Einblicke - Ein Rundgang durch das Parlamentsviertel - Brandner ...
Einblicke - Ein Rundgang durch das Parlamentsviertel - Brandner ...
Einblicke - Ein Rundgang durch das Parlamentsviertel - Brandner ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
KUNST UND POLITIK<br />
Kunst im Jakob-Kaiser-Haus<br />
Per Kirkebys Backsteinskulptur<br />
(oben) und<br />
Hans Peter Adamskis<br />
Lichtschächte. (unten)<br />
Regelungen zur Begründung und zum Erhalt<br />
einer Gemeinschaft dargelegt und sich mit den<br />
Voraussetzungen für Frieden und Gerechtigkeit in<br />
einer Gesellschaft auseinander gesetzt.<br />
Für den Innenhof von Haus 7 hat der dänische<br />
Künstler Per Kirkeby eine Skulptur in Gestalt<br />
einer vier Etagen hohen Backsteinwand mit<br />
Fenster<strong>durch</strong>brüchen geschaffen. Sie steht –<br />
sozusagen als Wand vor der Wand – der weiß<br />
glasierten Brandmauer des Altbaus gegenüber.<br />
Mit Licht und Schattenwirkung modelliert der<br />
Künstler eine zweckfreie Architektur, eine Kunst<br />
also im Wechselspiel von Skulptur und Architektur.<br />
Gleichsam verloren als Relikt eines nicht mehr<br />
existierenden Hauses ragt die Backsteinwand<br />
im Hof auf, vor dem renovierten Altbau des 19.<br />
Jahrhunderts – eine stumme Verweisung auf die<br />
Endlichkeit menschlichen Planens und Handelns.<br />
In den Häusern 5 und 6 haben die Künstler Lili<br />
Fischer und Hans Peter Adamski die alle Etagen<br />
<strong>durch</strong>laufenden Lichtschächte als gestalterische<br />
Herausforderung empfunden und aufgegriffen. Der<br />
einst zur Kölner Künstlergemeinschaft „Mülheimer<br />
Freiheit“ gehörende Adamski lässt scherenschnittartig<br />
in sich gedrehte Bänder dynamisch quer<br />
über die Wand laufen und spielt dabei mit der<br />
optischen Illusion von Räumlichkeit. Lili Fischer<br />
führt ihren „Grazienkongress“ vor, Silhouetten von<br />
Nymphen und anderen ätherischen Wesen, die die<br />
Wand hinaufschweben, Purzelbäume schlagen,<br />
tanzen oder graziös vorübergleiten. Ihre Arbeit<br />
ist eine Anlehnung an Performances, in denen<br />
die Zuschauer zur Teilnahme am Grazienreigen<br />
aufgefordert werden und – hinter einem weißen<br />
Vorhang als Schatten sichtbar – unter Anleitung<br />
der Künstlerin lernen, sich anmutig zu bewegen.<br />
Den Hof von Haus 6 hat der englische Künstler<br />
Antony Gormley geflutet, so <strong>das</strong>s nur noch ein<br />
Steg diagonal in den Hof hineinführt. An den<br />
Seitenwänden des Hauses ragen im rechten Winkel<br />
zur Wand Gusseisenskulpturen menschlicher<br />
Figuren hervor, den Blick himmelwärts gewandt,<br />
als ob sie die Wände hinauflaufen wollten. Die<br />
Skulpturen spiegeln sich im Wasser. Gormley<br />
thematisiert mit seinen Eisenskulpturen die<br />
Selbsterfahrung des Körperlichen in der Betrachtung<br />
eines fremden Körpers, der den Betrachter<br />
da<strong>durch</strong> irritiert, <strong>das</strong>s er in einen für unsere<br />
Sehgewohnheiten ungewohnten räumlichen und<br />
gedanklichen Zusammenhang gestellt wird. Der<br />
<strong>Ein</strong>gang zu Haus 5 wird hervorgehoben <strong>durch</strong> die<br />
leuchtend blauen Glasscheiben von Jürgen Klauke.<br />
Weiße Linien auf blauem Hintergrund zeichnen ein<br />
abstraktes Muster.<br />
Das Kunst-am-Bau-Programm wurde abgeschlossen<br />
mit dem Kunstprojekt des Nürnberger Künstlers<br />
Hans Peter Reuter. Er hat den so genannten<br />
Kaisersaal im ehemaligen Reichstagspräsidentenpalais<br />
mit dem für ihn charakteristischen Spiel<br />
geometrischer Formen in intensiv leuchtendem<br />
Blau gestaltet. Weitere acht Künstler sind <strong>durch</strong><br />
Ankäufe mit Werken im Jakob-Kaiser-Haus vertreten.<br />
So unterschiedlich und vielgestaltig sich<br />
die Architektur der einzelnen Häuser darstellt, so<br />
individuell und charakteristisch sind die künstlerischen<br />
Zugriffe und Positionen ausgefallen. Das<br />
Jakob-Kaiser-Haus als Haus der Fraktionen spiegelt<br />
also auch auf der ästhetischen Ebene nicht<br />
nur die divergierenden und doch zugleich einander<br />
verpflichteten politischen Positionen der<br />
Fraktionen, sondern auch <strong>das</strong> sowohl Gemeinsame<br />
als auch Eigentümliche der jeweiligen Positionen<br />
der Künstler.<br />
Antony Gormleys<br />
Eisenskulptur (oben)<br />
und Jürgen Klaukes<br />
leuchtend blaue<br />
Glasscheiben. (unten)<br />
136<br />
137