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PhYsik und Industrie - Felix Wuersten

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Physik <strong>und</strong> <strong>Industrie</strong><br />

Eine erfolgreiche Partnerschaft<br />

zwischen Hochschule <strong>und</strong> Praxis


Inhalt<br />

STANDPUNKT<br />

Eine fruchtbare Beziehung 2<br />

Louis Pasteur als Vorbild 3<br />

Interview mit ETH-Vizepräsident Prof. Ulrich W. Suter<br />

über die Rolle der ETH als Partner der <strong>Industrie</strong><br />

ZUSAMMENARBEIT KONKRET<br />

Die Suche nach dem «Gott-Teilchen» 6<br />

Erfolg mit kleinen Sensoren 8<br />

Ultraschnelle Festkörperlaser 9<br />

Spurennachweis mit Laserlicht 10<br />

Gut verb<strong>und</strong>en 11<br />

Mehr Sinn fürs Hören 12<br />

AUSSENSICHT<br />

Den Zugang erleichtern 14<br />

Vier Physikabsolventen der ETH Zürich über die<br />

Zusammenarbeit zwischen <strong>Industrie</strong> <strong>und</strong> Hochschule<br />

Die Schweiz im Vergleich 18<br />

Staatliche Forschungsfinanzierung in verschiedenen Ländern<br />

IM GESPRÄCH<br />

Ein vielfältiges Berufsbild 20<br />

Physik-Alumni im Porträt<br />

AKTUELLE ZUSAMMENARBEITEN<br />

Eine Auswahl von Projekten 25<br />

Impressum 29


Liebe Leserin, lieber Leser<br />

Seit Jahren stagniert die Schweizer Wirtschaft. Der Desindustrialisierung<br />

steht neuerdings auch bei den Dienstleistungen<br />

kein kompensierendes Wachstum mehr entgegen.<br />

Um im globalen Wettbewerb zu bestehen, muss die<br />

Schweiz am Markt zeitgerecht mit Innovationen auftreten,<br />

die dank Wettbewerbsvorsprung den Firmen hohe Margen<br />

ermöglichen.<br />

Es ist ein Glück, dass wir mit der ETH Zürich eine renommierte<br />

Hochschule von Weltruf besitzen, die dazu<br />

die entscheidende Voraussetzung bietet. Es ist nicht die<br />

Aufgabe der ETH, konkrete Produkte <strong>und</strong> Dienstleistungen<br />

für die <strong>Industrie</strong> zu entwickeln. Aber sie bildet<br />

die nötige Wissens- <strong>und</strong> Könnensquelle, um mit Aus<strong>und</strong><br />

Weiterbildung, in Kooperation mit Firmen <strong>und</strong><br />

über Spin-off-Gründungen die Innovationsgr<strong>und</strong>lagen<br />

bereitzustellen, die dann von den Firmen am Markt<br />

umgesetzt werden.<br />

Dabei kommt dem Departement Physik eine besondere<br />

Stellung zu. Obwohl es keine «physikalische <strong>Industrie</strong>»<br />

gibt, baut ein enormer Teil der Technik auf der Physik<br />

auf. Beispiele sind Mikroelektronik, Materialwissenschaft,<br />

Informatik oder Maschinenbau. Deshalb arbeiten<br />

die ETH-Physikerinnen <strong>und</strong> -Physiker seit langem<br />

intensiv <strong>und</strong> erfolgreich mit der <strong>Industrie</strong> zusammen,<br />

sei es mit grossen internationalen Konzernen, sei es in<br />

Projekten mit kleinen Start-up-Firmen. Verschiedene<br />

Forschergruppen dieses Departements pflegen auch enge<br />

Beziehungen mit Jungunternehmen im Technopark ®<br />

Zürich.<br />

Das Departement Physik möchte im Jubiläumsjahr der<br />

ETH Zürich der Öffentlichkeit seine vielfältigen Partnerschaften<br />

mit der industriellen Praxis vorstellen. Konkrete<br />

Beispiele zeigen auf, welche Motive die Forscherinnen<br />

<strong>und</strong> Forscher verfolgen, welche Erfahrungen sie dabei<br />

gemacht haben, welche Erwartungen von Seiten der<br />

<strong>Industrie</strong> bestehen <strong>und</strong> welche Hindernisse es zu überwinden<br />

gilt.<br />

Es fällt immer wieder auf, in welch vielfältiger Weise<br />

Absolventen des Studiengangs Physik dank ihrer systemorientierten<br />

Ausbildung eingesetzt werden. Auch hierzu<br />

werden in diesem Heft Beispiele gezeigt.<br />

Dr. Thomas von Waldkirch<br />

Präsident Stiftungsrat Technopark®<br />

1


STANDPUNKT<br />

Eine fruchtbare Beziehung<br />

Physik ist eine Naturwissenschaft.<br />

Sie fragt, wie die Welt beschaffen<br />

ist, welche Grenzen es gibt <strong>und</strong> was<br />

möglich sein könnte. Anders als etwa<br />

Ingenieure suchen Physiker nicht primär<br />

nach Lösungen für konkrete Probleme,<br />

sondern nach gr<strong>und</strong>legenden<br />

Zusammenhängen. Deshalb erstaunt<br />

es nicht, dass wichtige technische Entwicklungen<br />

immer wieder auf Einsichten<br />

in der Physik zurückgehen.<br />

Die moderne Kommunikationstechnik<br />

etwa wäre ohne die Arbeiten über<br />

Elektromagnetismus, Elektronik,<br />

Quantenmechanik <strong>und</strong> Quantenoptik<br />

im 19. <strong>und</strong> 20. Jahrh<strong>und</strong>ert schlicht<br />

<strong>und</strong>enkbar. Das Internet, das unseren<br />

Alltag in den letzten Jahren stark<br />

verändert hat, ist letztlich entstanden,<br />

weil Teilchenphysiker das World-<br />

Wide-Web entwickelten, um die gewaltigen<br />

Datenmengen ihrer Forschung<br />

effizient verarbeiten zu können. Umgekehrt<br />

können praktische Fragestellungen<br />

zu f<strong>und</strong>amental Neuem führen.<br />

Der Transistor als ein gezielt gesuchter<br />

Ersatz für die Verstärkerröhre oder<br />

die Entdeckung der Wellennatur des<br />

Elektrons beim Verbessern der Elektronenröhre<br />

sind gute Beispiele.<br />

Zürich für die <strong>Industrie</strong> nach wie vor<br />

attraktive Partner. Wer als technisch<br />

orientierter Hochschulphysiker Erfolg<br />

haben will, muss weit über den heutigen<br />

Stand der Technik hinaus denken<br />

<strong>und</strong> Probleme ansprechen, die sich<br />

für die <strong>Industrie</strong> vielleicht erst am<br />

Horizont abzeichnen.<br />

Grosse Herausforderung<br />

Ein solches Thema ist etwa die<br />

Taktrate von Computern. Diese lässt<br />

sich in herkömmlichen Mikroprozessoren<br />

ab einem gewissen Punkt nur<br />

noch mit grossem Aufwand steigern.<br />

Optische Taktgeber sind eine mögliche<br />

Alternative; die heute bekannten<br />

Konzepte überzeugen allerdings noch<br />

nicht, es fehlen nach wie vor wichtige<br />

«Puzzleteile». Ein Durchbruch kann<br />

nur mit zusätzlicher Forschung erreicht<br />

werden. Für die <strong>Industrie</strong> ist<br />

diese Phase eine grosse Herausforderung:<br />

Kurzfristig soll ein weites Spektrum<br />

von möglichen Lösungswegen<br />

ausgelotet werden. Physiker an Hochschulen<br />

sind geeignete Partner, da sie<br />

gwohnt sind, sich auf unbekanntes<br />

Terrain vorzuwagen <strong>und</strong> über spezifische<br />

Qualitifkationen verfügen.<br />

Für die <strong>Industrie</strong> zahlt sich eine solche<br />

langfristig orientierte Zusammenarbeit<br />

mehrfach aus. Erstens kann sie<br />

mit Hilfe der Hochschule Probleme<br />

lösen, die mittel- bis langfristig die<br />

technische Entwicklung behindern.<br />

Zweitens kann sie – je nach Vertrag<br />

– zu wertvollem geistigem Eigentum<br />

kommen. Und drittens werden durch<br />

solche Projekte Nachwuchsforscher<br />

ausgebildet, die später als qualifizierte<br />

Arbeitskräfte zur Verfügung stehen.<br />

Absolventen eines Studiums in Physik<br />

sind auf dem Arbeitsmarkt begehrt,<br />

weil sie dank ihrer Vielseitigkeit <strong>und</strong><br />

der Fähigkeit, Probleme selbständig<br />

zu lösen, in unterschiedlichen Bereichen<br />

erfolgreich wirken können.<br />

Eine Hochschule wie die ETH Zürich<br />

hat die Aufgabe, Erkenntnisse zu<br />

gewinnen <strong>und</strong> sie der Gesellschaft zugänglich<br />

zu machen. In der <strong>Industrie</strong><br />

wird dieses Wissen umgesetzt. Erfolgreiche<br />

Firmen pflegen die Zusammenarbeit<br />

mit der Hochschule nicht nur,<br />

um als attraktiver Arbeitgeber aufzutreten,<br />

sondern auch, um ihre Innovationskraft<br />

zu stärken.<br />

Bertram Batlogg, Ursula Keller<br />

<strong>und</strong> Gert Viertel<br />

Die drei Autoren sind Professoren am Departement<br />

Physik der ETH Zürich.<br />

Verändertes Umfeld<br />

Physik <strong>und</strong> <strong>Industrie</strong> bilden seit langem<br />

eine fruchtbare Partnerschaft. In<br />

den letzten Jahren hat sich das Umfeld<br />

dieser Beziehung aber verändert.<br />

Die Firmen stehen unter Druck, ihre<br />

Mittel möglichst zielgerichtet einzusetzen.<br />

Nur noch wenige der ehemals<br />

grossen industriellen Forschungslabors<br />

haben den Umbau der <strong>Industrie</strong><br />

überstanden. Die Produktzyklen<br />

werden immer kürzer, doch bleibt<br />

es das Ziel, Forschungsresultate zum<br />

kompetitiven Vorteil auszunützen. Bis<br />

die Erkenntnisse der Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />

in Produkte umgesetzt werden,<br />

verstreicht aber oft etliche Zeit.<br />

Gerade weil sich das wirtschaftliche<br />

Umfeld verändert hat, sind die Physikerinnen<br />

<strong>und</strong> Physiker der ETH<br />

«Für die <strong>Industrie</strong> zahlt sich eine solche<br />

Zusammenarbeit mehrfach aus.»<br />

2


STANDPUNKT<br />

Louis Pasteur als Vorbild<br />

Die ETH Zürich ist bestrebt, die Zusammenarbeit mit der <strong>Industrie</strong> zu intensivieren.<br />

ETH-Vizepräsident Ulrich W. Suter erklärt, welchem Ideal die<br />

Forschenden dabei nacheifern sollten.<br />

Herr Suter, welche Instrumente setzt<br />

die ETH Zürich konkret ein, um die<br />

Zusammenarbeit mit der <strong>Industrie</strong><br />

zu fördern?<br />

Wir verfügen über eine ganze Reihe<br />

von Instrumenten, etwa die Stabsstelle<br />

«ETH transfer» oder verschiedene<br />

Transferinstitute, die einzelne<br />

Professoren gegründet haben. Dabei<br />

geht es darum, Partnerschaften anzuregen,<br />

die Zusammenarbeit mit<br />

der Wirtschaft zu unterstützen <strong>und</strong><br />

Technologien, die an der ETH Zürich<br />

erarbeitet werden, gemeinsam<br />

mit der <strong>Industrie</strong> auf den Markt zu<br />

bringen.<br />

Das Beispiel Physik zeigt, dass die<br />

Möglichkeiten der Zusammenarbeit<br />

vielfältig sind. So entwickelt etwa<br />

die <strong>Industrie</strong> eigens für die Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />

neue Technologien.<br />

Gerade die intensive Wechselwirkung<br />

mit der <strong>Industrie</strong> ist eine grosse<br />

Stärke der Forschung. Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />

ist übrigens ein Wort,<br />

das ich unglücklich finde. Es suggeriert,<br />

man habe keinerlei Vision,<br />

was man mit den Erkenntnissen machen<br />

könnte. Das entspricht nicht<br />

der Realität. Auch ein Kosmologe<br />

hat eine Vision, er möchte nämlich<br />

das Weltbild verändern.<br />

Welche Bezeichnung wäre denn angemessen?<br />

Ich persönlich bevorzuge eine Unterteilung<br />

anhand von zwei Kriterien:<br />

Forschung kann erstens von<br />

möglichen Anwendungen getrieben<br />

sein; <strong>und</strong> sie kann sich zweitens für<br />

die Gr<strong>und</strong>lagen interessieren. Zu<br />

der Forschung,<br />

die nur von der<br />

Anwendung getrieben<br />

ist. Dazu<br />

gehören etwa die<br />

Arbeiten Thomas Alva Edisons. Diese<br />

Forschung wird im Edison-Quadranten<br />

zusammengefasst. Solche<br />

Projekte machen wir an der ETH<br />

Zürich in der Regel nicht. Dann<br />

gibt es Forschung, die sich nur für<br />

die Gr<strong>und</strong>lagen interessiert. Niels<br />

Bohr ist da ein typischer Vertreter,<br />

deshalb fassen wir diese Arbeiten im<br />

«Auch ein Kosmologe hat<br />

eine Vision, er möchte das<br />

Weltbild verändern.»<br />

Bohr-Quadranten zusammen. Solche<br />

Forschung gibt es an der ETH<br />

Zürich auch.<br />

Uns interessiert jedoch vor allem<br />

der vierte Sektor, der Pasteur-Quadrant.<br />

Dort sind Forschungsprojekte<br />

angesiedelt, die sowohl an<br />

Gr<strong>und</strong>lagenwissen interessiert sind<br />

als auch sich an möglichen Anwendungen<br />

orientieren. Louis Pasteur<br />

entdeckte wichtige wissenschaftliche<br />

Gr<strong>und</strong>lagen, gleichzeitig hatte seine<br />

Arbeit eine immense Bedeutung für<br />

das tägliche Leben, <strong>und</strong> er arbeitete<br />

eng mit Firmen zusammen. Unsere<br />

Hauptaktivität sollte deshalb im<br />

Pasteur-Quadranten liegen.<br />

Welche Rolle spielen die Bedürfnisse<br />

der Wirtschaft bei der strategischen<br />

Ausrichtung der ETH?<br />

Eine sehr wichtige. Wir pflegen viele<br />

Kontakte zur Wirtschaft. Das stimuliert<br />

auch die Forschung. Häufig<br />

ist es so, dass ein Forscher bei einer<br />

praktischen Frage merkt, dass man<br />

noch zuwenig weiss <strong>und</strong> es weitere<br />

Gr<strong>und</strong>lagen braucht. Genau darum<br />

geht es beim Pasteur-Modell: Das<br />

Wissen um die Relevanz ist entscheidend.<br />

Könnte man den Dialog mit der<br />

Wirtschaft noch verbessern?<br />

Ja. Mit den grossen Firmen war der<br />

Dialog einmal sehr gut. Viele Firmen<br />

haben allerdings ihre Forschungsaktivitäten<br />

reduziert <strong>und</strong> Labors geschlossen.<br />

Das hat den Dialog natürlich<br />

erschwert. Mit den kleinen <strong>und</strong><br />

mittleren Firmen<br />

funktioniert der<br />

Austausch noch<br />

nicht so, wie wir<br />

uns das vorstellen.<br />

Aus diesem Gr<strong>und</strong> möchten wir den<br />

Zugang an die ETH für KMU verbessern.<br />

Wir versuchen beispielsweise<br />

zusammen mit dem Branchenverband<br />

«Swissmem», den Dialog zu<br />

verstärken. Wir unterstützen auch<br />

Firmengründungen aus der ETH.<br />

Solche Firmen sind in den ersten<br />

Jahren volkswirtschaftlich natürlich<br />

3


STANDPUNKT<br />

noch nicht interessant, aber längerfristig<br />

sind sie für das Wohlergehen<br />

eines Landes wichtig.<br />

Aus Fachkreisen wird immer wieder<br />

bemängelt, es fehle in der Schweiz<br />

an Startkapital.<br />

In der Schweiz gibt es zwar sehr viel<br />

Geld, aber wir haben nicht genügend<br />

Gefässe, die Kapital auch mit<br />

Risiko einsetzen. Ich denke, unsere<br />

Banken können diese Aufgabe nicht<br />

übernehmen. Denn Risikobanken<br />

haben einen ganz anderen Ansatz<br />

als die klassischen Finanzinstitute.<br />

Die ETH hat<br />

mit zehn <strong>Industrie</strong>partnern<br />

die<br />

Firma «Venture<br />

incubator» gegründet.<br />

Wir haben das aus «Verzweiflung»<br />

getan, weil es in der<br />

Schweiz zu wenige solcher Gefässe<br />

gab. Insgesamt hinken wir – wie andere<br />

europäische Länder auch – immer<br />

noch weit hinter den USA her.<br />

Wie funktioniert die Zusammenarbeit<br />

mit grossen Konzernen?<br />

Mit den grossen Firmen ist es relativ<br />

einfach. Sie verfügen über professionelle<br />

Strukturen <strong>und</strong> haben schon<br />

H<strong>und</strong>erte von Verträgen abgeschlossen.<br />

Mit Grossfirmen schliessen<br />

wir Rahmenverträge ab, welche die<br />

komplizierten Sachen regeln, sodass<br />

die einzelnen Forschungsverträge<br />

einfach werden.<br />

Bei kleinen Firmen hingegen besteht<br />

die Schwierigkeit, dass sich<br />

zwei völlig unterschiedliche Partner<br />

finden müssen. Es gibt da auch eine<br />

Reihe von schönen Erfolgen, aber<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich braucht es mit solchen<br />

