Lösung Fall 08 - Zivilrecht VI
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<strong>Fall</strong> 8<br />
Ausgangsfall<br />
I. Anspruch des A gegen B auf Herausgabe des CD-Players gemäß § 346 I BGB<br />
Hierfür müsste dem A ein vertragliches („Rücktritt vorbehalten“, vgl. § 346 I BGB) oder gesetzliches<br />
(insbesondere § 323 BGB) Rücktrittsrecht zustehen. Das ist nicht der <strong>Fall</strong>.<br />
II. Anspruch des A gegen B auf Herausgabe des CD-Players gemäß § 985 BGB<br />
Ein Anspruch aus § 985 BGB würde voraussetzen, dass A Eigentümer und B Besitzer der<br />
Sache ohne ein Recht zum Besitz wäre.<br />
1. B erlangte mit der Übergabe am 1.3.20<strong>08</strong> die tatsächliche Sachherrschaft über den CD-<br />
Player. Er hat auch den nötigen Besitzwillen und ist folglich unmittelbarer Besitzer der<br />
Sache, vgl. § 854 I BGB.<br />
2. A müsste Eigentümer des Gerätes sein.<br />
a. Ursprünglich war A Eigentümer.<br />
b. Er könnte aber das Eigentum am 1.3.20<strong>08</strong> durch die Übertragung an B verloren<br />
haben. Dafür müssten die vier Grundvoraussetzungen der Eigentumsübertragung<br />
bei beweglichen Sachen vorliegen.<br />
i. Zunächst müsste eine Einigung über den Eigentumsübergang bestehen<br />
gem. § 929 S. 1 BGB. A und B haben eine Einigung über den Wechsel des<br />
Eigentums am CD-Player getroffen (dinglicher Vertrag).<br />
ii. Zur Wahrung des Publizitätsgrundsatzes ist zusätzlich die Übergabe der<br />
beweglichen Sache erforderlich (i.d.R. Realakt; Ausnahme: § 854 II BGB).<br />
Voraussetzung der Übergabe i.S.d. §§ 929 ff. BGB (wichtig):<br />
Die Übergabe i.S.d. §§ 929 ff. BGB setzt dreierlei voraus:<br />
(1) Vollständige Besitzaufgabe des Veräußerers,<br />
(2) Besitzbegründung des Erwerbers<br />
(3) auf Veranlassung des Veräußerers.<br />
Hier wurde der unmittelbare Besitz am Gerät von A auf B vollständig übertragen.<br />
iii. § 929 S. 1 BGB fordert, dass sich Veräußerer und Erwerber bei Übergabe<br />
immer noch über die Verfügung einig sind (dieses Kriterium ist überhaupt<br />
nur dann anzusprechen, wenn Einigung und Übergabe - wie hier -<br />
auseinanderfallen). Dies ist hier trotz der zwischenzeitlichen Zweifel des A<br />
unproblematisch, da er diese nicht nach außen trägt und letztendlich die<br />
Einigung der Vorwoche weiter gelten lassen will.<br />
iv. Schließlich muss der Veräußerer zur Eigentumsübertragung berechtigt<br />
sein. Berechtigt sind der verfügungsbefugte Eigentümer, der mit der Zustimmung<br />
des Eigentümers gem. § 185 I BGB Handelnde sowie der vom<br />
Gesetz Bevollmächtigte (bspw. der Insolvenzverwalter nach § 80 InsO). A<br />
war verfügungsbefugter Eigentümer und somit Berechtigter.<br />
Beachte: Bei fehlender Berechtigung wäre im Folgenden ein gutgläubiger Erwerb nach den<br />
§§ 932 ff. BGB zu prüfen!<br />
PÜ Sachenrecht Lösung <strong>Fall</strong> <strong>08</strong> 1
v. Da dementsprechend alle Voraussetzungen des § 929 S. 1 BGB vorliegen,<br />
ist nicht mehr A, sondern B neuer Eigentümer des CD-Players.<br />
