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Heft 3/2001: "Der Balkan: Was bringt die Zukunft?" - unhcr

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UNHCR/R. CHALASANI/CS•YUG•<strong>2001</strong><br />

dürfen.“ Seine Nachbarn nickten zustimmend.<br />

Dusan Karapandze, seine Ehefrau und<br />

seine drei Kinder kehrten im letzten Jahr<br />

nach Kroatien zurück. Bei der Ankunft<br />

mussten sie feststellen, dass ein bosnischer<br />

Kroate ihr Haus im Dorf Majske Poljane in<br />

Besitz genommen hatte. Die Familie bezog<br />

einen kleinen Schuppen auf dem Grundstück<br />

und beantragte <strong>die</strong> Rückgabe ihres<br />

Hauses. „Wir warten immer noch auf eine<br />

Entscheidung“, sagt Karapandze.<br />

<strong>Was</strong> <strong>die</strong> Familie zusätzlich verbittert, ist<br />

<strong>die</strong> Tatsache, dass der Hausbesetzer nicht<br />

dort lebt, sondern angeblich in Deutschland<br />

arbeitet, und Karapandze wegen Hausfriedensbruch<br />

angezeigt wurde, als er in<br />

seinem eigenen Haus angetroffen wurde.<br />

Ähnliche Absurditäten gibt es zur Genüge.<br />

Einem serbischen Rückkehrer in<br />

Nordkroatien wurde <strong>die</strong> Wiederinbesitznahme<br />

seines Hauses verweigert, weil ein<br />

anderer kroatischer Hausbesetzer dort<br />

seinen Hund untergebracht hatte.<br />

In Jugoslawien gibt es 600 Sammelunterkünfte<br />

in früher als Fabriken, Hotels,<br />

Turnhallen oder Büros genutzten Gebäu- Ã<br />

Wahrheit darüber, was während des Krieges wirklich geschah, bleibt schwierig.<br />

Brunnen in Anwesenheit amerikanischer Soldaten vergiftet“ worden.<br />

Nach den Gesprächen mit den geflohenen Serben fahren wir<br />

nach Novo Selo. Die Häuser im Besitz von Serben sind nach wie<br />

vor Ruinen. Fernseher, vor sich hin rostende Herde und angesengte<br />

Sofas liegen in den Trümmern. Eine Schar Gänse watschelt<br />

vorüber. Die KFOR hat in der Nähe einen Schießübungsplatz eingerichtet,<br />

und Geschützfeuer dröhnt durch das Tal und <strong>die</strong> Berge.<br />

Die Wahrheit ist jedoch schwierig herauszufinden, denn jede<br />

Seite hat eine eigene Sicht der Dinge.<br />

„Er kann gerne zurückkommen“, meint ein albanischer Kleinbauer<br />

achselzuckend, der nur ein paar hundert Meter vom Haus des<br />

Serben entfernt wohnt. „Warum auch nicht?“<br />

Es ist <strong>die</strong> Art von oberflächlicher Antwort, <strong>die</strong> man hier ständig<br />

bekommt. Sie erschwert es, <strong>die</strong> wahren Gefühle der Menschen und<br />

<strong>die</strong> Gesamtstimmung in jeder Teilregion des <strong>Balkan</strong>s zu ergründen.<br />

Im weiteren Gesprächsverlauf verschieben sich <strong>die</strong> Akzente.<br />

„Die Serben haben unsere Moschee niedergebrannt, bevor sie von<br />

hier weggingen“, berichtet der Bauer. „Dieser Kerl hat ihnen<br />

geholfen. Er war einer ihrer Anführer. Sein Sohn kämpfte hier<br />

und in Bosnien auf Seiten der Serben.“<br />

<strong>Der</strong> Bauer und seine Familienangehörigen geben ihre Zurückhaltung<br />

immer weiter auf. Die Serben, behaupten sie, haben in<br />

Wirklichkeit ihre eigenen Häuser niedergebrannt, bevor sie fortgingen,<br />

um <strong>die</strong> Brandstiftungen später den Albanern in <strong>die</strong> Schuhe<br />

zu schieben. Eine halbe Stunde später wäre ein zurückkehrender<br />

Stanimorovic nicht mehr besonders willkommen: „Wenn er sich<br />

Serbische Familien aus dem Kosovo warten in einer Sammelunterkunft<br />

auf <strong>die</strong> Möglichkeit, zurückkehren zu können.<br />

Aber das Dorf, in dem sie früher lebten, wurde zerstört.<br />

hierher wagt, wird sich <strong>die</strong> Polizei seiner annehmen müssen.“ Aber<br />

<strong>die</strong> albanische Familie fügt auch hinzu: „Seine Ehefrau könnte immer<br />

noch friedlich hier leben.“<br />

Die Wiederherstellung guter Beziehungen zwischen Nachbarn<br />

in Dörfern wie Novo Selo bleibt eine Voraussetzung für dauerhafte<br />

Stabilität auf dem <strong>Balkan</strong>, aber <strong>die</strong> Gefühle der Menschen sind<br />

ständigen Schwankungen unterworfen. B<br />

UNHCR/R. CHALASANI/CS•YUG•<strong>2001</strong><br />

FLÜCHTLINGE NR. 3/<strong>2001</strong><br />

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