme, die aber heute auf<br />
Zustimmung trifft. Vor drei Jahren begann man mit der Etablierung einer Klasse mit
äußerten Wunsch nach. Diese Klassen – pro Schuljahr jeweils eine der drei 5. Klassen –<br />
werden jeden Tag bis 15 Uhr in der Schule betreut. An zwei Tagen der Woche, dienstags<br />
und donnerstags, wird der Stundenplan der Klasse nach dem zweiten Block aufgelockert.<br />
Die Kinder gehen dann gemeinsam in Ruhe essen – jenseits des Trubels zu<br />
den „Stoßzeiten“ – und nehmen in kleinen Gruppen <strong>von</strong> maximal zwölf Teilnehmern<br />
eines <strong>von</strong> drei Angeboten wahr – am beliebtesten sind Sport- und Kreativangebote.<br />
Danach geht auch für sie der normale Unterricht weiter. Findet in der 7./8. Stunde<br />
kein Unterricht statt, können die Schüler gemeinsam diese Zeit nutzen, um ihre Hausaufgaben<br />
zu erledigen, am Förderunterricht teilzunehmen, eine der mehr als 60 Arbeitsgemeinschaften<br />
zu besuchen oder im Schulclub zu spielen. Apropos Hausaufgaben:<br />
Alle Schüler des Gymnasiums können montags bis donnerstags jeweils in der 7. und<br />
8. Stunde entsprechende Betreuungsangebote nutzen.<br />
Am Pestalozzigymnasium in Rodewisch wird dem sozialen <strong>Lernen</strong> hohe Bedeutung<br />
<br />
Begegnungen jenseits des Klassenverbandes statt. Zudem werden Schüler motiviert,<br />
für einige Stunden die Perspektive zu wechseln und sich selbst als Lehrer zu versuchen<br />
– beispielsweise am Tag der Naturwissenschaften, an dem die Schüler der<br />
11. Jahrgangsstufe geschlossen den Unterricht für die jüngeren Schüler gestalten.<br />
Sie reichen naturwissenschaftliche Projekte ein und werden dabei <strong>von</strong> einem Lehrer<br />
betreut. „Die machen richtig tollen Unterricht“, schwärmt Katrin Arndt <strong>von</strong> ihren<br />
jungen „Kollegen“.<br />
Im Rahmen des Grundschulprojekts „unterrichten“ einige Zehntklässler im Beisein <strong>von</strong><br />
Grundschullehrern die Grundschüler der umliegenden Orte – meist sind es Schüler,<br />
die bereits Interesse an einem späteren Lehramtsstudium geäußert haben und hier<br />
erste Erfahrungen sammeln wollen. Ein ähnlicher Ansatz liegt dem Modell „Schüler<br />
helfen Schülern“ zugrunde, für das passende „Pärchen“ aus Sechst- und Neuntklässlern<br />
gebildet werden.<br />
53
GTA-Koordinatorinnen<br />
Katrin Arndt und<br />
Barbara Langner<br />
Barbara Langner beobachtet immer wieder erfreut, mit welchem Respekt die Jüngeren<br />
zu den Großen aufblicken. Die wiederum nehmen die Sache so ernst, dass sie die<br />
Kleinen fast „adoptieren“ und auch über fachliche Fragen hinaus immer da sind, wenn<br />
sich Probleme abzeichnen. Fester Treffpunkt für die „Lerntandems“ ist die 7. Stunde<br />
am Montag. Die Schüler verabreden sich im Schulclub oder im Hausaufgabenzentrum,<br />
melden sich an und können sich dann frei im Schulgebäude bewegen, um selbst<br />
einen geeigneten Arbeitsort auszusuchen. Als zusätzlicher Anreiz für ein Schuljahr<br />
kontinuierlicher Betreuung erhalten die Mentoren ein kleines Dankeschön. Obwohl<br />
das Pestalozzigymnasium sehr aktiv im Förderbereich ist – beispielsweise auch im<br />
Hinblick auf die Begabtenförderung – ist es kaum möglich, allen Nachfragen gerecht<br />
zu werden. Kinder wie auch Eltern signalisieren regelmäßig einen höheren Bedarf.<br />
Ihre Offenheit beweist die Schule auch in einer über Jahre gewachsenen Kooperation<br />
mit der Sonnenhofschule aus dem Nachbarort Auerbach. Für die dort <strong>lernen</strong>den<br />
geistig Behinderten organisieren die 10. Klassen ein großes Sportfest. Mit welcher<br />
Ernsthaftigkeit die Schüler diese Aufgabe angehen, lässt sich bereits daran erkennen,<br />
dass sie im Vorfeld in der Schule hospitieren, um auch wirklich für alle Kinder<br />
entsprechende Angebote unterbreiten zu können. Darüber hinaus kooperiert man<br />
mit der nahe gelegenen Musikschule, wobei auch einige der Angebote mit Förder-<br />
<br />
<br />
reicherung. Doch obwohl sie bei ihren Hospitationen schon wieder viele neue Ideen<br />
sammeln konnten, heißt das Motto der kommenden Jahre: Tiefe statt Breite. Statt den<br />
Ganztag weiter auszubauen, sollen die bestehenden Angebote konsolidiert und im<br />
Detail qualitativ weiterentwickelt werden. „Unterrichten müssen wir ja »nebenbei«<br />
auch noch“, schickt Barbara Langner mit einem Augenzwinkern hinterher.
MARTIN-<br />
ANDERSEN-<br />
NEXÖ-<br />
GYMNASIUM<br />
DRESDEN
BILDUNGSERLEBNISSE,<br />
DIE EIN LEBEN LANG WIRKEN<br />
57
Martin-Andersen-Nexö-Gymnasium Dresden<br />
Schulform: Gymnasium<br />
Organisationsform: offen<br />
Schülerzahl: 476 (2011/12)<br />
Ganztagsangebote seit: 2005/2006<br />
Rhythmisierung: 45-Minuten-Stunden, Einzelblockbildung<br />
möglich<br />
Besonderheiten: Evaluation GTA, Begabtenförderung,<br />
soziales <strong>Lernen</strong><br />
An einem Dienstagnachmittag gegen 13.30 Uhr beginnt unser Rundgang durch das<br />
Martin-Andersen-Nexö-Gymnasium. Wir begegnen im Schachkurs Fünftklässlern, die<br />
eine WM-Partie aus den 60er-Jahren nachspielen, einem Physikstudenten <strong>von</strong> der<br />
TU Dresden, der mit Schülern der 9. Klasse Fachfragen diskutiert, und Sechstklässlern<br />
im Astronomiekurs, die uns aus dem Stand erklären, wie man mit einem Teleskop<br />
<br />
Team), einen Schülerzeitungsredakteur und den Techniker des Bandraums. Und wir<br />
staunen – spätestens jetzt wissen wir, dass das Martin-Andersen-Nexö-Gymnasium<br />
keine Schule wie jede andere ist. Dazu tragen auch zahlreiche Ganztagsangebote<br />
bei, die Schülern eine vertiefte Beschäftigung mit ihren Spezialthemen ermöglichen,<br />
einen kreativen oder sportlichen Gegenpol setzen oder im Bereich der Schuljugendarbeit<br />
angesiedelt sind.<br />
Das Martin-Andersen-Nexö-Gymnasium ist seit Jahrzehnten eine Institution in Dresden.<br />
Wer sein Abitur an dieser Schule ablegt, dem stehen viele Türen offen. Als Gymnasium<br />
mit vertiefter mathematisch-naturwissenschaftlicher Ausbildung – bis 1989 Spezialschule<br />
für Mathematik und Naturwissenschaften – bietet es 470 begabten Schülerinnen<br />
und Schülern Impulse weit über den eigentlichen Unterrichtsstoff hinaus.<br />
Ermöglicht wird dies unter anderem durch eine veränderte Stundentafel, die <strong>von</strong><br />
der 5. bis zur 10. Klasse eine zusätzliche Stunde für mathematisch-naturwissenschaft-<br />
<br />
„Lerne das <strong>Lernen</strong>“ lautet ein Motto der Schule – und damit man diesem Anspruch<br />
gerecht wird, gibt es eine Reihe <strong>von</strong> eng mit dem Unterricht verzahnten Ganztagsangeboten,<br />
mit denen Schüler individuell gefordert und gefördert werden. Ein Angebot<br />
<br />
Stadtgebiet haben hier schon vor ihrem Wechsel auf das Gymnasium die Möglichkeit,<br />
sich mit Mathematik im weitesten Sinne zu beschäftigen. Gut rechnen können<br />
die meisten <strong>von</strong> ihnen bereits, nun sollen sie Experimentier- und Probierfreude ent-
wickeln, Knobelaufgaben lösen und spielerisch <strong>lernen</strong>, wie man sich einem Problem<br />
nähert, obwohl der Weg zur Lösung nicht vorgezeichnet ist. Die Nachfrage nach den<br />
Plätzen ist so groß, dass zusätzlich Kompaktkurse in den Ferien angeboten werden.<br />
Für die älteren Schüler gibt es ein dichtes Netz <strong>von</strong> Angeboten zur Begabtenförderung.<br />
Wer überdurchschnittliche Leistungen und ein gefestigtes Interesse an einem Fach<br />
vorweist, wird zu ein oder zwei Leistungszentren <strong>von</strong> vier pro Klassenstufe eingeladen.<br />
Hier werden die Besten ihres Fachs in kleinen Gruppen auf Wettbewerbe vorbereitet<br />
und dabei mit Methoden und Inhalten konfrontiert, die weit über den Unterrichtsstoff<br />
<br />
greifend spezielle Mathezirkel und Physikzirkel statt. Auch in ihnen geht es neben der<br />
Festigung und Vertiefung <strong>von</strong> Kenntnissen darum, sich mit weiter gehenden Fragen<br />
auseinanderzusetzen, die im Unterricht nicht beantwortet werden können. Ganz nebenbei<br />
trägt die Vorbereitung auf Wettbewerbe und Olympiaden sowie die Organisation<br />
<strong>von</strong> Projekten und Projektwochen dazu bei, dass die Rhythmisierung nicht nur auf<br />
der Ebene der Tages- und Wochenpläne greift, sondern auch den Schuljahresplan<br />
<br />
Unverzichtbar für die Begabtenförderung ist die Kooperation mit Partnern aus Wirtschaft<br />
und Wissenschaft, speziell mit der TU Dresden. Im Rahmen der wissenschaftlichen<br />
Projektwoche gehen die Klassen 7 und 8 einmal im Jahr an die Universität,<br />
wo sie gemeinsam mit Wissenschaftlern und Studenten konzentriert einer Forschungsaufgabe<br />
nachgehen. Nicht nur die komplexen Inhalte bringen die Schüler weiter,<br />
sondern auch die weniger verschulte Art der Wissensvermittlung. All das zusammen<br />
fördert auch die Persönlichkeitsentwicklung immens, wie Schulleiter Armin Asper<br />
stolz feststellt: „Sie müssten das mal miterleben, wenn beispielsweise ein Siebtklässler<br />
im Hörsaal souverän zum Thema Brückenbau referiert – ich selbst staune immer<br />
wieder, was Schüler in diesem Alter zu leisten imstande sind.“ Um kontinuierlich<br />
Bildungserlebnisse jenseits des klassischen Lehrer-Schüler-Verhältnisses zu initiieren,<br />
setzt die Schule bei den Ganztagsangeboten auf zahlreiche externe Kräfte,<br />
59
GTA-Koordinator<br />
Johannes Bonk<br />
unter ihnen pensionierte Lehrer des Martin-Andersen-Nexö-Gymnasiums. Auch<br />
frühere Absolventen, die sich der Schule nach wie vor verbunden fühlen, sind ins<br />
Schulleben integriert und übernehmen zum Teil sogar Patenschaften.<br />
Bei so viel Leistungsorientierung sind natürlich auch Gegengewichte gefragt.<br />
GTA-Koordinator Johannes Bonk legt großen Wert auf eine allseitig humanistische<br />
Bildung seiner Schülerinnen und Schüler. Sichergestellt wir diese durch eine Vielzahl<br />
<strong>von</strong> Angeboten im künstlerisch-musischen (Theater, Schülerband, Malerei)<br />
<br />
jüngeren Schüler den Ausgleich für den teilweise bis 17 Uhr andauernden Schultag –<br />
und ganz nebenbei werden dabei auch wichtige soziale Kompetenzen gestärkt.<br />
Ein schönes Beispiel für die komplementäre Gestaltung <strong>von</strong> Unterricht und Ganztag<br />
sind die Theatergruppen. Unter Anleitung eines Theaterpädagogen werden ergänzend<br />
zum Unterricht Stücke inszeniert, und dies nicht nur in Deutsch, sondern auch<br />
in Englisch. Angrenzend an den Bandraum gibt es dafür eine kleine Studiobühne<br />
inklusive Ton- und Beleuchtungstechnik, und natürlich wird auch diese <strong>von</strong> Schülern<br />
bedient.<br />
Wertvollen Input für das Netzwerk lieferte die Schule in Form eines rechnergestützten<br />
Evaluationsprogramms mit schülergerechten Fragen – entwickelt und programmiert<br />
in der Informatik-AG. Entstanden ist ein Modul, das dem Martin-Andersen-Nexö-<br />
Gymnasium und anderen interessierten Schulen die mit hohem Aufwand verbundene<br />
Evaluation deutlich erleichtern könnte.<br />
<br />
in den vergangenen beiden Jahren viele wertvolle Impulse erhalten – und mit den<br />
vom Leipziger Hertz-Gymnasium übernommenen Modellen der Schülerpatenschaften<br />
und des ORG-Teams auch einiges konkret umgesetzt. Beide sind inzwischen fester<br />
Bestandteil unseres Schullebens.“
MITTELSCHULE<br />
»ANNE FRANK«<br />
STAUCHITZ
EIN STÜCK GEMEINSAMER LEBENSWEG<br />
63
Mittelschule „Anne Frank“ Stauchitz<br />
Schulform: Mittelschule<br />
Organisationsform: teilgebunden<br />
Schülerzahl: 312 (2011/12)<br />
Ganztagsangebote seit: 2006<br />
Rhythmisierung: 90-Minuten-Blöcke, „Blaue Pause“<br />
Besonderheiten: freie Stillarbeit nach Wochenplänen,<br />
vernetzter Unterricht nach Leitthemen, Rhythmisierung<br />
des Schultages<br />
„Schüler, Lehrer und Eltern unserer Schule begreifen sich als Partner, die ein Stück<br />
Lebensweg gemeinsam gehen“. Das klingt gut, aber seien wir ehrlich: Leitbilder klingen<br />
immer gut. Umso schöner ist es zu sehen, dass dieser Anspruch an der Anne-Frank-<br />
Mittelschule weit mehr ist als ein wohlfeiles Lippenbekenntnis. In Stauchitz ist es gelungen,<br />
die Schule zum kulturellen und kommunikativen Zentrum einer ganzen Region<br />
zu entwickeln.<br />
Ein Rhythmisierungskonzept, das Fachunterricht, vernetzten Unterricht und freie Stillarbeit<br />
verbindet, eine kreative „Blaue Pause“ in der Mittagszeit, bewegte Pausen,<br />
Hausaufgabenhilfe, Teamteaching, Schulclub und vieles mehr – die Transformation<br />
zur Schule mit Ganztagsangeboten wurde in Stauchitz konsequent vorangetrieben<br />
und geht weit über kosmetische Veränderungen hinaus. Sie betrifft nicht nur den Umfang<br />
des Angebotes, sondern hat auch gravierende Auswirkungen auf die Organisation<br />
des Schultages und das Selbstverständnis der Lehrer. Zugegeben – die Voraussetzungen,<br />
um etwas zu bewegen, sind besser als anderswo: ein neues Schulgebäude, starke<br />
Unterstützung durch die Gemeinde und keine überfüllten Klassen. Aber der eigentliche<br />
Trumpf ist ein anderer: ein eingeschworenes Kollegium ohne Angst vor Veränderungen<br />
und mit Heike Möbius eine GTA-Koordinatorin, die für ihre Ideen brennt und diese<br />
nach außen kommuniziert. „Ich glaube, das wird oft unterschätzt – wenn man die weit<br />
verbreitete Erwartungshaltung nach dem Motto »Schule mach mal« aufbrechen will,<br />
muss man die Eltern <strong>von</strong> Beginn an einbeziehen, ihnen genau erklären, was man vorhat<br />
und warum sich dies positiv auf die Entwicklung ihrer Kinder auswirken könnte.“<br />
Ein Kernstück des Stauchitzer Ganztagsmodells ist die „Blaue Pause“ – ein in den<br />
täglichen Stundenplan integriertes Zeitfenster <strong>von</strong> 11.40 Uhr bis 12.40 Uhr, in dem<br />
Schüler der 5., 6. (jeweils zweimal pro Woche) und der 7. Klasse (einmal pro Woche)<br />
unter fachkundiger Anleitung an der Schule ihren Interessen nachgehen – beim<br />
Sport, mit Kreativ-, Spiel- und Förderangeboten.
