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Wirkstoffe Effekte

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Pädagogische Hochschule Chemie 7sm<br />

St. Gallen<br />

<strong>Wirkstoffe</strong><br />

<strong>Effekte</strong><br />

"Modelle zu benutzen ist so eine eigene Kunst; soundso viel ist davon zu<br />

erlernen. Weder die Absicht, die Vorlage genau zu treffen, noch die<br />

Absicht, sie schnell zu verlassen, ist das Richtige."<br />

Prof. Dr. Peter Bützer<br />

Altstätten, , August 2008<br />

(Berthold Brecht in "Mutter Courage und ihre Kinder")<br />

, Titelbild: Pflanze: Salbei; Molekül: Inhaltstoff von Salbei: Salvinorin A; Graph: Drei Dosis-Effekt-Kurven<br />

(heilend, schädigend, letal)


Inhalt<br />

2<br />

1 Nutzen oder Schaden?............................................................................................4<br />

1.1 <strong>Wirkstoffe</strong>, Gifte und Pharmaka ........................................................................4<br />

1.2 Wirkungen eine chemische Eigenschaft............................................................5<br />

1.3 Die 3 V der Anwendung von <strong>Wirkstoffe</strong>n...........................................................6<br />

1.4 Definition eines Pharmakons.............................................................................7<br />

2 Gifte..........................................................................................................................8<br />

2.1 Die biologische Wirkung..................................................................................13<br />

2.2 Faktoren, welche die Wirkung wesentlich beeinflussen können......................15<br />

3 Geruch, eine molekulare Wirkung ..........................................................................17<br />

3.1.1 Geruchsempfindung<br />

Chemie Bützer<br />

, ................................................................................18<br />

3.1.2 Geruchsindentifikation..............................................................................19<br />

3.1.3 Geruchsintensität .....................................................................................20<br />

3.1.4 Geruchsschwellen....................................................................................21<br />

4 Resorption von Substanzen ...................................................................................23<br />

Passive Diffusion .......................................................................................................23<br />

Erleichterte Diffusion..................................................................................................23<br />

Aktiver Transport........................................................................................................24<br />

Pinocytose, Phagocytose, Persorption.......................................................................24<br />

4.1 Diffusion ..........................................................................................................25<br />

4.1.1 Inhalation..................................................................................................27<br />

4.1.2 Orale Resorption ......................................................................................27<br />

4.1.3 Dermale Resorption .................................................................................28<br />

4.1.4 Parenterale Resorption ............................................................................28<br />

4.2 Dissoziation.....................................................................................................28<br />

5 Elimination..............................................................................................................34<br />

5.1 Biotransformation ............................................................................................34<br />

5.2 Exkretion .........................................................................................................35<br />

5.3 Geschwindigkeit von Gleichgewichtseinstellungen (Kinetik) ...........................36<br />

5.4 Occupationsmodell..........................................................................................39<br />

5.4.1 Annahmen für das Modell: .......................................................................40<br />

5.4.2 Grenzen des Modells ...............................................................................41<br />

5.4.3 Übertragung auf Populationen .................................................................44<br />

5.4.4 Bedeutung für die Wirkungsbeurteilung ...................................................46<br />

5.4.5 Experimentelle Auswertung von <strong>Effekte</strong>n.................................................50<br />

5.4.6 Praktische Anwendung und Auswertung..................................................52<br />

5.4.7 Das Occupationsmodell mit Antagonisten................................................62<br />

5.5 Hormesis .........................................................................................................64<br />

5.6 Gefährlichste <strong>Effekte</strong>.......................................................................................65<br />

5.7 Stereochemie der <strong>Effekte</strong>................................................................................66<br />

5.8 Resistenzbildung bei Antibiotika......................................................................69<br />

6 Haber'sche Regel, ct-Produkt und Dosis................................................................70<br />

6.1 Modellvoraussetzungen ..................................................................................70<br />

6.2 Grenzwerte......................................................................................................74<br />

6.3 Kohlenmonoxid................................................................................................78<br />

6.4 Beurteilung von Stoffgemischen......................................................................84<br />

6.5 Schwefelwasserstoff........................................................................................86<br />

6.6 Die krebserzeugende Substanz Benzol ..........................................................88<br />

6.7 Konzentrationsberechnungen in der Umweltchemie .......................................89<br />

6.7.1 Problemstellung Ozon, O3........................................................................89<br />

6.8 Dioxin und ADI-Wert........................................................................................91


Chemie Bützer<br />

3<br />

7 Carcinogene Wirkungen .........................................................................................94<br />

7.1 Beispiele für die Giftung im Körper..................................................................97<br />

7.2 Tumorbildung ..................................................................................................98<br />

7.3 Das lineare Modell...........................................................................................99<br />

8 Chemikaliengesetz ...............................................................................................102<br />

8.1 Sicherheitsdatenblatt.....................................................................................102<br />

9 Die Wirkung von Strahlen.....................................................................................107<br />

9.1 Kernaussagen zur Radioaktivität...................................................................107<br />

9.2 Auswirkungen auf den Menschen .................................................................108<br />

9.2.1 Ortsdosisleistung....................................................................................109<br />

9.2.2 Interne Bestrahlung................................................................................110<br />

9.2.3 Molekulare <strong>Effekte</strong> .................................................................................111<br />

9.3 Das Krebsrisiko .............................................................................................112<br />

10 Überblick...........................................................................................................113<br />

11 Glossar .............................................................................................................114<br />

12 Risiko-, Sicherheits-, Entsorgungs-Sätze..........................................................126<br />

12.1 R-Sätze .........................................................................................................126<br />

12.2 S-Sätze .........................................................................................................129<br />

12.3 E-Sätze .........................................................................................................131<br />

13 Anhang: Sicherheitsdatenblatt: Nicotin .............................................................132


1 Nutzen oder Schaden?<br />

sola dosis facet venenum<br />

Allein die Dosis macht, dass etwas<br />

ein Gift ist (Paracelsus 1)<br />

(1537/38, in „7 Defensiones“)<br />

Kleine Dosen können Medikamente sein,<br />

grosse Gift (Colchizin, Digitalis, Aspirin –<br />

eigentlich alle Medikamente).<br />

"Verordnung den Gift- Verkauf angehend:<br />

Gegeben den 25. Augstmonats 1772, erneuert<br />

den 13. März 1789" (Kanton Bern).<br />

"3°) Unter dem Ausdruck Gift verstehen Wir,<br />

sowohl alles Fleigen- und Mäusegift, als alle<br />

andre Gattungen von Giften, sowohl aus dem<br />

Pflanzen- als Mineralreich, von welcher Art und<br />

Namen sie immer seyn mögen; und soll solches<br />

von niemanden anders, als gegen Vorweisung und Auslieferung hienachbemeldter massen<br />

ausgefertigter Giftscheine, verkauft oder abgeliefert werden."<br />

1.1 <strong>Wirkstoffe</strong>, Gifte und Pharmaka<br />

<strong>Wirkstoffe</strong>, Gifte und Pharmaka sind charakterisiert mit:<br />

- Art der Wirkung<br />

- Ausmass der Wirkung<br />

- Dauer der Wirkung<br />

Da bleiben Fragen: (Wirkungsmechanismus)<br />

� Wie wirkt eine Substanz?<br />

� Warum wirkt eine Substanz?<br />

4<br />

Abbildung 1: Philippus Aureolus<br />

Theophrastus Bombast von<br />

Hohenheim, (1493-1541). Genannt<br />

Paracelsus<br />

Beispiel Ricin:<br />

Der Samen der Ricinusstaude enthält unter anderem ein Protein, das schon in einer<br />

Dosis von ca. 100 μg tödlich wirkt. Das Protein ist im Ricinusöl nicht löslich und bleibt<br />

somit in den Pressrückständen zurück. Die Pflanze schützt ihren Samen mit diesem<br />

Gift, denn bei der Keimung im Boden wird das Gift rasch abgebaut.<br />

Es stellen sich zwei Fragen:<br />

1. Wie wirkt dieses Protein? � Gefährlichkeit,<br />

2. Bei welcher Dosis treten welche Schädigungen auf? � Risiko<br />

1 Paracelsus, Philippus Aureolus, eigentlich Philippus Aureolus Theophrastus Bombast von Hohenheim,<br />

(1493-1541), schweizerischer Arzt und Chemiker. Paracelsus griff die medizinischen<br />

Glaubenssätze seiner Zeit an und behauptete, Krankheiten würden durch körperfremde<br />

Substanzen verursacht und liessen sich durch chemische Substanzen bekämpfen. Geboren in<br />

Einsiedeln.<br />

Chemie Bützer


Resorption<br />

Verteilung<br />

Speicherung<br />

Elimination<br />

Abbildung 2: Der molekulare Weg zum Effekt<br />

5<br />

Dosis<br />

Serumspiegel<br />

pharmakodynamischer<br />

Effekt<br />

1.2 Wirkungen eine chemische Eigenschaft<br />

Biotransformation<br />

Viele Wirkungen lassen sich „neutralisieren“, denn sie sind direkt mit chemischen<br />

Eigenschaften verknüpft.<br />

Tabelle 1: Entgifungen, Beispiele<br />

Beispiele:<br />

Entgiftung durch Verdünnen<br />

HCl - Konz. >25% ≥10-25 % >10<br />

Gefahrensymbol C Xi frei<br />

H2O2-Konz. Gas 10% 2.1-9.9% 1-2% 5000<br />

Neutralisation<br />

NaOH + HCl � NaCl<br />

Gefahrensymbol C C frei<br />

MAK (ppm) 2 5 frei (Staub?)<br />

LD(50) mg/kg 70 2-4 (iv.)<br />

14 (oral)<br />

5400<br />

Entgiftung durch Oxidation<br />

Oxidation<br />

(Verbrennung)<br />

KCN + H2O2 � KCNO + H2O<br />

LD(50)(mg/kg) < 5 5-50 (10%) 500-5000 frei<br />

Entgiftung durch Oxidation<br />

Oxidation<br />

(Verbrennung)<br />

4 HCN + 5 O2 � 4 CO2 + 2 N2 + 2 H2O<br />

MAK (ppm) 5 6.0*10 5<br />

5000 frei<br />

Giftung in der Umwelt: Ozonbildung<br />

3 O2 � 2 O3<br />

MAK (ppm) frei 0,1<br />

Chemie Bützer


1.3 Die 3 V der Anwendung von <strong>Wirkstoffe</strong>n<br />

vermeiden<br />

• möglichst wenig gefährliche Substanzen (� ersetzen)<br />

• nie mischen<br />

• nur in Originalflaschen lassen<br />

• Beschriftung immer gut sichtbar halten<br />

• nicht in die Kanalisation entsorgen<br />

• nicht verbrennen<br />

vermindern<br />

• möglichst wenig verwenden<br />

• sorgfältig anwenden<br />

• richtig aufbewahren<br />

verbessern<br />

• bessere Verfahren, gefahrlosere Reaktionen<br />

6<br />

Die Gefahrenklassierung gibt Aufschluss darüber, wie gefährlich die verwendeten Stoffe<br />

eingestuft werden.<br />

Brennspiritus (Ethanol)<br />

• feuergefährlich (eigentlich:<br />

leichtentzündlich)<br />

Spiritus: Ethanol, CH3CH2OH,<br />

landläufig Alkohol<br />

Schnellentkalker<br />

• Amidosulfonsäure<br />

• ätzend,<br />

• nicht einnehmen,<br />

• Haut- und Augenkontakt vermeiden<br />

Amidosulfonsäure (Amidoschwefelsäure,<br />

Sulfaminsäure): H2N–SO2–OH<br />

Abbildung 3: Beispiele von Stoffen im Haushalt, die Hinweise auf deren Gefährlichkeit haben<br />

Chemie Bützer


1.4 Definition eines Pharmakons<br />

2 Lüllmann H., Mohr K., Ziegler A., Taschenbuch der Pharmakologie, Georg Thieme Verlag<br />

Stuttgart/New York, 1994, 279<br />

3 Enck P., Deutsche Medizinische Wochenschrift 130: 1934 (2005), Abstract<br />

4 Zubieta J.K, Journal of Neuroscience 25(34) (2005), zitiert in wissenschaft-online 26.08.2005<br />

5 Petrovic P., Neuron 46: 957-969 (2005) , zitiert in wissenschaft-online 15.06.2005<br />

Chemie Bützer<br />

7<br />

Man bezeichnet einen Stoff (Element, chemische Verbindung) als Pharmaka,<br />

wenn er:<br />

1. in einem bestimmten biologischen System (Mensch, Tier, Organ, Zelle)<br />

2. bei Zufuhr in bestimmten Dosen, auf bestimmten Wegen und in bestimmten<br />

Zeitabständen,<br />

3. zur Prophylaxe, Diagnose oder Therapie geeignet ist.<br />

Notwendige Bedingungen für die Eignung sind:<br />

1. Die erwünschte prophylaktische, diagnostische oder therapeutische Wirkung<br />

muss als biologische Wirkung erwiesen sein.<br />

2. Die unerwünschten zusätzlichen Wirkungen dürfen den Einsatz des Stoffes für<br />

prophylaktische, diagnostische oder therapeutische Zwecke nicht ausschliessen.<br />

Eine biologische Wirkung eines Pharmakons oder eines Giftes ist:<br />

1. Eine Änderung des Ausgangszustandes des biologischen Systems,<br />

2. ursächlich bedingt durch Art, Dosis und Applikationsform des Stoffes;<br />

3. qualitativ und quantitativ definierbar (und daher reproduzierbar).<br />

Daraus folgt, dass Wirkungen durch psychologische <strong>Effekte</strong>, die durchaus<br />

dosisunabhängig (z.B. Placebo) auftreten können, werden nach dieser Definition nicht<br />

als biologische Wirkung von Pharmaka oder Giften angesehen werden.<br />

Placebowirkungen sind immer wieder überraschend.<br />

Placebogaben rufen nicht nur günstige, sondern auch ungünstige psychische und<br />

physische <strong>Effekte</strong> hervor. Nach Placebogaben beobachtete man in zahlreichen<br />

Untersuchungen Nebenwirkungen, die wohl nicht bedenklich waren, welche aber nach<br />

der Einnahme von wirksamen Pharmaka häufig als störend beschrieben werden. In<br />

einer Beobachtungsreihe kam es in 10% bis 25% der Fälle zu trockenem Mund,<br />

Nausea, Schweregefühl, Schwierigkeiten sich zu konzentrieren, Schläfrigkeit,<br />

Kopfschmerzen und sogar in 50% zu Dösigkeit 2 . Die Häufigkeit der Nebenwirkungen ist<br />

abhängig davon, ob die Patienten überhaupt nach Nebenwirkungen befragt wurden und<br />

wie diese Befragung erfolgte. Die Wirkung von Placebos wird sogar vom Geschlecht<br />

der Ärzte und Patienten mitbestimmt! 3<br />

Unter diesem Gesichtspunkt sind homöopathische Mittel zu befürworten, da sie keine<br />

Haupt- und Nebenwirkungen besitzen und in stark suggestiver Weise verordnet und mit<br />

besonderen Erwartungen entgegengenommen werden – bei genügend kleinen Dosen<br />

werden keine direkten biochemischen Wirkungen, aber auch keine entsprechenden<br />

Nebenwirkungen erwartet.<br />

Mit Positronen-Emissions-Tomografie (PET) ist der Nachweis gelungen, dass Placebos<br />

im Gehirn die Ausschüttung von körpereigenen Schmerzmitteln, den Endorphinen,<br />

anregen. Damit ist ein Zusammenhang zwischen Placebo-Effekt und biochemischen<br />

Prozessen wissenschaftlich bestätigt 4 . Ebenfalls gelang es zu zeigen, dass Placebos<br />

die Hirnaktivität zur Vermeidung unangenehmer Gefühle steigern können 5 - wobei die<br />

entsprechende Erwartungshaltung Positronen-Emissions-Tomografen (PET) von<br />

besonders hoher Bedeutung war.


Eine Auswertung von vielen Studien hat bestätigt, dass homöopathische Mittel nicht<br />

mehr Wirkung zeigen als Placebos 6 .<br />

Eine quantitative Abschätzung:<br />

8<br />

Ein Mol eines Wirkstoffs enthält N A =6.022•10 23 Moleküle. Das sind bei einer Dosis von<br />

m=1 mg und einer Molmasse von M=200 g/mol N = n•N A =m/M•N A =<br />

0.001/200•6.022•10 23 = 3•10 18 Moleküle. Der Mensch enthält etwa 3•10 13 Zellen 7 .<br />

Somit kommen bei gleichmässiger Verteilung auf eine Zelle 10 5 Wirkstoffmoleküle.<br />

Diese einfache Abschätzung weist darauf hin, dass strukturspezifische <strong>Wirkstoffe</strong><br />

bevorzugt in spezifischen Zellen reagieren.<br />

2 Gifte<br />

Definition von Gift<br />

Als Gifte gelten unbelebte Stoffe und daraus hergestellte Erzeugnisse die, vom Körper<br />

aufgenommen oder mit ihm in Berührung gebracht, schon in verhältnismässig geringen<br />

Mengen durch chemische oder chemisch- physikalische Wirkung das Leben oder die<br />

Gesundheit von Menschen und Tieren gefährden können und deren Handhabung daher<br />

besondere Vorsicht verlangt.<br />

Tabelle 2: Beispiele von natürlichen toxischen Inhaltsstoffen in Lebensmitteln<br />

Inhaltsstoff Vorkommen<br />

Wirkung<br />

Amygdalin (Glucosid) bittere Mandeln bildet Blausäure<br />

60 Bittermandeln tödlich (Erwachsene)<br />

5-10 tödl. Kind od. 10 Tropfen<br />

Bittermandelöl<br />

Glucobrassicin Kohlarten bildet Rhodanid (SCN<br />

(Glucosid)<br />

- ) und andere<br />

kropfbildenden Substanzen<br />

Solanin Kartoffeln Kratzen im Hals, Bauchschmerzen,<br />

Durchfälle (tox. Dosis ca. 25 mg)<br />

Oxalsäure Rhabarber, Spinat Gastroenteritis, Nierensteine<br />

Myristicin Muskatnuss Halluzinationen, Dellirium<br />

Tyramin, Histamin Käse, Wein Kopfschmerzen, Bluthochdruck<br />

(biogene Amine)<br />

Saxitoxin Muscheln, Austern,<br />

die sich von<br />

bestimmten Algen<br />

ernähren<br />

Siehe auch: Toxikologie der Nahrungsmittel 8<br />

starkes Nervengift, verursacht<br />

Lähmungen<br />

6 Eggert M. et al., The Lancet 366: 726-732 (2005), zitiert in wissenschaft-online 26.08.2005<br />

7 Korolkovas A., Grundlagen der molekularen Pharmakologie, Georg Thieme Verlag Stuttgart, 1974, 275<br />

8 Lindner E., Toxikologie der Nahrungsmittel, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 1979<br />

Chemie Bützer


Tabelle 3: Ein harmloser Tee?<br />

Heilkraut<br />

Chemie Bützer<br />

9<br />

Heilwirkung als Tee Schadwirkung bei Dauergebrauch<br />

Pfefferminze Magen- und<br />

Darmstörungen,<br />

Gallenbeschwerden<br />

Kamille Entzündungen vor allem im<br />

Magen- Darmbereich<br />

Verdauungsenzyme werden in ihrer<br />

Wirkung vermindert<br />

Störung des biologischen Gleichgewichts,<br />

z.T. nervöse Herzstörungen<br />

Thymian Husten Störung der Schilddrüsenfunktion<br />

Trotz diesen Giften als Inhaltsstoffe, können wir diese Nahrungsmitteln essen, aber:<br />

• "Allzu viel ist ungesund",<br />

• "Zuwenig und zu viel - ist beides Narrenspiel" und<br />

• Die Wissenschaft kann nie die Nichtexistenz einer Vergiftung nachweisen.<br />

Die erwünschte pharmakologische Wirkung mit der Dosierung im sogenannten<br />

„therapeutischen Fesnter“ und die unerwünschte toxische Wirkung stehen oft im<br />

Verhältnis eines stetigen Übergangs.<br />

Baumwolle als Gefährdung?<br />

Gifte können sich auch bei so genannten Naturprodukten zeigen. Die Byssinose<br />

(griechisch Byssos Baumwolle, Flachs) ist eine charakteristische, chronische<br />

Berufskrankheit der Atemorgane bei Baumwoll-, Hanf- und FlachsarbeiterInnen. Bei<br />

HanfarbeiterInnen heisst sie auch Cannabinose, bei FlachsarbeiterInnen Linose. Die<br />

Byssinose kommt in den Produktionsländern sehr häufig vor. Eine ägyptische Umfrage<br />

beziffert den Anteil der in der Baumwollernte beschäftigten Personen, welche die<br />

Symptome einer Byssinose angeben, auf 38%. In Westeuropa hängt die Häufigkeit<br />

beim Umgang mit Baumwolle von der Baumwollsorte ab. Die Durchschnittszahlen<br />

schwanken nach Angaben der SUVA zwischen 20% und 40%. Die schlechtesten<br />

Qualitäten sind mit den grössten Erkrankungsziffern, bis 60%, verbunden. Die<br />

Symptome zeigen sich beim Menschen bei einer Exposition von ca. 10 Jahren, nach<br />

einer Einwirkungszeit von 20 Minuten als beengendes Gefühl auf der Brust, Abnahme<br />

des maximalen Expirationsvolumens und einer Ungleichheit der Lungenbelüftung.<br />

Montags, am Ende des Vormittags oder am Nachmittag stellt sich das beengende<br />

Gefühl auf der Brust ein, daher der Name "Montagsdyspnoe". Die Beschwerden<br />

kommen immer nach den Ferien und nach jedem Arbeitsunterbruch. Gibt der Patient im<br />

fortgeschrittenen Stadium die Arbeit mit der Baumwollstaubbelastung auf, verschwinden<br />

die Anfälle von Atemnot, eine Ventilationsstörung (obstruktives Syndrom) bleibt aber<br />

bestehen. In England wurden seit ca. 30 Jahren mehrere tausend Renten wegen<br />

respiratorischer Invalidität durch Byssinose ausgerichtet, und pro Jahr kommen 200 bis<br />

300 neue Fälle dazu. Untersuchungen in Lancashire zeigen, dass die kardio-<br />

respiratorische Mortalität bei Arbeitern der Textilindustrie doppelt so gross ist, wie<br />

beider übrigen Bevölkerung. Spanische Vergleichsuntersuchungen haben bei<br />

Flachsarbeitern eine kürzere Lebenserwartung als bei der übrigen Bevölkerung<br />

gefunden.<br />

Je höher die Dosis, desto stärker die Wirkung (aber auch die Nebenwirkungen).<br />

Die Dosisabhängigkeit des Effekts gilt auch für Mikroorganismen (Viren, Bakterien,<br />

Pilze).


10<br />

Beispiel Mikroorganismen:<br />

Wenn ein gesunder Körper mit der Nahrung 1000 Salmonellen aufnimmt, wird<br />

der Körper mit diesen Stäbchenbakterien spielend fertig. Ab 10'000 ist es nicht<br />

mehr so gemütlich, sind 100'000 im Spiel, reagieren wir mit Durchfall und sind<br />

ernsthaft krank – allein die Anzahl (Dosis) macht, dass Bakterien gefährlich sind. Für<br />

Viren und Bakterien liegen die kleinsten Infektionswerte, welche eigentlich den LDLo-<br />

Werten entsprechen, im Bereich von 10 -8 g (Bakterien) bis 10 -14 g(kleine Viren) 9 .<br />

Folgerung:<br />

Molekular funktionieren alle <strong>Wirkstoffe</strong> im Prinzip gleich, ob es sich um Drogen, Gifte,<br />

Doping oder Heilmittel handelt – nur die Folgen sind verschieden.<br />

Wie unterscheiden sich Gifte und Pharmaka?<br />

Bei Giften ist der Schaden grösser als der Nutzen, bei Pharmaka ist der Nutzen grösser<br />

als der Schaden.<br />

Wer die chemischen Eigenschaften einer Substanz kennt, kann deren Wirkungen bis zu<br />

einem gewissen Mass vorhersagen (Struktur-Aktivitäts-Beziehung; Structure-Activity-<br />

Relationship SAR oder Quantitative Structure-Activity Relationship: QSAR). Zur<br />

Unterstützung dieser Beurteilungen werden heute Computerprogramme verwendet,<br />

welche aus den Strukturen die Reaktionen ableiten.<br />

9 Koop N., ABC Abwehr in der erweiterten Luftverteidigung, Forum ABC Abwehr und Schutzaufgaben,<br />

Bonn 2001<br />

Chemie Bützer


11<br />

Welches sind chemische Voraussetzungen, damit eine Substanz gefährlich ist? (Wann<br />

ist eine Substanz physiologisch wirksam?)<br />

1. Ungewöhnliche Oxidationszahlen (reaktiv): Wasserstoffperoxid, Kohlenmonoxid,<br />

Hypochlorite, Nitrite, Chlorate. Verbindungen zwischen elektronegativen Elementen:<br />

Ozon, Peroxide, Fluor, Chlor, Brom, Iod, Phosgen, Isocyanate, Cyanide, Stickoxide,<br />

Schwefeloxide, Chloroxide..<br />

2. Sehr grosse chemische Reaktivität: Starke Säuren/Basen, Stoffe mit sehr grossem<br />

Wasserbindungsvermögen, konz. Säuren/Basen, Alkalimetalle, Halogene, spez.<br />

Modifikationen wie weisser Phosphor, Säurechloride etc.<br />

3. Gespannte Verbindungen: Drei-, Vierringe.<br />

4. Hoher Dampfdruck: Wasserstoff, Ammoniak, Chlor, Ozon, Brom, Quecksilber. Fein<br />

verteilte Stoffe (grosse Oberfläche: Nickel, Eisen, Paladium, Holz, Mehl,<br />

Medikamente..)<br />

5. Ausgeprägte Elektrophilie (mutagen, carcinogen): Epoxide, Azirine, N-Nitrosamine,<br />

Alkylierungsmittel, Dreiringe mit einem Element mit EN>2.6.<br />

6. Lipophile Stoffe (fettlösliche Stoffe): Tetrachlorkohlenstoff, Benzol, DDT, Vinylchlorid,<br />

je mehr Halogene desto toxischer (mit Ausnahmen), vor allem als schwache Basen<br />

(Amine).<br />

7. Schwache Basen (Amine)<br />

8. Polare Stoffe in unpolarer Umgebung.<br />

Eine Kombination der obigen Eigenschaften vergrössert die Gefährdung.<br />

schwach<br />

basisch<br />

elektrophil<br />

lipophil<br />

gasförmig<br />

fein verteilt<br />

reaktiv<br />

Abbildung 4: Wichtige Parameter, welche die Reaktivität einer Substanz beeinflussen<br />

Chemie Bützer


12<br />

Die gegenseitige Beeinflussung der Parameter kann mit dem Sensitivitätsmodell nach<br />

Vester 10, 11 recht gut abeschätzt werden. Für unser Betrachtung sollen nebst der Wirksamkeit<br />

nur gerade 5 Parameter berücksichtigt werden.<br />

Die erwartete Kopplung wird in 5 Stufen eingeteilt:<br />

0: keine, 1: mögliche; 2: erkennbare; 3: wichtige; 4: dominante Kopplung<br />

Es wird nur die direkte Beeinflussung der Parameter in den Zeilen auf die beurteilten<br />

Parameter in den Kolonnen zugelassen.<br />

Tabelle 4: Wirkung der Parameter<br />

von/auf �<br />

�<br />

Reaktivität<br />

Polarität<br />

Lipophilie<br />

Basizität<br />

Reaktivität ------ 0 0 0 4 4 8.0 1.0<br />

Polarität 2 ------ 4 1 3 3 13.0 2.2<br />

Lipophilie 0 4 ------ 1 3 3 11.0 1.6<br />

Basizität 2 2 1 ------ 1 3 9.0 4.5 aktiv<br />

Persistenz 4 0 2 0 ------ 3 9.0 0.8<br />

Wirksamkeit 0 0 0 0 1 ------ 1.0 0.1 reaktiv<br />

PS 8 6 7 2 12 16<br />

P = AS x PS/10 6.4 7.8 7.7 1.8 10.8 1.6<br />

kritisch puffernd<br />

Tabelle 5: Interpretation<br />

Kybernetische<br />

Rolle<br />

Charakteristik Bemerkungen<br />

Aktivsumme Beeinflusst die andern Diese Summe gibt an, wie aktiv ein Parameter auf andere<br />

(grösste AS) Parameter am stärksten wirkt (aktives Verhalten).<br />

Passivsumme Wird von den andern Diese Summe gibt an, wie stark dieser Parameter von<br />

(grösste PS) Parametern am stärksten<br />

beeinflusst<br />

anderen beeinflusst wird (passives Verhalten).<br />

aktives Viele Einflüsse gehen aus Hat stabilisierenden Einfluss.<br />

Element Wenige Einflüsse gehen ein Ist nicht leicht aus dem System heraus als Hebel zu<br />

(höchstes Q)<br />

verwenden. Wenn es sich verändert, ergeben sich<br />

nachhaltige Auswirkungen auf das Systemverhalten.<br />

reaktives Wenige Einflüsse gehen aus Guter Indikator.<br />

Element Viele Einflüsse gehen ein Diesen zu verändern ist Symptombehandlung und bringt<br />

(niedrigstes Q)<br />

für die Gesamtkonstellation des System nichts.<br />

kritisches Viele Einflüsse gehen aus Kann gut als Hebel für Veränderungen verwendet werden.<br />

Element Viele Einflüsse gehen ein Veränderungen mit diesem Element sind kontrolliert<br />

(höchstes P)<br />

durchzuführen, da sich die Entwicklung sonst<br />

aufschaukeln könnten.<br />

pufferndes Wenige Einflüsse gehen aus Einwirkungen auf diese Komponente wirken sich nicht<br />

Element Wenige Einflüsse gehen ein oder nur sehr träge aus. Vorsicht ist geboten, wenn diese<br />

(niedrigstes P)<br />

Elemente direkt und stark auf andere aktive oder kritische<br />

Elemente wirken („Wolf-im-Schafpelz“-Verhalten).<br />

10 Vester F., Die Kunst vernetzt zu denken, Deutsche Verlags-Anstalt GmbH, Stuttgart, 1999, 155ff<br />

11 Ulrich H., Probst G.J.B., Anleitung zum ganzheitlichen Denken und Handeln, Verlag Paul Haupt, Bern,<br />

1990<br />

Chemie Bützer<br />

Persistenz<br />

Wirksamkei<br />

t<br />

AS<br />

Q = AS/PS


2.1 Die biologische Wirkung<br />

« Savoir pour prévoir,<br />

prévoir pour prevenir. »<br />

(A. Compte)<br />

13<br />

<strong>Wirkstoffe</strong> sind immer Substanzen, welche chemische Besonderheiten aufweisen.<br />

Diese lassen sich erfassen und beschreiben. Erst der molekulare Zusammenhang mit<br />

der biologischen Wirkung (Enzyme, Zellen, Organe, Lebewesen, Gemeinschaften etc.)<br />

erlaubt uns aber, Vorhersagen im wissenschaftlichen Sinne zu machen.<br />

Dosis<br />

Pharmakon<br />

Resorption<br />

Abbau durch<br />

Biotransformation<br />

Transportform<br />

Wirkform<br />

Aktivierung durch<br />

Biotransformation<br />

Extrazelluläre Flüssigkeit<br />

Eiweissbindung<br />

Transport<br />

Bindung im<br />

Gewebe<br />

Ausscheidung<br />

Wirkorte für<br />

Nebenwirkungen<br />

Wirkung<br />

Dosis- Effekt-<br />

Beziehung<br />

Wirkorte für<br />

erwünschte Wirkungen<br />

Abbildung 5: Einige wichtige Grundprozesse für die Wirkung eines Pharmakons<br />

Dosis- Effekt-<br />

Beziehung<br />

Nebenwirkung<br />

Der Stoffwechsel, Metabolismus, ist bedeutsam und damit die Leber als wichtigstes<br />

Organ für chemische Reaktionen. Auch das Ausscheidungsorgan für polare Stoffe, die<br />

Niere hat einen grossen Einfluss auf die Wirkung und kann durch <strong>Wirkstoffe</strong> betroffen<br />

sein (Glomeruli als harnbildende, Tubuli als rückresorbierende Strukturen).<br />

Sehr wichtig für das Verständnis der Wirkung von Substanzen sind die molekularen<br />

Eigenschaften wie:<br />

• Molmasse<br />

• Fettlöslichkeit<br />

• Proteinbindung<br />

• Clearance (Abbaugeschwindigkeit in Leber und Ausscheidungsgeschwindigkeit<br />

in Niere)<br />

Manchmal bilden sich die wirksamen Substanzen erst als Metaboliten. Das war<br />

beispielsweise bei der Entdeckung einer therapeutisch wichtigen Substanzklasse gegen<br />

bakterielle Infektionen der Fall, bei den<br />

Chemie Bützer


Sulfonamiden:<br />

1932 untersuchte Gerhard Domagk einen roten Farbstoff auf seine Wirkung gegen<br />

Bakterien: Prontosil. Das ist nicht verwunderlich, werden doch einige Farbstoffe zum<br />

spezifischen anfärben von Bakterien in Kulturen verwendet.<br />

14<br />

Dieser war in vitro, in einer Bakterienkultur nicht wirksam, wohl aber in Lebewesen, in<br />

vivo !!!<br />

gegen Bakterien<br />

wirksamer Metabolit<br />

Spaltung im Körper<br />

N N<br />

unwirksam<br />

N<br />

N S N<br />

Prontosil<br />

O<br />

O<br />

N S N<br />

Sulfanilamid<br />

Abbildung 6: Aus einem unwirksamen Farbstoff Prontosil wird im Körper der gegen Bakterien<br />

wirksame Metabolit Sulfanilamid gebildet.<br />

Die Erklärung muss beim Stoffwechsel des Menschen gesucht werden. In vitro, als in<br />

Bakterienkulturen ist Pronosil somit nicht wirksam – das zeigt die Notwendigkeit von in<br />

vivo Tests.<br />

H2N<br />

HN<br />

2<br />

O<br />

N<br />

1<br />

4<br />

Pteroinsäure L -Glutaminsäure<br />

5<br />

N<br />

N<br />

8<br />

6<br />

7<br />

10<br />

HN<br />

9<br />

O COOH<br />

N<br />

H<br />

H<br />

4-Aminobenzoesäure<br />

O<br />

O<br />

COOH<br />

Abbildung 7: p-Aminobenoesäure wird von den Bakterien zum Aufbau der Folsäure benötigt.<br />

Bakterien können selbst Folsäure (einen Vertreter des Vitamin B- Komplexes) herstellen.<br />

Sie benötigen dazu 4-Aminobenzoesäure = p-Aminobenzoesäure (PAB). Das<br />

Sulfanilamid wird bei dieser Synthese mit der PAB verwechselt, der Stoffwechsel der<br />

Bakterien kommt zum erliegen.<br />

Chemie Bützer


15<br />

Manchmal ist es gar nicht einfach, die Ursache mit der Wirkung in einen kausalen<br />

Zusammenhang zu bringen. Wenn Vögel tot vom Himmel fallen und hohe Pestizidkonzentrationen<br />

im ZNS gefunden werden, ist ein Kausalzusammenhang relativ leicht<br />

herzustellen. Oft ist der Zusammenhang zwischen Pestizidexposition und toxischen<br />

Wirkungen komplizierter. Dazu ein Beispiel: 1974 wurden im Staate Missouri der USA<br />

Blau- und Schneegänse mit Vergiftungserscheinungen und hohen Konzentrationen von<br />

Dieldrin (Organochlorpestizid) im Hirn gefunden, obwohl in diesem Staate kein Dieldrin<br />

eingesetzt worden war.<br />

Die Exposition der Vögel fand 1000 km südlich statt, wo Dieldrin für die Behandlung von<br />

Reissaatgut eingesetzt worden war. Dieldrin wurde von diesen Vögeln in relativ hohen<br />

Konzentrationen im Fett eingelagert. Durch Fettmobilisation während des 1000 km<br />

langen Fluges nach Norden entstanden hohe Blutkonzentrationen mit den<br />

entsprechenden toxischen Konsequenzen.<br />

2.2 Faktoren, welche die Wirkung wesentlich beeinflussen können<br />

• Individuelle Unterschiede (Konstitution),<br />

• Geschlechtsunterschiede 12 (bekannt bei Schmerzmitteln etc.)<br />

• Gesundheitszustand, Befindlichkeit,<br />

• tägliche Schwankungen, Biorhythmen,<br />

• Unterschiede in der Ernährung (Bsp.: Eisen mit Vitamin C, Vitamin A mit Fetten..)<br />

• Unterschiede im Verhalten (Sport, Ruhe..),<br />

• Umwelt (Wärme, Kälte..),<br />

• Konzentration, Dauer (wie viel, wie lange, wie häufig...), Expositionshöhe,<br />

• Expositionsweg,<br />

• etc.<br />

Einfluss der Ernährung (zwei ausgewählte Beispiele):<br />

Fast alle Blutdrucksenker, Immunosuppresiva, Beruhigungsmittel etc. werden<br />

wesentlich besser aufgenommen, wenn man sie mit einen Glas Grapefruitsaft einnimmt.<br />

Grapefruitsaft blockiert im Dünndarm das Enzym CYP3A4, welches ganz bestimmte<br />

Medikamente abbauen kann. Da nicht alle Menschen gleichviel von diesem Enzym<br />

haben, wird bei diesen auch eine unterschiedliche Dosis aufgenommen. Zusammen mit<br />

Grapefruitsaft ist das nicht mehr der Fall 13 .<br />

Knoblauch kann den Blutspiegel des HIV-Medikaments Saquinavir um bis zu 50%<br />

senken, und damit die Therapie beeinträchtigen 14 .<br />

Milchprodukte können bei gleichzeitiger Einnahme mit ihren Eiweissen gewisse<br />

Antibiotika binden und somit die Aufnahme beeinträchtigen. Die Serumspiegel sind<br />

dann zu tief und die Therapie ist gefährdet.<br />

Das obige Beispiel des Einflusses von Lebensmitteln zeigt, dass es praktisch unmöglich<br />

ist alle wichtigen Wechselwirkungen mit Sicherheit zu erfassen. Andererseits müssen<br />

12 Melton L., His Pain, her Pain, New Scientist, 19 January, 2002, 32<br />

13 Barbara Kunz, NZZ Mittwoch 23.Juli 1997, Nr.168, S.17, zitiert aus J. of Clinical Investigation 99 2545-<br />

2553 (1997)<br />

14 Lahrtz S., Knoblauch beeinflusst HIV-Medikamente, NZZ, Mittwoch, 16. Januar, 2002, Nr. 12, S.48<br />

Chemie Bützer


16<br />

bei Experimenten viele Parameter fest gehalten werden. Somit hat die Übertragung von<br />

experimentellen Daten sehr sorgfältig zu erfolgen. Nicht nur die Statistik ist zu<br />

berücksichtigen (Streuungen, Messfehler), auch individuelle Unterschiede der<br />

Lebewesen können die Aussagen entscheidend beeinflussen (Extremfälle).<br />

Schlaf<br />

tritt ein<br />

if<br />

echt<br />

positiver Befund<br />

Wirkung<br />

durch das Mittel<br />

Übertragung von Befunden auf den Menschen<br />

am Beispiel eines Schlafmittels<br />

if Schlafmittel<br />

wird gegeben<br />

then else<br />

then else<br />

falsch<br />

positiver Befund<br />

- sonst müde<br />

- anderer Wirkstoff<br />

kein Schlaf<br />

tritt ein<br />

if<br />

echt<br />

negativer Befund<br />

Mittel<br />

wirkt nicht<br />

then else<br />

falsch<br />

negativer Befund<br />

- Unempfindliche Person<br />

- falsche Dosierung<br />

- zu munter<br />

- anderes Mittel weckt<br />

- Inhibitor in der Nahrung<br />

Abbildung 8: Struktogramm einer Abklärung der Wirksamkeit, Beurteilung von Befunden<br />

(Beobachtungen)<br />

Diese Beurteilung der Befunde hat eine besonders grosse Bedeutung bei der<br />

Übertragung von Resultaten von Untersuchungen bei Tieren auf den Menschen.<br />

Chemie Bützer<br />

Es ist wichtig sich klarzumachen, dass in vielen Situationen die Weigerung zu<br />

handeln selbst einer Handlung gleichkommt.<br />

(Karl R. Popper, Objektive Erkenntnis, campe, 1974)


Wirklichkeit<br />

positiv<br />

negativ<br />

positiv<br />

I<br />

17<br />

III<br />

falsch positiv<br />

Testergebnisse<br />

negativ<br />

II<br />

falsch negativ<br />

Berechnung Bezeichnung Interpretation<br />

I+II+III+IV Summe<br />

I/(I+II) Sensitivität Anteil, mit dem ein vorhandenes Merkmal erfasst werden kann<br />

Anteil, mit dem ein nicht vorhandenes Merkmal erfasst werden<br />

IV/(III+IV) Spezifität<br />

Vorhersage-<br />

kann<br />

I/(I+III) wert Richtige Ergebnisse und keine falsch positiven Resultate<br />

(I+II)/Summe Prävalenz<br />

(I+IV)/Summ<br />

Positive Ergebnisse im Vergleich zur Gesamtzahl<br />

e Konkordanz Richtige Ergebnisse im Vergleich zur Gesamtzahl<br />

Abbildung 9: Interpretation von Wirkstoffprüfungen<br />

3 Geruch, eine molekulare Wirkung<br />

Die Wahrnehmung von Gerüchen mit den Riechkolben in der Nase führt zu<br />

Informationen unmittelbar im limbischen System, einem archaischen Teil des Gehirns,<br />

wo auch Gefühle zu Hause sind und das Gedächtnis mitgeformt wird. Diese<br />

physiologische Nähe zur Welt der Emotionen und Erinnerungen macht verständlich,<br />

weshalb uns ein bestimmter Geruch urplötzlich mit grösster Deutlichkeit längst<br />

Vergessenes zurückbringen kann. Gerüche können uns enorm beglücken oder aber<br />

auch zutiefst ängstigen. Dass Gerüche für uns, wenn auch meist verdrängt, wichtig sein<br />

müssen lässt sich aus folgender Erkenntnis ableiten: Nicht weniger als ein Prozent der<br />

gesamten Gene ist wahrscheinlich für die Produktion von ca. 2000 Rezeptoren<br />

reserviert, die Geruchstoffe binden 15 . Der Gesamteindruck kommt als Kombination der<br />

verschiedenen Signale zustande 16 . Die Leistung unserer Nase ist beeindruckend,<br />

können wir doch – vielleicht erst mit Übung – bis 10’000 Gerüche unterscheiden 17 .<br />

Schlechte Gerüche verbinden wir meist mit schlechten Empfindungen, starke unbekannte<br />

Gerüche erzeugen oft Angst, kurz: Widerliche Gerüche erzeugen in<br />

genügend hohen Konzentrationen Angst – Warneigenschaft. Wird diese<br />

Empfindung gar mit einem an sich schon unheimlichen Eindruck eines ungewöhnlichen<br />

Ereignisses verbunden, dann sind panische Reaktionen zu erwarten - die instinktive,<br />

emotionale Reaktion schliesst eine rationale Beurteilung oftmals aus.<br />

Als am Montag 16. August 1999 im Senats Gebäude in Washington ein ungewöhnlicher,<br />

wenig intensiver Geruch auftrat, kam die Diskussion auf, ob es sich um<br />

einen Terror-Gas-Angriff handeln könnte. Irgend jemand gab Alarm. Die Bewohner<br />

15 Axel R., Spektrum der Wissenschaft, Dezember 1995, 72<br />

16 Axel R., Buck L.B., Nobelpreis in Medizin und Physiologie 2004<br />

17 Stahl-Bishop E., Reher G., Geschmack und Geruch, Deutsche Apotheker Zeitung, 127. Jg., Nr. 48,<br />

1987, 2529<br />

Chemie Bützer<br />

IV


18<br />

flohen, Polizei, Ärzte und Feuerwehr kamen vor Ort. Schliesslich fand man einen Sack<br />

in der Cafeteria mit geschälten und geschnittenen Zwiebeln, die für den Salat gerichtet<br />

aber vergessen worden waren und nun verrotteten. Hätten die Personen den Geruch<br />

identifizieren können, wäre keine Panik ausgebrochen, oder wie der Psychologe Pan<br />

Dalton meinte 18 : „But when people don’t recognise a smell they assume it’s a hazard.“<br />

Folgerung:<br />

Rasch auftretende, unbekannte Gerüche werden meist mit Gefahr assoziiert.<br />

Dass die Geruchswahrnehmung eine Warnung sein kann, ist beim praktisch<br />

geruchsfreien Erdgas umgesetzt worden, indem absichtlich THT<br />

(Tetrahydrothiophen) als Odorierungsmittel zugesetzt wird.<br />

3.1.1 Geruchsempfindung 19,20<br />

Es scheint, als ob uns Gerüche unmittelbarer und tiefer ansprechen als andere<br />