Unternehmen einen bewussteren<br />

Umgang.<br />

Wie unterstützen Sie Forscher, die<br />

eine Zusammenarbeit mit der <strong>Industrie</strong><br />

suchen?<br />

Wir haben zum Beispiel «ETH<br />

transfer» als interne Anlaufstelle, die<br />

sehr stark genutzt wird. Jeder Vertrag<br />

mit einem Gesamtvolumen von<br />

«Viele ETH-Professoren<br />

haben Erfahrungen in<br />

der Wirtschaft gesammelt.»<br />

mehr als 50 000 Franken wird von<br />

«ETH transfer» geprüft <strong>und</strong> muss<br />

von mir genehmigt werden. Günstig<br />

ist sicher, dass etwa 40 Prozent aller<br />

Professoren an der ETH Zürich Erfahrungen<br />

in der Wirtschaft gesammelt<br />

haben. Das ist im Vergleich<br />

mit anderen Universitäten sehr viel.<br />

Wie sehen Sie die Rollenverteilung<br />

zwischen den Fachhochschulen <strong>und</strong><br />

der ETH?<br />

Traditionell werden Fachhochschulen<br />

<strong>und</strong> Universitäten in zwei verschiedene<br />

Korsetts eingeb<strong>und</strong>en<br />

– hier die Universitäten<br />

im Bohr-<br />

Quadranten, dort<br />

die Fachhochschulen<br />

im Edison-<br />

Quadranten. Ich bin absolut gegen<br />

diese strikte Trennung; es sollte in<br />

diesem Bereich einen freien Markt<br />

geben. Bohr hat nicht viel gemacht,<br />

das wirtschaftlich stimulierend war,<br />

<strong>und</strong> Edison hat nicht viel von dem<br />

verstanden, was er machte. Die beiden<br />

hätten kaum miteinander reden<br />

können. Wie gesagt, entscheidend<br />

ist der Pasteur-Quadrant.<br />

Einige Fachhochschulen sind in gewissen<br />

Fachgebieten ausgesprochen<br />

gut; sie sollten deshalb auch die<br />

Freiheit haben, sich so zu betätigen,<br />

wie sie möchten.<br />

Welchen Stellenwert nimmt in dieser<br />

Hinsicht das Departement Physik<br />

an der ETH Zürich ein?<br />

Die Physik ist eine unserer grossen<br />

Stärken. Sie hat Fantastisches für die<br />

Wissenschaft geleistet <strong>und</strong> gleichzeitig<br />

wichtige Beiträge für die Wirtschaft<br />

erbracht. Ich denke da konkret<br />

an die Halbleitertechnik, an<br />

nichtlineare optische Materialien,<br />

an die Lasertechnik, die Sensorik<br />

oder an supraleitende Materialien.<br />

Wie wird sich die Zusammenarbeit<br />

der ETH mit der <strong>Industrie</strong> in den<br />

nächsten Jahren entwickeln?<br />

Die Zusammenarbeit wird sich eher<br />

intensivieren. Gerade in der Physik<br />

bestehen schon seit langem gute Beziehungen<br />

zur <strong>Industrie</strong>. Generell<br />

ist es heute an der ETH nicht mehr<br />

unanständig, Dinge zu machen, die<br />

sich am Ende verkaufen oder die<br />

sich in verkaufbare Produkte umsetzen<br />

lassen. Der Pasteursche Aspekt<br />

wird deshalb weiter an Bedeutung<br />

gewinnen.<br />

Interview: <strong>Felix</strong> Würsten<br />

Zur Person<br />

Ulrich W. Suter studierte<br />

Chemie an<br />

der ETH Zürich <strong>und</strong><br />

schloss 1973 seine<br />

Dissertation ab. Danach<br />

war er Postdoctoral<br />

Researcher<br />

an der Stanford University.<br />

Von 1976 bis 1981 forschte er<br />

als Oberassistent an der ETH Zürich.<br />

Nach einem einjährigen Aufenthalt<br />

als Visiting Scientist am IBM Almaden<br />

Research Center in San Jose (Kalifornien)<br />

wurde er 1982 als Professor ans<br />

Massachusetts Institute of Technology<br />

(MIT) berufen. Zwischen 1988 <strong>und</strong> 2001<br />

war er Professor für Makromolekulare<br />

Chemie an der ETH Zürich. Seit Dezember<br />

2001 ist Ulrich W. Suter Vizepräsident<br />

für Forschung <strong>und</strong> Mitglied der<br />

Schulleitung der ETH Zürich.<br />

4


ZUSAMMENARBEIT KONKRET<br />

Die Suche nach dem «Gott-Teilchen»<br />

Mit einem neuen Teilchenbeschleuniger suchen Physiker des CERN <strong>und</strong><br />

der ETH Zürich nach den Gr<strong>und</strong>bausteinen der Materie. Am Grossprojekt<br />

sind Firmen aus der ganzen Welt beteiligt. Die Partnerschaft zwischen<br />

Wissenschaft <strong>und</strong> <strong>Industrie</strong> ist eine Erfolgsgeschichte.<br />

Im Superlativ soll man nicht schreiben.<br />

Das wird an jeder Journalistenschule<br />

gelehrt. Wer sich mit Teilchenphysik<br />

befasst, braucht ihn aber oft,<br />

den Superlativ. Zwar sind die Teilchenphysiker<br />

den Gr<strong>und</strong>bausteinen<br />

der Materie auf der Spur, die nicht<br />

unbedingt der Steigerungsform bedürfen.<br />

Die Anlagen aber, mit denen die<br />

Physiker arbeiten, sind riesig – <strong>und</strong><br />

entsprechend teuer. Der Bau eines<br />

Teilchenbeschleunigers verschlingt so<br />

viel Geld, dass sich mehrere Länder<br />

die Kosten aufteilen müssen. Am Europäischen<br />

Labor für Teilchenphysik<br />

(CERN) bei Genf zum Beispiel beteiligen<br />

sich zwanzig Länder an den<br />

laufenden Kosten von r<strong>und</strong> 1,3 Mrd.<br />

Franken pro Jahr. Auch der «Large<br />

Hadron Collider» (LHC), der grösste<br />

Teilchenbeschleuniger, der bisher<br />

gebaut wurde <strong>und</strong> 3,1 Mrd. Franken<br />

kosten wird, übertrifft so manches andere<br />

Projekt.<br />

Mit dem LHC wollen die Forscher<br />

tief in die Materie eindringen, Protonen<br />

mit Protonen kollidieren lassen<br />

<strong>und</strong> dann die Teilchen beobachten,<br />

die entstehen. Unter anderem hoffen<br />

die Physiker, dass sie dabei das Higgs-<br />

Boson nachweisen können. Das in<br />

den Medien auch schon als «Gott-Teilchen»<br />

bezeichnete Boson ist für die<br />

Masse der Materie verantwortlich <strong>und</strong><br />

wichtiger Bestandteil im Standardmodell<br />

der Teilchenphysik.<br />

Führende Rolle der ETH Zürich<br />

Für die Beobachtung <strong>und</strong> wissenschaftliche<br />

Auswertung benötigt man<br />

am LHC riesige Detektoren. Einer davon<br />

ist der CMS-Detektor (Compact<br />

Muon Solenoid), der von Physikern<br />

<strong>und</strong> Ingenieuren der ETH Zürich<br />

<strong>und</strong> <strong>Industrie</strong>partnern mitentwickelt<br />

wurde. Unter anderem sind Mitarbeiter<br />

der ETH für den supraleitenden<br />

Magneten, das Kristall-Kalorimeter<br />

<strong>und</strong> Teile der Elektronik verantwortlich.<br />

«Unser Institut war bis 1991<br />

im Rahmen einer Kollaboration am<br />

Protonenbeschleuniger SSC in Dallas<br />

tätig. Aufgr<strong>und</strong> der politischen Entwicklung<br />

am SSC zog sich die Kollaboration<br />

zurück <strong>und</strong> arbeitete einen<br />

Vorschlag für den LHC am CERN<br />

aus», blickt der ETH-Ingenieur Istvan<br />

Horvath zurück. «Für dieses Projekt<br />

war die Entwicklung eines supraleitenden,<br />

aluminium-stabilisierten <strong>und</strong><br />

mechanisch verstärkten Leiters notwendig.<br />

Auf Anregung des CERN hat<br />

das Institut für Hochenergiephysik<br />

der ETH unter der Leitung von Prof.<br />

Hofer diese Entwicklung an die Hand<br />

genommen.»<br />

Supraleitender Grossmagnet<br />

Horvath war damals als Projektleiter<br />

für die Entwicklung des Supraleiters<br />

verantwortlich. «Im Januar 1993<br />

haben wir Firmen aus der Schweiz zu<br />

einer Tagung an die ETH eingeladen»,<br />

erinnert er sich. «Zuerst informierten<br />

wir die Firmen über den Stand des<br />

Projekts, <strong>und</strong> anschliessend zeigten<br />

diese, welche Erfahrungen sie einbringen<br />

können.»<br />

Schliesslich kam es zur Zusammenarbeit,<br />

die eines erneuten Superlativs<br />

bedarf: Innert kurzer Zeit entwickelten<br />

die <strong>Industrie</strong>partner aus dem In<strong>und</strong><br />

Ausland neue Techniken für die<br />

Herstellung eines supraleitenden Magneten,<br />

der mit einer Magnetfeldstärke<br />

von 4 Tesla eine gespeicherte Energie<br />

von 2,7 Giga-Joule aufweist <strong>und</strong> 220<br />

Tonnen wiegt.<br />

Doch der Reihe nach. Das finnische<br />

Unternehmen Outokumpu lieferte den<br />

technisch besten <strong>und</strong> finanziell günstigsten<br />

Draht für den Supraleiter – insgesamt<br />

1947 Kilometer einer Niob-Titan-Legierung<br />

mit einem Durchmesser<br />

von nur 1,280 Millimetern. In Espoo<br />

ist man auf den Auftrag sehr stolz<br />

<strong>und</strong> verweist auf die beiden Auszeichnungen,<br />

die Outokumpu-Manager Ari<br />

Ingman vom CERN für die geleistete<br />

Arbeit entgegennehmen durfte. (Auch<br />

die im Folgenden angeführten Unternehmen<br />

wurden mit einem «CMS<br />

Award» ausgezeichnet.)<br />

Die Drähte wurden anschliessend bei<br />

Brugg Cables in der Schweiz weiterverarbeitet.<br />

Das Unternehmen hat bereits<br />

seit den achtziger Jahren Erfahrungen<br />

mit Supraleitern gesammelt, u. a. in<br />

Zusammenarbeit mit dem damaligen<br />

Schweiz. Institut für Nuklearforschung<br />

(dem heutigen Paul Scherrer<br />

Institut) in Villigen. In Brugg wurden<br />

nun jeweils 32 Drähte zu 22 Flachkabeln<br />

verseilt. «Wir mussten zuerst den<br />

Verseilprozess erlernen <strong>und</strong> anschliessend<br />

die Werkzeuge selbst herstellen»,<br />

sagt Horvath. Überwacht wurde der<br />

Prozess von der EMPA Dübendorf.<br />

Entwicklungsleiter Peter Schreiner von<br />

Brugg Cables bezeichnet den Auftrag<br />

als wichtigen Türöffner, um sich als<br />

zuverlässiger Verseilpartner im High-<br />

Tech-Bereich für Drahtlieferanten zu<br />

positionieren.<br />

Kaskade von Partnerschaften<br />

Schliesslich wurden die Flachkabel<br />

in Aluminium eingeschlossen. Dafür<br />

verwendeten die Ingenieure von Nexans<br />

Suisse hochreines Aluminium<br />

des japanischen Unternehmens Sumitomo<br />

Chemicals. «Sumitomo kam<br />

durch die Ausschreibung mit uns in<br />

Kontakt. Sie lieferten die beste Qualität<br />

zu einem günstigen Preis», lobt<br />

Horvath – was Sumitomo-Direktor<br />

Hideaki Watanabe stolz bestätigt.<br />

Auch die Arbeit von Nexans wird als<br />

exzellent beschrieben. Das Unternehmen<br />

war als einzige Firma weltweit in<br />

der Lage, die Aufgabe zu übernehmen.<br />

Zusammen mit Horvath entwickelte<br />

Nexans-Projektmanager Boris Dardel<br />

spezifische Werkzeuge für die Extrusion<br />

– die Zusammenarbeit würdigt<br />

der ETH-Ingenieur als hervorragend.<br />

6


ZUSAMMENARBEIT KONKRET<br />

Der Extrusionsprozess wiederum wurde<br />

durch eine Ultraschall-Einrichtung<br />

überwacht, welche die EMPA <strong>und</strong> die<br />

französische Firma R/D-Tech gemeinsam<br />

entwickelten. Projektmanager<br />

Dardel blickt zufrieden zurück: «Für<br />

Nexans ist es ein Highlight, dass das<br />

Unternehmen im CMS-Projekt eine<br />

entscheidende Rolle spielte.»<br />

Weitere Schritte folgten: Die Firma<br />

Alcan steuerte Verstärkungsprofile aus<br />

einer Aluminium-Legierung bei, die<br />

beiden Schweizer Unternehmen Marti<br />

Supratec <strong>und</strong> Helbling Technik entwickelten<br />

eine spezielle Messtechnik, die<br />

französische Techmeta verband die<br />

einzelnen Komponenten des supraleitenden<br />

Kabels mittels Elektronenschweissverfahren<br />

zu einer Einheit,<br />

<strong>und</strong> die italienische Ansaldo Superconduttori<br />

fabrizierte schliesslich daraus<br />

die fünf Magnetspulen.<br />

«Für mich war es eine schöne <strong>und</strong><br />

interessante Aufgabe, zwischen der<br />

ETH <strong>und</strong> der <strong>Industrie</strong> im In- <strong>und</strong><br />

Ausland die Verbindung herzustellen<br />

<strong>und</strong> immer wieder zu aktivieren», sagt<br />

Istvan Horvath. «Dank der gewonnenen<br />

Erfahrung wurden wir auch von<br />

anderen Instituten – zum Beispiel dem<br />

FermiLab in den USA oder dem KEK<br />

in Japan – angefragt, ihnen bei der Lösung<br />

ähnlicher Aufgaben behilflich zu<br />

sein.»<br />

Nutzen für die Allgemeinheit<br />

Auch Felicitas Pauss, Professorin<br />

am Institut für Teilchenphysik der<br />

ETH Zürich <strong>und</strong> Projektleiterin des<br />

CMS-Detektors, betont die guten Erfahrungen,<br />

die sie in der Zusammenarbeit<br />

mit Ingenieuren <strong>und</strong> Physikern<br />

machte. «Wichtig ist, dass man bei<br />

einem so grossen Projekt den Überblick<br />

behält, Prioritäten setzt <strong>und</strong> vor<br />

allem sehr gut kommuniziert.» Und<br />

Horvath meint: «Man muss genügend<br />

Verständnis für die Anforderungen<br />

der Physiker aufbringen <strong>und</strong> darf<br />

die <strong>Industrie</strong> nicht mit unlösbaren<br />

Aufgaben überfordern.» Auch Robert<br />

Aymar, seit Januar 2004 Direktor des<br />

CERN, unterstreicht den Nutzen, den<br />

die Zusammenarbeit von Pysikerinnen<br />

<strong>und</strong> Physikern mit <strong>Industrie</strong>partnern<br />

bringt. Zum Beispiel berge die<br />

Hochtechnologie grosses Potenzial,<br />

das auch in anderen Bereichen angewendet<br />

werden könne, etwa in der<br />

Medizin. Aymar: «Ich denke, dass<br />

sich der Nutzen für die Allgemeinheit<br />

auszahlt <strong>und</strong> die Entwicklungskosten<br />

schliesslich bei weitem aufwiegt.»<br />

Alle Elemente des supraleitenden<br />

Magneten sind inzwischen erstellt <strong>und</strong><br />

werden noch in diesem Jahr umfassend<br />

getestet. Danach werden die Spulen<br />

in den CMS-Detektor eingebaut.<br />

Der Large Hadron Collider soll 2007<br />

in Betrieb gehen <strong>und</strong> erste Resultate<br />

liefern – vielleicht auch den Nachweis<br />

für das «Gott-Teilchen». Auf jeden Fall<br />

wird es ein Superlativ sein.<br />

Michael Breu<br />

Kontakt:<br />

Prof. Felicitas Pauss, Institut für Teilchenphysik,<br />

ETH Zürich. Web: www.ipp.phys.ethz.ch/<br />

7


ZUSAMMENARBEIT KONKRET<br />

Erfolg mit kleinen Sensoren<br />

Das Kerngeschäft der Firma Sensirion bilden Chips, die sowohl einen Sensor<br />

als auch die dazugehörige Auswerteschaltung umfassen. Die Gr<strong>und</strong>lagen<br />

