JAHRESBERICHT 2012 - Diakonie de La Tour
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MENSCHEN IM ALTER<br />
Seit <strong>de</strong>r Eröffnung <strong>de</strong>s Hauses lebt Gretl Pfaffenbichler im Wohn- und<br />
Pflegeheim Maria Gail. Im Interview erzählt sie von ihrem Alltag und davon,<br />
wie es für sie war, von <strong>de</strong>n gewohnten vier Wän<strong>de</strong>n im 19. Wiener Bezirk nach<br />
Kärnten in die Einrichtung <strong>de</strong>r <strong>Diakonie</strong> <strong>de</strong> <strong>La</strong> <strong>Tour</strong> zu ziehen …<br />
Spielkarten, aufgereiht liegen sie auf einem Sekretär,<br />
dieser antiken Form eines Schreibtisches, klein und vor<br />
ein paar Jahrzehnten noch ausreichend – damals, als die<br />
Tische in <strong>de</strong>n eigenen vier Wän<strong>de</strong>n noch nicht mit großen<br />
Computern zugestellt wur<strong>de</strong>n.<br />
Es ist schon eine Zeit her, dass Margarethe Pfaffenbichler<br />
diesen Sekretär in ihrer Wohnung in Wien stehen hatte.<br />
An einem Ort, an <strong>de</strong>n sie sich heute noch manchmal<br />
zurücksehnt: „Ich hatte einen wun<strong>de</strong>rschönen Südbalkon,<br />
da bin ich gerne gesessen, manchmal auch mit Bekannten,<br />
und habe Kaffee getrunken. Dass ich mich da richtig zurückziehen<br />
konnte, das geht mir hier schon manchmal ab.“<br />
Seit <strong>de</strong>r Eröffnung <strong>de</strong>s Hauses Maria Gail bei Villach lebt<br />
Margarethe Pfaffenbichler in <strong>de</strong>r Einrichtung <strong>de</strong>r <strong>Diakonie</strong><br />
<strong>de</strong> <strong>La</strong> <strong>Tour</strong>. Zuvor hatte die 89-Jährige bereits einige Jahre<br />
in einem <strong>de</strong>r Häuser in Treffen gewohnt. Der Umzug von<br />
Wien nach Kärnten sei ihr nicht schwergefallen: „Ich war<br />
es gewohnt, an vielen Orten zu sein“, erzählt sie. „Früher<br />
habe ich für Vichy gearbeitet – ich war Diplomkosmetikerin<br />
und habe Apotheker geschult, manchmal sogar<br />
Vorträge vor gut zweihun<strong>de</strong>rt Menschen gehalten und war<br />
auch viel im Ausland unterwegs, in <strong>de</strong>r Schweiz und in<br />
Deutschland. Und meine Tochter hat ja schon vor vielen<br />
Jahren nach Kärnten geheiratet. Als sie selbst nicht mehr<br />
so häufig nach Wien zu mir kommen konnte, hat sie mich<br />
nach Villach geholt, damit ich in <strong>de</strong>r Nähe bin und sie mich<br />
besuchen kann.“<br />
Gemütlich hat es sich die Wienerin in ihrem Zimmer in<br />
Maria Gail je<strong>de</strong>nfalls eingerichtet – die eigenen vier Wän<strong>de</strong><br />
sozusagen eingepackt und mitgenommen, nur das Bett und<br />
ein Kasten, <strong>de</strong>r beim Fenster steht, sind Möbel, die von <strong>de</strong>r<br />
<strong>Diakonie</strong> <strong>de</strong> <strong>La</strong> <strong>Tour</strong> zur Verfügung gestellt wur<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n<br />
übrigen Raum hat die Bewohnerin mit ihren eigenen Dingen<br />
ausgestattet: Gemäl<strong>de</strong> und Schwarz-Weiß-Fotografien an<br />
<strong>de</strong>n Wän<strong>de</strong>n, eine edle Stehlampe, ein barocker Engel auf<br />
einer Nussholz-Kommo<strong>de</strong>, eine Porzellanpuppe in ungarischer<br />
Tracht. Dinge aus früherer Zeit, aber sehr stilvoll<br />
und geschmacksicher. „Ich bin früher sehr gerne ins<br />