Sinneseindrücke. Das wollte der französische Schriftsteller Marcel Proust (1871 bis<br />

1922) in seinem wichtigen, halbautobiographischen Roman "Auf der Suche nach der<br />

verlorenen Zeit” fassen, als er die Schlüsselszene reflektierte, die ihm "die Wahrheit, die<br />

ich suche", erschloss: als er "einen Löffel Tee mit dem aufgeweichten kleinen Stück<br />

Madeleine darin" an die Lippen führte und sich urplötzlich Erinnerungen an die Kindheit<br />

wieder einstellten. Geschmack und Geruch, fuhr er fort, seien die Sinne, die "allein,<br />

zerbrechlicher, aber lebendiger, immateriell und doch haltbar, beständig und treu ... in<br />

einem beinahe unwirklich winzigen Tröpfchen das unermessliche Gebäude der<br />

Erinnerung unfehlbar in sich tragen".<br />

Wie stark der Geruchsinn beim Kind das Unterbewussten ist, zeigt nicht zuletzt die<br />

verbale Hilflosigkeit im Umgang mit Geruchsempfindungen. Im Deutschschweizer<br />

Dialekt sagen wir es „schmeckt“ nach Heu und geben damit zu erkennen, dass wir<br />

Geruch und Geschmack nicht einmal unterscheiden. Wir können Farben und Töne<br />

mehr oder weniger präzis benennen und stehen ausserdem mit Wellenlänge, Amplitude<br />

und Frequenzspektrum physikalisch wohldefinierte Parameter zur Verfügung, in der<br />

Welt der Gerüche bleibt selbst den Fachleuten nur der Weg mehr oder weniger diffuser<br />

Umschreibung. So benutzt der Parfumeur Listen mit Ausdrücken wie „kaffeeartig“,<br />

„suppig“, „seilartig“ und kann durchaus bei Bezeichnungen wie „dreckige Wäsche“ oder<br />

„nasser Hund“ landen. Spannend sind schliesslich die verbalen Bemühungen, denen<br />

wir in den Katalogen der Weinhändler begegnen. Die Ohnmacht im Umgang mit dem<br />

Geruchsinn ist noch akzentuiert durch den physiologischen Umstand, dass auch unser<br />

„Schmecken“ weitgehend eine Domäne des Riechens ist. Denn unsere Zunge kann<br />

lediglich süss, sauer, salzig, bitter und umami unterscheiden, und die sensorische<br />

Hauptarbeit beim Essen wird über den Nasen-Rachen-Raum wiederum an das<br />

Riechorgan delegiert - die Deutschweizer Mundart scheint dies zufälligerweise(?) richtig<br />

auszudrücken, wenn das Essen schmeckt.<br />

18 Pain S., Stench Warfare, New Scientist, 7 July (2001) 44<br />

19 Stahl-Bishop E., Reher G., Geschmack und Geruch, Deutsche Apotheker Zeitung, 127. Kg., Nr. 48<br />

(1987) 2529<br />

20 Freeman W. J., Physiologie und Simulation der Geruchswahrnehmung, Spektrum der Wissenschaft,<br />

April (1991) 60-69<br />

Chemie Bützer<br />

S<br />

THT


Die Gerüche werden in unterschiedlichen Konzentrationen auch qualitativ unterschiedlich<br />

wahrgenommen. Sehr hohe Konzentrationen von an sich angenehmen<br />

Düften werden meist nicht geschätzt.<br />

3.1.2 Geruchsindentifikation<br />

Chemie Bützer<br />

19<br />

Die Gestalt der Geruchsmoleküle bestimmt den Geruch der betreffenden Substanz, die<br />

Moleküle ähnlich riechender Substanzen sind oft auch ähnlich geformt. Man kennt<br />

heute etwa 1 000 unterschiedliche Rezeptortypen und 1 000 zugehörige<br />

transmembrane Proteine. Wenn diese Rezeptoren in ihrer Struktur und mit ihren<br />

Bindungseigenschaften genau bekannt wären, könnte man eine wissenschaftlich,<br />

molekular begründete Klassierung der Gerüche vornehmen – doch das ist zur Zeit noch<br />

nicht möglich. Die sieben grundlegende Düfte: Campher, Moschus, blumig, Pfefferminz,<br />

etherisch, stechend (Essig) und faulig, können diesem Anspruch nicht gerecht werden.<br />

Die Erfahrung hat gezeigt, dass die meisten Leute bei der Beschreibung eines Geruchs<br />

automatisch von dem Gegenstand ausgehen, der ihn verursacht. Das ist verständlich,<br />

denn ausserhalb des Laboratoriums wird ein Geruch dadurch definiert, dass man ihn<br />

gleichzeitig sieht und riecht. Dinge, die verschieden aussehen, riechen im allgemeinen<br />

auch unterschiedlich. Wir unterscheiden den Apfel von der Banane und die Banane von<br />

der Zitrone, indem wir sie verschieden benennen. Aus demselben Grund geben wir<br />

auch Gerüchen unterschiedliche Bezeichnungen. Diese Namen bilden, nachdem sie<br />

einmal verschiedenen Gerüchen zugeordnet wurden, die einzig annehmbare Grundlage<br />

für eine Kategorisierung: Namen definieren Gerüche, setzen sie in Beziehung zu<br />

anderen Düften und geben ihnen eine „interne Adresse“, mit deren Hilfe wir sie aus dem<br />

Gedächtnis abrufen können.<br />

Wenn die Begriffe, die man Gerüchen zuordnet, wiedergegeben, wie und wie gut<br />

Geruch enkodiert (verschlüsselt) wurde, dann kann möglicherweise auch ein vorgegebener<br />

Begriff, sowohl die Geruchsempfindung als auch die spätere Erkennbarkeit<br />

beeinflussen. Allerdings dürfen solche Manipulationen nicht ganz willkürlich sein, wenn<br />

sie Erfolg haben sollen. Sie müssen dem Betroffenen sinnvoll erscheinen und sein<br />

vorhandenes, wenn auch vielleicht lückenhaftes Wissen berücksichtigen.<br />

Das simpelste Beispiel für unsere Beeinflussbarkeit ist die Tatsache, dass eine nur<br />

vage Geruchsempfindung Gestalt annimmt, sobald man ihr einen Namen gibt. Nehmen<br />

wir an, einer Testgruppe wird ein Gegenstand vorgelegt, den sie nach dem Geruch<br />

bestimmen soll. Die Teilnehmer stellen fest, es rieche „irgendwie“ nach Öl, nach<br />

Ziegenbock und nach „Fisch“. Fordert man sie nun auf, genau diese Bestimmung für<br />

spätere Testversuche im Gedächtnis zu behalten, fällt ihnen das meist sehr schwer.<br />

Finden sie jedoch spontan heraus, was es ist, oder sagt man ihnen direkt, dass es sich<br />

um Leder handelt, gewinnt ihre Wahrnehmung eine ganz andere Qualität: Der vage<br />

Eindruck verändert sich zur Wahrnehmung von typischem Ledergeruch.


3.1.3 Geruchsintensität<br />

20<br />

Der Geruchssinn folgt, wie alle anderen Sinne dem<br />

Weber-Fechner’schen Gesetz, das besagt, dass die<br />

Empfindungen logarithmisch sind. Die Erweiterung<br />

dieses Zusammenhangs ist das Gesetz von Stevens 21 ,<br />

welches als Potenzgesetz auch Exponenten k zulässt,<br />

die grösser oder kleiner als 1 sind:<br />

k<br />

I = c • S ;<br />

I: empfundene Intensität des Geruchs<br />

S: Stimulus (Anregung: hier Geruchsstoff-Konzentration)<br />

k: stoffspezifische Konstante (für Hexan z.B. 0.6)<br />

c: „Nullwert“ (falls der Stimulus S=0 ist I = c)<br />

Mit Schwellenwert So, wobei S ≥ So:<br />

k<br />

I = c • ( S − So)<br />

; (ist nicht ganz korrekt, weil bei S


22 Winter O., Grundlagen der Sensorik, Food Technology Magazin, Juni (1990) 6<br />

23 Richardson A., in Pybus D.H., Sell Ch.S. (ed.), The Chemistry of Fragnaces, The Royal Society of<br />

Chemistry, Letchworth, 1999, 148<br />

Chemie Bützer<br />

21<br />

Frauen können generell Gerüche besser identifizieren als Männer und sie (lernen)<br />

Gerüche schneller als ihre männlichen Konkurrenten. Zwar verbessert sich auch bei<br />

den Männern das Ergebnis mit Üben, doch können die Frauen ihren Vorsprung halten.<br />

Konzentrationssteigerungen von Duftstoffen werden nur schlecht wahrgenommen: Eine<br />

Erhöhung der Konzentration um ca. 20% wird im allgemeinen erst registriert 22 .<br />

Bedingt durch die logarithmische Empfindung, kann die Geruchsintensität mit einfachen<br />

Skala wiedergegeben werden:<br />

Tabelle 6: Intensitätsskala für Gerüche<br />

3.1.4 Geruchsschwellen<br />

Intensität<br />

Empfindung<br />

log(I)-log(c)<br />

0 Kein Geruch<br />

1 Sehr schwach (Schwelle)<br />

2 Schwach<br />

3 Mittel stark<br />

4 Stark<br />

5 Sehr stark<br />

Die schwächste noch wahrnehmbare Duftkonzentration eines Stoffes ist als<br />

Geruchsschwellenwert (detection threshold) definiert, während die geringste<br />

Konzentration für die Identifikation als Erkennungsschwellenwert oder<br />

Wahrnehmungsschwellenwert (recognition threshold) bezeichnet wird. Zusätzlich<br />

kennt man die Unterscheidung von zwei Gerüchen, deren kleinste Konzentrationen als<br />

Differenzschwellenwert 23 (difference threshold) bekannt ist.<br />

Tabelle 7: Geruchsschwellen einiger ausgewählter Substanzen<br />

Formel charakterisWahrErkennungstischer Geruch nehmungsschwelleschwelle (ppm)<br />

(ppm)<br />

c(Erkennung)/ Molc(Wahrmassenehmung)<br />

(g/mol)<br />

Acetaldehyd CH3CHO scharf, fruchtig 0.004 0.21 53 44.05<br />

Allylmerchaptan CH2CHCH2SH stark nach<br />

Knoblauch,<br />

Kaffee<br />

0.0005 --- 74.15<br />

Ammoniak NH3 scharf, stechend 0.037 46.8 1265 17.03<br />

Amylmerchaptan CH3(CH2)3CH2SH unangenehm,<br />

verfault<br />

0.0003 --- 104.22<br />

Benzyl- C6H5CH2SH stark 0.00019 --- 124.21<br />

Mercaptan<br />

unangenehm<br />

Butylamin C2H5CH2CH2NH2 sauer, ähnlich<br />

wie Ammoniak<br />

--- 0.24 73.14<br />

Cadaverin H2N(CH2)5NH2 verfault, --- --- 102.18


Chemie Bützer<br />

22<br />

Chlor Cl2<br />

verwesendes<br />

Fleisch<br />

streng,<br />

erstickend<br />

0.01 0.314 31 70.91<br />

Chlorophenol ClC6H5O medizinisch,<br />

phenolartig<br />

0.00018 --- 128.55<br />

Mercaptan Crotyl CH3CH:CHCH2S nach Stinktier 0.000029 --- 90.19<br />

Dibutylamin (C4H9)2NH fischig 0.016 --- 129.25<br />

Diisopropylamin (C3H7)2NH fischig 0.0035 0.085 24 101.19<br />

Dimethylamin (CH3)2NH verfault, fischig 0.047 0.047 1 45.08<br />

Dimethyl Sulfid (CH3)2S vergammelndes<br />

Gemüse<br />

0.001 0.001 1 62.13<br />

Diphenyl- Sulfid (C6H5)2S unangenehm 0.000048 0.0021 44 186.28<br />

Ethylamin C2H5NH2 nach Ammoniak 0.83 0.83 1 45.08<br />

Ethylmercaptan C2H5SH verfaulender<br />

Kohl<br />

0.00019 0.001 5 62.1<br />

Wasserstoffsulfid H2S faule Eier 0.00047 0.0047 10 34.1<br />

Indol C2H6NH2 ekelerregend --- --- 117.15<br />

Methylamin CH3NH2 verfault, fischig 0.021 0.021 1 31.05<br />

Methyl-<br />

Mercaptan<br />

CH3SH verfaulter Kohl 0.0011 0.0021 2 48.1<br />

Ozon O3 reizend über 2<br />

ppm<br />

0.001 --- 48<br />

Propyl-<br />

Mercaptan<br />

CH3CH2CH2SH unangenehm 0.000075 --- 76.16<br />

Putrescin NH2(CH2)4NH2 verfault,<br />

ekelerregend<br />

--- --- 88.15<br />

Pyridin C6H5N unangenehm,<br />

reizend<br />

0.0037 --- 79.1<br />

Skatole C9H9N fäkal,<br />

ekelerregend<br />

0.0012 0.47 392 131.2<br />

Schwefeldioxid SO2 scharf, reizend 0.009 --- 64.07<br />

CSH-tertbutyl (CH3)3CSH Stinktier,<br />

unangenehm<br />

0.00008 --- 90.19<br />

Thiocresol CH3C6H4SH Stinktier, ranzig 0.0001 --- 124.21<br />

Thiophenol C6H5SH verfault, nach<br />

Knoblauch<br />

Triethylamin (S2H5)3N nach Ammoniak,<br />

fischig<br />

0.000026 0.28 10769 110.18<br />

0.08 --- 101.19<br />

Mittelwert 84<br />

Stabw 37<br />

Der Wahrnehmungsschwellwert ist im Durchschnitt etwa um einen Faktor 80 tiefer, als<br />

der Erkennungsschwellwert - diese Feststellung gilt mit einer Standardabweichung von<br />

fast 40.<br />

Folgerung:<br />

Die Konzentration um eine Substanz in Luft zu erkennen (identifizieren) muss ca. um<br />

einen Faktor 80 höher sein als die Konzentration für eine undefinierte Wahrnehmung.


23<br />

Die mittlere Geruchsschwelle (olfactory threshold, die Wahrnehmungsschwelle) ist z.B.<br />

beim Menschen für Diethylether 0.75 ng/cm 3 Luft, für Vanillin 0.0000435 ng/cm 3 , oder<br />

Skatol 0.00035 ng/cm 3 24,25 . Die individuellen Streuungen der Empfindlichkeit beim<br />

Menschen sind meist sehr gross und können bei einfachsten Verbindungen wie<br />

Schwefelwasserstoff (H2S) 5, oder Methanol (CH3OH) gar 6 Potenzen betragen 26 . Dies<br />

lässt sich mit dem Weber - Fechner - Gesetz begründen, nachdem die<br />

Geruchsempfindung, wie die anderen physiologischen Reize, logarithmisch zum Reiz<br />

sind (Geruchsempfindung = log(c-c0), c0: Geruchsschwellwert). Individuelle Reaktionen<br />

auf bestimmte Gerüche sind bei solchen Streubreiten nicht möglich, wohl aber mittlere<br />

Angaben, bei welcher Konzentration bei einer Vielzahl von Personen mit<br />

Geruchsempfindungen gerechnet werden muss 27 .<br />

CH3-CH2-O-CH2-CH3<br />

CHO<br />

OCH 3<br />

Diethylether<br />

OH<br />

Vanillin Skatol<br />

4 Resorption von Substanzen<br />

Beliebige Substanzen können auf den Oberflächen wirken oder in den Stoffwechsel<br />

eintreten. Nebst den physikalischen Grössen wie Zeit, Temperatur und Oberfläche sind<br />

die chemischen Eigenschaften und die biologischen Vorgänge für die Resorption<br />

(Aufnahme, Invasion, Stoffaufnahme) bestimmend.<br />

Man kennt prinzipiell vier Möglichkeiten des Substanzdurchtritts durch eine Membran:<br />

1. (rein passive) Diffusion (Permeation),<br />

2. erleichterte (Carrier-vermittelte) Diffusion,<br />

3. aktiver Transport oder<br />

4. Pinocytose, Phagocytose und Persorption<br />

Passive Diffusion<br />

Stofftransport direkt proportional :<br />

• dem Konzentrationsgradienten,<br />

• der Membranfläche sowie<br />

• dem Verteilungskoeffizienten der betreffenden Substanz,<br />

• aber umgekehrt proportional der Membrandicke.<br />

Erleichterte Diffusion<br />

24 ROCHE Lexikon Medizin, Urban & SchwarzenbergMünchen, Wien, Baltimore, (1984) 1378<br />

25 Roussellin X., Falcy M., Le nez, les produits chimiques et la sécurité, INRS, Cahiers de notes<br />

documentaires n° 124, 3e trimestre, 331 (1986)<br />

26 Verschueren K., Handbook of Environmental Data on Organic Chemicals, 2nd ed., Van Nostrand<br />

Reinhold Company, New York, 47 (1983)<br />

27 AIHA, Odor Thresholds for Chemicals with Established Occupational Health Standards, Acron (1989)<br />

Chemie Bützer<br />

H<br />

N<br />

CH 3


24<br />

Transportbeschleunigung hydrophiler Substanzen (z. Bsp. Glucose) mit geringer<br />

Membranpermeabilität durch Wechselwirkung mit speziellen Proteinen, (sog. Carriern)<br />

bei hoher Strukturspezifität und Sättigung des Transportsystems bei hohen<br />

Substanzkonzentrationen (Besetzung sämtlicher Bindungsstellen auf einer<br />

Membransseite). Hemmbarkeit durch Inhibitoren.<br />

Aktiver Transport<br />

Substanz wird entgegen dem Konzentrationsgefällle im Sinne eines Bergauftransports<br />

durch die Membran transportiert als energieverbrauchender Prozess z. Bsp. für<br />

Aminosäuren und einige wasserlösliche Vitamine.<br />

Mit Natriumionen gekoppelter Transport, wobei die Substanz und Natriumionen in<br />

dieselbe Richtung transportiert werden (Symport).<br />

Pinocytose, Phagocytose, Persorption<br />

• Pinocytose : Aufnahme kleine Flüssigkeitströpfchen.<br />

• Phagocytose : Aufnahme von Feststoffpartikeln aus dem Magen-Darm-Kanal<br />

(Oberflächenmembran stülpt sich ein und das extrazelluläre Material wird<br />

vesikulär eingeschlossen).<br />

• Persorption : feste Teilchen (selbst ganze Zellen) gelangen interzellulär d.h.<br />

zwischen den Epithelzellen hindurch, in den Organismus.<br />

Die Resorption der allermeisten Arzneistoffe erfolgt jedoch passiv durch Diffusion.<br />

Die Aufnahmeorte beim Menschen lassen sich einteilen:<br />

tiefe Einatmung<br />

100 m 2<br />

Ausatmung<br />

40 m 2<br />

Haut 1.8 m 2<br />

Lungen Magen-Darm-Trakt<br />

Dünndarm<br />

100-200 m 2<br />

Mundhöhle 0.02 m 2<br />

Dickdarm 0.5 - 1 m 2<br />

Magen 0.1 - 0.2 m 2<br />

Rektum 0.04 - 0.07 m 2<br />

Abbildung 11: Mittlere Oberflächen eines erwachsenen Menschen, Eintrittsflächen für die<br />

Resorption28 , 29<br />

Der Dünndarm ist das wichtigste Resorptionsorgan für Nahrungsmittel und oral<br />

verabreichte Medikamente.<br />

Da die Zellmembranen aus lipophilen Bestandteilen aufgebaut sind, können diese von<br />

lipophilen Substanzen besonders gut passiert werden.<br />

28 Fuhrmann G.F., Allgemeine Toxikologie für Chemiker, B.G. Teubner, Stuttgart, 1994, 26<br />

29 Scheier zitiert in: Forth W., Henschler D., Rummel W., Starke.(Hrsg.), Allgemeine und spezielle<br />

Pharmakologie und Toxikologie, Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG, Mannheim,<br />

1992, 31<br />

Chemie Bützer


25<br />

Die Schleimhäute haben den Charakter einer Lipidmembran mit Poren, weshalb sie<br />

auch für hydrophile Substanzen beschränkt durchlässig sind (Nase, Mund-Rachen,<br />

Bindehaut, Harnleiter, Blase). Kokainsüchtige benutzen daher die Nasenschleimhaut oft<br />

als Resorptionsfläche.<br />

Faustregel:<br />

Ein lipophiles Molekül passiert Membranen passiv gut, ein hydrophiles schlecht.<br />

Resorptionsgeschwindigkeit und -quote ist abhängig von:<br />

• Teilchengrösse / spezifischer Oberfläche<br />

• Dosierung<br />

• Kontaktzeit mit der Resorptionsfläche<br />

• Grösse der resorbierenden Fläche<br />

• pH-Wert im Bereich der resorbierenden Areale<br />

• Integrität der Membranen<br />

• Durchblutung des resorbierenden Organs.<br />

Die Diffusionsgeschwindigkeit bestimmt die Aufnahme von einem Kompartiment ins<br />

nächste.<br />

Beispiel 30 : 1 Gramm Dimethylformamid (DMF, H-CO-N(CH3)2) wird<br />

über die Haut innerhalb weniger Minuten aufgenommen. Um<br />

dieselbe Menge bei einem MAK-Wert von 10 ppm aufzunehmen<br />

muss man eine ganze Woche diesen Dämpfen ausgesetzt sein. Der<br />

Abbau von DMF im Körper ist jedoch so rasch, dass bei Aufnahme<br />

über die Lunge 1 g im Körper nie übersteigt.<br />

4.1 Diffusion<br />

H C<br />

O<br />

N(CH 3 ) 2<br />

Die Geschwindigkeit mit der Moleküle eine Membran passieren, mit dem passiven<br />

Transport der Diffusion,kann durch das Ficksche Gesetz beschrieben werden 31 :<br />

D A Kv ( c 2 c1)<br />

v<br />

( m / s)<br />

d<br />

− • • •<br />

=<br />

v: Diffusionsgeschwindigkeit (m/s)<br />

D: Diffusionskonstante (abängig von der Molekülgrösse)<br />

� Gase: D ≈ 10 -4 – 10 -5 m 2 sec -1 ,<br />

� Flüssigkeiten: D ≈ 10 -9 m 2 sec -1 (Wasser),<br />

� Festkörper: D ≈ 10 -14 m 2 sec -1<br />

A: Oberfläche der Membran (m 2 );<br />

Kv: Verteilungskoeffizient (cinnen/caussen, dimensionslos, c1/c2);<br />

(cinnen-caussen = c1-c2 =∆c): wirksame Konzentrationsdifferenz (mol/m 3 )<br />

d : Dicke der Membran (m);<br />

Beispiel:<br />

Wie lange dauert die Aufnahme?<br />

30 Bender H.F., Sicherer Umgang mit Gefahrstoffen, Wiley-VCH Verlag GmbH, Weinheim, 2000, 8<br />

31 Stephan U., Elstner P., Müller R.K. (Hrsg.), Fachlexikon ABC Toxikologie, Verlag Harri Deutsch,<br />

Thun/Frankfurt, 1985, 108<br />

Chemie Bützer


26<br />

Von Acetylsalicylsäure (Molmasse M= 180 g/mol = 0.18 kg/mol) werden 100 mg (m =<br />

10 -4 kg) eingenommen. Sie werden vom Magen aufgenommen, dieser enthält ca. 2,5 l<br />

Inhalt (V=2,5 x 10 -3 m 3 ).<br />

Pro 24 Stunden werden von der ca. 800 cm 2 (A<br />

= 0.08 m 2 ) grossen Magenoberfläche 1500 -<br />

3000 ml Sekret gebildet. Aus Literatur: Kv ≈<br />

100. Dicke der zu diffundierenden Magenwand<br />

ca d = 0,2 mm (d ≈ 0.0002 m).<br />

Diffusionskonstante in der lipophilen Membran<br />

D ≈ 10 -10 m 2 sec -1 (die Membran ist wie ein<br />

Flüssigkristall).<br />

c1 = 0 (am Anfang ist kein Medikament im Blut),<br />

(c2-c1) = c2;<br />

c2 = n/V = m/(M x V) = 10 -4 /(0.18 x 2,5 x 10 -3 ) =<br />

0,22 mol/m 3 ;<br />

10<br />

v =<br />

−10<br />

• 0.<br />

08 • 100 • 0.<br />

22<br />

=<br />

0.<br />

0002<br />

8.<br />

8<br />

• 10<br />

−6<br />

( m / s)<br />

t = d(Dicke der Membran)/v(Geschwindigkeit) = 22.7 s !!!<br />

Abbildung 12: REM- Aufnahme der<br />

Magenoberfläche<br />

Der passive Transport in den Körper- und Zellflüssigkeiten ist weiter durch die Diffusion<br />

bestimmt:<br />

Zeit t für den Transport durch Diffusion 32 :<br />

2<br />

l<br />

t = ( s)<br />

D<br />

t: Diffusionszeit /s)<br />

l : Diffusions-Distanz (m);<br />

D: Diffusionskonstante (m 2 /s)<br />

Beispiel:<br />

Die Diffusionsstrecke in der Lunge, die Luft-Blut-Schranke, beträgt nur 0.4 bis 2.5 μm.<br />

Die Zeit, bis beispielsweise Sauerstoff (O2) diese Membran passiert hat lässt sich grob<br />

abschätzen:<br />

d = 2.<br />

5μm<br />

d = 0.<br />

4μm<br />

: t<br />

: t<br />

2<br />

l ( 2.<br />

5 •10<br />

= = −10<br />

D 10<br />

2<br />

l ( 0.<br />

4 •10<br />

= =<br />

−10<br />

D 10<br />

−6<br />

−6<br />

)<br />

)<br />

2<br />

2<br />

=<br />

=<br />

6.<br />

26<br />

1.<br />

6<br />

•10<br />

•10<br />

−3<br />

−2<br />

( s)<br />

( s)<br />

== 63μs<br />

= 1.<br />

6μs<br />

Diese Werte zeigen, dass die Aufnahme der Gase durch Diffusion, wegen der sehr<br />

dünnen Wände der Alveolen äusserst rasch ist (sehr rasche Wirkung von Nikotin bei<br />

Inhalation von Zigarettenrauch!!).<br />

Einige Reizgase wie Chlorwasserstoff, Phosgen (Cl-C=O-Cl), Ozon oder nitrose Gase<br />

(NO, NO2, N2O4) lassen die Epithelzellen der Lungenbläschen durch Flüssigkeitsaustritt<br />

anschwellen. Damit wird der Sauerstoff- und Kohlendioxidaustausch verlangsamt –<br />

Hemmung eines notwenigen Vorgangs.<br />

32 Herleitung mit den Fickschen Gesetzen<br />

Chemie Bützer


4.1.1 Inhalation<br />

27<br />

Kennzeichnend für die Stoffaufnahme über den<br />

Atmungstrakt ist einerseits der kurze Weg zwischen<br />

Aussenbereich (Atemluft) und dem resorbierenden Organ<br />

Lunge und andererseits die Tatsache, dass praktisch keine<br />

ernstliche Barriere auf diesem Weg eingebaut ist.<br />

Beschränkte Schutzfunktionen übt lediglich die den<br />

Innenbereich des Gewebes auskleidende Schleimhaut aus.<br />

Sie dient zugleich der Befeuchtung der Atemluft und der<br />

Abscheidefläche für Festkörper. Die die Innenseite der<br />

Luftröhre bedeckenden Flimmerhärchen (Cilien) dienen zur<br />

Abwehr von gröberen Festkörpern durch Erzeugung eines<br />

Hustenreizes. Der effektive Stoffübertritt von der „Aussenwelt“ in das Körperinnere<br />

findet in den endständigen Organellen der Lunge, den Lungenbläschen (Alveolen)<br />

durch Diffusion über die trennende Gewebsmembran in die Blutkapillaren des Lungen-<br />

Blutkreislaufs statt.<br />

Abbildung 13:<br />

Aufnahmeort in den<br />

Lungen<br />

Gase, Dämpfe und Feinstäube mit geringer Partikelgrösse sind daher in der Lage mit<br />

dem Luftstrom der Einatmungsluft bis in die Alveolen zu gelangen und dort gemäss<br />

dem Konzentrationsgefälle in die Blutbahn überzutreten. Im allgemeinen werden<br />

Partikel mit einem sphärischen Durchmesser von


(enterohepatischer Kreislauf). Dieses Phänomen ist bei der Verabreichung von<br />

Medikamenten (als erwünschter Effekt einer Dosis-Verlängerung), aber auch bei<br />

Vergiftungen für Massnahmen zur Entgiftung (z.B. Darmspülung, Verabreichung von<br />

Aktivkohle etc.) zu beachten.<br />

4.1.3 Dermale Resorption<br />

Die Haut stellt für den Körper eine Schutzbarriere dar und dient zugleich der<br />

Flüssigkeits- und Temperaturregulation des Organismus. Durch die im Vergleich zu<br />

anderen biologischen Membranen enorme Schichtdicke erfolgt die<br />

diffusionskontrollierte Penetration der gesamten Hautdecke bis zum Erreichen<br />

blutführender Gefässe nur langsam und bedarf eines hohen Gradienten. Lipophile<br />

Stoffe, insbesondere Lösungsmittel, können durch Entfettung der Zellschichten die<br />

Durchlässigkeit drastisch verbessern.<br />

4.1.4 Parenterale Resorption<br />

33 Davenport H.W., Säure-Basen-Regulation, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 1973<br />

Chemie Bützer<br />

28<br />

Die direkte Zuführung von Stoffen in die Blutbahn hat vor allem im medizinischtherapeutischen<br />

Bereich und bei Drogen ihren Stellenwert, da auf diese Weise<br />

Resorptions-Hemmnisse umgangen werden. Im allgemeinen erfolgt die Zufuhr durch<br />

intravenöse Injektion (i.v.). Subcutan (s.c.) oder intramuskulär (i.m.) werden Wirkstoff-<br />

„Depots“ angelegt, da hier der Wirkstoff erst durch Diffusion den Zugang zu einem<br />

Blutgefäss erhält.<br />

4.2 Dissoziation<br />

Aufnahme von sauren oder basischen <strong>Wirkstoffe</strong>n mit dem Übergang von einem<br />

Kompartiment (Magen, Darm, Lunge, Haut) ins andere (Blut) 33 ist auch durch die pH-<br />

Werte der beteiligten Kompartimente bestimmt.<br />

Für die grosse Zahl der Säuren und Basen (Nahrungsmittel, Vitamine, Arzneimittel,<br />

Gifte, etc.) stellt die nichtionische Diffusion der wichtigste Mechanismus für den<br />

Transport durch die Zell-Membranen dar (Magenwand, Darmwand, Lunge, Haut, Blut-<br />

Hirn- Schranke, Niere, etc.). Diese Membranen sind vom Aufbau her sehr fetthaltig,<br />

lipophil, und lassen deshalb passiv auch nur lipophile Stoffe, also ungeladene, wenig<br />

polare Stoffe gut passieren (Ausnahmen: Transport durch Poren oder aktiver<br />

Transport).<br />

Generell gilt: In Ionen dissoziierte Stoffe werden schlechter resorbiert als undissoziierte<br />

Moleküle (Beispiel: Dissoziation einer Säure: HA � H + + A - ).<br />

Der Dissoziationsgrad einer Säure oder Base hängt vom pH- Wert des umgebenden<br />

Mediums und dem pKs- respektive pKb-Wert der Säure oder Base ab. Der<br />

Dissoziationsgrad wiederum bestimmt die Lipophilie und damit den Verteilungskoeffizienten<br />

Kv oder die Löslichkeit. Zur Bestimmung der Resorptionsfähigkeit dient<br />

der Verteilungskoeffizient Octanol/Wasser (O/W-Wert, Pow) bzw. gegenüber einem<br />

Puffer mit pH 7.4 (physiologischer pH-Wert), wobei bei dissoziierbaren Molekülen das


Verhältnis von ionisierter zu nicht ionisierter Form massgeblich ist (Henderson-<br />

Hasselbalchsche Gleichung).<br />

29<br />

Die Membranen bewirken eine Trennung in 2 Komparimente, z.B. intra- und extrazellulär<br />

usw. Die Verteilung eines Stoffes zwischen diesen beiden Kompartimenten lässt<br />

sich einfach berechnen.<br />

extrazellulär<br />

c<br />

aussen<br />

Verteilungs-<br />

Gleichgewicht<br />

Membran<br />

intrazellulär<br />

c<br />

innen<br />

Eine Substanz verteilt sich zwischen<br />

die beiden Räume extrazellulär und<br />

intrazellulär entsprechend ihrer<br />

Löslichkeit in den beiden<br />

Phasenräumen.<br />

Verteilung : K =<br />

Reaktionsgeschwindigkeit<br />

c<br />

c<br />

innen<br />

aussen<br />

Chemisches Gleichgewicht<br />

Abnahme aussen<br />

0 5 10 15 20<br />

Gleichgewicht<br />

Zunahme innen<br />

Zeit<br />

Dynamik und Lage der<br />

Gleichgewichtseinstellung<br />

Abbildung 15: Gleichgewichtseinstellung zwischen zwei Phasenräumen, z.B. extrazellulär und<br />

intrazellulär<br />

Die Verteilung stellt sich erst nach einer gewissen Zeit stabil ein, dann wenn die<br />

Diffusion nach innen der Diffusion nach aussen entspricht. Es handelt sich somit um ein<br />

dynamisches Gleichgewicht.<br />

Für die Verteilung wasserlöslicher Substanzen, oder von Substanzen, welche an<br />

wasserlösliche Teilchen gebunden werden, sind die Volumina der Kompartimente eine<br />

massgebende Grösse.<br />

Tabelle 8: Wassergehalt einiger Organe des Menschen (Gesamtgehalt 100%)<br />

Chemie Bützer


Muskelgewebe 50.8<br />

Skelett 12.5<br />

Haut 6.6<br />

Blut 4.7 (bei Erwachsenen ca. 6.5-7.1% des Köpergewichts,<br />

bei Neugeborenen ca. 10% des Körpergewichts)<br />

Magen, Darm 3.2<br />

Leber 2.8<br />

Gehirn 2.7 (begrenzt Moleküle auf MG


31<br />

[HA]: Konzentration an undissoziierter Säure, Transportform (durchdringt die<br />

lipophilen Zell-Membranen oder werden durch „Einstülpung“ in die Zelle<br />

transferiert: Pinocytose grosser Moleküle).<br />

Modellannahme: Massenbilanz: c = [A - ] + [HA]<br />

[A-] = c - [HA]<br />

Ks = (c - [HA]) [H3O + ]/ [HA];<br />

+<br />

c • [ H3<br />

O ]<br />

[ HA]<br />

=<br />

; Undissoziierte Säure, lipophil<br />

+<br />

Ks + [ H O ]<br />

3<br />

Diese Funktion ist analog der log- Dosis Wirkungs- Kurve, nur enthält sie zusätzlichen<br />

Faktor c. Da der pH-Wert dem negativen dekadischen Logarithmus entspricht, ist der<br />

Kurvenverlauf um die Vertikale gespiegelt (in der logarithmischen Form ist dieser Graph<br />

eine Sigmoide, wie das logistische Wachstum).<br />

[HA]<br />

0.01<br />

0.005<br />

0<br />

0.000001 0.00001 0.0001 0.001 0.01 0.1 1 10<br />

[H3O + ]<br />

Ks1 = 0.0001 Ks2 = 0.01<br />

Abbildung 16: Konzentration der undissoziierten Säure [HA] in Funktion der [H3O+] Konzentration<br />

(c = 0.01 mol/l)<br />

undiss. Säure [HA]<br />

1.2<br />

1<br />

0.8<br />

0.6<br />

0.4<br />

0.2<br />

0<br />

0 2 4 6 8 10 12 14<br />

pH<br />

pKs=5<br />

pKs=7<br />

pKs=9<br />

Abbildung 17: Undissoziierte Säure [HA] in Funktion des pH-Wertes der Lösung (Annahme: c= 1)<br />

Chemie Bützer


Bei jeder Säure ist dann, wenn pKs = pH 50% der Säure dissoziiert. Undissoziierte<br />

Säure (z.B. CH3COOH) ist lipophiler, da sie nicht geladen ist (CH3COO - ).<br />

Chemie Bützer<br />

32<br />

Tabelle 9: Mittlere pH- Werte von Körperflüssigkeiten des Menschen<br />

Körperflüssigkeit<br />

pH- Werte<br />

Magen 2 - 3<br />

Darm 7.3<br />

Blut Frauen 7.40±0,015, Männer 7.39±0,015<br />

Harn 5.9 - 6.2<br />

Schweiss 5.5 - 7.5<br />

Tabelle 10: pKs – Werte von sauren oder basischen <strong>Wirkstoffe</strong>n, prozentualer Anteil<br />

undissoziierter Säure bei pH = 2.5 und pH = 7.3 (berechnet mit der Gleichung von Henderson-<br />

Hasselbalch)<br />

Substanz<br />

pKs Molmasse pH=2.5 pH=7.3<br />

% [HA] % [HA]<br />

Oxalsäure 1.25 90 94.7 0.0<br />

Benzylpenicillin 2.8 334.39 33.4 0.0<br />

Oxacillin 2.8 401.43 33.4 0.0<br />

Weinsäure 2.98 150.1 24.9 0.0<br />

PAS (p-Aminosalicylsäure) 3.2 195.16 16.6 0.0<br />

Diazepam 3.3 284.75 13.7 0.0<br />

Acetylsalicylsäure 3.5 180.16 9.1 0.0<br />

Milchsäure 3.86 90.1 4.2 0.0<br />

Vitamin C 4.2 176 2.0 0.1<br />

Benzoesäure 4.2 122.1 2.0 0.1<br />

Phenylbutazon 4.5 308.37 1.0 0.2<br />

Propionsäure 4.87 74.1 0.4 0.4<br />

4- Aminophenol 5.65 109.1 0.1 2.2<br />

Dicumarol 5.7 336.3 0.1 2.5<br />

Codein 6 299.37 0.0 4.8<br />

Phenobarbital 7.6 232.23 0.0 66.6<br />

Methadon 8.6 309.45 0.0 95.2<br />

Theophyllin 8.75 180.17 0.0 96.6<br />

Procain 8.9 236.3 0.0 97.5<br />

1,3-Dihydroxybenzol 9.2 110.11 0.0 98.8<br />

Resorcin 9.2 110.1 0.0 98.8<br />

Allopurinol 9.4 136.11 0.0 99.2<br />

Propanolol 9.45 259.34 0.0 99.3<br />

Imipramin 9.5 280.41 0.0 99.4<br />

Atropin 9.8 289.37 0.0 99.7<br />

Amphetamin 9.9 135.21 0.0 99.7<br />

Dimethylamin 10.73 45.1 0.0 100.0


% undissoz. Medikament<br />

100.0<br />

80.0<br />

60.0<br />

40.0<br />

20.0<br />

0.0<br />

33<br />

0 5 10 15<br />

pKs<br />

pH=2.5<br />

pH=7.3<br />

Abbildung 18: Prozentualer Anteil von undissoziiertem Medikament im Magen (pH=2.5) und Darm<br />

(pH=7.3).<br />

Resorption:<br />

Saure Substanzen werden schon im Magen, basische Substanzen werden erst im<br />

Darm gut aufgenommen.<br />

Mit der Diskussion der Lipophilie, also der Anteile an ungeladenen Teilchen, ist nur die<br />

Frage beantwortet, wie viel eines Stoffes aufgenommen werden oder eine Membran<br />

passieren. Im 2. Kompartiment stellen sich diese Gleichgewichte erneut ein.<br />

Hat eine Base die Darmwand passiert, dann kommt sie ins Blut mit einem meist<br />

verschiedenen pH- Wert, sicher aber mit einem anderen Volumen. Diese Volumenänderung<br />

ist mit dem Verteilungsgleichgewicht zu berücksichtigen.<br />

Tabelle 11: Wirksamkeit einiger Sulfonamide (Ionisierung mit der Gleichung von Henderson-<br />

Hasselbalch berechnet)<br />

Sulfonamid min. Hemmkonz.<br />

(μmol/l )<br />

pKs<br />

-log(Ks)<br />

% ionisiert bei pH=7<br />

−<br />

[ A ] ( pH−pKs)<br />

= 10<br />

[ HA]<br />

Sulfanilamid 2500 10.5 0.03<br />

Sulfapyridin 20 8.5 3.4<br />

Sulfathiazol 4 6.8 61.6<br />

Sulfadiazin 4 6.4 80.0<br />

Chemie Bützer


Chemie Bützer<br />

34<br />

Folgerung:<br />

Bei Substanzen einer Wirkstoffgruppe wird die Wirksamkeit ganz entscheidend durch<br />

die Resorption bestimmt. Eine undissoziierte Substanz kann die Membranen wesentlich<br />

besser durchdringen (Transport durch die Zellwand � Transportform).<br />

Der Transport in der Blutbahn erfolgt entweder in gelöster Form (kleine polare Moleküle<br />

im Blut) oder bedient sich der Vehikel-Funktion der Globuline und Albumine. Mit dem<br />

Übertritt in die Blutbahn werden die Körperorgane in gleicher Weise angeschwemmt. An<br />

den Zellen der Organe treten in analoger Weise Diffusions- oder aktive Transportvorgänge<br />

auf und führen zu einem Eindringen der <strong>Wirkstoffe</strong> in die Zellen. Die stark<br />

durchbluteten Organe (Lunge, Herz, Gehirn, Leber, Niere) sind daher einem stärkeren<br />

Diffusionsdruck ausgesetzt, als das schwächer durchblutete Muskelgewebe.<br />

5 Elimination<br />

Unter Elimination versteht man die Summe aus Abbau (Metabolismus,<br />

Biotransformation) Exkretion (Ausscheidung) und aktiver Entgiftung (Detoxikation). Sehr<br />

oft kann nur die Summe dieser Prozesse erfasst werden, welche dann z.B. mit einer<br />

biologischen Halbwertszeit angegeben wird.<br />

5.1 Biotransformation<br />

Die meisten, der von einem Organismus aufgenommenen Substanzen werden<br />

metabolisiert.<br />

Die wichtigsten Reaktionen sind:<br />

� Oxidation (Energiegewinnung),<br />

� Reduktion,<br />

� Hydrolyse,<br />

� Synthese (z.B. Methylierung, Acetylierung, Amidbildung etc.),<br />

� Konjugation (Bindung an andere Moleküle).<br />

Der Körper kann grundsätzlich nicht zwischen „giftigen“ und „ungiftigen“ Stoffen<br />

unterscheiden. Die resorbierbaren Stoffe unterliegen, ungeachtet ihrer physiologischen<br />

Wirkungen, den Umwandlungs-, Speicher- und Ausscheidungsmechanismen, wie sie<br />

für die lebensnotwendigen Stoffe (Nahrungsmittel, Vitamine etc.) gegeben sind. Für die<br />

organischen Komponenten ist dies in erster Linie der enzymatische Stoffwechsel<br />

(Metabolismus) der Zellen, in besonderer Ausprägung das Leberparenchym<br />

(Cytochrom P 450-Enzyme � CYP). Der Stoffwechsel hat vor allem den Zweck,<br />

Energie und körpereigene <strong>Wirkstoffe</strong> zu gewinnen. Dabei wird meist Sauerstoff<br />

eingebaut, was zu einer Steigerung der Polarität und damit einer Erhöhung der<br />

Wasserlöslichkeit führt. Diese chemischen Veränderungen führen meist zu einer<br />

Entgiftung, sie können aber auch zu toxischeren Substanzen, also einer Giftung führen.