Ursprünglich fand die mittägliche Kreativpause einmal wöchentlich im zehn Gehminuten<br />
entfernten Schulclub statt. Doch immer mehr Kinder fragten, ob sie das<br />
nicht öfter machen könnten – und vielleicht sogar in der Schule? Planerisch war die<br />
„Blaue Pause“ eine riesige Herausforderung, „aber wenn man wirklich will, kann<br />
man vieles schaffen, was zunächst nicht machbar erscheint“, kommentiert Frau Möbius.<br />
<br />
<br />
tendrin<br />
und es ergibt sich immer mal wieder die in diesem Alter so wichtige Möglichkeit,<br />
zwanglos ins Gespräch zu kommen.<br />
Ein weiteres Puzzleteil des Ganztagskonzeptes ist der Vernetzte Unterricht (VU),<br />
welcher bereits seit 1995 praktiziert wird. Verschiedene Themen (wie z. B. in Klasse 5<br />
„Mit Jeans in die Steinzeit“ oder „Auf ins Land der Pharaonen“), bis zu vier wechselnd<br />
im Schuljahr, werden unterrichtet und die verschiedenen Fachbereiche (Bio,<br />
Geo, D, Sp, Mu, Ma …) versuchen, die Thematik zu erhellen. Eine besondere Rolle<br />
spielen hier ebenso das Methodentraining (Stichwort: „<strong>Lernen</strong> <strong>lernen</strong>“) sowie die<br />
Partner- und Gruppenarbeit.<br />
Die ersten Schritte in Richtung Ganztag ging die Schule 2006/2007. Seitdem wird<br />
in Stauchitz an einem besonderen Rhythmisierungskonzept sowie ansprechenden<br />
Angeboten für alle Schüler gearbeitet.<br />
Um das eigenverantwortliche <strong>Lernen</strong> zusätzlich zu fördern, setzt das Kollegium<br />
um Heike Möbius auf die freie Stillarbeit, mit der für die 5. und 6. Klassen viermal<br />
in der Woche der Unterrichtstag beginnt. Dieser erste Block sorgt zudem für einen<br />
gleitenden Beginn des Schultags. Je nach Busankunftszeit kommen die Schüler<br />
herein, nehmen sich entsprechend ihrem Arbeitsplan selbstständig ihre Aufgaben<br />
und beginnen zu arbeiten. Das zeitliche Budget für die Stillarbeit kommt zustande,<br />
indem die Lehrer Stoff für eine Stunde als Aufgaben in die Stillarbeit geben. Es gibt<br />
65
GTA-Koordinatorin<br />
Heike Möbius<br />
den Richtwert, dass in zwei Stunden zwei Aufgaben zu erledigen sind. Einige sind<br />
vom Fachlehrer abzuzeichnen, andere kontrollieren die Schüler selbst. Für die<br />
Betreuung stehen zwei, manchmal auch drei Lehrer bereit – so kann parallel der<br />
Computer genutzt werden (z. B. beim Vokabeltraining) und es kann sich jemand<br />
individuell der wachsenden Zahl <strong>von</strong> Kindern mit LRS oder Dyskalkulie widmen, die<br />
eine spezielle Förderung brauchen, um nicht den Anschluss zu verlieren. Heike Möbius<br />
bestreitet nicht, dass die erstmalige Zusammenstellung der Aufgaben für die Stillarbeit<br />
einen immensen Arbeitsaufwand mit sich bringt. Dafür können sich die Lehrer<br />
nun, quasi im Routinebetrieb, ganz auf die Schüler konzentrieren.<br />
Das Kollegium wurde mit Fortbildungen und Methodentraining intensiv auf die<br />
neuen Unterrichtsformen vorbereitet. Und immer, wenn man selbst nicht weiterkam,<br />
holte man sich kompetente Hilfe <strong>von</strong> außen. So lernten die Lehrer, besser auf die<br />
verschiedenen Typen einzugehen: Wie weit darf man gehen bei der Ermutigung <strong>von</strong><br />
überbehüteten Kindern, die man zur Selbstständigkeit erziehen möchte? Und wie<br />
<br />
Professionalisierung fanden sich innerhalb des Kollegiums Themen-Teams, die den<br />
Ausbau der freien Stillarbeit oder des vernetzten Unterrichts vorantrieben.<br />
Und was passiert nach Schulschluss? Dann öffnet viermal pro Woche bis 16 Uhr<br />
der Schulclub im ehemaligen Grundschulgebäude des Ortes. Und der bietet den<br />
Schülern nicht nur Möglichkeiten zum Toben, sondern auch eine kleine Küche in<br />
der Stärkungen gereicht werden, Modelleisenbahn und Tischtennisplatte sowie eine<br />
<strong>von</strong> ehemaligen Lehrern der Schule organisierte Hausaufgabenhilfe.
MITTELSCHULE<br />
BRAND-<br />
ERBISDORF
DIE SCHÜLER NEHMEN, WIE SIE SIND<br />
69
Mittelschule Brand-Erbisdorf<br />
Schulform: Mittelschule<br />
Organisationsform: offen<br />
Schülerzahl: 329 (2011/12)<br />
Ganztagsangebote seit: 2006<br />
Rhythmisierung: 90-Minuten-Blöcke<br />
Besonderheiten: Rhythmisierung, Schulclub<br />
„Und hier oben auf dem Dachboden versteckt sich noch ein besonderes Highlight“,<br />
macht uns Schulleiterin Martina Kilian am Ende unseres Erkundungsganges durch<br />
<br />
uns unmittelbar in einer anderen Zeit. In Eigenregie haben Schüler der höheren<br />
Klassen sortiert und arrangiert, was vom Schulleben vergangener Jahrzehnte übrig<br />
geblieben ist: alte Klassenbücher und Unterrichtsmaterialien, Banner und Wimpel,<br />
Bücher, Schallplatten und Fotos. Bei ihrer täglichen pädagogischen Arbeit orientiert<br />
sich das Brand-Erbisdorfer Kollegium allerdings weniger an der Vergangenheit –<br />
vielmehr wird der Ganztagsbetrieb konsequent ausgebaut.<br />
Als Martina Kilian zum Schuljahr 2010/2011 an die Mittelschule nach Brand-Erbisdorf<br />
kam, fand sie eine unentschiedene Situation vor: Zwar hatte man mit additiven<br />
Angeboten bereits seit 2006 den Einstieg in den Ganztag gewagt, aber man war die<br />
Sache nicht mit letzter Konsequenz angegangen und es gab noch einige Baustellen –<br />
zum Beispiel die bis dato nicht verwirklichte Einführung des 90-Minuten-Taktes.<br />
Es erwies sich als Vorteil, dass sie tatsächlich „<strong>von</strong> außen“ kam und als ehemalige<br />
Mitarbeiterin des Kultusministeriums keinem der beiden bestehenden Lager zugeordnet<br />
werden konnte. Martina Kilian brachte den stockenden Diskussionsprozess<br />
wieder in Gang und regte die Gründung einer Arbeitsgruppe Zeitmanagement an,<br />
die nach den Bedürfnissen <strong>von</strong> Lehrern, Eltern und Schülern fragte und darauf aufbauend<br />
ein für die Schule geeignetes Konzept ausarbeitete. Ausgangspunkt dabei<br />
war die Unzufriedenheit <strong>von</strong> Lehrern und Schülern mit den kurzen Pausenzeiten:<br />
Fünf Minuten sind nicht viel, wenn man sich in einem sehr großen Gebäude bewegen<br />
und den Raum wechseln muss. Man einigte sich schließlich darauf, es ein<br />
halbes Jahr mit dem Blockunterricht zu versuchen.<br />
Dass die Umstellung bei den Schülern gut ankam, zeigte die Zustimmungsrate <strong>von</strong><br />
98 Prozent bei einer schriftlichen Befragung nach einem Halbjahr. Ausschlaggebend<br />
dafür war vor allem die neue Qualität der Pausen, die nun tatsächlich der Erholung<br />
dienen. Damit die Kinder sich bewegen können, wurde viel in die Gestaltung der Außen-
anlagen investiert. Es gibt eine Tischtennisplatte, einen Bolzplatz und bald auch<br />
eine Basketballanlage. Neben der Nutzung <strong>von</strong> GTA-Mitteln gelang es, Sponsoren<br />
dafür zu gewinnen. Bei der Pausenaufsicht werden die Lehrer <strong>von</strong> der Schulclubleiterin<br />
und älteren Schüler der 9. und 10. Klassen unterstützt. Sie geben beispielsweise<br />
Sportgeräte aus und sammeln diese am Ende wieder ein. Verstärkt wird die<br />
jahrgangsübergreifende Kommunikation durch Patenschaften zwischen den 5. und<br />
den 9. Klassen. Doch nicht nur für die Schüler, auch für die anfangs so skeptischen<br />
Lehrer erwies sich die Befürchtung, weniger Unterrichtsstoff vermitteln zu können,<br />
bald als gegenstandslos. Vielen wurde nun erst bewusst, dass der 45-Minuten-Takt<br />
sie daran hinderte, bestimmte Unterrichtsformen zu etablieren, die sie eigentlich<br />
<br />
329 Schüler <strong>lernen</strong> an der Mittelschule <strong>von</strong> Brand-Erbisdorf – und der Anspruch <strong>von</strong><br />
GTA-Koordinatorin Christiane Schmidt und Schulleiterin Martina Kilian ist es, keinen<br />
<strong>von</strong> ihnen verloren zu geben: „Wir nehmen die Schüler, wie sie sind.“ In ihrem Konzept<br />
des stärkenorientierten <strong>Lernen</strong>s spielen Ganztagsangebote eine wichtige Rolle.<br />
Sie helfen, Talente zunächst zu entdecken und dann kontinuierlich zu fördern. Wenn<br />
man hier Erfolgserlebnisse schafft, kann man die Schüler auch für andere Lerninhalte<br />
motivieren. Sie erhalten immer wieder die Gelegenheit, über ihre Stärken zu<br />
<br />
sich durch die Jahrgangsstufen fort bis zur intensiven Berufs- und Studienberatung,<br />
welche die Schule außerhalb <strong>von</strong> GTA anbietet.<br />
<br />
gestaltet – die Freiwilligkeit ist nach Meinung <strong>von</strong> Christiane Schmidt einer der<br />
Gründe für die hohe Akzeptanz und Teilnehmerzahlen, die kaum hinter denen <strong>von</strong><br />
gebundenen Angeboten zurückfallen. Speziell die Förderangebote sollen künftig<br />
auch in den Vormittag integriert werden. Hier hat die Schule mit dem Lerncoaching<br />
im Schuljahr 2011/2012 ein Angebot etabliert, das den klassischen Förderunter-<br />
-<br />
71
GTA-Koordinatorin Christiane Schmidt<br />
und Schulleiterin Martina Kilian<br />
übergreifend organisiert ist, sodass die Schüler sich untereinander helfen können.<br />
Die heterogene Zusammensetzung im Hinblick auf Alter und Leistungsstärke erweist<br />
