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Kirchen musikalische Mitteilungen - Amt für Kirchenmusik

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<strong>Kirchen</strong><strong>musikalische</strong> <strong>Mitteilungen</strong> Dezember 2010<br />

benannt. Im bewussten Dialog mit dem <strong>Kirchen</strong>raum<br />

und mit sakralen Werken der Bildenden<br />

Kunst kann die Botschaft der Gregorianischen<br />

Gesänge intensiviert und im wahrsten<br />

Wortsinn „illustriert“ werden.<br />

Tatsächlich habe ich bei einem Konzert meiner<br />

Frauenschola in Waldkirch im Elztal mit dem<br />

oben erwähnten Paulusprogramm und der Thematik<br />

von Tod, Auferstehung und Wiederkunft<br />

Christi/Vollendung des eigenen Lebens den<br />

Aufstellungsort der Schola gewechselt: Beim<br />

Vortragekreuz im Altarraum (IN. Nos autem, GR.<br />

Christus factus est, IN. In nomine Domini), bei<br />

der Osterkerze (AL. Christus resurgens, CO. Pascha<br />

nostrum) beim Taufbrunnen (IN. Caritas<br />

Dei, CO. Omnes qui in Christo), am Schluss, wo<br />

es um die Wiederkunft Christi geht - am Ende<br />

des eigenen Lebens und am Ende der Zeit,<br />

standen wir weit entfernt vom Publikum am<br />

Hochaltar, wo die Aufnahme der hl. Margaretha<br />

in den Himmel dargestellt ist (Resp. prol. Salvatorem<br />

exspectamus, IN. Gaudete, Resp. prol.<br />

Bonum certamen).<br />

Auf den ersten Blick mag eine solch direkte Verbindung<br />

als plakativ erscheinen. Doch die Reaktionen<br />

zahlreicher Zuhörer haben gezeigt,<br />

dass wohl gerade in der Verbindung mit diesen<br />

liturgischen Orten und Symbolen die Botschaft<br />

der Gregorianischen Gesänge „angekommen“<br />

ist. Diese sind eine weitere - nonverbale – Brücke<br />

zum Inhalt der Gesänge, ein Zugang, der<br />

noch über das hinausgeht, was eine Übersetzung<br />

zu leisten vermag.<br />

So kann man auch Decken- und Altargemälde,<br />

Heiligenfiguren oder Darstellungen auf Glasfenstern<br />

gleichsam als „Dialogpartner“ der<br />

Gregorianischen Gesänge nehmen.<br />

Auch die Aufstellung der Schola im Raum kann<br />

ein Mittel der Interpretation sein. Außer der<br />

räumlichen Nähe der Schola zu Kunstwerken<br />

und Symbolen des Glaubens kann man gerade<br />

in größeren <strong>Kirchen</strong>räumen auch verschiedene<br />

Aufstellungsorte für die Schola ausprobieren.<br />

Vordergründig ist da zunächst einmal das Spiel<br />

mit dem Nachhall, mit direktem und indirektem<br />

Klang, reizvoll. Doch darüber hinaus lässt sich<br />

der Raum auch in den Dienst der Verkündigung<br />

nehmen. Eine räumliche Distanz, die auch eine<br />

akustische Entfernung mit sich bringt, ein Singen<br />

aus der Ferne, kann zugleich eine zeitliche Ferne<br />

suggerieren. Je nach Programmkonzeption legt<br />

es sich daher nahe, bestimmte Gesänge, bei denen<br />

Nähe, räumliche und zeitliche Präsenz gefragt<br />

sind, an einer Stelle des <strong>Kirchen</strong>raums zu<br />

singen, die dieses ermöglicht. Umgekehrt gilt:<br />

Wenn etwas als weit entfernt oder weit in der Vergangenheit<br />

oder Zukunft liegend, ja, als „in der<br />

Ewigkeit Gottes liegend“ vermittelt werden soll,<br />

kann ein Singen aus der Ferne (Krypta, Seitenraum,<br />

Sakristei o. ä.) diese Wirkung unterstreichen.<br />

(Hier hilft dann in jedem Fall das Textheft<br />

beim Verständnis des Gesangs weiter!)<br />

Im Paulusprogramm meiner Frauenschola haben<br />

wir gelegentlich den Schluss aus der Ferne<br />

gesungen, wenn eines der beiden Responsoria<br />

prolixa den Schluss bildete: Wir erwarten Christus<br />

als den Retter, der unseren armseligen Leib<br />

verwandeln wird… (Salvatorem exspectamus)<br />

oder Ich habe den guten Kampf gekämpft, den<br />

Glauben bewahrt… (Bonum certamen). Hier geht<br />

es um eschatologische Ereignisse: Das Ende des<br />

eigenen Lebens (Paulus’ und unseres) und um<br />

das Ende der Zeit überhaupt, um die Vollendung<br />

durch Christus, also Geschehnisse, die wir im<br />

Glauben erwarten, die aber außerhalb von Zeit<br />

und Raum einzuordnen sind. In der Konzertdramaturgie<br />

kann das bedeuten, dass diese Gesänge<br />

dann eben auch „außerhalb“ des (<strong>Kirchen</strong>-<br />

)Raumes erklingen, aus der Ferne, gleichsam<br />

aus einer anderen Wirklichkeit.<br />

Gregorianischer Choral und Dichtung<br />

Gerade die Tatsache, dass der Gregorianische<br />

Choral vorwiegend aus den Psalmen seine Texte<br />

schöpft, die von grundlegenden menschlichen<br />

Befindlichkeiten singen, wie Klage, Jubel,<br />

Angst, Bitte um Hilfe, Vertrauen, Lob Gottes<br />

usw., in denen auch heutige Menschen sich<br />

wieder finden können, diese Tatsache ermöglicht<br />

es, diese „Grundbefindlichkeiten“ in anderer<br />

Form, etwa in zeitgenössischer Sprache noch<br />

einmal aufzugreifen. Lyrik als poetische Form<br />

bietet sich hier insofern an, als dass sie zum einen<br />

mit der formalen Prägnanz des Gregorianischen<br />

Chorals korrespondiert, zum anderen<br />

dann, wenn ein Dichter es versteht, in dieser

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