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SPRACHROHR 6/2008

Zeitung des ver.di-Landesfachbereichs Medien, Kunst und Industrie Berlin-Brandenburg.

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nkt: Sat 1<br />

sprachrohr 6|08<br />

n Plan<br />

re Kolleginnen und Kollegen ein.<br />

r Münchner Peripherie. Seit fast<br />

macht die gelernte Übersetzerin<br />

ginnen und Kollegen gut.<br />

Zentralredaktion des Frühstücksfernsehens<br />

und vom Sat.1-Magazin<br />

in Berlin bleiben. Wo sie räumlich<br />

unterkommen soll, ist noch unklar,<br />

man will wohl versuchen, sie<br />

am Potsdamer Platz in unmittelbarer<br />

Nähe von N24 unterzubringen.<br />

Auch welche Rechtsform das<br />

Unternehmen künftig aufweisen<br />

Totaler Flop als<br />

Eigenmarke<br />

wird, wissen wir noch nicht. Im Gespräch<br />

sind sowohl eine GmbH als<br />

auch eine Integration in N24. Der<br />

Vorstandsvorsitzende Guillaume de<br />

Posch hat die Schließung des Standorts<br />

Berlin und den Umzug nach<br />

München angekündigt, ohne dass<br />

dahinter ein detaillierter Masterplan<br />

zu erkennen wäre.<br />

Welche Pläne der Geschäftsleitung<br />

können denn als gesichert gelten?<br />

Es ist beabsichtigt, insgesamt<br />

350 Kolleginnen und Kollegen ein<br />

Foto: BR/Sat.1<br />

Jobangebot in München zu unterbreiten.<br />

225 Arbeitsplätze – das<br />

entspräche bei insgesamt rund<br />

3.000 Beschäftigten sieben bis acht<br />

Prozent – sollen abgebaut werden,<br />

ungefähr 400 sollen in Berlin bleiben.<br />

Was ist denn der Hintergrund für<br />

den Umzug?<br />

Für die Schließung des Standorts<br />

Jägerstraße werden mehrere Gründe<br />

angeführt: die Wirtschaftskrise,<br />

die Finanzkrise und der Einbruch<br />

der Werbeeinnahmen aufgrund<br />

des falschen Vermarktungsmodells.<br />

ProSiebenSat.1 musste ja 2007 wegen<br />

des Vorwurfs, bei der Vermarktung<br />

von Werbezeiten illegale Rabatte<br />

gewährt zu haben, 120 Millionen<br />

Euro Bußgeld an das Bundeskartellamt<br />

zahlen. Daraufhin haben<br />

der Vorstand und der verantwortliche<br />

Verkaufsmanager beschlossen,<br />

das Vermarktungsmodell zu<br />

ändern. Das Ergebnis war ein totaler<br />

Flop – wir hatten bereits große<br />

Einbußen zu einer Zeit, als es der<br />

Wirtschaft noch gut ging.<br />

Dieses Missmanagement halten<br />

wir für den Hauptgrund der Abbau-<br />

und Umzugspläne, die äußeren<br />

Faktoren sind aus unserer Sicht<br />

Nebensache. Dazu kommt natürlich,<br />

dass wir fast vier Milliarden Euro<br />

Schulden haben: ProSiebenSat.1<br />

wurde im Dezember 2006 durch<br />

das Konsortium KKR-Permira übernommen.<br />

Ein halbes Jahr später<br />

wurde die Sendergruppe SBS (mit<br />

Sendern in Ungarn, Rumänien, Bulgarien,<br />

Niederlande, Schweden,<br />

Norwegen) dazu gekauft, die vorher<br />

schon im Besitz von KKR-Permira<br />

war. In echter Finanzinvestorenmanier<br />

haben sie den Kauf über<br />

Schulden finanziert und uns die<br />

Rückzahlung der Kredite aufgebürdet.<br />

Argumentiert die Geschäftsleitung,<br />

der Standort Berlin sei zu teuer?<br />

Darum geht es eigentlich nicht.<br />

Es heißt: Wenn wir alles unter<br />

einem Dach haben, arbeiten wir effizienter,<br />

schaffen noch mehr Synergien<br />

und können uns wieder<br />

besser aufstellen. Den Sendern der<br />

Gruppe ist es quotenmäßig in den<br />

letzten Monaten nicht sehr gut gegangen<br />

– vor allen Dingen Sat.1<br />

hat Einbrüche verkraften müssen,<br />

viele Eigenproduktionen konnten<br />

die Erwartungen nicht erfüllen. Die<br />

Betriebsräte und die Belegschaft<br />

sind inzwischen davon informiert<br />

worden, dass die Geschäftsführung<br />

in Unterföhring alle Sender unter<br />

dem Dach der German-Free-TV-<br />

Holding zusammenführen will. Das<br />