sich dabei nicht als Hindernis. Im Gegenteil: Sie eröffnet neues Potenzial und<br />
stärkt die Kooperation innerhalb der Schülerschaft. Im Rahmen des Lerncoachings<br />
kann zwar auch klassische Förderarbeit geleistet werden, es eignet sich aber auch<br />
zur Vermittlung <strong>von</strong> Lerntechniken und zur Vorbereitung auf Klassenarbeiten. Gerade<br />
ab der 7. Klasse, in der das Interesse an GTA erfahrungsgemäß deutlich nachlässt,<br />
erfreut sich das Lerncoaching großer Beliebtheit. In vielen Fällen trägt es dazu bei,<br />
die einbrechenden Leistungen in einer lernpsychologisch schwierigen Zeit wieder zu<br />
stabilisieren. Ab dem kommenden Jahr sollen mit der Einrichtung einer Lernwerkstatt<br />
zudem bessere räumliche Bedingungen geschaffen werden. Wo jetzt noch auf<br />
die Klassenräume ausgewichen werden muss, soll es dann einen zentralen Raum<br />
geben mit Bibliothek, Medienecke, Materialsammlungen und einem Lernraum speziell<br />
für Projektarbeiten.<br />
Eine wichtige Rolle im Ganztagskonzept der Mittelschule in Brand-Erbisdorf spielt<br />
inzwischen auch der Schulclub. Als „erste Amtshandlung“ der neuen Leiterin wurden<br />
die Fernseher und Computer aus dem Club entfernt – mit erstaunlichen Resultaten:<br />
Es wird wieder mehr geredet, gespielt und gebastelt. Martina Kilian und Christiane<br />
Schmidt sind sehr glücklich über diese Entwicklung: „Einige Kinder werden zu Hause<br />
oft genug vor den Medien »geparkt« – wir sollten ihnen zumindest in der Schule etwas<br />
anderes bieten, sie fordern und mit ihnen ins Gespräch kommen.“<br />
Die Netzwerkarbeit der vergangenen beiden Jahre bewerten die beiden als gewinnbringend:<br />
„Bei allen Netzwerkschulen konnte man etwas Interessantes beobachten –<br />
und im Unterschied zur Schule ist abgucken ja hier nicht nur erlaubt, sondern sogar<br />
explizit gewünscht. Auch wenn man nicht in jeder Hinsicht die gleiche Meinung<br />
vertritt: Der intensive Austausch war für uns sehr wertvoll.“
MITTELSCHULE<br />
»CLARA ZETKIN«<br />
FREIBERG
DRANBLEIBEN<br />
75
Mittelschule „Clara Zetkin“ Freiberg<br />
Schulform: Mittelschule<br />
Organisationsform: teilgebunden<br />
Schülerzahl: 305 (2011/12)<br />
Ganztagsangebote seit: 2004<br />
Rhythmisierung: 90-Minuten-Blöcke<br />
Besonderheiten: Rhythmisierung, Hausaufgaben,<br />
individuelles Fördern und Fordern<br />
Es gibt Schulen, da sitzen die Lehrer in den Pausen für sich allein in ihren Vorbereitungszimmern<br />
oder in kleinen Grüppchen verteilt im Lehrerzimmer. In Freiberg sieht das<br />
ganz anders aus: Hier versammelt sich das Kollegium an einer großen Kaffeetafel,<br />
um schon vor dem Beginn des Schultages auf dem kurzen Weg Dinge miteinander<br />
zu klären – und natürlich auch, um für eine entspannte Atmosphäre zu sorgen, in der<br />
es Spaß macht zu unterrichten. Seit acht Jahren wird an der Mittelschule Clara Zetkin<br />
Schulentwicklungsarbeit betrieben. Mit der Einführung des Ganztags und der Schulsanierung<br />
im Jahr 2008 eröffneten sich viele neue Möglichkeiten. Der wichtigste<br />
Schlüssel zum Erfolg ist jedoch ein anderer: Innerhalb des Kollegiums gibt es kein<br />
Denken in Zuständigkeiten mehr.<br />
Martina Uhlmann und Kerstin Kaltschmidt sind Lob für ihre Schule gewöhnt. Viele,<br />
die hier zu einem Besuch oder einer Hospitation kommen, zeigen sich begeistert<br />
über die Ausstattung der Schule und die Fülle an Aktivitäten. Die beiden GTA-Koordinatorinnen<br />
und die Schulleiterin Anne-Kathrin Kreis freuen sich nach wie vor riesig<br />
über dieses positive Feedback, weil sie wissen, wie hart viele dieser Veränderungen<br />
erkämpft worden sind. Und dass vieles, was Besucher, Schüler und sie selbst heute<br />
als selbstverständlich wahrnehmen, noch wenige Jahre zuvor vage Ideen, ja Utopien<br />
<strong>von</strong> einem anderen Schulalltag waren. Man wusste, wo man hinwollte, aber der Weg<br />
dahin war in keiner Karte verzeichnet. „Am Anfang gab es natürlich extrem hohen<br />
Abstimmungsbedarf, wir haben uns Woche für Woche zusammengesetzt und gefragt:<br />
Wie geht das? Wir hatten keine Erfahrungen, keine Muster, an denen wir uns hätten<br />
<br />
das zu ihr passt“, erinnert sich die Schulleiterin Anne-Kathrin Kreis. Man rückte<br />
enger zusammen, redete mehr miteinander. Einige Kollegen, die früher hauptsächlich<br />
die 9. und 10. Klassen unterrichtet haben, zeigten wenig Interesse daran, was<br />
in den 5. und 6. Klassen passiert – bis sie selbst Klassenlehrer in diesen Klassenstufen<br />
wurden. Und plötzlich saßen alle in einem Boot.
Den Beginn der Veränderungen markierte der Übergang <strong>von</strong> Einzel- zu Doppelstunden.<br />
Als sich dann mit der Popularisierung des Ganztagskonzepts neue Chancen eröffneten,<br />
wurde schnell klar, dass Unterricht und additive Angebote nur als Einheit<br />
begriffen werden können und auch entsprechend in die Stundentafel integriert<br />
werden müssen. Also sorgte man bei der Planung dafür, dass auf Phasen des konzentrierten<br />
Arbeitens immer eine Phase der Entspannung folgt. Wer heute als Schüler<br />
der gebundenen Ganztagsklassen in den Klassenstufen 5 und 6 an der Clara-Zetkin-<br />
Mittelschule lernt, für den wechseln sich am Vormittag Unterricht, AGs, Förderunterricht<br />
oder Freizeitangebote ab. Einmal wöchentlich können auch die Schüler ab Klasse 7<br />
innerhalb des Schultages Ganztagsangebote wahrnehmen. Zudem setzt die Schule<br />
auf das Konzept der A/B-Wochen, sodass sich z. B. GTA und Sport abwechseln.<br />
Auf der sogenannten LESPK – einer Konferenz, an der Lehrer, Eltern, Schüler und<br />
inzwischen auch externe Partner teilnehmen – wird jeweils das vergangene Schuljahr<br />
ausgewertet und das neue geplant. Ein Ergebnis der jüngsten Konferenz war<br />
beispielsweise die Neukonzeption der Hausaufgabenerteilung. Mit der zweimal<br />
<br />
Konzept integriert und so die Möglichkeit geschaffen, dass Schüler individueller an<br />
Themen arbeiten. Wer unter Umständen erst gegen 16.30 Uhr zu Hause sein kann,<br />
soll sich nicht noch hinsetzen und Hausaufgaben erledigen müssen. Stattdessen<br />
wurde ein Aufgabenpool erarbeitet, der nicht ganz so eng an den aktuellen Lernstoff<br />
gebunden ist. Die Aufgaben sind auch nicht <strong>von</strong> Stunde zu Stunde, sondern über<br />
<br />
sondern auch die Lehrer, die wertvolle Unterrichtszeit gewinnen, anstatt die Hausaufgaben<br />
kontrollieren zu müssen. Die dennoch notwendige Kontrolle und Rückkopplung<br />
wird nun <strong>von</strong> Schülern der höheren Klassen erledigt – sogenannten Lernteams<br />
–, und es gibt Lösungsblätter, anhand derer die Schüler selbst überprüfen<br />
können, ob sie richtig gearbeitet haben. Jeder Schüler führt einen Lernzeitordner,<br />
77
GTA-Koordinatorinnen<br />
Kerstin Kaltschmidt<br />
und Martina Uhlmann<br />
und die Arbeitsblätter werden schließlich je nach Bedarf in den Unterricht einbezogen.<br />
Aber auch in anderer Hinsicht erweist sich die Lernzeit als Vorteil: Sie ist ein sehr<br />
<br />
wichtigen Klassenarbeit mehr Lernzeit beanspruchen und so seine Schüler mit entsprechenden<br />
Aufgaben besser vorbereiten.<br />
Auch bei Förderangeboten geht man inzwischen andere Wege. Zunächst ist mit der<br />
Verlegung auf den Vormittag, an dem Konzentrations- und Aufnahmefähigkeit am<br />
höchsten sind, dafür gesorgt, dass die Inhalte bei den Teilnehmern auch wirklich<br />
ankommen und ihre Wirkung entfalten. Und auch der Fokus hat sich verschoben:<br />
Die konkreten fachlichen Inhalte wie Mathe, Deutsch usw. wurden ergänzt um die<br />
Vermittlung <strong>von</strong> Methoden-, Sprach- und Sozialkompetenz. Die 5. Klassen werden<br />
in fünf Gruppen geteilt, damit ein konzentrierter Unterricht möglich ist, nach acht<br />
Wochen rotieren die Gruppen. Kerstin Kaltschmidt und Martina Uhlmann verbinden<br />
damit ein Anliegen, das ihnen sehr am Herzen liegt: „Es gibt bei uns nicht mehr<br />
die Unterscheidung guter Schüler/schlechter Schüler. Es gibt nur noch das Förderkind.“<br />
Und allen, die sich wie sie auf den Weg machen, empfehlen die beiden GTA-<br />
Koordinatorinnen: „Dranbleiben. Der Erfolg des Ganztags hängt für Schüler wie auch<br />
für die Lehrer da<strong>von</strong> ab, dass man den Weg konsequent weitergeht, auch wenn es<br />
mal Rückschläge und Enttäuschungen gibt.“
MITTELSCHULE<br />
»MAXIM GORKI«<br />
HAINICHEN
DEN KINDERN ETWAS BIETEN<br />
81
Mittelschule „Maxim Gorki“ Hainichen<br />
Schulform: Mittelschule<br />
Organisationsform: teilweise gebunden seit 2011/2012<br />
Schülerzahl: 435 (2011/12)<br />
Ganztagsangebote seit: 2008<br />
Rhythmisierung: 90-Minuten-Blöcke<br />
Besonderheiten: Rhythmisierung, individuelles Fördern<br />
und Fordern, Schulclub<br />
Fragt man Corinna Weinhold, GTA-Koordinatorin an der Maxim-Gorki-Schule in Hainichen,<br />
nach dem größten Plus des Ganztagsmodells, muss sie nicht lange überlegen:<br />
„Von fachlichen Dingen einmal ganz abgesehen: Unser Anspruch ist es, die Kinder<br />
nicht nur aufzubewahren, sondern sie bestmöglich zu betreuen und entsprechend<br />