Ergebnis: Mangels Eigentümerstellung hat A keinen Anspruch aus § 985 BGB.<br />
III. Anspruch des A gegen B Herausgabe/Rückübereignung des CD-Players nach<br />
§ 812 I 1 Alt. 1 BGB (Leistungskondiktion)<br />
Mangels ersichtlicher Nichtigkeitsgründe bzgl. des Kaufvertrags (§ 433 BGB) besteht hier<br />
augenscheinlich ein Rechtsgrund, so dass § 812 I 1 BGB ausscheidet.<br />
1. Abwandlung<br />
Der einzige Unterschied ergibt sich unter II. 2. b. ii. Da B bereits im Besitz der Sache ist, wäre<br />
eine Übergabe reine Förmelei. Nach § 929 S. 2 BGB ist in diesen Fällen keine Übergabe<br />
notwendig; es genügt die Einigung zwischen Veräußerer und Erwerber (sog. brevi manu<br />
traditio, Übereignung „kurzer Hand“).<br />
2. Abwandlung<br />
Die Frage richtet sich alleine nach dem Zeitpunkt, in dem B das Eigentum am CD-Player erworben<br />
hat.<br />
1. Möglicherweise ist das Eigentum an dem Gerät bereits am 25.2.20<strong>08</strong> übergegangen. Erforderlich<br />
wäre eine Einigung i.S.d. § 929 S. 1 BGB dahingehend, dass schon zu diesem<br />
Zeitpunkt das Eigentum auf B übergehen sollte. Daran fehlt es.<br />
2. In Betracht kommt indes ein Eigentumsübergang am 1.3.20<strong>08</strong>.<br />
a. Vorausgesetzt wäre wieder eine Einigung nach § 929 S. 1 BGB. Eine ausdrückliche<br />
Einigung liegt nicht vor, allerdings hat B bereits den Kaufpreis gezahlt, so<br />
dass diese konkludent zustande kam.<br />
b. Ein Erwerb nach § 929 S. 1 BGB würde des Weiteren eine Übergabe erfordern.<br />
i. An einer solchen fehlt es hier.<br />
ii. Allerdings ist auch ein sog. Übergabesurrogat nach den §§ 930, 931<br />
BGB zur Erfüllung der Erwerbsvoraussetzungen ausreichend. Hier könnte<br />
es sich um einen <strong>Fall</strong> des sog. Besitzkonstituts gem. § 930 BGB handeln.<br />
Dies erfordert, dass B den mittelbaren Besitz i.S.d. § 868 BGB an dem Gerät<br />
haben müsste.<br />
Voraussetzungen des mittelbaren Besitzes nach § 868<br />
1. Unmittelbarer Besitz des Besitzmittlers<br />
2. Besitzmittlungswillen = der unmittelbare Besitzer muss die Sache als<br />
ihm fremd besitzen<br />
3. Besitzmittlungsverhältnis (sog. Besitzkonstitut) i.S.d. § 868 (Aufzählung<br />
nicht abschließend) zwischen dem unmittelbaren und dem mittelbaren Besitzer<br />
4. Herausgabeanspruch gegen den Besitzmittler (ergibt sich i.d.R. aus 3.)<br />
PÜ Sachenrecht Lösung <strong>Fall</strong> <strong>08</strong> 2
iii. Zur Erlangung des mittelbaren Besitzes schreibt § 868 BGB die Vereinbarung<br />
eines Besitzmittlungsverhältnisses zwischen Besitzer und Besitzmittler<br />
vor. A und B haben vorliegend einen Leihvertrag gem. § 598 BGB geschlossen.<br />
Hierbei handelt es sich um ein konkretes Besitzmittlungsverhältnis<br />
i.S.d. § 868 BGB. Der erforderliche Herausgabeanspruch besteht<br />
gem. § 604 I BGB.<br />
c. Das Einigsein im Zeitpunkt der Besitzkonstitutsbegründung liegt vor.<br />
d. An der Berechtigung des Veräußerers A besteht kein Zweifel.<br />
Ergebnis: B hat am 1.3.20<strong>08</strong> Eigentum am CD-Player erworben.<br />
3. Abwandlung<br />