5.2 Exkretion<br />

Die Clearance (englisch für Reinigungsklärung) ist ein Mass für die Eliminationsgeschwindigkeit<br />

einer Substanz aus dem Blut 35 . Die renale Clearance (Nieren-<br />

Clearance) beschreibt das Verhältnis zwischen der im Urin je Zeiteinheit<br />

ausgeschiedenen Substanzmenge mu=cu•Vu bezogen auf die, Konzentration der<br />

Substanz im Plasma cp:<br />

35<br />

c u • Vu<br />

Cp<br />

=<br />

c p<br />

Cp: Clearance (ml)<br />

cu: Konzentration der Substanz im Urin (mmol/ml)<br />

Vu: Volumen der Urinmenge (ml/h)<br />

cp: Konzentration der Substanz im Plasma (mmol/ml)<br />

mu: Menge im Urin (mmol)<br />

Die Ausscheidung kann auch über andere Wege erfolgen (Leber, Galle, Haut, Lunge).<br />

Die Elimination einer Substanz (z.B. Ausscheidung durch die Niere) bewirkt einen Abfall<br />

der Blutspiegelkurve. In den allermeisten Fällen handelt es sich um eine Kinetik „erster<br />

Ordnung“ – die Geschwindigkeit ist von der Konzentration im Blut bestimmt:<br />

dc<br />

− = k e • c;<br />

dt<br />

c t<br />

( −ke<br />

•t<br />

)<br />

= c 0 • e ;<br />

ln( c ) = ln( c ) − k • t;<br />

t<br />

0<br />

e<br />

ke: Eliminationsgeschwindigkeits-Konstante (s -1 );<br />

ct: Konzentration im Blutplasma (mol/m 3 );<br />

t: laufende Zeit (s);<br />

c0: Konzentration im Blutplasma zum Zeitpunkt t = 0, (mol/m 3 );<br />

Simulationsdiagramm Zeitdiagramm der Blutkonzentration<br />

Abbildung 19: Konzentrationsabhängige Elimination (ke = 0.05)<br />

35 Das in einer Zeiteinheit formal vom Wirkstoff befreite Plasmavolumen wird als Clearance bezeichnet:<br />

Vapp<br />

t / = ln( 2)<br />

• ; t½ : Halbwertszeit der Ausscheidung, Vapp: scheinbares Verteilungsvolumen,<br />

1 2<br />

CLtot<br />

CLtot: Gesamtclearance (alle Ausscheidungen zusammen): CLtot<br />

k =<br />

Vapp<br />

Chemie Bützer


5.3 Geschwindigkeit von Gleichgewichtseinstellungen (Kinetik)<br />

Aufnahme einer Substanz in das Blut aus dem Verdauungstrakt mit der Magen-<br />

und/oder Darmwand als trennende Membran.<br />

Magen-Darm-<br />

Trakt<br />

36<br />

kr ke<br />

Blutraum<br />

Abbildung 20: Modell mit einem Kompartiment und einer Trennwand.<br />

Annahmen:<br />

c0: Anfangskonzentration im Kompartiment<br />

c(t): Konzentration zur Zeit t im Kompartiment<br />

ka : Geschwindigkeit der Aufnahme in das Kompariment (Resorption)<br />

ke : Geschwindigkeit der Elimination aus dem Kompartiment (Clearance)<br />

c0 � Dosis/Verteilvolumen 36 ,<br />

c(<br />

t)<br />

c<br />

k<br />

k − k<br />

(<br />

a −ka•<br />

t −ke<br />

•t<br />

= 0 • e − e ); Bateman-Funktion<br />

a<br />

Verdauungs<br />

trakt<br />

e<br />

kr HWZe ke<br />

Blut<br />

Resorption Elimination<br />

Abbildung 21: Simulationsdiagramm eines 1-Kompartiment-Modells<br />

Blutkonzentration<br />

36 Lüllmann H., Mohr K., Ziegler A., Taschenbuch der Pharmakologie, Georg Thieme Verlag<br />

Stuttgart/New York, 1994, 47<br />

Chemie Bützer


mg/kg<br />

100<br />

75<br />

50<br />

25<br />

0<br />

37<br />

Blutkonzentration<br />

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

Time (Hour)<br />

Blutkonzentration : current<br />

Abbildung 22: Zeitdiagramm eines 1-Kompartiment-Modells (Ordinate: Prozent,<br />

Anfangskonzentration 100%, Abszisse: Zeit, kr = 0.06; ke = 0.02)<br />

Dokumentation (Gleichungen, Parameter)<br />

(01) Blut= INTEG (+Resorption-Elimination, 0)<br />

Units: mg/kg [0,?]<br />

(02) Blutkonzentration= Blut/(5)<br />

Units: mg/kg [0,?]<br />

(03) Elimination= ke*Blut<br />

Units: mg/(Hour*kg)<br />

(04) FINAL TIME = 10<br />

Units: Hour<br />

The final time for the simulation.<br />

(05) HWZe= 3<br />

Units: Hour [1,3]<br />

(06) INITIAL TIME = 0<br />

Units: Hour<br />

The initial time for the simulation.<br />

(07) ke= LN(2)/HWZe<br />

Units: 1/Hour<br />

(08) kr= 0.28<br />

Units: 1/Hour [0.1,1]<br />

(09) Resorption= kr*Verdauungstrakt<br />

Units: mg/(Hour*kg) [0,?]<br />

(10) SAVEPER = TIME STEP<br />

Units: Hour [0,?]<br />

The frequency with which output is stored.<br />

(11) TIME STEP = 0.1<br />

Units: Hour [0,?]<br />

The time step for the simulation.<br />

(12) Verdauungstrakt= INTEG (-Resorption, 1000)<br />

Units: mg/kg [0,?]<br />

Sehr wichtig für die Dynamik der Wirkung von Substanzen sind die molekularen<br />

Eigenschaften wie:<br />

• Molmasse<br />

• Fettlöslichkeit<br />

• Resorption<br />

• Proteinbindung<br />

Chemie Bützer


38<br />

• Elimination (Biotransformation, Clearance (Abbaugeschwindigkeit in Leber und<br />

Ausscheidungsgeschwindigkeit in Niere))<br />

Resorption<br />

Verteilung<br />

Biotransformation<br />

Proteinbindung<br />

Wirkort<br />

Elimination<br />

Speicherung<br />

Ausscheidung<br />

Abbildung 23: Die biologische Wirkung von Systemen mit einem Metabolismus im Überblick<br />

Die Übertragbarkeit der Daten von Kleinsäugern auf den Menschen kann recht<br />

heikel sein. So kann beispielsweise bei einer Maus bei derselben relativen Dosis<br />

(mg/kg) manchmal keine Wirkung festgestellt werden, obwohl die Substanz beim<br />

Menschen wirkt. Der enorm hohe Blutumsatz (insgesamt die metabolic rate) lässt einen<br />

Wirkstoff bei der Maus teilweise so rasch ausscheiden, dass die notwendige<br />

Blutkonzentration nicht erreicht wird 37 . Anpassungen dieser Art können jedoch mit<br />

geeigneten Modellen gemacht werden.<br />

Dieses Modell soll die wesentlichsten Aspekte der molekularen, chemischen Wirkungen<br />

deutlich machen.<br />

Drug<br />

Drug<br />

Drug<br />

Drug<br />

Drug<br />

Rezeptoren<br />

Wirkung<br />

Normale Wirkung<br />

grosse Affinität<br />

Nebenwirkung<br />

kleine Affinität<br />

Abbildung 24: Wirkung und Nebenwirkungen als Folge der Bindung an den gewünschten (oben)<br />

und nicht gewünschten Rezeptor (unten)<br />

Je höher die Konzentration, desto mehr Wirkstoff bleibt übrig, der auch mit Orten<br />

kleinerer Affinität reagieren kann – das führt zu vermehrten Nebenwirkungen.<br />

Agonist: Bindet am Rezeptor und löst eine Wirkung aus<br />

Antagonist: Bindet am Rezeptor, aber löst keine Wirkung aus. Er kann aber die<br />

Wirkung blockieren (Inhibitor).<br />

37 Schmitt W., Willmann S., Computer-Reise durch den Körper, research (Das Bayer-<br />

Forschungsmagazin), Nr.15, Dezember 2003, 62<br />

Chemie Bützer


Die Wirkung ist nicht nur eine qualitative, sondern auch eine quantitative<br />

Eigenschaft.<br />

5.4 Occupationsmodell<br />

39<br />

„Sobald wir mehr wissen, haben wir mehr Fragen zu stellen. Unser Wissen ist<br />

wie eine Insel im unendlichen Ozean des Unbekannten, und je grösser diese<br />

Insel wird, desto länger werden die Ufergrenzen zum Unbekannten.“<br />

(Viktor Weisskopf, Natur im Schaffen)<br />

Die Rezeptoren werden durch die <strong>Wirkstoffe</strong> in einer Gleichgewichtsreaktion belegt.<br />

Das ist notwendig, denn wenn die Bindung zu stark wäre, könnte an einem Rezeptor<br />

nur einmal eine Reaktion ausgelöst werden.<br />

Der Effekt ist der Anzahl der belegten Rezeptoren proportional.<br />

Ein einfaches Modell geht von folgenden Annahmen aus:<br />

1. Ein Wirkstoff muss sich an den Wirkungsort (Rezeptor) binden.<br />

2. Diese Bindung ist eine Gleichgewichtsreaktion (dynamisches Gleichgewicht wie<br />

das Niveau bei einem Brunnen)<br />

3. Die Wirkung ist dann proportional der Anzahl Wirkstoffmoleküle, die an den<br />

Rezeptor gebunden sind.<br />

4. Es wird der relative Effekt berechnet, d.h. man interessiert sich, welcher Bruchteil<br />

des maximalen Effekts erreicht wird.<br />

Dieses Modell ist nicht nur für Gifte brauchbar, sondern wird auch für Pharmaka oder<br />

die Enzymwirkung (Michaelis-Menten- Gleichung) verwendet.<br />

Rezeptor +<br />

Drug<br />

-k1 ⇔ k2- Drug-<br />

Rezeptor<br />

Komplex<br />

� k3 � Effekt<br />

[R] + [D]<br />

Gleichgewicht<br />

-k1 ⇔ k2- [DR] � k3 � E<br />

Konzentration Konzentration<br />

Konzentration Propor- Beobachtbarer<br />

der Rezeptoren des<br />

Drug-Rezeptor- tionalitäts- Effekt<br />

mol/l Drug/<strong>Wirkstoffe</strong>s<br />

mol/l<br />

Komplex Konstante (Wirkung)<br />

Abbildung 25: Aufbau des Occupationsmodells (Besetzung von Rezeptoren durch <strong>Wirkstoffe</strong>)<br />

Chemie Bützer


5.4.1 Annahmen für das Modell:<br />

Dissoziationskonstante: Kd = k2/k1 ; Reziprokwert der chemischen<br />

Gleichgewichtskonstanten K = k1/k2;<br />

40<br />

1. Gleichgewicht : Kd = ([R] [D])/[RD];<br />

2. Proportionalität: Effekt : E = [RD] k3 ; der Effekt ist proportional der mit<br />

<strong>Wirkstoffe</strong>n belegten Rezeptoren;<br />

3. Maximaler Effekt : Em = [Rt] k3 ; alle Rezeptoren sind belegt, d.h. der Effekt ist<br />

maximal;<br />

4. Massenbilanz : [Rt] = [RD] + [R] ; [Rt] Konzentration aller Rezeptoren, die R<br />

enthalten.<br />

Gesucht ist ein Modell, welches nur die messbaren Grössen [D], Kd und E/Em enthält.<br />

E/Em ist dabei der relative Effekt, als ein Mass, welcher Bruchteil des maximal<br />

möglichen Effekts erreicht wird.<br />

Mathematische Herleitung (Besetzungstheorie, Occupationsmodell nach Alfred Joseph<br />

Clark {1885 – 1951}):<br />

[R] = [Rt] - [RD] ; aus 4)<br />

[R] = Em/k3 - E/k3 ; 2) und 3) eingesetzt in 1)<br />

Kd = {(Em/k3 - E/k3) [D]}/(E/k3) ; gekürzt<br />

Kd = (Em [D] - E [D])/E; umgeformt<br />

Kd = Em/E [D] - [D].<br />

Mathematische Formulierung der Dosis- Effekt- Kurve:<br />

Relativer Effekt : E D<br />

[ D]<br />

+ Kd<br />

= ; Maximaler Effekt: Em = E • ;<br />

Em D + Kd<br />

D<br />

[D] : Dosis (mg/kg)<br />

Kd : Dissozitationskonstante (mg/kg) entspricht der Dosis für den halbmaximalen Effekt,<br />

sie ist ein Mass für die Wirksamkeit (engl. potency 38 of a drug).<br />

Diese Funktion zeigt eine perfekte Analogie zur Dissoziation von Säuren und zur<br />

Michaelis-Menten-Funktion, was nicht überrascht, äussern sich doch die <strong>Effekte</strong> sehr<br />

oft als Beeinflussung der zellulären Enzymsysteme.<br />

Effekt/Reiz<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

0 20 40 60 80 100<br />

Dosis<br />

Zunahme des Effekts bei zunehmender<br />

Dosis<br />

Effekt/Reiz<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

[ ]<br />

1 10 100<br />

Dosis<br />

Logarithmische Darstellung des Effekts siehe<br />

auch: Gesetz von Stevens<br />

38 Forth W., Henschler D., Rummel W., Starke.(Hrsg.), Allgemeine und spezielle Pharmakologie und<br />

Toxikologie, Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG, Mannheim, 1992, 17<br />

Chemie Bützer


41<br />

Abbildung 26: Vergleich einer linearen mit einer logarithmischen Darstellung von Dosis und Effekt<br />

(Wirkung)<br />

Das Weber-Fechnersche Gesetz 39 sagt aus, dass die Empindungen unserer Sinne in<br />

der Intensität logarithmisch sind: Sehsinn, Gehör, Tastsinn, Geruch, Geschmack,<br />

Temperaturempfindung etc.<br />

Dieses Gesetz wurde 1970 als Gesetz von Stevens erweitert und hat nun die<br />

allgemeine Form: I = a•S p<br />

I: Intensität der Empfindung<br />

a: Konstante<br />

S: Stimulus<br />

p: Konstante als Potenz (p: 0.33 – 1.7)<br />

In der logarithmierten Form: log(I) = p•log(S) + log(a) zeigt sich, dass eine doppelt<br />

logarithmische Darstellung eine Gerade ergeben wird.<br />

Unter Berücksichtigung des Schwellenwerts So wird diese Gleichung zu:<br />

log(I) = p•log(S-So) + log(a)<br />

5.4.2 Grenzen des Modells<br />

Die Bindung der meisten <strong>Wirkstoffe</strong> an ihre<br />

Rezeptoren löst nicht unmittelbar den<br />

gemessenen Effekt aus sondern bewirkt die<br />

Synthese oder Freisetzung eines oder mehrerer<br />

Mediatoren (z.B. „second messenger“ cAMP oder<br />

Ca 2+ ). Dieser wiederum bindet reversibel an ein<br />

Effektorsystem. Somit sind hier eigentlich zwei<br />

Gleichgewichte hintereinander geschaltet:<br />

D + R � DR � M + E � ME � W<br />

D: Drug<br />

R: Rezepotor<br />

M: Mediatormolekül (z.B. cAMP)<br />

E: Effektorsystem<br />

W: Wirkung<br />

5<br />

O<br />

HO<br />

'<br />

O<br />

N<br />

H<br />

H<br />

3'<br />

P<br />

O OH<br />

O<br />

N<br />

NH 2<br />

Abbildung 27: cycl. Adenosin-<br />

3',5'-monophosphat, cycl.<br />

Adenosinmonophosphat, cyclo-<br />

AMP, cAMP.<br />

39 Weber-Fechnersches Gesetz: E.H. Weber, Deutscher Physiologe (1795-1878), G. Fechner,<br />

Deutscher Psychologe (1801-1887)<br />

Chemie Bützer<br />

N<br />

N


42<br />

Die Realität zeigt, dass das Modell, trotz den bekannten Mediatoreigenschaften, die<br />

experimentellen Fakten recht gut beschreibt. Falls die Daten bekannt sind, können mit<br />

dem Modell mindestens Extrapolationen auf noch unbekannte Dosisbereiche recht gut<br />

vorgenommen werden.<br />

Unter der Annahme, dass empfindliche Individuen pro Kilogramm Körpergewicht<br />

weniger Rezeptoren haben, weniger Empfindliche mehr, kann dieses Modell auf eine<br />

Population übertragen werden.<br />

Gerade für die Untersuchung der Mediator-Moleküle und der Effektor-Systeme hat sich<br />

dieses Modell immer wieder bewährt (Pharmakologie, Toxikologie, Molekularbiologie 40 ).<br />

Bestimmung von Kd: E D<br />

= ;<br />

Em D + Kd<br />

Falls [D] = Kd, dann ist E/Em = ½ = 0,5 also 50% Effekt.<br />

Kd entspricht hier bei <strong>Wirkstoffe</strong>n der ED(50), also der Dosis, bei welcher bei der Hälfte<br />

der beobachteten Individuen ein Effekt festgestellt werden kann. Für letale <strong>Effekte</strong><br />

entspricht dies der LD(50). Diese LD(50) ist für verschiedene Lebewesen<br />

unterschiedlich (siehe Beurteilung von Befunden). Andererseits zeigen sich bei gleichen<br />

Lebewesen individuelle Unterschiede.<br />

Wirkung (%)<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

0 20 40 60 80 100<br />

besetzte Rezeptoren (%)<br />

HO<br />

HO<br />

Wirkung %<br />

berechnet<br />

OH<br />

C CH 2 NH 2<br />

Abbildung 28: Kontraktion der Kaninchenaorta durch den Neurotransmitter Noradrenalin 41 ;<br />

Berechnung mit Kd = 5 (Dosis-Effekt-Kurve).<br />

Die Dosis wird meist in Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht angegeben. Damit<br />

werden individuelle Unterschiede in der Körpergrösse einigermassen ausgeglichen.<br />

40 Rudinger J., The Meaning of „Structure“ and „Activity“ for Peptide Hormones, Endocrinology 1971,<br />

Proc. 3rrd Int. Sym., London, 19-22 July 1971. Ed Selwyn Taylor, William Heinemann Medical<br />

Books, London 1972, 12<br />

41 Beese und Furchgott, zitiert in: Forth W., Henschler D., Rummel W., Starke.(Hrsg.), Allgemeine und<br />

spezielle Pharmakologie und Toxikologie, Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG,<br />

Mannheim, 1992, 15<br />

Chemie Bützer<br />

H


Für Kinder ist diese Anpassung aber ungenügend, da das Oberflächen zu<br />

Körpervolumen-Verhältnis zu stark von Erwachsenen abweicht.<br />

Die Youngsche Regel kann in Bezug auf das Alter als die zuverlässigste einfache<br />

Regel gelten 42 :<br />

43<br />

Dosierungsanpassung an das Alter von Kindern:<br />

Alter<br />

= Bruchteil _ der _ Erwachsenen<br />

− Dosis<br />

Alter +12<br />

Borsäure letale Dosen 43 :<br />

Erwachsene (oral): 15 – 20 g, Kleinkinder: 5 – 6 g; Säuglinge: 1 – 3 g.<br />

Berechnet nach obiger Formel, ausgehend von der Erwachsenendosis:<br />

Kinder (12 j.): 7,5 – 10 g, Kleinkinder (4 j.): 3,5 – 5 g, Säuglinge (2 j.): 2 – 3 g.<br />

Die Formel stimmt für diesen Fall recht gut.<br />

Beispiel: TCDD (Dioxin):<br />

Das stärkste synthetische Gift, das Dioxin (2,3,7,8-TCDD,<br />

Cl<br />

2,3,7,8-Tetrachlorodibenzo-1,4-dioxin) zeigt z.B. bei<br />

Goldhamstern eine 10'000 mal grössere LD(50), als die<br />

Meerschweinchen (0.6 μg/kg). Das ist erstaunlich, wenn man<br />

Cl O<br />

TCDD<br />

bedenkt, dass es sich um sehr ähnliche Organismen handelt. Die Probleme und<br />

Grenzen der Übertragbarkeit von tierexperimentellen Daten auf den Menschen sind<br />

damit angedeutet.<br />

O Cl<br />

Meist wird die Dosis-Effekt-Kurve als log(Dosis)-Effekt-Kurve dargestellt. Damit kann<br />

man grössere Dosisbereiche erfassen.<br />

Kontraktion (%)<br />

42 Meyers F.H., Jawetz E., Goldfien A., Lehrbuch der Pharmakologie, Springer-Verlag,<br />

Berlin/Heidelberg/New York, 1975, 26<br />

43 Stephan U., Elstner P., Müller R.K. (Hrsg.), Fachlexikon ABC Toxikologie, Verlag Harri Deutsch,<br />

Thun/Frankfurt, 1985, 76<br />

Chemie Bützer<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

1.00E-07 1.00E-06 1.00E-05 1.00E-04 1.00E-03 1.00E-02<br />

Noradrenalin (mol/l)<br />

Abbildung 29: Experimentelle log(Dosis)-Wirkungs-Kurve (% Kontraktion mit Noradrenalin am<br />

isolierten Milzpräparat der Katze) 44<br />

Cl


44 Forth W., Henschler D., Rummel W., Starke.(Hrsg.), Allgemeine und spezielle Pharmakologie und<br />

Toxikologie, Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG, Mannheim, 1992, 5<br />

45 Ng, P. C. et al., Individual Genomes Instead of Race for Personalized Medicine, In: Clinical<br />

Pharmacology and Therapeutics, 84, 2008, pp. 306-309<br />

Chemie Bützer<br />

44<br />

Übertragbarkeit der anhand von Tierversuchen bestimmten toxikologischen Daten auf<br />

den Menschen; z.B. weisen LD50-Werte erhebliche Schwankungen durchaus schon bei<br />

verwandten Säugetieren auf!<br />

Tabelle 12: Übertragbarkeit der LD-Werte<br />

Tierspezies LD50 für TCDD<br />

[mg/kg Körpergewicht]<br />

Meerschweinchen 0,6-2,0<br />

Ratte 20-45<br />

Küken 25-50<br />

Affe 70<br />

Kaninchen 115<br />

Maus 110-280<br />

Hund 200-300<br />

Goldhamster 1000-3000<br />

5.4.3 Übertragung auf Populationen<br />

Das Occupationsmodell kann auf eine Population von Individuen (Pflanzen,Tiere oder<br />

Menschen) übertragen werden, die unterschiedliche Empfindlichkeiten gegenüber dem<br />

Wirkstoff zeigt.<br />

Die Population ist dabei charakterisiert durch:<br />

• die mittlere Wirksamkeit des Wirkstoffs und<br />

• die Streuung in der Wirksamkeit des Wirkstoffs.<br />

Bei anscheinend ähnlichen Menschen sind manche ihrer Gene dermassen verschieden,<br />

dass sie auf dasselbe Medikament unterschiedlich reagieren 45 . Die Hautfarbe eines<br />

Menschen bestimmt nicht, wie er auf ein Medikament reagieren wird, oder auf welche<br />

Medikamente er reagiert. Die Zukunft ist daher eine personalisierte Medizin ein, die den<br />

individuellen Gen-Code berücksichtigt.<br />

Unter der Annahme, dass die Empfindlichkeitsverteilung einer Normalverteilung<br />

entspricht, zeigt sich die folgende Verteilung und deren Summenkurve:


y<br />

1<br />

0.8<br />

0.6<br />

0.4<br />

0.2<br />

0<br />

45<br />

Normalverteilung<br />

0 10 20 30<br />

x<br />

Abbildung 30: Normalverteilung mit Mittelwert 15 und Standardabweichung 5<br />

Summenkurve<br />

Normalverteilung<br />

Der Mittelwert bestimmt bei dieser Kurve die Lage, die Standardabweichung bei der<br />

Normalverteilung die Breite und bei der Summenkurve die Steilheit.<br />

y ist für die Dosis-Wirkung der relative Effekt, x ist dabei der Logarithmus der Dosis.<br />

Die x-Achse ist der Logarithmus der Dosis. Wird diese linear dargestellt, dann erhält<br />

man die bisehr bekannte Form des Grafen.<br />

1<br />

0.8<br />

0.6<br />

0.4<br />

0.2<br />

0<br />

0 2E+08 4E+08 6E+08 8E+08 1E+09<br />

Abbildung 31: Lineare Darstellung von Dosis und relativem Effekt<br />

Diese Funktion weist die typische Form einer Sigmoiden auf (wie die Wachstumskurve<br />

von Bakterien, logistisches Wachstum oder eine Titrationskurve).<br />

Chemie Bützer


elativer Effekt<br />

0.8<br />

0.6<br />

0.4<br />

0.2<br />

46<br />

log (Dosis) - Effekt - Funktion<br />

0.000001 0.001 1 1000<br />

1<br />

0<br />

Mikrogramm/kg<br />

heilend<br />

Nebenwirkungen<br />

letal<br />

Abbildung 32: Dosis-Effekt-Kurven für verschiedene Wirksamkeiten (Kd=0.001, Kd= 0.01, Kd= 0.1)<br />

In unserem Beispiel ist der Abstand der ED(50) (heilend) von der LD(50 (letal) ein<br />

Faktor 100.<br />

Diese Kurve entspricht der Summenhäufigkeit der Gaussschen Verteilungskurve.<br />

Folgerung:<br />

Je grösser der Abstand zwischen der Kurve mit den positiven <strong>Effekte</strong>n bei 50%<br />

(ED(50), zur Kurve mit der Letalität, LD(50), desto sicherer ist ein Medikament<br />

einzustufen.<br />

LD(50)/ED(50): therapeutischer Index.<br />

Aus Erfahrung hat sich bei Pharmaka für die therapeutische Breite der Quotient<br />

LD(25)/ED(75) herauskristallisiert 46 . Was könnte dafür die Begründung gewesen<br />

sein? 47<br />

Die LD(50), und damit Kd, ist die Grundlage für viele Beurteilungen der Toxizität von<br />

Substanzen, so auch der Gefahrenklassierung.<br />

Für die Funktion E<br />

Em<br />

=<br />

D<br />

gilt: Kd = ED(50) resp. LD(50) !!<br />

D + Kd<br />

5.4.4 Bedeutung für die Wirkungsbeurteilung<br />

Für die Beurteilung einer Wirkung, insbesondere für die Giftbeurteilung hat die Dosis-<br />

Effekt-Funktion eine grosse Bedeutung erlangt. Sie kann zwei Aussagen machen:<br />

• wie nimmt der Effekt in Funktion der Dosis bei einem Individuum zu und<br />

• wie zeigen sich die <strong>Effekte</strong> mit zunehmender Dosis bei einer Population.<br />

46 Kuschinsky G., Lüllmann H., Kurzes Lehrbuch der Pharmakologie, Georg Thieme Verlag, Stuttgart,<br />

1967, 269<br />

47 Falls die Steilheit der beiden Kurven nicht gleich ist, wird mit dem therapeutischen Index keine gute<br />

Aussage gemacht.<br />

Chemie Bützer


47<br />

Tabelle 13: Allgemeine Kennzeichnung als Gefahrengut/Gift 48<br />

sehr giftig<br />

giftig<br />

ätzend<br />

gesundheitsschädlich<br />

reizend<br />

Gefahrensymbole<br />

Giftigkeit bei<br />

Einnahme<br />

LD(50) mg/kg<br />

Giftigkeit bei<br />

Absorption durch<br />

Haut<br />

LD(50) mg/kg<br />

Giftigkeit beim<br />

Einatmen<br />

LC(50) mg/l<br />

auch Stäube und<br />

Nebel<br />

≤5 ≤40 ≤0.5<br />

>5-50 >40-200 >0.5-2<br />

fest: >50-500<br />

flüssig: >50-2000<br />

fest: >50-500<br />

flüssig: >50-2000<br />

500 - 2000<br />

(Erzeugnisse)<br />

> 2000<br />

(Erzeugnisse)<br />

5000-15000<br />

(Stoffe)<br />

>200-1000 >2-10<br />

>200-1000 >2-10<br />

Stoffe (Grundstoffe) sind unveränderte Naturstoffe, chemisch einheitliche Stoffe, einfache technische<br />

Stoffgemische ohne bestimmte Verwendung, also für verschiedene Zwecke einsetzbar.<br />

Erzeugnisse sind veränderte Naturstoffe oder Stoffgemische für einen bestimmten Verwendungszweck.<br />

Tabelle 14: Priorität der Gefahrensymbole 49<br />

Gefahrensymbol<br />

T, T+ Xi, Xn, C<br />

C Xi, Xn<br />

E F+, F, O<br />

Xn Xi<br />

schliesst diese gefährliche Eigenschaft mit ein<br />

ätzend: Hautzerstörung innerhalb von 4 Stunden Einwirkungszeit (R 34)<br />

stark ätzend: Hautzerstörung innerhalb von 3 Minuten Einwirkungszeit (R 35)<br />

reizend: Innerhalb maximal 4 Stunden Einwirkungsdauer wird eine<br />

Entzündung hervorgerufen, die mindestens 24 Stunden anhält.<br />

Für die Beurteilung der Gefährdung ist die Geschwindigkeit der Wirkung, die<br />

Reaktionsgeschwindigkeit der Reaktion, wesentlich.<br />

48 Gefahrstoffgesetzgebung in Zukunft: REACH (Registration, Evaluation & Authorisation of Chemicals),<br />

nachher GHS (Globally Harmonized System)<br />

49 Bender H.F., Sicherer Umgang mit Gefahrstoffen, Wiley-VCH Verlag GmbH, Weinheim, 2000, 137<br />

Chemie Bützer


48<br />

Ätzende Stoffe zerstören die Haut in ihrer gesamten Dicke (Hautnekrose). Trotz der<br />

deutlich unterscheidbaren ätzenden Wirkung, wird zwischen stark ätzenden Stoffen und<br />

ätzenden Stoffen das gleiche Gefahrensymbol verwendet.<br />

Grundsätzlich gefährden ätzende Substanzen nicht nur die Haut, sondern auch das<br />

Auge und die Lunge.<br />

Tabelle 15: Ätzende Wirkung in Abhängigkeit der Basen-/Säurestärke 50<br />

Substanz<br />

stark ätzend<br />

ätzend<br />

reizend<br />

Schwefelsäure >15% 5-15%<br />

Salzsäure >25% 10-25%<br />

Essigsäure >90 % 25-90 % 10-25%<br />

Propionsäure >25% 10-25%<br />

Natronlauge >5% 2-5% 0.5-2%<br />

Die meisten organischen Säuren, z.B. Ameisensäure, sind nur als hochkonzentrierte<br />

Säuren stark ätzend, in Konzentrationen unter 90% sind sie üblicherweise als ätzend<br />

einzustufen.<br />

Wichtig: Die ätzende Wirkung von basischen Stoffen ist stärker, als die von Säuren!<br />

Allgemeine Regel:<br />

Bei einem pH-Wert unterhalb 2 und oberhalb 11.5 ist mit einer ätzenden Reaktion zu<br />

rechnen.<br />

Weitere Gefahrensymbole:<br />

Explosionsgefährlich<br />

Brandfördernd<br />

Leichtentzündlich<br />

Hochentzündlich<br />

Biogefahr<br />

Umweltschädigend<br />

Radioaktiv<br />

50 Bender H.F., Sicherer Umgang mit Gefahrstoffen, Wiley-VCH Verlag GmbH, Weinheim, 2000, 47<br />

Chemie Bützer


Chemie Bützer<br />

49<br />

In eine toxikologische Betrachtung sind auch die Aspekte der Allergie einzuschliessen.<br />

Tabelle 16:Toxizitäten einiger Substanzen<br />

Verbindung LD(50) mg/kg<br />

Anorganische Toxine<br />

Blei 100<br />

Tetraethylblei 35<br />

Quecksilber (II)-chlorid 23<br />

Arsentrioxid, Arsenik 10<br />

Kaliumcyanid 3<br />

Kochsalz 3000<br />

Destilliertes Wasser 25000 - 30000<br />

Organische Toxine<br />

Chlorthion (Insektizid) 1500<br />

Aspirin, Acetylsalicylsäure 1500<br />

Phenobarbital (Schlafmittel) 660<br />

DDT (Insektizid) 150<br />

Parathion (Insektizid) 3<br />

TCDD (Dioxin) 0.001<br />

Pflanzentoxine<br />

Menthol (Minze) 3200<br />

Vanillin (Vanilleschoten) 3180<br />

Ethanol (Trinkalkohol) 2500<br />

Allylsenföl (Senf, Mostrich) 680<br />

Digitonin (Roter Fingerhut, herzwirksam) 150<br />

Solanin (Kartoffeln ca. 0.08% Gew.) 120<br />

Ergotoxin (Mutterkornalkaloid) 100<br />

Coniin (Coniumalkaloid) 60<br />

Nicotin (Tabak- und anderer Pflanzen) 15<br />

Strychnin 5<br />

Curarin 5<br />

Cholchizin (Herbstzeitlosegift) 3<br />

C- Toxiferin-I (Curarealkaloid) 2.5<br />

α- Amantin (Knollenblätterpilz) 0.2<br />

Ricin (aus Ricinusöl) 0.0002<br />

Bakterientoxine<br />

Diphterietoxin 0.000'03<br />

Tetanustoxin 0.000'000'1<br />

Botulinustoxin 0.000'000'03<br />

Tierische Toxine<br />

Melittin (Bienengift) 4<br />

Samandarin (Salamandergift) 1.5<br />

Buffotoxin (Krötengift) 0.4<br />

Tetrodotoxin (jap. Kugufisch, Delikatesse) 0.008<br />

Batrachotoxin (Pfeilgiftfrosch) 0.002<br />

Kobratoxin (Brillenschlange) 0.000'3<br />

Crotulostoxin (Klapperschlange) 0.000'2


Man kann einen Zusammenhang der Dosis-Effekt-Funktion mit dem logistischen<br />

Wachstum leicht aufzeigen.<br />

50<br />

Die Occupationstheorie geht davon aus, dass die Rezeptoren mit steigender Dosis<br />

zunehmend belegt werden (Occupation). Das ist beim Bakterienwachstum mit<br />

Beschränkungen (Raum, Nahrung) oder bei der Marktsättigung mit Produkten auch der<br />

Fall. Diese Situationen werden mit der Funktion des logistischen Wachstums<br />

beschrieben:<br />

E<br />

Em<br />

E<br />

Em<br />

[ D]<br />

Kd + [ D]<br />

x<br />

10<br />

= ; dieses ist die Funktion des logistischen Wachstums.<br />

log( Kd)<br />

x<br />

10 + 10<br />

= ; Falls die x-Achse logarithmisch aufgetragen wird: [D]=10 x ,<br />

5.4.5 Experimentelle Auswertung von <strong>Effekte</strong>n<br />

E<br />

1<br />

0,8<br />

0,6<br />

0,4<br />

0,2<br />

0<br />

Kd=0.001; E(max) = 1<br />

0 0,0005 0,001 0,0015 0,002 0,0025 0,003<br />

Abbildung 33: Dosis-Effekt-Funktion, Normalverlauf<br />

E = E<br />

max<br />

1 1<br />

=<br />

E E<br />

max<br />

1 1<br />

=<br />

E E<br />

Chemie Bützer<br />

max<br />

[ D]<br />

•<br />

Kd + [ D]<br />

Kd + [ D]<br />

•<br />

[ D]<br />

⎛ Kd ⎞<br />

• ⎜ + 1⎟<br />

⎝ [ D]<br />

⎠<br />

Für die grafische Darstellung:<br />

1 Kd 1 1<br />

= • +<br />

E E [ D]<br />

Emax<br />

max<br />

y = a • x + b<br />

[D]<br />

y-Achse: 1/E; x-Achse: 1/[D]; a= Kd/Emax; b=1/Emax


Beispiel: Berechnung mit einer Trendlinie (lineare Regressionsgerade)<br />

1/E<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

1/Emax<br />

51<br />

y = 1E-04x + 1<br />

-10000 0 10000 20000 30000 40000 50000<br />

1/Kd<br />

1/[D]<br />

Abbildung 34: Linewaver-Burk-Plot für Dosis-Effekt-Funktion zur Bestimmung von Kd und Emax.<br />

y=0; -1/Kd = -10'000; Kd = 0,000’1; Wirksamkeit, Kd-Wert = ED(50)<br />

x=0; 1/E = 1; Emax = 1; Maximale Aktivität, intrinsic activity<br />

Potentielle Toxizität (Wirksamkeit)<br />

Meist werden Gifte mit der Dosis in mg/kg (Körpergewicht) charakterisiert. Das ist für<br />

den Alltag sinnvoll, da es so möglich ist die Mengen abzuschätzen. Für die molekularen<br />

Mechanismen ist diese Angabe nicht sehr nützlich, weshalb 1977 von Luckey und<br />

Venugopal der Begriff der potentiellen Toxizität (pT50) mit der Einheit mol/kg geschaffen<br />

worden ist 51 :<br />

pT = - log(T) und LD(50) = T50;<br />

pT50 = - log(LD(50))<br />

Tabelle 17: Toxikologische Beurteilung mit pT-Werten<br />

Beurteilung<br />

pT50<br />

mol/kg Körpergewicht<br />

super-toxisch 6 0.000 001<br />

extrem-toxisch 5 0.000 01<br />

hoch-toxisch 4 0.000 1<br />

mässig-toxisch 3 0.001<br />

gering-toxisch 2 0.01<br />

praktisch untoxisch 1 0.1<br />

relativ harmlos 0 1<br />

harmlos -1 10<br />

Die moderne Toxikologie befasst sich intensiver als früher mit dem Aspekt<br />

Vergiftungsbilder zu erfassen und nicht nur Letalitäten zu zählen. Somit werden weit<br />

geringere Dosen bei Tierversuchen in ihren Wirkungen untersucht, als für schwere<br />

Krankheitsbilder notwendig sind.<br />

51 Luckey T.D., Venugopal B, Metal Toxicity in Mammals I, Plenum Press, New York/London, 1977<br />

Chemie Bützer


52<br />

Tabelle 18: Übersicht über einige toxische Substanzen 52<br />

Substanzen<br />

mg/kg mol/kg pT50<br />

Botulinus D 3.2•10 -7<br />

3.2•10 -16 15.49<br />

Tetanustoxin 1.67•10 -6<br />

2.53•10 -14 13.6<br />

Saxitoxin 1.4•10 -3<br />

9.14•10 -9 8.04<br />

Strychnin 0.98 2.93•10 -6 5.53<br />

Hg(II)-chlorid, HgCl2 5 1.84•10 -5 4.74<br />

Cyanwasserstoff, HCN 3 1.11•10 -4 3.95<br />

Morphin 285 9.99•10 -4 3.00<br />

Coffein 250 1.29•10 -3 2.89<br />

Natriumfluorid, NaF 125 2.98•10 -3 2.53<br />

Natriumchlorid, NaCl 2600 4.45•10 -2 1.35<br />

Bei der Angabe in mol pro kg Körpergewicht wird deutlich, wie wirksam die Moleküle<br />

respektive die Ionen sind. Die sehr grossen Botulinus D und Tetanustoxine als Moleküle<br />

zeigen ihre enorme Toxizität oder ihre Wirksamkeit mit dieser Einheit besonders<br />

deutlich.<br />

5.4.6 Praktische Anwendung und Auswertung<br />

5.4.6.1 Beispiel: Morphin<br />

Mäuse reagieren auf Morphium leicht sichtbar mit einer anormalen Haltung. Damit lässt<br />

sich die Wirkung dieser Droge in Abhängigkeit der verabreichten Dosis gut verfolgen.<br />

Normale Haltung einer Maus Haltungsanomalie einer Maus<br />

mit Morphium<br />

Abbildung 35: Wirkung von Morphin auf Mäuse (ganz auffälliges Benehmen, sichtbarer Effekt),<br />

Morphinmolekül<br />

52 Fuhrmann G.F., Allgemeine Toxikologie für Chemiker, B.G. Teubner, Stuttgart, 1994, 20<br />

Chemie Bützer


53<br />

HO<br />

O<br />

HO<br />

(-)-M.<br />

H N<br />

Molekül von der Rückseite zu � Konfigurationsformel von Morphin<br />

Abbildung 36: Das Molekül Morphin. Links: Stick and Ball-Modell mit der Elektronenhülle, rechts:<br />

Konfigurationsformel mit den chiralen Zentren<br />

Tabelle 19: Experimentelle Daten des Morphin-Versuchs mit Mäusen 53<br />

Dosis<br />

Mäuse mit Haltungsanomalie<br />

[D] mg/kg E (Effekt) Anzahl Mäuse von 10<br />

1 0<br />

2 1<br />

10 5<br />

20 6<br />

100 9<br />

140 10<br />

200 10<br />

E<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

CH 3<br />

0 50 100 150 200<br />

Abbildung 37: Haltungsanomalie von Mäusen in Funktion der Morphin Dosis, lineare Darstellung<br />

53 Lüllmann H., Mohr K., Ziegler A., Taschenbuch der Pharmakologie, Georg Thieme Verlag, Stuttgart,<br />

1994, 53<br />

Chemie Bützer<br />

[D]


E<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

54<br />

1 10 100 1000<br />

Abbildung 38: Halblogarithmische Darstellung; Haltungsanomalie von Mäusen<br />

(Summenhäufigkeit) in Funktion der Morphin Dosis<br />

Die beiden Darstellungen geben die Empfindlichkeitsverteilung der Mäuse gegenüber<br />

Morphin wieder. Ganz links, bei den kleinsten Dosen sind die empfindlichsten Tiere,<br />

ganz rechts, bei den höchsten Dosen die unempfindlichsten Tiere.<br />

Folgerung:<br />

Die Dosis-Effekt-Funktion zeigt in ihrer logarithmierten Form die Summenhäufigkeit<br />

der Empfindlichkeitsverteilung der Individuen gegenüber der betrachteten Substanz.<br />

1/E<br />

[D]<br />

1,2<br />

1<br />

0,8<br />

0,6<br />

0,4<br />

0,2<br />

0<br />

y = 1,8289x + 0,0747<br />

-0,2 -0,2<br />

-0,4<br />

0 0,2 0,4 0,6<br />

1/[D]<br />

Abbildung 39: Darstellung nach MMK (Michaelis-Menten-Kinetik); Haltungsanomalie von Mäusen<br />

in Funktion der Morphin Dosis<br />

y=0; x = -(-0,0747/1,8289) = -0,0408 = -1/Kd; Kd = 24.5 mg/kg � ED(50)=24.5 mg/kg<br />

x=0; y = 0,0747 = 1/Em; Em = 13.4; Maximale Aktivität (diese Angabe macht deutlich,<br />

dass das Experiment noch eine grosse Unsicherheit hat, da als Emax ja höchstens 10<br />

auftreten dürfte).<br />

Chemie Bützer<br />

„Gift in den Händen eines Weisen ist ein Heilmittel,<br />

ein Heilmittel in den Händen eines Toren ist ein Gift.“


55<br />

(Casanova 54 , Memoiren, Buhl Berlin 1850/51)<br />

5.4.6.2 Übertragbarkeit der Daten<br />

Die Empfindlichkeiten für molekulare Wirkungen sind genetisch festgelegt. So können<br />

z.B. unterschiedeliche Tierarten auf Grund ihrer unterschiedlichen Enzymmuster<br />

unterschiedlich reagieren. Andererseits können aber auch die Rezeptoren selbst<br />

molekulare Unterschiede aufweisen.<br />

450<br />

400<br />

350<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

Ratte<br />

Ratte<br />

Kaninchen<br />

Kaninchen<br />

Maus<br />

Mensch<br />

Mensch<br />

Hund<br />

Hund<br />

0 2 4 6<br />

Schlafdauer (Min.)<br />

HWZ (min.)<br />

Abbildung 40: Schlafdauer und biologische Halbwertszeit (Abbau) von Hexobarbital (100 mg/kg,<br />

Hund: 50 mg/kg) 55<br />

Das Beispiel zeigt wohl grosse Unterschiede auf, und lässt bei einer Übertragung von<br />

Stoffwirksamkeiten zur Vorsicht mahnen. Andererseits zeigt dieses Beispiel auch,<br />

worauf die Unterschiede wahrscheinlich zurückzuführen sind – andere Enzymmuster.<br />

Analogie zur Säure-Basen-Titration<br />

54 Casanova, Giacomo Girolamo, Chevalier de Seingalt (1725-1798), italienischer Abenteurer und<br />

Schriftsteller, geboren in Venedig.<br />

55 Quinn zitiert in: Forth W., Henschler D., Rummel W., Starke.(Hrsg.), Allgemeine und spezielle<br />

Pharmakologie und Toxikologie, Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG, Mannheim,<br />

1992, 7<br />

Chemie Bützer


pH-Wert<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

56<br />

0 20 40 60 80 100 120 140 160 180<br />

Neutralisationsgrad (%)<br />

Essigsäure<br />

Salzsäure<br />

Abbildung 41: Neutralisation einer starken Säure (HCl) und einer schwachen Säure (Essigsäure)<br />

je c = 1 mol/l mit Natronlauge.<br />

5.4.6.3 Beispiel: Metamphetamin<br />

„Drogen negieren die Menschenrechte, sie negieren wesentliches Menschsein,<br />

da sie den Menschen abhängig und unfrei machen.“<br />

(Jeanne Hersch, 1997, II. Internationales Symposium gegen Drogen in der<br />

Schweiz in Zofingen)<br />

Droge: Hydrochlorid: Speed, Ice, Yaba, Thai-Pillen, Shaba, Crystal, Perlik bzw. Pernik<br />

(czech.- Lebkuchen), Crystal-Speed, Pervitin®.<br />

Weisses kristallines Pulver, wird in der Regel gesnieft. Die Substanz ist etwa 3-6 Tage<br />

nach Gebrauch im Urin nachweisbar.<br />

Die Wirkdauer beträgt 4-20 Stunden, bei höheren Dosierungen kann die Wirkung auch<br />