ihren Neigungen zu fördern. Auch und gerade diejenigen, die vielleicht etwas schwieriger<br />
sind.“ Gemeinsam mit Kollegen, einer sehr engagierten Schulclubleiterin, der<br />
Stadt und externen Kursleitern setzt sie alles daran, den Kindern spannende Bildungsangebote<br />
zu unterbreiten – und mit Maßnahmen im Bereich des sozialen <strong>Lernen</strong>s ein<br />
<strong>von</strong> Respekt und gegenseitiger Anerkennung geprägtes Schulklima zu schaffen.<br />
Seit 2011/2012 gibt es an der Mittelschule „Maxim Gorki“ teilweise gebundene<br />
<br />
ausschließlich nachmittags statt. Grund dafür ist die hohe Zahl auswärtiger Schüler,<br />
die auf Schul- und Linienbusse angewiesen sind, sowie die komplizierte räumliche<br />
Situation: Es gibt zwei Schulstandorte, die zehn Minuten Fußweg <strong>von</strong>einander entfernt<br />
liegen, und einen Sportkomplex an einem dritten Standort. Es ist also bereits<br />
unter normalen Umständen jede Menge Organisationstalent erforderlich, wenn nicht<br />
jeder Tag zu einem „Wandertag“ werden soll.<br />
Dafür war man im Hinblick auf ein anderes Rhythmisierungselement – den Blockunterricht<br />
– seiner Zeit voraus, denn der wurde schon 2004 konsequent eingeführt,<br />
bevor es einen Bezug zur Ganztagsthematik gab. Ab 7.30 Uhr wird in Blöcken <strong>von</strong><br />
jeweils 90 Minuten unterrichtet, unterbrochen <strong>von</strong> jeweils halbstündigen Pausen.<br />
Corinna Weinhold ist überzeugt da<strong>von</strong>, in diesem Lernrhythmus den Lehrstoff besser<br />
und nachhaltiger vermitteln zu können. Mit Weiterbildungen und Schulungen wurde<br />
das Kollegium auf die Veränderung vorbereitet – und weiß sich daher auch zu helfen,<br />
wenn die Aufmerksamkeit mal nachlässt. „Dann schieben wir bewegte Pausen ein.<br />
Ich habe zum Beispiel immer einen kleinen Ball dabei oder andere Spielideen im<br />
Hinterkopf, in Deutsch gibt es Laufdiktate. Drei bis vier Minuten Entspannung können<br />
hier wirklich Wunder bewirken.“
Das Methodentraining „<strong>Lernen</strong> <strong>lernen</strong>“ war an der Maxim-Gorki-Schule bisher als<br />
Projektwoche zu Beginn der 5. Klasse eingetaktet. Die Schüler haben so gleich am<br />
Anfang ganz grundlegende Dinge zur Organisation ihres Schulalltages gelernt, zum<br />
Beispiel wie man Ränder zieht, wie man einen Hefter oder ein Hausaufgabenheft<br />
führt. Inzwischen wird das Projekt über das ganze Schuljahr fortgeführt, da die komprimierte<br />
Vermittlung am Schuljahresbeginn auch Nachteile hatte: Die Fachlehrer<br />
mussten immer wieder Zeit aufwenden, um die Inhalte zu wiederholen und aufzufrischen<br />
– Zeit, die für die Vermittlung des eigentlichen Stoffes fehlte. Einen deutlichen<br />
Fortschritt brachte die Einführung <strong>von</strong> Methodenheftern, welche die Schüler<br />
mit Beginn der 5. Klasse gemeinsam mit ihren Klassenlehrern anlegen und die sie<br />
dann nach und nach ergänzen. So kann man zum entsprechenden Zeitpunkt – z. B.<br />
wenn Gruppenarbeit oder ein Kurzvortrag ansteht – auf das Material im Hefter verweisen,<br />
statt immer wieder <strong>von</strong> vorn anzufangen. Der Methodenhefter macht den<br />
greifend<br />
funktionieren, die ihnen in Chemie genauso weiterhelfen wie in Deutsch.<br />
Für die Entspannung im Schulalltag ist der Schulclub <strong>von</strong> zentraler Bedeutung. Er ist auch<br />
die erste Anlaufstelle für Kinder, die lange vor Schulbeginn ankommen. Schuljugendarbeiterin<br />
Conny, deren Stelle vom Christlichen Jugenddorfwerk Deutschlands e. V. über<br />
<br />
Vertrauensperson für die Schüler. Da<strong>von</strong> zeugt auch die Wandgestaltung im Club, wo<br />
sich eine <strong>von</strong> Schülern gestaltete Lobeshymne und Danksagung an die nächste<br />
reiht. Die Kinder können im Schulclub nicht nur bis 15.30 Uhr spielen, sondern auch<br />
unter Aufsicht ihre Hausaufgaben erledigen. Die Sozialarbeiterin spielt zudem eine<br />
wichtige Rolle für die Schulstation. Gemeinsam mit einem Lehrer kümmert sie sich<br />
während bestimmter Unterrichtsblöcke um Schüler, die gestört haben und deswegen<br />
vorübergehend vom Unterricht ausgeschlossen wurden. Sie versuchen dann heraus-<br />
<br />
83
GTA-Koordinatorin<br />
Corinna Weinhold<br />
wieder „in die Spur“ zu helfen. Corinna Weinhold plädiert für den Einsatz <strong>von</strong> Sozialarbeitern<br />
an der Schule: „Wir sehen hier jeden Tag, dass sie unheimlich viel bewirken<br />
<br />
Ein weiteres wichtiges Angebot der Schule in Hainichen zum sozialen <strong>Lernen</strong> sind<br />
die Schülerpatenschaften, die jedoch im Unterschied zu anderen Netzwerkschulen<br />
nicht der Wissensvermittlung dienen, sondern der Ausbildung eines klassenübergreifenden<br />
Miteinanders. Engagierte Schüler aus der 9. und 10. Klasse nehmen sich<br />
dabei Schülern der 5. und 6. Klasse an, mit denen es Probleme gibt – den Hinweis<br />
gibt der jeweilige Klassenlehrer. Dann versuchen die beiden, das Problem ohne die<br />
Hilfe eines Lehrers zu lösen. Und das funktioniert ganz ohne den berühmten erho-<br />
<br />
die etwas sagen, bestehen gute Chancen, dass ihre Ratschläge auch angenommen<br />
werden. Entstanden sind diese Patenschaften aus der Streitschlichtergruppe, die an<br />
der Schule existiert hat und in naher Zukunft wiederbelebt werden soll. Der Gruppe<br />
war es in vielen Fällen gelungen, deeskalierend zu wirken. Im Falle eines ausufernden<br />
Streits werden die beiden Parteien an einem neutralen Ort wie dem Schulclub<br />
zu einem Treffen gebeten, bei dem klare Regeln gelten: Ich darf den anderen nicht<br />
beschimpfen, ich darf nicht laut werden. Die Streitschlichter hören sich beide<br />
Seiten an, ohne zu werten, und laden die Streitparteien ein, sich in die Perspektive<br />
des anderen zu versetzen.<br />
Was Corinna Weinhold in Zukunft gern noch umsetzen möchte, ist ein gleitender<br />
Unterrichtsbeginn, wie sie ihn in Stauchitz bei einer Hospitation kennengelernt hat –<br />
das käme aus ihrer Sicht den vielen auswärtigen Schülern sehr entgegen. Darüber<br />
hinaus hat der Austausch im Netzwerk sie in ihrer Haltung bestärkt, dass es sich lohnt,<br />
neugierig zu bleiben: „Ich hatte noch nie Angst davor, Neuland zu betreten. Sicher<br />
erreicht man nicht immer, was man sich gewünscht hat, aber man muss es wenigstens<br />
probiert haben – und das gebe ich auch meinen Schülern mit auf den Weg.“
MITTELSCHULE<br />
OEDERAN
AUF BEWÄHRTES VERTRAUEN,<br />
FÜR NEUES AUFGESCHLOSSEN SEIN<br />
87
Mittelschule Oederan<br />
Schulform: Mittelschule<br />
Organisationsform: teilgebunden<br />
Schülerzahl: 238 (2011/12)<br />
Ganztagsangebote seit: 2002/2003<br />
Rhythmisierung: 90-Minuten-Blöcke<br />
Besonderheiten: Rhythmisierung, Freiarbeit, individuelles<br />
Fördern und Fordern<br />
Es ist ein grauer, regnerischer Vormittag im Februar. Eigentlich sollten die Jungs der<br />
6. Klasse jetzt an ihren Fahrrädern schrauben: Doch in der Werkstatt herrscht Stille,<br />
kein Mensch ist zu sehen. Lediglich in den Kreativräumen wird gearbeitet. GTA-Koordinatorin<br />
Esther Kommant wundert sich kurz – allerdings nur, bis sie aus dem Fenster<br />
geblickt hat: Die Kinder vom Mountainbike-Kurs trotzen dem schlechten Wetter und<br />
schulen ihre Reaktionsfähigkeit an einem Parcours aus Packpaletten. Die Schule in<br />
Oederan ist in Bewegung – im wörtlichen, aber auch im metaphorischen Sinne.<br />
Blickt man auf den modernen, lichten Anbau mit Computerkabinett und Speisesaal<br />
und die spielenden Kinder auf dem neu gestalteten Pausenhof, kann man sich kaum<br />
vorstellen, dass diese Schule noch vor wenigen Jahren in ihrer Existenz bedroht war:<br />
Aufgrund der demographischen Situation konnten in Oederan in den Schuljahren<br />
2006/2007 und 2007/2008 keine 5. Klassen gebildet werden. Es wurde ein Konzept<br />
für den Schulversuch „Gemeinschaftsschule“ erarbeitet. Das beinhaltete das Angebot<br />
eines gymnasialen Kurses und die damit verbundene Förderung, welche einen Ausweg<br />
aufzeigte. In kürzester Zeit wurde die Schule zu einer Alternative für Schüler der<br />
Region, bei denen die Entscheidung pro oder contra Gymnasium nach der 5. Klasse<br />
schwerfällt. Denn an der Mittelschule Oederan <strong>lernen</strong> die Kinder in der 5. und 6. Klasse<br />
gemeinsam, ab der 7. Klasse besuchen die Besten den gymnasialen Kurs, in dem<br />
nach gymnasialem Lehrplan unterrichtet wird. So sind sie bestens vorbereitet auf<br />
einen eventuellen Schulwechsel nach Ende der 9. Klasse.<br />
Der Weg in den Ganztag begann für die Schule in Oederan bereits im Schuljahr<br />
2003/2004 mit der Umstellung auf Unterrichtsblöcke zu je 90 Minuten. Da sich diese<br />
Zeitstruktur für Schüler wie für Lehrer bestens bewährt hat, wird bis heute daran<br />
festgehalten. Bis zum vergangenen Schuljahr gab es für die Klassen 6 und 8 gebundene<br />
Ganztagsangebote, mit den in diesem Schuljahr zur Verfügung stehenden Ressourcen<br />
konnten entsprechende Angebote nur noch für die 6. Klassen abgedeckt werden.
