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Zeitschr. 1+2/2001 - SVG Koblenz

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Straßenverkehr<br />

tel für technische und Produktinnovationen<br />

verloren gehen.<br />

Erst unlängst hat der europäische<br />

Gerichtshof konzediert, dass hier eine<br />

Ungleichbehandlung stattfindet. Die<br />

International Road Transport Union IRU<br />

als Dachverband der Busunternehmen<br />

hat deshalb bei der EU-Kommission<br />

nachdrücklich eine Veränderung der<br />

Situation eingefordert. Die Verkehrsträger<br />

sind auch in diesem Falle gleich zu<br />

besteuern, und zwar mit dem Nullsteuersatz.<br />

„Solche Regelungen kämen endlich<br />

auch unseren Fahrgästen zugute“, so<br />

Gunther Mörl, Hauptgeschäftsführer<br />

des bdo. „Busfahrgäste fühlen sich<br />

heute von der Politik verschaukelt,<br />

während die Großen wie Flug und Bahn<br />

sich aus dem Staatssäckel bedienen<br />

können, reicht es beim Bus bestenfalls<br />

zu verbalen Streicheleinheiten. Uns<br />

nützen aber keine netten Worte über<br />

unsere Umweltfreundlichkeit und die<br />

Mittelstandsfreundlichkeit der Politik,<br />

wir brauchen handfeste Entlastung, da<br />

wo uns der Wettbewerb die Daumenschrauben<br />

anlegt, die der Bund ihm liefert.“<br />

Notbremsung eines<br />

Linienbusses wegen eines<br />

Schäferhundes<br />

AG Kiel, Urteil vom 4. 8. 2000 (106<br />

C 432/99)<br />

Die Kl. begehrt von dem Bekl.<br />

Schadensersatz und Schmerzensgeld,<br />

nachdem sie in dem von dem Bekl. geführten<br />

Linienbus gestürzt ist.<br />

Am 20. Februar 1999 befuhr der<br />

Bekl. mit einem Linienbus der Fa. A die<br />

Strecke Puttgarden/Kiel. Zu diesem<br />

Zeitpunkt war die Kl. Insassin des Busses;<br />

sie saß im hinteren Teil auf der<br />

Doppelbank im Bereich des Hinterradkastens<br />

in Fahrtrichtung, wobei sich ihr<br />

gegenüber die nach hinten zeigende<br />

Doppelbank befand. Auf der Bank benutzte<br />

sie den rechten Platz zum Gang<br />

hin.<br />

Gegen 9.15 Uhr befuhr der Bekl.<br />

gerade die PrStraße in Elmschenhagen<br />

in Richtung Kiel-ZOB. Nach einem Halt<br />

an der Haltestelle O fuhr der Bekl.<br />

zunächst vor bis zu einer roten Ampel.<br />

Als die Ampel auf grün umschaltete,<br />

fuhr der Bekl. an. Ca. 200 m hinter der<br />

Ampel nahm der Bekl. auf dem rechten<br />

Gehweg zwei Frauen mit einem Kind<br />

wahr. Eine der Frauen hatte einen Huskyhund<br />

an der Leine. Als der Bus ca.<br />

5-10 m von der Menschengruppe entfernt<br />

war, kam von der linken Seite<br />

plötzlich ein großer Schäferhund herangestürmt,<br />

den der Bekl. zuvor nicht<br />

gesehen hatte. Um mit dem Schäferhund,<br />

der unmittelbar vor dem Bus lief,<br />

nicht zu kollidieren, bremste der Bekl.<br />

stark.<br />

Im Zuge des Bremsvorgangs<br />

konnte sich die Kl. nicht halten und<br />

wurde in den Zwischenraum zwischen<br />

den Sitzen gegenüber geworfen. Dabei<br />

prallte sie mit dem Kopf gegen die<br />

Rückenlehne gegenüber. Die übrigen<br />

Fahrgäste blieben unversehrt.<br />

Die Kl. behauptet, sie habe ein erhebliches<br />

Schleuder- und Strauchtrauma<br />

in Gestalt einer Halswirbelsäulenverstauchung<br />

erlitten. Die Folge<br />

seien starke, noch anhaltende Nackenund<br />

Kopfschmerzen gewesen, die<br />

Massagen in der verletzten Region erforderlich<br />

gemacht hätten.<br />

Die Beschwerden hätten indes nur<br />

unwesentlich nachgelassen. Sie sei in<br />

der Zeit vom 22. 2. bis 7. 6.1999 in ärztlicher<br />

Behandlung gewesen und habe<br />

heute noch Restbeschwerden.<br />

Die Kl. meint, den Bekl. treffe ein<br />