dieser Technologie wurden an der ETH Zürich gelegt. Noch heute<br />

pflegt der ETH-Spin-off Kontakte zur Hochschule.<br />

Es ist ein sensitives Geschäft, das die<br />

Firma Sensirion in Zürich Oerlikon<br />

betreibt. Sie bietet Sensorsysteme an,<br />

mit denen man sehr präzise Feuchte,<br />

Temperatur, Massenflüsse von Gasen<br />

wie auch Flüssigkeiten <strong>und</strong> Differenzdrucke<br />

messen kann. Als konkretes<br />

Einsatzbeispiel erzählt einer der Firmengründer,<br />

der Physiker <strong>Felix</strong> Mayer,<br />

von seinen Gasströmungssensoren,<br />

die in Spitälern für die Sauerstoffmessung<br />

gebraucht werden.<br />

Die Flüssigkeitssensoren eignen sich<br />

gemäss dem Geschäftsmann mit ETH-<br />

Vergangenheit u. a. für die Hochdruck-Flüssigkeits-Chromatographie.<br />

In Wetterstationen für den Heimgebrauch<br />

finden sich dagegen Feuchtesensoren,<br />

die in vielen Fällen aus dem<br />

Norden Zürichs stammen. Der Kern<br />

der Sensirion-Produkte, der intelligente<br />

Sensorchip, ist nur einige Millimeter<br />

gross. Daraus resultieren, je nach<br />

Marktsegment, Geräte, die kaum grösser<br />

sind als eine Hand.<br />

Sensor auf Chip<br />

Die Basis für die Sensirion-Geräte<br />

wurde in den neunziger Jahren an<br />

der ETH gelegt. In der Gruppe von<br />

Professor Henry Baltes am Institut<br />

für Quantenelektronik zeigten die<br />

Forscher, dass es möglich ist, sowohl<br />

einen Sensor als auch die dazugehörige<br />

Auswertschaltung auf einen Chip<br />

zu integrieren. Dabei verwendeten die<br />

Wissenschaftler Chips, die auf der<br />

CMOS-Technologie basieren, einer industriellen<br />

Halbleiter-Standardtechnologie.<br />

Auf den CMOS-Chips wurden<br />

Sensorstrukturen implementiert, welche<br />

die gewünschten physikalischen<br />

Parameter wie Feuchte oder Flüssigkeitsdurchfluss<br />

erfassen.<br />

Durch die Verschmelzung von Sensor<br />

<strong>und</strong> Auswerteschaltung wird sichergestellt,<br />

dass die empfindlichen<br />

analogen Sensorsignale unmittelbar<br />

störungsfrei <strong>und</strong> präzise verstärkt<br />

<strong>und</strong> digitalisiert werden können. So<br />

entfallen viele Kontaktstellen, deren<br />

Anzahl die Zuverlässigkeit eines elektronischen<br />

Gerätes bestimmt. Durch<br />

diese Errungenschaften besitzen die<br />

von Sensirion angebotenen Chips zur<br />

Massenflussmessung nicht einmal die<br />

Grösse eines Daumennagels, können<br />

aber Massenflüsse von weniger als 50<br />

Mikroliter pro Minute erfassen. Zudem<br />

weist die Elektronik auf einem<br />

solchen Chip eine Rechenleistung auf,<br />

die gemäss Mayer von keinem Computer<br />

in den siebziger Jahren erreicht<br />

wurde.<br />

Sensirion selbst wurde als Spin-off<br />

von den beiden Doktoranden aus der<br />

Baltes-Gruppe, <strong>Felix</strong> Mayer <strong>und</strong> Moritz<br />

Lechner, 1998 gegründet, nachdem<br />

sie den Business-Plan-Wettbewerb<br />

«Venture» gewonnen hatten. Mit Venture-Kapital,<br />

das einerseits von einer<br />

Privatperson, andererseits von einer<br />

Bank stammte, starteten die Jungunternehmer.<br />

Noch immer sind die<br />

beiden Investoren an der mittlerweile<br />

rentablen <strong>und</strong> gemäss <strong>Felix</strong> Mayer<br />

hoch bewerteten Firma beteiligt.<br />

Auf die Frage, wie sie das Vertrauen<br />

der Investoren gewinnen konnten, erwähnt<br />

Mayer, dass zur Gründungszeit<br />

ein gutes Investitionsklima geherrscht<br />

habe. Zudem sei es wichtig gewesen,<br />

dass man das Marktbedürfnis aufzeigen<br />

konnte. Für den Unternehmer<br />

mit seinen r<strong>und</strong> 50 Angestellten ist<br />

auch heute noch das «A <strong>und</strong> O» des<br />

Erfolges das Gespräch mit dem K<strong>und</strong>en.<br />

Denn hier zeige sich, was wirklich<br />

gewünscht werde. Der Erfolg der ISOzertifizierten<br />

Sensirion manifestiert<br />

sich momentan in Wachstumsraten<br />

von 50 bis 100 Prozent, einer räumlichen<br />

Expansion nach Stäfa <strong>und</strong> dem<br />

Gewinn des «Swiss Economic Award<br />

2004».<br />

Den Kontakt zur ETH Zürich will<br />

Sensirion weiter pflegen. Der Ansprechpartner<br />

ist mittlerweile ETH-<br />

Professor Andreas Hierlemann, der die<br />

Arbeit von Henry Baltes weiterführt.<br />

Der ETH-Forscher betont, dass das<br />

Implementieren mikromechanischer<br />

Elemente auf einem CMOS-Chip immer<br />

noch sehr anspruchsvoll sei.<br />

Vom Rolls Royce zum Smart<br />

Zurzeit ist die Gruppe des ETH-<br />

Forschers in Zusammenarbeit mit<br />

Sensirion dabei, chemische Sensoren<br />

zu entwickeln. Dabei gehe es an der<br />

Hochschule darum, das Prinzip zu<br />

beweisen. Gemäss Hierlemann werde<br />

dafür an der ETH meistens innerhalb<br />

von ungefähr drei Jahren eine «Rolls-<br />

Royce-Version» eines Sensorsystems<br />

entwickelt. Die Produktentwicklung<br />

<strong>und</strong> Fertigung einer breit verkaufbaren<br />

«Smart-Variante» sowie deren<br />

Qualitätssicherung sei dann Aufgabe<br />

von Sensirion.<br />

<strong>Felix</strong> Mayer bestätigt, dass sie in<br />

ihrer Forschungsabteilung vor allem<br />

Produktentwicklung betreiben. Das<br />

beinhalte aber immer noch einen<br />

beachtlichen Teil Forschung <strong>und</strong> sei<br />

nicht nur einfaches Optimieren. Für<br />

ihn ist die ETH neben der Entwicklung<br />

neuer Sensorsysteme vor allem<br />

wegen ihrer Absolventen von Bedeutung.<br />

Denn ein vergleichbares Knowhow<br />

sei sonst in der Schweiz nicht<br />

vorhanden. Andreas Hierlemann ist<br />

froh, dass das Hochschul-Wissen wie<br />

im Fall von Sensirion in die <strong>Industrie</strong><br />

einfliessen kann. Für ihn sei es sehr<br />

lehrreich zu erfahren, was industriell<br />

machbar sei.<br />

Christoph Meier<br />

Kontakt:<br />

Prof. Andreas Hierlemann, Institut für Quantenelektronik,<br />

ETH Zürich.<br />

Web: www.iqe.ethz.ch/pel/<br />

Dr. <strong>Felix</strong> Mayer, Sensirion AG, 8050 Zürich.<br />

Web: www.sensirion.ch/<br />

8


ZUSAMMENARBEIT KONKRET<br />

Ultraschnelle Festkörperlaser<br />

Eigentlich dachte man in den<br />

achtziger Jahren, es sei unmöglich,<br />

kompakte, verlässliche, ultraschnelle<br />

Festkörperlaser herzustellen. Doch<br />

die Physikerin Ursula Keller erfand<br />

Anfang der neunziger Jahre einen<br />

Halbleiter-Chip, der das Tor für den<br />

Alltagseinsatz von kurzgepulsten Festkörperlasern<br />

öffnete. Diese erzeugen<br />

regelmässige Pulse im Pico- <strong>und</strong> Femtosek<strong>und</strong>enbereich<br />

– also Zeitspannen<br />

kürzer als ein Milliardstel einer<br />

Sek<strong>und</strong>e. Kellers Forschungserfolge<br />

führten 1993 zu ihrer Berufung an die<br />

ETH Zürich. Bereits 1995 gründete<br />

sie mit ihrem Mann Kurt Weingarten<br />

den ETH-Spin-off «Time-Bandwidth<br />

Products» (TBWP).<br />

Innerhalb eines KTI-Projekts entwickelte<br />

TBWP den ersten kommerzielle<br />

Prototyp eines dioden-gepumpten<br />

Festköperlasers, basierend auf der so<br />

genannten SESAM-Technologie. Mittlerweile<br />

wurden verschiedene Geräte<br />

entwickelt. Bei den einen wurden die<br />

Leistungen, bei anderen die Taktraten<br />

um mehrere Grössenordnungen verbessert.<br />

Anwendungen finden sich in<br />

der Forschung oder im Telekommunikationsbereich.<br />

Als Beispiel erzählt<br />

Kurt Weingarten von einem Gerät,<br />

mit dem Kalziumionen in Neuronen<br />

in real time verfolgt werden können.<br />

Die Laser mit Leistungen von mehreren<br />

Gigawatt pro Quadratzentimeter<br />

seien auch interessant für die Materialbearbeitung<br />

im Mikro- <strong>und</strong> Nanobereich.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich ist der Firmenchef<br />

überzeugt, dass dank dem guten<br />

Preis-Leistung-Verhältnis seine Geräte<br />

vermehrt von der <strong>Industrie</strong> eingesetzt<br />

werden.<br />

Jenseits der heutigen Technik<br />

Rückblickend ist Weingarten mit<br />

dem Geschäftsgang von TBWP zufrieden.<br />

Hatte er basierend auf Eigenkapital<br />

im kleinsten Rahmen begonnen,<br />

arbeiten heute im Unternehmen,<br />

das schwarze Zahlen schreibt, r<strong>und</strong><br />

15 Personen. Die Einkünfte aus den<br />

hauptsächlich im Ausland verkauften<br />

Lasern investiert TBWP vorwiegend in<br />

die Forschung <strong>und</strong> Entwicklung. Für<br />

die Schweiz von Interesse sind neben<br />

den Geräten die Arbeitsplätze von<br />

TBWP für hoch qualifizierte Hochschulabsolventen.<br />

Die Zusammenarbeit mit der ETH<br />

ermöglicht der Firma einen Einblick,<br />

wo weiteres Entwicklungspotenzial vorhanden<br />

ist. Aus der Praxis kommen<br />

hingegen Impulse, welche Parameter<br />

theoretisch weiter abgeklärt werden<br />

sollten, ergänzt Keller. Kurt Weingarten<br />

<strong>und</strong> Ursula Keller sind sich bewusst,<br />

dass die momentane Win-win-<br />

Situation ändern kann. So erwähnt<br />

die ETH-Professorin, dass sie vermehrt<br />

die Grenzen der Laser jenseits der<br />

SESAM-Technologie ausloten möchte.<br />

Eventuell münden diese Erkenntnisse<br />

wiederum in neuartige Geräte.<br />

Christoph Meier<br />

Kontakt:<br />

Prof. Ursula Keller, Inst. für Quantenelektronik,<br />

ETH Zürich. Web: www.iqe.ethz.ch/ultrafast/<br />

Dr. Kurt Weingarten, Time-Bandwidth Products<br />

Inc., 8005 Zürich. Web: www.tbwp.ch/<br />

9


ZUSAMMENARBEIT KONKRET<br />

Spurennachweis mit Laserlicht<br />

Das farblose Gas Ethylen muss möglichst rein hergestellt werden, damit<br />

es zu Kunststoff weiterverarbeitet werden kann. Deshalb wird der Herstellungsprozess<br />

überwacht. Eine Forschungspartnerschaft zwischen der<br />

ABB <strong>und</strong> dem ETH-Labor für Laserspektroskopie <strong>und</strong> Analytik sucht nach<br />

einem neuen Analysegerät.<br />

52 Zentimeter lang ist es <strong>und</strong> 3,8<br />

breit: das Herzstück, festgeschraubt<br />

auf einem grünen Steintisch im ETH-<br />

Labor für Laserspektroskopie <strong>und</strong> Analytik<br />

auf dem Hönggerberg. An dieses<br />

Stahlrohr führt auf der linken Seite<br />

eine optische Faser heran, in der sich<br />

Laserlicht fortpflanzt. Auf der rechten<br />

Seite ist ein Detektor angebracht. Von<br />

ihm führt eine weitere Verbindung zu<br />

einem Oszilloskop, das rauschende<br />

Linien auf einen Monitor zeichnet<br />

<strong>und</strong> sie einem angeschlossenen Computer<br />

zur Auswertung weiterleitet. Im<br />

Stahlrohr selbst befinden sich zwei<br />

Spiegel, die den Lichtstrahl gefangen<br />

nehmen <strong>und</strong> zwischen sich hin <strong>und</strong><br />

her reflektieren. Nur ganz wenig Licht<br />

gelingt es, auf der rechten Seite wieder<br />

auszutreten <strong>und</strong> auf dem Oszilloskop<br />

ebendiese charakteristischen Linien zu<br />

hinterlassen.<br />

Die Apparatur ist an sich nicht<br />

kompliziert, aber sie hat es in sich,<br />

im wahrsten Sinne des Wortes. Denn<br />

die Apparatur wird von einem Gas<br />

durchflutet – von Ethylen (C 2<br />

H 4<br />

) <strong>und</strong><br />

kleinsten Spuren an Acetylen (C 2<br />

H 2<br />

),<br />

die es zu detektieren gilt. An einer solchen<br />

Anlage ist die Petrochemie interessiert,<br />

in diesem Fall Exxon Mobile.<br />

Der Erdölmulti gelangte an die ABB,<br />

der Technologiekonzern schliesslich<br />

an die ETH Zürich. Das war vor drei<br />

Jahren.<br />

Forschungsziel anpassen<br />

Inzwischen ist aus der Anfrage eine<br />

fruchtbare Partnerschaft zwischen dem<br />

ETH-Labor für Laserspektroskopie<br />

<strong>und</strong> Analytik <strong>und</strong> dem Forschungszentrum<br />

der ABB in Baden-Dättwil<br />

entstanden. «Die ABB hat uns die<br />

Finanzierung für eine Doktorandenstelle<br />

sowie für die nötigen Sachmittel<br />

zugesichert <strong>und</strong> den Themenbereich<br />

vorgegeben», erinnert sich Physikprofessor<br />

Markus W. Sigrist von der ETH.<br />

Ausgehend von einem KTI-Projekt<br />

mit der ABB studierten Sigrist <strong>und</strong><br />

Doktorand Daniel E. Vogler zunächst<br />

minimalste Verluste in Glasfasern mit<br />

einer neuartigen (vorgängig durch<br />

die ETH patentierten) Methode mit<br />

faseroptischen Kavitäten sowie deren<br />

Verwendung für chemische Sensoren.<br />

«Als sich nach eineinhalb Jahren zeigte,<br />

dass das Forschungsziel angepasst<br />

werden musste, war dies für die ETH-<br />

ABB-Zusammenarbeit kein Problem.<br />

Gemeinsam haben wir uns auf die<br />

spektroskopische Konzentrationsbestimmung<br />

von Acetylen festgelegt, ein<br />

interessantes Forschungsgebiet.»<br />

Der Physiker Hubert Brändle von<br />

der ABB pflichtet bei: «Die Forschungspartnerschaft<br />

mit der ETH ist<br />

stimulierend, sie regt fachlich an <strong>und</strong><br />

erlaubt es der ABB, Probleme zu lösen,<br />

für deren Bearbeitung wir keine<br />

Kapazität hätten.» Für den Technologiekonzern<br />

sei es zudem eine Chance,<br />

den Kontakt mit Wissenschaftlern<br />

der ETH zu intensivieren <strong>und</strong> gute<br />

Forscher für die ABB zu rekrutieren.<br />

Doktorand Vogler zum Beispiel hat<br />

von der Firma ein entsprechendes Angebot<br />

erhalten.<br />

Beachtliche Leistung<br />

«Was man nicht darf: Die ETH<br />

zu einer Entwicklungsabteilung der<br />

<strong>Industrie</strong> machen», warnt Brändle.<br />

Diese Einstellung findet Anerkennung<br />

bei Markus Sigrist, der für seine<br />

Forschungsprojekte auf Drittmittel<br />

angewiesen ist, aber auf keinen Fall<br />

die Forschungsfreiheit eingeschränkt<br />

haben will. Bei der Zusammenarbeit<br />

mit ABB war dies auch kein Problem,<br />

bestätigt Daniel Vogler. Zwar mussten<br />

Artikel vor der Publikation in einer<br />

Fachzeitschrift – wie kürzlich in einer<br />

Sondernummer von «Optics and Lasers<br />

in Engineering» – zuerst der ABB<br />

vorgelegt werden; eine Zensur gab es<br />

aber nicht. «Allenfalls hätten wir die<br />

Daten für einige Wochen zurückgehalten<br />

<strong>und</strong> sofort ein Patent eingereicht»,<br />

sagt Brändle.<br />

Rückblickend bezeichnen sowohl<br />

Sigrist <strong>und</strong> Vogler als auch Brändle die<br />

10


ZUSAMMENARBEIT KONKRET<br />

Zusammenarbeit als gute, problemlose<br />

Erfahrung, die man auch mit anderen<br />

Projekten fortführen will.<br />

Im ETH-Labor für Laserspektroskopie<br />

<strong>und</strong> Analytik wird in der Zwischenzeit<br />

am Feinschliff gearbeitet.<br />

Letzte Versuche werden im Stahlrohr<br />

durchgeführt, die Apparatur – im Jargon<br />

als Cavity-Ring-Down-Spektroskopie<br />

bezeichnet – an ihre Grenzen<br />

geführt.<br />

Die Messung, das zeigt das Signal<br />

auf dem Computerschirm, kann zuverlässig<br />

weniger als 60 Acetylenteilchen<br />

in 1 Milliarde Gasteilchen nachweisen!<br />

Eine beachtliche Leistung <strong>und</strong><br />

gute Voraussetzungen, dass die Apparatur<br />

zur Marktreife weiterentwickelt<br />

wird. Für die ETH ist das Projekt mit<br />

dem Abschluss der Dissertation von<br />

Daniel Vogler vorerst beendet.<br />

Sollte die Apparatur dereinst tatsächlich<br />

in einem petrochemischen<br />

Betrieb stehen, wird sie den Herstellungsprozess<br />

von Ethylen überwachen.<br />

Denn kleinste Verunreinigungen von<br />

Acetylen haben einen grossen ökonomischen<br />

Verlust zur Folge: die ganze<br />

Charge muss verbrannt werden.<br />

Michael Breu<br />

Kontakt:<br />

Prof. Markus W. Sigrist, Institut für Quantenelektronik,<br />

ETH Zürich.<br />

Web: www.iqe.ethz.ch/irp/<br />

Dr. Hubert Brändle, ABB Schweiz AG,<br />

Corporate Research, 5405 Baden-Dättwil<br />

Web: www.abb.ch/<br />

Gut verb<strong>und</strong>en<br />

Die Herstellung von elektrischen Verbindungen zu integrierten Schaltkreisen<br />

erfordert höchste Präzision. Das Labor für Physikalische Elektronik<br />

der ETH Zürich entwickelte zusammen mit der Firma ESEC Mikrosensoren,<br />

welche diesen Prozess überwachen.<br />

Drahtverbindungen, so genannte Wirebonds,<br />

werden in der Mikroelektronikfertigung<br />

benutzt, um elektrischen<br />

Kontakt zu integrierten Schaltkreisen<br />

herzustellen. Der Physiker Michael<br />

Mayer, der bis 2004 selbst bei der Firma<br />

ESEC AG in Cham tätig war, ist<br />

mit den Raffinessen von Bondprozessen<br />

bestens vertraut. Bereits während<br />

seiner Doktorarbeit an der ETH Zürich<br />

hat er zusammen mit der Firma<br />

ESEC an einem gemeinsamen Forschungsprojekt<br />

gearbeitet. Die Firma,<br />

mittlerweile Teil der Unaxis-Division<br />

«Unaxis Assembly and Packaging»,<br />

stellt so genannte Bondautomaten<br />

her. Dabei will sie eine möglichst<br />

hohe Präzision <strong>und</strong> Geschwindigkeit<br />

beim Ziehen der Bonds erzielen.<br />

Mayer schildert, dass sich die ESEC<br />

mit einer klar definierten Idee an die<br />

ETH gewandt hat, nämlich Mikrosensoren<br />

zu entwickeln, die Temperatur,<br />

Bondstärke <strong>und</strong> Anpressdruck beim<br />

Erstellen der Wirebonds registrieren.<br />

«Mittels Mikrosensoren wollten wir<br />

das Prozessfenster beim Erstellen der<br />

Bonds genau charakterisieren. Uns<br />

ging es darum, optimale Bondqualität<br />

in möglichst kurzer Zeit zu erzielen.»<br />

Die Kollaboration mit den Professoren<br />

Henry Baltes <strong>und</strong> Andreas Hierlemann<br />

sowie zeitweise Oliver Paul<br />

<strong>und</strong> Oliver Brand, die mittlerweile<br />

Professuren im Ausland angenommen<br />

haben, bezeichnet Mayer als sehr bereichernd<br />

– nicht nur, weil die ETH<br />

über einzigartige Mikrosensor-Technologie<br />

verfügte.<br />

Attraktiver Partner<br />

«Die Zusammenarbeit mit der ESEC<br />

lief über mehrere Jahre hinweg», erinnert<br />

sich ETH-Professor Hierlemann.<br />

«In den letzten vier Jahren hat Michael<br />

Mayer zusammen mit Professor Baltes<br />

<strong>und</strong> dem Doktoranden Jürg Schwizer<br />

das Projekt verfolgt.» Baltes <strong>und</strong> Hierlemann<br />

bestätigen, dass die Entwicklung<br />

der Mikrosensoren im Auftrag<br />

der ESEC stattgef<strong>und</strong>en hat. «Die Forschung<br />

im Bereich Mikrosensor-Technologie<br />

hat uns zu einem attraktiven<br />

Partner für die <strong>Industrie</strong> gemacht.»<br />

Allerdings wäre es nicht sinnvoll,<br />

ausschliesslich Auftragsforschung für<br />

11


ZUSAMMENARBEIT KONKRET<br />

die <strong>Industrie</strong> zu betreiben. Denn die<br />

Forschung an der ETH müsse nicht<br />

zwangsläufig von industriellem Nutzen<br />

sein. Die Vernetzung zwischen<br />

G<strong>und</strong>lagenforschung <strong>und</strong> Anwendung<br />

sei aber sehr wichtig. «So verliert man<br />

nicht die Bodenhaftung <strong>und</strong> forscht<br />

nicht an der Realität vorbei.» Hierlemann<br />

findet es positiv, wenn Firmen<br />

sich zum Beispiel in den Räumen der<br />

ETH einmieten oder, wie in diesem<br />

Fall, Doktoranden vor Ort in der <strong>Industrie</strong><br />

forschen. Die enge räumliche<br />

Zusammenarbeit fördere nicht nur<br />

den Austausch, sondern helfe auch,<br />

dauerhafte Kontakte zu knüpfen.<br />

Gemeinsame Ideen beim Kaffee<br />

Rückblickend bezeichnet auch<br />

Mayer die Erfahrung mit der ETH<br />

als fruchtbar. Der Physiker, der die<br />

Kollaboration sowohl als Forscher<br />

an der ETH als auch als Mitarbeiter<br />

der ESEC erlebt hat, kennt die Unterschiede<br />

zwischen der Forschung in <strong>Industrie</strong>-<br />

<strong>und</strong> Hochschullabors: «Eine<br />

Firma lebt davon, die Bedürfnisse der<br />

K<strong>und</strong>en zu erfüllen. Die Arbeit im<br />

<strong>Industrie</strong>labor ist vor allem auf k<strong>und</strong>enspezifische<br />

