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40 FEBURAR ’13<br />

04 DISKUTIERT<br />

NETZWERKEN<br />

IST DIE CHANCE<br />

DIE KÖLNER THEATERHÄUSER AUS DER SÜDSTADT HABEN DREI NEUE<br />

THEATERLEITER UND WOLLEN GANZ NEUE WEGE GEHEN. EIN INTERVIEW.<br />

V.l.n.r.: Marko Berger, Inken Kautter, Gerhard Sei<strong>de</strong>l und Dorothea Marcus im aKT-Büro, Fotos: © MEYER ORIGINALS<br />

FWT-Intendantin Inken Kautter<br />

AKT: MARKO BERGER, SEIT JULI 2012 SIND SIE DER NEUE<br />

LEITER DER ORANGERIE. WAS WIRD DA PASSIEREN?<br />

Marko Berger: Ich wur<strong>de</strong> oft gefragt, ob ich verrückt bin,<br />

das zu machen. Aber das reizt mich umso mehr. Die Orangerie<br />

ist ein spezieller, toller Ort, da interessiert mich halt:<br />

wie kann man ihn entwickeln? Wir haben schon sehr viel<br />

bewegt im ersten halben Jahr. Es gab etwa keinen richtigen<br />

Spielplan, <strong>de</strong>r große Teile <strong>de</strong>r Spielzeit im Voraus ab<strong>de</strong>ckt.<br />

Die Entscheidungen gemeinsam mit <strong>de</strong>m 16köpfigen Künstlergremium<br />

waren eine Herausfor<strong>de</strong>rung, die schon aus Zeitgrün<strong>de</strong>n<br />

nicht mehr effizient umzusetzen war. Der Spielplan<br />

war gut belegt, ich will gar nicht über die Qualität meckern.<br />

Aber er hatte eine Art Inseldasein, was auch <strong>de</strong>r Grund war,<br />

warum dieses Haus als Theater nicht genügend Ausstrahlung<br />

hatte. „Ach so, Sie haben da auch ein Theater!“ Das<br />

habe ich immer wie<strong>de</strong>r gehört. Das war am Anfang eine sehr<br />

temperamentvolle, aber notwendige Auseinan<strong>de</strong>rsetzung.<br />

AKT: WIE IST DIE ORANGERIE IN ZUKUNFT ORGANISIERT?<br />

Berger: Wir grün<strong>de</strong>n gera<strong>de</strong> einen Beirat mit einem Theater-<br />

und einem Tanzfachmann zur Unterstützung <strong>de</strong>r Theaterleitung<br />

bei Profil und Strategie. Wichtig war uns, zu analysieren,<br />

warum das bisherige Mo<strong>de</strong>ll nicht ausreichend<br />

funktioniert hat. Die freien Künstler müssen produzieren,<br />

sie haben wenig Zeit zur Verfügung, und wenn wir dann<br />

manchmal mit einer ganz geringen Besetzung zusammen<br />

saßen, habe ich mich gefragt: was machen wir hier eigentlich?<br />

Zwei unabhängige Kulturleute, die möglichst frei, offen<br />

und kunsterfahren sind, können uns da gut unterstützen.<br />

Auch Resi<strong>de</strong>nzkünstler <strong>de</strong>r Orangerie können sich<br />

dafür bewerben. Das Ziel <strong>de</strong>s Beirats ist es, die Theaterleitung<br />

zu beraten und viel schneller Entscheidungen treffen<br />

zu können. Wenn ich produziere, muss ich mein Projekt wie<br />

alle an<strong>de</strong>ren vorstellen und messen lassen.<br />

AKT: DIE ORANGERIE IST EIN WUNDERSCHÖNER SPIEL-<br />

ORT, DESSEN SANIERUNG LEIDER GEPLATZT IST. ABER<br />

EINER DER WENIGEN ORTE, DIE IN DER KÖLNER INNEN-<br />

STADT EINE OFFENE BÜHNENSITUATION BIETEN. WIRD<br />

DAS BERÜCKSICHTIGT?<br />

Berger: Es ist das Ziel <strong>de</strong>s Orangerie-Theaters, zeitgenössisch<br />

zu sein. Das aufzugreifen, was die Gesellschaft aktuell<br />

bewegt. Unser Resi<strong>de</strong>nzkünstler Janosch Roloff mit „V wie<br />

Verfassungsschutz“ war natürlich ein Volltreffer. Er wur<strong>de</strong><br />

