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KKRN – Das Klinikquartett<br />

Neue OP-Methode Sakralnervenstimulation<br />

kann bei Stuhlinkontinenz helfen<br />

„Das ist in die Hose gegangen“: Was wir lapidar<br />

als Redewendung für Misslungenes verwenden,<br />

ist für manche Menschen buchstäbliche<br />

Realität. „Stuhlinkontinenz tötet nicht, aber sie<br />

nimmt das ,Leben‘“: So heißt es in einer Studie<br />

<strong>über</strong> die Krankheit. Eine Aussage, der wohl<br />

viele Betroffene zustimmen würden. Und das<br />

sind nicht wenige: Man schätzt, dass ein bis<br />

drei Prozent der Bevölkerung – also mindestens<br />

800.000 Menschen in Deutschland – unter einer<br />

Stuhlinkontinenz leiden. Mit zum Teil verheerenden<br />

Auswirkungen: Betroffene meiden aus<br />

Scham die Öffentlichkeit, ziehen sich sogar von<br />

Familie oder Freunden zurück und vereinsamen.<br />

Hinzu kommt die Sprachlosigkeit, denn<br />

<strong>über</strong> das peinliche Thema zu sprechen, ist tabu.<br />

„Dabei wäre genau dies der erste Schritt zur Therapie<br />

der Erkrankung. Denn wir haben heute eine<br />

Fülle an Möglichkeiten, den Menschen zu helfen“,<br />

sagt Priv.-Doz. Dr. Klaus-Peter Riesener, Proktologe<br />

und Chefarzt der Klinik für Allgemein- und<br />

Viszeralchirurgie am Marien-Hospital.<br />

Die Therapie beginnt bei den meisten Patienten<br />

mit konservativen Empfehlungen. Dazu gehören<br />

zum Beispiel Übungen für den Beckenboden,<br />

Medikamente zur Regulierung der Stuhlbeschaffenheit<br />

oder das Training der Stuhlgewohnheiten.<br />

Reichen diese Maßnahmen nicht aus, kann<br />

eine operative Therapie helfen. „Sie hat das Ziel,<br />

die Schließmuskelfunktion wiederherzustellen,<br />

den Schließmuskel selbst zu verstärken<br />

oder im Extremfall gar zu ersetzen“,<br />

erläutert Riesener.<br />

Funktionsweise eines<br />

Sakralnervenschrittmachers.<br />

Marien-Hospital<br />

Wenn die Dichtung schwächelt<br />

Eine sehr erfolgversprechende Methode, die<br />

minimal-invasiv durchgeführt wird, ist die so genannte<br />

Sakralnervenstimulation. „Diese Methode<br />

funktioniert ähnlich wie ein Herzschrittmacher“,<br />

erklärt Riesener. Dabei platzieren die Chirurgen<br />

zunächst eine Elektrode im Bereich der Nerven,<br />

die für die Schließmuskelfunktion verantwortlich<br />

sind. Anschließend wird eine Batterie im Bereich<br />

des Gesäßes oder des Unterbauches implantiert<br />

und mit der Elektrode verbunden. Sie gibt nun<br />

– ähnlich wie ein Herzschrittmacher – beständig<br />

schwache elektrische Impulse an die Nerven ab<br />

und stärkt so den Schließmuskel. Manchmal ist<br />

nach der Implantation noch eine Feinjustierung<br />

erforderlich. Auch das ist ohne Probleme möglich,<br />

denn die Ärzte können den Darm-Schrittmacher<br />

von außen programmieren. Die Patienten<br />

erhalten eine Fernbedienung, mit der sich das<br />

Gerät jederzeit ein- und ausschalten und die Stärke<br />

der elektrischen Impulse individuell einstellen<br />

lässt. „Erfreulich ist, dass wir mit diesem Verfahren<br />

bei bis zu 80 Prozent aller Patienten die Kontinenz<br />

und damit die Lebensqualität entscheidend verbessern<br />

können“, stellt Riesener fest.<br />

Auch wenn sich keiner eine Darm- und Schließmuskelschwäche<br />

wünscht: Den Kopf in den Sand<br />

zu stecken, brauchen Betroffene deshalb noch<br />

lange nicht. Entscheidend ist jedoch der erste<br />

Schritt: der Gang zum Arzt. „Sprechen Sie mit ihm<br />