über 24 Stunden andauern - Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin werden freigesetzt.<br />

HN<br />

Metamphetamin<br />

(als Racemat!)<br />

HO<br />

OH<br />

Dopamin<br />

(achiral)<br />

H 2N<br />

HO<br />

OH<br />

H<br />

HN<br />

OH<br />

HO<br />

OH<br />

H<br />

H 2N<br />

OH<br />

Adrenalin (chiral!) Noradrenalin (- 1C)<br />

(chiral!)<br />

Abbildung 42: Die Konstitutionsformeln von Metamphetamin und den von dieser Droge<br />

beeinflussten Neurotransmittern.<br />

Die Folge der Metamphetaminaufnahme ist erhöhte Aufmerksamkeit, gesteigertes<br />

Selbstbewusstsein, vermindertes Schmerzempfinden, kein Hunger- und Durstgefühl,<br />

Chemie Bützer


erhöhter Blutdruck, beschleunigter Puls und Atmung, verstärkte zwanghafte planlose<br />

motorische Aktivität, gesteigerter Rededrang.<br />

57<br />

Nebenwirkungen sind: Auftreten können: Zittern, Unruhe, Schlafstörungen, erweiterte<br />

Pupillen, eingeschränktes Kurzzeitgedächtnis, optische + akustische Halluzinationen,<br />

Aggressionen, Herzrhythmusstörungen. Bei Überdosis: Fieber, Schwitzen, trockener<br />

Mund, Schwindelgefühl, Zittern, Kollaps. An den darauf folgenden Tagen sind<br />

Depressionen, Trägheit, Paranoia, Extremhunger und 24- bis 48-stündiger tiefer Schlaf.<br />

Die möglichen Nebenwirkungen können bis zu 2 Wochen andauern.<br />

Nach längerem Konsum von Crystal können aggressives Verhalten, starker Gewichtsverlust,<br />

Hautentzündungen, Magenschmerzen, Magendurchbruch, Herzrhythmusstörungen,<br />

paranoide Wahnvorstellungen bis zur Amphetaminpsychose und<br />

Organblutungen auftreten.<br />

Zur Toleranzentwicklung, man braucht grössere Mengen, und die Gefahr starker<br />

psychischer Abhängigkeit (Sucht) sind gegeben (Missempfindungen beseitigen,<br />

Euphorie erzeugen, periodische oder ständige Einnahme). Das Absinken des<br />

Konzentrationsniveaus (Entzug) erzeugt Abstinenzerscheinungen, die bis zu<br />

schwersten Kreislaufstörungen reichen können.<br />

HN<br />

Konstitutionsformel<br />

R- und S-Form in den Drogen 50/50%<br />

Abbildung 43: Formel und Modelle von Metamphetamin<br />

Stick and Ball –Modell mit<br />

Elektronendichteverteilung auf der van<br />

der Waals’schen Oberfläche<br />

Experimentelle Daten mit männlichen Mäusen 56 . Bestimmung der Letalität bei zwei<br />

verschiedenen Umgebungstemperaturen.<br />

56 Kuschinsky G., Lüllmann H., Kurzes Lehrbuch der Pharmakologie, Georg Thieme Verlag, Stuttgart,<br />

1967, 267<br />

Chemie Bützer


% Letalität<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

58<br />

0 50 100 150 200 250<br />

Dosis (mg/kg)<br />

Abbildung 44: Letalität von Metamphetamin bei männlichen Mäusen bei unterschiedlichen<br />

Umgebungstemperaturen<br />

Das Beispiel macht deutlich, dass die Umweltbedingungen einen beachtlichen Einfluss<br />

auf die Wirksamkeit (Lage der Kurve) und die Empfindlichkeit (Steilheit der Kurve)<br />

haben. Dieser lässt sich in unserem Beispiel quantitativ abschätzen.<br />

30°C<br />

25°C<br />

Umgebungstemperatur : 25°C Umgebungstemperatur : 30°C<br />

Wirksamkeit : Wirksamkeit :<br />

LD(50) ≈ 150 mg/kg = Kd LD(50) ≈ 45 mg/kg = Kd<br />

Empfindlichkeit (bei 50%): Empfindlichkeit (bei 50%):<br />

Steigung etwa 20/15 = 1.3 Steigung etwa 20/28 = 0.7<br />

Die log Dosis-Effekt-Kurve macht die Unterschiede besonders deutlich:<br />

% Letalität<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

1.00 1.50 2.00 2.50<br />

log [D] (mg/kg)<br />

Abbildung 45: Letale Wirkung von Methamphetamin auf männliche Mäuse<br />

30°C<br />

25°C<br />

Folgerung:<br />

Die Umgebungstemperatur kann auf die Wirksamkeit und die Empfindlichkeit von<br />

<strong>Wirkstoffe</strong>n einen wesentlichen Einfluss haben.<br />

Chemie Bützer


5.4.6.4 Designerdrogen<br />

Das chemische Grundgerüst des Dopamins war Ausgangspunkt für viele<br />

Designerdrogen, so auch für das Metamphetamin. Das Ausgangsmolekül ist sehr<br />

einfach und die chemischen Reaktionen recht gut bekannt.<br />

R 5<br />

R 6<br />

R 4<br />

59<br />

R 3<br />

H2 C H H<br />

C N<br />

Substanz Substituenten<br />

R 2<br />

R 1<br />

R1 R2 R3 R4 R5 R6<br />

Dopamin H- H- H-<br />

HO<br />

- HO- H-<br />

Amphetamin H- CH3- H- H- H- H-<br />

Metamphetamin CH3- CH3- H- H- H- H-<br />

PMA (para-Methoxyamphetamin) H- CH3- H- H- CH3O<br />

H-<br />

-<br />

Amphetaminil (AN1)<br />

C6H5-<br />

CH(CN)-<br />

CH3- H- H- H- H-<br />

DOM (STP) H- CH3- CH3O<br />

H- CH3-<br />

-<br />

CH3O<br />

-<br />

MDA H- CH3- H- -O-CH2-O- H-<br />

MDMA (Ecstasy) CH3- CH3- H- -O-CH2-O- H-<br />

MDE C2H5- CH3- H- -O-CH2-O- H-<br />

MBDB CH3- C2H5- H- -O-CH2-O- H-<br />

Abbildung 46: Von Dopamin abgeleitete Designerdrogen (R2 ≠ H � chiral)<br />

Die Unterschiede in der Wirkung können deshalb beachtlich sein, weil sich die<br />

sterischen Verhältnisse und vor allem die Lipophilie teilseise stark ändern.<br />

Berücksichtigt man zusätzlich noch die nahe Analogie zu den beiden Neurotransmittern<br />

Adrenalin und Noradrenalin, dann wird deutlich, dass sich hier ein grosses<br />

Wirkungsspektrum verbergen muss. Wird zusätzlich noch in Rechnung gezogen, dass<br />

das Serotonin auch nicht sehr verschieden ist, dann wird deutlich, warum die<br />

chemischen „Spielereien“ hier so „ergiebig“ waren.<br />

HN<br />

Abbildung 47: Die Droge Metaphetamin und der Neurotransmitter Serotonin im Vergleich der<br />

Konstitutionsformeln<br />

Chemie Bützer<br />

HO<br />

NH 2<br />

N<br />

H


5.4.6.5 Ökologisches Beispiel<br />

Die Dosis-Effekt-Funktion lässt sich nicht nur beim Menschen, sondern<br />

auch für Untersuchungen von wassergefährdenden Stoffen einsetzen, sie<br />

spielt somit auch in der Ökologie eine bedeutende Rolle.<br />

60<br />

Die Wirksamkeit von wassergefährdenden Stoffen wird mit einfachen Tests vorgenommen.<br />

Im vorliegenden Fall wurde die Wirkung von Quecksilber(II)chlorid (HgCl2 �<br />

Hg 2+ (aq) + 2 Cl - (aq)) auf die Eier des Zebrabärblings untersucht 57 . 20 Eier wurden<br />

eingesetzt. Nach 5 Tagen wurden die Anzahl der toten Eier ausgezählt. Die<br />

Konzentration der gelösten Substanz in Mikrogramm pro Liter zeigt die hohe<br />

Ökotoxizität dieser Substanz an.<br />

tote Eier<br />

20<br />

18<br />

16<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

0 10 20 30 40 50<br />

Konz. (Mikrog./l)<br />

Abbildung 48: Wirkung von Quecksilber(II)chlorid (HgCl2) auf 20 Eier des Zebrabärblings<br />

(Brachydanio) nach 5 Tagen.<br />

Ein Hinweis zu den verwendeten Einheiten:<br />

Die Konzentrationsangabe in Mikroliter pro Liter Wasser (μl/l) ist nicht sinnvoll, da das<br />

wirksame Teilchen hier das aquotisierte Hg 2+ -Ion ist. Die Molmasse von HgCl2 beträgt<br />

271.5 g/mol. Die Molmasse von Hg(NO3)2 beträgt 342.6 g/mol. Somit sind 10 μg/l HgCl2<br />

gleich wirksam wie 7.9 μg/l Hg(NO3)2. Wären die Konzentrationen chemisch korrekt in<br />

Teilchen pro Liter angegeben, dann wären diese verwirrenden Unterschiede nicht<br />

vorhanden.<br />

Folgerung:<br />

Konzentrationen sind in Teilchen pro Volumen, in Mol pro Liter und nicht in Masse pro<br />

Volumen anzugeben.<br />

57 Besch W.K., Scharf B.W., Mayer E., Toxizitätstests mit Goldorfe und Zebrabärbling. Vorschläge zur<br />

Durchführung und Bemerkungen zur Aussagekraft von Toxizitätstesten mit Goldorfe (Leuciscus<br />

idus) und dem Zebrabärbling (brachydanio rerio), in: Roth, Wassergefährdende Stoffe, 5. Erg.Lfg<br />

5/87, II-*.1, S. 27-28<br />

Chemie Bützer


1/E<br />

0.4<br />

0.35<br />

0.3<br />

0.25<br />

0.2<br />

0.15<br />

0.1<br />

0.05<br />

0<br />

61<br />

y = 1.4531x + 0.0547<br />

R 2 = 0.9276<br />

0 0.05 0.1 0.15 0.2 0.25<br />

1/[D]<br />

Abbildung 49: Linewaver-Burk-Plot der Quecksilbertoxizität<br />

y=0, Kd = 27 μg/l � LC(50) ; halbletale Konzentration (LC : letal concentration)<br />

x=0, y = 0,0547 = 1/Em; Emax = 19 � Diese Abschätzung stimmt mit der Anzahl<br />

eingesetzter Eier (20) sehr gut überein.<br />

Stoffe die persitent, bioakkumulierbar oder toxisch sind, werden mit PBT abgekürzt.<br />

Werden Kombinationen mehrere <strong>Wirkstoffe</strong> untersucht, so lässt sich der resultierende<br />

Effekt auf die Komponenten aufschlüsseln. Drei grundsätzlich unterschiedliche<br />

Interaktionen können unterschieden werden:<br />

Beispiel: Komponente A: Effekt 6; Komponente B: Effekt 11<br />

Tabelle 20: Kombinationen von <strong>Effekte</strong>n<br />

Additiver Effekt<br />

Antagonismus Synergismus<br />

6 & 11 = 17 6 & 11 = 5 6 & 11 = 66<br />

Tabelle 21: Beispiel eines Synergismus: Lungenkrebsfälle<br />

Risikogruppe<br />

Lungenkrebsfälle/1000 Personen<br />

normal 0.2 - 0.3<br />

Asbest 0.3<br />

Rauchen 3 - 5<br />

Asbest + Rauchen 20 - 30<br />

Weitere Synergismen:<br />

Nicotin und Ammoniak (die Wirkung von Nikotin steigt um Faktoren, Aufnahme)<br />

Kokain und Backpulver (die basische Wirkung steigert auch hier den Effekt)<br />

Chemie Bützer


62<br />

5.4.7 Das Occupationsmodell mit Antagonisten<br />

Kompetitive Antagonisten 58<br />

Diese Substanzen besitzen wie die Agonisten eine oft hohe Affinität zum Rezeptor,<br />

ohne jedoch eine Wirkung auszulösen – es sind Inhibitoren (direkte Konkurrenten zum<br />

Wirkstoff).<br />

Normale Wirkung: D + R � DR;<br />

Mit Inhibitor: I + R � RI;<br />

K<br />

[ R<br />

E = k<br />

E<br />

i<br />

[ R]<br />

• [ I]<br />

= ;<br />

[ IR]<br />

tot<br />

max<br />

] =<br />

3<br />

= k<br />

[ R]<br />

+<br />

• [ DR];<br />

3<br />

• ([ R<br />

[ DR]<br />

tot<br />

+<br />

[ IR];<br />

] − [ IR]);<br />

Eingesetzt und umgeformt:<br />

E = E<br />

E/Emax<br />

max<br />

[ D]<br />

•<br />

⎛ [ I]<br />

⎞<br />

Kd<br />

• ⎜1+<br />

⎟ +<br />

⎝ Ki<br />

⎠<br />

[ D]<br />

;<br />

1<br />

0.9<br />

0.8<br />

0.7<br />

0.6<br />

0.5<br />

0.4<br />

0.3<br />

0.2<br />

0.1<br />

0<br />

-5 -3 -1 1 3<br />

log[D]<br />

[I]=0<br />

[I]=0.01<br />

[I]=0.1<br />

Abbildung 50: Kompetitiver Antagonismus (Kd = 0.001, Ki = 0.001); [I] = 0: kein Antagonist<br />

vorhanden<br />

Je höher die Konzentration des Antagonismus, desto geringer wird die Wirksamkeit.<br />

58 Fuhrmann G.F., Allgemeine Toxikologie für Chemiker, B.G. Teubner, Stuttgart, 1994, 129<br />

Chemie Bützer


Nichtkompetitive Antagonisten<br />

63<br />

Diese Substanzen binden nicht an der Stelle des Antagonisten, sondern führen eine<br />

Inhibition mit einem anderen Mechanismus herbei (z.B. Veränderung der Konformation<br />

des Rezeptors).<br />

E = E<br />

Chemie Bützer<br />

max<br />

E/Emax<br />

•<br />

K<br />

d<br />

⎛ [ I]<br />

• ⎜<br />

⎜1+<br />

⎝ Ki<br />

[ D]<br />

;<br />

⎞ ⎛ [ I]<br />

⎞<br />

⎟ + [ D]<br />

• ⎜<br />

⎜1+<br />

K ⎟<br />

⎠ ⎝ i ⎠<br />

1<br />

0.9<br />

0.8<br />

0.7<br />

0.6<br />

0.5<br />

0.4<br />

0.3<br />

0.2<br />

0.1<br />

-5 -3 -1 1<br />

log[D]<br />

0<br />

[I]=0<br />

[I]=0.001<br />

[I]=0.01<br />

Abbildung 51: Nichtkompetitiver Antagonismus (Kd=0.001, Ki = 0.001); [I] = 0: kein Antagonist<br />

vorhanden.<br />

Mit zunehmender Konzentration des nichtkompetitiven Antagonisten nimmt die<br />

maximale Wirkung ab und die Kurve flacht ab.<br />

Beispiel: Schmerzlindernde Wirkung von Acetylsalicylsäure<br />

HO<br />

O<br />

COX<br />

OH<br />

O<br />

OH<br />

Arachidonsäure<br />

O-<br />

O<br />

O<br />

Prostaglandin H 2<br />

Cyclo-<br />

Oxygenase<br />

CH -CO- 3 O-<br />

OH<br />

Acetyl-<br />

Abbildung 52: Arachidonsäure wird am Enzym Cyclooxygenase zum schmerzauslösenden<br />

Prostaglandin synthetisiert. ASS acetyliert das Enzym COX und unterdrückt so die Bildung von<br />

Prostaglandin H2.<br />

O


5.5 Hormesis<br />

64<br />

Von fast allen Nahrungsmitteln 59 , Mineralstoffen, Spurenelementen 60 und<br />

Medikamenten ist bekannt, dass geringe Dosen eine positive, grosse Dosen eine<br />

schädliche Wirkung auf den Organismus haben können. Dieses Verhalten beschreibt<br />

man mit der Hormesis. Dieser dosisabhängige „Umkehreffekt“ ist nicht nur bei<br />

synthetischen Medikamenten, sondern auch bei Medizinalpflanzen 61 (Phytopharmaka)<br />

gut bekannt 62 z.B. Baldrian (Valerianin, a-Methylpyrrylketon), Broccoli (Sulforaphane),<br />

Herbstzeitlose (Colchicin), Fingerhut (Digitalis), Kamille (Chamazulen), Johanniskraut<br />

(Flavonoide), Knoblauch (Allicin, Allium), Mistel (Viscotoxine), Rotwein (Resveratrol),<br />

Weidenrinde (Salicylsäure).<br />

Sogar bei krebserzeugenden Stoffen ist Hormesis nachgewiesen worden 63, 64 .<br />

Die Dosis-Wirkungs-Kurve, welche einen „Umkehreffekt“ zeigt, also nicht monoton ist,<br />

nennt man Hormesis. Damit ist es möglich die Wirkung von Colchicin aus der<br />

Herbstzeitlose gegen Gicht und die Wirkung bei höheren Konzentrationen als Gift in<br />

einer Darstellung zu zeigen.<br />

Schaden-Nutzen<br />

.<br />

1<br />

0.5<br />

0<br />

-0.5<br />

-1<br />

Hormesis<br />

0 0.30 0.60 0.90 1.20 1.50<br />

log (Dosis)<br />

Abbildung 53: Dosis-Wirkungs-Kurve von Colchicin. Positive y-Werte stellen die<br />

pharmakologische Wirkung gegen Gicht (Nutzen), negative y-Werte die toxikologische Wirkung<br />

als Mitose-Hemmstoff (Schaden) dar.<br />

Bei relativ kleinen Konzentrationen ist ein Nutzen von Colchicin als Medikament<br />

vorhanden, bei grossen Konzentrationen tritt ein immer grösserer Schaden als Gift auf.<br />

59 Hayes D.P., Nutritional hormesis, Eur J Clin Nutr, 61, August 2, 2006, pp.147-159<br />

60 Calabrese E.J., Mattson M., Best in small doses, New Scientist, 9 August, 2008, pp.36-39<br />

61 Hiller K.M., Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen, Spektrum, Akademischer Verlag, Melzig –<br />

Heidelberg, CD-ROM, ISBN 3-8274-0414-2, 2000<br />

62 Calabrese E.J., Baldwin L.A., Hormesis as a Biological Hypothesis, Environ Health Perspect,106<br />

(Suppl 1),1998, pp.357-362<br />

63 Kinoshita A., Wanibuchi H., Wei M., Fukusuma Sh., Hormesis in Carcinogenity of Non-Carcinogens, J<br />

Toxicol Pathol, 19, 2006, pp.11-122<br />

64 Calabrese E.J., Staudenmayer J.W., Stanek E.J., Hoffmann G.R., Hormesis Outperforms Threshold<br />

Model in National Cancer Institute Antitumor Drug Screening Database, Toxicological Sciences,<br />

94(2), 2006, pp.368–378<br />

Chemie Bützer


5.6 Gefährlichste <strong>Effekte</strong><br />

65<br />

Die gefährlichsten <strong>Effekte</strong> zeigen sich dadurch, dass keine oder fast keine<br />

Regeneration möglich ist, dass also irreversible Veränderungen auftreten. Diese lassen<br />

sich für den Menschen grob wie folgt einteilen:<br />

Abbildung 54 : Irreversible toxische <strong>Effekte</strong><br />

Ort/Wirkung Hinweise<br />

Zentralnervensystem Praktisch keine Regeneration der Nervenzellen<br />

möglich<br />

Augenlinse<br />

Schädigung bei der Bildung der Linsenfasern führt<br />

zu irreversibler Trübung<br />

Missbildungen (teratogen) Keine Erholung möglich. Zelltod bei der<br />

Organogenese kann Entwicklungsstörungen geben.<br />

Mutagenese (mutagen)<br />

Erbgutveränderungen<br />

Carcinogenese (carcinogen)<br />

Somatische Mutationen<br />

Massnahme gegen:<br />

Aufnahme über die Lunge: Abzug<br />

Aufnahme über die Haut: Handschuhe<br />

Chemie Bützer


5.7 Stereochemie der <strong>Effekte</strong><br />

Chirale Moleküle binden an den Rezeptoren immer dann unterschiedlich, wenn<br />

mindestens 3 verschiedene Bindungsstellen vorhanden sind – was meist der Fall ist.<br />

66<br />

Tabelle 22: Wirkungsunterschiede einiger Isomeren<br />

Substanz Wirkung Wirkung %<br />

(nativ)<br />

Isoprenalin (Racemat)<br />

HO<br />

HO<br />

(R)-Adrenalin<br />

HO<br />

Muscarin<br />

HO<br />

H 3 C<br />

HO<br />

O<br />

L-Ascorbinsäure<br />

(S)-Propanolol<br />

HO<br />

HO<br />

O<br />

OH<br />

CH<br />

H<br />

CH 2 NH CH(CH 3 ) 2<br />

C CH 2 NH CH 3<br />

OH<br />

CH 2<br />

O<br />

O<br />

+<br />

N(CH3 ) 3<br />

OH<br />

OH<br />

OH<br />

H<br />

H<br />

N<br />

Cl -<br />

bronchodilatorisch<br />

(Bronchien<br />

erweiternd)<br />

vasokonstriktorisch<br />

(Gefäss<br />

zusammenziehend)<br />

muscarinartig<br />

(Acetylcholin-<br />

Wirkung im<br />

parasymp. Teil)<br />

antiscorbutisch<br />

(Gegen Skorbut<br />

wirkend)<br />

blutdrucksenkend<br />

(R) �<br />

contraseptisch<br />

Wirkung %<br />

(andere<br />

Chiralität)<br />

50 - 80 1<br />

12-15 1<br />

700 1<br />

100 0<br />

100 0<br />

Pharmaka mit enatiomerem Ballast:<br />

„The remarkable discrepancy between, on the one hand, the high degree of<br />

purity required for pharmaceuticals and, on the other hand, the acceptance of<br />

50% impurity, as long as isomeric ballast is involved, should be a matter of<br />

serious concern.“<br />

E. J. Ariens, 1986<br />

Chemie Bützer


67<br />

Enthält ein Molekül 2 chirale Zentren, dann können die Wirkungen wie folgt aussehen:<br />

O 2N<br />

Cl<br />

Cl<br />

O<br />

NH<br />

OH<br />

OH<br />

OH, NH Wirksamkeit<br />

R,L : 100<br />

L,R : 1-2<br />

L, L : < 0.4<br />

R, R: 1 Dämpfung; es braucht mehr als 1 Drug Molekül für ein Signal (z.B. 2 D)<br />

Mathematische Formulierung der erweiterten Dosis- Effekt- Kurve (Herleitung analog<br />

der einfachen Form mit a=1):<br />

a [ D]<br />

a [ D]<br />

+ Kd<br />

[ ]<br />

[ ] a<br />

a<br />

E<br />

D + Kd<br />

Relativer Effekt : = ; Maximaler Effekt: Em = E • ;<br />

Em<br />

D<br />

[D] : Dosis (mg/kg) ;<br />

Kd : Dissozitationskonstante (mg/kg) � Wirksamkeit<br />

a: Stöchiometrischer Faktor � Empfindlichkeit<br />

Chemie Bützer


elative Auswirkungen<br />

68<br />

1<br />

0.9<br />

0.8<br />

0.7<br />

0.6<br />

0.5<br />

0.4<br />

0.3<br />

0.2<br />

0.1<br />

0<br />

0.00001 0.0001 0.001 0.01 0.1 1 10<br />

[D]<br />

a=0.5<br />

Abbildung 57: Dosis-Effekt-Funktionen mit den stöchiometrischen Faktoren a=1,2, 0.5 (Kd = 1)<br />

Beispiel: a = 2<br />

In unserer Netzhaut müssen pro Rezeptor 2 Photonen auftreffen, damit ein<br />

Nervenimpuls weitergeleitet wird � a=2.<br />

Beispiel: a = ½<br />

Die Situation, wo ein Wirkstoff mit 2 Rezeptoren reagiert, tritt beispielsweise bei den<br />

alkylierenden Medikamenten auf, welche in der Tumortherapie verwendet werden (Bsp.:<br />

Busulfan: H3C-SO2-O-(CH2)4-OSO2-CH3) 65.<br />

[ D]<br />

a [ D]<br />

+<br />

E<br />

E rel = = ; a<br />

Em Kd<br />

a E rel<br />

[ D]<br />

= Kd • ;<br />

1 − E rel<br />

Differenzieren:<br />

⎛ E ⎞ rel<br />

dln[<br />

D]<br />

= a • dln<br />

⎜<br />

1 E ⎟<br />

⎝ − rel ⎠<br />

dlErel<br />

=<br />

dlog[<br />

D]<br />

1<br />

a<br />

•<br />

a<br />

2.<br />

303 • E<br />

rel<br />

= 1;<br />

E<br />

=<br />

rel<br />

1<br />

• E<br />

a<br />

• ( 1−<br />

E<br />

=<br />

rel<br />

[ D]<br />

a [ D]<br />

+<br />

dE<br />

rel<br />

);<br />

rel<br />

a<br />

• ( 1−<br />

E<br />

;<br />

Kd<br />

Steigung der Kurve bei 50% Wirkung (Wendepunkt): Erel = 0.5 (siehe Abbildung);<br />

a = 1: Steigung: 0.576<br />

a = 2: Steigung: 1.15<br />

a = 0.5: Steigung: 0.288<br />

log[ D]<br />

⎛ Erel<br />

= logKd<br />

+ log<br />

⎜<br />

⎝1<br />

− E<br />

rel<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎟;<br />

⎠<br />

65 Fuhrmann G.F., Allgemeine Toxikologie für Chemiker, B.G. Teubner, Stuttgart, 1994, 126<br />

Chemie Bützer<br />

rel<br />

;<br />

)<br />

a=2<br />

a=1


69<br />

Analogie zur Puffer-Gleichung von Henderson-Hasselbalch:<br />

+<br />

⎛ [ HA]<br />

⎞<br />

log[ H3<br />

O ] = logKd<br />

+ log⎜<br />

⎟; −<br />

⎝ [ A ] ⎠<br />

Analogie zur Gleichung von Nernst:<br />

0.<br />

05916 ⎛ [ Ox]<br />

⎞<br />

E = E0<br />

+ log⎜<br />

⎟; z ⎝ [Red]<br />

⎠<br />

Interpretation der Kurven:<br />

1. Lage der Kurve: Wirksamkeit (Affinität der Substanz zum Rezeptor) � Kd<br />

2. Steilheit der Kurve: Empfindlichkeit (Stöchiometrie von Rezeptor und Wirkstoff) �<br />

a<br />

3. Maximaler Effekt: Intrinsic activity � [Rtot]<br />

5.8 Resistenzbildung bei Antibiotika<br />

Antibiotika zielen darauf ab, den Stoffwechsel von Mikroorganismen gezielt zu stoppen<br />

oder mindestens zu verlangsamen. Andererseits bauen die Mikroorganismen jede nur<br />

mögliche Strategie auf, um selbst zu überleben. Sie passen somit ihren Stoffwechsel<br />

den neuen Umweltbedingungen mit Antibiotika an.<br />

Alle Organismen sind vollbeschäftigt als Problemlöser.<br />

Ihr erstes Problem ist, zu überleben.<br />

(Karl R. Popper, Auf der Suche nach einer besseren Welt, Piper 1987, 23)<br />

Ihr sehr rascher Generationenwechsel begünstigt diese Anpassungsvorgänge. Somit<br />

versagen die Antibiotika, die vom Menschen verwendet werden, weil die Mikroorganismen<br />

ihre sehr grosse Flexibilität und Anpassungsmöglichkeiten ausspielen. Wer<br />

nicht arrogant auf die Kleinstlebewesen (incl. Viren) hinunterblickt muss erkennen, dass<br />

der Kampf ums Überleben nie enden kann – die Suche nach neuen Abwehrmitteln wird<br />

immer notwendig sein. Die Überwindung der Zellwand mit dem richtigen pKs-Wert ist<br />

dabei nur ein kleiner, aber notwendiger Faktor.<br />

Wirkung<br />

Bereich der Unwirksamkeit<br />

Bereich der<br />

Unschädlichkeit<br />

(Heilmittel)<br />

Bereich der<br />

schädlichen<br />

Wirkung<br />

(toxische<br />

Dosen)<br />

Abbildung 58: Dosis und Wirkung als Zusammenfassung<br />

Chemie Bützer<br />

Bereich der tödlichen<br />

Wirkung (letale Dosen)<br />

Dosis


70<br />

6 Haber'sche Regel, ct-Produkt und Dosis<br />

6.1 Modellvoraussetzungen<br />

Als der Erste Weltkrieg 1914 ausbrach wurde Fritz Haber zum Berater der Deutschen<br />

Heeresführung und organisierte Gasangriffe und Verteidigungen gegen Giftgase.<br />

Von ihm stammte die Formel :<br />

T = c • t (Tödlichkeitsprodukt = [Gift-Konzentration] • Zeit � Haber’sche Regel).<br />

ct-Produkt (hat nur in einem mittleren Konzentrationsbereich Gültigkeit.)<br />

Wirkung prop. c • t; W ∝ ct<br />

Auf der Basis dieses Modells sind toxikologische Werte, vor allem für hochtoxische<br />

Gase, z.B. chemische Kampfstoffe definiert:<br />

ICt50 = Incapacity Concentration für 50% der Betroffenen (mg/ m 3 •min)<br />

LCt50 = Letale Konzentration für 50% der Betroffenen (mg/ m 3 •min)<br />

Umrechnung von Einheiten bei 20°C:<br />

3 Molmasse<br />

mg/<br />

m =<br />

• ppm<br />

24.<br />

06<br />

24.<br />

06<br />

3<br />

ppm =<br />

• mg/<br />

m<br />

Molmasse<br />

Tabelle 23: Bei gasförmigen oder rauchförmigen Stoffen gebräuchliche Einheiten (nicht SI) und<br />

ein Vergleich (rechts)<br />

ppm : parts per million 1/1 000 000 1 g pro Tonne (31 Sekunden pro Jahr)<br />

ppb : parts per billion 1/1 000 000 000 1 mg pro Tonne (3/100 Sekunden/Jahr)<br />

ppt : parts per trillion 1/1 000 000 000 000 1 μg pro Tonne (1 Sek. In 32'688 Jahren)<br />

ppq : parts per quadrillion 1/1 000 000 000 000 000 1 Zucker im Walensee (2490 Mia. Liter)<br />

1 ppt heisst: 1 Weizenkorn auf 1000 Tonnen !!!<br />

Ein Stoff wird über längere Zeit über die Atemluft aufgenommen. Die Dosis ist die<br />

aufgenommene Menge eines Stoffes. Je rascher geatmet wird, desto mehr Luft, und<br />

damit auch Gase in der Luft werden aufgenommen. Folgedessen ist die Dosis von der<br />

Atemrate k abhängig.<br />

Chemie Bützer


71<br />

Tabelle 24: Mittlere Atemraten für den Menschen (Atemzeitvolumen)<br />

Tätigkeit Atemzeitvolumen<br />

Liter/Stunde<br />

Atemzeitvolumen<br />

AZV<br />

Liter/Minute<br />

Atemzeitvolumen<br />

m 3 /s<br />

Liegen 300 5 0.000’083<br />

Sitzen 400 6. 7 0.000’11<br />

Stehen 600 10 0.000’17<br />

leichte Arbeit 1000 17 0.000’28<br />

mittlere Arbeit 1600 27 0.000’44<br />

schwere Arbeit 3000 50 0.000’83<br />

schwerste Arbeit 4000 67 0.001’1<br />

Atemrate Liter/Stunde<br />

4500<br />

4000<br />

3500<br />

3000<br />

2500<br />

2000<br />

1500<br />

1000<br />

500<br />

0<br />

Liegen<br />

Sitzen<br />

Stehen<br />

leichte Arbeit<br />

mittlere Arbeit<br />

Abbildung 59: Durchschnittliche Atemraten des Menschen<br />

schwere Arbeit<br />

schwerste Arbeit<br />

Für gasförmige Stoffe, die mit der Atemluft aufgenommen werden gilt:<br />

D = konst. • t • k • c<br />

D : Dosis (kg)<br />

t : Expositionszeit (s)<br />

k : Atemrate (m 3 /s)<br />

c : Konzentration (kg/m 3 )<br />

konst.: Konstante, welche ein Mass für die Resorption ist (konst. = 1 � alles).<br />

Diese erweiterte Haber'sche Regel bestätigt die intuitive Beurteilung, dass die Wirkung<br />

eines Schadstoffes in der Luft umso grösser ist, je grösser die Konzentration, je länger<br />

die Einwirkungsdauer und je schneller die Atmung (Atemrate).<br />

Geht man bei Giften vom konservativen Fall, bei Medikamenten vom günstigsten Fall<br />

der vollständigen Resorption aus, dann wird konst. = 1.<br />

Soll für die Dosis nur der Teil berücksichtigt werden, der oberhalb einer bestimmten<br />

Schwellkonzentration cs liegt, dann lautet die Formel:<br />

Chemie Bützer


72<br />

Erweitertes ct-Produkt<br />

(c − c s ) + ABS(c − c s )<br />

Wirksame Dosis D: D = t • k •<br />

;<br />

2<br />

t : Expositionszeit (s)<br />

k : Atemrate (m 3 /s)<br />

c : Konzentration (kg/m 3 )<br />

cs : Schwellkonzentration (kg/m 3 )<br />

ABS: Absolutbetrag<br />

Annahme: Unterhalb dieser Schwellkonzentration cs müssen die <strong>Effekte</strong> nicht weiter<br />

verfolgt werden (Grenzwert, oft der Wert der natürlichen Konzentration oder der<br />

Unbedenklichkeit).<br />

Manchmal wird, um die Kurven den einzelnen Gasen besser anpassen zu können, zu<br />

der Konzentration ein Exponent a als Probit-Funktion gesetzt. Dieser hat Werte von<br />

a=0.5 –3; Funktion D = konst. • c a • t.<br />

Umrechnung: ppm (ml/m 3 ) �� mg/m 3 (Temperatur: 20°C, Druck: 101'325 Pa)<br />

mg/<br />

m<br />

ppm =<br />

Molmasse(<br />

g/<br />

mol)<br />

=<br />

• ppm;<br />

24.<br />

06<br />

24.<br />

06<br />

3<br />

• mg/<br />

m ;<br />

Molmasse(<br />

g/<br />

mol)<br />

3<br />

Dosis<br />

0.05<br />

0.04<br />

0.03<br />

0.02<br />

0.01<br />

0<br />

0 5 10 15 20<br />

Schwellkonzentration<br />

Abbildung 60: Einfluss der Schwellkonzentration auf die wirksame Dosis<br />

Konzentration: c = 18 (mol/m 3 )<br />

Einwirkungszeit: t = 10 (s)<br />

Atemrate: k = 0.00028 (m 3 /s)<br />

Dosis: D (mol)<br />

Der obige Ansatz wird immer dann verwendet, wenn man feststellen kann, dass unterhalb<br />

einer bestimmten Konzentration die Expositionsdauer keinen Einfluss mehr hat.<br />

Die Schwellkonzentration entspricht dann einem „no adverse effect level“ (NOAEL)<br />

[früher: "no effect level" (NEL)] � Grenzwerte im Gesetz und in Verordnungen).<br />

Chemie Bützer


Atemrate (l/h)<br />

4000<br />

3000<br />

2000<br />

1000<br />

0<br />

73<br />

y = 23.81x<br />

0 50 100 150 200<br />

Sauerstoffverbrauch (l/h)<br />

Abbildung 61: Zusammenhang zwischen Atemrate (Aufnahme von Luft) und Sauerstoffverbrauch<br />

beim Menschen<br />

Die Grafik macht deutlich, dass zwischen der Atmungsintensität (Atemrate) und dem<br />

Stoffwechsel (Sauerstoffumsatz) in einem weiten Teil eine proportionale<br />

Abhängigkeit besteht.<br />

Einschränkungen des Modells<br />

In diesem Modell fehlen noch zwei wichtige Parameter:<br />

1. Der Resorptionskoeffizient, also der Faktor, der angibt, welcher Teil des<br />

eingeatmeten Wirkstoffs auch aufgenommen wird und<br />

2. Die Elimination des Wirkstoffs durch Ausscheidung und Metabolismus.<br />

Normalerweise wird nicht die ganze Dosis aufgenommen, die mit der Luft eingeatmet<br />

wird. Dieser Bruchteil kann mit dem Resorptionskoeffizienten ausgedrückt werden.<br />

Gleichzeitig mit der Aufnahme findet auch eine Elimination statt. Diese ist umso<br />

wichtiger, je rascher die Elimination im Vergleich zu Aufnahmezeit ist. Da der MAK-Wert<br />

auf 8 Stunden Exposition pro Tag gerechnet ist, ist während 16 Stunden pro Tag eine<br />

Elimination ohne Aufnahme möglich.<br />

Einfluss der Lipophilie:<br />

Mit zunehmender Lipophilie steigt im Allgemeinen auch die Toxizität, wie das einfache<br />

Beispiel der Alkohole zeigt:<br />

Tabelle 25: Toxizitäten einiger Alkohole<br />

Alkohol<br />

MAK (ppm)<br />

Methanol 200<br />

Ethanol 1000<br />

n-Propanol 200<br />

n-Butanol 50<br />

Methanol ist deshalb toxischer als Ethanol, weil die Metaboliten (Formaldehyd und<br />

Ameisensäure) toxischer sind als die von Ethanol.<br />

Chemie Bützer


6.2 Grenzwerte<br />

74<br />

Der Schutz der Menschen an ihrem Aufenthaltsort hat bei Schadgasen eine besondere<br />

Bedeutung, weil sich die Gase rasch ausbreiten und über die Atmung ohne weitere<br />

Beeinflussung aufgenommen werden. Der Aufwand, sich als Einzelperson aktiv gegen<br />

eine Aufnahme zu schützen ist gross. Das ist mit ein Grund, weshalb die Gesellschaft<br />

über Gesetze und Vorschriften Massnahmen ergreift.<br />

BAT, BGW: Biologischer Arbeitstoleranz, neu: Biologischer Grenzwert<br />

LOAEL: Lowest observed adverse effect level<br />

MOK: Maximale Organ Konzentration<br />

MAK, AGW, TLV: Maximale Arbeitsplatz Konzentration, neu: Arbeitsplatzgrenzwert,<br />

Threshold Limit Value entspricht unserem MAK<br />

MEK: Maximale Emmissions Konzentration (und Emmissionsdauer)<br />

MIK: Maximale Immissions Konzentration<br />

ADI: Acceptabel Daily Intake, meist: ADI = NOAEL/100<br />

NEL, NOAEL: No Effect Level (abhängig vom Fortschritt der Analytik! Daher neu: NOAEL: No<br />

Observed Adverse Effect Level)<br />

NOAEC: No Observed Adverse Effect Concentration<br />

Abbildung 62: Gasförmige Schadstoffe deren direkte und abgeleitete Grenzwerte<br />

Für den Schutz des Menschen vor giftigen, gasförmigen Stoffen wird dieser Ansatz<br />

verwendet. Man spricht dann von einer maximalen Arbeitsplatzkonzentration, MAK-<br />

Wert, von einer maximalen Emmissionskonzentration, MEK-Wert, oder einer maximalen<br />

Immissionskonzentration MIK. Diese Werte müssen nach unserem Ansatz sowohl eine<br />

Konzentration, wie auch die Aufenthaltsdauer berücksichtigen. MAK-Werte sind damit<br />

keine sicheren Grenzen zwischen gefährlichen und ungefährlichen Bereichen.<br />

Der MAK-Wert ist so ausgelegt, dass über längere Perioden bei der ganz stark<br />

überwiegenden Zahl der gesunden Personen die Gesundheit nicht geschädigt wird. Er<br />

ist auf eine Arbeitszeit von 8-9 Stunden pro Tag und bis zu 45 Stunden pro Woche<br />

ausgelegt. Seit 1. Januar 2005 besteht in Deutschland mit dem Inkrafttreten der neuen<br />

Gefahrstoffverordnung ein neues Grenzwert-Konzept. Dieses kennt nur noch<br />

gesundheitsbasierte Grenzwerte, den Arbeitsplatzgrenzwert – AGW und den<br />

Biologischen Grenzwert – BGW.<br />

Chemie Bützer


75<br />

Der MIK-Wert muss nun aber für Leute ausgelegt sein, die sich 24 Stunden pro Tag<br />

und 7 Tage pro Woche an einem Ort aufhalten, an welchem die Immission (Einwirkung<br />

der Substanz) auftritt. Der MIK-Wert muss dieser Aufenthaltsdauer Rechnung tragen.<br />

MIK = MAK x 40/168 ≈ MAK/4. Nun halten sich aber im Bereich der Immissionen von<br />

Verkehr, Heizungen und Industrie nicht nur gesunde Leute auf, weshalb noch ein<br />

Sicherheitsfaktor 5 eingesetzt wird. Damit wird für sehr viele Fälle:<br />

Faustregel: MIK ≈ MAK / 20<br />

Bei Kohlenmonoxid stimmt diese Umrechnung beispielsweise nicht genau. Der MAK-<br />

Wert ist 30 ppm (35 mg/m 3 ), der Halbstunden MIK-Wert ist 50 ppm, das Tagesmittel ist<br />

10 ppm (24-h-MIK-Wert), gleich wie der Jahresmittelwert (Jahres-MIK-Wert).<br />

Um die Dosis abzuschätzen ist es wichtig, dass die Elimination von CO im Stoffwechsel<br />

mitberücksichtigt wird. Dazu ist beispielsweise folgende Simulation geeignet, wobei bei<br />

der hyothetischen Dosis die Elimination nicht berücksichtigt ist:<br />

Abbildung 63: Simulationsdiagramm für die Dosis von CO (DYNASYS)<br />

Gleichung 1 : Gleichungen der Simulation<br />

Zustandsgleichungen<br />

Dosis.neu


Zwischenwerte<br />

Dosis (mg) berechnet mit MAK-Wert (35<br />

mg/m 3 ),<br />

Aufnahmedauer: 8 Std. (480 Min.)<br />

76<br />

Dosis (mg) berechnet mit MIK-Wert (12<br />

mg/m 3 ),<br />

Aufnahmedauer 24 Std. (1440 Min.)<br />

Abbildung 64: Vergleich der wirksamen Dosen von CO mit MAK- und MIK-Wert(Eliminations-HWZ:<br />

96 Min., Atemrate 0.00017 m 3 /Min., Resorptionsfaktor=1; Schwellkonzentration=0)<br />

Kurzzeitige Überschreitungen des MAK-Wertes und des MIK-Wertes sind gesetzlich<br />

zulässig. Die Kurzzeitwerte sind in der Regel 2 bis 5 mal höher als die MAK- resp. die<br />

MIK-Werte.<br />

Warum die Dosis und nicht nur die Konzentration als Entscheidungskriterium?<br />

An einem einfachen, täglichen Beispiel soll diese Frage beantwortet werden. Wie haben<br />

Ethanol oder Spiritus in unseren Haushalten für verschiedene Zwecke. Schon sehr viele<br />

Personen haben an einer offenen Flasche Ethanol gerochen, ohne dabei gefährdet zu<br />

werden. Warum?<br />

Einige wichtige Daten dieser Substanz sind die Folgenden:<br />

Ethanol (Ethylalkohol, Weingeist, „Alkohol“). H3C–CH2–OH, C2H6O,<br />

• M: 46,07 g/mol.<br />

• MAK 1000 ppm<br />

• Dampfdrucke in hPa: 6.7 (+8°C), 67 (25°C), 80 (26°C), 267 (48,4°C)<br />

Der Dampfdruck bei 25 °C ist 6700 Pa.<br />

Allg. Gasgleichung:<br />

p x V = n x R x T; p = n x R x T/V;<br />

Da ein Mol jedes Gases dasselbe Volumen einnimmt, kann der Dampfdruck nach der<br />

obigen Gleichung direkt in den Volumenanteil in ppm umgerechnet werden:<br />

VT = 67’000/1’000'000 = 67'000 ppm<br />

Die Umrechnung in mg/m 3 bei 20°C erfolgt wie:<br />

mg/m 3 = Molmasse/24,06 x ppm:<br />

g/m 3 = Molmasse/24060 x ppm<br />

Der MAK-Wert des Ethanoldampfs über der Flüssigkeit ist um das 67-fache<br />

überschritten.<br />

Folgerung: Es ist trotzdem nicht gefährlich, kurz an einer Spiritusflasche zu riechen.<br />