Dorotheum gegangen und habe dort das eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />
Möbelstück für meine Wohnung gekauft“, erzählt Gretl<br />
Pfaffenbichler. „Auch vielen meiner Freun<strong>de</strong> habe ich beim<br />
Einrichten geholfen, einige von ihnen meinten, an mir sei<br />
eine Innenarchitektin verloren gegangen.“<br />
Die ungarische Puppe kommt übrigens nicht von ungefähr<br />
– steht sie doch für die Wurzeln ihrer Besitzerin. Gretl<br />
Pfaffenbichler überrascht Besucher nämlich manchmal mit<br />
fließen<strong>de</strong>n Ungarischkenntnissen, die sie ihrer Herkunft –<br />
ihr Vater stammte aus Szerencs (im Nordosten Ungarns, in<br />
<strong>de</strong>r Nähe von Tokaj) – verdankt.<br />
„Ich bin wohl eine typische Österreicherin. Mein Vater<br />
Ungar, meine Mutter aus Polen – und geboren bin ich in<br />
Wien“, schmunzelt Pfaffenbichler.<br />
Manchmal spreche sie mit einer <strong>de</strong>r Betreuerinnen ungarisch.<br />
„Das gefällt nicht immer allen. Einmal haben wir<br />
miteinan<strong>de</strong>r geplau<strong>de</strong>rt, da meinte eine Besucherin, so eine<br />
junge Gans, zu uns: ,Hier wird <strong>de</strong>utsch gesprochen!‘ Man<br />
kommt schon mit verschie<strong>de</strong>nem Publikum zusammen …“<br />
Und so sei <strong>de</strong>r Alltag eben ein Auf und Ab. „Ich habe Tage,<br />
da bin ich wirklich gerne hier – es gibt sehr nette Betreuerinnnen,<br />
und einmal in <strong>de</strong>r Woche kommt auch eine ehrenamtliche<br />
Mitarbeiterin zu mir und geht mit mir spazieren<br />
o<strong>de</strong>r auf einen Kaffee.“<br />
Auch Ausflüge zum <strong>Diakonie</strong>-eigenen Grundstück am Ossiacher<br />
See gefallen ihr sehr gut.<br />
„Frau Pfaffenbichler ist die einzige unserer Bewohnerinnen,<br />
die noch selbstständig und gut schwimmen kann“, erzählt<br />
die stockwerksverantwortliche Pflegerin Daniela Peissl.<br />
„Manchmal fahren wir mit einem Bus zum See, und dann<br />
kann sie dort nach Herzenslust schwimmen.“<br />
Zu <strong>de</strong>n Lei<strong>de</strong>nschaften <strong>de</strong>r gebürtigen Wienerin zählt auch<br />
das Rauchen. Und so zieht sie genüsslich an einer Zigarette,<br />
während sie mehr aus ihrem bewegten Leben erzählt.<br />
Drei Mal sei sie verheiratet gewesen, die ersten bei<strong>de</strong>n<br />
Male nicht sehr glücklich. Ein weiterer Verehrer habe ihre<br />
Schwester geheiratet: „Eigentlich ihrer Wohnung wegen“,<br />
lacht Gretl Pfaffenbichler. „Sie hatte eine ehemals jüdische<br />
Wohnung im ersten Bezirk, gleich hinter <strong>de</strong>m Stephansdom.<br />
Mein Appartement war ihm wohl etwas zu wenig<br />
repräsentativ“, schmunzelt sie.<br />
„Meinen dritten Mann habe ich bei meiner Arbeit kennengelernt.<br />
Lei<strong>de</strong>r währte unser Glück nicht ewig, er wur<strong>de</strong><br />
falsch operiert – die Ärzte erkannten nicht, dass er einen<br />
Darmverschluss hatte, nahmen ihm statt<strong>de</strong>ssen <strong>de</strong>n Blinddarm<br />
heraus. Das war schon ein Schock für mich.“<br />
Und so sei sie eben alleine nach Villach gezogen …<br />
Mit <strong>de</strong>r Tochter gehe sie manchmal einkaufen o<strong>de</strong>r auf<br />
einen Kaffee.<br />
Kontaktschwierigkeiten habe sie keine gehabt: „Die hatte<br />
ich nie, ich war ja viele Menschen durch meine Arbeit gewohnt.<br />
Wenn es Reibereien gibt, weiche ich aus, das habe<br />
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