<strong>über</strong> Ihre Krankheit. Denn Inkontinenz<br />

ist kein unabwendbares<br />

Schicksal“, appelliert<br />

Riesener an alle Betroffenen.<br />

(qu)<br />

Hintergrund<br />

Das Leben wieder in vollen Zügen<br />

genießen – trotz Stuhlinkontinenz.<br />

Was ist eine Stuhlinkontinenz?<br />

Unter einer Stuhlinkontinenz versteht man<br />

den Verlust der Fähigkeit, Darmgase und/<br />

oder flüssigen oder festen Stuhlgang zu<br />

kontrollieren. Man unterscheidet drei<br />

Schweregrade der Erkrankung: Die leichte<br />

Form (Grad 1) äußert sich durch den<br />

unwillkürlichen Abgang von Winden und<br />

eine leichte Verschmutzung der Wäsche.<br />

Bei der mittelschweren Form (Grad 2) kann<br />

zusätzlich dünnflüssiger Stuhl nicht mehr<br />

kontrolliert werden, und gelegentlich<br />

kommt es auch zum Verlust von festerem<br />

Stuhlgang. Bei der schwersten Form (Grad<br />

3) gehen Stuhl und Winde unkontrolliert<br />

ab. Die Stuhlinkontinenz kann auch mit<br />

einer Urininkontinenz einhergehen – besonders<br />

bei einer allgemeinen Schwäche<br />

des Beckenbodens oder bei einem so genannten<br />

Vorfall von Organen des Beckens.<br />

Eine Stuhlinkontinenz tritt sehr häufig als<br />

Folge von Verletzungen während des Geburtsaktes<br />

auf. Meistens klagen betroffene<br />

Frauen allerdings erst im höheren Alter<br />

dar<strong>über</strong>, also dann, wenn die Kraft des<br />

Schließmuskels nachlässt. Die Krankheit<br />

kann aber auch nach Operationen und<br />

Infektionen im Afterbereich oder anderen<br />

Enddarmerkrankungen auftreten. Und<br />

schließlich gibt es neurologische Erkrankungen,<br />

die mit einer Inkontinenz verbunden<br />

sind.<br />

Wie therapiert man Stuhlinkontinenz?<br />

Der erste Schritt ist immer der Gang zum<br />

Arzt. Ein spezialisierter Mediziner, zum Bei-<br />

spiel ein Proktologe (Arzt für Enddarmerkrankungen),<br />

wird dann nach der Ursache<br />

forschen. Am Anfang steht eine sorgfältige<br />

Befragung, mit der er die Vorgeschichte der<br />

Erkrankung (Anamnese) und ihren Verlauf<br />

erhebt. Die Basisdiagnostik umfasst die<br />

Sichtung von außen (Inspektion) und das<br />

Austasten des Enddarms (Palpation) mit<br />

dem Finger des Untersuchers. Mit diesen<br />

einfachen Maßnahmen kann man bereits<br />

Hinweise auf Art, Ausdehnung und Ursache<br />

der Krankheit gewinnen. Weitere spezielle<br />

Untersuchungen schließen sich an, z. B. die<br />

Darmspiegelung (Koloskopie), die Ultraschalluntersuchung<br />

des Enddarms und des<br />

Schließmuskels (Endosonographie) sowie<br />

die Messung des Schließmuskeldrucks in<br />

Ruhe und beim Anspannen (Analmanome-<br />

trie). In einigen Fällen ist eine neurophysiologische<br />

Untersuchung oder eine Kontrastuntersuchung<br />

des Enddarms bzw. eine<br />

Kernspintomographie erforderlich.<br />

Die Therapie beginnt bei den meisten Pa-<br />

tienten mit konservativen Maßnahmen.<br />

Dazu gehören das Beckenbodentraining,<br />

Medikamente zur Regulierung der Stuhlbeschaffenheit,<br />

das Training der Stuhlgewohnheiten,<br />

das so genannte Biofeedback-<br />

Training – bei dem der Erfolg durch die<br />

Patienten selbst kontrolliert wird – und ein<br />

morgendlicher Einlauf zur Darmentleerung,<br />

der den Patienten <strong>über</strong> den Tag Sicherheit<br />

vor einer ungewollten Entleerung gibt.<br />

Erst wenn die Maßnahmen nicht ausreichen,<br />

kommt auch eine operative Therapie in<br />

Betracht.<br />

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