Wintersemester 2005/2006 - Universität Stuttgart
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Matthias Neumann, M.A.<br />
Seminar: Philosophie und Religion<br />
Zeit: Donnerstag, 08.00-9.30 Uhr<br />
Raum: M 11.62<br />
Beginn: 20. Oktober <strong>2005</strong><br />
Zuordnung: C5, H3, LAD<br />
Philosophie und Religion, wie passt das zusammen? Für viele ist das Verhältnis von<br />
Philosophie und Religion dadurch bestimmt, dass das eine mit dem anderen nicht zusammen<br />
bestehen kann. Für diese ist die Philosophie ein Ort, an dem sie sich nicht nur<br />
von ihrer überkommenen Religion befreien, sondern auch fähig werden, Religion zu<br />
kritisieren, und in der Tat bietet die Philosophie eine ganze Reihe religionskritischer<br />
Texte von Friedrich Schiller über Ludwig Feuerbach zu Karl Marx, mit denen sich so<br />
etwas bewerkstelligen lässt. Die Befreiung von Religion ist philosophisches Programm<br />
und wird mit dem Signalwort "Säkularisierung"; verbunden: religiös-jenseitige Wege<br />
werden durch politisch-diesseitige ersetzt.<br />
Diese Sicht der Dinge hat ihrerseits Konsequenzen, denn sie bringt eine Gruppe von<br />
Leuten hervor, deren Wir-Identität im wesentlichen durch Abwehrhaltungen bestimmt<br />
ist. Diese haben mit den Gebeten und Ritualen der konventionellen Kirchen nichts am<br />
Hut: die Hochzeitsfeier, das Weihnachts- und Osterfest oder die kirchliche Beerdigung<br />
lehnen sie ab, eventuell sogar mit der "philosophischen Begründung", dies alles sei "Opium<br />
für das Volk" (Nietzsche). Wer sich diesen Ritualen hingibt, gilt ihnen als Langweiler<br />
oder sogar als Psychopath. Das jenseitige Glück bei Gott wird durch diesseitiges<br />
ersetzt: in Landkommunen, Drogenexperimente, Räucherstäbchen, Yoga, Nietzschelektüre<br />
und ähnlichem findet die Sinnsuche dieser Gruppe ihren Abschluss. In diesen Formen<br />
wird einerseits die antireligiöse Haltung, die meistens in eine antibürgerliche Haltung<br />
verlängert ist, stabilisiert und andererseits die dennoch bestehenden spirituelle<br />
Sehnsüchte befriedigt.<br />
Dass diese Sicht in der Philosophie nicht das letzte Wort gewesen ist, und Säkularisierung,<br />
die nicht nur über lange Zeit das philosophische Selbstverständnis geprägt hat,<br />
sondern tatsächlich die Moderne wesentlich ausmacht, hier auf Weltanschauliches verkürzt<br />
ist, wird Thema des Seminars sein. Durch die Bestimmung des Verhältnisses von<br />
Politik, Religion, Philosophie und Wissenschaft soll deutlich werden, dass Religion<br />
nicht nur ein unvermeidbarer Teil menschlicher Praxis, sondern darüber hinaus unverzichtbarer<br />
Teil eines rationalen Selbstverständnis des Menschen ist, das gerade innerhalb<br />
weltanschaulicher Gesinnung destruiert wird.<br />
Philosophie und Religion, das ist nicht in jedem Falle ein Widerspruch.<br />
Im Seminar wird folgende Lektüre erarbeitet:<br />
Hermann Lübbe: Religion nach der Aufklärung. Verlag Styria, Graz; Wien; Köln, 1.<br />
Aufl. 1986<br />
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