I. Anspruch des B gegen X auf Herausgabe des CD-Players gemäß §§ 604 I, III, 398<br />
BGB<br />
B könnte gegen X einen Anspruch auf Herausgabe des Gerätes aus abgetretenem Recht nach<br />
§§ 604 I, III, 398 I BGB haben.<br />
1. Dass B einen Anspruch aus dem Leihvertrag zwischen A und X aus abgetretenem Recht<br />
geltend machen kann, würde zunächst einmal einen wirksamen Leihvertrag erfordern. A<br />
hat dem X den Player unentgeltlich überlassen, so dass ein Leihvertrag gem. § 598 BGB<br />
anzunehmen ist. Ein vertraglicher Herausgabeanspruch des A gemäß §§ 598, 604 I, III<br />
BGB bestand demnach.<br />
2. Diesen müsste A an B gem. § 398 S. 1 BGB abgetreten haben. Die Forderungsübertragung<br />
erfolgte konkludent durch die getroffene Abrede, dass sich B das Gerät bei X holen<br />
solle (dingliche Einigung). A war auch der berechtigte Forderungsinhaber. Der Anspruch<br />
ist also auf B übergegangen, vgl. § 398 S. 2 BGB.<br />
Anmerkung: Die Abtretung ist eine Art Grundtatbestand der rechtsgeschäftlichen Rechtsübertragung<br />
(= Form der Verfügung). Alle anderen Übertragungsvorgänge basieren auf denselben<br />
Grundvoraussetzungen. Instruktiv hierzu Hofmann JA 20<strong>08</strong>, 253.<br />
3. Der Anspruch müsste aber auch einredefrei sein. Hier steht X das Leistungsverweigerungsrecht<br />
nach § 410 I 1 BGB (i.V.m. mit § 274 BGB analog) zu, da der B keinerlei Abtretungsurkunde<br />
vorlegen kann. Auch § 410 II BGB ist nicht einschlägig. X hat diese Einrede<br />
auch durch die Weigerung der Herausgabe konkludent erhoben.<br />
Ergebnis: B´s Anspruch gegen X auf Herausgabe gem. §§ 604 I, III, 398 BGB ist nicht<br />
durchsetzbar.<br />
II. Anspruch des B gegen X auf Herausgabe des CD-Players gemäß § 985 BGB<br />
B könnte gegen X einen Anspruch auf Herausgabe des Gerätes aus § 985 BGB haben, wenn<br />
B Eigentümer der Sache und X unrechtmäßiger Besitzer ist.<br />
1. X ist unmittelbarer Besitzer, vgl. § 854 I BGB.<br />
2. B müsste Eigentümer sein.<br />
a. Ursprünglich war A der Eigentümer.<br />
PÜ Sachenrecht Lösung <strong>Fall</strong> <strong>08</strong> 3
. Möglicherweise hat B das Eigentum durch Absprache mit A am 1.3.20<strong>08</strong> erworben.<br />
i. Die notwendige dingliche Einigung haben A und B getroffen.<br />
ii. Des Weiteren müsste A die Sache dem B übergeben oder die beiden müssten<br />
sich auf ein Übergabesurrogat geeinigt haben. Hier kommt das Übergabesurrogat<br />
nach § 931 BGB in Betracht. Dazu müsste A einen Herausgabeanspruch<br />
gegen den damaligen Besitzer X abgetreten haben. Die Abtretung<br />
des Herausgabeanspruchs aus §§ 604 I, III, 598 BGB ist erfolgt<br />
[(s.o.) Das Leistungsverweigerungsrecht des X nach § 410 I 1 BGB ist insoweit<br />
irrelevant.]. Durch diese Abtretung wird mittelbarer Besitz von A<br />
auf B übertragen, vgl. § 870 BGB.<br />
iii. Bzgl. des Einigseins bestehen keine Probleme.<br />
iv. A war auch Berechtigter.<br />
3. Der Anspruch aus § 985 führt aber nur dann zum Erfolg, wenn X kein Recht zum Besitz<br />
nach § 986 BGB innehat. Nach § 604 III BGB konnte die Leihe jederzeit beendet werden.<br />