Chemie Bützer


77<br />

Der MAK-Wert ist ja für 8 Stunden Arbeit pro Tag festgelegt.<br />

Und wenn wir länger riechen? Ja dann ist entscheidend, wie intensiv wir riechen. Das<br />

ist von unserer Einatmung bestimmt, der Atemrate.<br />

Arbeit bei Einhaltung von 1 MAK<br />

während 480 Minuten.<br />

Die maximale Dosis D bei schwerer Arbeit an<br />

einem Arbeitstag mit 8 Stunden mit der MAK-<br />

Konzentration ist:<br />

D = c x Molmasse/24060 x Atemrate x Zeit;<br />

3<br />

c •M<br />

• Ar • t ⎛ ml • g • m • s • mol ⎞<br />

D = ⎜<br />

= g ⎟ ;<br />

3<br />

24060 ⎝ m • mol • s • ml ⎠<br />

D = 1000 x 46,07/24060 x 0,000’83 x 8 x 3600 =<br />

D = 45.8 g<br />

Riechen offene Spiritusflasche während 5<br />

Sekunden<br />

MAK wird um das 67-fache überschritten<br />

Die maximale Dosis D beim Riechen während 5<br />

Sekunden an einer Spiritusflasche mit derselben<br />

Atemrate (die volle Konzentration des<br />

verdunstenden Ethanols wird aufgenommen):<br />

D = 67’000 x 46,07/24060 x 0,000’83 x 5 =<br />

D = 0.53 g<br />

Obwohl der MAK-Wert im Falle der Spiritusflasche massiv überschritten wird, ist die<br />

erhaltene Dosis 45.8 g / 0.53 g um das 80-fache niedriger als bei der 8-Stunden Arbeit<br />

bei eingehaltenem 1 MAK.<br />

Aus dieser Aufstellung zeigt sich, dass eine sinnvolle Gefährdungsabschätzung nur mit<br />

der Berücksichtigung der Zeit unternommen werden kann.<br />

Für eine realistische Sicherheit müssen beide kritischen Grössen, maximale<br />

Konzentration und Dosis gleichzeitig begrenzt werden.<br />

Eine ganz wichtige Folgerung kann aus dem Beispiel gezogen werden:<br />

Beurteilung von toxischen Gasen<br />

Es ist unrealistisch, die Gefährdung durch toxische Gase nur über die Konzentration zu<br />

bestimmen. Atemrate und Aufnahmezeit müssen zusätzlich in eine korrekte Beurteilung<br />

einbezogen werden.<br />

Beim Ethanol wird auch klar, dass die Gefährdung mit der Temperatur zunimmt, da der<br />

Dampfdruck, die Konzentration in der Luft steigt und damit die aufgenommene Dosis<br />

steigt.<br />

Chemie Bützer


Dampfdruck (hPa)<br />

1200<br />

1000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

0<br />

78<br />

-60 -40 -20 0 20 40 60 80 100<br />

Temperatur (°C)<br />

Abbildung 65: Dampfdruck von Ethanol in Funktion der Temperatur<br />

Zwischen 8°C und 30 °C nimmt die Dampfkonzentration über der Flüssigkeit immerhin<br />

um einen Faktor 3 zu.<br />

6.3 Kohlenmonoxid<br />

Eigenschaften:<br />

Kohlenoxid (Kohlenmonoxid, Kohlenstoffmonoxid). CO, MG. 28,01. Farbloses,<br />

geruchloses, giftiges Gas, D. 1,250 g/l (0°), Schmp. –205,1°, Sdp. –191,5°, kritischer<br />

Druck 35 bar, kritische Dichte 0,311 g/cm 3 , kritische Temperatur –140,2°. CO ist etwas<br />

leichter als Luft (relative Dichte zu dieser 0,97). MAK-Wert 35 mg/m 3 , 30 ml/m 3 (ppm) 66<br />

Leichtentzündlich<br />

Giftig<br />

Natürlicherweise ist der Gehalt an CO in der Luft etwa 0.2 ppm (mit starken<br />

Fluktuationen)<br />

Tabelle 26: Hämoglobin-CO Anteil bei verschiedenen CO-Konzentrationen und unterschiedlichen<br />

Inhalationszeiten (Atemrate 400 l/h (ruhig))<br />

CO-Gehalt der Luft 100 ppm 50 ppm 25 ppm<br />

Zeit (Min) % Hb-CO Anteil<br />

0 0 0 0<br />

2 3,2 1,6 0,8<br />

4 5,6 2,8 1,4<br />

6 7,5 3,75 1,875<br />

10 10 5 2,5<br />

15 12 6 3<br />

20 13,2 6,6 3,3<br />

30 14,5 7,25 3,625<br />

66 Umrechnung des MAK-Wertes: Bei 20°C (293 K): p*V = m/M*R*T; V=m/(M*p)*R*T =<br />

0.035/(28.1*100'000)*8.314*293 = 30.3 ml entspricht 30.3 ppm<br />

Chemie Bützer


% Hb-CO im Blut<br />

16<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

79<br />

0 10 20 30<br />

Zeit (Min)<br />

100 ppm<br />

50 ppm<br />

25 ppm<br />

Abbildung 66: Hb-CO-Gehalte im Blut in Funktion der Zeit bei verschiedenen CO-Konzentrationen<br />

in der Luft<br />

Bei mittlerer Arbeit ist die Atemrate 1600 l/h, d.h. für dieselbe Dosis muss die Zeit um<br />

einen Faktor 4 verringert werden.<br />

Auswertung: Linewaver-Burk-Plot (1/t und 1/v aufgetragen)<br />

1/(% Hb-CO im Blut)<br />

1.4<br />

1.2<br />

y = 12,0993x<br />

+ 0,1944<br />

0.8<br />

0.6<br />

0.4<br />

0.2<br />

0<br />

y = 1,0497x + 0,0972<br />

y = 0,5248x + 0,0486<br />

-0.2 -0.2 0 0.2 0.4 0.6<br />

1/t (1/Min)<br />

100 ppm<br />

50 ppm<br />

25 ppm<br />

Abbildung 67: Linewaver-Burk-Plot von Hb-CO mit unterschiedlichen CO-Konzentrationen<br />

y=0 (Abszissenabschnitt) -1/Kd � Kd = 0,0926 (gilt für alle 3 Konzentrationen).<br />

x=0 (Ordinatenabschnitt) 1/Em �<br />

Em(100 ppm)= 20,6; Em(50 ppm)=10,3; Em(25 ppm)= 5,15 (maximaler Hb-CO-Gehalt<br />

im Blut in % bei den entsprechenden Konzentrationen).<br />

Tabelle 27: Wirkung grosser Konzentrationen von CO<br />

Chemie Bützer<br />

CO ppm Hb-CO %<br />

60 10<br />

130 20<br />

200 30<br />

660 50<br />

750 60


HbCO-Gehlat im Blut (%)<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

80<br />

0 200 400 600 800<br />

CO Konzentration in der Luft (ppm)<br />

Abbildung 68: HbCO-Gehalt bei hohen CO Konzentrationen<br />

Aufgabe: Giftigkeit von Kohlenmonoxid<br />

Der MAK-Wert von CO beträgt 30 ppm, 35 mg/m 3<br />

a) Stimmen die beiden Werte des MAK-Werts bei 20 °C und 100 kPa überein?<br />

b) Stellen Sie die Tabelle grafisch dar, und interpretieren Sie die Kurven.<br />

a) 30 ppm = 30 ml/m 3 , p x V = n x R x T; n=m/M, p x V = m/M x R x T; m=Vx p x<br />

M/(R x T)= 30 x 10 -6 x 10 5 x 28/(8,314 x 293) = 56 x 10 -6 kg = 35 mg<br />

Tabelle 28: Toxische Wirkung von Kohlenmonoxid<br />

Wirkung Konzentration<br />

in ppm<br />

Einwirkungszeit in Stunden<br />

(Inhalationszeit)<br />

arbeitend gehend ruhend<br />

Kopfschmerzen, 1400 0.5 0.75 1.5<br />

Übelkeit 600 1 1.5 3<br />

300 2 3 6<br />

200 3 4.5 9<br />

tödlich 1600 1 1.5 3<br />

800 2 3 6<br />

500 3 4.5 9<br />

Chemie Bützer


Inhalationsdauer (Std)<br />

10<br />

9<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

81<br />

oben: tödlich,<br />

unten: Übelkeit<br />

0 500 1000 1500 2000<br />

Konzentration (ppm)<br />

arbeitend<br />

gehend<br />

ruhend<br />

Abbildung 69: Wirkung von Kohlenmonoxid in Funktion von Konzentration (ppm) und<br />

Inhalationsdauer (Std.)<br />

Wenn man diese Angaben in der obigen Gleichung verwenden will, dann muss die<br />

Atemrate, das heisst die pro Minute eingeatmete Luft, in der Konstanten ein- gesetzt<br />

werden. Genau in dieser Grösse unterscheiden sich nämlich die drei betrachteten Fälle:<br />

Arbeitend, stehend und ruhend. Für cs müsste dann der MAK- Wert, oder der MIK-Wert<br />

verwendet werden.<br />

Tabelle 29: Wirkungen auf den Menschen von CO in der Atemluft 67<br />

Konzentration Zeit Wirkungen<br />

(ppm) (h)<br />

10 24 MIK<br />

25 8 TLV (threshold limit value entspr. unserem MAK)<br />

30 8 MAK<br />

100 nach längerer Zeit keine Vergiftungserscheinungen<br />

200 2 Kopfschmerzen<br />

300 2 Vergiftungssymptome<br />

400 1 Vergiftungssymptome<br />

500 0.5 Halluzinationen<br />

1000 2 Tod<br />

1500 1 Tod<br />

3000 0.5 Tod<br />

Molekulare Wirkungsweise von CO<br />

Bildung von Carboxyhämoglobin: HbO2 + CO � HbCO + O2<br />

[ HbCO][<br />

O2]<br />

K =<br />

≈ 300(<br />

220 −<br />

[ HbO2][<br />

CO]<br />

400)<br />

67 Roth L., Weller U., Chemie-Brände und Vorsorgemassnahmen, ecomed-Verlag, Landsberg/Lech,<br />

1990, 30 (nach Daunderer)<br />

Chemie Bützer


82<br />

Frage: Wenn die Carboxyhämoglobinkonzentration im Blut maximal 10% sein darf, wie<br />

gross ist dann die CO-Konzentration in ppm?<br />

[ HbCO][<br />

O2]<br />

[ CO]<br />

=<br />

[ HbO ] • K<br />

2<br />

[O2]: Gehalt an Sauerstoff in der Luft: 21% = 210'000 ppm<br />

[ HbCO]<br />

10<br />

= = 0,<br />

11<br />

[ HbO ] 90<br />

[ CO]<br />

2<br />

[ HbCO][<br />

O ] 21000<br />

=<br />

= 0,<br />

11•<br />

[ HbO ] • K 300<br />

2<br />

2 =<br />

77.<br />

7 _ ppm<br />

Die HbCO-Konzentration im Blut beträgt beim MAK-Wert<br />

[ HbCO]<br />

[ CO]<br />

• K 30 * 300<br />

= = = 4.<br />

3%<br />

[ HbO2]<br />

[ O2]<br />

210000<br />

(BAT-Wert, Biologischer Arbeitstoleranz Wert: 5 % 68)<br />

Bei der Bindung des CO an das Hämoglobin handelt sich um ein Gleichgewicht, das<br />

ausgenützt wird, um den HbCO-Gehalt nach einer Vergiftung möglichst rasch wieder zu<br />

verringern.<br />

% Hb-CO<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0 20 40 60<br />

Zeit (Min)<br />

Luft<br />

Sauerstoff<br />

Abbildung 70: CO Entfernung im Blut durch Atmung mit normaler Luft nach einer CO<br />

Vergiftung69 Eine chronische Kohlenmonoxid-Belastung im eigentlichen Sinne ist bisher nicht mit<br />

wesentlichen Auswirkungen wahrscheinlich gemacht worden. Psychovegetative<br />

Störungen werden als Folge häufig wiederholter, abortiver bzw. subakuter Intoxikation<br />

diskutiert. Es ist zu berücksichtigen, dass der COHb-Gehalt bei Rauchern bis zu 25 %<br />

betragen kann (durchschnittlich 10 %), der normale COHb-Gehalt beim Menschen ist<br />

ca. 1 %.<br />

68 Bender H.F., Sicherer Umgang mit Gefahrstoffen, Wiley-VCH Verlag GmbH, Weinheim, 2000, 99<br />

69 Moeschlin S., Klinik und Therapie der Vergiftungen, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 1980, 246<br />

Chemie Bützer


Beispiel: Autoabgase<br />

Chemie Bützer<br />

83<br />

Tabelle 30: Zusammensetzung von Kraftfahrzeugabgasen in Vol.-%<br />

Schadgas Ottomotor Dieselmotor<br />

CO2 6,5 – 8 3,5<br />

7 – 13 9<br />

H2O 7 – 10 3,5<br />

9 – 11 9<br />

O2 1 – 1,5 16<br />

0,1 – 2 3 – 6<br />

CO 4 – 8 unter 0,05<br />

1 – 8 0,1 – 0,3<br />

H2 0,5 – 4 –<br />

0,1 – 1 0,1<br />

N2 71 77<br />

74 – 76 77<br />

NOx 0.6 3<br />

kursive Werte für Volllast, normale Werte für Leerlauf<br />

Abgasausstoss (mit CO2 und H2O) ca. 10 m 3 pro Liter Benzin.<br />

Gefahr in der Garage?<br />

Ein Auto mit Benzinmotor wird in einer Garage (6 x 4 x 3 m) laufen gelassen und<br />

verbrennt dabei pro Stunde 5 Liter Benzin. Nach welcher Zeit ist der MAK-Wert von CO<br />

in der Garage erreicht?<br />

Lösung:<br />

Garage: V= 6 x 4 x 3 = 72 m 3 ;<br />

CO Konzentration ca. 8% entspricht 80’000 ppm = 80’000 cm 3 /m 3 ; In der Garage ist der<br />

MAK-Wert mit 72 x 30 = 2160 cm 3 CO erreicht (gleichmässige Durchmischung<br />

angenommen).<br />

Pro Liter Benzin produziert das Auto 10m 3 Abgas, davon sind 80’000 x 10 = 800’000<br />

cm 3 CO;<br />

Pro Stunde braucht das Auto 5 Liter Benzin, produziert also 5 x 800’000 = 4'000’000<br />

cm 3 CO; das sind pro Sekunde 4'000’000/3600 = 1111 cm 3<br />

Folgerung: Der MAK-Wert (30 ppm) ist bei vollständiger Durchmischung in ca. 2<br />

Sekunden erreicht!!! (72 x 30/1111= 1.94 s), bei 4% CO sind das ca. 4 Sekunden.<br />

Tabelle 31: Schadstoffkonzentrationen im Innern eines Kraftfahrzeugs<br />

Substanz mg/m 3<br />

ppm MAK<br />

ppm<br />

Kohlenmonoxid, CO 12 – 43 (Mittelwert: 25) 10.3 - 36.9 30<br />

Stickstoffmonoxid, NO 0,65 – 1,6 (Mittelwert: 1,1 ) 0.78 - 1.92 25<br />

Stickstoffdioxid, NO2 0,03 – 0,3 (Mittelwert: 0,1 ) 0.06 - 0.6 3<br />

Ist der MAK-Wert für die Summe dieser Schadstoffe, CO, NO und NO2 überschritten?


6.4 Beurteilung von Stoffgemischen 70<br />

c x<br />

Stoffindex für Stoff x: I = ;<br />

x<br />

MAK x<br />

Substanz cx<br />

ppm<br />

84<br />

MAKx<br />

ppm<br />

Stoffindex<br />

Ix<br />

ppm<br />

Kohlenmonoxid, CO 24 30 0.8<br />

Stickstoffmonoxid, NO 1.4 25 0.056<br />

Stickstoffdioxid, NO2 0.3 3 0.1<br />

Gemisch 0.956<br />

n<br />

c1<br />

c 2 c3<br />

c ⎡ ⎤<br />

n ci<br />

Gemisch: I tot = + + + ... + = ∑ ⎢ ⎥ ≤ 1<br />

MAK1<br />

MAK2<br />

MAK3<br />

MAKn<br />

i= 1 ⎣MAKi<br />

⎦<br />

Interpretation des Beispiels: Da Itot = 0.956


85<br />

Abbildung 72: Zeitdiagramm der Aufnahme von Kohlenmonoxid (Abszisse: Zeit in Minuten,<br />

Ordinate: Dosis in mg) (Konzentration von CO: 350 mg/m 3 , Schwellkonzentration: 0.24 mg/m 3 ,<br />

max. Aufenthaltsdauer 2Std. � Vergiftungssymptome, Atemrate: 0.017 m 3 /min, Resorptionsfaktor:<br />

1, Halbwertszeit der Elimination (Luft)): 96 Min. � k=ln(2)/96) Dosis in mg: Berücksichtigt die<br />

Elimination, Hyp_Dosis: Berücksichtigt die Elimination nicht.<br />

Die Grafik macht deutlich, dass die Elimination die Zunahme der Dosis im Blut<br />

verringert und gleichzeitig zu einer Begrenzung der maximalen Dosis führt<br />

(Gleichgewicht). Nach der Exposition tritt eine Abnahme der Dosis durch die Elimination<br />

ein.<br />

Kinetik und toxische Wirkung<br />

CO2 und CO durchdringen nach Inhalation rasch und leicht die Alveolarmembranen in<br />

der Lunge und gelangen in das Blut. Dort wird CO2 durch die Carboanhydrase der<br />

Erythrocyten in Kohlensäure umgewandelt. Wird somit CO2 über einen längeren<br />

Zeitraum in hohen Konzentrationen eingeatmet, dann bildet sich eine im Extremfall<br />

tödliche respiratorische Azidose. CO lagert sich dagegen unter Verdrängung von<br />

Sauerstoff an das zweiwertige Eisen des Hämoglobins an. Dabei belegt CO die<br />

gleichen Koordinationsstellen von Fe 2+ wie Sauerstoff, die Affinität von CO zu<br />

Hämoglobin ist jedoch etwa 300fach grösser als die von Sauerstoff. Bei erreichen eines<br />

Hämoglobin-CO Anteiles von 60% tritt innerhalb weniger Minuten der Tod ein.<br />

Das ausgeatmete Kohlendioxid, ein natürliches Gas, hat in höheren Konzentrationen<br />

negative Wirkungen:<br />

Chemie Bützer


CO2-Gehalt in %<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

Normal<br />

0,035<br />

MAK<br />

0,5<br />

86<br />

Fehlleistungen<br />

1,5<br />

Kopfschmerzen<br />

3<br />

Schwindel<br />

Abbildung 73: Kohlendioxidgehalte der Atemluft und deren Auswirkungen (MAK 0.5% entspr.<br />

1'000’000/100*0.5 = 5000 ppm)<br />

6.5 Schwefelwasserstoff<br />

Ebenfalls ein natürliches Gas der Verdauung und der Vulkane ist Schwefelwasserstoff<br />

(H2S). Von Schwefelwasserstoff (z.T. auch ein Bestandteil der Stoffe von Heilquellen)<br />

kennt man folgende Angaben:<br />

Tabelle 32: Toxische Wirkung von H2S<br />

Wirkung Konzentration in<br />

mg/l Luft<br />

Geruchsschwelle 0.000’005’7<br />

MIK-Wert 0.00075<br />

MAK-Wert 0.015<br />

Leichte oder keine Wirkung 0.5-0.7<br />

Leichte Symptome nach einigen Stunden 1 - 2<br />

Symptome nach 1/2 Std. 1.5-1.6<br />

Schwere Symptome nach 1/2 Std. 3 - 4<br />

Lebensgefährlich nach 1/2 Std. 10 - 12<br />

Tödlich nach 1/2 Std. >15<br />

Dampfdichteverhältnis (Luft = 1) 1.19<br />

Dampfdruck bei 20°C (hPa) 17’300<br />

Obere Explosionsgrenze (Vol%) 44<br />

Untere Explosionsgrenze (Vol%) 4<br />

Wie lässt sich die Gefährdung mit diesen Werten sinnvoll abschätzen?<br />

Chemie Bützer<br />

6


Dosis in mg<br />

1000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

0<br />

87<br />

Tödlich in 30 Min.<br />

0 5 10 15 20<br />

Konzentration in der Luft in mg/l<br />

Lebensgefährlich in 30 Min<br />

Schwere Symptome nach 30 Min.<br />

Abbildung 74: Dosis von Schwefelwasserstoff (H2S) bei verschiedenen Konzentrationen in der<br />

Atemluft<br />

Interpretation:<br />

• H2S ist schwerer als Luft – tiefer liegende Bereiche sind besonders gefährdet.<br />

• Als Wert für cs wird der MIK- Wert von 0.00075 mg/l Luft angenommen.<br />

• Es fällt in der Tabelle auf, dass der Wert für leichte Symptome und der Wert für<br />

Symptome nach 1/2 Std. praktisch gleich sind.<br />

• Zwischen dem MAK- Wert und der tödlichen Konzentration ist ein Faktor 1000.<br />

• Die Wirkungsweise von Schwefelwasserstoff (H2S) lässt sich zu einem guten Teil<br />

durch die starke Bindung an Schwermetalle erklären (Bildung unlöslicher<br />

Sulfide).<br />

• Von H2S können etwa 2000 fach geringere Konzentrationen mit der Nase<br />

wahrgenommen werden, als dem MAK-Wert entspricht (die Nase ist ein<br />

Warnorgan für diese Substanz, jedoch nur für kurze Zeit, da die Adaption sehr<br />

rasch ist).<br />

• Explosive Konzentrationen von Schwefelwasserstoff (UEG = 40'000 ppm) sind<br />

vom Geruch her fast unerträglich und ausserordentlich toxisch.<br />

Tabelle 33: MAK- und MIK-Werte einiger Substanzen 71<br />

Substanz MAK-Wert<br />

mg/m 3<br />

MIK-Wert<br />

Tagesmittelwert<br />

mg/m 3<br />

MIK-Wert<br />

Höchstwert<br />

mg/m 3<br />

Amminiak, NH3 35 1 2<br />

Kohlenmonoxid, CO 33 10 50<br />

Methylenchlorid; CH2Cl2 360 50 150<br />

Schwefeldioxid, SO2 5 0.3 1<br />

Schwefelsäure, H2SO4 1 0.1 0.2<br />

Stickstoffdioxid, NO2 9 0.1 0.2<br />

Stickstoffmonoxid, NO 30 0.5 1<br />

Bei Reizgasen (z.B. HCl, SO2, NH3, O3, Phosgen, NOx etc.) ist oftmals erst nach<br />

Stunden (Latenzzeit) ein Lungenödem zu beobachten.<br />

71 Bender H.F., Sicherer Umgang mit Gefahrstoffen, Wiley-VCH Verlag GmbH, Weinheim, 2000, 101<br />

Chemie Bützer


88<br />

6.6 Die krebserzeugende Substanz Benzol<br />

C6H6<br />

Summenformel Konstitutionsformel Elektronendichteverteilung<br />

Benzol zeigt bei der Aufnahme ein ungewöhnliches Verhalten.<br />

Konz. im Blut/Harn<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

y = 5.121e 0.3969x<br />

R 2 = 0.9558<br />

0 5 10 15<br />

Konzentration in der Luft (ppm)<br />

Blut (MikroG/L)<br />

Harn (mg/L)<br />

Abbildung 75: Aufnahme aus der Luft in das Blut und Ausscheidung von Benzol 72<br />

Die Grafik zeigt, dass Benzol überproportional zur Luftkonzentration aufgenommen<br />

wird. Der TRK-Wert 1 ppm. Die Technische Richtkonzentration gilt für cancerogene<br />

Stoffe anstelle des MAK-Wertes. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass der hydrophile<br />

Schleim auf der Lunge das Benzol umso besser absorbiert, je höher dessen Gealt an<br />

Benzol ist.<br />

Trotz der gesicherten Erkenntnisse über die carcinogene Wirkung, war Benzol als<br />

Zusatz in einer Konzentration von 5% zu Autobenzin mit einer Ausnahmeregelung<br />

während vieler Jahre zugelassen!!<br />

72 Bender H.F., Sicherer Umgang mit Gefahrstoffen, Wiley-VCH Verlag GmbH, Weinheim, 2000, 100<br />

Chemie Bützer


89<br />

6.7 Konzentrationsberechnungen in der Umweltchemie<br />

Viele Konzentrationsangaben der Umweltchemie verwirren wegen ihrer Redundanz. So<br />

werden Massen- und Volumenangaben verwendet, die dazu noch auf<br />

unterschiedlichste Einheiten der belasteten Medien normiert werden. Die Verwirrung<br />

spiegelt sich auch in Zeitungsberichten zu Umweltfragen wieder. So schreibt<br />

beispielsweise der Spiegel (20/1999) über den Schwefelgehalt von Treibstoffen: "...<br />

Gleichzeitig sollen die Schwefelgehalt-Grenzwerte für Benzin von derzeit 300 Teilchen<br />

pro Million (ppm) und für Diesel von 500 ppm drastisch sinken - auf einheitlich 10 ppm.<br />

..." Dies ist eine weitere Variante von ppm (wenn auch in diesem Fall sicherlich<br />

Massenanteile gemeint sind, da es sich nicht um Gase, sondern um Flüssigkeiten<br />

handelt).<br />

Ein typisches Beispiel sind die Konzentrationsangaben für Ozon, die man in dem MAK-<br />

Wert, den täglichen Ozonmeldungen oder in den Ozonkarten findet. (Alle diese<br />

Angaben sind für Chemiker nicht logisch. Für ihn zählen nur Konzentrationsangaben<br />

wie Mol pro Liter (mol/l) also Grössen, die proportional zur Teilchenzahl des Schadstoffs<br />

sind.)<br />

6.7.1 Problemstellung Ozon, O3<br />

"Alle sprechen vom Ozonloch, aber nur die Wenigsten wissen was Ozon ist und<br />

welche konkreten Reaktionen diese Substanz auslöst."<br />

Der Geruch des Ozons (Name von griech.: ózein = duften, stinken, riechen) wird je<br />

nach Konzentration als Nelken-, Heu-, Chlor-ähnlich oder als nach Stickoxiden riechend<br />

beschrieben und ist etwa ab 0,01 ppm wahrnehmbar. Ozon ist eines der stärksten<br />

bekannten Oxidationsmittel.<br />

+ +<br />

O<br />

O<br />

O O - - O<br />

O<br />

O<br />

+<br />

O O<br />

- -<br />

Resonanzstrukturen von Ozon<br />

Mögliche elektronische Grenzstrukturen des Moleküle<br />

Abbildung 76: Das sehr reaktive Molekül Ozon<br />

O<br />

O<br />

+<br />

O<br />

HOMO von Ozon<br />

Hier kommen die<br />

Elektronen der<br />

angegriffenen DB<br />

hinein<br />

Ozon wirkt auf Augen und Schleimhäute reizend, doch werden die Hauptschädigungen<br />

in den Atemwegen verursacht, wobei Atembeschwerden mit Abnahme des<br />

Respirationsvolumens, später auch Nasenbluten, Bronchitis, Lungenödeme auftreten<br />

können. Chronische Exposition (z. B. bei Flugpersonal) kann auch bei niedrigen O3-<br />

Konzentrationen Brust- und Kopfschmerzen sowie Schwindel zur Folge haben. Die<br />

Toxizität wird zum Teil auf die oxidative Zersetzung ungesättigter Fettsäuren im<br />

Organismus zurückgeführt. Dieser Effekt kann durch Vitamin E-Mangel potenziert,<br />

durch -Zufuhr jedoch gemildert werden. Die schädigende Wirkung von O3 auf Niedere<br />

Organismen wie Viren, Bakterien und Pilze wird für Desinfektions-Zwecke ausgenützt.<br />

Bei Pflanzen, wo sie als Folge der Luftverunreinigung auftreten kann, ist sie<br />

Chemie Bützer


unerwünscht, da direkte Einwirkung des Ozons Chlorophylle zerstört – ebenfalls eine<br />

Reaktion mit Doppelbindungen:<br />

R 1<br />

R 1<br />

R 3<br />

R 1<br />

R 3<br />

R 2<br />

O<br />

R 2<br />

R 4<br />

O O<br />

Ozonid<br />

O O<br />

R 3<br />

R 4<br />

Säure<br />

Katalysator<br />

R 2<br />

R 4<br />

O<br />

-O O+<br />

Ozon<br />

Abbildung 77: Reaktion der Ozonisierung<br />

90<br />

1,3-Dipolare<br />

Cycloaddition<br />

O<br />

R1 R3 R 1<br />

R 3<br />

O<br />

O<br />

-O<br />

+O<br />

O<br />

R2 R4 R 2<br />

R 4<br />

Primärozonid<br />

Der MAK-Wert von Ozon (O3) wird wie folgt angegeben:<br />

0,1 ml (100 µl)/m 3 Luft � 0,2 mg (200 µg)/m 3 Luft � 0,1 ppm (100 ppb) � 1 Teilchen<br />

Ozon auf 10 Mio. Teilchen Luft<br />

Diese Werte sehen sehr zufällig aus. Ob sie alle das Gleiche aussagen, soll anhand<br />

von Überschlagsrechnungen überprüft werden.<br />

3<br />

Berechnung: Molzahl n des Ozons in 1 m Luft.<br />

Die Molmasse des Ozons ist 48 g/mol.<br />

Nun rechnen wir nach, ob deren Volumen tatsächlich 100 µl ist.<br />

1 mol � 22,414 l (Satz von Avogadro)<br />

Bei 20 °C ist das Volumen 10,7 % (Faktor f = T2/T1) grösser: 1 mol => 24,056 l; 1 µmol<br />

=> 24,056 µl<br />

4,17 µmol Ozon => 100,3 µl ≈ 100 µl<br />

Überprüfung des ppb- bzw. ppm-Wertes die Anteile des Ozons in der Luft. Die Frage ist<br />

zu klären, worauf diese Werte normiert wurden: auf Masse oder Volumen der Luft.<br />

Chemie Bützer


1. Massenanteile<br />

1 m 3 Luft => 1,29 kg => 1,29 · 10 9 µg<br />

200 9<br />

9<br />

1.<br />

29 •10<br />

−<br />

= 155 •10<br />

= 155ppb<br />

= 0.<br />

155ppm(<br />

Masse)<br />

Dieser Wert stimmt nicht mit der Angabe<br />

bei den MAK-Werten überein.<br />

91<br />

2. Volumenanteile<br />

1 m 3 Luft = 10 9 µl<br />

100 9<br />

μl −<br />

= 100 •10<br />

= 100ppb<br />

9<br />

10 μl<br />

= 0.<br />

1ppm(<br />

Volumen)<br />

Dieser Wert stimmt mit der Angabe<br />

überein.<br />

Auf Teilchenzahlen bezogene Anteile<br />

Die ppm-Definition ist im Fall von Gasen identisch mit der auf Volumen bezogenen<br />

Angabe. Dahinter steckt der Satz von Avogadro, dass gleiche Volumina von<br />

verschiedenen Gasen die gleiche Teilchenzahl enthalten. Volumenzahlen sind bei<br />

Gasen deshalb proportional zu Teilchenzahlen. Sie sind bis zu ziemlich extremen<br />

Bedingungen unabhängig von Druck und Temperatur, da diese Korrekturen alle Gase<br />

gleichmässig betreffen (abgesehen von Realgas-Korrekturen).<br />

Der Teilchenanteil ist also<br />

1 Ozonteilchen auf 10 Mio. Luftteilchen = 0,1 ppm (auf Teilchenzahl bezogen).<br />

Diesen ppm-Wert kann man auch über die Molzahl berechnen.<br />

Überschlagsrechnung:<br />

Ein Kubikmeter trockene Luft hat bei Normalbedingungen die Masse 1,29 kg. Die<br />

Molzahl der Luft berechnet man mithilfe der durchschnittlichen Luftmolmasse ML.<br />

Nur Stickstoff, Sauerstoff und Argon werden berücksichtigt:<br />

ML = 0,781 · 28,02 g/mol + 0,21 · 32 g/mol + 0,0093 · 39,95 g/mol = 21,88 + 6,72 + 0,37<br />

= 28,97 g/mol<br />

Die Molzahl n der Luft in 1,29 kg ist dann<br />

n (Luft) = 1290 g / 28,97 g/mol = 44,53 mol<br />

Wir vergleichen die Teilchenzahlen von Ozon und Luft:<br />

n( Ozon)<br />

4.<br />

17μmol<br />

−6<br />

= = 0.<br />

093 •10<br />

≈<br />

n(<br />

Luft)<br />

44.<br />

53mol<br />

0.<br />

1ppm(<br />

auf _ Teilchen _ bezogen)<br />

Die verschiedenen Angaben des MAK-Werts sind also in sich stimmig.<br />

6.8 Dioxin und ADI-Wert<br />

Beispiel: Maximale Konzentration von Dioxin im Körper<br />

Der ADI-Wert (Acceptable Daily Intake = annehmbare (duldbare) tägliche Aufnahme<br />

admissible daily intake) für den Menschen liegt bei 1 pg TE/kg LG. (TE:<br />

Toxizitätseinheiten, da ein Substanzgemisch; LG: Lebendgewicht).<br />

Gleichzeitig werden die Dioxine aber ausgeschieden; die Halbwertszeit t½ beträgt<br />

hierfür 5 Jahre. Daraus ergibt sich ein Gleichgewicht mit einer Sättigungskonzentration.<br />

Wie gross ist diese?<br />

Reaktionsgeschwindigkeitskonstante: t½ = ln(2)/k � k = ln(2)/ t½<br />

Chemie Bützer


Allgemeiner Ansatz:<br />

Reaktionsgeschwindigkeit v = Aufnahme - Ausscheidung von Dioxinen<br />

v = k1 – k2 · c<br />

92<br />

Der Sättigungswert wird im Gleichgewichtszustand erreicht.<br />

Hier ist RG = 0, c= csätt. Daraus folgt:<br />

k1<br />

c sätt =<br />

k<br />

2<br />

Für den konkreten Fall von Dioxin gilt:<br />

k1 = ADI-Wert · 365 Dimension: pg TE/kg LG und Jahr; (k1 = 365)<br />

k2 = ln(2)/t½ Dimension: Jahr -1 ; ln(2) = 0,693; (k2 = 0.1386)<br />

Die Sättigungskonzentration ist mit diesen Werten:<br />

ADI•<br />

365 • t1/<br />

2<br />

csätt<br />

= ; pg TE/kg LG<br />

ln( 2)<br />

Die Beziehung gestattet, rasch zu überschlagen, was es bedeutet, wenn der ADI erhöht<br />

wird und/oder die Halbwertszeit doch grösser ist als vermutet.<br />

Unter den Bedingungen (Aufnahme: ADI = 1 pg/Tag und kg LG und Ausscheidung: t½ =<br />

5 Jahre) findet man den bekannten Literaturwert von 3 000 pg TE/kg LG:<br />

csätt = 2 633 pg TE/kg LG<br />

Diskutiert wird z.B. die Erhöhung des ADI auf 10 pg/Tag und kg LG. Kalkuliert man<br />

konservativer eine grössere Halbwertszeit von 10 Jahren mit ein, so erhält man<br />

csätt = 52 670 pg TE/kg LG.<br />

Simulationsdiagramm des<br />

Dioxinmetabolismus<br />

Abbildung 78: Dioxinmetabolismus<br />

Zeitdiagramm des Dioxinmetabolismus:<br />

Dioxinaufnahme (ADI= 1 pg/kg pro Tag) und der<br />

Ausscheidung (HWZ = 5 Jahre)<br />

Abszisse: Zeit in Jahren<br />

Ordinate: Dosis in pg<br />

Diese Grafik macht deutlich wie lange es dauert, bis das Gleichgewicht erreicht ist. Sie<br />

zeigt auf, dass es nicht viel Sinn macht über Gleichgewichte zu sprechen, ohne die<br />

Reaktionsgeschwindigkeiten zu betrachten.<br />

Chemie Bützer


Abbildung 79: Dioxinmetabolismus mit ADI=10 pg, Abbau HWZ = 10 Jahre (Abszisse: Zeit in<br />

Jahren, Ordinate: Dosis in pg)<br />

Diese Grafik zeigt, dass das Gleichgewicht auch bei hohen Dosen relativ langsam<br />

erreicht wird.<br />

Chemie Bützer<br />

93


7 Carcinogene Wirkungen<br />

Spezielle toxische Eigenschaften sind:<br />

c: carcinogen, kanzerogen � krebserzeugend<br />

m: mutagen � erbgutverändernd<br />

r: reproduktionstoxisch, teratogen � fortpflanzungsgefährdend<br />

Chemie Bützer<br />

94<br />

Diese drei Gefährdungen werden für die Beurteilung von Chemikalien zu der Kategorie<br />

CMR (carcinogen, mutagen, reproduktionstoxisch) zusammengefasst.<br />

Eine Reihe von Faktoren kann zur Carcinogenese (Krebsbildung) beitragen. Zu diesen<br />

Faktoren zählen Vererbung, Viren, ionisierende Strahlung, Chemikalien und<br />

Beeinträchtigungen des Immunsystems. Heute wird erforscht, wie diese Faktoren<br />

möglicherweise in bestimmten Abfolgen zusammenspielen und schliesslich zu Krebs<br />

führen. Grundsätzlich handelt es sich bei der Carcinogenese um einen genetischen<br />

Vorgang. Genabnormitäten können vererbt oder durch Viren oder äussere<br />

Schädigungen in einer Körperzelle verursacht werden. Wahrscheinlich entsteht nach<br />

einer Reihe aufeinander folgender Genmutationen eine einzelne bösartige Zelle, die<br />

sich als Clon vermehrt. Ursprünglich nahm man an, dass ein bösartiger Clon völlig<br />

abnorm ist und die einzige Möglichkeit, Krebserkrankungen zu heilen, daher in der<br />

vollständigen Beseitigung aller abnormen Zellen besteht. Heute weist vieles darauf hin,<br />

dass das Problem in der Unfähigkeit der Zelle liegt, sich bis zum endgültigen,<br />

funktionsfähigen Reifestadium weiterzuentwickeln und zu differenzieren<br />

(möglicherweise weil eine dazu nötige Komponente nicht produziert werden kann).<br />

Erst seit 1960 macht man sich ernsthafte Gedanken über die Wirkung von Schimmel<br />

befallenen Lebensmitteln. Zu dieser Zeit waren in England - kurz vor Weihnachten - von<br />

Geflügel, einige tausend Tiere durch verschimmeltes Erdnussschrot eingegangen. Die<br />

intensive Suche nach dem eigentlichen Verursacher führte zunächst zur Entdeckung<br />

der Aflatoxine, einem hochtoxischen Stoffwechselprodukt einiger Arten von Arpegillus<br />

flavus. Akute Vergiftungen mit Aflatoxin sind beim Menschen kaum bekannt. In<br />

tropischen Ländern, mit günstigen klimatischen Bedingungen für Pilzwachstum, sind<br />

chronische Vergiftungen vermutet worden. Eine gleichzeitige Häufung von primärem<br />

Leberkrebs und einem hohen Aflatoxingehalt der Nahrungsmittel ist in Mozambique ein<br />

solcher Zusammenhang gefunden worden. Im Gegensatz zu den akuten Wirkungen,<br />

treten diese Schäden erst verzögert auf. Bei den Aflatoxinen lässt sich zeigen, dass<br />

nicht alles, was naturbelassen ist ("Bioprodukte") auch besonders gesund sein muss.<br />

So sind die höchsten Gehalte an Aflatoxinen auf unpräparierten Nüssen zu finden, weil<br />

dort die Schimmelpilze besonders gut wachsen.<br />

Vorgänge, durch die chemische Substanzen Krebs verursachen, wurden eingehend<br />

untersucht. Einige Chemikalien aber auch „natürliche Stoffe“ wie Buchen- oder<br />

Eichenolzstaub oder Asbest wirken carcinogen. Dabei ist eine einmalige Einwirkung<br />

ausreichend, doch die Krebserkrankung tritt erst nach einer langen Latenzzeit zu Tage,<br />

nachdem ein weiterer Krebs fördernder Faktor hinzugekommen ist.