Bedürfnisse fokussiert<br />

<strong>und</strong> eigentlich nur für den entsprechenden<br />

K<strong>und</strong>en wertvoll. Die Arbeit<br />

im Hochschullabor hingegen zielt<br />

meist auf eine Verwertung durch alle<br />

Firmen einer Branche, wobei der konkrete<br />

<strong>Industrie</strong>partner natürlich einen<br />

Vorsprung hat.» Und er unterstreicht:<br />

«Idealerweise arbeitet der Hochschulpartner<br />

im <strong>Industrie</strong>labor oder der<br />

<strong>Industrie</strong>partner im Hochschullabor.<br />

Denn gerade in den gemeinsam verbrachten<br />

Kaffeepausen kommen oft<br />

die besten Ideen.»<br />

Anne Laurence Klein<br />

Kontakt:<br />

Proff. Henry Baltes u. Andreas Hierlemann, Institut<br />

für Quantenelektronik, ETH Zürich<br />

Web: www.iqe.ethz.ch/pel/<br />

Unaxis Switzerland Ltd, Assembly & Packaging<br />

(ESEC), 6330 Cham. Web: www.esec.ch<br />

Mehr Sinn fürs Hören<br />

Der Hörvorgang ist nicht nur sehr komplex, er ist auch schwierig am Menschen<br />

selbst zu untersuchen. Ein an der ETH entwickeltes elektronisches<br />

Modell der Cochlea soll helfen, die Funktion dieses Organs im Innenohr<br />

zu ergründen. Die Phonak AG unterstützte die Arbeit, um sie gezielt bei<br />

der Entwicklung von Hörgeräten einzusetzen.<br />

«Wir haben es geschafft, die biophysikalischen<br />

Gr<strong>und</strong>lagen der Signalverarbeitung<br />

beim Hören nahezu perfekt<br />

zu simulieren», berichtet Ruedi Stoop.<br />

Dabei deutet er auf das erste elektronische<br />

Modell der Cochlea: fünf zirka<br />

zehn Zentimeter lange aneinander gereihte<br />

Schaltkreise. «Das Modell wird<br />

entscheidend zum Verständnis des<br />

Hörvorgangs in der Cochlea beitragen»,<br />

erläutert der Physiker vom Institut<br />

für Neuroinformatik der ETH<br />

<strong>und</strong> Universität Zürich.<br />

Vom Ton zum elektrischen Signal<br />

Ob Musik oder Sprache – akustische<br />

Signale werden von aussen über das<br />

Mittelohr bis hin zu den Nervenzellen<br />

im Innenohr verarbeitet. Besonders<br />

spannend – <strong>und</strong> bisher kaum erforscht<br />

– sind dabei die Vorgänge, die sich in<br />

der Cochlea, der Gehörschnecke im<br />

Innenohr, abspielen. Akustische Reize<br />

setzen die Flüssigkeit der Cochlea<br />

<strong>und</strong> auch die feinen Haare der Sinneszellen,<br />

welche die Basilarmembran<br />

der Cochlea bekleiden, in Bewegung.<br />

Dies löst in den Sinneszellen ein elektrisches<br />

Signal aus, das über den Hörnerv<br />

an bestimmte Areale des Gehirns<br />

zur Verarbeitung weitergeleitet wird.<br />

Ein erstes Modell der Cochlea wurde<br />

bereits 1863 von Hermann von<br />

Helmholtz beschrieben. «Dieses Modell<br />

reicht heute nicht mehr aus»,<br />

erklärt Ruedi Stoop. «Es erklärt zum<br />

Beispiel nicht, warum das Gehör fähig<br />

ist, ein Gespräch aus einer lauten<br />

Klangkulisse herauszufiltern.» Deshalb<br />

entwickelte Albert Kern in einer<br />

Doktorarbeit bei Ruedi Stoop eine so<br />

genannte biomorphe Cochlea. Sein<br />

Modell verwendet nur biologische<br />

Parameter wie die Hydrodynamik in<br />

der Cochlea, die Steifigkeit der Basilarmembran<br />

<strong>und</strong> die Verknüpfung<br />

einzelner Haarzellen. Basierend auf<br />

diesem Modell entwickelte der Doktorand<br />

Jan van der Vyver eine elektronische<br />

Cochlea.<br />

Mehr als ein Verstärker<br />

Finanziell wurde das Vorhaben ursprünglich<br />

von der KTI unterstützt.<br />

Auch die Phonak Hearing Systems<br />

AG in Stäfa zeigte rasch Interesse an<br />

einer Forschungspartnerschaft. «Ruedi<br />

Stoop hat uns seine Vision bereits<br />

vor fünf Jahren präsentiert», erinnert<br />

sich Stefan Launer. Der Forschungschef<br />

des Hörgeräte-Herstellers erklärt:<br />

«Ein elektronisches Modell der Cochlea<br />

stiess bei uns auf reges Interesse.»<br />

Anhand des Modells sollte festgestellt<br />

werden, wie viel Information ein beschädigtes<br />

Gehör noch verarbeiten<br />

kann. Die Resultate sollten die Entwicklung<br />

von speziellen Hörgeräten<br />

unterstützen. «Hörgeräte sollen mehr<br />

sein als nur simple Verstärker. Der intakte<br />

Hörsinn soll möglichst gefördert<br />

werden.»<br />

Der Physiker Stoop zieht Bilanz:<br />

«Die langjährige Zusammenarbeit mit<br />

Stefan Launer war sehr bereichernd.<br />

Leider scheint es nicht so einfach zu<br />

sein, unsere Vision einer biomorphen<br />

elektronischen Cochlea in die von<br />

Phonak angestrebte Produktepalette<br />

zu integrieren.» Er bedauert, dass die<br />

Kollaboration vorerst abgeschlossen<br />

wurde, da die jeweiligen Interessenslagen<br />

sich verschoben haben.<br />

Weiter Weg zur Anwendung<br />

Dieser Aussage stimmt Launer zu:<br />

«Die Zusammenarbeit mit Ruedi Stoop<br />

war eine sehr positive Erfahrung.<br />

Wir haben viel gelernt <strong>und</strong> konnten<br />

zahlreiche Fragen beantworten.<br />

12


ZUSAMMENARBEIT KONKRET<br />

Es zeigte sich insbesondere, dass es<br />

sehr aufwendig ist, die Cochlea zu<br />

modellieren, <strong>und</strong> dass der Weg zur<br />

direkten Anwendung weiter ist als<br />

angenommen.» Und Launer ergänzt:<br />

«Im Gegensatz zu den Hochschulen<br />

verfolgen wir ein anwendungsorientiertes<br />

<strong>und</strong> finanzgetriebenes Ziel. Wir<br />

haben entschieden, dass sich aus der<br />

elektronischen Cochlea für uns leider<br />

kein direkter relevanter Marktnutzen<br />

ergibt.»<br />

Roboter mit Hörsinn<br />

Angesprochen auf weitere Kollaborationen<br />

mit der ETH, meint Launer:<br />

«Nicht jede Zusammenarbeit mit<br />

Hochschulpartnern führt zu einer<br />

neuen Produktentwicklung. In der<br />

Forschung ist es genauso wichtig,<br />

gr<strong>und</strong>legende Ideen zu untersuchen<br />

<strong>und</strong> Lösungsansätze zu entwickeln.<br />

Die Realisierbarkeit <strong>und</strong> der Marktnutzen<br />

wird dann kritisch geprüft.<br />

Für uns war die Zusammenarbeit mit<br />

dem Team von Ruedi Stoop sehr wertvoll.<br />

Wir werden mit dieser Gruppe<br />

im Kontakt bleiben <strong>und</strong> weiterhin<br />

Diplomanden <strong>und</strong> Doktoranden der<br />

ETH betreuen. Unser Interesse, die<br />

Ergebnisse der Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />

direkt in die Produktentwicklung<br />

zu integrieren, ist nach wie vor sehr<br />

gross.»<br />

Auch wenn in Bezug auf die elektronische<br />

Cochlea die Zusammenarbeit<br />

mit der Firma Phonak im Moment<br />

ruht, blicken die Forscher am Institut<br />

für Neuroinformatik auf eine erfolgreiche<br />

Zeit zurück. Allein im letzten<br />

Jahr wurden ihre Ergebnisse mehrfach<br />

in renommierten Fachzeitschriften<br />

veröffentlicht. Und: Zusammen mit<br />

Partnern eines grossen Technologiekonzerns<br />

sind die Erfinder bereits<br />

dran, die biomorphe elektronische<br />

Cochlea patentieren zu lassen. Sie soll<br />

später in «Robotern mit Hörsinn» eingesetzt<br />

werden.<br />

Anne Laurence Klein<br />

Kontakt:<br />

PD Dr. Ruedi Stoop, Institut für Neuroinformatik,<br />

ETH & Universität Zürich<br />

Web: www.ini.unizh.ch/<br />

Dr. Stefan Launer, Phonak Hearing Systems AG<br />

8712 Stäfa. Web: www.phonak.ch/<br />

13


AUSSENSICHT<br />

Den Zugang erleichtern<br />

Die Zusammenarbeit zwischen <strong>Industrie</strong> <strong>und</strong> Hochschule wird von vielen<br />

