Expertengutachten von Prof. Dr. Markus Schefer - Infosperber
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Glaubens- und Gewissensfreiheit <strong>von</strong> Lehrpersonen: Rechtsgutachten 14<br />
<strong>von</strong> <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Markus</strong> <strong>Schefer</strong>, LL.M. und Alexander Suter, MLaw<br />
Verschiedene kantonale Schulgesetze<br />
enthalten ähnlich formulierte Bestimmungen.<br />
104 Der Bundesrat beurteilte in einem<br />
Entscheid aus dem Jahr 1984 eine gesetzliche<br />
Regelung des St. Galler Volksschulgesetzes,<br />
das festhielt, dass die Volksschule<br />
„nach christlichen Grundsätzen geführt“<br />
werde. 105 Der Bundesrat hielt dabei<br />
fest, dass diese Bestimmung im Rahmen der<br />
übrigen Ziele des Volksschulgesetzes gelesen<br />
werden müsse, wonach die Schüler zu<br />
lebensbejahenden, tüchtigen und gemeinschaftsfähigen<br />
Menschen erzogen werden<br />
sollten, ihnen Anleitung zu selbständigem<br />
Denken und Handeln zu geben sei und die<br />
Erziehung nach den Grundsätzen <strong>von</strong> Demokratie,<br />
Freiheit und sozialer Gerechtigkeit<br />
im Rahmen des Rechtsstaates zu verantwortungsbewussten<br />
Menschen und Bürgern zu<br />
erfolgen habe. 106 Nur in diesem Rahmen<br />
käme das Anliegen zum Tragen, dass die<br />
Erziehung nach christlichen Grundsätzen zu<br />
erfolgen habe.<br />
Aus diesem Zusammenhang werde<br />
deutlich, dass es sich bei diesem Passus nicht<br />
um ein spezifisch religiöses Bekenntnis<br />
handle, sondern um eine allgemeine menschliche<br />
Haltung, auf der die Erziehung aufbauen<br />
soll, und um ethische Prinzipien, die zu<br />
vermitteln ihr Ziel sei. „Dass dafür der Ausdruck<br />
‚christliche Grundsätze‘ gewählt wurde“,<br />
so der Bundesrat, „rechtfertigt sich aus<br />
der Tatsache, dass die abendländische Kultur<br />
in hohem Masse durch christliches Gedankengut<br />
geprägt ist“. 107 Diese Argumentation<br />
des Bundesrates wird in der neueren Lehre<br />
104<br />
105<br />
106<br />
107<br />
Vgl. § 2 des Gesetzes über die Volksschule des<br />
Kantons Thurgau vom 29. August 2007: „In Ergänzung<br />
zum Erziehungsauftrag der Eltern erzieht<br />
sie die Kinder nach christlichen Grundsätzen<br />
und demokratischen Werten zu selbständigen,<br />
lebenstüchtigen Persönlichkeiten und zu Verantwortungsbewusstsein<br />
gegenüber den Mitmenschen<br />
und der Umwelt.“; für weitere Beispiele<br />
siehe PLOTKE, Schweizerisches Schulrecht, S.<br />
193.<br />
VPB 51.7, St. Galler Schulgesetz.<br />
VPB 51.7, St. Galler Schulgesetz, EII.4.<br />
VPB 51.7, St. Galler Schulgesetz, EII.4.<br />
überwiegend kritisiert. 108 Unabhängig <strong>von</strong><br />
der Berechtigung dieser Kritik, kann die vorliegend<br />
zu beurteilende Bestimmung nicht<br />
mit der Begründung, wie sie dem bundesrätlichen<br />
Entscheid zugrunde liegt, gerechtfertigt<br />
werden.<br />
Der Bundesrat macht in seinem Entscheid<br />
deutlich, dass eine Ausrichtung der<br />
Grundschule an christlichen Grundsätzen,<br />
die nicht auch als allgemeine ethische Prinzipien<br />
verstanden werden können, mit der<br />
Garantie religiöser Neutralität des Staates<br />
nicht vereinbar wäre. Es wird also zwischen<br />
zulässiger Wertevermittlung und unzulässigem<br />
Glaubensbekenntnis unterschieden. Mit<br />
der kantonalen Bestimmung sei nicht eine<br />
Hinführung zu konfessionellen Verhaltensweisen,<br />
sondern vielmehr die Vermittlung<br />
<strong>von</strong> in unserem Kulturkreis anerkannten<br />
ethischen und zwischenmenschlichen Normen<br />
gemeint. 109 Zu klären ist deshalb, ob der<br />
fraglichen Bestimmung <strong>von</strong> Art. 3 Abs. 2<br />
des kantonalen Schulgesetzes ein Gehalt<br />
zugemessen werden kann, der sie <strong>von</strong> einer<br />
spezifisch religiösen Stellungnahme entkoppelt.<br />
Die allgemeine Aufgabe der Volksschule<br />
wird in Art. 3 des Gesetzes umschrieben.<br />
Die Hier relevante Bestimmung lautet<br />
wie folgt: „Sie [die Walliser Schule] bemüht<br />
sich, die sittlichen, geistigen und körperlichen<br />
Anlage des Schülers zur Entfaltung zu<br />
108<br />
Positiv äusserten sich noch TAPPENBECK/DE<br />
MORTANGES, Religionsfreiheit in der Schule, S.<br />
1417; vgl. auch PLOTKE, Schweizerisches Schulrecht,<br />
S. 193, der betreffende Bestimmungen als<br />
rechtmässig bezeichnet, weil sie „nur scheinbar<br />
konfessionelle Anstriche“ hätten; In neueren<br />
Lehrmeinungen wird die Rechtsprechung jedoch<br />
zunehmend kritisiert, vgl. BORGHI, Art. 27Abs. 3<br />
aBV, N73; MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte, S.<br />
272ff.<br />
109 BGE 116 Ia 252 E6b S. 261 (Kruzifix); VPB 51.7,<br />
St. Galler Schulgesetz, NII.4; TAPPENBECK/DE<br />
MORTANGES, Religionsfreiheit in der Schule, S.<br />
1417; vgl. auch PLOTKE, Schweizerisches Schulrecht,<br />
S. 193, der betreffende Bestimmungen als<br />
rechtmässig bezeichnet, weil sie „nur scheinbar<br />
konfessionelle Anstriche“ hätten.