95<br />

Tabelle 34: Latenzzeit für einige beim Menschen bekannte Carcinogene<br />

Carcinogen Ort der Krebsbildung Bereich der<br />

Latenzzeit (Jahre)<br />

Röntgenstrahlen Haut 10 - 30<br />

Radioaktive Farben Knochen 10 - 30<br />

Radioaktive Gesteine Lunge 5 - 20<br />

Ultraviolette Strahlen Haut 10 - 40<br />

Aromatische Amine Blase 10 - 20<br />

Teer (Kohle) Haut 10 - 25<br />

Russ (Kamine) Hoden 11 - 17<br />

Bei den verzögerten Wirkungen, wie dies die Carcinogenese darstellt, ist eine<br />

Abhängigkeit von der Dosis zu beobachten. Dies ist mit unter auch ein Grund dafür,<br />

weshalb die Latenzzeit mit sehr grossen Bereichen, und nicht mit genauen Werten<br />

angegeben wird.<br />

„Ein Gift, welches nicht gleich wirkt,<br />

ist darum kein minder gefährliches Gift.“<br />

(Claudia in Lessing, Emilia Galotti)<br />

Die Latenzzeit ist umso kürzer, je höher die Dosis:<br />

-1<br />

t1 = Konstante( 1) • D<br />

Latenzzeit<br />

1<br />

0.9<br />

0.8<br />

0.7<br />

0.6<br />

0.5<br />

0.4<br />

0.3<br />

0.2<br />

0.1<br />

0<br />

0 5 10 15 20<br />

Abbildung 80: Latenzzeit als Funktion der Dosis<br />

Dosis<br />

Falls die Dosis D genügend klein ist gilt: Latenzzeit t1 > Lebenserwartung.<br />

Ist die Latenzzeit t1 grösser als die Lebenserwartung, dann ist die entsprechende Dosis<br />

nicht von Belang.<br />

Chemie Bützer


Der Anstieg der Wirkung W ist exponentiell.<br />

t<br />

1<br />

= Konstante( 1) •D<br />

a<br />

W = Konstante( 2) •D<br />

• t<br />

a: 2 – 4 (üblicherweise)<br />

W : Wirkung<br />

D: Dosis<br />

t1: Latenzzeit<br />

t: laufende Zeit<br />

Wirkung<br />

4000<br />

3500<br />

3000<br />

2500<br />

2000<br />

1500<br />

1000<br />

500<br />

0<br />

-1<br />

96<br />

0 5 10 15 20<br />

Zeit<br />

Abbildung 81: Tumorbildung in Funktion der Zeit und der Dosis<br />

W (D=1)<br />

W (D=3)<br />

W (D=10)<br />

Krebsauslöser (Initiatoren) bewirken irreversible Veränderungen an der DNA. Krebs<br />

fördernde Faktoren (Promotoren) lassen die DNA unverändert, aber erhöhen die<br />

Produktion der DNA und fördern die Genexpression (Bildung der Proteine, für die diese<br />

Gene codieren). Sie haben keine Auswirkungen, wenn sie vor einem Initiator in Aktion<br />

treten. Wirken die Promotoren jedoch nach einem Initiator über einen längeren Zeitraum<br />

wiederholt ein, fördern sie die Tumorbildung. Tabakrauch enthält beispielsweise viele<br />

chemische Initiatoren und Promotoren. Die Krebs fördernde Wirkung von Zigaretten ist<br />

äusserst bedeutend. Wird das Rauchen aufgegeben, sinkt das Lungenkrebsrisiko<br />

rasch. Ebenfalls Lungenkrebs auslösen kann das Edelgas Radon, das als radioaktives<br />

Zerfallsprodukt des Urans in grösseren Konzentrationen Böden und Baumaterialien und<br />

damit in Häusern (Tunnels und Bergwerken) vorkommt. Alkohol ist ein weiterer<br />

bedeutender Promotor. Chronischer Alkoholmissbrauch erhöht deutlich das Risiko für<br />

Krebserkrankungen, die durch andere Stoffe ausgelöst werden, z. B. Lungenkrebs bei<br />

Rauchern. Carcinogene (Krebs erzeugende) Stoffe verursachen ebenfalls<br />

Chromosomenbrüche und Translokationen.<br />

Der Ursprung eines Tumors, die Initiation, geht somit auf eine Veränderung der DNA<br />

zurück, die innerhalb von Tagen ablaufen kann.<br />

Diese Läsionen brauchen Zeit und günstige Bedingungen, damit Zellen entstehen, die<br />

einen Tumor bilden können. Gewisse Substanzen können hier einen Einfluss zeigen.<br />

Bei solchen Substanzen, z.B. nS sind folgende Möglichkeiten gegeben:<br />

Chemie Bützer


97<br />

Kein Effekt Inhibition Promotion<br />

8 & nS = 8 8 & nS = 2 8 & nS = 16<br />

Promotoren sind selbst keine carcinognene Stoffe. Dabei ist es wesentlich zu wissen,<br />

dass der Organismus Abwehrmechanismen zur Verfügung hat, um auch mit derartigen<br />

Prozessen fertig zu werden. Diese sehen schematisch etwa wie folgt aus:<br />

7.1 Beispiele für die Giftung im Körper<br />

O<br />

O<br />

HO<br />

O<br />

O<br />

R<br />

OH<br />

H 3 C N N<br />

S<br />

O<br />

R<br />

O<br />

NH<br />

O<br />

R<br />

R<br />

Enzyme<br />

O<br />

Enzyme<br />

Enzyme<br />

Saccharin<br />

O<br />

Aflatoxin B 1<br />

H 3 C<br />

H 3 C<br />

O<br />

O<br />

OCH 3<br />

Benz(a)pyren<br />

N N O<br />

O<br />

Säure<br />

Dimethylnitrosamin<br />

H 3 C<br />

H 3 C<br />

NH<br />

+<br />

Dimethylamin<br />

Carcinogene Metallverbindungen: As, Be, Cr, Ni<br />

Carcinogenes Mineral: Crysotil (Vertreter von Asbestmineralien): Mg2Si(OH)4O5<br />

Carcionogene Werkstoffe: Hartholzstäube 73 (z.B. Eichen- und Buchenholzstaub)<br />

HNO 2<br />

Nitrit<br />

Abbildung 82: Krebserzeugende Substanzen, eine Auswahl aus verschiedenen Stoffklassen<br />

73 Bender H.F., Sicherer Umgang mit Gefahrstoffen, Wiley-VCH Verlag GmbH, Weinheim, 2000, 151<br />

Chemie Bützer


7.2 Tumorbildung<br />

Aufnahme<br />

einer<br />

chemisch<br />

inerten<br />

Substanz<br />

Aufnahme<br />

einer<br />

chemisch<br />

reaktiven<br />

Substanz<br />

98<br />

Organismus Ausscheidung<br />

Umwandlung in<br />

reaktiven Metaboliten<br />

(Giftung)<br />

Verarbeitung im<br />

Organismus<br />

Aufnahme in den<br />

Zellkern<br />

Kovalente Bindung<br />

an die DNA<br />

DNA -<br />

Reparatur<br />

Reparatur-<br />

Fehler<br />

Zelltransformation<br />

Tumor<br />

Inaktivierung<br />

Ausscheidung<br />

Intakter Zellkern<br />

Zelltod<br />

Immunabwehr<br />

Abbildung 83: Normale Abwehrmechanismen gegen die Tumorbildung, am Beispiel einer<br />

chemischen Induktion<br />

Chemie Bützer


7.3 Das lineare Modell<br />

Chemie Bützer<br />

99<br />

Zwischen der Dosis und der Wirkung muss ein Zusammenhang bestehen. Ganz einfach<br />

ausgedrückt könnte dies etwa so lauten:<br />

Je grösser die Dosis, desto grösser die Wirkung.<br />

Und der einfachste mathematische Zusammenhang ist hier die Proportionalität, d.h. die<br />

Wirkung steigt proportional (linear) zu der Dosis. Welches sind die wichtigsten<br />

Aussagen dieses Modells? Wohl die wichtigste Aussage des linearen Modells ist, dass<br />

jede noch so kleine Menge Wirkstoff zu einem Effekt führt. Andererseits gibt es auch<br />

Hinweise, darauf, dass bei carcinogenen (krebserzeugenden) Substanzen erst ab einer<br />

gewissen Konzentration beobachtbare <strong>Effekte</strong> eintreten. dies wird dadurch erklärt, dass<br />

unser Körper Reparaturmechanismen besitzt, welche bei zu grosser Belastung (Dosis)<br />

überfordert werden.<br />

Aufgabe:<br />

1) Geben Sie Beispiele an, wo das lineare Modell nicht zutrifft.<br />

2) Geben sie Beispiele an, wo das lineare Modell unüberprüfbar wird.<br />

Bei krebserzeugenden Substanzen oder bei ionisierender Strahlung wird dieses Modell,<br />

mangels zuverlässigen Daten bei ganz tiefen Dosen, allgemein verwendet.<br />

Beispiel:<br />

Diethylnitrosamin [(C2H5)2-N-N=O)] ist eine krebserzeugende Substanz, die sich vor<br />

allem im Magen zwischen Nitriten (NO2 - ) und Aminen, welche beide in der Nahrung<br />

vorkommen können, bilden.<br />

Die Abhängigkeit der mittleren Dosis von Diethylnitrosamin für die Bildung von<br />

Carcinomen bei Ratten.<br />

Tabelle 35: Induktionszeit für die Bildung von Carcinomen mit Diethylnitrosamin<br />

Dosis Induktionszeit Anteil der Carcinome relative<br />

(mg/kg) (Tage) an allen Tieren in % Unsicherheit in %<br />

1000 68 100 8<br />

963 101 100 2<br />

660 137 100 3<br />

460 192 100 4,7<br />

285 238 100 6,5<br />

213 355 100 7,1<br />

137 457 100 8,9<br />

91 609 90 6,3<br />

64 840 71 ca.8


Induktionszeit (Tage)<br />

900<br />

800<br />

700<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

100<br />

0 200 400 600 800 1000 1200<br />

Dosis (mg/kg)<br />

Abbildung 84: Induktionszeit (Latenzzeit) für die Bildung von Carcinomen mit Diethylnitrosamin<br />

bei der Ratte.<br />

Frage:<br />

a) Welchen Einfluss hat die Dosis auf die Krebsbildung?<br />

b) Was sagt die Kolonne mit der relativen Unsicherheit aus?<br />

Latenzzeit (Tage)<br />

900<br />

800<br />

700<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

y = 50753x + 63.195<br />

R 2 = 0.988<br />

0 0.005 0.01 0.015 0.02<br />

Abbildung 85: Latenzzeit (Induktionszeit) zur Bildung eines Carcinoms mit Dimethylnitrosamin<br />

Folgerung:<br />

Die Latenzzeit ist ungefähr proportional 1/D. Für x = ∞, also die völlige Abwesenheit von<br />

Dimethylnitrosamin ergibt sich eine Latenzzeit von t1 = ∞. Ist die Latenzzeit t1 grösser<br />

als die Lebenserwartung, dann spielt die Wirkung W keine Rolle!! Die Lebenserwartung<br />

bei Ratten beträgt ca. 1000 Tage.<br />

Die Krebsanfälligkeit der Bevölkerung kann zu einer einfachen Formel<br />

zusammengefasst werden 74:<br />

74 M. Reitz: Beruf der Eltern - Krebs der Kinder, NZZ, Nr. 111, S.77, 1989<br />

Chemie Bützer<br />

1/D


„Krebsformel“:<br />

Chemie Bützer<br />

101<br />

Disposition & Exposition & Alter = Krebs<br />

• Disposition: Erbanlagen eines Menschen (Veranlagung, Metabolismus..)<br />

• Exposition : Äusserer Einfluss von Krebs erregenden Faktoren (Wirkstoff, Strahlung,<br />

Konzentration, Expositionsdauer)<br />

• Alter : Lebensalter (Reduktion der Immunabwehr und Reparaturmechanismen)<br />

Aufgabe:<br />

Man versuche die "Krebsformel" mit dem Beispiel von Diethylnitrosamin zu<br />

interpretieren, resp. zu bestätigen. Man zeige auch auf, welche Faktoren mit diesem<br />

Beispiel nicht erfasst werden.<br />

Der Zusammenhang zwischen der Dosis und der Wirkung (Effekt) ist schon bei der<br />

Einleitung zum Thema Gifte als zentraler Punkt dargestellt worden. Die linearen<br />

Modelle sind wohl leicht verständlich, sie treffen aber nur für ganz wenige Fälle zu, oder<br />

man verwendet sie überall dort, wo der Zusammenhang zwischen der Dosis und der<br />

Wirkung nicht ermittelt werden kann. Dies ist meist dann der Fall, wenn die Wirkungen<br />

nach denselben Gesetzmässigkeiten auftreten, wie ein Gewinn beim Lotto, nämlich<br />

sehr selten (kleiner 1: 10 000) und statistisch verteilt. Damit muss eine sehr grosse<br />

Anzahl Individuen untersucht werden. Man weicht dann meist auf sog.<br />

epidemiologische Untersuchungen aus, und gibt damit den grossen Vorteil von<br />

Laboruntersuchungen preis, definierte Verhältnisse zu haben, und zwischen Ursache<br />

und Wirkung klare und reproduzierbare Verhältnisse zu schaffen (verschiedene<br />

Bevölkerungsgruppen ernähren sich unterschiedlich, haben andere Umweltbe-<br />

dingungen, unterschiedliche Verhaltensweisen etc.). Resultat aus solchen epidemiologischen<br />

Untersuchungen werden oft nach dem linearen Modell beurteilt.


8 Chemikaliengesetz<br />

Chemie Bützer<br />

102<br />

§ 1 Zweck des Gesetzes<br />

Zweck des Gesetzes ist es, den Menschen und die Umwelt vor schädlichen<br />

Einwirkungen gefährlicher Stoffe und Zubereitungen zu schützen, insbesondere sie<br />

erkennbar zu machen, sie abzuwenden und ihrem Entstehen vorzubeugen.<br />

Sorgfaltspflicht:<br />

Wer mit Stoffen oder Zubereitungen umgeht, muss deren gefährliche Eigenschaften<br />

beachten und die zum Schutz von Leben und Gesundheit erforderlichen Massnahmen<br />

treffen. Insbesondere sind diesbezügliche Informationen der Herstellerin zu beachten.<br />

In Betrieben und Bildungsstätten, in denen beruflich oder gewerblich mit gefährlichen<br />

Stoffen oder Zubereitungen umgegangen wird, ist eine Person zu bezeichnen, die für<br />

Fragen des vorschriftsgemässen Umgangs zuständig ist und die den Vollzugsbehörden<br />

die erforderlichen Auskünfte erteilen kann. Sie muss über die nötigen fachlichen<br />

Qualifikationen und betrieblichen Kompetenzen verfügen. Ihr Name ist der zuständigen<br />

Vollzugsbehörde mitzuteilen.<br />

Gefährliche Stoffe oder gefährliche Zubereitungen sind:<br />

1. explosionsgefährlich,<br />

2. brandfördernd,<br />

3. hochentzündlich,<br />

4. leichtentzündlich,<br />

5. entzündlich,<br />

6. sehr giftig,<br />

7. giftig,<br />

8. gesundheitsschädlich,<br />

9. ätzend,<br />

10. reizend,<br />

11. sensibilisierend,<br />

12. krebserzeugend,<br />

13. fortpflanzungsgefährdend,<br />

14. erbgutverändernd oder<br />

15. umweltgefährlich sind;<br />

ausgenommen sind gefährliche Eigenschaften ionisierender Strahlen (� separat<br />

geregelt)<br />

Als gefährlich gelten Stoffe und Zubereitungen, die das Leben oder die Gesundheit<br />

durch physikalisch-chemische oder toxische Wirkung gefährden können.<br />

8.1 Sicherheitsdatenblatt<br />

Sicherheit vor Handel, "No data - no market", "Keine Daten - kein Markt": Das ist das<br />

Motto, unter dem das neue Chemikalienrichtlinie steht.<br />

Das Sicherheitsdatenblatt ist dazu bestimmt, den beruflichen Verwendern die beim<br />

Umgang mit gefährlichen Stoffen und Erzeugnissen notwendigen physikalischchemischen,<br />

sicherheitstechnischen, toxikologischen und ökologischen Daten und<br />

Umgangsempfehlungen zu vermitteln. Diese werden benötigt, um die erforderlichen<br />

Massnahmen für den Gesundheitsschutz, die Sicherheit am Arbeitsplatz und den


103<br />

Schutz der Umwelt treffen zu können. Die wichtigsten ökologischen Kriterien werden in<br />

der Kategorie persistent, bioakkumulierbar und toxisch, PBT, zusammengefasse,<br />

Das Sicherheitsdatenblatt muss zwingend folgende Angaben enthalten :<br />

1 . Stoff/Zubereitungs - und Firmenbezeichnung<br />

2 . Zusammensetzung/Angaben zu Bestandteilen<br />

3 . Mögliche Gefahren<br />

4 . Erste-Hilfe-Massnahmen<br />

5 . Massnahmen zur Brandbekämpfung<br />

6 . Massnahmen bei unbeabsichtigter Freisetzung<br />

7 . Handhabung und Lagerung<br />

8 . Expositionsbegrenzung und persönliche Schutzausrüstungen<br />

9 . Physikalische und chemische Eigenschaften<br />

10 . Stabilität und Reaktivität<br />

11 . Angaben zur Toxikologie<br />

12 . Angaben zur Ökologie<br />

13 . Hinweise zur Entsorgung<br />

14 . Angaben zum Transport<br />

15 . Vorschriften<br />

16 . Sonstige Angaben .<br />

Zu: 3. Mögliche Gefahren<br />

1. Die wichtigsten Gefährdungen, die von dem Stoff oder dem Erzeugnis<br />

insbesondere für Mensch und Umwelt ausgehen, sind kurz und klar zu<br />

beschreiben.<br />

2. Die wichtigsten schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit<br />

sowie die Symptome, die bei der Verwendung und einem absehbaren<br />

Missbrauch auftreten können, sind zu beschreiben.<br />

3. Die Angaben müssen von den Angaben auf der Etikette, der Verpackung oder<br />

dem Behälter ausgehen. Sie müssen diese aber nicht wiederholen.<br />

Zu: 4. Erste-Hilfe-Massnahmen<br />

1. Anzugeben sind die erforderlichen Erste-Hilfe-Massnahmen. Insbesondere ist<br />

anzugeben, ob eine sofortige ärztliche Untersuchung notwendig ist.<br />

2. Die Anweisungen für die Erste Hilfe müssen für das Opfer, Umstehende und<br />

Erste-Hilfe-Leistende kurz, klar und verständlich formuliert sein. Symptome und<br />

Auswirkungen sind kurz zu beschreiben. Aus den Angaben muss hervorgehen,<br />

welche Sofortmassnahmen bei Unfällen zu ergreifen sind und ob mit möglichen<br />

verzögerten Wirkungen der Exposition gerechnet werden muss.<br />

3. Die Informationen sind nach den verschiedenen Expositionswegen, d.h.<br />

Einatmen, Haut- und Augenkontakt und Verschlucken, zu unterteilen.<br />

4. Es muss angegeben werden, ob eine ärztliche Betreuung erforderlich ist.<br />

5. Bei bestimmten Stoffen und Erzeugnissen kann es von Bedeutung sein, darauf<br />

hinzuweisen, dass am Arbeitsplatz besondere Mittel verfügbar sein müssen,<br />

damit eine gezielte und sofortige Behandlung gewährleistet ist.<br />

Zu: 5. Massnahmen zur Brandbekämpfung<br />

Anzugeben sind die Anforderungen an die Bekämpfung eines Brandes, der von einem<br />

Stoff oder einem Erzeugnis ausgeht oder diese betreffen könnte, insbesondere:<br />

a. geeignete Löschmittel;<br />

b. aus Sicherheitsgründen ungeeignete Löschmittel;<br />

c. besondere Gefährdungen durch den Stoff oder das Erzeugnis selbst, seine<br />

Verbrennungsprodukte oder entstehende Gase;<br />

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104<br />

d. besondere Schutzausrüstung für die Brandbekämpfung.<br />

Zu: 6. Massnahmen bei unbeabsichtigter Freisetzung<br />

1. Je nach Stoff oder Erzeugnis sind folgende Angaben über Massnahmen bei<br />

unbeabsichtigter Freisetzung zu machen:<br />

a. personenbezogene Vorsichtsmassnahmen:<br />

z. B. Entfernen von Zündquellen, Sicherstellen einer ausreichenden Belüftung zw. eines<br />

ausreichenden Atemschutzes, Vermeidung von Staubentwicklung, Verhindern von Haut-<br />

und Augenkontakt;<br />

b. Umweltschutzmassnahmen:<br />

z. B. Verhütung des Eindringens in die Kanalisation, in Oberflächen- und Grundwasser sowie in<br />

den Boden, eventuelle Alarmierung der Nachbarschaft;<br />

c. Verfahren zur Reinigung:<br />

z. B. Einsatz absorbierender Stoffe (z. B. Sand, Kieselgur, saure Bindemittel,<br />

Universalbindemittel, Sägemehl ...), Niederschlagen von Gas und Rauch mit Wasser,<br />

Verdünnung; ausserdem ist möglicherweise auf Mittel, die keinesfalls verwendet werden<br />

dürfen, oder auf geeignete Neutralisierungsmittel hinzuweisen, z. B. „keinesfalls<br />

verwenden“, „neutralisieren mit“.<br />

2. Gegebenenfalls ist auf die Ziffern 8 und 13 zu verweisen.<br />

Zu: 7. Handhabung und Lagerung<br />

7.1 Handhabung<br />

Anzugeben sind Schutzmassnahmen für den sicheren Umgang einschliesslich Empfehlungen für<br />

technische Massnahmen, wie zum Beispiel örtliche Absaugung und<br />

Lüftungsmassnahmen, Massnahmen zur Verhinderung von Aerosol- und Staubbildung,<br />

Brandschutzmassnahmen sowie weitere spezifische Anforderungen oder<br />

Handhabungsregeln im Zusammenhang mit dem Stoff oder dem Erzeugnis (z.B.<br />

geeignete oder nicht zulässige Arbeitsverfahren oder Geräte). Die Art der Massnahmen<br />

sollte nach Möglichkeit kurz beschrieben werden.<br />

7.2 Lagerung<br />

1. Anzugeben sind die Bedingungen für eine sichere Lagerung, wie z. B. spezielle<br />

Anforderungen an Lagerräume oder –behälter (einschliesslich Rückhaltewände<br />

und Belüftung), unverträgliche Materialien, Lagerbedingungen (Temperatur- und<br />

Feuchtigkeitsgrenze/-bereich, Licht, Inertgas usw.), besondere Anforderungen an<br />

elektrische Anlagen und Geräte sowie Massnahmen gegen statische Aufladung.<br />

2. Anzugeben sind, falls erforderlich, Mengenbegrenzungen in Abhängigkeit von<br />

den Lagerbedingungen. Insbesondere sind spezielle Angaben zu machen, wie<br />

die Art des Materials, das für die Verpackung/die Behältnisse des Stoffs oder des<br />

Erzeugnisses verwendet wird.<br />

Zu: 8. Expositionsbegrenzung und persönliche Schutzausrüstung<br />

1. Massnahmen zur Begrenzung und Überwachung der Exposition umfassen alle<br />

Vorkehrungen, die während der Verwendung des Stoffs oder des Erzeugnisses<br />

zu ergreifen sind, um die Exposition der Beschäftigten so gering wie möglich zu<br />

halten.<br />

2. Technische Massnahmen haben Vorrang vor dem Einsatz persönlicher<br />

Schutzausrüstungen. Deshalb sind Angaben über die Gestaltung der<br />

technischen Anlagen zu machen, z. B. geschlossene Anlagen.<br />

3. Anzugeben sind spezifisch zu überwachende Parameter, z. B. Grenzwerte in der<br />

Luft oder in biologischem Material sowie Messverfahren und die entsprechende<br />

Methode.<br />

4. Ist eine persönliche Schutzausrüstung erforderlich, so ist die Art der Ausrüstung<br />

anzugeben, die einen angemessenen Schutz gewährleistet:<br />

a. Atemschutz:


Chemie Bützer<br />

105<br />

Bei gefährlichen Gasen, Dämpfen oder Staub ist auf die geeignete Schutzausrüstung,<br />

wie beispielsweise umluftunabhängige Atemschutzgeräte, geeignete<br />

Masken und Filter hinzuweisen.<br />

b. Handschutz:<br />

Anzugeben ist die Art der bei der Handhabung des Stoffs oder des Erzeugnisses<br />

erforderlichen Schutzhandschuhe. Falls erforderlich, sind zusätzliche<br />

Hand- und Hautschutzmassnahmen anzugeben.<br />

c. Augenschutz:<br />

Anzugeben ist die Art des erforderlichen Augenschutzes, wie zum Beispiel<br />

Sicherheitsglas, Schutzbrillen, Gesichtsschild.<br />

d. Körperschutz:<br />

Anzugeben sind für den Schutz anderer Hautpartien als der Hände die erforderliche Art<br />

und Qualität der Schutzausrüstung, wie zum Beispiel Vollschutz-<br />

Schutzanzug, Schürze, Stiefel. Falls erforderlich, sind besondere<br />

Hygienemassnahmen anzugeben.<br />

5. Gegebenenfalls ist auf die einschlägigen Normen zu verweisen.<br />

Zu: 9. Physikalisch-chemische Eigenschaften<br />

Anzugeben sind gegebenenfalls die nachfolgenden Informationen zum Stoff oder zum<br />

Erzeugnis.<br />

a. Aussehen: Aggregatszustand (fest, flüssig, gasförmig) und Farbe des Stoffs<br />

oder des Erzeugnisses im Lieferzustand.<br />

b. Geruch: Ist ein Geruch wahrnehmbar, so ist dieser kurz zu beschreiben.<br />

c. pH-Wert: pH-Wert des Stoffs oder des Erzeugnisses im Lieferzustand oder in<br />

wässriger Lösung. Im letzteren Fall ist die Konzentration anzugeben.<br />

d. Siedepunkt/Siedebereich:<br />

e. Schmelzpunkt/Schmelzbereich:<br />

f. Flammpunkt:<br />

g. Entzündlichkeit (fest, gasförmig):<br />

h. Selbstentzündlichkeit:<br />

i. Explosionsgefahr:<br />

k. Brandfördernde Eigenschaften:<br />

l. Dampfdruck:<br />

m. Relative Dichte:<br />

n. Löslichkeit:<br />

- Wasserlöslichkeit<br />

- Fettlöslichkeit (Lösungsmittel und Öl angeben)<br />

o. Verteilungskoeffizient n-Octanol/Wasser<br />

p. Sonstige Angaben: Anzugeben sind sicherheitsrelevante Parameter wie<br />

Dampfdichte, Mischbarkeit, Verdampfungsgeschwindigkeit, Leitfähigkeit,<br />

Viskosität usw.<br />

Zu: 10. Stabilität und Reaktivität<br />

Anzugeben sind die Stabilität des Stoffs oder des Erzeugnisses sowie eventuelle<br />

gefährliche Reaktionen unter bestimmten Bedingungen.<br />

a. zu vermeidende Bedingungen:<br />

Anzugeben sind Bedingungen wie Temperatur, Druck, Licht, Erschütterung usw., die zu<br />

einer gefährlichen Reaktion führen können. Wenn möglich ist die Reaktion<br />

kurz zu beschreiben.<br />

b. zu vermeidende Stoffe:


106<br />

Anzugeben sind Stoffe wie Wasser, Luft, Säuren, Basen, Oxidationsmittel oder jeder<br />

andere Stoff, der zu einer gefährlichen Reaktion führen kann. Wenn<br />

möglich sind die Reaktionen kurz zu beschreiben.<br />

c. Gefährliche Zersetzungsprodukte:<br />

Anzugeben sind gefährliche Stoffe, die bei der Zersetzung eines Stoffs in<br />

kritischen Mengen entstehen können. Insbesondere sind anzugeben:<br />

1. die Notwendigkeit von Stabilisatoren und ihr Vorhandensein;<br />

2. die Möglichkeit einer gefährlichen exothermen Reaktion;<br />

3. Auswirkungen einer Änderung des Aggregatzustands des Stoffs oder des<br />

Erzeugnisses auf die Sicherheit;<br />

4. gegebenenfalls gefährliche Zersetzungsprodukte bei Kontakt mit Wasser;<br />

5. mögliche Zersetzung zu instabilen Produkten.<br />

Zu: 11. Angaben zur Toxikologie<br />

Dieser Abschnitt umfasst die kurze, aber vollständige und verständliche Beschreibung der verschiedenen<br />

toxikologischen Auswirkungen ( auf die Gesundheit), die sich beim Kontakt mit dem Stoff oder der<br />

Zubereitung für den Verwender ergeben können .<br />

Anzugeben sind schädliche Auswirkungen durch Exposition gegenüber dem Stoff oder der Zubereitung,<br />

wobei von Erfahrungen aus der Praxis oder/und den Ergebnissen wissenschaftlicher Versuche<br />

auszugehen ist . Die Wirkungen sind entsprechend den physikalischen, chemischen und toxikologischen<br />

Eigenschaften nach Expositionswegen ( Einatmen, Verschlucken, Haut - und Augenkontakt ) getrennt zu<br />

beschreiben. Dabei sind die sofort oder verzögert auftretenden Wirkungen sowie die chronischen<br />

Wirkungen nach kurzer oder länger anhaltender Exposition zu berücksichtigen, z . B . Sensibilisierung,<br />

Karzinogenität, Mutagenität, Reproduktionstoxizität einschliesslich der Teratogenität und narkotische<br />

Wirkungen .<br />

Unter Berücksichtigung der Angaben in Punkt 2 "Zusammensetzung/Angaben zu Bestandteilen" kann es<br />

erforderlich sein, auf besondere Wirkungen bestimmter Bestandteile einer Zubereitung hinzuweisen .<br />

Zu: 12. Angaben zur Ökologie<br />

1. Anzugeben ist eine Bewertung der Auswirkungen, des Verhaltens und des<br />

Verbleibs in der Umwelt, in Abhängigkeit von der Beschaffenheit und den<br />

wahrscheinlichen Verwendungsarten des Stoffs oder des Erzeugnisses. Die<br />

gleichen Angaben sind bei Giften und umweltgefährlichen Stoffen und<br />

Erzeugnissen zu machen, die sich aus dem Abbau von Stoffen oder<br />

Erzeugnissen ergeben.<br />

2. Insbesondere können folgende umweltrelevante Angaben massgebend sein:<br />

a. Mobilität: - nachgewiesene oder vorhersehbare Verbreitung in die einzelnen<br />

Umweltbereiche,<br />

- Oberflächenspannung,<br />

- Adsorption/Desorption,<br />

- sonstige physikalisch-chemische Eigenschaften;<br />

b. Abbaubarkeit: - biotischer und abiotischer Abbau,<br />

- aerober und anaerober Abbau,<br />

- Persistenz;<br />

c. Akkumulation: - Bioakkumulationspotential,<br />

- Anreicherung über die Nahrungskette;<br />

d. Kurz- und Langzeitfolgen hinsichtlich:<br />

1. Ökotoxizität:<br />

- Wasserorganismen,<br />

- Bodenorganismen,<br />

- Pflanzen und Tiere;<br />

2. Sonstige negative Auswirkungen:<br />

- Ozonabbaupotential,<br />

- photochemisches Ozonaufbaupotential,<br />

- Erderwärmungspotential,<br />

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Chemie Bützer<br />

107<br />

- Auswirkungen auf Abwasserreinigungsanlagen.<br />

3. Es ist dafür zu sorgen, dass auch in anderen Abschnitten des<br />

Sicherheitsdatenblatts umweltrelevante Angaben gemacht werden, insbesondere<br />

bei den Ratschlägen für die kontrollierte Freisetzung, den Massnahmen bei<br />

unbeabsichtigter Freisetzung und den Hinweisen zur Entsorgung.<br />

4. Solange noch keine Kriterien für die Bewertung der Umweltverträglichkeit eines<br />

Erzeugnisses aufgestellt sind, sind Angaben zu den oben genannten<br />

Eigenschaften auch für Stoffe zu machen, die in einem Erzeugnis enthalten und<br />

als umweltgefährlich eingestuft sind.<br />

Abiotischer Abbau (Hydrolyse, Photolyse, Photooxidation)<br />

Hier können Angaben zur Hydrolyse und zum Photoabbau im Wasser (bei flüchtigen Stoffen zum<br />

photooxidativen Abbau in der Luft) erfolgen.<br />

Biologischer Abbau / Elimination<br />

Stoffe und Zubereitungen bei denen zur biologischen Abbaubarkeit rechtliche Mindestanforderungen<br />

bestehen (z. B. Tenside), sind entsprechend zu bewerten.<br />

Eine Abschätzung der „Mobilität“ kann unter Berücksichtigung des Dampfdrucks, des<br />

Verteilungskoeffizienten n-Octanol / Wasser, der Wasserlöslichkeit und des Adsorptions-<br />

/Desorptionsverhaltens des chemischen Stoffs bzw. der einzelnen Komponenten eines Erzeugnisses<br />

erfolgen.<br />

Zum „Bioakkumulationspotential“ oder zur Bioakkumulation sind Angaben für chemische Stoffe<br />

erforderlich (z. B. in Form des Biokonzentrationsfaktors BCF). Sofern Hinweise auf eine Gefährdung<br />

durch Biomagnifikation vorliegen, sind diese ebenfalls anzugeben. Das Bioakkumulationspotential kann<br />

aus dem Verteilungskoeffizienten n-Octanol / Wasser (log Pow), der Oberflächenspannung und dem<br />

Adsorptionsverhalten abgeleitet werden. Dieses gilt auch für als „umweltgefährlich“ einzustufende<br />

Einzelkomponenten bei Erzeugnissen. Bei nicht oberflächenaktiven Stoffen (σ > 50 mN/m bei einer<br />

Konzentration ≤ 1 g/l), deren log Pow < 3 ist und die keine starke Adsorption aufweisen, kann hier eine<br />

Aussage wie „Kein Hinweis auf Bioakkumulationspotential“ vorgenommen werden. Es ist zu<br />

berücksichtigen, dass bestimmte Stoffklassen (z. B. dissoziierte Säuren oder Basen, Salze, ionische<br />

Tenside) für eine Bestimmung ihres Verteilungsverhaltens im System n-Octanol / Wasser nicht geeignet<br />

sind.<br />

Ökotoxizität: Hier sind Daten zur Toxizität gegenüber aquatischen Organismen (Fisch, Daphnie, Alge),<br />

Bodenorganismen, Pflanzen und Tieren mit Versuchsdauer und Testmethode anzugeben.<br />

Zu: 13. Hinweise zur Entsorgung<br />

1. Besteht bei der Entsorgung eines Stoffs oder eines Erzeugnisses (Restmengen<br />

oder Abfälle aus der planmässigen Verwendung) die Gefahr, dass es bei<br />

unsachgemässer Behandlung zu schädlichen oder lästigen Einwirkungen<br />

kommen kann, müssen die Rückstände genannt und Hinweise für ihre sichere<br />

Handhabung gegeben werden.<br />

2. Anzugeben sind die geeigneten Entsorgungsverfahren für den Stoff oder das<br />

Erzeugnis sowie für verunreinigtes Verpackungsmaterial (stoffliche Verwertung,<br />

Verbrennung, Deponie usw.). Dabei sind die Bestimmungen der<br />

Umweltschutzgesetzgebung zu beachten.<br />

9 Die Wirkung von Strahlen<br />

9.1 Kernaussagen zur Radioaktivität<br />

• Radioaktivität ist die spontane Umwandlung von Atomkernen unter gleichzeitiger<br />

Aussendung von Bestandteilen von Atomen, die als Alpha-, Betateilchen bezeichnet


108<br />

werden oder von elektromagnetischen Strahlen, die man Gammastrahlen bzw.<br />

Röntgenstrahlen nennt. Die Strahlung heisst ionisierende Strahlung weil sie bei<br />

Elektronen aus den Hüllen der Atome herausschlagen kann und damit geladene<br />

Teilchen,Ionen, erzeugt.<br />

• Ein Zerfall pro Sekunde hat den Wert 1 Becquerel (1 Bq).<br />

• Radioaktivität tritt auch natürlich auf, zum Beispiel auch bei Uranerzen.<br />

• Diese Strahlung ist leicht messbar..<br />

• Man kennt verschiedene Strahlenarten (z.B. α, β - ,β + ,γ- Strahlen) die für Radioaktivität<br />

verantwortlich sind, verschiedene Quellen (Höhenstrahlung, Elemente) aber<br />

auch unterschiedliche Energien.<br />

• Selbst kleinste Mengen Radioaktivität lassen sich mit den ausserordentlich<br />

empfindlichen Messgeräten nachweisen.<br />

• Messungen von kleinen Dosisleistungen geben immer unterschiedliche Werte, sie<br />

lassen sich nur mithilfe der Statistik auswerten. Interpretierbare Resultate ergeben<br />

sich nur bei einer grossen Zahl oder bei sehr langzeitigen Messungen.<br />

• Es gibt natürlicherweise Orte mit sehr tiefer, aber auch solche mit sehr hoher<br />

Aktivität.<br />

• Die Strahlenexpositionen durch natürliche Radioaktivität streuen je nach<br />

Zeit, Ort, Umgebungsbedingungen und Verhalten auch im Kanton St.<br />

Gallen recht stark.<br />

• Ionisierende Strahlen spürt man nicht, ebenso wenig, wie die UV- Strahlen, die den<br />

Sonnenbrand verursachen.<br />

• Kleider halten Gammastrahlen nicht ab.<br />

• Ein Körper, der ionisierenden Strahlen ausgesetzt war, ist nachher selbst nicht<br />

radioaktiv (mit Ausnahme von Neutronen).<br />

• Unser Körper kann durch natürliche Radioaktivität von aussen oder von innen<br />

bestrahlt werden. Beides können wir bis zu einem gewissen Mass nicht vermeiden.<br />

• Unser Körper enthält natürlicherweise radioaktive Stoffe. In einem Menschen von 70<br />

kg zerfallen pro Sekunde rund 20'000 Atome (20 kBq).<br />

• Von ein und demselben Element gibt es nichtradioaktive (stabile) und radioaktive<br />

Vertreter (instabile Isotope). Unser Körper, aber auch Pflanzen und Tiere können<br />

diese im Stoffwechsel fast nicht unterscheiden.<br />

• Die Evolution des Lebens hat im Strahlungsfeld der natürlichen Radioaktivität<br />

stattgefunden. Es ist anzunehmen, dass sich die Lebewesen an unterschiedliche<br />

Strahlenexpositionen angepasst oder diese sogar ausgenützt haben (genetische<br />

Mutationen).<br />

• Die wichtigsten Strahlenschäden bei grösseren Dosen werden durch Protein- nicht<br />

durch DNA-Schäden verursacht 75.<br />

9.2 Auswirkungen auf den Menschen<br />

Uran macht etwa einen Drittel der gesamten terrestrischen Strahlung (Kalium, Thorium<br />

und Uran) aus. Das entspricht einer effektiven Dosis von ungefähr 0.15 mSv pro Jahr,<br />

was etwa 4% der mittleren Jahresdosis von Schweizerinnen und Schweizern<br />

entspricht.<br />

Der menschliche Organismus enthält selbst stets eine kleine Menge Uran, welche eine<br />

Aktivität von durchschnittlich 7 mBq/kg erzeugt (bei einem Menschen von 70 kg im<br />

Durchschnitt also etwa alle 2 Sekunden ein Zerfall) 76.<br />

75 Daly J.M. et al., Protein Oxidation Implicated as the Primary Determinant of Bacterial Radioresistance,<br />

PLoS Biol 5(4): e92 doi:10.1371/journal.pbio.0050092<br />

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9.2.1 Ortsdosisleistung<br />

109<br />

Als Ortsdosisleistung wird die Aktivität pro Zeit an einem Ort verstanden.<br />

Einheit für übliche Werte: nSv/h oder 1000 mal grösser: μSv/h<br />

Bisherige gesamtschweizerische Messungen der Ortsdosisleistungen und der Gehalte<br />

an natürlichen radioaktiven Stoffen in Nahrungsmitteln und Trinkwasser zeigen,<br />

dass der Kanton St. Gallen keine besondere Stellung einnimmt. Die mittleren Werte, der<br />

an einem Ort direkt messbaren Strahlung, liegen bei 60 bis 80 nSv/h 77. Vor allem weist<br />

der Kanton, wie die Radonmessungen von 1996 gezeigt haben, keine grösseren<br />

Gebiete auf, die eine überhöhte Radioaktivität zeigen.<br />

Was sagen aber Mittelwerte aus, wie sind sie für einzelne Personen zu interpretieren?<br />

Irgendwie steht immer auch die Frage im Raum: „Ist diese natürliche Strahlung<br />

gefährlich?“<br />

Eine endgültige Antwort darauf ist uns nicht möglich. Sicher ist, dass sich der Mensch<br />

in seiner ganzen Evolution zusammen mit der natürlichen Radioaktivität entwickelt<br />

hat. Es ist somit anzunehmen, dass sich das Leben auf diese Strahlung eingestellt<br />

hat. Im Kanton St. Gallen schwankt die Ortsdosisleistung zwischen 60 und 80<br />

nS/h, die höchsten Werte im Kanton wurden auf dem Risetengrat im Weistannental mit<br />

ca. 1800 nS/h gemessen.<br />

Aus vielen Messungen wissen wir: Die Ortsdosisleistungen sind über die Zeit gesehen<br />

nicht konstant. Die Stundenmittelwerte variieren besonders stark bei Niederschlägen -<br />

über 100%!!.<br />

Die Höhenstrahlung liefert ebenfalls einen nicht zu unterschätzenden Beitrag. Diese<br />

Dosisleistung nimmt wegen der Abnahme der Luftschichtdicke mit zunehmenden Höhe<br />

ab (Strahlenbelastung durch Fliegen!!).<br />

MikroSievert/h<br />

0.200<br />

0.150<br />

0.100<br />

0.050<br />

0.000<br />

y = 0.0002x - 0.1749<br />

R 2 = 0.9754<br />

1200 1400 1600 1800 2000 2200<br />

Höhe über Meer<br />

Abbildung 86: Zunahme der Höhenstrahlung im Weisstannental; Dosisleistung (μSv/h) in Funktion<br />

der Höhe über Meer (die Grundwerte sind gegenüber den Normalwerten erhöht)<br />

76 Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra), Nagra informiert Nr. 25,<br />

Nagra, Wettingen 1995, S.61ff.<br />

77 Nationale Alarmzentrale, Zürich, Übung NARACH, 31.8. bis 3..9.1992<br />

Chemie Bützer


110<br />

Beurteilung der Gefährdung: Faustregel<br />

kBq klein<br />

MBq mässig<br />

GBq giftig<br />

TBq tödlich<br />

9.2.2 Interne Bestrahlung<br />

Die inkorporierten Radionuklide sind insofern besonders bedeutsam, weil sie dauernd<br />

bestrahlen und die Distanz zum bestrahlten Gewebe ausserordentlich klein ist (interne<br />

Bestrahlung). Daher sind hier grosse Schäden möglich.<br />

Gehen wir davon aus, dass Stoffe im Körper abgebaut und gleichzeitig auch<br />

ausgeschieden werden. Es existieren damit in diesem einfachen Modell zwei Wege,<br />

wie ein Stoff aus dem Körper entfernt werden kann. Bei einem Medikament hängt<br />

die Wirkungsdauer ganz entscheidend von den zwei Prozessen Metabolisierung<br />

und Elimination (Ausscheidung) ab, aber auch bei Giften sind diese beiden<br />

Abbauwege von grosser Bedeutung.<br />

Ein einfaches Modell für gleichzeitigen Abbau sieht wie folgt aus:<br />

Substanz → λm, Tm → m (Metabolisierung, Zerfall)<br />

→ λe, Te → e (Elimination)<br />

λm: Zerfallskonst. Metabolisierung [1/sec] (chemisch km: Geschwindigkeitskonstante)<br />

λe: Zerfallskonst. Elimination [1/sec] (chemisch ke: Geschwindigkeitskonstante)<br />

Tm, Ta: Halbwertszeit: Tm = ln2/ λm resp. Te = ln2/ λe) [sec]<br />

Allgemein gilt : λ(eff) = λa + λb + λc + ... + λn<br />

und für die partiellen Halbwertszeiten:<br />

1/Teff = 1/Ta + 1/Tb + 1/Tc +....+ 1/Tn<br />

Teff : effektiv beobachtete Halbwertszeit des gesamten Prozesses und für unseren<br />

einfachen Fall eines dualen Abbaus:<br />

1/Teff = 1/Tm + 1/Te<br />

Tm • Te<br />

Teff =<br />

Tm + Te<br />

Beispiel: Verminderung der Strahlenbelastung durch Einsatz von nichtradioaktiven<br />

Stoffen.<br />

Caesium-137: Physikalische Halbwertszeit Tm = 30 Jahre<br />

Ausscheidung von Caesium durch die Kuh über die Milch:<br />

Teff = 15 - 30 Tage = 0.041 - 0.082 Jahre<br />

damit wird Te = 15 - 30 Tage = 0.041 - 0.082 Jahre<br />

Te : biologische Halbwertszeit<br />

Ausscheidung von Cs-137 bei der Kuh über das Fleisch: Teff = 30 Tage<br />

bei Ziege und Schaf: Teff = 20 Tage<br />

d.h. bei der Kuh, der Ziege und dem Schaf wird die Ausscheidung von Caesium<br />

massgeblich nicht durch den radioaktiven Zerfall, sondern durch die biologische<br />

Chemie Bützer


Chemie Bützer<br />

111<br />

Ausscheidung bestimmt. Wird nun dem Futter pro Tag zwei mal ca. 1.5 Gramm<br />

Ammoniumeisen(III)-hexacyanoferrat NH4Fe(Fe(CN)6) (Giese- Salz) zugemischt, dann<br />

wird das Caesiumion durch das fast gleich grosse Ammoniumion in einem Ionentausch<br />

ersetzt. Die biologische Halbwertszeit bei einer Kuh sinkt mit diesem Salz von<br />

durchschnittlich 21 Tagen auf etwa 4 Tage, bei Schafen von 14 Tagen auf etwa 3 Tage.<br />

Damit sinkt auch die Strahlenbelastung der Tiere, im Fleisch von Kühen wird noch etwa<br />

22% der normalen Caesiumkonzentration gefunden, und selbstverständlich auch die<br />

Konzentration der radioaktiven Nuklide in der Milch. Der im Magen gebildete<br />

schwerlösliche Caesiumkomplex ist gegen Säuren, Verdauungssekrete und<br />

Mikroorganismen stabil und wird mit dem Kot ausgeschieden - das nächste Entsorgungsproblem<br />

ergibt sich leider zwangsläufig...<br />

Der Gras- Kuh- Milchpfad von Iod-131:<br />

• Physikalische Halbwertszeit Tm = 8 Tage<br />

• Effektive Halbwertszeit Tm = 4 Tage (Gras)<br />

• Biologische Halbwertszeit Te = 8 Tage (Gras)<br />

• Effektive Halbwertszeit Teff = 1 Tag (Kuhmilch)<br />

• Biologische Halbwertszeit Te = 1.14 Tage (Kuhmilch)<br />

Folgerung:<br />

• Wird ein Stoff über zwei Wege gleichzeitig inaktiviert, dann kann ein einfaches<br />

Modell für die Beurteilung eingesetzt werden.<br />

• Die Halbwertszeiten für beide Wege sind kommutativ.<br />

• Unterscheiden sich die beiden Halbwertszeiten sehr stark, dann ist kleinere<br />

massgebend für die Beurteilung.<br />

• Wenn sich die beiden Halbwertszeiten kaum unterscheiden, kann im günstigsten<br />

Fall für den effektiven Prozess die Hälfte der Halbwertszeit erwartet werden.<br />

9.2.3 Molekulare <strong>Effekte</strong><br />

Beispiel: Spaltung von Sauerstoff O2, O=O<br />

Mit welcher Wellenlänge von Licht kann Sauerstoff gespalten werden?<br />

Bindungsenergie von O=O: 495 kJ/mol = 495'000 J/mol<br />

Pro Molekül: 495’000/NA = 495’000/6,022 x 10 23 = 8,25 x 10 -19 J<br />

E = h x ν; h = 6.625 x 10 -34 Js (Planck’sches Wirkungsquantum)<br />

c = ν x λ; c = 3 x 10 8 m/s; E = h x c/λ;<br />

λ = h x c/E = 6.625 x 10 -34 x 3 x 10 8 /8,25 x 10 19 = 2.5 x 10 -7 m = 250 nm (UV-Strahlen)<br />

Die Wellenlänge muss kleiner als 250 nm sein.<br />

UV-A: 400–320 nm, UV-B: 320–280 nm, UV-C: 280–200 nm;<br />

Ionisierende Strahlung ist eine wesentliche Ursache für Krebserkrankungen. Strahlung<br />

bewirkt DNA-Veränderungen wie Chromosomenbrüche und Transpositionen, d. h.,<br />

abgespaltene Chromosomenenden werden ausgetauscht. Strahlung ist ein Auslöser<br />

der Carcinogenese. Sie ruft Veränderungen hervor, die nach einer Latenzzeit von<br />

einigen Jahren zu Krebs führen können. Diese Verzögerung ermöglicht weiteren<br />

Faktoren, zu diesem Prozess beizutragen. Ionisierende Strahlung ist vergleichsweise<br />

sehr wirksam.