Faktoren beeinflusst. Vier Physikabsolventen der ETH Zürich, welche auf<br />

beiden Seiten Erfahrungen gesammelt haben, erklären, welche Aspekte<br />

ihrer Ansicht nach entscheidend sind.<br />

Fleiss, Leistungswille, Zuverlässigkeit,<br />

ein hohes Ausbildungsniveau<br />

<strong>und</strong> ein innovatives Umfeld – diese<br />

Faktoren sind es, welche nach Ansicht<br />

von Hans Ulrich Beyeler der Schweizer<br />

Wirtschaft zum Erfolg verhelfen.<br />

«Sticking out of the crowd – das muss<br />

unser Ziel sein», meint der CEO <strong>und</strong><br />

Präsident der SR Technics Holding.<br />

«Wir müssen den Anspruch haben,<br />

etwas zu machen, das auf der ganzen<br />

Welt als andersartig anerkannt wird.»<br />

Gerade dieser Wille jedoch sei der<br />

Schweiz abhanden gekommen, findet<br />

Beyeler. «Ich habe den Eindruck, dass<br />

in unserem Land eine wirtschafts- <strong>und</strong><br />

innovationsfeindliche Haltung vorherrscht.<br />

Viele Leute haben eine passive<br />

Anspruchshaltung, die wirtschaftlich<br />

gefährlich ist.»<br />

Die ETH Zürich, so Beyeler, hätte<br />

die Aufgabe, gegen diese Technikfeindlichkeit<br />

anzukämpfen. «Wir sollten in<br />

der Schweiz stolz sein, nicht auf die<br />

früheren Leistungen, sondern auf das,<br />

was wir heute machen.» Die ETH, so<br />

der Eindruck Beyelers, kümmere sich<br />

immer noch zu wenig um die prakti-<br />

sche Relevanz ihrer Forschung. Dabei<br />

hätte die Hochschule doch auch einen<br />

volkswirtschaftlichen Auftrag zu erfüllen.<br />

«Zu meiner Zeit war das sogar<br />

noch viel ausgeprägter», erinnert er<br />

sich. «Die Gr<strong>und</strong>lagenforschung galt<br />

als edel, sie hatte die Aura des Grossartigen.<br />

Man wollte sich möglichst<br />

nicht in die Niederungen der Anwendung<br />

begeben.»<br />

Elementare Probleme<br />

Beyeler selbst hat sich aktiv um<br />

diese «Niederungen» bemüht. Er war<br />

im Aufsichtsorgan der früheren «Abteilung<br />

für industrielle Forschung»<br />

(AfiF) der ETH tätig. «Wir versuchten<br />

damals, Forschungsresultate in die<br />

Praxis zu transferieren.» Die Aufgabe<br />

sei allerdings nicht ganz einfach zu<br />

lösen, räumt Beyeler ein. «Ausserhalb<br />

der ETH stellt man schnell einmal<br />

eine Diskrepanz fest zwischen dem<br />

hochkarätigen Wissen an der ETH<br />

<strong>und</strong> den elementaren Problemen,<br />

mit denen die meisten Firmen in der<br />

Schweiz kämpfen. In der <strong>Industrie</strong><br />

arbeiten zum Beispiel viele Leute, die<br />

schnell einmal fachlich überfordert<br />

sind, wenn sie eine neue technische<br />

Herausforderung bewältigen müssen.»<br />

Ausgeprägt sei dies vor allem bei den<br />

kleineren <strong>und</strong> mittleren Unternehmen<br />

(KMU). «Es fehlt häufig nicht<br />

nur an den Lösungen, sondern auch<br />

an der Erfassung des Problems, ja sogar<br />

am Erkennen, dass überhaupt ein<br />

Problem vorliegt.» Als Wissenschaftler<br />

sei man gewohnt, ein klar umrissenes<br />

Problem zu behandeln. Eine KMU jedoch<br />

könne es sich meist nicht leisten,<br />

genügend in die Tiefe zu gehen. «Vieles<br />

basiert einfach auf Empirie.»<br />

Die Frage, ob es nicht mehr staatliche<br />

Förderinstrumente brauche, um<br />

die Zusammenarbeit zwischen den<br />

Hochschulen <strong>und</strong> der <strong>Industrie</strong> zu<br />

unterstützen, verneint Beyeler dezidiert.<br />

«Die Frage ist, wie wir das Geld<br />

möglichst wirksam einsetzen. Wir<br />

brauchen einen schlanken Staat, nur<br />

so bleiben wir attraktiv.»<br />

Es fehlt an guten Projekten<br />

Die Auffassung, die ETH spiele<br />

für den Innovationsprozess in der<br />

Schweiz eine wichtige Rolle, teilt auch<br />

Heinz Boppart, stellv. Direktor in der<br />

Abteilung Risk Management der UBS<br />

Schweiz. «Die Frage ist immer: Soll<br />

die ETH eher Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />

oder eher anwendungsorientierte Forschung<br />

machen? Ich finde es in Ordnung,<br />

wenn sie sich auf die Gr<strong>und</strong>-<br />

14


AUSSENSICHT<br />

lagen konzentriert.» Wenn die ETH<br />

ihren Auftrag erfülle <strong>und</strong> Forschungsresultate<br />

erbringe, dann liege es an den<br />

anderen, etwas daraus zu machen. Für<br />

die Firmen, so ergänzt Boppart, sei es<br />

allerdings oft schwierig zu erkennen,<br />

was genau an der ETH gemacht werde.<br />

«Von einer KMU kann man nicht<br />

erwarten, dass sie sich mit Hochschulforschung<br />

beschäftigt <strong>und</strong> die Fachliteratur<br />

kennt.»<br />

Boppart wünscht<br />

sich deshalb eine<br />

Informationsplattform,<br />

auf der neue<br />

Entwicklungen vorgestellt werden.<br />

«Die Kunst der Forscher wäre es, sich<br />

so zu äussern, dass die Firmen auf<br />

Neuigkeiten aufmerksam werden.»<br />

Im Vergleich zur Schweiz sei die<br />

amerikanische Wirtschaft viel innovativer,<br />

findet Boppart. «Das hängt<br />

aber nicht nur mit den Hochschulen<br />

zusammen, sondern liegt auch an der<br />

grösseren Risikobereitschaft der Unternehmer.»<br />

Die oft gehörte Klage, in<br />

der Schweiz fehle es an Risikokapital<br />

für Jungunternehmer, findet Boppart<br />

hingegen nicht berechtigt. «Es gibt an<br />

sich genügend Kapital in der Schweiz.<br />

Was fehlt, sind förderungswürdige Projekte.»<br />

Ideal wäre es, wenn man denjenigen,<br />

die eine Idee haben, vermehrt<br />

Leute beistellen würde, die etwas von<br />

der Umsetzung verstehen. «Das technisch-fachliche<br />

Wissen reicht nicht<br />

«Viele scheitern nicht<br />

an der Idee, sondern an<br />

der Umsetzung.»<br />

aus, um zu reüssieren. Es braucht<br />

auch ökonomisches, finanzielles, marketingmässiges<br />

Know-how.» Häufig,<br />

so hat Boppart beobachtet, scheitern<br />

junge Unternehmen nicht an der Idee<br />

selbst, sondern an der Realisierung.<br />

«Die Umsetzung ist Knochenarbeit»,<br />

erklärt er, «das ist auch für uns so.»<br />

Als Boppart an der ETH Physik studierte,<br />

gab es noch keine begleitenden<br />

Vorlesungen, die<br />

ihm Managementwissen<br />

vermittelt<br />

hätten. «Ich denke,<br />

dieser Aspekt wird<br />

immer noch vernachlässigt.»<br />

Boppart könnte sich vorstellen, dass<br />

es viele pensionierte oder ehemalige<br />

Ingenieure <strong>und</strong> Naturwissenschaftler<br />

gibt, die in grossen <strong>Industrie</strong>firmen<br />

Projekterfahrungen gesammelt haben.<br />

«Solche erfahrenen Leute könnten<br />

jungen Unternehmen beratend zur<br />

Seite stehen.»<br />

Bürokratie als Hemmschuh<br />

Einer, der während seiner beruflichen<br />

Karriere oft mit Hochschulen<br />

zusammengearbeitet hat, ist Gustav<br />

Pfister. Er habe mit der ETH zusammen<br />

verschiedene Projekte realisiert,<br />

erzählt der frühere Leiter des Geschäftszweiges<br />

«Fire Products» bei der<br />

Firma Siemens Building Technologies.<br />

Kooperationen habe es auch mit der<br />

Universität Neuenburg <strong>und</strong> mit der<br />

EPF Lausanne gegeben. «Gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

habe ich mit der ETH sehr gute<br />

Erfahrungen gemacht», meint Pfister.<br />

«Allerdings hatte ich den Eindruck,<br />

dass die Zusammenarbeit mit Lausanne<br />

<strong>und</strong> Neuenburg insgesamt etwas<br />

einfacher war.»<br />

Problematisch findet Pfister, dass<br />

vor allem auf europäischer Ebene<br />

grössere Forschungsvorhaben mit viel<br />

Bürokratie verb<strong>und</strong>en sind. «Der administrative<br />

Aufwand schreckt oft<br />

davon ab, eine Projekteingabe zu machen.<br />

Dies trifft vor allem die KMU»,<br />

erklärt Pfister. Im Vergleich dazu findet<br />

Pfister KTI-Projekte in der Schweiz<br />

viel einfacher. Die Zusammenarbeit<br />

mit einer Hochschule sei für kleine<br />

Firmen aber noch aus einem anderen<br />

Gr<strong>und</strong> schwierig. «Die Hemmschwelle<br />

ist zu gross. In vielen KMU arbeiten<br />

keine Akademiker, <strong>und</strong> wenn der persönliche<br />

Kontakt fehlt, dann ist der<br />

Zugang zu Forschungseinrichtungen<br />

viel schwieriger.»<br />

Dazu kommt ein gr<strong>und</strong>sätzliches<br />

Problem der Schweiz. «Die Hochschulen<br />

machen sehr viele gute Sachen von<br />

industrieller Relevanz, aber aus diesen<br />

wird zu wenig Kapital geschlagen.»<br />

Pfister erwähnt als Beispiel die Programmiersprache<br />

Modula, die vom<br />

ETH-Professor Nicklaus Wirth Anfang<br />

der achtziger Jahre entwickelt wurde.<br />

«Das war damals wirklich ein grosser<br />

Wurf; leider wurde der akademische<br />

15


AUSSENSICHT<br />

Erfolg nicht wirtschaftlich verwertet.<br />

Inzwischen ist Modula natürlich längstens<br />

überholt.» Pfister hat durchaus<br />

Verständnis, dass Professoren in erster<br />

Linie an ihrer Forschung interessiert<br />

sind <strong>und</strong> wenig Lust verspüren, eine<br />

eigene Firma aufzubauen. «Es fehlen<br />

einfach Strukturen, um wissenschaftliche<br />

Erkenntnisse zu verwerten.» Pfister<br />

findet es positiv, dass inzwischen<br />

Professoren die Gründung von Spinoff-Firmen<br />

unterstützen. «Das fördert<br />

das Unternehmertum von jungen Leuten<br />

<strong>und</strong> das Innovationsklima in der<br />

Schweiz. Ich begrüsse es auch, dass bei<br />

der Wahl von Professoren vermehrt<br />

auf die industriellen Interessen geachtet<br />

wird.»<br />

Unkomplizierter Umgang<br />

In guter Erinnerung hat Pfister<br />

seine Zeit in den USA. «Bei der Firma<br />

Xerox erlebte ich phantastische<br />

Jahre. Wir konnten relativ frei arbeiten,<br />

<strong>und</strong> die Forschung hatte für das<br />

Unternehmen einen sehr hohen Stellenwert.»<br />

Der Kontakt zu den Hochschulen<br />

empfand Pfister in den USA<br />

wesentlich unkomplizierter als in der<br />

Schweiz. «Das habe ich sowohl bei der<br />

Cornell University in Ithaca als auch<br />

beim Massachusetts Institute of Technology<br />

(MIT) erlebt. Vielleicht sind<br />

die Labors dort etwas unordentlicher<br />

als bei uns, aber dafür ist die Atmosphäre<br />

offener.»<br />

Verändertes Umfeld in den USA<br />

«In den USA ist es für eine Firma<br />

vermutlich einfacher, Kontakte zu<br />

Universitäten zu knüpfen als in Europa»,<br />

bestätigt Pierre Wiltzius, Direktor<br />

des Beckman Institute an der University<br />

of Illinois in Urbana. Das Umfeld,<br />

in dem solche Kooperationen<br />

stattfinden, habe sich allerdings verändert.<br />

Grosse Firmen wie IBM, AT&T<br />

Bell Laboratories oder DuPont hatten<br />

früher eigene grosse<br />

Forschungabteilungen.<br />

In den<br />

neunziger Jahren<br />

haben diese Unternehmen<br />

ihre Forschungsaktivitäten<br />

jedoch stark reduziert, vor allem im<br />

Bereich der längerfristig orientierten<br />

Forschung. «Heute gibt es eine<br />

viel stärkere Segmentierung der Forschung»,<br />

so Wiltzius. «Der grösste<br />

Teil der Gr<strong>und</strong>lagenforschung findet<br />

an den Universitäten <strong>und</strong> staatlichen<br />

Institutionen statt. Diese verfügen<br />

zum Glück immer noch über ein ausreichendes<br />

Budget für ihre Arbeit.»<br />

Eigentlich würde man nun annehmen,<br />

dass die <strong>Industrie</strong> heute viel<br />

stärker mit den Universitäten zusammenarbeitet,<br />

da sie ja weniger eigene<br />

Gr<strong>und</strong>lagenforschung betreibt. «Das<br />

war bis im Jahr 2000 auch der Fall»,<br />

erläutert Wiltzius. «Doch seither verhalten<br />

sich viele Firmen zurückhaltend.<br />

Auch bei uns ging die Zahl der<br />

«Es fehlen Strukturen,<br />

um die Erkenntnisse<br />

zu verwerten.»<br />

Forschungsinitiativen zurück.» Dieser<br />

Trend könne übrigens quer durch das<br />

gesamte Firmenspektrum festgestellt<br />

werden. «Ich hoffe aber, dass dies ein<br />

vorübergehendes Phänomen ist.»<br />

Wiltzius weist darauf hin, dass Top-<br />

Universitäten wie das MIT oder die<br />

Stanford University die sehr viele <strong>Industrie</strong>kontakte<br />

haben, private Hochschulen<br />

sind. «Diese Hochschulen arbeiten<br />

bereits seit langem eng mit der<br />

Wirtschaft zusammen<br />

<strong>und</strong> haben<br />

eine entsprechend<br />

gut ausgebaute Infrastruktur,<br />

um die<br />

Forscher zu unterstützen.» Die öffentlichen<br />

Universitäten hingegen hätten<br />

eine andere Mission. «Die Steuerzahler<br />

erwarten in erster Linie, dass sie Studierende<br />

ausbilden.» Der Unterschied<br />

wird offensichtlich, wenn man die<br />

Budgets der Universitäten vergleicht.<br />

«Beim MIT machen Kollaborationen<br />

mit der <strong>Industrie</strong> ca. 20 Prozent des<br />

Forschungsbudgets aus; bei der öffentlichen<br />

University of Illinois hingegen<br />

sind es nur wenige Prozent.»<br />

Auch staatliche Universitäten versuchen<br />

heute, ihre <strong>Industrie</strong>kontakte<br />

zu intensivieren. «Sie wollen vor allem<br />

für junge Forscher attraktiv werden»,<br />

meint Wiltzius. Natürlich gehe es<br />

auch um die lokale Wirtschaft; aber<br />

man dürfe zum Beispiel den ökonomischen<br />

Effekt von Startups nicht über-<br />

16


AUSSENSICHT<br />

schätzen. «Die meisten dieser Firmen<br />

gehen nach kurzer Zeit wieder ein,<br />

einige wenige überleben, wenn auch<br />

mittelmässig, <strong>und</strong> nur ganz wenige erwirtschaften<br />

wirklich viel Geld.»<br />

Europa holt auf<br />

Bemerkenswert findet Wiltzius, dass<br />

sich auf der akademischen Ebene das<br />

Verhältnis zwischen den USA <strong>und</strong><br />

Europa verschoben hat. «Als ich 1982<br />

an der ETH abschloss, war es als Forscher<br />

ein absolutes Muss, in die USA<br />

zu gehen. Ich bin nicht sicher, ob dies<br />

heute immer noch der Fall ist.» Durch<br />

den Zusammenschluss in Europa sei<br />

die akademische Welt transparenter<br />

geworden. «Es ist heute viel einfacher,<br />

von einem Land zum anderen zu gehen.<br />

Europa hat deutlich an Terrain<br />

gutgemacht.» Demgegenüber habe<br />

sich die Situation in den USA in den<br />

letzten Jahren verschlechtert. Gerade<br />

für junge Forscher aus Asien seien die<br />

USA heute weniger attraktiv als früher.<br />

«Mir fällt auf, dass sich die Europäer<br />

stark nach Asien orientieren. Sie haben<br />

eine grossartige Gelegenheit, sich<br />

in eine gute Position zu bringen.»<br />

<strong>Felix</strong> Würsten<br />

Gustav Pfister<br />

beendete 1968 seine Dissertation an<br />

der ETH Zürich. Nach zwei Jahren als<br />

Assistent an der ETH<br />

ging er in die USA, wo<br />

er im Forschungslabor<br />

der Firma Xerox<br />

tätig war. Nach 1979<br />

baute er bei der Firma<br />

Cerberus in der<br />

Schweiz eine Forschungsgruppe<br />

auf. 1984 wurde er als<br />

Mitglied der Geschäftsleitung verantwortlich<br />

für die globale Gesamtleitung<br />

der F&E. Nach dem Zusammenschluss<br />

von Cerberus mit Siemens Building<br />

Technologies war er zusätzlich als Leiter<br />

des Geschäftszweiges «Fire Products»<br />

für den weltweiten Markt zuständig.<br />

Seit Herbst 2004 ist er pensioniert.<br />

Hans Ulrich Beyeler<br />

promovierte 1970 im Gebiet Festkörperphysik<br />

an der ETH Zürich. Er war zwei<br />

Jahre Gastprofessor an der Universität<br />

São Paulo <strong>und</strong> anschliessend<br />

Research<br />

Associate an der University<br />

of Utah in Salt<br />

Lake City. 1974 wechselte<br />

er zum BBC Forschungszentrum<br />

in<br />

Dättwil, wo er ab 1977<br />

eine Forschungsgruppe leitete. 1981<br />

wurde er Mitglied der Geschäftsleitung<br />

der Videlec AG in Lenzburg. Er wechselte<br />

1986 zur Firma Zellweger-Uster, wo<br />

er für den Bereich «Environmental Monitoring»<br />

zuständig war. 1993 wurde er<br />

Leiter des Departements Technik der<br />

Swissair, vier Jahre später Geschäftsleiter<br />

SR Technics Switzerland. Seit Juni<br />

2004 ist er Präsident <strong>und</strong> CEO der SR<br />

Technics Holding, der weltweit grössten<br />

unabhängigen Dienstleisterin im<br />

Bereich Flugzeugwartung.<br />

Pierre Wiltzius<br />

studierte Physik an der ETH <strong>und</strong> promovierte<br />

1981. Nach einem Postdoc an<br />

der University of California in Santa<br />

Barbara arbeitete er<br />

während 17 Jahren<br />

bei den Bell Laboratories<br />

in Murray Hill,<br />

zuletzt als Direktor<br />

der Abteilung «Semiconductor<br />

Physics<br />

Research». Seit Oktober<br />

2001 ist er Direktor des «Beckman<br />

Institute for Advanced Science and<br />

Technology» an der University of Illinois<br />

in Urbana.<br />

Heinz Boppart<br />

studierte nach einer Berufsausbildung<br />

zum Elektroniker Physik an der ETH<br />

Zürich. Nach seiner Promotion 1983<br />

arbeitete er als Postdoc an der Harvard<br />

University. 1986 wechselte er als<br />

Mitarbeiter der neu<br />

gegründeten Abteilung<br />

«Neue Technologien»<br />

zur Schweiz.<br />

Bankgesellschaft.<br />

Er arbeitete in verschiedenen<br />

Funktionen<br />

<strong>und</strong> wurde 1997<br />

zum stellvertretenden Direktor befördert.<br />

Seit Ende 1997 arbeitet er in der<br />

Abteilung Risk Management der UBS<br />

Schweiz AG. In dieser Funktion leitet er<br />

verschiedene Gruppen <strong>und</strong> Projekte.<br />

17


INTERNATIONAL<br />

Die Schweiz im Vergleich<br />

Die meisten Länder unterstützten heute mit staatlichen Mitteln Kooperationen<br />

zwischen Firmen <strong>und</strong> Hochschulen. Dabei verfolgen die einzelnen<br />

Staaten ganz unterschiedliche Ansätze.<br />

Schweiz<br />

In der Schweiz gibt es eine Reihe<br />

von staatlichen F&E-Initiativen. Insgesamt<br />

besteht die Förderlandschaft aus<br />

kleinen, kaum vernetzten Inseln. Die<br />

wichtigste nationale Initiative ist die<br />

«Kommission für Technologie <strong>und</strong> Innovation»<br />

(KTI), heute «Förderagentur<br />

für Innovation» genannt. KTI fördert<br />

angewandte Forschung von Unternehmen<br />

mittels indirekter Finanzierung.<br />

Sie verlangt zwingend eine Zusammenarbeit<br />

mit öffentlichen Instituten. KTI<br />

finanziert ausschliesslich die Ausgaben<br />

der öffentlichen Forschungsinstitutionen;<br />

die Unternehmen müssen zusätzlich<br />

einen Cash-Beitrag von 10 bis 20<br />

Prozent zu Gunsten des öffentlichen<br />

Partners leisten. Der Cash-Beitrag fällt<br />

weg, wenn mehrere Unternehmen gemeinsam<br />

einen Forschungsauftrag erteilen.<br />

Für die Periode 2004-07 stehen<br />

der KTI insgesamt 396 Mio. Franken<br />

zur Verfügung.<br />

Auch verschiedene B<strong>und</strong>esämter<br />

unterstützen die private Forschung,<br />

so etwa das B<strong>und</strong>esamt für Energie,<br />

das anwendungsorientierte Forschung<br />

sowie Pilot- <strong>und</strong> Demonstrationsprojekte<br />

unterstützt (teilweise direktfinanziert).<br />

Heute stehen dafür 25 Mio.<br />

Franken pro Jahr zur Verfügung.<br />

Homepage der KTI: www.kti-cti.ch/<br />

Lüdi Consulting R&D: Leitfaden für Unternehmen.<br />

Fr. 120.-. Zu beziehen bei:<br />

robert.luedi@bluewin.ch<br />

Finnland<br />

In Finnland ist die Stärkung der<br />

Innovation ein politisch verankertes<br />

Ziel. Seit den achtziger Jahren wurden<br />

dazu Institutionen aufgebaut <strong>und</strong><br />

miteinander vernetzt. Die nationale<br />

Technologieagentur «Tekes» ist das<br />

wichtigste Planungs- <strong>und</strong> Finanzierungsorgan<br />

im Bereich der angewandten<br />

technologischen Forschung <strong>und</strong><br />

der privatwirtschaftlichen F&E. Tekes<br />

verlangt nicht zwingend eine Zusammenarbeit<br />

mit Hochschulen, doch<br />

beinhalten beinahe alle unterstützen<br />

Projekte solche Kooperationen. Über<br />

Tekes werden r<strong>und</strong> 30 Prozent der<br />

gesamten öffentlichen Forschungsmittel<br />

vergeben. Im Jahr 2003 waren<br />

dies 392 Mio. Euro. Tekes finanziert<br />

bei Unternehmen 15 bis 50 Prozent,<br />

bei Forschungsinstitutionen 50 bis<br />

100 Prozent der Kosten. Projektbeiträge<br />

reichen bis mehrere Millionen<br />

Euro. Ist ein Projekt nahe am Markt,<br />

gewährt Tekes auch Darlehen. Diese<br />

müssen nur vollständig zurückbezahlt<br />

werden, wenn das Projekt erfolgreich<br />

ist. Normalerweise werden 70 bis 80<br />

Prozent der Darlehen zurückbezahlt.<br />

Homepage von Tekes: www.tekes.fi/<br />

Deutschland<br />

Die Ministerien für Bildung <strong>und</strong><br />

Forschung (BMBF) sowie für Wirtschaft<br />

<strong>und</strong> Arbeit (BMWA) sind die<br />

wichtigsten Förderer für Forschung<br />

in Zusammenarbeit mit der <strong>Industrie</strong>.<br />

Neben fachspezifischen Programmen,<br />

bei denen 40 bis 60 Prozent der Mittel<br />

direkt in die <strong>Industrie</strong> fliessen, gibt es<br />

eine spezifische Förderung von Innovationen<br />

in KMU. Jedes Vorhaben hat<br />

einen externen Projektträger. Für fachspezifische<br />

Förderprogramme ist dies<br />

z. B. die «Forschungszentrum Jülich<br />

GmbH», für die spezifische Innovationsförderung<br />

in KMU etwa die «Arbeitsgem.<br />

<strong>Industrie</strong>ller Forschungsvereinigungen<br />

Otto von Guerike» (AIF).<br />

Bereits seit 1954 besteht die «Förderung<br />

der <strong>Industrie</strong>llen Gemeinschaftsforschung».<br />

Mehrere Unternehmen<br />

schliessen sich zusammen <strong>und</strong> lassen<br />

ihre F&E-Vorhaben von Forschungsinstitutionen<br />

durchführen. Projektträger<br />

ist die AIF. Die Fördermittel des<br />

BMWA beliefen sich 2003 auf r<strong>und</strong><br />

90 Mio. Euro. Die Förderungsquote<br />

liegt bei kleinen Firmen bei 60 Prozent,<br />

bei Grossfirmen bei 40 Prozent.<br />

Das Programm «Förderung der Erhöhung<br />

der Innovationskompetenz<br />

mittelständischer Unternehmen» des<br />

BMWA unterstützt anspruchsvolle<br />

F&E-Kooperationen zwischen deutschen<br />

KMU <strong>und</strong> deren Partnern im<br />

In- <strong>und</strong> Ausland. Projektträger ist die<br />

AIF. Die Fördermittel des BMWA betragen<br />

r<strong>und</strong> 100 Mio. Euro (2003). Die<br />

Förderquote liegt zwischen 25 <strong>und</strong> 50<br />

Prozent. Die Förderbeiträge betragen<br />

höchstens 350 000 Euro.<br />

Homepage des BMWA: www.bmwa.b<strong>und</strong>.de/<br />

USA<br />

In den USA verfügen die einzelnen<br />

Ministerien über grosse F&E-Budgets.<br />

Für 2005 stehen insgesamt 132 Mrd.<br />

US-Dollar zu Verfügung. Drei Viertel<br />

davon entfallen auf die angewandte<br />

Forschung <strong>und</strong> Entwicklung. Neben<br />

den F&E-Programmen der einzelnen<br />

Ministerien gibt es spezielle Programme<br />

für KMU. Dazu gehören insbesondere<br />

das «Small Business Innovation<br />

Research Program» (SBIR) <strong>und</strong> das<br />

«Small Business Technology Transfer<br />

Program» (STTR). Für SBIR müssen<br />

die zehn Ministerien mit einem F&E-<br />

Budget von mehr als 100 Mio. Dollar<br />

2,5 Prozent ihrer Mittel reservieren.<br />

Insgesamt ergibt dies r<strong>und</strong> 1,9 Mrd.<br />

Dollar pro Jahr. Für das STTR müssen<br />

die fünf Ministerien mit einem<br />

F&E-Budget von über 1 Mrd. Dollar<br />

jährlich 0,3 Prozent ihrer Mittel bereitstellen.<br />

Dies ergibt jährlich r<strong>und</strong><br />

230 Mio. Dollar. Koordiniert werden<br />

beide Programme von der Small Business<br />

Administration. Für Projekte des<br />

STTR ist eine Forschungszusammenarbeit<br />

zwischen Wirtschaft <strong>und</strong> Universitäten<br />

zwingend, im SBIR fakultativ.<br />

Beide Programme stellen für die<br />

erste Projektphase max. 100 000 Dollar<br />

zur Verfügung, für die zweite max.<br />

750 000 Dollar, die direkt an die <strong>Industrie</strong><br />

ausbezahlt werden. Es werden<br />

bis zu 100 Prozent der Entwicklungskosten<br />

von Prototypen übernommen.<br />

Ein weiteres Förderprogramm (nicht<br />

18


INTERNATIONAL<br />

<br />

Bewilligte Projekte der KTI <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>ene B<strong>und</strong>esbeiträge. (Quelle: KTI)<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Staatliche <strong>und</strong> privatwirtschaftliche Ausgaben für F&E der Länder als Prozentsatz<br />

des BIP. (Quelle: OECD, Nov. 2004)<br />

Schweiz Finnland Deutschand USA<br />

Einwohner 7,2 Mio 5,2 Mio 82,2 Mio 292 Mio<br />

BIP / Kopf (US$) 38 360 24 260 24 590 37 350<br />

Bruttoinlandausgaben<br />

für F&E (Mrd. US$)<br />

Anteil Staat an<br />

F&E-Ausgaben<br />

Anzahl Forscher<br />

(100%-Äquivalent)<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

5,56 4,78 54,45 284,58<br />

23,2 % 26,1 % 31,9 % 31,2 %<br />

25 800 36 630 266 800 1 261 200<br />

Forschungsausgaben verschiedener Länder im Verhältnis zur ihrer Wirtschaftskraft<br />

(Stand 2003). Die direkte Unterstützung der <strong>Industrie</strong> variiert je nach Land<br />

