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40 FEBRUAR ’13<br />

09 EINGEBLICKT<br />

Traurige Resonanz für eine sehenswerte Produktion: Das Brachland-Ensemble mit „Im<br />

Schweiße <strong>de</strong>ines Angesichts“ in <strong>de</strong>r Bühne <strong>de</strong>r Kulturen. Fotos: Brachland-Ensemble<br />

Die Bühne <strong>de</strong>r Kulturen in <strong>de</strong>r Platenstraße in Ehrenfeld, Foto: © Bühne <strong>de</strong>r Kulturen<br />

VERMINTES GELÄNDE<br />

DIE BÜHNE DER KULTUREN STEHT VOR DEM AUS. DER JÄHRLICHE ZUSCHUSS DES<br />

THEATERS IN EHRENFELD STEHT AUF DER STREICHLISTE DES KULTURAMTES.<br />

Mehr als 20 Zuschauer sind es nicht, die sich zur Premiere<br />

von „Im Schweiße <strong>de</strong>ines Angesichts“ eingefun<strong>de</strong>n haben.<br />

Eine traurige Resonanz, die das Brachland Ensemble auf<br />

seine sehenswerte Produktion in <strong>de</strong>r Bühne <strong>de</strong>r Kulturen<br />

(BdK) bekommt. In <strong>de</strong>n Büroräumen <strong>de</strong>s Theaters dagegen<br />

haben die Mitarbeiter eine bei ebay ersteigerte Küche<br />

neu eingebaut. Kampf ums Publikum und trotzige Selbstbehauptung,<br />

das beschreibt vielleicht am besten, wie es<br />

<strong>de</strong>rzeit um das Haus steht: Die Bühne <strong>de</strong>r Kulturen kämpft<br />

ums nackte Überleben.<br />

Die Kulturverwaltung hat vorgeschlagen, <strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r<br />

Stadt gezahlten jährlichen Betriebskostenzuschuss von<br />

125.000 Euro einzusparen und zahlt seit Januar keinen<br />

Euro mehr aus. „Die Bühne <strong>de</strong>r Kulturen ist von <strong>de</strong>r programmatischen<br />

Struktur her nicht im Sinne unserer Kriterien<br />

för<strong>de</strong>rwürdig“, sagt Birgit Gerner, die das Kulturamt<br />

nach <strong>de</strong>m Weggang von Konrad Schmidt-Werthern kommissarisch<br />

leitet. Man wolle sich auf die Kernaufgaben<br />

konzentrieren, sagt Gerner.<br />

SEMIPROFESSIONELL UND OHNE KONZEPT?<br />

Gemeint ist damit zum einen, dass Gerner die Bühne <strong>de</strong>r<br />

Kulturen für semiprofessionell hält, zum an<strong>de</strong>ren, dass das<br />

Kulturamts-Referat für interkulturelle Kunstprojekte, aus<br />

<strong>de</strong>ssen Etat die BdK bisher finanziert wur<strong>de</strong>, einer Restrukturierung<br />

zum Opfer fällt und damit Sozio- o<strong>de</strong>r Interkultur<br />

bitte jemand an<strong>de</strong>rer bezahlen soll. Herauszuhören ist allerdings<br />

auch, dass Leitungswechsel, Finanzplanung und unklares<br />

Profil <strong>de</strong>r Bühne <strong>de</strong>r Kulturen das Kulturamt nerven.<br />

„Wir re<strong>de</strong>n nicht über die Schließung <strong>de</strong>r Bühne, wir re<strong>de</strong>n<br />

darüber, dass <strong>de</strong>r Verein nicht mehr geför<strong>de</strong>rt wird“, betont<br />

Birgit Gerner und verweist als Beleg auf Brandschutz-Investitionen<br />

im Gebäu<strong>de</strong> über 58.100 Euro im vergangenen Jahr.<br />

Die Klagen sind so alt wie die BdK selbst. Hervorgegangen<br />

ist sie aus <strong>de</strong>m 1983 von Necati Sahin gegrün<strong>de</strong>ten Arkadaş<br />

Theater, einem <strong>de</strong>r ersten türkischsprachigen Ensembles in<br />

Deutschland. 2006 ging die Trägerschaft auf <strong>de</strong>n Bühne <strong>de</strong>r<br />

Kulturen e.V. über. Lale Konuk wan<strong>de</strong>lte das Haus in eine<br />

Gastspielbühne für interkulturelles Theater, Musik, Literatur<br />

und Tanz um. Danach wechselte die Leitung im Zweijahrestakt.<br />

Auf Mithra Zahedi folgte Shirin Boljahn, seit Dezember<br />

letzten Jahres hat Mahmut Canbay das Sagen. Der<br />

52jährige Kur<strong>de</strong> hat nach einem Pädagogik-Studium in Diyarbakir<br />

am Theaterpädagogischen Zentrum in Köln Theaterregie<br />

und –pädagogik studiert. In Hamburg leitete er das<br />

interkulturelle MUT Theater, in Köln inszenierte er am früheren<br />

Arkadaş Theater. Der Vorstand habe ihn gebeten, die<br />

künstlerische Leitung und die Geschäftsführung zu übernehmen,<br />

sagt Mahmut Canbay. Obwohl die BdK seit Januar<br />

kein Geld mehr erhält, gibt er sich kämpferisch: „Wir halten<br />

die Bühne“. Man will Spen<strong>de</strong>naktionen veranstalten und<br />

Unternehmer aus <strong>de</strong>m interkulturellen Milieu ansprechen.<br />

Mahmut Canbay, Foto: © Bühne <strong>de</strong>r Kulturen<br />

GEHALTSVERZICHT<br />

UND STELLENABBAU<br />

Canbay, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>rzeit auf sein<br />

