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Rede - Coburger Convent

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Übergabekommers in Aachen<br />

Sehr geehrte Herren Verbandsbrüder, Sehr geehrte Herren Waffenbrüder, werte Gäste,<br />

im Namen meiner Bundesbrüder bedanke ich mich recht herzlich für Ihre Einladung in die<br />

geschichtsträchtige Stadt Aachen, die wie ich erfahren konnte, eine bis in die Jungsteinzeit<br />

zurückreichende Geschichte beheimatet.<br />

Ich grüße alle Vertreter der Präsidierenden im Namen meiner <strong>Convent</strong>e und wünsche Ihnen<br />

für die kommende postpräsidiale Zeit weiterhin Tatkraft und gutes Gelingen<br />

Wir, die L! der Troglodyten, haben mit Spannung und Freude den heutigen Tag erwartet und<br />

freuen uns nun der Stunde und des Augenblicks.<br />

Eine besondere Ehre ist es uns, Ihnen und dem gesamten Verband unser Präsidialmotto<br />

vorzustellen, das uns im nächsten Jahr begleiten wird:<br />

Wahre treu, was schwer errungen<br />

Wahre treu, was schwer errungen entstammt der 1. Strophe des sogenannten Schleswig-<br />

Holstein-Liedes „Wanke nicht, mein Vaterland“ von 1844.<br />

Wie auch das Lied der Deutschen ist das Schleswig-Holstein-Lied Ausdruck der Sehnsucht<br />

vieler Menschen jener Tage nach Einheit und Freiheit. Es ist der Inbegriff des Bekenntnisses<br />

zu unserer schleswig-holsteinischen Heimat.<br />

Wenn wir uns dem textanalytischen Befund zuwenden wird deutlich, dass es sich es sich<br />

hierbei im 1. Halbsatz um eine Aufforderung in der Form eines Imperativs handelt, die Treue<br />

zu wahren, und der 2. Halbsatz das Bezugsobjekt konkretisiert, bzgl dessen es die Treue zu<br />

wahren gilt, nämlich in Bezug auf das, was schwer errungen war.<br />

Die neudeutsche Übersetzung dieser Handlungsaufforderung könnte lauten:<br />

Bewahre das, für das du hart gekämpft oder gearbeitet hast. Oder: Schütze das, was<br />

schützenswert erscheint. Oder auch: Vergiss nicht, woher du kommst. Die Beispiele sind nicht<br />

abschließend.<br />

Bevor ich das, was es unter Umständen für uns zu wahren gilt, konkretisiere, erlauben sie mir<br />

im Voraus ein paar grundsätzliche theoretische Überlegungen:<br />

Die Frage, warum der Mensch nach Gemeinschaft strebt, warum er sich in Institutionen wie<br />

Familie, Gesellschaft, Staat, Rechtswesen, Wirtschaft, Technik und Korporationen<br />

zusammenschließt, hat die Philosophen seit jeher beschäftigt und die Antworten sind<br />

vielfältig:<br />

Aristoteles geht von der Freiheit des Menschen aus. Der freie Wille des Menschen ist es, die<br />

Freiheit zur Selbstbestimmung ist es, warum der Mensch die Gemeinschaft wählt. Ein zweites<br />

kommt bei Aristoteles noch hinzu, das ist die Langeweile.


Das jüdisch-christliche Weltbild, dass das Abendland letztlich eineinhalb Jahrtausende<br />

bestimmt hat, gibt im Schöpfungsbericht im 1. Buch Mose, dem Buch Genesis, gleich zu<br />

Beginn die Begründung dafür, warum der Mensch ein Gemeinschaftswesen ist, wenn es heißt:<br />

Gott schuf den Menschen nach seinem Ebenbild, und es weiter heißt: als Mann und Frau.<br />

Der englische Philosoph und Staatstheoretiker des 17. Jahrhunderts, Thomas Hobbes,<br />

beschreibt in seinem Hauptwerk Leviathan die dunkle Seite des Menschen, die die Menschen<br />

dazu veranlasst, einen Gesellschaftsvertrag zu schließen und die Macht auf ein Souverän zu<br />

übertragen, um Anarchie und Chaos zu vermeiden. Seiner Auffassung nach ist nämlich der<br />