(s. Text). (Quelle: OECD, Main Science & Technology Indicators, Nov. 2004)<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

nur für KMU) ist das «Advanced Technology<br />

Program» (ATP) des «Department<br />

of Commerce». Im Jahr 2004 standen<br />

dafür 145 Mio. Dollar, im Jahr 2005<br />

110 Mio. Dollar zur Verfügung. Unterstützt<br />

wird die Entwicklung von innovativen<br />

Produkten. Max. 50 Prozent der<br />

anfallenden F&E-Kosten werden direkt<br />

an die <strong>Industrie</strong> ausbezahlt. Bei gut der<br />

Hälfte aller Projekte gibt es eine Zusammenarbeit<br />

mit Hochschulen.<br />

Informationen zu den beiden Programmen SBIR<br />

<strong>und</strong> STTR: www.sba.gov/sbir/<br />

Homepage der ATP: www.atp.nist.gov/<br />

Internationale Initiativen<br />

Im europäischen Raum gibt es zahlreiche<br />

internationale F&E-Initiativen,<br />

so etwa das 6. Rahmenprogramm der<br />

EU (6. RP), die «European Research<br />

Coordination Agency» (Eureka) oder<br />

das «Intelligent Manufacturing Systems<br />

Programm» (IMS). Das 6. RP, an<br />

dem die Schweiz seit 2004 voll beteiligt<br />

ist, hat klar definierte Förderbereiche.<br />

Für die Periode 2003–2006 stehen insgesamt<br />

17,5 Mrd. Euro zur Verfügung,<br />

wobei 2,2 Mrd. für KMU-Projekte<br />

reserviert sind. Mittelempfänger sind<br />

Konsortien von 3 bis 30 Partnern aus<br />

verschiedenen Ländern mit Projekt-<br />

Budgets von 0,5 bis 30 Mio. Franken.<br />

Eureka ist eine offene F&E-Initiative<br />

mit industrienaher Ausrichtung. Eureka<br />

verfügt über keine eigenen Fördermittel;<br />

die Finanzierung erfolgt durch<br />

die beteiligten Länder gemäss den jeweils<br />

gültigen Richtlinien.<br />

Das IMS ist das erste weltweite F&E-<br />

Programm im Bereich Produktion<br />

<strong>und</strong> Produktionssysteme. Es unterstützt<br />

die Zusammenarbeit zwischen<br />

europäischen Ländern sowie den<br />

USA, Kanada, Australien, Japan <strong>und</strong><br />

Südkorea. Voraussetzung ist die Teilnahme<br />

von Partnern aus mindestens<br />

drei IMS-Regionen.<br />

Informationen zum 6. RP: www.euresearch.ch<br />

oder www.cordis.lu<br />

Informationen zu Eureka:<br />

www.bbt.admin.ch/kti/gebiet/int/eureka/d/<br />

Homepage IMS: www.ims.org oder<br />

www.bbt.admin.ch<br />

Gabriele Aebli<br />

19


IM GESPRÄCH<br />

Ein vielfältiges<br />

Berufsbild<br />

Wer Physik studiert, dem eröffnet sich ein<br />

breites Berufsspektrum. Dies zeigen nicht<br />

nur die nachfolgenden Beispiele, sondern das<br />

bestätigt auch die aktuelle Beschäftigungsstatistik<br />

der ETH Zürich.<br />

Knapp ein Viertel aller Absolventen <strong>und</strong><br />

Absolventinnen, die 2002 ihr Physikstudium mit<br />

einem Diplom abschlossen, fand eine Stelle in der<br />

Privatwirtschaft. Etwa 13 Prozent aller Abgänger<br />

waren zur Zeit der Befragung bei Versicherungen<br />

<strong>und</strong> in der Unternehmensberatung tätig. Weitere<br />

7 Prozent arbeiteten in der <strong>Industrie</strong>, jeder Dritte<br />

davon in der Elektroindustrie. Weitere 2 Prozent<br />

fanden eine Stelle bei Dienstleistungsunternehmen.<br />

65 Prozent aller Absolventen setzten ihre<br />

wissenschaftliche Karriere an einer Hochschule<br />

fort, der überwiegende Teil davon an der ETH<br />

Zürich. 9 Prozent wechselten zu einer Forschungsanstalt;<br />

der Rest arbeitete an einer Fachhochschule,<br />

einer Mittelschule oder in der Entwicklungszusammenarbeit.<br />

Von den Absolventinnen <strong>und</strong> Absolventen mit<br />

Doktorat fand die Hälfte eine Anstellung in der<br />

Privatwirtschaft. Über 25 Prozent aller Abgänger<br />

arbeitete in der <strong>Industrie</strong>, mehr als jeder Vierte<br />

davon in der Maschinenindustrie. Banken, Ingenieurbüros<br />

oder sonstige Firmen aus dem Dienstleistungssektor<br />

beschäftigten zur Zeit der Befragung<br />

weitere 25 Prozent der Absolventen. Weitere<br />

11 Prozent arbeiteten bei Forschungsanstalten,<br />

18 Prozent blieben an der ETH Zürich. Die restlichen<br />

Abgängerinnen <strong>und</strong> Abgänger gingen an<br />

eine andere Universität, um ihre wissenschaftliche<br />

Tätigkeit fortzusetzen.<br />

<strong>Felix</strong> Greuter<br />

arbeitet seit 1982 für die Firma ABB im Bereich<br />

«Corporate Research». Zuvor war er zwei Jahre in<br />

den USA am Synchrotron Radiation Center in<br />

Madison sowie an der University of Pennsylvania<br />

als Forscher tätig. Er hat über h<strong>und</strong>ert Publikationen<br />

in Fachzeitschriften veröffentlicht <strong>und</strong> über<br />

40 Patente angemeldet. Erste <strong>Industrie</strong>erfahrungen<br />

sammelte er schon während seines Studiums.<br />

«Einmal die Nase in einen Betrieb zu stecken,<br />

würde ich allen Studierenden empfehlen», sagt <strong>Felix</strong><br />

Greuter. Ihm selbst hat das Praktikum geholfen, sich<br />

ein konkreteres Bild über seinen zukünftigen Beruf<br />

zu machen. Er habe ein vages Berufsbild im Kopf<br />

gehabt, als er mit dem Studium angefangen habe.<br />

Während seiner Studienzeit unterrichtete er am<br />

Gymnasium in Langenthal. Eine Karriere als Lehrer<br />

zog er allerdings nie ernsthaft in Betracht. «Der<br />

Wechsel vom Schüler zum Lehrer wäre für mich eine<br />

zu kleine Veränderung gewesen.» Die Lehrerausbildung<br />

habe er dann ohnehin abgebrochen, da seine<br />

Leidenschaft – das Fussballspielen – neben der Physik<br />

sonst zu kurz gekommen wäre. Nach abgeschlossenem<br />

Studium investierte er seine Energie in eine<br />

Assistentenstelle am Laboratorium für Festkörperphysik,<br />

wo er 1979 auch seine Doktorarbeit schrieb.<br />

«Meine ETH-Ausbildung wurde auch in den USA<br />

geschätzt», sagt <strong>Felix</strong> Greuter. Anfangs sei er vom<br />

neuen Umfeld beeindruckt gewesen. Schon rein<br />

technologisch sei in den USA mehr möglich gewesen<br />

als in der Schweiz. Und seine amerikanischen Kollegen<br />

schienen immer alles sehr schnell zu verstehen.<br />

«Doch dann merkte ich, dass viele nur mit Reizwörtern<br />

argumentierten <strong>und</strong> über ein weniger f<strong>und</strong>iertes<br />

Wissen verfügten, als es den Anschein machte.»<br />

Zurück in der Schweiz trat er seine heutige Stelle<br />

bei ABB an. «Ich denke nicht, dass es heute schwieriger<br />

ist, in der <strong>Industrie</strong> Fuss zu fassen als früher.»<br />

Allerdings beobachte er eine zunehmende Spezialisierung,<br />

beispielsweise in den Bereichen Optik oder<br />

Mikrotechnik.<br />

20


IM GESPRÄCH<br />

Bruno Lüthi<br />

beendete 1955 sein Mathematik- <strong>und</strong> Physikstudium<br />

an der ETH. Vier Jahre später schrieb er seine<br />

Dissertation <strong>und</strong> arbeitete als Postdoc an der University<br />

of Chicago. Nach fünfjähriger Tätigkeit im<br />

IBM-Forschungslabor in Rüschlikon wurde er an<br />

der Rutgers University in den USA zum Professor<br />

ernannt. Bruno Lüthi forschte <strong>und</strong> dozierte nicht<br />

nur in den USA <strong>und</strong> der Schweiz, sondern auch<br />

an der Universität Frankfurt in Deutschland.<br />

«Die Forschung hat mir in den USA am besten<br />

gefallen, obwohl man damals in Deutschland <strong>und</strong><br />

der Schweiz mehr Forschungsgelder zur Verfügung<br />

hatte», erklärt der emeritierte Physikprofessor. In<br />

den Staaten habe er in den Sechzigerjahren wenig<br />

administrative Aufgaben erledigen müssen <strong>und</strong> sich<br />

auf die Forschung konzentrieren können. Sowohl in<br />

Amerika als auch am IBM Forschungslabor schätzte<br />

er die kleinen Gruppen <strong>und</strong> die unkomplizierten<br />

Strukturen. Noch heute verbindet Bruno Lüthi viele<br />

positive Erinnerungen mit seiner fünfjährigen Tätigkeit<br />

in der <strong>Industrie</strong>. Das Team habe aus jungen<br />

<strong>und</strong> enthusiastischen Physikern bestanden <strong>und</strong> sei<br />

mit Labors in den USA vergleichbar gewesen. «Der<br />

Austausch zwischen den Gruppen <strong>und</strong> mit anderen<br />

Labors weltweit war sehr intensiv.»<br />

Ein Physikstudium sei eine gute Basis, um in der<br />

<strong>Industrie</strong> tätig zu sein. «Mit der zunehmenden Technologisierung<br />

braucht die <strong>Industrie</strong> sogar immer<br />

mehr Physiker. Verschiedene Sparten prägen zunehmend<br />

ganze <strong>Industrie</strong>zweige, etwa in der Materialentwicklung,<br />

der Nanotechnologie oder der Computerindustrie.»<br />

Als wichtigsten Karriereschritt bezeichent<br />

er die Wahl seiner Dissertation bei Prof. J. L. Olsen,<br />

der ihm fachlich <strong>und</strong> menschlich viel mitgegeben<br />

habe. Er erinnert sich noch genau an den Tag, als er<br />

als Erstsemestriger von Wolfgang Pauli willkommen<br />

geheissen wurde. «Er sagte uns, für ein erfolgreiches<br />

Physikstudium seien etwas Begabung <strong>und</strong> sehr viel<br />

Fleiss notwendig. Diese Aussage habe ich Generationen<br />

von werdenden Physikern weitergegeben.»<br />

Silvia Signoretti<br />

studierte Physik an der Universität von Bologna.<br />

Im Jahr 2000 schrieb sie ihre Doktorarbeit an<br />

der ETH Zürich. Anschliessend absolvierte sie in<br />

Evian-les-Bains in Frankreich den Mini-MBA. Sie<br />

arbeitete als Research Analyst für Frost & Sullivan<br />

in London <strong>und</strong> ist seit 2004 als Management Consultant<br />

für McKinsey & Co. in Zürich tätig.<br />

«Ich habe in Bologna sehr gute Studienbedingung<br />

vorgef<strong>und</strong>en, aber später an der ETH ein viel internationaleres<br />

Umfeld angetroffen», sagt Silvia Signoretti.<br />

Die Dissertationszeit sei für sie eine einmalige<br />

Erfahrung gewesen. «Ich habe in einer Gruppe von<br />

professionellen Wissenschaftlern gearbeitet <strong>und</strong><br />

konnte die neuesten Technologien anwenden.»<br />

Silvia Signoretti war damals schon gewohnt,<br />

sich in einer neuen Umgebung zurechtzufinden.<br />

Vor ihrer Doktorarbeit ging sie nach London <strong>und</strong><br />

arbeitete zwei Monate für die Beratungsfirma Frost<br />

& Sullivan. «In dieser Zeit war ich fasziniert von<br />

der Dynamik einer solchen Organisation <strong>und</strong> den<br />

schnellen Entscheidungen, die gefällt werden mussten»,<br />

erzählt sie. Während ihren Forschungsarbeiten<br />

an der ETH entdeckte Silvia Signoretti ihr Interesse<br />

für Management <strong>und</strong> Consulting. Deshalb nahm<br />

sie an verschiedenen Informationsanlässen der ETH<br />

Zürich zu diesem Thema teil <strong>und</strong> versuchte so, ihre<br />

Karriere in eine eher geschäftsorientierte Richtung<br />

zu lenken. «An diesen Events wurden Geschäftsfälle<br />

simuliert. Wir Studenten konnten unsere ganze Kreativität<br />

<strong>und</strong> unseren Geschäftssinn für die Lösung des<br />

Falles einsetzen», erinnert sie sich.<br />

Das Physikstudium erlebte sie in mancher Hinsicht<br />

als bereichernd. «Im Geschäftsleben kommen<br />

mir heute meine analytischen Fähigkeiten zugute.<br />

Hinzu kommt ein gutes Zeitmanagement sowie eine<br />

gute Basis, um ein Projekt erfolgreich zu managen»,<br />

präzisiert sie. Und nicht zuletzt finde sie es immer<br />

noch faszinierend, einfache physikalischen Vorgänge<br />

im alltäglichen Leben zu verstehen.<br />

21


IM GESPRÄCH<br />

Jakob Bernasconi<br />

arbeitet seit 1968 bei der Firma ABB (vormals<br />

BBC) in der Abteilung «Corporate Research». Er<br />

geniesst es, in der <strong>Industrie</strong> unter optimalen Bedingungen<br />

Forschung zu betreiben. Deshalb hat er<br />

nie das Bedürfnis verspürt, seine Stelle zu wechseln.<br />

Mit der ETH ist er heute noch über einen<br />

Lehrauftrag verb<strong>und</strong>en. Er erteilt Einführungsvorlesungen<br />

am Institut für Neuroinformatik.<br />

Das Dozieren verschaffe ihm einen Ausgleich zur<br />

täglichen Arbeit, erklärt Jakob Bernasconi. Deshalb<br />

setze er auch gerne einen Teil seiner Freizeit für den<br />

Lehrauftrag ein. «Die Verbindung von Arbeit <strong>und</strong><br />

Unterrichten ist ideal», sagt er. Überhaupt habe in<br />

seiner beruflichen Laufbahn schon immer «alles<br />

irgendwie zusammengepasst». Als Jakob Bernasconi<br />

seine Diplomarbeit an der ETH verfasste, gründete<br />

die damalige Firma Brown Boveri das BBC-Forschungszentrum<br />

in Dättwil. Dafür wurden nicht nur<br />

erfahrene Forscher, sondern auch junge Mitarbeiter<br />

gesucht. Jakob Bernasconi nutzte die Beziehungen<br />

seines Professors, um in der <strong>Industrie</strong> Fuss zu fassen.<br />

Im Hinblick auf seine Dissertation unterzeichnete<br />

er zunächst einen Arbeitsvertrag für ein Jahr. Er entschloss<br />

sich dann aber, weiterhin für die Firma tätig<br />

zu sein. Seine Dissertation konnte er dort sozusagen<br />

nebenbei schreiben.<br />

«Damals haben wir in der <strong>Industrie</strong> Forschung<br />

betrieben, die sich mit jener an einer Hochschule<br />

durchaus vergleichen lässt», erzählt er. Dieser<br />

Umstand führte bei ihm zu einer starken Bindung<br />

an das Unternehmen. Ausserdem schätzt er das<br />

breite Betätigungsfeld in der <strong>Industrie</strong>. «Wir befassen<br />

uns natürlich nur mit Sachverhalten, die für die<br />

Firma von Bedeutung sind; aber diese Interessen<br />

ändern sich stetig.» Er ist überzeugt, dass vielseitig<br />

interessierte Studierende, die gerne interdisziplinär<br />

arbeiten, in der <strong>Industrie</strong> besonders gefragt sind. Er<br />

selbst wende bei seiner heutigen Arbeit zwar häufig<br />

physikalische Methoden an, modelliere damit dann<br />

aber beispielsweise ökonomische Probleme.<br />

Regula Keller-Baumann<br />

nahm 1962 ihr Studium an der ETH Zürich auf.<br />

Nach bestandenem Diplom in Physik <strong>und</strong> vollendeter<br />

Doktorarbeit in Festkörperphysik arbeitete<br />

sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin <strong>und</strong> später<br />

Oberassistentin am Institut für Molekularbiologie<br />

<strong>und</strong> Biophysik bei Professor Kurt Wüthrich.<br />

Heute ist sie Dozentin an der Zürcher Hochschule<br />

Winterthur, wo sie massgeblich am Aufbau des Departements<br />

Mathematik <strong>und</strong> Physik beteiligt war.<br />

«Damals wusste ich noch nicht genau, was eine<br />

Physikerin macht», erinnert sich Regula Keller an<br />

ihre Studienwahl. Schwierige physikalische Aufgaben<br />

hätten sie schon während ihrer Schulzeit an der<br />

Höheren Töchterschule der Stadt Zürich fasziniert.<br />

Deshalb beschloss sie nach der Matura, eine naturwissenschaftliche<br />

Richtung einzuschlagen. «In meinem<br />

Jahrgang studierten an der ETH gut h<strong>und</strong>ert<br />

Männer <strong>und</strong> eine weitere Frau Physik», erklärt Regula<br />

Keller. Ihnen allen hätte sich nach dem Studium<br />

ein breites berufliches Spektrum eröffnet.<br />

Während des Studiums hatte sie zwar während<br />

eines zweimonatigen Praktikums in Finnland etwas<br />

<strong>Industrie</strong>luft geschnuppert. Die Faszination der<br />

Gr<strong>und</strong>lagenforschung aber überwog. Die Physikerin<br />

befasste sich an der ETH mit NMR-Spektroskopie<br />

<strong>und</strong> publizierte zahlreiche Artikel in Fachzeitschriften.<br />

Den weiteren Aufbau einer akademischen<br />

Karriere konnte sie mit ihren Familienpflichten<br />

nicht vereinbaren <strong>und</strong> stellte darum die Weichen für<br />

den beruflichen Werdegang neu. 1989 erwarb sie den<br />

Fähigkeitsausweis für das höhere Lehramt. In einer<br />

Untersuchung ging sie der Frage nach, was Frauen<br />

bewegt, ein technisches Studium zu ergreifen.<br />

Das Thema «Frauen <strong>und</strong> Technik» interessiert sie<br />

noch heute. Als Dozentin an der Zürcher Hochschule<br />

Winterthur arbeitet sie in den B<strong>und</strong>esprogrammen<br />

zur Förderung der Frauen im Technikbereich mit.<br />

Dabei kann sie sich nicht nur auf ihr Fachwissen,<br />

sondern auch auf ihre Lebenserfahrung stützen.<br />

22


IM GESPRÄCH<br />

Walter Thurnherr<br />

ist seit Februar 2003 als Generalsekretär im Eidg.<br />

Volkswirtschaftsdepartement tätig. Zuvor war<br />

er unter anderem als Minister in der Schweizer<br />

Botschaft in Moskau <strong>und</strong> persönlicher Mitarbeiter<br />

des damaligen B<strong>und</strong>esrates Flavio Cotti tätig. Sein<br />

Physikstudium schloss er 1987 an der ETH ab.<br />

«Materielles Wissen – etwa über Quantenfeldtheorien<br />

– hat mir für die Diplomatenausbildung nicht<br />

viel geholfen», meint der Generalsekretär rückblickend.<br />

Trotzdem habe er im Physikstudium wertvolle<br />

Erkenntnisse gewonnen, die für seine berufliche<br />

Laufbahn hilfreich gewesen seien. «Ich habe gelernt,<br />

Dinge, die man sieht, zu hinterfragen.» In der Physik<br />

stelle man gr<strong>und</strong>sätzliche Fragen <strong>und</strong> versuche<br />

diesen dann Schritt für Schritt auf den Gr<strong>und</strong> zu gehen.<br />

Eine Denk- <strong>und</strong> Arbeitsweise, die ihn während<br />

seiner Karriere begleitet habe.<br />

Diese begann mit der Aufnahmeprüfung für<br />

den Dienst am Eidg. Departement für Auswärtige<br />

Angelegenheiten. Den Aushang für diesen Concours<br />

habe er zufällig entdeckt <strong>und</strong> sich später über die<br />

bestandene Prüfung gleichermassen gefreut wie auch<br />

gew<strong>und</strong>ert. «Die Zahl der Bewerber war gross, <strong>und</strong><br />