Verschulden an ihren Verletzungen,<br />

und behauptet dazu, der Bekl. wisse,<br />

dass der Bus zwei recht gefährliche<br />

Sitze habe, die sich in Gegenüberstellung<br />

im Bereich des Hinterrades befänden.<br />

Sie sei nur 1,54 m groß und habe<br />

keine Möglichkeit, sich abzustützen. Im<br />

Zeitpunkt des Einsteigens seien alle<br />

Plätze, die mehr Sicherheit geboten<br />

hätten, besetzt gewesen.<br />

Der Bekl. beantragt, die Klage abzuweisen.<br />

Er behauptet, die Kl. habe es unterlassen,<br />

für einen festen Halt im Bus zu<br />

sorgen, wozu sie aber nach den Allgemeinen<br />

Beförderungsbedingungen für<br />

den Straßenbahn- und O-Bus-Verkehr<br />

sowie den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen<br />

vom 27. 2. 1970 verpflichtet<br />

sei. Im Zeitpunkt des Einsteigens der<br />

Kl. sei der Bus zu höchstens ein Drittel<br />

besetzt gewesen, so dass für die Kl.<br />

genügend andere Sitze zur Verfügung<br />

gestanden hätten. Im übrigen biete der<br />

von der KI. angenommene Sitz auch<br />

nicht weniger Sicherheit als alle anderen<br />

Sitze. Die Kl. hätte sich auch mit<br />

ihrer geringen Körpergröße mit den<br />

Füßen am Radkasten abstützen können.<br />

Er sei mit einer Geschwindigkeit<br />

von höchstens 30 km/h gefahren, als er<br />

die Bremsung eingeleitet habe.<br />

Aus den Gründen:<br />

Die zulässige Klage ist nicht begründet.<br />

Der Kl. steht kein Anspruch auf<br />

Schadensersatz und Schmerzensgeld<br />

gegen den Bekl. als Fahrer des Linienbusses<br />

aus den §§ 18 Abs. 1 StVG,<br />

823 Abs. 1, 847 BGB zu.<br />

Sowohl der Schmerzensgeldanspruch<br />

als auch der entsprechende<br />

Schadensersatzanspruch setzen ein<br />

Verschulden des Bekl. voraus. Ein solches<br />

ist nicht ersichtlich. Der Bekl. hat<br />

sich verkehrsgerecht verhalten, als er<br />

den Linienbus wegen des unmittelbar<br />

vor ihm die Straße überquerenden<br />

Schäferhundes abbremste.<br />

Der Bekl. hat zunächst nicht gegen<br />

seine Verpflichtung als Busfahrer verstoßen,<br />

jedes Fahrmanöver zu vermeiden,<br />

durch welches die Fahrgäste gefährdet<br />

werden könnten.<br />

Dabei reichen die Sorgfaltspflichten<br />

eines Busfahrers nicht so weit, dass er<br />

ständig seine Fahrgäste im Auge behalten<br />

müsste, dies zumindest dann<br />

nicht, wenn nicht beim Besteigen des<br />

Busses eine schwerwiegende Behinderung<br />

des Fahrgastes erkennbar ist<br />

(KG, VRS 90, 92 ff). Sind entsprechende<br />

Anhaltspunkte nicht gegeben,<br />

braucht der Fahrer nach dem Anfahren<br />

die Fahrgäste nicht weiter im Auge zu<br />

behalten, selbst wenn er nicht in nennenswertem<br />

Maße durch das Führen<br />

des Busses in Anspruch genommen<br />

wird. Er ist vielmehr berechtigt und verpflichtet,<br />

im Interesse der Verkehrssicherheit<br />

sich auf die Verkehrssituation<br />

auf der Straße zu konzentrieren (BGH<br />

VersR 1993, 240, 241). Demgemäß<br />

war der Bekl. nicht verpflichtet, sich vor<br />

der Einleitung des Bremsmanövers zu<br />

vergewissern, dass alle Insassen im<br />

Fahrgastraum einen festen Halt gefunden<br />

hätten und vor Stürzen gesichert<br />

seien.<br />

Auch ein Fahrfehler des Bekl., der<br />

sein Verschulden begründen könnte,<br />

lässt sich nicht feststellen. Ein solcher<br />

Fahrfehler könnte etwa in einem grundlos<br />

übermäßigen Beschleunigen beim<br />

Anfahren oder in einem grundlos<br />

scharfen Abbremsen liegen (KG VRS<br />

90, 92 ff). Der Bekl. hat berechtigterweise<br />

eine stärkere Betriebsbremsung<br />

<strong>SVG</strong>R 5+6/<strong>2001</strong> 25

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