B 2042 F CC-Blätter - Coburger Convent
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In den Universitäten und Hochschulen wird es eng<br />
Die Abiturientenzahlen steigen<br />
Hochschule<br />
Ursachen und Folgen – ›Doppeljahrgänge‹ auf dem künftigen Arbeitsmarkt<br />
bergen sozialen Sprengstoff<br />
Die Geburtenzahl ist stark gesunken<br />
und sinkt weiter. Dennoch wird gemeldet,<br />
daß die Abiturientenzahlen<br />
in den nächsten Jahren nach oben<br />
schnellen werden. Man reibt sich die<br />
Augen und fragt sich, wie so etwas<br />
möglich ist. Sind die Menschen intelligenter<br />
geworden? Hat sich die<br />
Ausbildung unserer Jugend so verbessert?<br />
Glauben kann man weder<br />
das eine noch das andere. Was dann?<br />
Zunächst zu den Zahlen 1 : 2008<br />
haben sich so viele deutsche Schüler<br />
für das Studium qualifiziert wie<br />
noch nie seit Beginn der gesamtdeutschen<br />
Zählung im Jahre 1992.<br />
Es waren genau 441.700, die das<br />
Abitur oder das Fachabitur bestanden<br />
haben. Damit stieg die Zahl<br />
gegenüber dem Vorjahr um immerhin<br />
1,7 v. H. Im Verhältnis zu<br />
den Gleichaltrigen stieg der Anteil<br />
von 44,5 Prozent auf 45,1 Prozent.<br />
Die meisten – nämlich 70 Prozent –<br />
erreichten die allgemeine oder<br />
fachgebundene Hochschulreife,<br />
30 Prozent (meist) die Fachhochschulreife.<br />
(Interessant, daß von<br />
der Gesamtzahl nur 46,5 Prozent<br />
Männer sind.)<br />
Wie kommt es zu dieser<br />
Entwicklung?<br />
Eine Begründung liegt bei den geburtenstarken<br />
Jahrgängen zwischen<br />
1955 und 1965, deren Kinder jetzt die<br />
Hochschulreife erreicht haben oder<br />
erreichen. Das ist aber nicht alles. Daneben<br />
gibt es auch die sogenannten<br />
›Doppeljahrgänge‹. Damit sind die<br />
Folgen umschrieben, die entstanden<br />
sind, weil die deutsche Bildungspolitik<br />
von 13 auf 12 Schuljahre umstellt.<br />
Infolgedessen gibt es nach und nach<br />
oder auch gleichzeitig Bundesländer,<br />
1 Die Angaben stammen aus der F. A. Z<br />
vom 2.4.2009 und vom 14./15.3.2009<br />
die gleichzeitig zwei Abiturientenjahrgänge<br />
›ausstoßen‹. In Sachsen-Anhalt<br />
war das bereits 2007 der Fall, in Mecklenburg-Vorpommern<br />
im Jahre 2008,<br />
in Bayern wird das 2011 geschehen, in<br />
Nordrhein-Westfalen 2013.<br />
Noch 2005 verließen ›nur‹ 400.000<br />
Studienberechtigte die deutschen<br />
Schulen. 2013 werden es laut Kultusministerkonferenz<br />
(KMK) bis zu 492. 000<br />
sein. Auch 2020 wird die Zahl noch<br />
nicht wieder auf das Niveau von 2005<br />
gesunken sein. Diese Zahlen sind astronomisch.<br />
Bayern hat 2011 plötzlich<br />
90 .600 Studienberechtigte (statt vorher<br />
56.500), Nordrhein-Westfalen plötzlich<br />
176.500 (statt vorher 119.700). Die<br />
Folgen werden erheblich sein. Es wird<br />
eng in den Hochschulen und Universitäten.<br />
Die Hochschulpolitik wird darüber<br />
nachdenken müssen, was man<br />
dagegen tut. Viele Möglichkeiten<br />
gibt es nicht.<br />
Eine Möglichkeit ist der numerus<br />
clausus. Man beschränkt den Zugang<br />
zum Studium auf die wenigen, für<br />
die Platz ist, und schließt die anderen<br />
aus. Das würde für jeweils zwei<br />
Abiturientenjahrgänge (also für die<br />
zwei Jahrgänge, die gleichzeitig das<br />
Abitur ablegen) eine maßlose Ungerechtigkeit<br />
darstellen und außerdem<br />
dringend benötigtes Bildungskapital<br />
verschleudern.<br />
Eine andere Möglichkeit besteht<br />
im (vorübergehenden) Ausbau der<br />
Hochschulkapazitäten – eine organisatorisch<br />
kaum zu bewältigende<br />
Lösung! Denn es geht nicht nur um<br />
Raum. Es geht auch um Personal.<br />
Woher nehmen die Bildungspolitiker<br />
die personellen Kapazitäten,<br />
d. h. Anzahl und Qualität, um mit<br />
einem Tsunami von Studenten fertig<br />
zu werden? Und was geschieht mit<br />
den Hochschullehrern, die nach der<br />
Rückkehr zu normalen Verhältnissen<br />
nicht mehr gebraucht werden?<br />
Eine dritte Möglichkeit besteht<br />
– da die Bundesländer ihre zusätzlichen<br />
Abiturienten zum Teil ›versetzt‹<br />
produzieren und sich die Hochschulen<br />
Mitteldeutschlands entleeren<br />
(z. T. bereits entleert haben) – in der<br />
Inanspruchnahme der nicht oder<br />
nicht voll ausgelasteten Kapazitäten<br />
an einigen Hochschulen.<br />
Wahrscheinlich wird es wohl einen<br />
Mix aus allen Varianten geben.<br />
Im Jahre 2007 haben Bund und Länder<br />
den sogenannten ›Hochschulpakt<br />
2020 zum Ausbau und Erhalt<br />
der Studienplätze‹ geschlossen.<br />
Dieser sorgt für einen finanziellen<br />
Ausgleich vor allem für die neuen<br />
Bundesländer und für die Stadtstaaten<br />
und verpflichtet außerdem die<br />
westlichen Bundesländer, bis 2010<br />
91.000 neue Studienplätze zu schaffen.<br />
Wie das funktionieren soll, ist<br />
allerdings offen, weil – wie von fachkompetenter<br />
Seite erklärt wird – die<br />
Mittel zu gering sind, zeitlich befristet<br />
sind und nur ›kopfabhängig‹ gezahlt<br />
werden. Besonders negativ ist,<br />
daß die Planungen bisher im Jahre<br />
2010 enden, obwohl die Spitze erst<br />
im nächsten Jahrzehnt bevorsteht.<br />
Wie es scheint, wird es wohl in Kürze<br />
einen ›Hochschulpakt II‹ geben.<br />
Der nordrhein-westfälische Wissenschaftsminister<br />
Andreas Pinkwart<br />
rechnet bis 2020 mit 160.000<br />
zusätzlichen Studierwilligen und<br />
sagt, daß wir »etwa das Fünffache<br />
der 450 Millionen Euro benötigen,<br />
die die 26.000 zusätzlichen Anfängerplätze<br />
aus dem Pakt I bis 2010<br />
kosten«. Die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz,<br />
Frau Margret<br />
Wintermantel, leitet aus Personalkosten,<br />
Ausbau und Sanierung bis<br />
zum Jahre 2020 einen Gesamtbedarf<br />
von 3 Milliarden Euro im Jahr ab.<br />
Eine endgültige Einigung zwischen<br />
Bund und Ländern gibt es derzeit<br />
noch nicht, was ja auch kein Wunder<br />
20 <strong>CC</strong>-<strong>Blätter</strong> 2/2009