Resi<strong>de</strong>nzkünstler aufgrund seiner vorherigen Inszenierung<br />

„Oury Jalloh“ im Theater Tiefrot, wir hatten ihn angesprochen,<br />

und somit wur<strong>de</strong> er von <strong>de</strong>r Orangerie schon länger<br />

begleitet. Was ich als Mo<strong>de</strong>ll für i<strong>de</strong>al halte: dass wir alle<br />

die Augen aufhalten in <strong>de</strong>r Kölner Szene und gucken, wer<br />

zu uns passt. Mit einer klassischen Hamlet-Inszenierung<br />

hätte ich ein Problem, dafür gibt es an<strong>de</strong>re Häuser. Es sei<br />

<strong>de</strong>nn, sie agiert auf beson<strong>de</strong>re Weise mit unserem Raum.<br />

Die Orangerie ist kein Guckkasten, es wäre scha<strong>de</strong>, sie so<br />

zu reduzieren. Ich sehe mich bereits seit längerem sehr viel<br />

in <strong>de</strong>r freien Szene um, damit ich ein Gefühl dafür bekomme,<br />

welche Projekte zur Orangerie passen könnten. Wir<br />

können uns künstlerisch intensiv auseinan<strong>de</strong>rsetzen, aber<br />

es sollte zur I<strong>de</strong>ntifikation <strong>de</strong>s Hauses beitragen.<br />

AKT: SIE ARBEITEN JETZT VERSTÄRKT MIT DER THEATER-<br />

AKADEMIE ZUSAMMEN. WIE GEHT DAS KONKRET WEITER?<br />

Berger: Die Theateraka<strong>de</strong>mie-Schüler spielen ihre Abschlussarbeiten<br />

bei uns, und wir haben uns darüber verständigt,<br />

dass wir sie noch enger und früher gemeinsam<br />

beobachten, um Talenten auch Produktionen nach <strong>de</strong>r Theateraka<strong>de</strong>mie<br />

zu ermöglichen. Das gilt sowohl für Autoren<br />

und Regisseure als auch für Schauspieler. Wir wollen eine<br />

Art Nachwuchsför<strong>de</strong>r-Plattform sein. Kooperationen in <strong>de</strong>r<br />

freien Szene sind wahnsinnig schwer, das erlebe ich seit 20<br />

Jahren, aber wir arbeiten daran.<br />

POLITISCHER<br />

WIND IM FWT<br />

AKT: WORAN IST IHRER MEINUNG NACH DIE SANIERUNG<br />

DER ORANGERIE GESCHEITERT?<br />

Berger: Meiner Ansicht nach tragen bei<strong>de</strong> Seiten eine gewisse<br />

Mitschuld. Es wur<strong>de</strong> ein umfassen<strong>de</strong>s Konzept mit<br />

einem vereinsinternen Architekten entwickelt, als auch ein<br />

künstlerisches Konzept, doch man hat auf Orangerie-Seite<br />

das Kulturamt damit scheinbar überfahren. Auf Seiten <strong>de</strong>s<br />

Kulturamts hätte man <strong>de</strong>utlich früher Signale setzen müssen,<br />

dass so ein großes Konzept gar nicht durchsetzungsfähig<br />

ist und was man sich dazu wünscht. Man hat die Akteure<br />

auflaufen lassen. Man hätte es gar nicht so weit kommen<br />

lassen dürfen. Das Kulturamt saß doch drei Jahre mit am<br />

Tisch und hat die Entwicklung verfolgt.<br />

Ich verstehe irgendwie je<strong>de</strong> Seite: die eine hat das Gefühl, sie<br />

ist ins Leere gelaufen, die An<strong>de</strong>ren fühlten sich überrannt.<br />

Man hätte sich gegenseitig viel stärker vergewissern müssen,<br />

wie man <strong>de</strong>n Weg in welchen Punkten gemeinsam gehen<br />

kann und was dazu erfor<strong>de</strong>rlich ist. Nun ist die Sanierung erst<br />

mal in weiter Ferne. Unser Ziel ist es nun, die Orangerie so attraktiv<br />

zu machen, dass die Politik und die Öffentlichkeit die<br />

Notwendigkeit zur Sanierung wirklich erkennt und mit trägt.<br />

Wenn man etwas will, gibt es auch einen Weg. Die Auszeichnungen<br />

in 2012 (Theaterpreis, Kurt-Hackenberg-Preis, Tanzpreis<br />

und Nominierung für <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>r- und Jugend Theaterpreis)<br />