Betreut werden die Ganztagskurse zum überwiegenden Teil <strong>von</strong> Externen, darüber<br />
hinaus werden Know-how und Räumlichkeiten der örtlichen Volkskunstschule genutzt.<br />
Überhaupt ist die Öffnung nach außen fester Bestandteil des GTA-Konzepts – und<br />
das Interesse an einer Kooperation mit der Schule ist hoch. Esther Kommant legt großen<br />
Wert darauf, dass herausragende im Rahmen <strong>von</strong> GTA entstandene Arbeiten ihren<br />
<br />
eines Kurses Großschach-Figuren für den Schulhof entstanden, und für ein Altersheim<br />
wurden thematische Wandreliefs gestaltet.<br />
Ein weiterer Schwerpunkt der Schule ist der Fremdsprachenerwerb: Ab der 6. Klasse<br />
<strong>lernen</strong> alle Schüler eine zweite Fremdsprache – Russisch oder Französisch. Wer nach<br />
einem Halbjahr merkt, dass ihn das überfordert, der kann die Zeit auch im Rahmen<br />
eines Ganztagsangebots für die Zusatzförderung in Mathe oder Deutsch nutzen.<br />
Wiederholer absolvieren <strong>von</strong> Beginn des Schuljahres an die Zusatzförderung und<br />
konzentrieren sich so auf das Wesentliche. Am Ende der 6. Klasse können die Schüler<br />
nochmals entscheiden, ob sie die zweite Fremdsprache weiterführen – danach gibt<br />
bis zum Schulabschluss keine Wechselmöglichkeiten mehr. In anderen Fächern wie<br />
z. B. Biologie wird innerhalb des Unterrichts differenziert, da hier die Schüler eines<br />
Jahrgangs nicht nach dem jeweils angestrebten Schulabschluss getrennt unterrichtet<br />
werden.<br />
An der Mittelschule Oederan wird großer Wert darauf gelegt, die Schüler zu Selbstständigkeit<br />
und einem verantwortlichen Umgang mit der Zeit zu erziehen. Ab der<br />
6. Klasse beginnt fast jeder Tag mit dem Ganztagsangebot Freiarbeit: In dieser Zeit<br />
bearbeiten die Schüler in ihrem Klassenraum selbstständig die <strong>von</strong> den Fachlehrern<br />
für jeweils eine Woche zusammengestellten Aufgaben. Wann sie für welches Fach<br />
arbeiten, bleibt ihnen selbst überlassen – auch eventuelle Recherche-arbeiten im<br />
Computerkabinett müssen zeitlich eingetaktet werden. Hilfestellungen bei der Lösung<br />
89
GTA-Koordinatorin<br />
Esther Kommant<br />
der Aufgaben bekommen sie <strong>von</strong> den jeweiligen Fachlehrern, die im Rotationsmodus<br />
die Freiarbeit betreuen. Erste Anlaufstelle bei Fragen sind jedoch die eigenen Mitschüler<br />
– auch das ist ein durchaus gewünschter Effekt der Freiarbeit. Wenn Aufgaben<br />
ein lautes Üben erfordern, kann man in ein anderes Zimmer wechseln. Ist dagegen<br />
besonders viel Ruhe und Konzentration nötig, ziehen einige Schüler vorübergehend<br />
in die Bibliothek um. Lediglich die Fächer Informatik, Sport, Chemie, Physik lassen<br />
sich aus naheliegenden Gründen nicht in die Freiarbeit integrieren.<br />
Im Hinblick auf die Rhythmisierung ist Oederan in den vergangenen Jahren deutlich<br />
vorangekommen. Seit vier Jahren gibt es einmal in der Woche Ganztagsangebote,<br />
<br />
20-, 30- und 45-minütigen Pausen. Nach dem Mittagessen in der neu erbauten<br />
Kantine schließen sich der vierte Block oder Einzelstunden an. Förderangebote gibt<br />
es – über die Stundentafel der 5. und 6. Klassen hinaus – für Schüler mit einer Lese-<br />
Rechtschreib-Schwäche durchgehend <strong>von</strong> der 5. bis zur 9. Klasse.<br />
Was Esther Kommant anderen Schulen bei der Weiterentwicklung ihrer Ganztagsangebote<br />
mit auf den Weg geben würde? „Ausgehend <strong>von</strong> meinen eigenen Erfahrungen<br />
würde ich sagen: Seien Sie prinzipiell offen für neue Ideen und Entwicklungen,<br />
aber vertrauen Sie gleichzeitig auf die eigenen Stärken. Nur so gelingt es, den einmal<br />
eingeschlagenen Weg konsequent weiterzugehen.“
PESTALOZZI-<br />
GYMNASIUM<br />
HEIDENAU
RAUM FÜR VERÄNDERUNGEN<br />
93
Pestalozzi-Gymnasium Heidenau<br />
Schulform: Gymnasium<br />
Organisationsform: offen<br />
Schülerzahl: 540 (2011/12)<br />
Ganztagsangebote seit: 2008<br />
Rhythmisierung: Doppelstunden, Einzelstunden<br />
Besonderheiten: betreute Freizeit (als Bestandteil des<br />
Rhythmisierungskonzeptes)<br />
„So, die Aufwärmung war prima – jetzt probieren wir noch ein paar Würfe“, ruft<br />
Herr Kühnel seinen Schützlingen zu. Ihre Blicke, ihre Körperspannung verraten, dass<br />
die Schüler ganz konzentriert bei der Sache sind. Vielleicht ist es kein Zufall, dass<br />
wir bei unserer Stippvisite zuerst den Judokurs besuchen. Am Pestalozzi-Gymnasium<br />
in Heidenau weiß man schließlich zu kämpfen. Denn obwohl die räumlichen Voraussetzungen<br />
alles andere als ideal sind, konnte ein ehrgeiziges GTA-Programm etabliert<br />
werden. Durch den bereits geplanten Ergänzungsbau, der hoffentlich in naher<br />
Zukunft realisiert werden kann, würde sich zusätzlicher Raum für Veränderungen<br />
ergeben. Und den wüsste das Kollegium auch zu nutzen.<br />
Vor vier Jahren erarbeiteten Schulleiter Uwe Beck sowie die GTA-Koordinatorin<br />
Kerstin Steinert den ersten GTA-Antrag, ein Jahr später konnte die praktische Arbeit<br />
aufgenommen werden. Der Impuls dazu kam aus der Diskussion heraus und <strong>von</strong><br />
verschiedenen Seiten: Kollegium, Elternrat, Schüler – alle hatten Lust auf eine Veränderung,<br />
alle waren involviert. Dazu Schulleiter Uwe Beck: „Für uns wäre es undenkbar,<br />
den Lehrern oder den Schülern etwas vor die Nase zu setzen und zu sagen: So<br />
machen wir das jetzt. Dann wird mit den Füßen abgestimmt und nach einem Jahr<br />
ist alles vorbei. Wir verfolgen hier eine Politik der kleinen Schritte. Aber diese Schritte<br />
werden <strong>von</strong> allen mitgetragen und beruhen auf einem breiten Konsens.“ Und so<br />
beschäftigte man sich in Heidenau intensiv mit den Modellen, die an anderen Schulen<br />
<br />
Bedingungen am Pestalozzi-Gymnasium funktionieren könnte. Zu berücksichtigen<br />
waren dabei die hohe Anzahl an Kindern aus dem Umland, die auf Linienbusse<br />
angewiesen sind, zum anderen die schwierige Raumsituation – es gibt eine Außenstelle<br />
und es fehlen Vorbereitungs- wie auch Lagerräume.<br />
Entschieden hat man sich letztlich für die Einführung des Doppelstundenprinzips<br />
und offene Ganztagsangebote am Nachmittag, die sich auf die Bereiche Kunst,
Sport, Freizeit und individuelle Förderung verteilen. Hier reicht die Bandbreite <strong>von</strong><br />
Judo und Schach über den Gospelchor und Theater bis hin zu vertiefenden Sprach-<br />
<br />
mit Spanisch eine dritte Fremdsprache zu er<strong>lernen</strong>. Die Förderangebote richten<br />
sich an alle Schülerinnen und Schüler, wie die stellvertretende GTA-Koordinatorin<br />
Ina Arndt unterstreicht: „Es wäre falsch, GTA automatisch mit Nachhilfe gleichzusetzen.<br />
Wir bemühen uns hier an der Schule sehr darum, auch die Stärksten ihres<br />
Fachs zu fördern, indem wir sie mit Inhalten konfrontieren, die deutlich über den<br />
Schulstoff hinausgehen.“ Die Ganztagsangebote beginnen aus organisatorischen<br />
Gründen einheitlich um 14.30 Uhr – so können alle Kinder unabhängig vom jeweiligen<br />
Schulschluss die zusätzlichen Angebote wahrnehmen. Die Zeit bis dahin wird<br />
mit einer betreuten Freizeit in der 7. Stunde und der Hausaufgabenzeit überbrückt,<br />
beides dient auch der Rhythmisierung des Schultages.<br />
In der betreuten Freizeit können sich die Kinder ein wenig erholen – schließlich muss<br />
der reichhaltige Input des Vormittags auch verarbeitet werden. Die Praxis hat gezeigt,<br />
dass der betreuten Freizeit auch eine große Bedeutung im Hinblick auf das soziale<br />
<strong>Lernen</strong> zukommt. Kerstin Steinert erläutert diesen Aspekt: „Es mag zunächst erstaunlich<br />
klingen, aber wir haben beobachtet, dass viele Kinder mitunter einfach nicht<br />
gelernt haben, wie sie ihre Freizeit sinnvoll gestalten können: Sie wissen nicht, wie<br />
man spielt. Zusammen mit anderen Kindern wird das aber schnell besser und<br />
wirkt sich im besten Falle sogar auf die Freizeit aus, die sie zu Hause verbringen.“<br />
Hervorzuheben ist, dass auch Eltern für die Ausgestaltung der betreuten Freizeit<br />
gewonnen werden konnten. Dieses ehrenamtliche Engagement hilft, die Kontinuität<br />
der Betreuung abzusichern, trägt zur entspannten Atmosphäre bei, die typisch für<br />
dieses Angebot ist, und setzt neue Akzente in der Betreuung.<br />
95
GTA-Koordinatorin Kerstin<br />
Steinert (rechts) und ihre<br />
Stellvertreterin Ina Arndt<br />
Ab der 8. Stunde können die Schülerinnen und Schüler dreimal pro Woche unter<br />
Anleitung eines Lehrers Hausaufgaben erledigen. Die betreute Freizeit läuft in<br />
dieser Zeit parallel weiter – so ist für eine konzentrierte Arbeitsatmosphäre gesorgt,<br />
auch wenn mal nur ein geringes Pensum zu erledigen ist. Wer fertig ist, wechselt<br />
in einen anderen Raum, um zu lesen oder noch ein wenig zu spielen. In der Praxis<br />
gestaltet sich die Hausaufgabenzeit oft auch als individuelle Förderung für Schüler,<br />
die ihre Lernziele so leichter erreichen. Deswegen kamen im laufenden Schuljahr<br />
<br />
als besonders hoch eingeschätzt wurde – beispielsweise Mathematik. Ältere Schüler<br />
nutzen die Zeit, um selbstständig an Projekten zu arbeiten. Dass die Schüler trotzdem<br />
noch Aufgaben mit nach Hause nehmen, gerade wenn es ums Üben oder Recherchieren<br />
geht, ist aus Sicht der GTA-Koordinatorinnen für die Ansprüche eines Gymnasiums<br />
normal und akzeptabel. In diesem Punkt sehen sie sich aber immer wieder<br />
auch mit Erwartungen <strong>von</strong> Eltern konfrontiert, welche die Ganztagsangebote des<br />
Gymnasiums als Fortsetzung des Hortes ab der 5. Klasse fehlinterpretieren.<br />
Als Stolperstein für die weitere Gestaltung <strong>von</strong> Ganztagsangeboten hat sich für die<br />
Heidenauer herausgestellt, dass es kaum gelingt, Kurse über mehrere Jahre hinweg<br />
als aufbauende Module anzubieten, wie es vor allem für Fremdsprachen wünschenswert<br />
wäre. Als ein- oder halbjährige Angebote sind sie dagegegen gut geeignet, um<br />
sich über eigene Stärken bewusst zu werden, sie zu erweitern und sich in verschiedenen<br />
Bereichen auszuprobieren.<br />
Den Gewinn aus der Netzwerkarbeit sehen die Heidenauer bei ihrer alltäglichen<br />
Arbeit: „Der Austausch mit den anderen Schulen war wertvoll und hat uns in dem<br />
bestätigt, was wir tun. Und gerade wenn es um die Formulierung <strong>von</strong> Wünschen<br />
<br />
auch auf die Praxiserfahrung anderer Schulen bauen – im Sinne <strong>von</strong>: Es wäre<br />
schön, wenn ...“
WIPRECHT-<br />
GYMNASIUM<br />
GROITZSCH
DIE TALENTESCHMIEDE<br />
99
Wiprecht-Gymnasium Groitzsch<br />
Schulform: Gymnasium<br />
Organisationsform: offen<br />
Schülerzahl: 574 (2011/12)<br />
Ganztagsangebote seit: 2005<br />
Rhythmisierung: einzelne 90-Minuten-Blöcke<br />
Besonderheiten: Talenteförderung (Form des individuellen<br />
Förderns und Forderns), Soziales <strong>Lernen</strong><br />
Ein Proberaum mit professioneller Aufnahmetechnik, in dem sogar kleine CD-Produktionen<br />
für Chor und Schülerband möglich sind;; Chinesischunterricht ab der 7. Klasse;;<br />
Ethikstunden im Altersheim – am Groitzscher Wiprecht-Gymnasium im Südosten<br />
Leipzigs werden ohne großes Gerede ambitionierte Ideen umgesetzt, <strong>von</strong> denen man<br />
anderswo nur sagen würde: „Klingt interessant, aber ...“ Natürlich haben die GTA-<br />
Koordinatoren Riccardo Eichler und Andre Proskawetz die gleichen Sorgen wie ihre<br />
Kollegen in anderen Schulen. Aber wenn es darum geht, für die Schüler im ländlichen<br />
Raum einen spannenden Ganztag zu gestalten, setzen sie alles in Bewegung.<br />
An dem dreizügigen Gymnasium gibt es seit 2007 pro Jahrgang eine Ganztagsklasse,<br />
die in diesem Schuljahr zwei zusätzliche Stunden Sport pro Woche absolviert und<br />
der zwei zusätzliche Stunden für die Hausaufgabenbetreuung zur Verfügung stehen.<br />
Diese werden mit GTA-Fördermitteln realisiert. Andre Proskawetz, selbst Sportlehrer,<br />
ist überzeugt, dass man den Kindern den Unterschied anmerkt: „Aufgrund der zusätzlichen<br />
Sportstunden sind sie wesentlich ausgeglichener und aufnahmefähiger – das<br />
höre ich auch <strong>von</strong> Kollegen immer wieder.“<br />
Keine Frage: Bewegung tut gut – und zwar nicht nur Schülern. Aus dieser Erkenntnis<br />
heraus setzte man sich in Groitzsch zu Beginn der Netzwerkarbeit zum Ziel, das<br />
Ganztagskonzept qualitativ weiterzuentwickeln, die Öffnung der Schule voranzutreiben<br />
und die statische Aufeinanderfolge <strong>von</strong> Einzelstunden zugunsten eines<br />
Blockmodells aufzulösen. Auf diesem Weg ist die Schule deutlich vorangekommen:<br />
Ab nächstem Jahr wird zunächst ein Block in der 3. und 4. Stunde durchgängig<br />
unterrichtet, die Etablierung eines zweiten Blocks wird angestrebt. Das hat nicht nur<br />