Nach h.M. (s. <strong>Fall</strong> 6) stellt ein eventuelles ZbR auch kein RzB dar.<br />
4. Problematisch ist allerdings auch hier die Einredefreiheit des Anspruchs. Sinnvoll ist der<br />
Gleichlauf der Interessenbewertung zu § 604. Daher sollte das Leistungsverweigerungsrecht<br />
nach § 410 I 1 BGB (i.V.m. mit § 274 BGB analog) entsprechend<br />
anwendbar sein.<br />
Ergebnis: B hat keinen Anspruch gegen X auf Herausgabe des CD-Players gemäß § 985<br />
BGB.<br />
[ Ergänzung ]<br />
III. Anspruch des B gegen X auf Herausgabe aus § 812 I 1 Alt. 1 BGB<br />
Dieser Anspruch würde auf jeden <strong>Fall</strong> eine Leistung des B an X voraussetzen, an der es hier<br />
fehlt.<br />
IV. Anspruch des B gegen X auf Herausgabe aus § 812 I 1 Alt. 2 BGB<br />
Ein Anspruch mittels der Nichtleistungskondiktion in Form der Eingriffskondiktion scheitert<br />
bereits am Vorrang der Leistungsbeziehung A – X.<br />
[…]<br />
4. Abwandlung<br />
Fraglich ist, ob B Eigentümer des CD-Players geworden ist. Dafür müsste A dem B diesen<br />
übereignet haben.<br />
1. Die dingliche Einigung zwischen A und B i.S.d. § 929 S. 1 BGB liegt vor.<br />
2. Problematisch ist im vorliegenden <strong>Fall</strong>, ob eine Übergabe stattgefunden oder ein Surrogat<br />
vereinbart wurde.<br />
a. Eine Übereignung nach § 931 BGB scheidet hier aus, da der A dem B den Anspruch<br />
auf Herausgabe nicht abgetreten hat.<br />
b. In Betracht kommt eine Übergabe nach § 929 S. 1 BGB. A gibt seinen mittelbaren<br />
Eigenbesitz auf und weist X an, die Sache an B herauszugeben. X und B schließen<br />
einen neuen Leihvertrag (§ 598 BGB). Damit hat der Veräußerer (A) jeglichen Besitz<br />
aufgegeben und dem Erwerber (B) den mittelbaren Besitz verschafft, indem<br />
aufgrund seiner Weisung der Besitzmittler (X) dem Erwerber (B) mittelbaren Be-<br />
PÜ Sachenrecht Lösung <strong>Fall</strong> <strong>08</strong> 4
sitz eingeräumt hat. (Eigentlich sollte X die Sache an B herausgeben und damit die<br />
Übergabe i.S.v. § 929 S. 1 BGB dementsprechend mit tatsächlicher Übergabe an B<br />
durch Erwerb des unmittelbaren Besitzes erfolgen; B hätte dann zu diesem Zeitpunkt<br />
von A erworben.)<br />
Abgrenzung zu § 931 BGB: Bei § 931 BGB findet eine Abtretung des (Herausgabe)Anspruchs<br />
aus dem Leihvertrag von A an B statt (dadurch Übertragung des mittelbaren<br />
Besitzes von A auf B, § 870 BGB), hier wird dagegen auf Weisung des A im Verhältnis Besitzmittler<br />
X und Erwerber B ein neues Besitzmittlungsverhältnis vereinbart (Begründung<br />
mittelbaren Besitzes des B) Stichwort: Erwerb mittels Geheißperson auf Veräußererseite.<br />
c. Das Einigsein gem. § 929 S. 1 BGB und die Berechtigung des A liegen vor.<br />
Ergebnis: B hat das Eigentum am Gerät nach § 929 S. 1 erworben.<br />
Literaturhinweise:<br />
• Vieweg/Werner, Sachenrecht, 3. Auflage 20<strong>08</strong>, § 4 Rn. 1 ff.<br />
• Prütting, Sachenrecht, 33. Auflage 20<strong>08</strong>, § 32 Rn. 371 ff.<br />
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