zeigen: Ganz so schlecht stehen wir ja gar nicht da.<br />

AKT: INKEN KAUTTER UND GERHARD SEIDEL, SIE BEIDE<br />

SIND SEIT MEHREREN JAHREN AM FREIEN WERKSTATT<br />

THEATER. WARUM SIND SIE DIE NEUEN LEITER DES THE-<br />

ATERS GEWORDEN, WARUM HAT MAN NICHT JEMANDEN<br />

VON AUSSEN GEHOLT?<br />

Gerhard Sei<strong>de</strong>l: Ingrid Berzau und Dieter Scholz haben<br />

nach Nachfolgern gesucht, um das Haus in gute Hän<strong>de</strong> geben<br />

zu können. Das war ein langer Prozess und aus ihrer<br />

Sicht eine Frage <strong>de</strong>s Vertrauens. Ich kenne das Haus seit<br />

1995, habe dort einige Jahre als fest angestellter Dramaturg<br />

gearbeitet. Inken Kautter ist seit dreieinhalb Jahren dort angestellt.<br />

Für diese Nachfolgeregelung gab es viel Beifall, allerdings<br />

nicht ausschließlich.<br />

AKT: DAS KULTURAMT WÄRE OFFENBAR GERNE IN DIE<br />

ENTSCHEIDUNG MIT EINBEZOGEN WORDEN.<br />

Inken Kautter: Ja, so ist es. Es gibt dazu unterschiedliche<br />

Vorstellungen. Ich bin davon überzeugt, dass wir eine gute<br />

Lösung für das Haus sind. Was heißt „von außen“ und „von<br />

innen“? Ich bin vor dreieinhalb Jahren aus Berlin, also von<br />

sehr weit „außen“, ans FWT gekommen.<br />

AKT: DAS FWT STAND BISHER FÜR LITERATURINSZENIE-<br />

RUNGEN, ES FIEL NICHT DURCH EXPERIMENTE AUF. NUN<br />

SCHEINT EINE ANDERE, POLITISCHERE, HANDSCHRIFT<br />

HEREINZUKOMMEN. WIE SOLL ES WEITERGEHEN?<br />

Sei<strong>de</strong>l: Wir haben uns am FWT ein starkes kreatives Potential<br />

erarbeitet. Wir wollen das Haus öffnen nach außen, über<br />

Köln hinaus. Darum wer<strong>de</strong>n wir uns sehr intensiv kümmern.<br />

Wir wer<strong>de</strong>n uns auf Festivals tummeln. Wir wer<strong>de</strong>n<br />

Produktionen sichten, die zu uns passen und dann sehen,<br />

ob wir sie auch mit an<strong>de</strong>ren austauschen können. Wir wollen<br />

eine neue Qualität von Grund auf entwickeln, aus <strong>de</strong>m<br />

Wurzelwerk <strong>de</strong>r freien Kölner Szene.<br />

Kautter: Wir sind <strong>de</strong>r Ansicht, dass die Vielfalt und das Lebendige<br />

an <strong>de</strong>r freien Szene in Köln einzigartig und großartig<br />

sind. Und wir freuen uns, als Bestandteil und aus <strong>de</strong>r Lebendigkeit<br />

<strong>de</strong>r Szene heraus Neues schaffen zu können. Und<br />

das geht nur in Zusammenarbeit mit an<strong>de</strong>ren Künstlern. Das<br />

ist die Basis, von <strong>de</strong>r wir starten. Das ist ja alles auch schon<br />

im Namen <strong>de</strong>s Theaters vorhan<strong>de</strong>n: das Freie, die Werkstatt-<br />

Bühne, und Köln als Zeichen dafür, dass wir Bestandteil <strong>de</strong>r<br />

Kölner Szene sind. Gera<strong>de</strong>zu programmatisch.<br />

AKT: WAS BEDEUTET DAS KONKRET?<br />

Sei<strong>de</strong>l: Wir wollen neue Formate entwickeln. „Wegschließen“<br />

und „Deutlich weniger Tote“ (siehe S. 12) gehen einen<br />

Schritt dahin. Das Politische passt gut ins Haus, und wir<br />

wollen das weiter vertiefen. Im Februar zeigen wir die szenische<br />

Lesung von „Hate Radio“, <strong>de</strong>m Stück von Milo Rau,<br />

das auch zum Theatertreffen eingela<strong>de</strong>n war.<br />

Kautter: Wir wollen auch spannen<strong>de</strong> Beiprogramme machen:<br />

Beispielsweise hat <strong>de</strong>r Leiter <strong>de</strong>r JVA in Werl bei uns über<br />

die praktischen und politischen Hintergrün<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Sicherungsverwahrung<br />

gesprochen, und <strong>de</strong>r ARD-Auslandskorrespon<strong>de</strong>nt<br />

Jörg Armbruster ist im Herbst im FWT zu Gast.<br />

AKT: WAS KÖNNTE SO EINE NEUORIENTIERUNG EINES<br />

GROSSEN TEILS DER SÜDSTADT-THEATER FÜR AUSWIR-<br />

KUNGEN AUF DIE KÖLNER SZENE HABEN?

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