Gehalt verzichtet, hält auch<br />

einen Stellenabbau für <strong>de</strong>nkbar.<br />

Genau da aber liegt das<br />

Problem: Der Publikumsmisserfolg<br />

<strong>de</strong>s Brachland<br />

Ensembles hat auch mit <strong>de</strong>r<br />

nicht besetzten Pressestelle<br />

zu tun. Programmatisch<br />

möchte Canbay das Profil<br />

<strong>de</strong>r Gastspielstätte schärfen,<br />

in<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r interkulturelle<br />

Ansatz <strong>de</strong>r Produktionen stärker betont wird. Das soll auch<br />

für <strong>de</strong>n Tanz gelten. Musikalische und literarische Programme<br />

wird es weiterhin geben, genauso wie fremdsprachige<br />

Aufführungen. Nach einem Neuanfang o<strong>de</strong>r einem<br />

innovativen Konzept klingt das alles jedoch nicht.<br />

Das Grundproblem <strong>de</strong>r BdK bleibt: Der Übergang vom alten<br />

Arkadaş-Ensemble zur Bühne <strong>de</strong>r Kulturen wur<strong>de</strong> nie<br />

konsequent vollzogen. Canbay <strong>de</strong>utet an, die alten Arkadaş-<br />

Mitglie<strong>de</strong>r „ins Boot holen“ zu wollen – zu <strong>de</strong>nen er allerdings<br />

selbst gehört. Seine Vorgängerin Shirin Boljahn<br />

spricht von „internen alten Strukturen“, die eine Erneuerung<br />

blockieren. Sie hatte versucht, einen För<strong>de</strong>rverein zu<br />

grün<strong>de</strong>n, ein Finanzpolster aufbauen o<strong>de</strong>r das verpachtete<br />

Café ans Theater zu bin<strong>de</strong>n – alles vom Verein abgelehnt.<br />

Tatsache ist, dass neben Behrokh Babai mit Necati Sahin<br />

und Cem Ünal zwei frühere Arkadaş-Schauspieler im Vorstand<br />

das Sagen haben. Der Vorsitzen<strong>de</strong>r Cem Ünal gibt zu,<br />

dass die letzten Jahre nicht gut gelaufen seien. Schuld daran<br />

sei aber nicht die alte Arkadaş-Truppe, die sich gerne<br />

zurückziehen wolle: „Der Nachwuchs will die Mission nicht<br />

übernehmen“, beteuert Ünal. Man habe die richtige Person<br />

einfach noch nicht gefun<strong>de</strong>n.<br />

KEIN GELD MEHR ODER DOCH EIN WENIG?<br />

Zu <strong>de</strong>n Sparmaßnahmen <strong>de</strong>r Stadt sagt er schlicht: „Die<br />

Info habe ich nicht“. Er gehe nach einem Gespräch mit <strong>de</strong>m<br />

Kulturamt im Dezember von einer Kürzung um zehn bis<br />

fünfzehn Prozent aus. Warum <strong>de</strong>r Vereinsvorsitzen<strong>de</strong> von<br />

<strong>de</strong>r Kürzung nichts weiß, Mahmut Canbay dagegen schon,<br />

bleibt unerfindlich.<br />

Die kulturpolitischen Akteure <strong>de</strong>r Parteien halten sich<br />

<strong>de</strong>rzeit be<strong>de</strong>ckt. Die Grünen haben noch Beratungsbedarf,<br />

Brigitta von Bülow plädiert aber für <strong>de</strong>n Erhalt <strong>de</strong>r Bühne.<br />

Auch Anke Brunn (SPD) will sich nicht zur Bühne <strong>de</strong>r Kulturen<br />

äußern, versteht sie aber als wichtigen Tanzstandort.<br />

Ralph Elster (CDU) sieht die Lösung eher in <strong>de</strong>r Professionalisierung<br />

<strong>de</strong>s interkulturellen Ansatzes <strong>de</strong>r BdK, damit<br />

sie aus <strong>de</strong>m Etat <strong>de</strong>r Freien Szene geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n könne.<br />

Als Ort semiprofessioneller Interkultur möchte wie<strong>de</strong>rum<br />

Thor Zimmermann die Bühne gesichert wissen. Die Bühne<br />

<strong>de</strong>r Kulturen mit ihrem interkulturellen Schwerpunkt ist<br />

ganz offensichtlich schwer vermintes Gelän<strong>de</strong>, vor allem so<br />

kurz vor <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>stagswahl. Schlimmer noch: Niemand<br />

verfügt <strong>de</strong>rzeit über ein tragfähiges Konzept, die Verwaltung<br />

möchte die <strong>de</strong>rzeitigen Betreiber und die Finanzbelastung<br />

loswer<strong>de</strong>n und die Politik schweigt diplomatisch. Mehr<br />

Abgrund geht nicht. HANS-CHRISTOPH ZIMMMERMANN

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