heißt, eine Art Pool zu schaffen, wo<br />

die Mitarbeiter dann gar nicht mehr<br />

senderspezifisch, sondern für alle<br />

drei Sender arbeiten. Man ist dann<br />

nicht mehr Sat.1-ler mit Herz und<br />

Hirn, wie es bei den langjährig Beschäftigten<br />

hier der Fall war. Daraus<br />

resultierte bisher eine große<br />

Identifikation mit dem Sender. Wir<br />

befürchten, dass dort eine Art Fernsehfabrik<br />

nach holländischem Vorbild<br />

entstehen wird.<br />

Wie geht es weiter?<br />

Inzwischen haben wir von Andreas<br />

Bartl, dem Leiter von German<br />

Free TV, zwar mehr Informationen<br />

erhalten, z.B. dass die German<br />

Free-TV Holding eine Matrix-Organisation<br />

sein wird, aber darunter<br />

können sich sehr viele hier nicht<br />

sehr viel vorstellen. Vor allen Dingen<br />

fehlen uns ganz konkrete Informationen<br />

und Zahlen.<br />

Die Betriebsräte von ProSieben<br />

Sat.1 und der PSP (ProSiebenSat.1<br />

Produktion GmbH) am Standort<br />

Berlin haben gemeinsam einen<br />

großen Fragenkatalog zusammengestellt,<br />

der dem Vorstand vorgelegt<br />

wurde. Erst wenn diese Fragen<br />

zu unserer Zufriedenheit beantwortet<br />

sind, können wir als Betriebsräte<br />

in die Sozialplanverhandlungen<br />

einsteigen. Seitens des Unternehmens<br />

wird natürlich gewünscht,<br />

dass wir schnell mit den Sozialplanverhandlungen<br />

beginnen. ver.di<br />

und der DJV haben dem Vorstand<br />

Punkte vorgelegt, die nur in einem<br />

Tarifvertrag geregelt werden können.<br />

Oberste Maxime ist für uns als<br />

Betriebsrat natürlich, so viele Arbeitsplätze<br />

wie möglich am Standort<br />

Berlin zu erhalten.<br />

Die Bereitschaft der Beschäftigten,<br />

nach München zu ziehen, ist also<br />

gering?<br />

Einige, die vor ein paar Jahren<br />

von München nach Berlin gezogen<br />

sind, werden sicherlich gern wieder<br />

zurückgehen. Manche, die keine<br />

festen Partner und keine Kinder haben,<br />

sehen auch kein großes Problem,<br />

sofern das Angebot und der<br />

Job stimmen. Daneben gibt es ganz<br />

viele, für die ein Umzug sehr<br />

schwierig wäre: Sie haben eine<br />

Partnerin oder einen Partner mit<br />

festem Arbeitsplatz in Berlin, sie<br />

haben Kinder, die hier betreut werden<br />

oder zur Schule gehen, haben<br />

sich Wohneigentum zugelegt.<br />

Auch viele Alleinerziehende, die<br />

hier eine gute Infrastruktur für die<br />

Bundeskanzlerin soll<br />

sich einschalten<br />

Kinderbetreuung gefunden haben,<br />

sind sehr unglücklich beim Gedanken<br />

an einen Umzug.<br />

Die Stimmung unter den Mitarbeitern<br />

ist panisch, ängstlich und<br />

verzweifelt, aber auch wütend über<br />

das Managerdeutsch von Bartl und<br />

Co. Die Angst vor dem Verlust des<br />

Arbeitsplatzes ist riesengroß – wie<br />

die Jobangebote in München aussehen<br />

werden, weiß ja keiner.<br />

Sind weitere Aktionen geplant?<br />

Natürlich wollen wir noch einiges<br />

machen. Wir haben schon vieles<br />

angeschoben, uns direkt an die Politik<br />

gewandt, als Betriebsräte mit<br />

Klaus Wowereit und Harald Wolf<br />

gesprochen. Und laut Berliner Senat<br />

wird alles versucht, vor allem<br />

Arbeitsplätze in den TV-Produktionsfirmen<br />

in Berlin, die ja inzwischen<br />

auch abbauen müssen oder<br />

es schon taten, mit einer Art Garantie<br />

seitens Sat.1 zu retten. Außerdem<br />

haben wir einen Brief an<br />

die Bundeskanzlerin Angela Merkel<br />

geschrieben und sie aufgefordert,<br />

sich für den Erhalt des Standorts<br />

Berlin einzusetzen. Ich denke, wir<br />

haben alle Hebel in Bewegung gesetzt<br />

und beschränken uns nicht<br />

darauf, den Sozialplan zu verhandeln.<br />

Das wird auch so bleiben.<br />

Interview: Ute Christina Bauer<br />

Text: Bettina Erdmann<br />

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