Auswirkungen auf den Unterricht, sondern wie gewünscht auch auf die Pausenstruktur:<br />
Durch die Zusammenlegung zweier Stunden und die Verkürzung <strong>von</strong> Pausen<br />
wird Zeit gewonnen, die dringend für die Verlängerung der Mittagspause <strong>von</strong><br />
aktuell 25 auf dann 45 Minuten gebraucht wird. Während momentan nur wenige<br />
Schüler überhaupt am Mittagessen teilnehmen, erhofft sich Andre Proskawetz
diesbezüglich eine deutliche Verbesserung – auch wegen eines für das kommende<br />
Jahr geplanten Mensaneubaus. Während man sich beim Thema Rhythmisierung<br />
Hilfe bei anderen Schulen holte und im Netzwerk nach geeigneten Modellen suchte,<br />
gehört das Wiprecht-Gymnasium in Groitzsch im Hinblick auf das systematische<br />
Fordern und Fördern selbst zu den Vorreitern, die nachahmenswerte Modelle entwickeln.<br />
Ab der 6. Klasse trifft der Klassenlehrer – der die Schüler durch den täglichen<br />
Umgang gut kennt – die Entscheidung, wer einer individuellen Förderung in den Fächern<br />
Mathe und Deutsch bedarf. Die besonders talentierten oder unterstützungs-<br />
<br />
Stundenplan integrierten Förderangebot pro Woche in kleineren Gruppen <strong>von</strong> vier<br />
bis sechs Kindern. In den Spitzengruppen geht es darum, die besten ihres Faches mit<br />
spannenden Angeboten zu noch besseren Leistungen zu stimulieren und sie auf<br />
Wettbewerbe vorzubereiten;; in den Sprachfächern werden beispielsweise Theaterund<br />
Musicalaufführungen vorbereitet und umgesetzt.<br />
Bei den Fördergruppen liegt das Hauptinteresse der Pädagogen darauf, Unterrichtsinhalte<br />
noch einmal aufzubereiten und dafür zu sorgen, dass das Niveau zwischen<br />
den leistungsstarken und den leistungsschwachen Schülern im Klassenverbund<br />
nicht zu stark differiert. Wer weder der einen noch der anderen Leistungsgruppe<br />
zuzuordnen ist, für den gibt es eine Vielzahl <strong>von</strong> kreativen oder sportlichen Ganztagsangeboten,<br />
beispielsweise die sogenannten MUKU-Stunden – ein innovatives,<br />
klassenübergreifendes Format, das die Beschäftigung mit musikalischen und<br />
künstlerischen Inhalten verknüpft.<br />
Nach anfänglicher Skepsis ist die Talenteförderung inzwischen ein Selbstläufer,<br />
<br />
werden kann, und auch die Lehrer, denen das gelegentliche Unterrichten in kleinen,<br />
konzentrierten Gruppen eine willkommene Abwechslung mit einer entspannten<br />
und konstruktiven Lernatmosphäre ist.<br />
101
GTA-Koordinatoren<br />
Riccardo Eichler und<br />
Andre Proskawetz<br />
Was die Öffnung der Schule und die Zusammenarbeit mit Externen angeht, kämpfen<br />
die Groitzscher mit denselben Problemen wie alle anderen nicht in den urbanen<br />
Ballungszentren gelegenen Schulen. Es erweist sich als schwierig, geeignete Außen-<br />
<br />
Angebot auf die Beine zu stellen.<br />
So bietet die Schule in Zusammenarbeit mit dem Konfuzius-Institut Leipzig seit<br />
einigen Jahren Chinesischunterricht an – das Interesse ist überraschenderweise<br />
so groß, dass dieser Kurs zu Beginn des Schuljahres als erster ausgebucht war.<br />
Als offen erweist sich die Schule aber auch in anderer Hinsicht: Jedes Jahr hilft sie<br />
mit, ein Integrationssportfest auszurichten, bei dem sich 20 bis 30 Schüler als<br />
ehrenamtliche Organisatoren, Kampfrichter, Riegenführer und Betreuer zur Verfügung<br />
stellen. Darüber hinaus kooperieren die Groitzscher mit einem örtlichen Altersheim:<br />
Die 9. Klassen verbringen die Hälfte ihrer Ethikstunden in dieser Einrichtung, wo sie<br />
mit den Bewohnern spazieren gehen, ihnen vorlesen, Theater spielen oder einfach<br />
durch zwanglose Unterhaltungen etwas Abwechslung und Farbe in deren Leben bringen.<br />
Dank dieses generationenübergreifenden Projekts ist der Ethikunterricht<br />
nicht auf den Austausch über Ideen und Werte begrenzt, sondern gelebter Dienst<br />
am Menschen, der zu Rücksicht und Verantwortungsgefühl erzieht. Dies ist eine<br />
gelungene Kooperation mit Außenpartnern, über die Ganztagsangebote hinaus.<br />
<br />
Nehmen die Waage hielt: „Wir haben eine Reihe <strong>von</strong> Ideen <strong>von</strong> unseren Hospitationen<br />
mitgebracht und umgesetzt – zum Beispiel <strong>von</strong> der Grundschule Mittelherwigsdorf<br />
die Vorteile des Blockunterrichtes und vom Hertz-Gymnasium Leipzig die Anregung<br />
zu »Schüler helfen Schülern«. Gleichzeitig haben wir mit der GTA-Sport-Klasse und<br />
dem Chinesischunterricht Veränderungen in anderen Schulen angestoßen. Genau so<br />
sollte es unter Kollegen sein.“
103
THEMA SOZIALES LERNEN<br />
Dem Thema soziales <strong>Lernen</strong> wird an vielen der an den Netzwerken beteiligten Schulen<br />
ein hoher Stellenwert beigemessen. Soziales <strong>Lernen</strong> trägt maßgeblich dazu bei, dass<br />
die Schüler sich selbst und andere differenzierter wahrnehmen, sich ihrer eigenen<br />
Gefühle bewusst werden und <strong>lernen</strong>, ihre Bedürfnisse zu artikulieren. Auch die Fähigkeit,<br />
bei der Lösung eines Problems die Perspektive des Gegenübers einzunehmen –<br />
sei es ein Lehrer oder ein Schüler – wird durch Methoden des sozialen <strong>Lernen</strong>s<br />
gleichen,<br />
für mehr Chancengleichheit im Bildungssystem zu sorgen und etwas für<br />
die Gewaltprävention zu tun.<br />
Die Möglichkeiten, soziales <strong>Lernen</strong> in den Unterricht zu integrieren, sind vielfältig:<br />
<br />
<br />
<br />
des sozialen <strong>Lernen</strong>s aufnehmen und vermitteln, sind beispielsweise der in Gruppen<br />
organisierte Projektunterricht und offene Unterrichtsformen wie die Freiarbeit. In all<br />
diesen Formaten sind die Schüler nicht nur Rezipienten, sondern wirken aktiv mit –<br />
beispielsweise, indem sie ihre weniger leistungsstarken Mitschüler unterstützen<br />
<br />
Auch außerhalb des Unterrichts bieten sich zahlreiche Möglichkeiten des sozialen<br />
<strong>Lernen</strong>s – beispielsweise in einer Moderatoren-AG oder eine Streitschlichtergruppe,<br />
wie sie auch viele der am Netzwerk beteiligten Schulen seit Jahren erfolgreich anlei-<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
kann die Moderatoren AG über die Mediation hinaus auch Veranstaltungen wie den
Lehrerschaft weiß, wer jeweils dem Schülerrat angehört und diesen auch respektiert:<br />
stalten<br />
können. Jede Form der Partizipation generiert ein gewisses Maß an Öffentlichkeit<br />
für die Schüler – und damit auch Anerkennung. Über die Schülervertretung<br />
hinaus können Anlässe geschaffen werden, bei denen alle Schüler eingeladen sind,<br />
<br />
Schuljahres ein Schulentwicklungsforum statt, im Rahmen dessen das vergangene<br />
Schuljahr ausgewertet wird. Nach der ZUG-Methode (Zufrieden, Unzufrieden, Ge-<br />
<br />
<br />
in Fragen der Schulentwicklung einbezogen und für das Lernklima wie auch den täglichen<br />
Umgang miteinander sensibilisiert. Außerdem <strong>lernen</strong> sie, eigenverantwortlich<br />
zu agieren.<br />
<br />
jedem Fall, dass das jeweilige Projekt die Interessen der Schüler widerspiegelt.<br />
<br />
den hohen Förderbedarf beispielsweise in Mathematik oder den Fremdsprachen<br />
abzudecken, und sorgt gleichzeitig durch das Peer-to-Peer-<strong>Lernen</strong> für willkommene<br />
Abwechslung im Schulalltag. Mancher Schüler nimmt Inhalte anders und besser auf,<br />
<br />
<br />
-<br />
<br />
als fünf der insgesamt 16 Netzwerkschulen praktiziert – u. a. in Rodewisch, Leipzig,<br />
Groitzsch. Gerade dieses Format ist ein schönes Beispiel für den umfangreichen<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
und welche Anreize für leistungsstarke bzw. ältere Schüler gesetzt werden können,<br />
leistungsschwächeren bzw. jüngeren Schülern zu helfen. Das Argument, dass die Ver-<br />
<br />
<br />
realistisch sein. Und da die unterrichtenden Schüler ja auch eine ganze Menge leisten,<br />
105
sprechen:<br />
„Wichtig ist aus meiner Sicht auch, dass die Lehrer sich da<br />
nach der Koordinationsphase weitestgehend heraushalten.<br />
Wir erwarten hier ja auch nicht Perfektion, sondern in erster<br />
Linie Engagement.<br />
Das beste Zeichen ist eigentlich immer, wenn man gar nichts <strong>von</strong> dem jeweiligen<br />
<br />
mit dem <strong>Lernen</strong> in der Tandemkonstellation sind fast durchgängig positiv.<br />
Zum sozialen <strong>Lernen</strong> gehört aber auch, einen Blick über den Tellerrand der eigenen<br />
Schule hinaus zu wagen und mit anderen Schulen/Institutionen zusammenzuarbei-<br />
bringt<br />
und Begegnungen auf Augenhöhe ermöglicht, die sich sonst nicht ergeben<br />
<br />
lichkeit<br />
zusammenbringt, ist die Begeisterung für den Sport. Gemeinsam nehmen<br />
<br />
<br />
-<br />
lernt<br />
und optimal auf die Bedürfnisse der behinderten Schüler eingehen kann.*<br />
* In diesen Beitrag sind Informationen aus dem Impulsvortrag <strong>von</strong> Dr. Wolfgang Wildfeuer vom<br />
<br />
einem Netzwerktreffen am 28.9.2011 in Dresden.
THEMA HAUSAUFGABEN<br />
<br />
Ausgestaltung des Ganztags – und daran ist nicht zuletzt der missverständliche Be-<br />
<br />
<br />
„Im schlechtesten Falle glauben die Eltern, damit jegliche<br />
Verantwortung für die Bildung ihrer Kinder an die Lehrer<br />
delegieren zu können.“<br />
<br />
<br />
-<br />
<br />
<br />
<br />
in nennenswertem Umfang zuzumuten sind – und auch darüber, welche Angebote<br />
<br />
bis 15.30 Uhr Unterricht hat und anschließend eventuell noch mit dem Bus unterwegs<br />
<br />
zu einer zusätzlichen Schulstunde.<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
ergibt sich speziell für leistungsschwächere Schüler die Situation, dass sie die<br />
<br />
<br />
<br />
wältigung ihrer schulischen Aufgaben erwarten dürfen.<br />
Grundsätzliche sollte die Diskussion <strong>von</strong> den Schulordnungen für die einzelnen<br />
<br />
<br />
gehalten werden. Darüber hinaus lautet der Tenor, dass die Aufgaben so zu stellen<br />
<br />
<br />
107
Zielstellung. Aber wie kann man all diesen Ansprüchen gerecht werden, ohne ande-<br />
<br />
Machen Sie sich bewusst, dass die Lernkultur an einer Ganztagsschule nicht nur die<br />
<br />
sondern auch Schulaufgaben, die in der Schule erledigt werden können, und das<br />
Format Lernzeit, in dem Schüler individuell an einer Aufgabe arbeiten. Schulaufgaben<br />
und Lernzeit können vieles abfangen: So können bei entsprechender Planung einige<br />
<br />
andere Förderformate integriert werden. Jede Schule, die das Thema Ganztag ernst<br />
nimmt, muss sich früher oder später mit der Frage beschäftigen, ob und wie sie die<br />
<br />
<br />
den<br />
hat.<br />
Dabei sind neben der Planung der Stundentafel eine Reihe <strong>von</strong> organisatorischen<br />
Fragen zu klären, zum Beispiel:<br />
Wer betreut die Kinder beim Erledigen der Hausaufgaben?<br />
Steht ein geeigneter Raum zur Verfügung?<br />
Wie ist der Teilnahmemodus geregelt (verbindlich/freiwillig)?<br />
Hat die Betreuung durch einen Fachlehrer eher erklärenden,<br />
motivierenden oder korrektiven Charakter?<br />
<br />
-<br />
<br />
<br />
<br />
diesen Fragen wie auch bei der Auswahl der Betreuer auszahlt und die Angebote<br />
<br />
munikation ist eine wichtige Gelingensbedingung – und zwar nicht nur unter den<br />
<br />
-
nie die Frage aus dem Blick geraten, welchen didaktischen Nutzen die Aufgaben<br />
<br />
<br />
<br />
Fortführung <strong>von</strong> Projekten aus dem Unterricht, begleitende und selbstgestellte Aufgaben<br />
sowie <strong>von</strong> anderen Schüler/-innen gestellte Aufgaben abwechseln. Schließlich<br />
stellt sich auch die Frage der Differenzierung, die im Zuge <strong>von</strong> GTA bei der Unterrichts-<br />
<br />
sollte hinter diesem Anspruch nicht zurückbleiben. Schließlich fällt die Zeit, die<br />
Schüler für die Bewältigung der Aufgaben aufwenden müssen, sehr unterschiedlich<br />
<br />
ständen eine halbe Stunde in Anspruch – das sorgt bei den Leistungsstarken für<br />
Langeweile, auf der anderen Seite für Frust.<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
allem ist das Verhältnis einzelner Module innerhalb des pädagogischen Gesamt-<br />
<br />
<br />
<br />
die Vorbereitungswoche.<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
außen signalisiert, wo die Grenzen dessen liegen, was Schule leisten kann. Am<br />
-<br />
109
etreuung ein. Nach einer entsprechenden Anfrage erklärten sich einige Mütter und<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
derer die Schüler selbst überprüfen können, ob sie ihre Aufgaben erfolgreich gelöst<br />
<br />
jeweiligen Schulporträts.*<br />
* In diesen Beitrag sind Informationen aus einem Impulsvortrag <strong>von</strong> Thomas Schnetzer (Institut für<br />
<br />
wurde er zu einem Netzwerktreffen am 15.6.2011 in Mittweida.