112<br />

Tabelle 36: Verschiedene Wirkungen der Inaktivierung im Vergleich (KBV<br />

Koloniebildungsvermögen von Escherichia Coli-Bakterien) 78<br />

Agens Dosis um das KBV auf<br />

37 % zu reduzieren<br />

Strahlungsenergie<br />

Gammastrahlen +<br />

Sauerstoff<br />

20 Gy (Gray) = 20 J/kg<br />

(Energie-)Dosis der<br />

Strahlungsabsorption<br />

Energieäquivalent<br />

pro Zelle (nJ)<br />

0,000 000 04<br />

Ultraviolett (260 nm) 0,000005 (J/mm 2 ), 10% absorbiert 0,000 000 1<br />

Wärmeenergie<br />

Hitze (70 °C) 1 Minute 0,02<br />

Chemische Energie<br />

Cyanid (CN - ) 300 000 000 000 Moleküle pro Zelle 0,05<br />

Wasserstoffperoxid 30 000 000 000 Moleküle pro Zelle 0,005<br />

Mitomycin C 500 000 000 Moleküle pro Zelle 0.0001<br />

Die ionisierenden Strahlen sind mit Abstand die Wirkungsvollsten, sie benötigen am<br />

wenigsten Energie um die Zellen zu inaktivieren. Alle Wirkungen spielen sich letztlich<br />

auf molekularer Ebene ab und können mit chemischen Reaktionen erklärt werden. Was<br />

sich auch immer abspielt, es werden Bindungen gebrochen und neue Bindungen<br />

gebildet. In einem intakten Stoffwechsel werden die richtigen Substanzen zur rechten<br />

Zeit am richtigen Ort gebildet. Das ist bei einer Einwirkung von aussen nicht mehr der<br />

Fall – das führt zu Schäden.<br />

Nichtionisierende Strahlen:<br />

Hierzu gehören vor allem: UV, Mikrowellen etc.<br />

Es gilt hier das Gesetz von Bunsen-Roscoe 79: „Die photochemische Wirkung von Licht<br />

hängt nur von dessen Dosis (Intensität mal Zeit), jedoch nicht alleine von der Internsität<br />

ab.“<br />

9.3 Das Krebsrisiko<br />

Der Mensch besitzt etwa 100 000 000 000 Zellen, und ein Minimum an Wirkung ist ab<br />

etwa 500 - 1000 Molekülen pro Zelle zu erwarten. Damit ist eine minimale Dosis von 10<br />

000 000 000 000 000 Molekülen oder 0.000 001 mol ein Richtwert. Für die Wirkung von<br />

Molekülen ist von entscheidender Bedeutung, dass die thermodynamische Temperatur<br />

in Kelvin, also absolut, massgebend ist. Damit hat die normale Körpertemperatur den<br />

Wert von 273+37 = 310 K, also eine relativ hohe Temperatur. Für die chemische<br />

Wirkung kann also bei normaler Körpertemperatur von 37°C schon von einer hohen<br />

Aktivierungsenergie und von einer hohen "Betriebstemperatur" ausgegangen werden.<br />

Man nimmt an, dass auf 100'000 Personen, die mit einer Dosis von 10 mSv bestrahlt<br />

werden, zusätzlich 50 tödliche Krebsfälle auftreten 80.<br />

Da es keine belegbaren Gründe gegen die Annahme gibt, dass im schlimmsten Falle<br />

ein einziges Molekül zu Krebs führen kann, lässt sich kein praktisch brauchbarer "no<br />

observed adverse effect level" (NOAEL) im üblichen Sinne postulieren (ist kaum<br />

78 Fritz-Niggli H., Strahlengefährdung, Strahlenschutz, Verlag Hans Huber, Bern/Stuttgart/Wien, 1975,<br />

63<br />

79 Schmidt W., Die Biophysik des Farbensehens, Edition Farbe beim Regenbogen Verlag (1999) 107<br />

80 BAG, Radioaktivität und Stralenschutz, Bern (1999) S.18<br />

Chemie Bützer


113<br />

beweisbar!). Obschon es möglich ist, tumorinitiierende Stoffe in Industrie, Haushalt und<br />

Landwirtschaft zu verbieten, sind wir trotzdem solchen Stoffen in der Umwelt<br />

ausgesetzt, z.B. Nitrosaminen und Aflatoxinen. In solchen Fällen versucht man die<br />

Anzahl zusätzlicher Krebserkrankungen (z.B. pro 1'000'000 Menschen in 70 Jahren) zu<br />

berechnen, die bei einer bestimmten Exposition auftreten. Fraglich ist dann noch, was<br />

als akzeptables Risiko zu gelten hat. Als Massstab werden dabei Risiken herangezogen,<br />

die wir im täglichen Leben ohne weiteres akzeptieren (vide supra). Danach kann<br />

ein zusätzlicher Krebstodesfall pro 106 Menschenleben à 70 Jahre als akzeptabel<br />

gelten (für wen?). Auf Grund solcher Überlegungen wurde z.B. für Aflatoxine eine<br />

Toleranz von < 5 ppb in Milch festgelegt (Deutschland).<br />

Im Strahlenschutz gilt das sogenannte ALARA-Prinzip: "As Low As Reasonably<br />

Achievable".<br />

Man kennt nicht nur die ionisierenden Strahlen, sondern auch solche, welche keine<br />

Bindungen spalten können, sogenannte nichtionisierende Strahlen NIR (non ionizing<br />

radiation). Dazu gehören z.B.: Schall, Ultraschall, Infrarot, Mikrowellen (Handy),<br />

Radiowellen, elektromagnetische Wechselfelder etc.<br />

10 Überblick<br />

Dosis<br />

therap. Breite<br />

MAK, MIK, MEK, MOK<br />

Konzentration x Zeit<br />

Atemrate<br />

aehnliche Stoffe<br />

chirale Stoffe<br />

Dosis<br />

ED, LD, Kd<br />

Stoechiometrie<br />

a=1 -> ED(50)=Kd<br />

Chemie Bützer<br />

Reparatur<br />

Dosis<br />

Latenzzeit<br />

a<br />

Aufnahmedauer<br />

Aufnahmezeitpunkt<br />

akut<br />

chronisch<br />

Spezifitaet<br />

Wirksamkeit<br />

Empfindlichkeit<br />

CARCINOGENITAET<br />

GEFAEHRDUNG<br />

ZEIT<br />

DOSIS<br />

BINDUNG<br />

WIRKSTOFFE<br />

GRUNDSATZ<br />

VORKOMMEN<br />

WIRKUNG<br />

MODELLE<br />

PHYSIOLOGIE<br />

Allein die Dosis<br />

macht, dass etwas<br />

ein Gift ist.<br />

Natur<br />

Natur und Synthese<br />

Synthese<br />

Aufnahme, Resorption<br />

Verteilung<br />

Speicherung<br />

Wirkort (Rezeptor)<br />

Abbau<br />

Umbau<br />

Zugang zum Rezeptor<br />

Bindung<br />

Ausscheidung, HWZ<br />

Ausloesung der Wirkung<br />

Occupationstheorie<br />

ct-Produkt (Haber'sche Regel)<br />

Saeure<br />

Base<br />

Dissoziation<br />

pH<br />

Volumen<br />

Konzentration<br />

Rezeptor Gleichgewicht<br />

log-Dosis-Wirkungskurve<br />

Sigmoide<br />

relativer Effekt<br />

Atemrate<br />

Schwellwert


11 Glossar<br />

Chemie Bützer<br />

114<br />

• Abhängigkeit ist ein Überbegriff, der sich in � Gewohnheitsbildung und � Sucht<br />

unterteilen lässt. Der Übergang zwischen den beiden ist fliessend.<br />

• Adaption: Anpassung von Organen oder Organismen an bestimmte äussere Reize<br />

oder Bedingungen.<br />

• ADI ( Acceptable Daily Intake = annehmbare (duldbare) tägliche Aufnahme): Die<br />

tägliche Aufnahme während des ganzen Lebens, die nach dem Stand allen<br />

verfügbaren Wissens kein erkennbares Risiko darstellt. Er ergibt sich aus der in<br />

langfristigen Tierversuchen (chronische Dosis) ermittelten Dosis, bei der kein<br />

erkennbarer Effekt – auch nicht bei den Nachkommen – eintritt (NEL: No Effect<br />

Level oder NOEL). ADI ≈ NOEL/100. Der Faktor 100 ist ein Sicherheitsfaktor; Faktor<br />

10 für die Übertrageun Tier-Mansch, Faktor 10 als Sicherheitsfaktor. Im Allgemeinen<br />

liegen die Fremdstoff-, Pflanzenschutzmittel- und Schädlingsbekämpfungsmittel-<br />

Höchstmengen unter den ADI-Werten. Für den Menschen zulässige tägliche<br />

Aufnahme eines Fremdstoffes, höchste duldbare Tagesdosis.<br />

• Aerosol: Ein Gas (oder Gasgemisch), das feinstverteilte, feste oder flüssige<br />

Bestandteile enthält. Optimal lungengängige Teilchen haben etwa einen<br />

Durchmesser von 1 – 5 μm.<br />

• Agonist: Substanz, die wie ein physiologischer Mediator einen Rezeptor aktivieren<br />

kann.<br />

• AGW: Der Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) ist die zeitlich gewichtete durchschnittliche<br />

Konzentration eines Stoffes in der Luft am Arbeitsplatz, bei der eine akute oder<br />

chronische Schädigung der Gesundheit der Beschäftigten nicht zu erwarten ist. Bei<br />

der Festlegung wird von einer in der Regel achtstündigen Exposition an fünf Tagen<br />

in der Woche während der Lebensarbeitszeit ausgegangen. Der<br />

Arbeitsplatzgrenzwert wird in mg/m³ und ml/m³ (ppm) angegeben.<br />

• Akkumulation: Anreicherung (Kumulation) einer Substanz im Organismus.<br />

• akute Toxizität : Toxizität einer Einzeldosis, - die schädliche Wirkung tritt bereits<br />

nach einmaliger Verabreichung der toxischen Substanz auf. Beobachtungszeitraum<br />

max. 2 Wochen, normal 5 Tage, Angabe z.B. LD(50).<br />

• Allergie: Überempfindlichkeitsreaktion des Organismus auf einen wiederholt<br />

angetroffenen Stoff (=Antigene wie Proteine, Polysaccharide oder einfache<br />

chemische Stoffe). Allergie bei Vereinigung des allergenen Stoffes mit dem<br />

spezifischen, meist zellgebundenen Antikörper, äussert sich in entzündlichen<br />

Reaktionen (Hautekzem, Heuschnupfen, Nesselfieber usw.) siehe auch<br />

Idiosynkrasie.<br />

• Antagonismus (lateinisch: Gegensatz, Widerstreit): Gegenteil von Synergismus.<br />

• analgetisch: schmerzlindernd<br />

• Antidote sind im engeren Sinn Stoffe, welche bereits resorbierte Gifte inaktivieren,<br />

d.h. entweder a) durch pharmakologische <strong>Effekte</strong> die Wirkung am Rezeptor oder<br />

Organsystem aufheben oder doch vermieden werden, oder b) durch direkte und<br />

indirekte chemische Reaktion den Giftstoff inaktivieren.<br />

• antiphlogistisch: entzündungshemmend<br />

• antipyretisch: fiebersenkend<br />

• antirheumatisch: gegen Rheumatismus<br />

• antithromotisch: verhindert die Blutplättchenaggregation<br />

• Atemrate : das pro Zeiteinheit benötigte Luftvolumen bei der Atmung.<br />

• BAT-Wert: Biologischer Arbeitsstoff-Toleranzwert. Die beim Menschen<br />

höchstzulässige Menge eines Arbeitsstoffs bzw. dessen Metaboliten im Organismus,<br />

die die Gesundheit des Exponierten nicht beeinträchtigen.


115<br />

• BGW: Grenzwert für die toxikologisch-arbeitsmedizinisch abgeleitete Konzentration<br />

eines Stoffes, eines seines Metaboliten oder eines Beanspruchungsindikators im<br />

entsprechenden biologischen Material, bei dem im Allgemeinen die Gesundheit<br />

eines Beschäftigten nicht beeinträchtigt wird.<br />

• Biotransformation, Metabolismus, Metabolisierung, Stoffwechsel<br />

(biotransformation, metabolism) Unter Biotransformation ist die durch Enzyme<br />

katalysierte chemische Umwandlung von Arzneimitteln oder anderen Xenobiotika in<br />

eine andere Molekülart zu verstehen. Heute empfehlen viele Fachleute, statt<br />

«Metabolismus» bei Arzneimitteln den Begriff «Biotransformation» einzusetzen und<br />

den Ausdruck «Metabolismus» für Stoffwechselvorgänge zu reservieren, die mit der<br />

Ernährung zu tun haben. Die Leber ist das zentrale Organ für die Biotransformation<br />

von Arzneimitteln. Man unterscheidet zwei Phasen: in der Phase I finden<br />

Veränderungen (Oxidation, Reduktion, Hydrolyse) statt, die funktionelle Gruppen am<br />

Arzneimittelmolekül freilegen. Diese Biotransformations-Produkte - Metaboliten -<br />

sind meistens weniger aktiv oder ganz inaktiv, können aber auch aktiver als die<br />

Ausgangssubstanz sein. In der Phase II werden Konjugate (z.B. mit Glukuronsäure)<br />

gebildet, die in der Regel inaktiv sind und gut ausgeschieden werden können.<br />

• Bioverfügbarkeit, Biologische Verfügbarkeit, systemische Verfügbarkeit<br />

(bioavailability) Die Bioverfügbarkeit entspricht dem Prozentsatz einer extravaskulär<br />

(z.B. oral) verabreichten Dosis, der den Systemkreislauf erreicht. Die Bestimmung<br />

dieser Grösse erfolgt (soweit möglich) durch den Vergleich mit der gleichen, aber<br />

intravenös verabreichten Dosis. Verglichen wird die Fläche unter der<br />

Konzentrations-Zeit-Kurve. Werden zwei nicht intravenös verabreichte Präparate<br />

(Standard und Test) miteinander verglichen, so bestimmt man die relative<br />

Bioverfügbarkeit des Testpräparates.<br />

• Blut-Hirn-Schranke (blood-brain barrier): Die Zellen und Flüssigkeits-(Liquor)räume<br />

des Zentralnervensystems werden vom Blutraum durch eine "Barriere" getrennt.<br />

Diese Schranke wird durch eine besondere Beschaffenheit und Funktionsweise der<br />

Kapillaren gebildet. Diese besitzen nur wenige oder gar keine Poren, welche den<br />

Durchtritt wasserlöslicher Stoffe erlauben. Stark ionisierte und polare Stoffe (Säuren,<br />

quaternäre Ammoniumverbindungen) können somit keine oder nur geringe Wirkung<br />

am Zentralnervensystem entfalten und sind, falls es sich um Gifte handelt, vergleichsweise<br />

wenig toxisch. Ionisierungsgrad und Lipidlöslichkeit des Moleküls<br />

spielen dabei eine wichtige Rolle. Die Blut-Hirn-Schranke ist aber nicht<br />

unüberwindlich. Bei Überdosierung und entzündlichen Veränderungen der Meningen<br />

können auch Medikamente in den Liquor penetrieren, die dies normalerweise nicht<br />

tun.<br />

• brandfördernd : Brandfördernde Stoffe können brennbare Stoffe entzünden oder<br />

ausgebrochene Brände fördern und somit die Brandbekämpfung<br />

erschweren.<br />

• Breite, therapeutische: Mass für die Gefährlichkeit eines Arzneimittels. Gibt an, wie<br />

gross der Sicherheitsabstand zwischen der (erwünschten) pharmakologischen und<br />

der (unerwünschten) eigentoxischen Wirkung ist. Häufig definiert als Quotient<br />

zwischen mittlerer tödlicher und mittlerer wirksamer Dosis LD(50)/ED(50). Je<br />

grösser die therapeutische Breite, desto sicherer das Medikament: kleine therapeutische<br />

Breite: 2-4, mittlere: 4-10, grosse über 10.<br />

• carcinogen: Krebserzeugend auch kanzerogen oder cancerogen<br />

• chronische Toxizität: Ab 6 Monaten (6, 12, 18, 24 Monate). Tägliche<br />

Verabreichung. Meist 3 verschiedene Dosierungen. Eine Dosis sollte eindeutig<br />

Schadwirkung zeigen. Eine Dosis sollte bei Medikamenten der therapeutischen<br />

Chemie Bützer


116<br />

Dosis entsprechen. Eine Dosis sollte dazwischen liegen. In der Regel Tiere zweier<br />

verschiedener Spezies.<br />

• dermal: Aufnahme über die Haut (Salben, Gele, Sprays..).<br />

• Distribution: Verteilung<br />

• Dosen : LD(50) halbletale Dosis, die Hälfte der Versuchstiere sterben. LD(75) FD:<br />

fatal dose für Gifte. LD(99) die sicher tödliche Dosis. ED(50) (Dosis effectiva)<br />

Standard-Dosis für Effekt, Wirkung (erwünscht), WD(50) (Wirkungsdosis 50). Toleranzdosis:<br />

höchstzulässige Dosis.<br />

• Droge: Bezeichnung für Wirksubstanzen mit therapiewidrigen Eigenschaften �<br />

Suchtmittel.<br />

• <strong>Effekte</strong> : absolut : Mass für die kausal beobachtbare, spezifische Wirkung. relativ :<br />

Mass für die kausal beobachtbare, spezifische Wirkung bezogen auf die maximal<br />

mögliche Wirkung.<br />

• Emission : Ausstoss von Schadstoffen an der Quelle.<br />

• ED(50) : Effekt-Dosis für 50% Wirkung, z.B. bei Medikamenten oder 50% nichtletale<br />

Wirkung bei Giften.<br />

• Elimination: Entfernung von <strong>Wirkstoffe</strong>n durch Metabolisierung zu inaktiven Stoffen<br />

und/oder Ausscheidung.<br />

• enteral: (von griech.: enteron = Darm). Bezeichnung für eine Applikationsform von<br />

Nährstoffen und Medikamenten durch Magen und Darm; Gegensatz dazu:<br />

parenteral, d.h. unter Umgehung von Magen und Darm.<br />

• Erzeugnisse: Für bestimmte Verwendungen zusammengesetzte oder veränderte<br />

Naturstoffe oder in bestimmte Form gebrachte Stoffe.<br />

• explosiv : Dieses Symbol kennzeichnet Stoffe, die unter bestimmten Bedingungen<br />

•<br />

explodieren können.<br />

Exposition: Kurz- oder langfristiger Kontakt mit einem Wirkstoff oder einer<br />

Einwirkung.<br />

• First-Pass-Effekt: Elimination einer Substanz aus dem Pfortaderblut beim ersten<br />

Durchgang durch die Leber - oder Elimination durch die Mucosa im Darm.<br />

• Flammpunkt: Die niedrigste Temperatur (bezogen auf einen Druck von 1013 mbar),<br />

bei der sich in einem geschlossenen oder offenen tigel aus der Flüssigkeit Dämpfe<br />

in solchen Mengen entwickeln, dass sich im Tigel ein durch Fremdzündung<br />

entflammbares Dampf-Luft-Gemisch bildet.<br />

• Flash: das blitzartige Aufleuchten als visuelle eventuell komplexe Illusion nach<br />

Einnahme einer � Droge.<br />

• Flashback: Plötzliches, überraschendes, unerwartetes Auftreten eines � Flash<br />

lange nachdem die unmittelbare Wirkung abgeklungen ist.<br />

• Gefahrenbezeichnungen<br />

Gefahrenbezeichnung<br />

Gefahrensymbol<br />

sehr giftig giftig gesundheitsschädlich<br />

Verschlucken (R-Satz) 28 25 22<br />

LD(50) (Ratte oral)<br />

[mg/kg]<br />

≤25 >25–200 >200–2000<br />

krit. Dosis (Ratte oral),<br />

100% Überlebensrate,<br />

jedoch offensichtliche<br />

– 5 50<br />

Chemie Bützer


Vergiftungserscheinungen<br />

[mg/kg]<br />

LD(50) (Ratte oral),<br />

nach der Fest-Dosis-<br />

Methode<br />

[mg/kg]<br />

Berührung mit der Haut<br />

(R-Satz)<br />

LD(50) (Ratte oder<br />

Kaninchen dermal)<br />

[mg/kg]<br />

Chemie Bützer<br />

117<br />

– – 500<br />

27 24 21<br />

≤50 >50–400 >400–2000<br />

Einatmen (R-Satz) 26 23 20<br />

LC(50) (Ratte inhalativ)<br />

für Aerosole od. Stäube<br />

[mg/L/4 h]<br />

LC(50) (Ratte inhalativ)<br />

für Gase oder Dämpfe<br />

[mg/L/4 h]<br />

sonstige Gefahren<br />

(R-Sätze)<br />

≤0,25 >0,25–1 >1–5<br />

≤0,5 >0,5–2 >2–20<br />

39<br />

ernste Gefahr<br />

irreversiblen<br />

Schadens<br />

39<br />

ernste Gefahr<br />

irreversiblen<br />

Schadens<br />

48<br />

Gefahr ernster<br />

Gesundheits-<br />

schäden bei<br />

längerer<br />

Exposition<br />

40<br />

irreversibler<br />

Schaden<br />

möglich<br />

48<br />

Gefahr ernster<br />

Gesundheitsschäden<br />

bei längerer Exposition<br />

Weitere Gefahrensymbole:<br />

Xi reizend; führen bei Berührung mit Haut oder Augen zu Entzündungen und reizen die<br />

Atemwege.<br />

C ätzend: zerstören Haut- und Körpergewebe, irreparable Augenschäden sind möglich.<br />

• Gewerbliche Stoffe: Stoffe und Erzeugnisse, die für den gewerblichen oder<br />

industriellen Gebrauch angepriesen werden.<br />

• Gewohnheitsbildung ist die psychische, nicht zwanghafte Neigung eine � Droge<br />

einzunehmen, und beinhaltet normalerweise keine Tendenz zur fortschreitenden<br />

Dosissteigerung (� Toleranz). Körperliche Entzugssymptome finden sich meist<br />

nicht.<br />

• Gewöhnung: gesteigerte � Toleranz gegenüber der � Droge. Bei vielen Drogen<br />

kommt es zu einer fortschreitenden (progredienten) Unempfindlichkeit<br />

(Toleranzsteigerung) des Körpers, wodurch im Verlauf zur Erzielung desselben<br />

Effekts die Dosis zunehmend gesteigert werden muss.<br />

• Gifte: Stoffe, die im lebenden Organismus schon in verhältnismässig kleinen<br />

Mengen Funktionsstörungen hervorrufen.<br />

• Grundstoffe (unveränderte Naturstoffe, chemisch einheitliche Stoffe) oder einfache,<br />

technische Stoffgemische, die nicht im Hinblick auf bestimmte Verwendungen<br />

zusammengesetzt wurden.


118<br />

• hochentzündlich : Flüssigkeiten mit einem Flammpunkt unter 0°C.<br />

• Hormesis (griechisch: "Anregung, Anstoss", englisch: Adaptive Response) wird das<br />

Phänomen genannt, dass vernünftig kleine Dosen 81 von <strong>Wirkstoffe</strong>n den<br />

umgekehrten oder einen anderen Effekt als grossen Dosen zeigen. Dieses<br />

Verhalten kann mit den üblichen monotonen 82 Dosis-Wirkungs-Kurven 83 nicht<br />

dargestellt werden.<br />

• Idiosynkrasie: (griech.: idios = eigentümlich, synkrasis = Vermischung).<br />

Bezeichnung für eine angeborene abnorme Überempfindlichkeit gegenüber<br />

bestimmten Stoffen (Allergie).<br />

• Immission: Substanzen am Ort ihres Einwirkens auf Mensch, Tier, Pflanze, Böden<br />

und Sachgüter.<br />

• Induktionszeit: Zeit bis Symptome oder <strong>Effekte</strong> ausgelöst werden (=Latenzzeit).<br />

• Inhalation: Aufnahme durch die Atemorgane, über die Lunge (inhalativ).<br />

• Inhibition: Von lateinisch: inhibere = anhalten, hindern abgeleitet, in Wissenschaft<br />

und Technik Bezeichnung für die Hemmung oder vollständige Unterbindung der<br />

verschiedenartigsten Vorgänge.<br />

• irreversibel : nicht umkehrbar<br />

• Kd: Dissoziationskonstante; Reziprokwert der chem. Gleichgewichtskonstante K<br />

• Kompartiment (compartment): Abgeschlossener (theoretischer)Teil für das<br />

betrachtete System, bei <strong>Wirkstoffe</strong>n Teil des gesamten Verteilungsraumes, z.B. der<br />

Magen, Darm, Blut etc.<br />

• kompetitiv: konkurrierend z.B. mit der körpereigenen Substanz<br />

• Kumulation (accumulation), kumulative Wirkung: Anhäufung, Anreicherung.<br />

Substanzkumulation, wenn dem Organismus mehr zugeführt wird, als er eliminieren<br />

kann, d.h. wenn sich ein Stoff bei täglicher einmaliger Zufuhr nichttoxischer Dosen<br />

anreichert (z.B. Blei, Quecksilber, Cadmium usw.). Vergiftungsgefahr, sobald im<br />

Körper eine toxische Konzentration erreicht wird, oder ein rascher Abbau erfolgt<br />

(z.B. Fettabbau und DDT). Von der Substanzkumulation ist die Wirkkumulation zu<br />

unterscheiden, bei welcher der Wirkstoff eliminiert wird, aber die ausgelösten<br />

Veränderungen bestehen bleiben und bei jeder Zufuhr ausgeprägter werden (z.B.<br />

carcinogene Stoffe, Cholinesterasehemmer usw.). Wird ein Medikament erneut<br />

verabreicht, bevor die vorherige Dosis vollständig eliminiert ist, so kommt es zur<br />

Kumulation, d.h. zu einer Zunahme der im Körper vorhandenen Substanzmenge, bis<br />

nach einer gewissen Zeit ein Gleichgewicht zwischen Zufuhr und Elimination erreicht<br />

wird. Die Zeit bis zum Gleichgewicht hängt von Plasmahalbwertszeit des<br />

Medikamentes ab. Siehe: Fliessgleichgewicht. Die Höhe der Plasmakonzentration<br />

im Fliessgleichgewicht (durchschnittlicher «steady-state»-Spiegel) ist parallel zum<br />

Quotienten aus Dosisintervall und Plasmahalbwertszeit.<br />

• Kurzzeitgrenzwerte: Die maximale Arbeitsplatzkonzentrationswerte sind 8-<br />

Stunden-Mittelwerte. In der Praxis schwankt jedoch die aktuelle Konzentration der<br />

Stoffe in der Atemluft häufig in erheblichem Ausmass. Die Überschreitung des<br />

Mittelwertes bedarf bei vielen Stoffen der Begrenzung, um Gesundheitsschäden zu<br />

verhüten. Basierend auf toxikologischen und arbeitshygienischen Kriterien werden<br />

kurzzeitige Abweichungen der aktuell gemessenen Raumluftkonzentration über den<br />

publizierten auf die Arbeitsschicht bezogenen Grenzwert des Arbeitsstoffes<br />

hinsichtlich Höhe, Dauer und Häufigkeit pro Arbeitstag oder Schicht begrenzt. Die<br />

81 Die Homöopathie verwendet „Giftstoffe“ in extrem verdünnter Form als Heilmittel gegen Krankheiten.<br />

Dies ist im hormetischen Sinn nicht interpretierbar und eher einer Placebowirkung zuzuschreiben.<br />

82 Die üblichen Dosis-Wirkungskurven sind als stetig steigende Kurven, monotone Kurven, entweder<br />

linear oder S-förmig ansteigend (sigmoid).<br />

83 Reichl F.X., Taschenatlas der Toxikologie, Georg Thieme Verlag Stuttgart/New York, 1997, S.8,9<br />

Chemie Bützer


Chemie Bützer<br />

119<br />

Liste der MAK-Werte enthält in der besonderen Kolonne „Kurzzeitgrenzwerte“ die<br />

jeweiligen so errechneten Grenzwerte. Der 8-Stunden-Mittelwert ist in jedem Falle<br />

einzuhalten. Bei starken Reizstoffen kann durch kurzzeitige Konzentrationsspitzen<br />

die Wirkungsschwelle überschritten werden.<br />

• Latenzzeit: Der Zeitraum zwischen Giftzufuhr und feststellbarer Wirkung (=<br />

Induktionszeit).<br />

• LC (letal concentration) die für Menschen innerhalb einer beliebigen Expositionszeit,<br />

für Tiere innerhalb längstens 8 Stunden tödlich wirkende Konzentration.<br />

• LC(50) - Wert für die akute Giftigkeit beim Einatmen. Diejenige Konzentration von<br />

Dampf, Nebel oder Staub, die bei kontinuierlichem Einatmen während einer Stunde<br />

durch eine Gruppe von jungen, weissen, erwachsenen, männlichen und weiblichen<br />

Ratten mit einer Lebendmasse von 200 bis 300 Gramm mit der grössten<br />

Erfolgsaussicht den Tod der Hälfte der Tiergruppe innerhalb von 14 Tagen<br />

herbeiführt. Wenn der Stoff den Tieren in Form von Staub oder Nebel verabreicht<br />

wird, müssen mehr als 90% der Partikel, denen die Tiere ausgesetzt sind, einen<br />

Durchmesser von 10 μm oder weniger aufweisen, vorausgesetzt, dass es nicht<br />

unwahrscheinlich ist, dass ein Mensch während der Beförderung einer solchen<br />

ausgesetzt sein kann. Das Ergebnis wird in mg je Liter Luft für den Staub und Nebel<br />

und in ml je m 3 Luft (ppm) für den Dampf ausgedrückt. Die Kriterien für die Giftigkeit<br />

beim Einatmen von Stäuben oder Nebeln beruhen auf LC(50)-Werten, bei einer<br />

Versuchsdauer von einer Stunde, und wenn solche Daten vorhanden sind, müssen<br />

sie auch verwendet werden. Wenn jedoch nur LC(50)-Werte bei einer<br />

Versuchsdauer von 4 Stunden erhältlich sind, können diese auch verwendet<br />

werden. Sie können mit 4 multipliziert werden und das Resultat kann dann mit den in<br />

der Tabelle angegebenen Werten verglichen werden. Mit anderen Worten: LC(50)<br />

(Versuchsdauer 4 Stunden) x 4 wird als äquivalent angesehen einer LC(50)<br />

(Versuchsdauer 1 Std.)<br />

• LD = Letaldosis - Diejenige Dosis einer Substanz, die zum Tode des Individiums<br />

führt.<br />

• LD(50) - Die im Tierversuch einmalig verabreichte Dosis (akute Toxizität), die bei<br />

der Hälfte der Tiere den Tod innerhalb 5 Tagen verursacht. Die LD(50) ist abhängig<br />

von der Art der Verabreichung der Testsubstanz und der Tierart. z.B. LD(50) oral<br />

(Aufnahme via Mund), z.B. Ratte; LD(50) intravenös (Injektion in Vene), z.B. Hund;<br />

LD(50) intraperitoneal (Injektion in Bauchhöhle; LD(50) dermal (Aufnahme via Haut).<br />

• leichtentzündlich : Stoffe, die sich bei gewöhnlicher Temperatur an der Luft ohne<br />

Energiezufuhr erhitzen und schliesslich entzünden können, oder die durch<br />

kurzzeitige Einwirkung einer Zündquelle leicht entzündet werden können und nach<br />

deren Entfernung weiterbrennen oder weiterglimmen; – flüssige Stoffe, die einen<br />

Flammpunkt unter 21° C haben, aber nicht hochentzündlich sind; – Gase bzw.<br />

verflüssigte Gase, die bei Normaldruck mit Luft einen Zündbereich haben; – Stoffe,<br />

die bei Berührung mit Wasser oder mit feuchter Luft leicht entzündliche Gase in<br />

gefährlicher Menge (mindestens 1 L pro kg und h) entwickeln.<br />

• letal : tödlich<br />

• limbisches System: Einige Teile von Thalamus, Hypothalamus, Hippocampus,<br />

Mandelkern, Schweifkern, Septum cervicale und Mittelhirn bilden zusammen eine<br />

Funktionseinheit des Gehirns, die man als limbisches System bezeichnet. Diese<br />

Strukturen sind in besonderer Weise über Nervenfasern verknüpft und steuern viele<br />

Aspekte des Verhaltens, so z. B. Gefühlsausdruck, epileptische Anfälle sowie die<br />

Speicherung und den Abruf von Erinnerungen.<br />

• Lineare Kinetik, Kinetik erster Ordnung (linear kinetics, first order kinetics).<br />

Verschiedene kinetische Vorgänge imitieren monomolekulare Reaktionen, die<br />

gemäss dem Massenwirkungsgesetz proportional der Konzentration des


Chemie Bützer<br />

120<br />

Ausgangsmoleküls verlaufen. Eine lineare Eliminationskinetik ist vorhanden, wenn<br />

die Geschwindigkeit der Konzentrationsänderung direkt proportional der<br />

Konzentration des noch unveränderten Arzneimittels ist. Substanzen, deren<br />

Elimination so erfolgt, haben eine «Halbwertszeit».<br />

• LOAEL: Lowest observed adverse effect level. Die niedrigste Dosis eines<br />

verabreichten chemischen Stoffes, bei der eine toxische Wirkung im Tierexperiment<br />

nachgewiesen wurde.<br />

• Lungenödem: Eine akute oder chronische Durchtränkung der Lunge mit einem<br />

Luftbläschen-durchsetzten, zunächst zellfreien, wässrigen, später Leuko- und<br />

Erythrozyten und Alveolardeckzellen enthaltenden gallertartigen Transsudat in<br />

Alveolarräumen, kleinen Bronchien und im Interstitium. Symptome: Unruhe,<br />

Angstgefühl, Zyanose, feuchte Rasselgeräusche mit Trachealrasseln (»Kochen auf<br />

der Brust«), dünnflüssiger, blutig-schaumiger Auswurf.<br />

• MAC: Abkürzung für: Minimale Alveoläre Concentration, die alveoläre Konzentration<br />

eines Inhalationsnarkotikums, bei der 50% aller Patienten auf den chirurgischen<br />

Hautschnitt nicht mehr mit einer Abwehrbewegung reagieren. Die MAC ist ein<br />

direktes Mass für die Wirkungsstärke eines Anästhetikums. Sie wird in Prozent einer<br />

Atmosphäre angegeben, wobei sie je nach Kombination mit der O2-Konzentration<br />

schwankt. Englisch: MAC (minimal alveolar concentration).<br />

AC-Werte von Inhalationsanästhetika in absteigender Wirkungsstärke:<br />

MAC-Werte (% atm)<br />

Inhalationsanästhetikum<br />

100% O2 mit 70% N2O<br />

Methoxyfluran (H3C-O-CF2-CHCl2) 0,16 0,07<br />

Halothan (F3C-CHBrCl) 0,75 0,29<br />

Isofluran (CF3-(CHCl)-OCHF2) 1,15 0,50<br />

Enfluran (CF3-O-CF2-CHClF) 1,68 0,57<br />

N20 110 -<br />

• MAK: maximale Arbeitsplatzkonzentration. Der Maximale Arbeitskonzentrationswert<br />

(MAK-Wert) ist diejenige Durchschnittskonzentration eines gas-, dampf- oder<br />

staubförmigen Arbeitsstoffes in der Luft, die nach derzeitiger Kenntnis in der Regel<br />

bei Einwirkung während der Arbeitszeit von 8 Stunden täglich und bis 42 Stunden<br />

pro Woche auch über längere Perioden bei der ganz stark überwiegenden Zahl der<br />

gesunden, am Arbeitsplatz Beschäftigten die Gesundheit nicht gefährdet. Besonders<br />

empfindliche oder in ihrer Gesundheit beeinträchtigte Personen können auch durch<br />

tiefere Konzentrationen gefährdet werden. MAK ppm = MAK ml/m 3 = 24.06 x MAK<br />

mg/m 3 / Molmasse MAK mg/m 3 = MAK ppm x Molmasse / 24.06. 24.06 l =<br />

Molvolumen bei 20°C (293 K) und 760 Torr (1013.25 mbar, 101'325 Pa). Dem MAK-<br />

Wert im geschlossenen Raum steht der MIK-Wert im Freien gegenüber.<br />

� Mediator: Second messenger (zweiter Bote) sind intrazelluläre Botensubstanzen,<br />

die nach Bindung eines extrazellulären Botenstoffs (Neurotransmitter, Hormon oder<br />

Wachstumsfaktor – „erster Bote“) an einen Rezeptor der Zellmembran oder nach<br />

Aktivierung desselben durch Licht usw. eine Konzentrations-Änderung erfährt und<br />

dadurch spezifische Reaktionen auslöst (z. B. Abbau von Glykogen, Sekretion von<br />

Hormonen, Hyperpolarisierung der Zellmembran). Damit dient der second<br />

messenger der Weiterleitung eines externen chemischen/physikalischen Signals<br />

innerhalb der Zelle. Beispiele sind: Adenosin-3',5'-monophosphat (cAMP),<br />

Arachidonsäure, Calcium-Ionen, Diacylglycerine, Guanosin-3',5'-monophosphat, Dmyo-Inosit-1,4,5-trisphosphat<br />

(IP3), Jasmonsäure und andere.<br />

• MEK: maximale Emmissionskonzentration.<br />

• Metabolismus: Stoffwechsel


Chemie Bützer<br />

121<br />

• MIK: maximale Immissionskonzentration; MIK-Wert (Maximale Immissions-<br />

Konzentration) Die maximale Immissions-Konzentration ist diejenige Konzentration<br />

eines luftverunreinigenden Stoffes, die bodennah im Freien ausserhalb der<br />

Emissionsquelle für Mensch und Tier oder Pflanze bei dauernder Einwirkung als<br />

unbedenklich ist. Bei Stäuben wird der MIK-Wert als Niederschlag in g/m 2 pro Tag<br />

angegeben (Erste Näherung: MIK ≈ MAK/20)<br />

• MLD (minimal letal dose; daneben auch D.I.m.: Dosis letalis minima) kleinste zum<br />

Tod eines Versuchstieres oder Menschen minimale letale Dosis führende Dosis,<br />

meist in mg/kg Körpergewicht<br />

• MOK: maximale Organkonzentration (wichtig bei Akkumulation)<br />

• Morbidität: Erkrankungshäufigkeit<br />

• Mortalität: Sterblichkeit<br />

• Mutagenität - Toxische Wirkung besteht in der Veränderung der Erbsubstanz, die<br />

eine Schädigung des Organismus oder, wenn Keimzellen (Eizellen und<br />

Samenzellen) betroffen werden, eine Schädigung der Nachkommen zur Folge<br />

haben kann (mutagen).<br />

• NEL: No Effect Level. Die höchste im chronischen Tierversuch, beim<br />

empfindlichsten Versuchstier geprüfte Dosierung einer Substanz, die keinen<br />

schädlichen Effekt zeigt � neu NOAEL (Deutsch: Schwellenkonzentration).<br />

• NOAEL : „No Observed Adverse Effect Level“ (früher NEL), die höchste im<br />

chronischen Tierversuch, beim empfindlichsten Versuchstier geprüfte Dosierung<br />

einer Substanz, die keinen schädlichen Effekt zeigt. Der NOAEL dient in der<br />

Rückstandstoxikologie als Richtwert für die Festlegung von duldbaren<br />

Giftexpositionen des Menschen, dem so genannten "Admissible Daily Intake" (ADI).<br />

(Deutsch: Schwellenkonzentration).<br />

• Neurotransmitter sind Überträgersubstanzen (Botenstoffe), die auf chemischem<br />

Wege an den � Synapsen oder den motorischen Endplatten Nervenimpulse<br />

übertragen.<br />

• Nicht-lineare Kinetik, Kinetik nullter Ordnung (non-linear kinetics, zero order<br />

kinetics). Bei der nicht-linearen Kinetik ist die Eliminationsgeschwindigkeit nicht<br />

proportional zur Konzentration der Ausgangssubstanz. In diesem Fall ist die<br />

Arzneimittelelimination pro Zeiteinheit konstant. Medikamente, die so ausgeschieden<br />

werden, haben keine konstante «Halbwertszeit». Dies erklärt sich durch die<br />

Sättigung der für die Elimination verantwortlichen Enzyme.<br />

• NOAEC: No Observed Adverse Effect Concentration. Die höchste im chronischen<br />

Tierversuch, beim empfindlichsten Versuchstier geprüfte Konzentration einer<br />

Substanz, die keinen schädlichen Effekt zeigt.<br />

• NOAEL : „No Observed Adverse Effect Level“ (früher NEL), die höchste im<br />

chronischen Tierversuch, beim empfindlichsten Versuchstier geprüfte Dosierung<br />

einer Substanz, die keinen schädlichen Effekt zeigt. Der NOAEL dient in der<br />

Rückstandstoxikologie als Richtwert für die Festlegung von duldbaren<br />

Giftexpositionen des Menschen, dem so genannten "Admissible Daily Intake" (ADI).<br />

(Deutsch: Schwellenkonzentration). Kann der NOAEL nicht aus Toxizitätsstudien<br />

ermittelt werden, wird die niedrigste geprüfte Konzentration/Dosis angegeben, bei<br />

der noch schädliche Wirkungen beobachtet werden (LOAEL).<br />

• NOEL : „No Observed Effect Level“ analog NOAEL<br />

• NOEC : „No Observed Effect Concentration“, Die höchste Konzentration eines<br />

Stoffes, bei welcher noch gerade kein Effekt feststellbar ist.<br />

• Noxe : Schadfaktor, physikalisch (Lärm, Vibration, Strahlung) oder chemisch.<br />

• Octanol: CH3-(CH2)7-OH, nicht wasserlöslich<br />

• Ökotoxizität: Auswirkungen von Stoffen auf die belebte Umwelt.<br />

Untersuchungsschwerpunkte sind die <strong>Effekte</strong> auf den Organisationsebenen


122<br />

Organell, Zelle, Organ, Organismus, Population und Ökosystem, soweit daraus<br />

direkte oder indirekte, reversible und irreversible Veränderungen oder Schäden<br />

entstehen.<br />

• oral: (latein.: os = Mund). Adjektiv mit der Bedeutung „zum Munde gehörig, durch<br />

den Mund“.<br />

• parenteral: (griech.: Para- = neben und entera = Eingeweide). Bei Arzneiformen<br />

und besonderen Formen der Ernährung versteht man unter parenteral – als<br />

Gegensatz zu enteral oder oral (per os) – die Einführung von systemisch wirkenden<br />

Stoffen in den Körper unter Umgehung des Magen-Darm-Trakts. Im engeren Sinne<br />

umfasst dieser Begriff nur die Injektionen und Infusionen (ausser den rektalen), nicht<br />

aber Applikationsformen wie Salben, Gele, Implantate, Membranpräparate, Aerosole<br />

und dergleichen.<br />

• Persistenz: Beständigkeit eines Stoffes gegenüber dem Abbau (im Organismus, in<br />

der Umwelt)<br />

• Pharmakologie: Wissenschaft vom Zusammenwirken zwischen chemischen<br />

Substanzen und lebendem Gewebe.<br />

• Placebo : Wirkstofffreies, äusserlich nicht vom Original unterscheidbares »Leer-«<br />

oder »Scheinmedikament« (»Falsum-Präparat«). Ein Placebo (lateinisch "ich werde<br />

gefallen") ist eine medizinische Massnahme, die per Definition nicht direkt wirken<br />

kann – beispielsweise eine Tablette oder eine Spritze ohne Wirkstoff.<br />

• Potenzierung: Eine besondere Form des Synergismus, die bei der Kombination von<br />

zwei Stoffen mit gleicher oder ähnlicher Wirkung auftreten kann. Die Wirkung der<br />

beiden Substanzen ist dann enorm viel grösser, als die Summe der beiden<br />

Wirkungen.<br />

• Proteinbindung, Eiweissbindung, Plasmaproteinbindung (protein binding) : Viele<br />

Arzneimittel werden im Blut an Plasmaproteine gebunden. Saure Moleküle werden<br />

vorwiegend an Albumine gebunden, basische Verbindungen eher an saure a1-<br />

Glykoproteine oder Lipoproteine. Verschiedene Medikamente können an<br />

Proteinbindungsstellen miteinander in Kompetition treten; das Medikament, das<br />

stärker gebunden wird, verdrängt das weniger stark gebundene aus der Bindung.<br />

Eine solche Interaktion hat komplexe Folgen: Da eine vorübergehende Zunahme der<br />

freien Arzneimittel-Fraktion meistens zu vermehrter Elimination führt, ergibt sich aus<br />

der beschriebenen Interaktion nicht notwendigerweise eine verstärkte Wirkung.<br />

• Publikumsprodukte: Stoffe, die für den Allgemeingebrauch angepriesen oder<br />

jedermann abgegeben werden können.<br />

• Radioaktivität: Eigenschaft einer Reihe von Atomkernen, sich ohne äussere<br />