Mensch dem Menschen ein Wolf.<br />

Bei Nietzsche, immer etwas dunkel, ist es die Angst, die den Menschen Gemeinschaft<br />

schließen lässt.<br />

Und der Philosoph Arnold Gehlen, 1976 in Hamburg verstorben, sieht den Grund dafür,<br />

warum der Mensch Institutionen bildet, wie Familie, Staat, Rechtswesen oder Korporationen<br />

darin begründet, dass der Mensch ein Mängelwesen ist, dem die tierischen Instinkte fehlen.<br />

Diesen Mangel, der ihn und sein Überleben in der freien Wildbahn beeinträchtigt,<br />

kompensiert der Mensch mit seiner Fähigkeit zur Vergemeinschaftung in sog. Institutionen.<br />

Was hat das nun mit unserem Präsidialmotto zutun?<br />

Ich will es Ihnen sagen. Es handelt sich hierbei nur um die eine Seite der Medaille, die Frage,<br />

warum der Mensch ein Gemeinschaftswesen ist. Die andere Seite ist die Frage, was die<br />

Gemeinschaft braucht, um zu funktionieren, um lebensfähig zu sein.<br />

Hier haben verschiedene Denker, ich nenne sie mal Systemtheoretiker, wie Niklas Luhmann,<br />

Ernst-Wolfgang Böckenvörde, Arnold Gehlen und Eilert Herms<br />

eine wichtige Erkenntnis gewonnen:<br />

Alle diese Institutionen leben von Voraussetzungen, die sie selbst nicht schaffen können, die<br />

ihnen gleichsam zugeführt werden müssen: Es handelt sich hierbei um die Bestimmung sog.<br />

kategorialer weltanschaulicher und religiöser Gewissheiten, mit anderen Worten, es handelt<br />

sich hierbei<br />

um Werte und Traditionen, um Kultur und Religion, um Ethik und Moral. Das sind die<br />

Grundlagen und Voraussetzungen für das Funktionieren von Gemeinschaft.<br />

Das ist das Schmieröl, welches das Getriebe am Laufen hält. Das ist das Blut, das den<br />

Organismus leben lässt. Und hieran knüpft unser Präsidialmotto an, wenn es zwar nicht die<br />

Handlungsweise, aber den Auftrag formuliert:<br />

Wahre treu, was schwer errungen<br />

Hier möchte ich daran anzuknüpfen, was der Liedschreiber im 19. Jahrhundert stellvertretend<br />

für viele Deutschen zum Ausdruck bringen wollte:


Bewahrt euch das, was ihr schwer erkämpft habt: Die Gedanken und der Wunsch nach<br />

staatlicher Einheit, nach Freiheit, nach formale Gleichheit vor dem Gesetz, nach Frieden und<br />

Gerechtigkeit.<br />

Das Schleswig-Holstein-Lied mit dieser Zeile ist die Erkenntnis der Menschen unserer<br />

Heimat, dass Staat, Gesellschaft und auch wir als Korporationen Werte und Traditionen<br />

brauchen, die gewahrt werden wollen.<br />

Das Schleswig-Holstein-Lied mit dieser Zeile ist der Inbegriff der Sehnsüchte der Menschen:<br />

Die Liebe zur Heimat, die Liebe zu unserem deutschen Vaterland und die Erkenntnis, dass<br />

Gemeinschaft Tradition und Werte braucht kommt hier zum Ausdruck.<br />

Wir Waffenstudenten und Korporierten des <strong>Coburger</strong> <strong>Convent</strong>es pflegen solche Traditionen<br />

und Werte wie Ehre, Freiheit, Freundschaft, Vaterland und auch die Mensur. Nicht jeder muss<br />

unserer Meinung sein oder unsere Werte teilen. Das ist Demokratie. Wir an unserer Stelle der<br />

Gesellschaft, an Hochschulen und Universitäten leisten unseren Beitrag zum dem, was<br />

Gemeinschaft zum Leben erweckt und am Leben erhält. Wir tragen damit bewusst zur<br />

Humanisierung unserer freiheitlichen Gesellschaft bei.<br />

Sehr geehrte Herren Verbandsbrüder, sehr geehrte Herren Waffenbrüder,<br />

lassen sie mich mit den Worten von Matthäus Friedrich Chemnitz schließen:<br />

Wahre treu, was schwer errungen!!!<br />

In diesem Sinne möchte ich meine Bundesbrüder darum bitten, sich zu erheben. Gemeinsam<br />

wollen wir unser Glas ergreifen und auf ein vivat, crescat, folreat circulus fratrum einer<br />

verehrlichen L! Pommerania Halle-Aachen trinken: Prost!<br />

Ronald Scholz Z!Z!

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