nur relativ wenige wurden zugelassen.» Während<br />

seiner Ausbildung wurde er in Moskau <strong>und</strong> in der<br />

Schweiz eingesetzt. Er arbeitete anschliessend im<br />

aussenpolitischen Planungsstab in Bern, unterstützte<br />

den Sonderbeauftragten des Generalsekretärs der<br />

Vereinten Nationen für Georgien <strong>und</strong> vertrat im<br />

Rahmen der OSZE-Präsidentschaft die Schweiz in<br />

der Vermittlung des Nagornij-Karabach-Konflikts.<br />

Das Physikstudium habe ihm bei diesen zum<br />

Teil schwierigen Aufgaben als Denkschule geholfen.<br />

Obwohl er selbst nie in der <strong>Industrie</strong> tätig war, ist<br />

er überzeugt, dass ein Studium der theoretischen<br />

Physik auch für eine Tätigkeit in diesem Bereich<br />

hilfreich ist. Denn er habe an der ETH vor allem gelernt,<br />

diszipliniert zu arbeiten. «Ich habe in meinem<br />

ganzen Leben nie so hart <strong>und</strong> intensiv gearbeitet wie<br />

damals in meinem Studium.»<br />

Max Ziegler<br />

wurde 1996 zum Rektor der Kantonsschule<br />

Limmattal ernannt, an der er seit 28 Jahren als<br />

Mittelschullehrer tätig ist. Er hat seinen Horizont<br />

mit zahlreichen Weiterbildungen stets erweitert.<br />

Max Ziegler nutzte einen neunmonatigen Forschungsurlaub,<br />

um sich an der Sommerschule des<br />

Dickinson College in Carlisle mit dem Einsatz von<br />

Computern im Physikunterricht auseinanderzusetzen.<br />

Er habe damals viel gelernt <strong>und</strong> danach seinen<br />

Beruf motiviert wieder aufgenommen. «Ich habe das<br />

neu Gelernte sofort in meinen Unterricht eingebaut.»<br />

Das permanente Lernen spielt eine wichtige Rolle in<br />

seinem Leben. Deshalb habe ihm auch das wissenschaftliche<br />

Arbeiten grosse Freude bereitet. «Beim<br />

Schreiben meiner Dissertation hatte ich richtige<br />

Höhenflüge.» Trotz dieser Begeisterung blieb die Promotionsarbeit<br />

seine einzige wissenschaftliche Studie.<br />

Nach intensiven Jahren am Laboratorium für Festkörperphysik<br />

bewarb er sich gleichzeitig für eine<br />

Anstellung als Gymnasiallehrer sowie für einen Forschungsplatz<br />

in der <strong>Industrie</strong>. Er entschied sich für<br />

das Erstere, nicht zuletzt wegen seiner Familie. «Ich<br />

hätte die Arbeit mit meinen Verpflichtungen als Familienvater<br />

nicht unter einen Hut bekommen.» Die<br />

Faszination Forschung hat ihn trotzdem nie ganz<br />

verlassen. «Mit 50 hatte ich das Gefühl, nochmals<br />

ausbrechen zu müssen», erklärt er. Der Wunsch nach<br />

einem Wechsel in die <strong>Industrie</strong> sei in Zusammenhang<br />

mit seinem Amerikaaufenthalt aufgekommen.<br />

Er entschied sich erneut für die Familie <strong>und</strong> seinen<br />

Beruf als Lehrer. Ein Entschluss, der sich auszahlte.<br />

Kurze Zeit später avancierte er zum Rektor der Kantonsschule<br />

Limmattal. Mit der ETH blieb er über einen<br />

Lehrauftrag verb<strong>und</strong>en, den er sieben Jahre lang<br />

ausführte. «Ich würde sofort wieder Physik studieren»,<br />

erklärt er. Seine Begeisterung versucht er, auch<br />

auf die Schüler zu übertragen. «Wer Physik studiert,<br />

will nicht den einfachsten Weg gehen. Solche Leute<br />

sind auf dem Arbeitsmarkt immer gefragt.»<br />

Claudia Nägeli<br />

23


AKTUELLE ZUSAMMENARBEITEN<br />

Aktuelle Zusammenarbeiten – eine Auswahl<br />

Astronomie<br />

www.astro.phys.ethz.ch/<br />

Spektrometer auf dem ESA-Satelliten Herschel<br />

Wasser spielt eine grosse Rolle bei der Entstehung von Sternen <strong>und</strong><br />

Planeten. Es kann aber nicht vom Boden aus beobachtet werden,<br />

da die Erdatmosphäre die Moleküllinien von Wasser im fern-infrarot<br />

Spektralbereich vollständig absorbiert. Die ETH ist beteiligt an<br />

der Konstruktion des Spektrometers HIFI auf dem ESA-Satelliten<br />

Herschel, der diese Wissenslücke schliessen soll.<br />

ETH: Prof. Arnold Benz<br />

<strong>Industrie</strong>: Hochtechnologie Systeme (HAST), Wallisellen<br />

Digitales Radio-Spektrometer<br />

Welche Prozesse sind wohl bei der Entstehung unseres Sonnensystems<br />

abgelaufen? Aufschluss geben sollen Beobachtungen der<br />

Moleküllinien von kalten interstellaren Wolken, in denen Sterne<br />

<strong>und</strong> Planeten entstehen. Bislang war die Methode jedoch durch<br />

den Frequenzbereich begrenzt, der in einem Durchgang erfasst<br />

werden konnte. Nun wird ein vollständig digitales, kostengünstiges<br />

Spektrometer entwickelt mit einer 100mal grösseren Bandbreite<br />

von einem Gigahertz. Die dazu notwendigen Fast-Fourier-Transformationen<br />

berechnet ein fünf mal fünf Zentimeter grosser Chip.<br />

ETH: Prof. Arnold Benz<br />

<strong>Industrie</strong>: Acqiris SA, Genf<br />

Toroidgitter für einen UV-Spektrographen<br />

Die äussere Atmosphäre der Sonne ist extrem dynamisch. Das Millionen<br />

Grad heisse Plasma wird von den Magnetfeldern kontrolliert <strong>und</strong><br />

bläst wie ein Wind mit Überschallgeschwindigkeit durch das Sonnensystem.<br />

Die Strahlung der Sonnenatmosphäre erfolgt vorwiegend im<br />

extremen UV- <strong>und</strong> Röntgen-Bereich <strong>und</strong> kann nur vom Weltraum aus<br />

beobachtet werden. Mit dem SOHO-Satelliten der ESA hat man seit<br />

1995 ein sehr erfolgreiches Sonnenobservatorium. Durch die Entwicklung<br />

einer neuen Technologie zur Herstellung von optischen Gittern<br />

mit Toroidform konnte eine effiziente Abbildung in einem UV-Spektrographen<br />

auf dem SOHO-Satelliten erreicht werden.<br />

ETH: Prof. Jan O. Stenflo<br />

<strong>Industrie</strong>: Contraves AG, Zürich<br />

Festkörperphysik<br />

www.solid.phys.ethz.ch/<br />

Silicium-Germanium-Schichten für schnelle Elektronik<br />

Um epitaktische Schichten aus Silicium-Germanium mit hohen<br />

Abscheidungsraten herzustellen, wurde ein neues Verfahren entwickelt.<br />

Dieses soll industriell einsetzbar sein. Um das Resultat<br />

kommerziell umzusetzen, wurde eine Start-up-Firma gegründet.<br />

ETH: PD Dr. Hans von Känel<br />

<strong>Industrie</strong>: Unaxis, Zürich<br />

Organische Halbleiter in elektronischen Schaltungen<br />

Neue organische halbleitende Materialien werden entwickelt, die<br />

bei niedrigen Temperaturen verarbeitet <strong>und</strong> kostengünstig in elektronischen<br />

Schaltkreisen eingesetzt werden können.<br />

ETH: Prof. Bertram Batlogg<br />

<strong>Industrie</strong>: Ciba Specialty Chemicals, Basel<br />

Infrarot-Sensorenarrays für Wärmepulsmethode<br />

Um dünne Schichten auf verschiedenen Unterlagen zerstörungsfrei<br />

zu prüfen oder deren Produktion kontinuierlich zu überwachen,<br />

werden Infrarot-Sensorenarrays auf Silicium-Substraten entwickelt.<br />

Wenn ein Energiepuls kurzzeitig das Material erwärmt, kann<br />

der zeitliche Zerfall der Temperatur-Signale mit Hilfe der Sensoren<br />

in Echtzeit gemessen werden.<br />

ETH: PD Dr. Hans Zogg<br />

<strong>Industrie</strong>: ARSENCO AG, Altdorf<br />

CIGS-Dünnschichtsolarzellen auf flexiblen Substraten<br />

Herkömmliche CIGS-Solarzellen werden auf Glassubstraten hergestellt.<br />

Für die Roll-to-Roll-Beschichtung <strong>und</strong> diverse Applikationen<br />

sind flexible Solarzellen wünschenswert. In diesem Projekt werden<br />

Polymerfolien als Substrate verwendet. Ein Weltrekord für den Wirkungsgrad<br />

von flexiblen Solarzellen (>14 Prozent) wurde erreicht.<br />

ETH: Prof. Ayodhya N. Tiwari, PD Dr. Hans Zogg<br />

<strong>Industrie</strong>: Applied Films (D); ISOVOLTA, (A); Würth Solar (D)<br />

Flexible Solarzellen für Weltraumanwendungen<br />

Mit diesem Projekt soll die Eignung von Dünnschicht-Photovoltaik<br />

für Weltraumanwendungen abgeklärt werden sowie flexible Cadmium-Tellur-Solarzellen<br />

entwickelt werden.<br />

ETH: Prof. Ayodhya N. Tiwari, PD Dr. Hans Zogg<br />

<strong>Industrie</strong>: Contraves Space (CH); European Space Agency (NL)<br />

Neuroinformatik<br />

www.ini.unizh.ch/<br />

Intelligentes Wohnen<br />

Fensterläden, die gelernt haben sich zu öffnen, sobald eine Bewohnerin<br />

aufsteht, Duschen, die sich die Lieblings-Wassertemperatur<br />

gemerkt haben: Dazu braucht es Heimelektronik, die sich den<br />

Benutzern anpasst <strong>und</strong> von ihnen lernt. Das Projekt hat sich der<br />

Entwicklung energiesparender intelligenter Heim- <strong>und</strong> Gebäude-<br />

Elektronik verschrieben.<br />

ETH: Prof. Rodney Douglas<br />

<strong>Industrie</strong>: High Technology Systems<br />

Optische 3D-Maus <strong>und</strong> Tastsensoren<br />

Ingenieure entwickeln heute Produkte mittels Computer-Unterstützung,<br />

bekannt unter dem Namen Computer Aided Design (CAD).<br />

Bauteile <strong>und</strong> Baugruppen werden dreidimensional gezeichnet <strong>und</strong><br />

zu ganzen Produkten zusammengestellt. Für die Interaktion mit<br />

CAD-Systemen soll nun eine kostengünstige 3D-Maus entwickelt<br />

werden. Eine ähnliche Technik kann ausserdem bei der Ausrüstung<br />

von Robotern mit verlässlichen Tastsensoren verwendet werden.<br />

ETH: Dr. Kynan Eng<br />

<strong>Industrie</strong>: Austrian Research Centers (A)<br />

Verständnis von visuellen Prozessen<br />

Wenn Roboter einst «sehen» <strong>und</strong> so in unserer Welt Aufgaben übernehmen<br />

sollen, muss zuerst das biologische Seh-System verstanden<br />

werden. Eine wichtige Frage ist, welche Eigenschaften von natürlichen<br />

Szenen in biologischen Systemen Aufmerksamkeit erregen.<br />

Dazu werden die Augenbewegungen von Menschen, Primaten <strong>und</strong><br />

Katzen untersucht. Die Resultate dieser Untersuchungen werden<br />

25


AKTUELLE ZUSAMMENARBEITEN<br />

Aufmerksamkeitsmodelle verfeinern <strong>und</strong> so die Entwicklung von<br />

aktiven künstlichen Seh-Systemen vorantreiben.<br />

ETH: Dr. Wolfgang Einhäuser, Peter König<br />

<strong>Industrie</strong>: Honda RI Europe GmbH<br />

Unüberwachte Datenklassifizierung («Clustering»)<br />

Wie können neue Arzneimittel möglichst günstig entwickelt werden?<br />

Eine neue Methode ist die kombinatorische Chemie. Hier werden<br />

nicht einzelne Substanzen synthetisiert, sondern Experimente<br />

gemacht, in denen eine Vielzahl von Produkten entstehen. Um diese<br />

effizient auf ihre Wirkung zu prüfen, werden nach gr<strong>und</strong>legenden<br />

physikalischen <strong>und</strong> chemischen Eigenschaften Klassen gebildet, aus<br />

denen nur noch der typische Vertreter getestet werden muss. Dazu<br />

werden Algorithmen entwickelt <strong>und</strong> verfeinert, welche autonom<br />

eine möglichst unvoreingenommene Klassifizierung vornehmen.<br />

ETH: PD Dr. Ruedi Stoop, Thomas Ott<br />

<strong>Industrie</strong>: Novartis, Basel<br />

Hörgeräte <strong>und</strong> Hörverständnis<br />

Mit einem herkömmlichen Hörgerät kann das ehemalige Hörverständnis<br />

nicht zurückgewonnen werden. Um herauszufinden,<br />

weshalb das so ist, muss zuerst verstanden werden, wie das Ohr<br />

funktioniert. Dazu wurde der biologische Hörvorgang in Form einer<br />

Differentialgleichung nachgebildet. Für deren Integration wurde<br />

dann eine elektronische Version des Modells entwickelt. Diese<br />

erlaubt, den Hörvorgang in ausserordentlicher Detailtreue nahezu<br />

in Echtzeit wiederzugegeben.<br />

ETH: PD Dr. Ruedi Stoop<br />

<strong>Industrie</strong>: Phonak AG, Stäfa<br />

Ein Gerät als Fre<strong>und</strong> des Physiologen<br />

Der «Pysiologist‘s Friend Chip» ist eine elektronische Schaltung, eine<br />

Art Bildsensor samt optischer Linse. Er dient zur Modellierung des visuellen<br />

Systems im Gehrin des Menschen. Dabei werden die künstlich<br />

erzeugten Nervenimpulse hörbar wiedergegeben <strong>und</strong> erlauben<br />

somit einen Einblick in die Datenverarbeitung. Das Gerät wird im<br />

Unterricht als Anschauungsmaterial eingesetzt wie auch im Labor<br />

der Physiologen zur Kallibrierung des Messgeräte-Parks verwendet.<br />

ETH: Dr. Tobi Delbrück<br />

<strong>Industrie</strong>: Internal Commercial Project<br />

Weiterentwicklung von interaktiven Bodenplatten<br />

Der intelligente Boden erkennt die Position von Personen <strong>und</strong> kann<br />

durch Lichteffekte in Interaktion mit ihnen treten. Damit lassen<br />

sich eine Vielzahl von Anwendungen realisieren, wie Spiele, Animationen<br />

oder Leitsysteme. Der Boden kann zusätzlich mit Kameras<br />

<strong>und</strong> Leinwandprojektionen gekoppelt werden. Die Bodenplatten<br />

von «Ada – the intelligent space», welche an der Expo.02 in Neuchâtel<br />

zum Einsatz kamen, werden zusammen mit der Westiform AG<br />

weiterentwickelt.<br />

ETH: Gerd Dietrich, Adrian Whatley<br />

<strong>Industrie</strong>: Westiform AG, Bern<br />

Neutronenstreuung<br />

http://lns.web.psi.ch/<br />

Herstellung <strong>und</strong> Charakterisierung von Neutronenleitern<br />

Neutronenstrahlen werden häufig verwendet, um auf atomarer<br />

Ebene Diffusionsprozesse, Magnetismus oder Gitterschwingungen<br />

in Festkörpern zu untersuchen. Da die Experimente einen hohen<br />

Platzbedarf haben, müssen die Neutronen über Strecken von<br />

bis zu 100 Metern transportiert werden. Der Transport erfolgt in<br />

Glas-Röhren, den Neutronenleitern, die mit h<strong>und</strong>erten aufeinander<br />

liegenden hauchdünnen Filmen beschichtet sind. Das Leiterdesign<br />

<strong>und</strong> die Beschichtungen sollen optimiert werden.<br />

ETH: Dr. Jochen Stahn<br />

<strong>Industrie</strong>: SwissNeutronics AG<br />

Kompensierter Magnet für Neutronenstreuexperimente<br />

Eigenschaften von Substanzen können mit Hilfe von Neutronenstreuung<br />

in starken Magnetfeldern untersucht werden. Soll diese<br />

Methode jedoch vermarktbar sein, muss der Magnet zwei Bedingungen<br />

erfüllen: Zunächst dürfen dort, wo die Probe ist, keine mechanische<br />

Teile die einfallenden <strong>und</strong> gestreuten Neutronen stören.<br />

Ausserdem soll das Magnetfeld ausserhalb des Magneten möglichst<br />

klein sein. Wenn der Hauptmagnet in zwei einzelne Spulen<br />

aufgeteilt <strong>und</strong> das äussere Feld mit Zusatzspulen kompensiert wird,<br />

scheint dieses Ziel erreichbar zu sein.<br />

ETH: Dr. Peter Allenspach<br />

<strong>Industrie</strong>: Bruker-Biospin, Fällanden<br />

Diffraktometrie an beschichteten Implantaten<br />

In der Medizinaltechnik ist die Qualitätskontrolle der Prothesenoberflächen<br />

wichtig. Damit sich zementlos implantierbare Hüft- <strong>und</strong><br />

Kniegelenke rasch <strong>und</strong> dauerhaft durch Knochengewebe verankern,<br />

werden die Implantate in einem Vakuum-Plasma-Spritzverfahren<br />

mit einer bioaktiven Beschichtung aus Calciumphosphat (Hydroxylapatit)<br />

überzogen. Eine langzeitstabile Fixation nach der Implantation<br />

setzt jedoch eine hohe Phasenreinheit dieser Beschichtung voraus.<br />

Mit Hilfe der Diffraktometrie kann sie überprüft werden.<br />

ETH: Prof. Hans Grimmer<br />

<strong>Industrie</strong>: Medicoat AG, Mägenswil<br />

Quantenelektronik<br />

www.iqe.ethz.ch/<br />

Spurengasnachweis in der petrochemischen <strong>Industrie</strong><br />

Aethylen ist die Basis für die Herstellung vieler Produkte der Kunststoffindustrie.<br />

Kleinste Mengen von verunreinigenden Gasen können<br />

unerwünschte chemische Reaktionen hervorrufen. Um diese<br />

Spurengase nachzuweisen, wird ein empfindlicher Gassensor erforscht<br />

<strong>und</strong> entwickelt.<br />

ETH: Prof. Markus W. Sigrist<br />

<strong>Industrie</strong>: ABB Corporate Research, Baden-Dättwil<br />

Atemluftanalyse zur medizinischen Diagnostik<br />

Das Wohlbefinden hängt nicht zuletzt auch von der Ges<strong>und</strong>heit der<br />

Leber ab. Ist dieses Organ krank, zeigt sich das unter anderem in der<br />

Ausatmungsluft. In dieser hat es jedoch über 400 Substanzen in<br />

teilweise sehr kleinen Konzentrationen – unter ihnen Methylamine,<br />

die sich für die Diagnostik von Leberfunktionsstörungen eignen. Für<br />

ihren Nachweis wird ein laserspektroskopisches Verfahren erforscht,<br />

das eine hohe Empfindlichkeit <strong>und</strong> Nachweisselektivität besitzt.<br />

