Heft 3/2001: "Der Balkan: Was bringt die Zukunft?" - unhcr
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| ERITREA |<br />
Pläne für <strong>die</strong> Rückführung vorläufig<br />
aufgegeben werden. In dem Konflikt starben<br />
so viele Menschen und ihr Tod wurde<br />
so bedenkenlos in Kauf genommen, dass er<br />
an das Massensterben in den Schlachten<br />
des Ersten Weltkrieges erinnerte. Insgesamt<br />
forderte der Konflikt, der schließlich<br />
im Juni letzten Jahres beigelegt wurde,<br />
mehrere zehntausend Menschenleben.<br />
Im Mai begann UNHCR schließlich<br />
doch mit der Rückführung zumindest eines<br />
Teils der mehr als 170.000 noch immer im<br />
Sudan lebenden Eritreer. Trotz einkalkulierter<br />
Unterbrechungen in der Regenzeit<br />
entschloss sich das Amt, in <strong>die</strong>sem Jahr<br />
zu mir und meiner Familie“, teilt der alte<br />
Mann mit Hilfe eines Dolmetschers mit.<br />
Als Letztes sagt er: „Bevor ich in den Sudan<br />
kam [ein streng islamisches Land, in<br />
dem Alkoholgenuss verboten ist], habe ich<br />
immer gerne ein Bier getrunken. Jetzt freue<br />
mich schon auf das erste Bier nach meiner<br />
Rückkehr.“<br />
WIEDER ZU HAUSE<br />
Die eritreische Stadt Tesseney ist ein<br />
Durchgangspunkt für viele Rückkehrer.<br />
Sie werden nicht selten feierlich willkommen<br />
geheißen, stehen aber vor einer<br />
schwierigen <strong>Zukunft</strong>. Eritrea ist eines der<br />
ärmsten Länder auf der Welt und hat kaum<br />
Mittel übrig, um Menschen zu unterstützen,<br />
<strong>die</strong> mit leeren Händen zurückkehren.<br />
Abgesehen von dem brutalen Klima wurde<br />
<strong>die</strong> Infrastruktur in dem jahrelangen Krieg<br />
zerstört. Viele Flüchtlinge haben weder Unterkunft<br />
noch Strom- und <strong>Was</strong>serversorgung<br />
oder Grund und Boden, um Landwirtschaft<br />
zu betreiben.<br />
Neben den aus dem Sudan zurückkehrenden<br />
Flüchtlingen beginnen auch<br />
schätzungsweise 1,1 Millionen Eritreer, <strong>die</strong><br />
durch den Krieg mit Äthiopien zu Binnenvertriebenen<br />
wurden, an ihre früheren<br />
Wohnorte zurückzukehren, was <strong>die</strong> Behörden<br />
vor weitere Probleme stellt.<br />
Für den Augenblick sind jedoch alle<br />
<strong>die</strong>se Unwägbarkeiten vergessen. Im Gegensatz<br />
zur Abfahrt im Sudan war bei der<br />
Ankunft eine Tochter der Maashos zugegen<br />
und hatte zwei Zimmer für sie gemietet.<br />
„Ich danke meinem Gott, dass er<br />
mich so lange am Leben erhalten hat, um<br />
<strong>die</strong>sen Tag erleben zu können“, sagt Kidane<br />
Maasho. „Ich bin alt und schwach, aber ich<br />
habe es endlich nach Hause geschafft.“<br />
Seine Ehefrau fügt hinzu: „Wir sind alt, und<br />
wir wollen uns ausruhen. Wir haben unsere<br />
Pflichten erfüllt.“<br />
Ein Neffe kam mit seinen Kindern per<br />
Flugzeug aus den USA zu Besuch, und <strong>die</strong><br />
Maashos nahmen <strong>die</strong> zehnstündige Busfahrt<br />
in <strong>die</strong> eritreische Hauptstadt Asmara<br />
UNHCR/S. BONESS/CS•ERI•<strong>2001</strong><br />
UNHCR/S. BONESS/CS•ERI•<strong>2001</strong><br />
UNHCR/S. BONESS/CS•ERI•<strong>2001</strong><br />
Formalitäten<br />
Neubeginn<br />
mehr als 60.000 Eritreer in Konvois auf<br />
dem schwierigen Landweg zurückzuführen.<br />
Diese Konvois sollen bis Ende 2002<br />
fortgesetzt werden.<br />
„Wir wollten immer zurückkehren. Wir<br />
haben auf <strong>die</strong>se Gelegenheit gewartet, seitdem<br />
wir hier leben“, sagt Kidane Maasho<br />
in den letzten Minuten vor der Abfahrt.<br />
Andere Eritreer haben Einheimische geheiratet,<br />
vor Ort Arbeit gefunden oder <strong>die</strong><br />
Bereitschaft zur Rückkehr verloren, weil<br />
sie nicht den Mut aufbringen, in ein Land<br />
zurückzufahren, von dem sie heute nur<br />
noch wenig wissen.<br />
Keines der Kinder der Maashos war bei<br />
der Abfahrt zugegen, doch drei Enkelkinder<br />
waren gekommen, um auf Wiedersehen<br />
zu sagen. „<strong>Der</strong> Sudan war sehr gut<br />
auf sich, um ihn zum ersten Mal nach 17<br />
Jahren wieder zu sehen. Andere Freunde<br />
und Verwandte kamen sie besuchen.<br />
Das Ehepaar bezog ein Zimmer auf dem<br />
Gelände einer Kirche mit einem Blick über<br />
Quellen mit angeblicher Heilwirkung. Beider<br />
Augen werden schlechter. Jeden Morgen<br />
schließen sie sich den Pilgern an, um<br />
in den Quellen zu baden und für eine<br />
Heilung im Frühjahr zu beten.<br />
Die Rückkehrbeihilfe von 2.000 Nakfa<br />
(200 Euro) ist fast aufgebraucht, und das<br />
Ehepaar wird zurück in den Westen ziehen,<br />
nachdem Mzilal Kidane Maasho operiert<br />
worden ist. Trotz <strong>die</strong>ser unsicheren <strong>Zukunft</strong><br />
ist das Ehepaar optimistisch und glücklich.<br />
Und, „ja“, sagte Kidane, „das erste Bier<br />
war kalt, und es schmeckte köstlich“. B<br />
FLÜCHTLINGE NR. 3/<strong>2001</strong><br />
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