Wir über uns - Kkrn
Wir über uns - Kkrn
Wir über uns - Kkrn
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
20<br />
KKRN – Das Klinikquartett<br />
Neue OP-Methode Sakralnervenstimulation<br />
kann bei Stuhlinkontinenz helfen<br />
„Das ist in die Hose gegangen“: Was wir lapidar<br />
als Redewendung für Misslungenes verwenden,<br />
ist für manche Menschen buchstäbliche<br />
Realität. „Stuhlinkontinenz tötet nicht, aber sie<br />
nimmt das ,Leben‘“: So heißt es in einer Studie<br />
<strong>über</strong> die Krankheit. Eine Aussage, der wohl<br />
viele Betroffene zustimmen würden. Und das<br />
sind nicht wenige: Man schätzt, dass ein bis<br />
drei Prozent der Bevölkerung – also mindestens<br />
800.000 Menschen in Deutschland – unter einer<br />
Stuhlinkontinenz leiden. Mit zum Teil verheerenden<br />
Auswirkungen: Betroffene meiden aus<br />
Scham die Öffentlichkeit, ziehen sich sogar von<br />
Familie oder Freunden zurück und vereinsamen.<br />
Hinzu kommt die Sprachlosigkeit, denn<br />
<strong>über</strong> das peinliche Thema zu sprechen, ist tabu.<br />
„Dabei wäre genau dies der erste Schritt zur Therapie<br />
der Erkrankung. Denn wir haben heute eine<br />
Fülle an Möglichkeiten, den Menschen zu helfen“,<br />
sagt Priv.-Doz. Dr. Klaus-Peter Riesener, Proktologe<br />
und Chefarzt der Klinik für Allgemein- und<br />
Viszeralchirurgie am Marien-Hospital.<br />
Die Therapie beginnt bei den meisten Patienten<br />
mit konservativen Empfehlungen. Dazu gehören<br />
zum Beispiel Übungen für den Beckenboden,<br />
Medikamente zur Regulierung der Stuhlbeschaffenheit<br />
oder das Training der Stuhlgewohnheiten.<br />
Reichen diese Maßnahmen nicht aus, kann<br />
eine operative Therapie helfen. „Sie hat das Ziel,<br />
die Schließmuskelfunktion wiederherzustellen,<br />
den Schließmuskel selbst zu verstärken<br />
oder im Extremfall gar zu ersetzen“,<br />
erläutert Riesener.<br />
Funktionsweise eines<br />
Sakralnervenschrittmachers.<br />
Marien-Hospital<br />
Wenn die Dichtung schwächelt<br />
Eine sehr erfolgversprechende Methode, die<br />
minimal-invasiv durchgeführt wird, ist die so genannte<br />
Sakralnervenstimulation. „Diese Methode<br />
funktioniert ähnlich wie ein Herzschrittmacher“,<br />
erklärt Riesener. Dabei platzieren die Chirurgen<br />
zunächst eine Elektrode im Bereich der Nerven,<br />
die für die Schließmuskelfunktion verantwortlich<br />
sind. Anschließend wird eine Batterie im Bereich<br />
des Gesäßes oder des Unterbauches implantiert<br />
und mit der Elektrode verbunden. Sie gibt nun<br />
– ähnlich wie ein Herzschrittmacher – beständig<br />
schwache elektrische Impulse an die Nerven ab<br />
und stärkt so den Schließmuskel. Manchmal ist<br />
nach der Implantation noch eine Feinjustierung<br />
erforderlich. Auch das ist ohne Probleme möglich,<br />
denn die Ärzte können den Darm-Schrittmacher<br />
von außen programmieren. Die Patienten<br />
erhalten eine Fernbedienung, mit der sich das<br />
Gerät jederzeit ein- und ausschalten und die Stärke<br />
der elektrischen Impulse individuell einstellen<br />
lässt. „Erfreulich ist, dass wir mit diesem Verfahren<br />
bei bis zu 80 Prozent aller Patienten die Kontinenz<br />
und damit die Lebensqualität entscheidend verbessern<br />
können“, stellt Riesener fest.<br />
Auch wenn sich keiner eine Darm- und Schließmuskelschwäche<br />
wünscht: Den Kopf in den Sand<br />
zu stecken, brauchen Betroffene deshalb noch<br />
lange nicht. Entscheidend ist jedoch der erste<br />