THEMA RHYTHMISIERUNG<br />
Ob Grundschule, Mittelschule oder Gymnasium – die Rhythmisierung bildet das<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
kann. Umso wichtiger ist es, sich die triftigen Gründe für eine konsequente Rhythmisierung<br />
immer wieder zu vergegenwärtigen – und einen Blick auf Beispiele guter<br />
<br />
Ausgangspunkt der Überlegungen zur Rhythmisierung ist ein Paradigmen- bzw.<br />
Perspektivwechsel im Ganztag: Statt den Fokus auf ein festes Curriculum zu legen,<br />
orientieren sich Ganztagsangebote primär an den biopolaren Bedürfnissen der<br />
<br />
<br />
<br />
spannung gesorgt ist – und zwar sowohl innerhalb eines Tagesabschnitts als auch<br />
<br />
zwischen den Polen Bewegung vs. Ruhe, gelenktes Arbeiten vs. Selbsttätigkeit und<br />
individuelles Arbeiten vs. Gruppenarbeit befördert einen Unterricht im Sinne des<br />
Ganztags.<br />
Beispielgebende Rhythmisierungsmodelle orientieren sich deshalb zunächst an<br />
<br />
Leistungsfähigkeit über den Tag betrachtet großen Schwankungen unterworfen ist –<br />
mit einem breiten Leistungsgipfel am Vormittag und einem länger andauernden Leis-<br />
<br />
<br />
und Zerstreuung dienen. Die schwankende Leistungsfähigkeit ist beispielsweise ein<br />
Grund, warum viele Schulen ihren Förderunterricht inzwischen in den vormittäglichen<br />
<br />
<br />
nötigsten brauchen, während bei einer Platzierung am Nachmittag nur ein geringer<br />
<br />
eine gleichmäßige Verteilung fordernder Unterrichtseinheiten zu achten, damit die<br />
tägliche Gesamtbelastung nicht zu groß wird. Daher ist die Rhythmisierung in der offenen<br />
und gebundenen Organisationsform des Ganztages unterschiedlich ausgeprägt.<br />
111
Auch innerhalb einer Unterrichtseinheit spielt die Rhythmisierung eine wichtige Rolle.<br />
Die Lehrer können beispielsweise durch eine hohe Variabilität der Lehr- und Lernformen,<br />
<br />
Projektarbeit, Gruppenarbeit) und die Integration <strong>von</strong> Phasen gelenkter Bewegung<br />
<br />
<br />
„Man muss sich einfach nur vorstellen, wie sich das anfühlt,<br />
<strong>von</strong> 8.00 Uhr bis 15.00 Uhr in demselben Raum zu sein – das<br />
zermürbt auf Dauer, das kann nicht funktionieren. Auch für die<br />
Lehrer nicht.“<br />
<br />
<br />
im Laufe des Prozesses, wie tiefgreifend und umfassend die Veränderungen sind, wenn<br />
<br />
nicht isoliert an einer bestimmten Stelle Veränderungen herbeiführen, ohne dass diese<br />
viele andere Veränderungen nach sich ziehen – das betrifft Fragen der Organisation,<br />
<br />
der dem aktuellen lernpsychologischen Forschungsstand gerecht wird, der braucht<br />
<br />
die Zusammenfassung <strong>von</strong> Stunden zu Blöcken nachdenkt, braucht gleichzeitig ein<br />
überzeugendes Pausenkonzept. Zudem müssen gerade im ländlichen Raum die Be-<br />
<br />
<br />
<br />
giums etc. Deshalb ist keine Lösung 1:1 <strong>von</strong> einer Schule auf eine andere übertragbar.<br />
Für die Gruppe der 16 Netzwerkschulen war der erste und entscheidende Schritt in<br />
Richtung eines Rhythmisierungskonzepts der Abschied vom 45-Minuten-Takt. Der<br />
Blockunterricht ermöglicht eine deutliche größere Methodenvielfalt, schafft die Voraussetzungen<br />
für fächerübergreifendes Arbeiten und ist für Schüler wie auch Lehrer<br />
organisatorisch mit weniger Stresse verbunden: Man muss nicht so viel Material<br />
bewegen und kann sich gezielter vorbereiten, wenn drei oder vier statt acht verschie-<br />
<br />
<br />
Format etabliert hat, wurden in Mittweida (80 Minuten) oder Chemnitz (70 Minuten)
gewagt hat, konnte jedoch ein positives Resümee gezogen werden. Als Beispiel sei hier<br />
<br />
<br />
Jahr lang konsequent zu verfolgen. Nach Ablauf der Zeit war die Zustimmung überwälti-<br />
<br />
<br />
<br />
Mit Blick auf die Rhythmisierung können sie interessante Impulse liefern.*<br />
Rhythmisierungsplan der Annenschule Chemnitz<br />
Mo Di Mi Do Fr<br />
1. Lerneinheit<br />
<br />
70 min<br />
2. Lerneinheit<br />
<br />
70 min<br />
3. Lerneinheit<br />
11.00 - 12.10 Uhr<br />
70 min<br />
4. Lerneinheit<br />
12.40 - 13.50 Uhr<br />
70 min<br />
5. Lerneinheit<br />
14.00 - 15.10 Uhr<br />
70 min<br />
2 10 18 24 32<br />
4 12 20 26 34<br />
Wahlobligatorische<br />
Kurse (WOK)<br />
6 14<br />
8 16<br />
DAS BLAUE BAND<br />
Die-Kurse<br />
22<br />
Neigungskurse Lernzeit Teamstunde mit<br />
Klassenlehrer<br />
Kommunikationszeit<br />
Lehrerkommunikation<br />
/<br />
Dienstberatung<br />
28<br />
30<br />
113<br />
* <br />
tagsangebote in <strong>Sachsen</strong>. Von der Idee zum Konzept – Eine Praxisbroschüre“ <strong>von</strong> Martina Jahn und
Rhythmisierungsplan der Grundschule Mittelherwigsdorf<br />
Zeit Mo Di Mi Do Fr<br />
07.30 - 08.00 Uhr Gleitzeitbeginn mit Frühstück<br />
08.00 - 09.35 Uhr 1. Unterrichtsblock<br />
<br />
08.00 - 08.45 Uhr<br />
Förderkurse<br />
09.35 - 09.55 Uhr Spiel- und Bewegungspause<br />
09.55 - 11.30 Uhr 2. Unterrichtsblock<br />
<br />
11.30 - 11.45 Uhr Bewegungspause<br />
12.00 Uhr Schulbus<br />
11.45 - 13.15 Uhr 3. Unterrichtsblock oder Einzelstunde<br />
13.45 Uhr Schulbus<br />
13.00 - 14.30 Uhr Lernzeit / Hausaufgabenzeit Schulhort<br />
14.30 - 15.30 Uhr Arbeitsgemeinschaften / Hortangebote<br />
15.40 Uhr Schulbus
Rhythmisierungsplan der Mittelschule Brand-Erbisdorf<br />
Zeit Mo Di Mi Do Fr<br />
07.00-07.30 Uhr Betreuung der Busschüler im Schulclub<br />
07.35-09.05 Uhr Fachunterricht Fachunterricht Fachunterricht Fachunterricht Fachunterricht<br />
09.05-09.25 Uhr Öffnung Bibliothek und Lesezimmer, Sportspiele<br />
09.25-10.55 Uhr Fachunterricht Fachunterricht Fachunterricht Fachunterricht Fachunterricht<br />
10.55-11.20 Uhr Mittagspause, Öffnung Bibliothek, Lesezimmer und Schulclub, Sportspiele<br />
11.20-12.50 Uhr Fachunterricht Fachunterricht Fachunterricht Fachunterricht Fachunterricht<br />
Fachunterricht Fachunterricht Fachunterricht GTA<br />
<br />
stunde<br />
13.10-14.40 Uhr<br />
Förderunterricht,<br />
GTA, Schulclub<br />
Förderunterricht,<br />
GTA, Schulclub<br />
Förderunterricht,<br />
GTA, Schulclub<br />
Förderunterricht,<br />
GTA, Schulclub<br />
115
THEMA INDIVIDUELLES FÖRDERN UND FORDERN<br />
-<br />
<br />
<br />
Beispiel zu den neurowissenschaftlichen Grundlagen des <strong>Lernen</strong>s. So zeigt die Studie<br />
<br />
Sächsischen Bildungsinstitutes, dass Ganztagsangebote ein wichtiger Bestandteil des<br />
<br />
<br />
sind und so den individuellen Lernprozess optimal unterstützen.<br />
<br />
<br />
Schülern gleichen Alters erscheinen – tatsächlich aber bringt jeder Schüler andere<br />
Vorerfahrungen mit, lernt unterschiedlich schnell und kommt auf unterschiedlichen<br />
-<br />
<br />
<br />
<br />
und anzuerkennen.<br />
<br />
<strong>von</strong> Lerngruppen nach prognostizierter Leistungsfähigkeit, Alter, Interesse oder<br />
Geschlecht) und der inneren Differenzierung (oder Binnendifferenzierung), die auf<br />
die individuelle Förderung <strong>von</strong> einzelnen <strong>Lernen</strong>den innerhalb einer bestehenden<br />
<br />
verschieden anspruchsvoller Aufgaben für bestimmte Schülergruppen bzw. auf<br />
aufgabenerteilung.<br />
<br />
des Förderkreislaufs bewährt. Ausgangspunkt hierbei ist die Durchführung einer<br />
pädagogischen Diagnose<br />
<strong>von</strong> Stärken und Schwächen, Belastungsfaktoren und Unterstützungsressourcen.