Einwirkung spontan in einen anderen Atomkern umzuwandeln<br />

(Kernumwandlungen). Die dabei freiwerdende Energie wird in Form von<br />

elektromagnetischer Strahlung (γ- Strahlung) und/oder Teilchen (α-, β-, β+ oder<br />

Neutronenstrahlung) abgegeben.<br />

• reizend: Stoffe und Zubereitungen werden als reizend eingestuft, wenn sie – ohne<br />

ätzend zu sein – bei kurzzeitigem, länger andauerndem oder wiederholtem Kontakt<br />

mit Haut und/oder Schleimhäuten (Atemwege, Augen) eine Entzündung<br />

verursachen.<br />

• rektal: (latein.: rectum = Mastdarm). Adjektiv mit der Bedeutung „zum Mastdarm<br />

gehörig, durch den Mastdarm“.<br />

Chemie Bützer


Chemie Bützer<br />

123<br />

• Resorption: (von lateinisch: resorbere = aufsaugen) Aufnahme von<br />

Nahrungsmitteln, <strong>Wirkstoffe</strong>n und ähnlichen Stoffen in die Blut- und Lymphbahnen.<br />

Resorption, Absorption, Aufnahme (absorption) Die Resorption im engeren Sinn<br />

beschreibt Ausmass und Geschwindigkeit des Verschwindens eines <strong>Wirkstoffe</strong>s<br />

vom Verabreichungsort (Magen-Darm-Trakt, Muskel, Subkutis usw.). Nach dieser<br />

Definition kann ein Wirkstoff zu 100% resorbiert werden, aber z.B. dennoch nur zu<br />

50% systemisch verfügbar sein (wenn er präsystemisch metabolisiert wird). Im<br />

weiteren Sinn versteht man alle Vorgänge, die zwischen Verabreichung eines<br />

<strong>Wirkstoffe</strong>s und seiner Präsenz im systemischen Kreislauf liegen. Nach dieser<br />

Definition kann eine 80%ige Resorption z.B. einer 100%igen Resorption im engeren<br />

Sinn in Kombination mit einer präsystemischen Metabolisierung entsprechen (d.h.<br />

die Bioverfügbarkeit beträgt 80%).<br />

• Rezeptoren: zelluläre Strukturen, die als Bindungs- bzw. Reaktionsstellen für<br />

körpereigene � Neurotransmitter oder körperfremde Stoffe funktionieren und<br />

biologische Wirkungen in Gang setzen.<br />

• R-Sätze: diese geben in standardisierter Form Hinweise auf besondere Gefahren<br />

von Stoffen und Zubereitungen, die sich aus physikalisch-chemischen<br />

Eigenschaften (explosionsgefährlich; entzündlich etc.), toxischen oder gentoxischen<br />

Eigenschaften (giftig; krebserzeugend etc.) oder deren Auswirkungen auf die<br />

Umwelt (Ökotoxizität: giftig für Pflanzen; gefährlich für die Ozon-Schicht etc.)<br />

ergeben.<br />

• Schwellenkonzentration: (engl.: no observed adverse effect level, NOAEL). Die<br />

höchste im chronischen Tierversuch, beim empfindlichsten Versuchstier geprüfte<br />

Dosierung einer Substanz, die keinen schädlichen Effekt zeigte.<br />

• Smog: smoke + fog = Rauchnebel; Ansammlung von Schadstoffen in Form von<br />

feinen, dunstartigen Partikeln.<br />

• S-Sätze: Dies sind standardisierte Sicherheitsratschläge und geben Hinweise auf<br />

notwendige Vorsichtsmassnahmen bei der gebräuchlichen Handhabung und<br />

Verwendung gefährlicher Stoffe (Gefahrstoffen) und Zubereitungen.<br />

� Second messenger (zweiter Bote) sind intrazelluläre Botensubstanzen, die nach<br />

Bindung eines extrazellulären Botenstoffs (Neurotransmitter, Hormon oder<br />

Wachstumsfaktor – „erster Bote“) an einen Rezeptor der Zellmembran oder nach<br />

Aktivierung desselben durch Licht usw. eine Konzentrations-Änderung erfährt und<br />

dadurch spezifische Reaktionen auslöst (z. B. Abbau von Glykogen, Sekretion von<br />

Hormonen, Hyperpolarisierung der Zellmembran). Damit dient der<br />

second messenger der Weiterleitung eines externen chemischen/physikalischen<br />

Signals innerhalb der Zelle. Beispiele sind: Adenosin-3',5'-monophosphat (cAMP),<br />

Arachidonsäure, Calcium-Ionen, Diacylglycerine, Guanosin-3',5'-monophosphat, Dmyo-Inosit-1,4,5-trisphosphat<br />

(IP3), Jasmonsäure und andere.<br />

� Stoffe sind chemische Elemente oder chemische Verbindungen, wie sie natürlich<br />

vorkommen oder hergestellt werden, einschliesslich der zur Wahrung der Stabilität<br />

notwendigen Hilfsstoffe und der durch das Herstellungsverfahren bedingten<br />

Verunreinigungen, mit Ausnahme von Lösungsmitteln, die von dem Stoff ohne<br />

Beeinträchtigung seiner Stabilität und ohne Änderung seiner Zusammensetzung<br />

abgetrennt werden können.<br />

• subchronische Toxizität oder subakute Toxizität - Die schädliche Wirkung tritt<br />

erst nach mehrmaliger Verabreichung auf. (Subakuter Tierversuch: tägliche<br />

Verabreichung bei einer Versuchsdauer von 14 - 28 aber auch bis zu 90 Tagen).<br />

Kumulation, Toleranzentwicklung.<br />

• Sucht ist eine psychische und/oder physische Fixierung eines Menschen an eine<br />

Droge. Zwanghaftes Angewiesensein auf die Befriedigung ungeachtet des Verlusts<br />

an Selbstwert- und Umweltbezug. Typische Merkmale: übermächtiger Wunsch nach


124<br />

Beschaffung des � Suchtmittels, Tendenz zur Dosissteigerung (� Toleranz),<br />

Auftreten eines Entzugssymptoms.<br />

• Suchtmittel, ist ein psychotroper Stoff, der Euphorie und Bewusstseinsänderungen<br />

hervorruft.<br />

• SUVA : Schweizerische Unfall-Versicherungs-Anstalt<br />

• Synapse: Kontaktstelle zwischen Nervenzellen bzw. Nervenzellen und dem<br />

Plasmalemma anderer Zellen (Sinnes-, Epithel-, Muskelzellen). Die<br />

Nervenreizleitung findet an diesen Stellen stets nur in einer Richtung statt. Die �<br />

Neurotransmitter übertragen die Nervenimpulse bei den Synapsen.<br />

• Synergismus: Prinzip, bei dem eine Struktur oder eine Substanz eine andere in<br />

ihrer Wirkung unterstützt oder verstärkt. Die Gesamtwirkung übertrifft dabei die<br />

Summe der Einzelwirkungen.<br />

• TC (toxic concentration) bei Gasen diejenige Konzentration, bei welcher für den<br />

Menschen irgend eine toxische Wirkung oder für Versuchstiere karzinogene,<br />

teratogene oder mutagene <strong>Effekte</strong> nachweisbar sind.<br />

• TD(50) (toxische Dosis 50) Dosis für das Auftreten von Vergiftungssymptomen bei<br />

50% der Versuchsindividuen.<br />

• Teratogenität - Die toxische Wirkung besteht in der Erzeugung von Missbildungen<br />

bei einem Embryo durch die Behandlung der Mutter mit der toxischen Substanz<br />

während der Schwangerschaft.<br />

• TLV: Threshold Limit Value: entspricht dem MAK-Wert.<br />

• Toleranz: Wirkungsabfall einer wiederholt eingenommenen Substanz durch<br />

Anpassung des Organismus.<br />

• Toxikologie: Wissenschaft von den Giften und ihren Wirkungen. Die Toxikologie<br />

befasst sich mit den physikalischen und chemischen Eigenschaften aller bekannten<br />

Giftstoffe sowie mit Methoden zu ihrem Nachweis, mit ihrer Wirkung auf den<br />

Organismus und mit den Befunden, die man bei der Obduktion eines Vergifteten<br />

erhält.<br />

• Toxizität: Aus dem griechischen abgeleitete Bezeichnung für Giftigkeit. Man<br />

unterscheidet akute Toxizität: Giftigkeit bei einmaligem bzw. kurzfristigem zeitlich<br />

eng begrenztem Kontakt mit einem Giftstoff, subakute bzw. subchronische Toxizität:<br />

Bei wiederholter, meist 28 bzw. 90 d dauernder Belastung und chronischer Toxizität:<br />

Bei Belastung über einen längeren Zeitraum (bis zu mehreren Jahren), der beim<br />

Versuchstier grösser ist als die halbe durchschnittliche Lebenserwartung. Die<br />

Prüfung auf fruchtschädigende Wirkung ist gleichzeitig ein Test auf gentoxische oder<br />

teratogene Wirkung.<br />

• Transmission: Ausbreitung und Transport von Schadstoffen durch Luft oder<br />

Wasser.<br />

• umweltschädigend/umweltgefährdend: Umweltgefährlich sind Stoffe oder<br />

Zubereitungen, die selbst oder deren Umwandlungsprodukte geeignet sind, die<br />

Beschaffenheit des Naturhaushaltes, von Wasser, Boden oder Luft, Klima, Tieren,<br />

Pflanzen oder Mikroorganismen derart zu verändern, dass dadurch sofort oder<br />

später Gefahren für die Umwelt herbeigeführt werden können.<br />

• Wirkung: die durch ein Wirkstoff ausgelösten Veränderungen eines biologischen<br />

Systems; quantitativ: Dosisabhängigkeit, qualitativ: Strukturabhängigkeit.<br />

• Wirkstoff: Chemische Substanz welche in einem lebenden Organismus eine<br />

biologische Wirkung hervorruft, die sich als qualitative und quantitative<br />

Veränderungen zu erkennen geben.<br />

• Zubereitungen sind Gemenge, Gemische und Lösungen, die aus zwei oder<br />

mehreren Stoffen bestehen.<br />

Chemie Bützer


Chemie Bützer<br />

125


126<br />

12 Risiko-, Sicherheits-, Entsorgungs-Sätze<br />

12.1 R-Sätze<br />

1 Im trockenem Zustand explosionsgefährlich.<br />

2 Durch Schlag, Reibung, Feuer oder andere Zündquellen explosionsgefährlich.<br />

3 Durch Schlag, Reibung, Feuer oder andere Zündquellen besonders explosionsgefährlich.<br />

4 Bildet hochempfindliche explosionsgefährliche Metallverbindungen.<br />

5 Beim Erwärmen explosionsfähig.<br />

6 Mit und ohne Luft explosionsfähig.<br />

7 Kann Brand verursachen.<br />

8 Feuergefahr bei Berührung mit brennbaren Stoffen.<br />

9 Explosionsgefahr bei Mischung mit brennbaren Stoffen.<br />

10 Entzündlich.<br />

11 Leichtentzündlich.<br />

12 Hochentzündlich.<br />

13 (veraltet) Hochentzündliches Flüssiggas.<br />

14 Reagiert heftig mit Wasser.<br />

15 Reagiert mit Wasser unter Bildung hochentzündlicher Gase.<br />

16 Explosionsgefährlich in Mischung mit brandfördernden Stoffen.<br />

17 Selbstentzündlich an der Luft.<br />

18 Bei Gebrauch Bildung explosionsfähiger/leichtentzündlicher Dampf-Luft-Gemische möglich.<br />

19 Kann explosionsfähige Peroxide bilden.<br />

20 Gesundheitsschädlich beim Einatmen.<br />

21 Gesundheitsschädlich bei Berührung mit der Haut.<br />

22 Gesundheitsschädlich beim Verschlucken.<br />

23 Giftig beim Einatmen.<br />

24 Giftig bei Berührung mit der Haut.<br />

25 Giftig beim Verschlucken.<br />

26 Sehr giftig beim Einatmen.<br />

27 Sehr giftig bei Berührung mit der Haut.<br />

28 Sehr giftig beim Verschlucken.<br />

29 Entwickelt bei Berührung mit Wasser giftige Gase.<br />

30 Kann bei Gebrauch leicht entzündlich werden.<br />

31 Entwickelt bei Berührung mit Säure giftige Gase.<br />

32 Entwickelt bei Berührung mit Säure sehr giftige Gase.<br />

33 Gefahr kumulativer Wirkungen.<br />

34 Verursacht Verätzungen.<br />

35 Verursacht schwere Verätzungen.<br />

36 Reizt die Augen.<br />

37 Reizt die Atmungsorgane.<br />

38 Reizt die Haut.<br />

39 Ernste Gefahr irreversiblen Schadens.<br />

40 Irreversibler Schaden möglich.<br />

41 Gefahr ernster Augenschäden.<br />

42 Sensibilisierung durch Einatmen möglich.<br />

43 Sensibilisierung durch Hautkontakt möglich.<br />

44 Explosionsgefahr bei Erhitzen unter Einschluss.<br />

45 Kann Krebs erzeugen.<br />

46 Kann vererbbare Schäden verursachen.<br />

47 (veraltet) Kann Missbildungen verursachen.<br />

48 Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition.<br />

49 Kann Krebs erzeugen beim Einatmen.<br />

50 Sehr giftig für Wasserorganismen.<br />

51 Giftig für Wasserorganismen.<br />

52 Schädlich für Wasserorganismen.<br />

53 Kann in Gewässer längerfristig schädliche Wirkung haben.<br />

54 Giftig für Pflanzen.<br />

55 Giftig für Tiere.<br />

56 Giftig für Bodenorganismen.<br />

57 Giftig für Bienen.<br />

Chemie Bützer


Chemie Bützer<br />

127<br />

58 Kann längerfristig schädliche Wirkung auf die Umwelt haben.<br />

59 Gefährlich für die Ozonschicht.<br />

60 Kann die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen.<br />

61 Kann das Kind im Mutterleib schädigen.<br />

62 Kann möglicherweise die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen.<br />

63 Kann das Kind im Mutterleib möglicherweise schädigen.<br />

64 Kann Säuglinge über die Muttermilch schädigen.<br />

Kombinationen der R-Sätze<br />

14/15 Reagiert heftig mit Wasser unter Bildung hochentzündlicher Gase.<br />

15/29 Reagiert mit Wasser unter Bildung giftiger und hochentzündlicher Gase.<br />

20/21 Gesundheitsschädlich beim Einatmen und bei Berührung mit der Haut.<br />

20/21/22 Gesundheitsschädlich beim Einatmen, Verschlucken und bei Berührung mit der Haut.<br />

20/22 Gesundheitsschädlich beim Einatmen und Verschlucken.<br />

21/22 Gesundheitsschädlich bei Berührung mit der Haut und beim Verschlucken.<br />

23/24 Giftig beim Einatmen und bei Berührung mit der Haut.<br />

23/24/25 Giftig beim Einatmen, Verschlucken und bei Berührung mit der Haut.<br />

23/25 Giftig beim Einatmen und Verschlucken.<br />

24/25 Giftig bei Berührung mit der Haut und beim Verschlucken.<br />

26/27 Sehr giftig beim Einatmen und bei Berührung der Haut.<br />

26/27/28 Sehr giftig beim Einatmen, Verschlucken und Berührung mit der Haut.<br />

26/28 Sehr giftig beim Einatmen und Verschlucken.<br />

27/28 Sehr giftig bei Berührung mit der Haut und beim Verschlucken.<br />

36/37 Reizt die Augen und die Atmungsorgane.<br />

36/37/38 Reizt die Augen, Atmungsorgane und die Haut.<br />

36/38 Reizt die Augen und die Haut.<br />

37/38 Reizt die Atmungsorgane und die Haut.<br />

39/23 Giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch Einatmen.<br />

39/23/24 Giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch Einatmen und bei Berührung mit der<br />

Haut.<br />

39/23/24/25 Giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch Einatmen, Berührung mit der Haut und<br />

durch Verschlucken.<br />

39/23/25 Giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch Einatmen und durch Verschlucken.<br />

39/24 Giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens bei Berührung mit der Haut.<br />

39/24/25 Giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens bei Berührung mit der Haut und durch<br />

Verschlucken.<br />

39/25 Giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch Verschlucken.<br />

39/26 Sehr giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch Einatmen.<br />

39/26/27 Sehr giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch Einatmen und bei Berührung mit der<br />

Haut.<br />

39/26/27/28 Sehr giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch Einatmen, Berührung mit der Haut<br />

und durch Verschlucken.<br />

39/26/28 Sehr giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch Einatmen und durch Verschlucken.<br />

39/27 Sehr giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens bei Berührung mit der Haut.<br />

39/27/28 Sehr giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens bei Berührung mit der Haut und durch<br />

Verschlucken.<br />

39/28 Sehr giftig: ernste Gefahr irreversiblen Schadens durch Verschlucken.<br />

40/20 Gesundheitsschädlich: Möglichkeit irreversiblen Schadens durch Einatmen.<br />

40/20/21 Gesundheitsschädlich: Möglichkeit irreversiblen Schadens durch Einatmen und bei<br />

Berührung mit der Haut.<br />

40/20/21/22 Gesundheitsschädlich: Möglichkeit irreversiblen Schadens durch Einatmen, Berührung mit<br />

der Haut und durch Verschlucken.<br />

40/20/22 Gesundheitsschädlich: Möglichkeit irreversiblen Schadens durch Einatmen und durch<br />

Verschlucken.<br />

40/21 Gesundheitsschädlich: Möglichkeit irreversiblen Schadens bei Berührung mit der Haut.<br />

40/21/22 Gesundheitsschädlich: Möglichkeit irreversiblen Schadens bei Berührung mit der Haut und<br />

durch Verschlucken.<br />

40/22 Gesundheitsschädlich: Möglichkeit irreversiblen Schadens durch Verschlucken.<br />

42/43 Sensibilisierung durch Einatmen und Hautkontakt möglich.


Chemie Bützer<br />

128<br />

48/20 Gesundheitsschädlich: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch<br />

Einatmen.<br />

48/20/21 Gesundheitsschädlich: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch<br />

Einatmen und durch Berührung mit der Haut.<br />

48/20/21/22 Gesundheitsschädlich: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch<br />

Einatmen, Berührung mit der Haut und durch Verschlucken.<br />

48/20/22 Gesundheitsschädlich: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch<br />

Einatmen und durch Verschlucken.<br />

48/21 Gesundheitsschädlich: Gefahr bei ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition<br />

durch Berührung mit der Haut.<br />

48/21/22 Gesundheitsschädlich: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch<br />

Berührung mit der Haut und durch Verschlucken.<br />

48/22 Gesundheitsschädlich: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch<br />

Verschlucken.<br />

48/23 Giftig: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch Einatmen.<br />

48/23/24 Giftig: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch Einatmen und<br />

durch Berührung mit der Haut.<br />

48/23/24/25 Giftig: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch Einatmen,<br />

Berührung mit der Haut und durch Verschlucken.<br />

48/23/25 Giftig: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch Einatmen und<br />

durch Verschlucken.<br />

48/24 Giftig: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch Berührung mit der<br />

Haut.<br />

48/24/25 Giftig: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch Berührung mit der<br />

Haut und durch Verschlucken.<br />

48/25 Giftig: Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition durch Verschlucken.<br />

50/53 Sehr giftig für Wasserorganismen, kann in Gewässern längerfristig schädliche Wirkungen<br />

haben.<br />

51/53 Giftig für Wasserorganismen, kann in Gewässern längerfristig schädliche Wirkungen haben.<br />

52/53 Schädlich für Wasserorganismen, kann in Gewässern längerfristig schädliche Wirkungen<br />

haben.


12.2 S-Sätze<br />

Chemie Bützer<br />

129<br />

1 Unter Verschluss aufbewahren.<br />

2 Darf nicht in die Hände von Kindern gelangen.<br />

3 Kühl aufbewahren.<br />

4 Von Wohnplätzen fernhalten.<br />

5 Unter ... aufbewahren (geeignete Flüssigkeit vom Hersteller anzugeben).<br />

6 Unter ... aufbewahren (inertes Gas vom Hersteller anzugeben).<br />

7 Behälter dicht geschlossen halten.<br />

8 Behälter trocken halten.<br />

9 Behälter an einem gut gelüfteten Ort aufbewahren.<br />

10 (veraltet) Inhalt feucht halten.<br />

11 (veraltet) Zutritt von Luft verhindern.<br />

12 Behälter nicht gasdicht verschliessen.<br />

13 Von Nahrungsmitteln, Getränken und Futtermitteln fernhalten.<br />

14 Von ... fernhalten (inkompatible Substanzen vom Hersteller anzugeben).<br />

15 Vor Hitze schützen.<br />

16 Von Zündquellen fernhalten - Nicht rauchen.<br />

17 Von brennbaren Stoffen fernhalten.<br />

18 Behälter mit Vorsicht öffnen und handhaben.<br />

20 Bei der Arbeit nicht essen und trinken.<br />

21 Bei der Arbeit nicht rauchen.<br />

22 Staub nicht einatmen.<br />

23 Gas/Rauch/Dampf/Aerosol nicht einatmen (geeignete Bezeichnung[en] vom Hersteller<br />

anzugeben).<br />

24 Berührung mit der Haut vermeiden.<br />

25 Berührung mit den Augen vermeiden.<br />

26 Bei Berührung mit den Augen gründlich mit Wasser abspülen und Arzt konsultieren.<br />

27 Beschmutzte, getränkte Kleidung sofort ausziehen.<br />

28 Bei Berührung mit der Haut sofort abwaschen mit viel ... (vom Hersteller anzugeben).<br />

29 Nicht in die Kanalisation gelangen lassen.<br />

30 Niemals Wasser hinzugiessen.<br />

31 (veraltet) Von explosionsfähigen Stoffen fernhalten.<br />

33 Massnahmen gegen elektrostatische Aufladungen treffen.<br />

34 (veraltet) Schlag und Reibung vermeiden.<br />

35 Abfälle und Behälter müssen in gesicherter Weise beseitigt werden.<br />

36 Bei der Arbeit geeignete Schutzkleidung tragen.<br />

37 Geeignete Schutzhandschuhe tragen.<br />

38 Bei unzureichender Belüftung Atemschutzgerät anlegen.<br />

39 Schutzbrille/Gesichtsschutz tragen.<br />

40 Fussboden und verunreinigte Gegenstände mit ... reinigen (Material vom Hersteller anzugeben).<br />

41 Explosions- und Brandgase nicht einatmen.<br />

42 Beim Räuchern/Versprühen geeignetes Atemschutzgerät anlegen (geeignete Bezeichnung[en]<br />

vom Hersteller anzugeben).<br />

43 Zum Löschen ... (vom Hersteller anzugeben) verwenden (wenn Wasser die Gefahr erhöht,<br />

anfügen: "Kein Wasser verwenden").<br />

45 Bei Unfall oder Unwohlsein sofort Arzt zuziehen (wenn möglich dieses Etikett vorzeigen).<br />

46 Bei Verschlucken sofort ärztlichen Rat einholen und Verpackung oder Etikett vorzeigen.<br />

47 Nicht bei Temperaturen über ... C aufbewahren (vom Hersteller anzugeben).<br />

48 Feucht halten mit ... (geeignetes Mittel vom Hersteller anzugeben).<br />

49 Nur im Originalbehälter aufbewahren.<br />

50 Nicht mischen mit ... (vom Hersteller anzugeben).<br />

51 Nur in gut gelüfteten Bereichen verwenden.<br />

52 Nicht grossflächig für Wohn- und Aufenthaltsräume zu verwenden.<br />

53 Exposition vermeiden - vor Gebrauch besondere Anweisungen einholen.<br />

56 Diesen Stoff und seinen Behälter auf entsprechend genehmigter Sondermülldeponie entsorgen.<br />

57 Zur Vermeidung einer Kontamination der Umwelt geeigneten Behälter verwenden.<br />

59 Informationen zur Wiederverwendung/Wiederverwertung beim Hersteller/Lieferanten erfragen.<br />

60 Dieser Stoff und sein Behälter sind als gefährlicher Abfall zu entsorgen.<br />

61 Freisetzung in die Umwelt vermeiden. Besondere Anweisungen einholen / Sicherheitsdatenblatt<br />

zu Rate ziehen.


Chemie Bützer<br />

130<br />

62 Bei Verschlucken kein Erbrechen herbeiführen. Sofort ärztlichen Rat einholen und Verpackung<br />

oder dieses Etikett vorzeigen.<br />

Kombination der S-Sätze<br />

1/2 Unter Verschluss und für Kinder unzugänglich aufbewahren.<br />

3/7 Behälter dicht geschlossen halten und an einem kühlen Ort aufbewahren<br />

3/7/9 (veraltet) Behälter dicht geschlossen halten und an einem kühlen, gut gelüfteten Ort<br />

aufbewahren.<br />

3/9 Behälter an einem kühlen, gut gelüfteten Ort aufbewahren.<br />

3/9/14 An einem kühlen, gut gelüfteten Ort, entfernt von ... aufbewahren (die Stoffe, mit denen<br />

Kontakt vermieden werden muss, sind vom Hersteller anzugeben).<br />

3/9/14/49 Nur im Originalbehälter an einem kühlen, gut gelüfteten Ort, entfernt von ... aufbewahren<br />

(die Stoffe, mit denen Kontakt vermieden werden muss, sind vom Hersteller anzugeben).<br />

3/9/49 Nur im Originalbehälter an einem kühlen, gut gelüfteten Ort aufbewahren.<br />

3/14 An einem kühlen, von ... entfernten Ort aufbewahren (die Stoffe, mit denen Kontakt<br />

vermieden werden muss, sind vom Hersteller anzugeben).<br />

7/8 Behälter trocken und dicht geschlossen halten.<br />

7/9 Behälter dicht geschlossen an einem gut gelüfteten Ort aufbewahren.<br />

7/47 Behälter dicht geschlossen und nicht bei Temperaturen über ... C aufbewahren.<br />

20/21 Bei der Arbeit nicht essen, trinken, rauchen.<br />

24/25 Berührung mit den Augen und der Haut vermeiden.<br />

29/56 Nicht in die Kanalisation gelangen lassen. Diesen Stoff und seinen Behälter der<br />

Problemabfallentsorgung zuführen.<br />

36/37 Bei der Arbeit geeignete Schutzhandschuhe und Schutzkleidung tragen.<br />

36/37/39 Bei der Arbeit geeignete Schutzkleidung, Schutzhandschuhe und<br />

Schutzbrille/Gesichtsschutz tragen.<br />

36/39 Bei der Arbeit geeignete Schutzkleidung und Schutzbrille/Gesichtsschutz tragen.<br />

37/39 Bei der Arbeit geeignete Schutzhandschuhe und Schutzbrille/Gesichtsschutz tragen.<br />

47/49 Nur im Originalbehälter bei einer Temperatur von nicht über ... C (vom Hersteller<br />

anzugeben) aufbewahren.


12.3 E-Sätze<br />

E-<br />

Satz -<br />

Nr.<br />

Chemie Bützer<br />

131<br />

Entsorgungsratschläge - E-Sätze Anzuwenden z.B. auf<br />

E 1 Verdünnen, in den Ausguss geben (WGK 0<br />

bzw. 1)<br />

kleinste Portionen reizender,<br />

gesundheitsschädlicher, brandfördernder<br />

Stoffe; - soweit wasserlöslich<br />

E 2 Neutralisieren, in den Ausguss geben saure und basische Stoffe<br />

E 3<br />

In den Hausmüll geben, gegebenenfalls in PE-<br />

Beutel (Stäube)<br />

Feststoffe, soweit nicht andere Ratschläge<br />

gegeben sind<br />

E 4 Als Sulfid fällen Schwermetallsalze<br />

E 5 Mit Calcium-Ionen fällen, dann E1 oder E3 lösliche Fluoride, Oxalate<br />

E 6 Nicht in den Hausmüll geben<br />

brandfördernde Stoffe;<br />

explosionsgefährliche Stoffe<br />

E 7 Im Abzug entsorgen; wenn möglich verbrennen<br />

absorbier- oder brennbare gasförmige<br />

Stoffe<br />

E 8<br />

Der Sondermüllbeseitigung zuführen (Adresse<br />

zu erfragen bei der Kreis- oder Stadtverwaltung)<br />

Unter grösster Vorsicht in kleinsten Portionen<br />

Laborabfälle im Sinne der TA Abfall<br />

E 9 reagieren lassen (z.B. offen im Freien<br />

verbrennen)<br />

explosionsgefährliche Stoffe und Gemische<br />

In gekennzeichneten Glasbehältern sammeln: organische Verbindungen<br />

E 10 1. "Organische Abfälle - halogenhaltig"<br />

- halogenhaltig<br />

2. "Organische Abfälle - halogenfrei"<br />

- halogenfrei<br />

E 11<br />

Als Hydroxid fällen (pH 8), den Niederschlag zu<br />

E8<br />

gelöste Schwermetallsalze<br />

E 12<br />

Nicht in die Kanalisation gelangen lassen (S-<br />

Satz 29)<br />

brennbare nicht wasserlösliche Stoffe, sehr<br />

giftige Stoffe<br />

E 13<br />

Aus der Lösung mit unedlerem Metall (z.B.<br />

Eisen) als Metall abscheiden (E14, E3)<br />

z.B. Verbindungen von Chrom oder Kupfer<br />

E 14<br />

Recycling-geeignet (Redestillation oder einem<br />

Recyclingunternehmen zuführen)<br />

Mit Wasser vorsichtig umsetzen, evtl.<br />

z.B. Verbindungen von Aceton,<br />

Quecksilber, Blei<br />

E 15 freiwerdende Gase verbrennen oder<br />

absorbieren oder stark verdünnt ableiten<br />

Carbide, Phosphide, Hydride<br />

E 16<br />

Entsprechend spezifischen Ratschlägen<br />

beseitigen


132<br />

13 Anhang: Sicherheitsdatenblatt: Nicotin<br />

L-Nicotine, 99+%<br />

**** Abschnitt 1 - Chemisches Präparat und Firmenidentifikation ****<br />

Produktname: L-Nicotine, 99+%<br />

Katalognummern:<br />

18142-0000, 18142-0050, 18142-0250, 18142-1000, 18.142.03<br />

Synonym: S-(-)-Nicotine, beta-Pyridyl-alpha-n-methylpyrrolidine.<br />

Firmenidentifikation (EU): Acros Organics BVBA<br />

Janssen Pharmaceuticalaan 3a<br />

2440 Geel, Belgium<br />

Firmenidentifikation (US): Acros Organics N.V.<br />

One Reagent Lane<br />

Fairlawn, NJ 07410<br />

Firmentelefonnummer: 0032(0) 14575211<br />

Notruf: 0032(0)14575299<br />

**** Abschnitt 2 - Zusammensetzung, Information zu Inhaltsstoffen ****<br />

CAS# 54-11-5, EINECS# 84 200-193-3<br />

Chemischer Name: L-Nicotine, % 99+%<br />

Gefahrensymbole: T+ N<br />

R-Sätze: 25 27 51/53<br />

**** Abschnitt 3 - Gefahrenhinweise ****<br />

Übersicht für den Notfall<br />

Giftig beim Verschlucken. Sehr giftig bei Berührung mit der Haut.Giftig für Wasserorganismen;<br />

kann in Gewässern längerfristig schädliche Wirkungen haben. Hygroskopisch.<br />

Mögliche Gesundheitseffekte<br />

Auge:<br />

Verursacht Augenreizungen. Verursacht Rötungen und Schmerzen.<br />

Haut:<br />

Verursacht Hautreizungen. Kann tödlich sein bei der Aufnahme durch die Haut. Kann<br />

Hautentzündungen verursachen.<br />

Einnahme:<br />

Giftig bei Aufnahme. Kann schädliche Wirkungen auf die Muskulatur haben. Kann schwere<br />

Reizungen des Verdauungstrakts mit Unterleibsschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Diarrhöe<br />

(Durchfall) hervorrufen. Kann Zittern und Krämpfe erzeugen. Kann Muskellähmung,<br />

Atemversagen und eventuell den Tod verursachen.<br />

Einatmung:<br />

Kann Wirkungen haben, die ähnlich wie bei der Aufnahme sind.<br />

Chronisch:<br />

Bei längerem oder wiederholtem Hautkontakt sind Hautentzündungen möglich. Kann<br />

Verdauungstrakt-und Herzstörungen erzeugen. Bei längerer oder wiederholter Exposition sind<br />

Übelkeit, Schwindel und Kopfschmerzen möglich.<br />

**** Abschnitt 4 - Erste Hilfe Massnahmen ****<br />

Augen:<br />

Augen sofort mit viel Wasser spülen, mindestens 15 Minuten, gelegentlich das untere und obere<br />

Augenlid anheben. Medizinische Hilfe holen.<br />

Haut:<br />

Die Haut gründlich mit Seife und Wasser abwaschen, mindestens 15 Minuten, und beschmutzte<br />

Kleidung und Schuhe ablegen. Medizinische Hilfe holen bei fortschreitender oder anhaltender<br />

84 Hinter der Abkürzung EINECS verbirgt sich das Europäische Altstoffverzeichnis (European Inventory<br />

of Existing Commercial Chemical Substances)<br />

Chemie Bützer


Chemie Bützer<br />

133<br />

Reizung. Beschmutzte Kleidung in der Art und Weise entsorgen, dass weitere Expositionen<br />

eingeschränkt sind. Beschmutzte Schuhe vernichten.<br />

Einnahme:<br />

Erbrechen herbeiführen. Falls das Unfallopfer bei Bewusstsein und wach ist, 2-4 Tassen Milch<br />

oder Wasser verabreichen. Sofort medizinische Hilfe holen.<br />

Einatmung:<br />

Sofort medizinische Hilfe holen. Sofort von der Exposition weg- und an die frische Luft bringen.<br />

Bei Atemstillstand künstlich beatmen. Bei Atemnot Sauerstoff geben.<br />

Arztnotiz:<br />

Treatment should be symptomatic and supportive. Gastric lavage if the material swallowed within<br />

the last 4 hours, a cathartic such as Magnesium sulfate if longer. Diazepan to control<br />

convulsions.<br />

**** Abschnitt 5 - Brandbekämpfungsmassnahmen ****<br />

Allgemeine Information:<br />

Bei jedem Brand ein Pressluftatemgerät je nach Druckerfordernissen, NIOSH/MSHA (oder<br />

gleichwertiges), und Vollschutzausrüstung tragen.<br />

Kann bei Temperaturen oberhalb des Flammpunkts Explosivgemische bilden.<br />

Feuerlöschmittel:<br />

Im Brandfall Wassersprüher, Trockenlöschmittel, Kohlendioxidlöscher oder Schaumlöscher<br />

benutzen.<br />

**** Abschnitt 6 - Unfallmassnahmen bei Freisetzung ****<br />

Allgemeine Information: Persönliche Sicherheitsausrüstung gebrauchen (siehe unter 8).<br />

Verschüttes/Auslaufendes:<br />

Nicht in Abwasserrohre und -Kanäle gelangen lassen, die in Gewässer geleitet werden. Ein<br />

Pressluftatemgerät und geeignete Personenschutzausrüstung tragen (siehe Expositionskontrolle,<br />

Personenschutz). Alle Zündquellen entfernen. Das verschüttete Material mit einem Absorber,<br />

nichtbrennbaren Stoffen wie Erde, Sand oder Vermiculit aufsaugen.<br />

**** Abschnitt 7 - Handhabung und Lagerung ****<br />

Manutention:<br />

Nach Gebrauch gründlich waschen. Verschmutzte Kleidung ablegen und vor dem<br />

Wiedergebrauch waschen. Mit entsprechender Belüftung benutzen. Behälter beim Umfüllen von<br />

Material auf den Boden stellen und anbinden. Funkensicheres Werkzeug und explosionssichere<br />

Ausrüstung benutzen. Den Behälter nicht wiederbenutzen. Nicht auf die Haut oder in Augen<br />

gelangen lassen. Nicht einnehmen oder einatmen. Nur in einem Chemieabzug benutzen.<br />

Lagerung:<br />

Von Zündquellen fernhalten. Unter einem Stickstoffpolster halten.<br />

Vor Kontakt mit brandfördernden Stoffen bewahren. An einem kühlen, trockenen und gut<br />

belüfteten Ort abseits von unverträglichen Substanzen lagern. Von starken Säuren fernhalten.<br />

**** Abschnitt 8 - Expositionskontrolle, Personenschutz ****<br />

Technische Kontrolle:<br />

Eine ausreichende Saugbelüftung benutzen, um die Luftschadstoffwerte unter dem erlaubten<br />

Expositionslimit zu halten.<br />

Personenschutzausrüstung<br />

Augen:<br />

Geeignete Schutzaugengläser oder Laborschutzbrillen tragen, wie bei OSHA's Augen-<br />

und Gesichtsschutz Vorschriften in 29 CFR 1910.133 beschrieben.<br />

Haut:<br />

Undurchlässige Handschuhe tragen.<br />

Kleidung:<br />

Geeignete Schutzkleidung tragen, um eine Exposition durch die Haut zu vemeiden.<br />

Atemschutzgeräte:<br />

Ein Pressluftatemgerät mit Überdruck nach DIN 3180 Teil 3 und DIN 58645 Teil 1 (EN<br />

250) tragen.


Chemie Bützer<br />

134<br />

**** Abschnitt 9 - Physikalische und chemische Eigenschaften ****<br />

Aggregatzustand: Klare Fluessigkeit.<br />

Aussehen: Gelb - Braun<br />

Geruch: fischartig - schwacher Geruch (rein geruchlos)<br />

pH: (8,1g /l @ 20°C) 10,2<br />

Dampfdruck: 1.3 mbar @ 62°C<br />

Rel. Dampdichte: 5.6 (Luft=1)<br />

Viscosität: Nicht verfügbar.<br />

Siedetemperatur: 246-247 °C<br />

Selbstentzündungstemperatur: 240°C (464.00°F)<br />

Flammpunkt: 101°C (213.80°F)<br />

Explosionsgrenze, Untere: 0.70 vol %<br />

Obere: 4.00 vol %<br />

Gefrier-/Schmelzpunkt: -80°C<br />

Zersetzungstemperatur: 247°C (Bp.)<br />

Löslichkeit: wasserlöslich (hygroskopisch), gut löslich in Alkohol, Chloroform, Ether und<br />

Petrolether<br />

LogPow: 1.17 (Verteilung n-Octanol/Wasser)<br />

Relative Dichte: 1.0105<br />

Molekülformel: C10H14N2<br />

Molekulargewicht: 162.23 g/mol.<br />

**** Abschnitt 10 - Stabilität und Reaktivität ****<br />

Chemische Stabilität:<br />

Stabil bei normalen Temperaturen in dicht geschlossenen Behältern unter Inertgasatmosphäre.<br />

Unter Einfluss von Licht und Luft unterliegt die Substanz einer Farbänderung.<br />

Vermeidungsbestimmungen:<br />

Unverträgliche Stoffe, Licht, Kontakt mit Luft, Kontakt mit Feuchtigkeit oder Wasser.<br />

Inkompatibilität mit anderen Stoffen:<br />

stark oxidierende Mittel, starke Säuren, starke Basen.<br />

Gefährliche Abbauprodukte:<br />

Stickoxide, Kohlenmonoxid, Kohlendioxid, Stickstoff.<br />

Gefährliche Polymerisation: tritt nicht ein<br />

**** Abschnitt 11 - Toxikologische Informationen ****<br />

RTECS#:<br />

CAS# 54-11-5 nicht aufgeführt<br />

LD50/LC50:<br />

CAS# 54-11-5:<br />

Oral, Maus: LD50 = 3340 ug/kg; Ratte: LD50 = 50 mg/kg;<br />

Haut, Kaninchen: LD50 = 50 mg/kg; Ratte: LD50 = 140 mg/kg;<br />

Karzinogenität:<br />

L-Nicotine - Not listed by ACGIH, IARC, NIOSH, NTP, or OSHA.<br />

Andere:<br />

Siehe aktueller Eintrag in RTECS für vollständige Informationen.Die toxikologischen<br />

Eigenschaften sind noch nicht vollständig erforscht.<br />

**** Abschnitt 12 - Ökologische Informationen ****<br />

Ökotoxizität:<br />

Daphnia: EC50: 0.24 mg/l; 48H;<br />

**** Abschnitt 13 - Entsorungsgesichtspunkte ****<br />

Entsorgen im Einklang mit einschlägigen Vorschriften.<br />

**** Abschnitt 14 - Transportinformation ****<br />

IMO<br />

Adressat: NICOTINE


Gefahrenklasse: 6.1<br />

UN-Nummer: 1654<br />

Verpackungsgruppe: II<br />

IATA<br />

Adressat: NICOTINE<br />

Gefahrenklasse: 6.1<br />

UN-Nummer: 1654<br />

Verpackungsgruppe: II<br />

RID/ADR<br />

Adressat: NICOTINE<br />

Gefahrenklasse: 6.1<br />

UN-Nummer: 1654<br />

Verpackungsgruppe: II<br />

Chemie Bützer<br />

135<br />

**** Abschnitt 15 - Informationen zu Vorschriften ****<br />

Europäisch/Internationale Verordnungen<br />

Gefahrensymbole: T+ N<br />

R-Sätze:<br />

R 25 Giftig beim Verschlucken.<br />

R 27 Sehr giftig bei Berührung mit der Haut.<br />

R 51/53 Giftig für Wasserorganismen; kann in Gewässern längerfristig schädliche Wirkungen<br />

haben.<br />

S-Sätze:<br />

S 36/37 Bei der Arbeit geeignete Schutzhandschuhe und Schutzkleidung tragen.<br />

S 45 Bei Unfall oder Unwohlsein sofort Arzt hinzuziehen (wenn möglich, dieses Etikett<br />

vorzeigen).<br />

S 61 Freisetzung in die Umwelt vermeiden. Besondere Anweisungen einholen /<br />

Sicherheitsdatenblatt zu Rate ziehen.<br />

WGK (Wassergefährdungsklasse): 3<br />

Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft)<br />

Organische Stoffe, Klasse I<br />

Insgesamt dürfen folgende Werte im Abgas nicht überschritten<br />

werden.<br />

Massenstrom: 0,10 kg/h oder Massenkonzentration : 20 mg/m 3<br />

Luftgrenzwerte am Arbeitsplatz: (TRGS 900)<br />

0,47 mg/m 3 ; 0,07 ml/m 3; Spitzenbegrenzung: Überschreitungsfaktor 4<br />

Die mittlere Konzentration soll in keinem 15-Minuten-Zeitraum die 4-fache<br />

Grenzwertkonzentration überschreiten.<br />

Expositionslimit:<br />

OEL-ARAB Republic of Egypt:TWA 0.5 mg/m3;Skin. OEL-AUSTRALIA:TWA 0.5 mg/m3;Skin.<br />

OEL-BELGIUM:TWA 0.5 mg/m3;Skin. OEL-DENMARK:TWA 0.5 mg/m3;Skin. OEL-<br />

FINLAND:TWA 0.5 mg/m3;STEL 1.5 mg/m3;Skin. OEL-FRANCE:TWA 0.5 mg/m3;Skin. OEL-<br />

GERMANY:TWA 0.07 ppm (0.5 mg/m3);Skin. OEL-HUNGARY:STEL 0.5 mg/m3;Skin. OEL-THE<br />

NETHERLANDS:TWA 0.07 ppm (0.5 mg/m3);Skin. OEL-THE PHILIPPINES:TWA 0.5<br />

mg/m3;Skin. OEL-POLAND:TWA 0.5 mg/m3. OEL-SWITZERLAND:TWA 0.07 ppm (0.5<br />

mg/m3);STEL 0.1 ppm;Skin. OEL-THAILAND:TWA 0.5 mg/m3. OEL-TURKEY:TWA 0.5<br />

mg/m3;Skin. OEL-UNITED KINGDOM:TWA 0.5 mg/m3;STEL 1.5 mg/m3;Skin. OEL IN<br />

BULGARIA, COLOMBIA, JORDAN, KOREA check ACGIH TLV. OEL IN NEW ZEALAND,<br />

SINGAPORE, VIETNAM check ACGI TLV US Federal TSCA<br />

CAS# 54-11-5 ist TSCA-Bestand aufgeführt.<br />

**** Abschnitt 16 - Sonstige Informationen ****<br />

Obige Informationen sind sorgfältig erstellt worden und stellen die für uns aktuell verfügbaren besten<br />

Informationen dar. Wir geben jedoch keine Garantie für die Marktfähigkeit oder irgendeine andere<br />

Garantie, ob ausgesprochen oder stillschweigend, und wir übernehmen keine Haftung für den Gebrauch.


Chemie Bützer<br />

136<br />

Der Benutzer sollte seine eigenen Ermittlungen machen, um die Eignung der Informationen für den<br />

speziellen Zweck zu bestimmen.

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