Schritt: der Gang zum Arzt. „Sprechen Sie mit ihm<br />
<strong>über</strong> Ihre Krankheit. Denn Inkontinenz<br />
ist kein unabwendbares<br />
Schicksal“, appelliert<br />
Riesener an alle Betroffenen.<br />
(qu)<br />
Hintergrund<br />
Das Leben wieder in vollen Zügen<br />
genießen – trotz Stuhlinkontinenz.<br />
Was ist eine Stuhlinkontinenz?<br />
Unter einer Stuhlinkontinenz versteht man<br />
den Verlust der Fähigkeit, Darmgase und/<br />
oder flüssigen oder festen Stuhlgang zu<br />
kontrollieren. Man unterscheidet drei<br />
Schweregrade der Erkrankung: Die leichte<br />
Form (Grad 1) äußert sich durch den<br />
unwillkürlichen Abgang von Winden und<br />
eine leichte Verschmutzung der Wäsche.<br />
Bei der mittelschweren Form (Grad 2) kann<br />
zusätzlich dünnflüssiger Stuhl nicht mehr<br />
kontrolliert werden, und gelegentlich<br />
kommt es auch zum Verlust von festerem<br />
Stuhlgang. Bei der schwersten Form (Grad<br />
3) gehen Stuhl und Winde unkontrolliert<br />
ab. Die Stuhlinkontinenz kann auch mit<br />
einer Urininkontinenz einhergehen – besonders<br />
bei einer allgemeinen Schwäche<br />
des Beckenbodens oder bei einem so genannten<br />
Vorfall von Organen des Beckens.<br />
Eine Stuhlinkontinenz tritt sehr häufig als<br />
Folge von Verletzungen während des Geburtsaktes<br />
auf. Meistens klagen betroffene<br />
Frauen allerdings erst im höheren Alter<br />
dar<strong>über</strong>, also dann, wenn die Kraft des<br />
Schließmuskels nachlässt. Die Krankheit<br />
kann aber auch nach Operationen und<br />
Infektionen im Afterbereich oder anderen<br />
Enddarmerkrankungen auftreten. Und<br />
schließlich gibt es neurologische Erkrankungen,<br />
die mit einer Inkontinenz verbunden<br />
sind.<br />
Wie therapiert man Stuhlinkontinenz?<br />
Der erste Schritt ist immer der Gang zum<br />
Arzt. Ein spezialisierter Mediziner, zum Bei-<br />
spiel ein Proktologe (Arzt für Enddarmerkrankungen),<br />
wird dann nach der Ursache<br />
forschen. Am Anfang steht eine sorgfältige<br />
Befragung, mit der er die Vorgeschichte der<br />
Erkrankung (Anamnese) und ihren Verlauf<br />
erhebt. Die Basisdiagnostik umfasst die<br />
Sichtung von außen (Inspektion) und das<br />
Austasten des Enddarms (Palpation) mit<br />
dem Finger des Untersuchers. Mit diesen<br />
einfachen Maßnahmen kann man bereits<br />
Hinweise auf Art, Ausdehnung und Ursache<br />
der Krankheit gewinnen. Weitere spezielle<br />
Untersuchungen schließen sich an, z. B. die<br />
Darmspiegelung (Koloskopie), die Ultraschalluntersuchung<br />
des Enddarms und des<br />
Schließmuskels (Endosonographie) sowie<br />
die Messung des Schließmuskeldrucks in<br />
Ruhe und beim Anspannen (Analmanome-<br />
trie). In einigen Fällen ist eine neurophysiologische<br />
Untersuchung oder eine Kontrastuntersuchung<br />
des Enddarms bzw. eine<br />
Kernspintomographie erforderlich.<br />
Die Therapie beginnt bei den meisten Pa-<br />
tienten mit konservativen Maßnahmen.<br />
Dazu gehören das Beckenbodentraining,<br />
Medikamente zur Regulierung der Stuhlbeschaffenheit,<br />
das Training der Stuhlgewohnheiten,<br />
das so genannte Biofeedback-<br />
Training – bei dem der Erfolg durch die<br />
Patienten selbst kontrolliert wird – und ein<br />
morgendlicher Einlauf zur Darmentleerung,<br />
der den Patienten <strong>über</strong> den Tag Sicherheit<br />
vor einer ungewollten Entleerung gibt.<br />
Erst wenn die Maßnahmen nicht ausreichen,<br />
kommt auch eine operative Therapie in<br />
Betracht.<br />
21