mitbeurteilungen. Das gilt im Übrigen nicht nur für die initiale Bestandsaufnahme,<br />
<br />
Förderns ist die Benotung allein kein hinreichendes Instrument zur Bewertung <strong>von</strong><br />
Leistungsfortschritten.<br />
Auf Basis der Diagnose können dann Ziele ausgehandelt und vereinbart werden,<br />
<br />
<br />
erreichbar sind, dass sie motivieren und dass die Schüler möglichst aktiv in die Förder-<br />
<br />
„Unser Ziel ist es zunächst, die Besonderheiten der Schüler zu<br />
erkennen. Wenn das gelingt und wenn sie dementsprechend<br />
gefördert werden, kann man sie dann auch für viele andere<br />
Sachen begeistern. Wir arbeiten da zum Beispiel <strong>von</strong> Klasse 5<br />
bis Klasse 10 mit Portfolios, wo die Schüler ihre Stärken doku<br />
<br />
hilfreich, bis hin zur Berufswahl.“<br />
Zu den Maßnahmen<br />
werden können, zählen u. a. Lernverträge und Bildungsvereinbarungen, der Förderunterricht<br />
in kleinen Gruppen, Tutorenprogramme, kooperative Lernformen (z. B. Schülerpatenschaften,<br />
Projektarbeit, Gruppenarbeit), individualisierte Lernaufgaben und<br />
ernder,<br />
nicht abschließbarer Prozess zu verstehen: In regelmäßigen Abständen gilt<br />
es, den Stand der Dinge zu prüfen und gegebenenfalls Justierungen vorzunehmen.<br />
Für den Lehrer erwachsen aus all diesen Punkten neue Anforderungen und ein<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
das dann idealerweise fachübergreifend umgesetzt werden kann.<br />
117
Schließlich steht die Schule auch vor der Aufgabe, ein adäquates Umfeld für das<br />
<br />
Rückzugsräume zum ruhigen, individuellen <strong>Lernen</strong> geschaffen werden. Viele der<br />
Netzwerkschulen – u. a. die Grundschule Mittelherwigsdorf, die Mittelschule<br />
<br />
richtung <strong>von</strong> Lernwerkstätten, die nicht nur eine Bibliothek umfassen, sondern<br />
auch eine Medienecke, Materialsammlungen und Computerarbeitsplätze für Re-<br />
<br />
<br />
<br />
am Gymnasium Schkeuditz bieten gute Voraussetzungen für das individuelle <strong>Lernen</strong>.<br />
<br />
weniger Minuten aufgelöst werden kann – hin zum Stuhlkreis oder zu Gruppenarbeitsplätzen.*<br />
* In diesen Beitrag sind Informationen aus dem Impulsvortrag <strong>von</strong> Carina Kendler zum Fachtag
FREIARBEIT<br />
Um die bei vielen Lehrern vorherrschende Skepsis gegenüber der Freiarbeit abzubauen,<br />
sollte man zunächst herausstreichen, was Freiarbeit nicht bedeutet: Sie dient<br />
nicht zum bloßen Abarbeiten <strong>von</strong> Seiten und Nummern im jeweiligen Lehrbuch,<br />
sie ist kein Vorwand, um dem Lehrer zusätzliche Ruhezeiten zu bescheren und die<br />
Schüler sich selbst zu überlassen – und sie ist auch nicht gleichzusetzen mit der<br />
Stillbeschäftigung. Stattdessen hat sich die aus der Reformpädagogik stammende<br />
Methode der Freiarbeit an vielen Schulen mit Ganztagsangeboten bewährt, um Unterrichtsinhalte<br />
neu zu erarbeiten, zu festigen und zu erproben. Sie trägt dazu bei,<br />
dass Schülerinnen und Schüler Verantwortung für ihre Lernprozesse übernehmen,<br />
<br />
<br />
genem<br />
Arbeiten.<br />
Die Freiarbeit ist nicht frei <strong>von</strong> Struktur – im Gegenteil: Sie erfordert gerade am Anfang<br />
viel organisatorisches Geschick und kann nicht voraussetzungslos eingeführt<br />
schule<br />
mit, auf die in den Mittelschulen und Gymnasien aufgebaut werden kann.<br />
<br />
<br />
men<br />
des offenen Unterrichts aufgebaut werden kann, müssen die Schülerinnen und<br />
Schüler im Rahmen des regulären Unterrichts sukzessive mit den grundlegenden<br />
Techniken und Methoden der Freiarbeit vertraut gemacht werden. Dazu zählen die<br />
-<br />
<br />
und die Schulung der Fähigkeit, die eigenen Leistungen realistisch einzuschätzen.<br />
<br />
des Lerncoachings.<br />
beitsstunden<br />
gewisse Voraussetzungen zu erfüllen: Der Raum, in dem die Freiarbeit<br />
<br />
<br />
Pinnwand, an der die Aufgaben für alle sichtbar ausgehängt werden. Freiarbeitsaufgaben<br />
verbleiben meist in der Schule.<br />
119
Grundsätzlich erfordert die Freiarbeit ein hohes Maß an Offenheit und Neugier –<br />
ohne einen gewissen Vertrauensvorschuss ist sie nicht realisierbar: Die beteiligten<br />
<br />
überhaupt die nötige Zeit für das Format vorhanden ist. Damit werden sie nur einverstanden<br />
sein, wenn sie sicher sein können, dass diese Stunde keine verlorene<br />
stunde<br />
zum Teil für kontroverse Diskussionen, weil Lehrer ihre Schüler nur noch alle<br />
<br />
dazu, kann sich schnell ein Monat ohne Fachunterricht ergeben. Aus diesem Grund<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
und nachfolgende Kollegen über viele Jahre. In die Erarbei<br />
<br />
Der Aufwand kommt zustande, da die Mehrzahl der Aufgaben nicht einfach vom Fach-<br />
<br />
auf die Freiarbeit didaktisch neu erschlossen werden, wenn sich die Schülerinnen und<br />
<br />
<br />
<br />
keit,<br />
in einem gewissen Rahmen selbst zu entscheiden, welche Aufgabe man wann<br />
erledigt, ist für die Schüler enorm motivierend.<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
genommen und hat sich ein Pool <strong>von</strong> Aufgaben bewährt, können die betreuenden<br />
<br />
eingehen.
Zu den Netzwerkschulen, an denen die Freiarbeit praktiziert wird, gehören die Grundschule<br />
Mittelherwigsdorf, die Mittelschule in Stauchitz und die Mittelschule in Oederan.<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
kann, dass alle Schüler bereits über die entsprechende Selbstständigkeit verfügen,<br />
<br />
werden zunächst nur Aufgaben aus zwei Fächern in der Freiarbeit erledigt, später wird<br />
es kontinuierlich mehr.<br />
-<br />
<br />
<br />
im Rahmen <strong>von</strong> schulinternen Fortbildungen angeeignet. Danach begann man mit<br />
<br />
<br />
Lehrer zurücknehmen. Ich bin dann in einer Beobachterrolle und schreite nur ein, wenn<br />
*<br />
121<br />
* In diesen Beitrag sind Informationen aus dem Impulsvortrag zum Thema Freiarbeit<br />
<br />
er am 18.6.2011 bei einem Netzwerktreffen in Dresden.
Annenschule<br />
Chemnitz<br />
Annenstraße 23<br />
09111 Chemnitz<br />
Augustum-Annen-Gymnasium<br />
Görlitz<br />
Annengasse 4<br />
02627 Görlitz<br />
Franziskaneum<br />
Meißen<br />
Kaendlerstraße 1<br />
01662 Meißen<br />
Grundschule<br />
Mittelherwigsdorf<br />
Hauptstraße 50<br />
02763 Mittelherwigsdorf<br />
Gustav-Hertz-Schule<br />
Gymnasium der Stadt Leipzig<br />
Dachsstraße 5<br />
04329 Leipzig<br />
Gymnasium<br />
Schkeuditz<br />
Lessingstraße 10<br />
04435 Schkeuditz<br />
J.-G.-Fichte-Schule<br />
Mittweida<br />
Schulstraße 6<br />
09648 Mittweida<br />
Johann-Heinrich-Pestalozzi-<br />
Gymnasium Rodewisch<br />
Straße des Friedens 5<br />
08228 Rodewisch<br />
Tel. 0371/369130<br />
Mail annen-ms@t-online.de<br />
Web www.annenschule.de<br />
Tel. 03581/7500790<br />
Mail mail@anne-augustum.de<br />
Web www.anne-augustum.de<br />
Tel. 03521/76040<br />
Mail sekretariat@franziskaneum.de<br />
Web www.franziskaneum.de<br />
Tel. 03583/512579<br />
Mail info@grundschule-mittelherwigsdorf.de<br />
Web www.grundschule-mittelherwigsdorf.de<br />
Tel. 0341/2502510<br />
Mail GHGSekretariat@gmx.de<br />
Web www.gustav-hertz-gymnasium.de<br />
Tel. 034204/62622<br />
Mail schulleitung@gymnasiumschkeuditz.de<br />
Web www.gymnasium-schkeuditz.de<br />
Tel. 03727/2117<br />
Mail <br />
Web <br />
Tel. 03744/189880<br />
Mail schulleitung-pestaro@gmx.de<br />
Web www.pesta-rodewisch.de<br />
ADRESSEN &<br />
KONTAKTE
Martin-Andersen-Nexö-<br />
Gymnasium Dresden<br />
Haydnstraße 49<br />
01309 Dresden<br />
Mittelschule „Anne Frank“<br />
Stauchitz<br />
Riesaer Straße 20<br />
01594 Stauchitz<br />
Mittelschule<br />
Brand-Erbisdorf<br />
August-Bebel-Straße 28<br />
09618 Brand-Erbisdorf<br />
Mittelschule „Clara Zetkin“<br />
Freiberg<br />
Dörnerzaunstraße 2<br />
09599 Freiberg<br />
Mittelschule „Maxim Gorki“<br />
Hainichen<br />
Lutherplatz 6<br />
09661 Hainichen<br />
Mittelschule<br />
Oederan<br />
Frankenberger Straße 19/21<br />
09569 Oederan<br />
Pestalozzi-Gymnasium<br />
Heidenau<br />
Hauptstraße 37<br />
01809 Heidenau<br />
Wiprecht-Gymnasium<br />
Groitzsch<br />
Am Gymnasium 1<br />
04539 Groitzsch<br />
Sächsisches Staatsministerium<br />
für Kultus – Servicestelle Ganztagsangebote<br />
<strong>Sachsen</strong><br />
PF 10 09 10<br />
01079 Dresden<br />
Tel. 0351/3110146<br />
Mail GYM-MAN@mailbox.tu-dresden.de<br />
Web www.manos-dresden.de<br />
Tel. 035268/82219<br />
Mail mittelschule-stauchitz@t-online.de<br />
Web www.sn.schule.de/~ms-stauchitz<br />
Tel. 037322/5760<br />
Mail kilian.msbed@freenet.de<br />
Web www.ms-bed.de<br />
Tel. 03731/7987880<br />
Mail mscz@schule.tu-freiberg.de<br />
Web www.zetkin-schule.de.vu<br />
Tel. 037207/659979<br />
Mail mittelschule-hainichen@gmx.de<br />
Web www.mittelschule-hainichen.de<br />
Tel. 037292/60296<br />
Mail mittelschule-oederan@t-online.de<br />
Web www.mittelschule-oederan.de<br />
Tel. 03529/512371<br />
Mail sekretariat@pestalozzigymnasiumheidenau.de<br />
Web www.pestalozzi-gymnasium-heidenau.info<br />
Tel. 034296/42462<br />
Mail mail@gymnasium-groitzsch.de<br />
Web www.gymnasium-groitzsch.de<br />
Tel. 0351/5642961<br />
Fax 0351/5642904<br />
Mail martina.jahn@smk.sachsen.de<br />
marlen.wippler@smk.sachsen.de<br />
123
Servicestelle Ganztagsangebote <strong>Sachsen</strong> (Hrsg.)<br />
Eine Kooperation des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus<br />
und der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung gemeinnützige GmbH<br />
Layout und Design:<br />
Sandra Uhlitzsch, www.sandruschka.de<br />
Fotos: Dirk Sterzel<br />
Lektorat: Henry Kuritz<br />
Druck: Union Druckerei Dresden<br />
2.000 Exemplare<br />
Kontakt:<br />
Sächsisches Staatsministerium für Kultus<br />
Servicestelle Ganztagsangebote <strong>Sachsen</strong><br />
Carolaplatz 1<br />
01097 Dresden<br />
Tel. 0351/5642961<br />
serviceteam.gta@smk.sachsen.de<br />
weitere Informationen erhalten Sie unter:<br />
www.sachsen.ganztaegig-<strong>lernen</strong>.de<br />
Zum Autor:<br />
Helge Pfannenschmidt, geb. 1974, Studium der Germanistik, Anglistik und Sprechwissenschaft/Phonetik<br />
in Jena und Canterbury (UK), arbeitet als Freier Lektor,<br />
Texter und Publizist in Dresden.<br />
© Deutsche Kinder- und Jugendstiftung gemeinnützige GmbH<br />
IMPRESSUM
In den beiden Schuljahren 2010/11 und 2011/12 schlossen sich 16 sächsische<br />
Schulen mit Ganztagsangeboten zu einem Schulnetzwerk zusammen. Die Servicestelle<br />
Ganztagsangebote organisierte, koordinierte und begleitete die Arbeit<br />
des Netzwerkes. Jede teilnehmende Schule setzte sich ein eigenes Ziel für die<br />
Netz werk arbeit. So wurden Konzepte zur Rhythmisierung, zum sozialen <strong>Lernen</strong><br />
und zum Fördern und Fordern an den Schulen weiterentwickelt. Die Broschüre<br />
dokumentiert die Konzepte dieser zwei Schuljahre und bietet An regungen und<br />
Ideen für die qualitative Weiterentwicklung <strong>von</strong> Ganztagsangeboten an sächsischen<br />
Schulen. Darüber hinaus stellen die Netzwerkschulen ihr Wissen jetzt als<br />
Referenzschulen zur Verfügung.<br />
»Trotz sich ändernder Rahmenbedingungen suchen Schulen nach neuen Ideen<br />
und Umsetzungsmöglichkeiten. Das kostet viel Kraft, bietet aber auch große<br />
Chancen sowohl für Stabilität als auch für Weiterentwicklung. Dieses enorme<br />
Potenzial an Ideen gilt es zu nutzen – zum Beispiel, um andere Schulen zu motivieren,<br />
das zu bewahren, was sie sich mit großem Engagement aufgebaut haben,<br />
oder um zu zeigen, dass es trotz aller Schwierigkeiten neue Lösungswege gibt.<br />
Ein Ziel unserer Arbeit mit den Netzwerken war und bleibt deshalb der Austausch<br />
<strong>von</strong> Wissen und Erfahrung unter pädagogisch und organisatorisch fundierten<br />
Gegebenheiten.«<br />
Aus Martina Jahns Fazit zur Netzwerkarbeit<br />
GEFÖRDERT DURCH