ETH: Prof. Markus W. Sigrist<br />

<strong>Industrie</strong>: Roche Forschungsstiftung, Basel<br />

Faser-optische Sensoren<br />

Anspruchsvolle industrielle Prozesse müssen gesteuert <strong>und</strong> überwacht<br />

werden. Dazu braucht es Sensoren, die eine hohe Messempfindlichkeit<br />

aufweisen. Eine Machbarkeitsstudie befasst sich mit der<br />

Entwicklung neuartiger Sensoren, deren Messprinzip auf spektroskopischen<br />

Untersuchungen mit faser-optischen Kavitäten beruht.<br />

ETH: Prof. Markus W. Sigrist<br />

<strong>Industrie</strong>: ABB Corporate Research, Baden-Dättwil<br />

26


AKTUELLE ZUSAMMENARBEITEN<br />

Dezentrales Netzwerk von Sensorstationen<br />

Soll die Verkehrssituation oder die Luftbelastung zuverlässig überwacht<br />

werden, braucht es vernetzte Messstationen. Für diesen<br />

Zweck werden miniaturisierte Gas-Sensor-Systeme entwickelt.<br />

Via USB-Schnittstelle können diese Sensorsysteme direkt an einen<br />

Computer angehängt werden. Diese Gasdetektionseinheiten übermitteln<br />

die Daten über Mobilfunknetz (GSM) oder Bluetooth an eine<br />

Zentrale. Die resultierenden Werte sind über Internet zugänglich.<br />

ETH: Prof. Henry Baltes, Prof. Andreas Hierlemann<br />

Hochschulen: Universität Tübingen (D), Rome Intern. University (I)<br />

<strong>Industrie</strong>: Telecom Italia Lab SPA (It), Sociedad Iberica de Construcciones<br />

Electricas, SA (E) Applied Sensor GmbH (D)<br />

Charakterisierung des Wirebondprozesses<br />

Ziel ist, höhere Präzision <strong>und</strong> Geschwindigkeit in Bondprozessen zu<br />

erreichen. Die Temperatur <strong>und</strong> der Anpressdruck werden während<br />

des Bondprozesses mit Mikrosensoren, die unter Testbondpads angebracht<br />

sind, gemessen. Das Prozessfenster (Anpressdruck, Bondstärke,<br />

Temperatur, benötigte Zeit) soll möglichst genau bestimmt werden,<br />

um optimale Bondqualität bei kürzester Bondzeit zu erreichen.<br />

ETH: Prof. Henry Baltes<br />

<strong>Industrie</strong>: ESEC, Cham<br />

Kompakte frequenzverdoppelte blaue Laser<br />

Optische Datenspeicher, Fluoreszenzspektroskopie, hoch aufgelöste<br />

Farbdrucke: Dies sind nur einige Beispiele, wo kompakte frequenzverdoppelte<br />

blaue Laser eingesetzt werden können. Für die<br />

Schlüsselkomponente dieser Laser, den Wellenleiter, wird ein reproduzierbares<br />

Herstellungsverfahren entwickelt. Zusammen mit einer<br />

infraroten Laserquelle für die effiziente Frequenzverdoppelung<br />

soll dieser Wellenleiter in einem kompakten blauen Lasersystem<br />

integriert werden. Nach Abschluss des Projekts soll dessen Herstellung<br />

serienreif sein.<br />

ETH: Prof. Peter Günter<br />

<strong>Industrie</strong>: Rainbow Photonics AG, Zürich<br />

Chemische Sensortypen mit moderner Elektronik<br />

Feuchtigkeit oder Temperaturschwankungen stören häufig die Messung<br />

von gasförmigen Schadstoffen. Um verlässliche Messungen<br />

zu erhalten, wird eine Technologie für monolithische chemische Mikrosensorsysteme<br />

entwickelt. Diese umfassen chemische Sensoren<br />

sowie «Hilfssensoren», die etwa Feuchte oder Temperatur erfassen.<br />

Die komplette Sensoranordnung <strong>und</strong> -elektronik samt digitaler<br />

Kommunikationseinheit ist auf einem einzigen Chip angewendet.<br />

Das System dient als Prototyp für den Einsatz in der Gassensorik.<br />

ETH: Prof. Henry Baltes, Prof. Andreas Hierlemann<br />

<strong>Industrie</strong>: Sensirion AG, Zürich<br />

Optische Pulsgeneratoren für die Telekommunikation<br />

Im Projekt werden gepulste Laser mit Puls-Repetitionsraten im<br />

Multi-Gigahertz-Bereich entwickelt für Anwendungen in Telekommunikationssystemen,<br />

für die Hochgeschwindigkeits-Datenübertragung<br />

über weite Distanzen (long-haul) oder Multi-Kanalquellen<br />

(auf mehreren Wellenlängen operierende Laserquellen)<br />

für Fiber-to-the-Home-Systeme. Die Lasersysteme finden auch Anwendungen<br />

in Bereich der optischen Taktgebung von schnellsten<br />

integrierten Schaltungen, Präzisionsmessungen von Zeit <strong>und</strong> Frequenzstandards<br />

(optische Frequenz-Metrologie) <strong>und</strong> high-speed<br />

Test- <strong>und</strong> Messinstrumenten.<br />

ETH: Prof. Ursula Keller<br />

<strong>Industrie</strong>: GigaTera AG, Zürich<br />

Gepulste Hochleistungslaser<br />

Das Schneiden von sehr präzisen Strukturen im Mikro- oder Nanobereich,<br />

etwa für die Elektronik, ist oft sehr aufwändig. Die bisher<br />

verwendeten Laser haben entweder eine hohe Spitzenleistung<br />

<strong>und</strong> eine tiefe Wiederholrate der Pulse oder umgekehrt. Ein neuartiger<br />

kompakter Dioden-gepumpter Festkörperlaser kombiniert<br />

nun hohe Spitzenleistung mit hoher Wiederholrate.<br />

ETH: Prof. Ursula Keller<br />

<strong>Industrie</strong>: Time-Bandwith Products AG, Zürich<br />

Ultraschnelle Taktgeber für Mikroprozessoren<br />

Computer sollen immer schneller werden. Damit dies möglich ist,<br />

braucht es immer schnellere Taktgeber, welche die Mikroprozessoren<br />

synchronisieren. Heute sind dies Quarzoszillatoren, deren<br />

Frequenz bis auf einige Milliarden Pulse pro Sek<strong>und</strong>e vervielfacht<br />

wird. Nun ist das Ziel, einen optischen Taktgeber zu entwickeln, der<br />

50 bis 100 Milliarden Pulse pro Sek<strong>und</strong>en abgibt <strong>und</strong> nicht allzu<br />

viel Platz einnimmt. Dies soll mittels passiv modengekoppelten<br />

monolithischen integrierten VECSELs (vertical external cavity surface<br />

emitting semiconductor laser) erreicht werden.<br />

ETH: Prof. Ursula Keller<br />

<strong>Industrie</strong>: Intel Corporation, Hillsboro (USA)<br />

Superhelle Miniatur-Lichtquellen<br />

Sei es in der Medizin für die Diagnose von Krankheiten oder in Präzisionskreiseln<br />

für die Stabilisierung einer Flug- oder Fahrbahn, den so<br />

genannten Gyroskopen: In beiden Anwendungsbereichen braucht<br />

es superhelle Miniatur-Lichtquellen. Diese neuartigen Lichtquellen<br />

sollen im Infrarot-Gebiet mit hoher Intensität strahlen. Dazu werden<br />

Halbleiter-Kristalle als Material verwendet. Entwurf <strong>und</strong> Test werden<br />

in Zusammenarbeit mit der Zürcher <strong>Industrie</strong>firma ausgeführt.<br />

ETH: Prof. Georg Guekos<br />

<strong>Industrie</strong>: EXALOS AG, Zürich<br />

Synchroton Lichtquelle Schweiz<br />

http://sls.web.psi.ch/<br />

Pixel Detektor<br />

Um den Aufbau der Materie besser zu verstehen, werden in Teilchenbeschleunigern<br />

Elementarteilchen erforscht. Die so genannten<br />

b-Mesonen entstehen aus Proton-Proton-Kollisionen <strong>und</strong> zerfallen,<br />

nachdem sie sich einige Millimeter von ihrem Entstehungspunkt<br />

entfernt haben. Der entwickelte Pixeldetektor kann die Lebensdauer<br />

dieser Elementarteilchen mit hoher Präzision bestimmen.<br />

ETH: Dr. Roland Horisberger<br />

<strong>Industrie</strong>: HighTech MC, Lenzburg<br />

Teilchenphysik<br />

www.ipp.phys.ethz.ch/<br />

Geiger-Mode Avalanche Photodiode<br />

Viele Experimente in der Astro-Teilchen-Physik verlangen hohe Detektionseffizienz<br />

von bestimmten Photonen. Verschiedene Projekte<br />

zielen auf eine Verbesserung der Quanteneffizienz, eine breitere<br />

spektrale Sensitivität sowie hohe Zählratenverträglichkeit ab. Ein interessanter<br />

Ansatz sind Geiger-Mode-Avalanche Photodioden als Ersatz<br />

für Photomultiplier. Weitere Anwendungen sind denkbar in der<br />

Kernphysik <strong>und</strong> in der Nuklearmedizin, etwa für die Krebsforschung,<br />

für Alzheimerstudien sowie für die Medikamentenentwicklung.<br />

ETH: Dr. Eckart Lorenz<br />

<strong>Industrie</strong>: HAMAMATSU, Hamamatsu City (Jp)<br />

27


AKTUELLE ZUSAMMENARBEITEN<br />

Bleiwolframat-Kalorimeter<br />

Das elektromagnetische Kalorimeter, eine Schlüsselkomponente des<br />

Hochenergie-Experimentes «Compact Muon Solenoid» (CMS), dient<br />

zur präzisen Energiemessung <strong>und</strong> Identifikation der Elektronen <strong>und</strong><br />

Photonen am «Large Hadron Collider» (LHC). Geeignete Detektorenmaterialien<br />

sind Szintillationskristalle <strong>und</strong> Photosensoren. Das CMS<br />

wird am LHC (CERN) aufgebaut <strong>und</strong> stellt bezüglich Eventrate, Energiemessbereich<br />

<strong>und</strong> Strahlung eine besondere Herausforderung<br />

dar. Eine langjährige, erfolgreiche Entwicklung von strahlungsfesten<br />

Kristallen ist die Gr<strong>und</strong>lage des im Bau befindlichen Detektors.<br />

ETH: Prof. Hans Hofer, Prof. Felicitas Pauss, Dr. Pierre Lecomte<br />

<strong>Industrie</strong>: Institute of Ceramics, Shanghai (China), Plant of Technical<br />

Products, Bogoroditsk (Rus)<br />

Auslese-Elektronik für Kristallkalorimeter<br />

Das elektromagnetische Kalorimeter des «Compact Muon Solenoid»<br />

(CMS) besteht aus 75 848 Kristallen. Das Szintillationslicht von<br />

Elektronen <strong>und</strong> Photonen in den Kristallen wird mit Photodetektoren<br />

gemessen. Die Auslese-Elektronik muss die sehr schnellen Signale<br />

von ungefähr 100 Nanosek<strong>und</strong>en über einen grossen dynamischen<br />

Bereich präzise erfassen <strong>und</strong> in Echtzeit digitalisieren.<br />

ETH: Dr. Werner Lustermann<br />

<strong>Industrie</strong>: ASCOM Systec AG, Hombrechtikon<br />

Supraleiter für grosse Magnetvolumina<br />

Das starke magnetische Feld von 4 Tesla ist eine Schlüsselkomponente<br />

des CMS-Hochenergie-Experimentes. Es ermöglicht die genaue<br />

Bestimmung des Impulses der geladenen Teilchen aus den Strahlwechselwirkungen<br />

des «Large Hadron Collider»-Beschleunigers LHC.<br />

Die Entwicklung eines zuverlässigen Supraleiters in Zusammenarbeit<br />

mit der <strong>Industrie</strong> war die Voraussetzung für den erfolgreichen<br />

Bau des Magneten mit einem Volumen von 360 Kubikmetern.<br />

ETH: Prof. Hans Hofer, Prof. Felicitas Pauss<br />

<strong>Industrie</strong>: Outokumpu (Fi); Kabelwerke Brugg (CH); Nexans (CH);<br />

Sumitomo (Jp); ALCAN (CH); Techmeta (F)<br />

Supraleitender Magnet<br />

Für das AMS-Experiment auf der Internationalen Raumstation (ISS)<br />

wird ein supraleitender Magnet entwickelt, der einen dreijährigen<br />

Betrieb mit superflüssigem Helium ermöglicht. Besondere Anforderungen<br />

an den Magneten sind der Betrieb unter Weltraumbedingungen,<br />

ohne Wartung oder zusätzliche Heliumfüllung.<br />

ETH: Prof. Hans Hofer, Dr. Jürgen Ulbricht<br />

<strong>Industrie</strong>: Space Cryomagnetics Ltd (GB), BIERI Engineering, Winterthur<br />

(CH); Linde (D); WEKA, Bäretswil (CH); IKL (D)<br />

Aktiver Pixel-Sensor<br />

Für Anwendungen in der Hochenergiephysik <strong>und</strong> Medizin wird ein<br />

neuartiger Pixeldetektor entwickelt. Dies geschieht in der Thin-<br />

Film-Technology: Eine dünne Schicht Sensormaterial, amorphes Silizium<br />

(a-Si:H) oder polykristallines Quecksilberjodid (HgJ2), wird auf<br />

einen «Application Specific Integrated Circuit» (ASIC) aufgedampft.<br />

Vorzüge dieses aktiven Pixel-Sensors sind niedrige Kosten, geringe<br />

Leistungsaufnahme, hohe Ortsauflösung <strong>und</strong> Strahlungsfestigkeit.<br />

ETH: Prof. Günther Dissertori, Prof. Gert Viertel<br />

<strong>Industrie</strong>: Real-Time Radiography Ltd., Jerusalem (Isr)<br />

Schneller Spurtrigger<br />

Der schnelle Spurtrigger beim Hochenergieexperiment H1 dient<br />

zur Echtzeitrekonstruktion von geladenen Elementarteilchen. Sie<br />

entstehen in Elektron-Proton-Stössen bei hohen Energien <strong>und</strong> werden<br />

in der zentralen Spurenkammer nachgewiesen. Damit lassen<br />

sich kurzlebige Zustände in komplexen Ereignissen innerhalb einer<br />

1/10 000 Sek. mit hoher Präzision nachweisen.<br />

ETH: Dr. André Schöning<br />

<strong>Industrie</strong>: Supercomputing Systems, Zürich<br />

Weltraumtaugliche Elektronik<br />

Um den diffusen Untergr<strong>und</strong> an niederenergetischen Photonen<br />

<strong>und</strong> geladenen Teilchen in einer erdnahen Umlaufbahn zu bestimmen,<br />

wurde der Prototype Synchrotron Radiation Detector gebaut.<br />

Die gewonnenen Daten dienen einer Studie zum Bau eines Synchrotron-Strahlungsdetektors.<br />

Dieser soll Elektronen <strong>und</strong> Positronen<br />

der kosmischen Strahlung mit ultrahohen Energien messen.<br />

ETH: Prof. Gert Viertel<br />

<strong>Industrie</strong>: ISATEC (D); Elfab AG, Mellingen; Contraves AG, Zürich<br />

H<strong>und</strong>ert-Kilotonnen-Flüssig-Argon-Detektor<br />

Für ein künftiges Neutrino-Astrophysik-Observatorium wird ein<br />

neuer Detektor entwickelt. Dieser dient dem Nachweis von Neutrinos,<br />

von neuen, hochintensiven Neutrinostrahlen, so genannten<br />

«neutrino factories», <strong>und</strong> einer hochempfindlichen Suche nach<br />

Proton- <strong>und</strong> Neutronzerfällen. Gesucht wird eine Möglichkeit, einen<br />

Kryostaten für 100 000 Tonnen flüssiges Argon als eine Einheit<br />

<strong>und</strong> als Driftkammer zu bauen.<br />

ETH: Prof. André Rubbia<br />

<strong>Industrie</strong>: Technodyne Intern. Ltd (GB)<br />

ICARUS-Auslese-Elektronik<br />

Der ICARUS-Detektor wird im Gran-Sasso-Untergr<strong>und</strong>labor in Italien<br />

aufgebaut, um die Eigenschaften der sehr schwach mit Materie<br />

wechselwirkenden Neutrinos zu studieren. Der Detektor besteht<br />

im Endausbau aus einigen tausend Tonnen flüssigen Argons, das<br />

mit Drahtkammern ausgelesen wird. Pro tausend Tonnen gibt es<br />

etwa 100 000 Drähte. Um diese grosse Anzahl von Drähten auszulesen,<br />

wurde eine spezielle Elektronik entwickelt.<br />

ETH: Prof. André Rubbia<br />

<strong>Industrie</strong>: CAEN Viareggio (It)<br />

Flüssig-Argon-Driftkammer im Magnetfeld<br />

Als Weiterentwicklung der Driftkammer-Technik in flüssigem Argon<br />

wird das Driftverhalten der Elektronen im flüssigen Argon in<br />

einem Magnetfeld untersucht. Mit einem solchen Detektor kann<br />

durch die magnetische Krümmung der Impuls <strong>und</strong> das Vorzeichen<br />

der elektrischen Ladung eines Teilchens bestimmt werden. Dies<br />

ist erforderlich bei zukünftigen Experimenten an hochintensiven<br />

Neutrinostrahlen von so genannten «neutrino factories».<br />

ETH: Prof. André Rubbia<br />

<strong>Industrie</strong>: Prophysik AG, Ruggell<br />

Kommerzielle Datierungsanlagen<br />

Forschungsarbeiten am PSI/ETH-Labor für Ionenstrahlphysik haben<br />

gezeigt, dass es im Prinzip möglich ist, kompakte 14C-Datierungsanlagen<br />

zu bauen. Aufgr<strong>und</strong> dieser Ergebnisse wurde eine<br />

Entwicklungszusammenarbeit mit der <strong>Industrie</strong> gegründet. Ziel<br />

dieser Zusammenarbeit war der Aufbau eines Prototyps einer solchen<br />

kompakten Beschleuniger-Massenspektrometrie-Anlage. Mit<br />

dieser Anlage konnte gezeigt werden, dass die Spezifikationen für<br />

14C-Datierungsmessungen erfüllt werden können. Basierend auf<br />

diesen Resultaten <strong>und</strong> unter Verwendung des ETH/PSI-Konzeptes,<br />

hat NEC ein kommerzielles Produkt entwickelt. Zurzeit sind mehrere<br />

Anlagen dieses Typs in Betrieb oder im Aufbau.<br />

ETH: Prof. Martin Suter, Dr. Hans-Arno Synal<br />

<strong>Industrie</strong>: National Electrostatic Corp. (NEC), Middleton WI (USA)<br />

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Impressum:<br />

Herausgeber:<br />

Redaktionskommission:<br />

Redaktion & Gestaltung:<br />

Fotos:<br />

Bildnachweis:<br />

Druck:<br />

Auflage:<br />

Departement Physik, ETH Zürich<br />

Prof. Bertram Batlogg, Prof. Ursula Keller<br />

Prof. Gert Viertel<br />

Dr. <strong>Felix</strong> Würsten, Zürich<br />

Britta Appert (Titelseite)<br />

Heidi Hostettler<br />

Titelseite; S. 17, unten: Philip Morris Stiftung<br />

S. 24, oben: NASA / AMS Kollaboration;<br />

S. 24, unten: MAGIC Kollaboration<br />

rva Druck <strong>und</strong> Medien AG, Altstätten SG<br />

4000 Ex.<br />

© April 2005, ETH Zürich

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