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Expertengutachten von Prof. Dr. Markus Schefer - Infosperber

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Glaubens- und Gewissensfreiheit <strong>von</strong> Lehrpersonen: Rechtsgutachten 4<br />

<strong>von</strong> <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Markus</strong> <strong>Schefer</strong>, LL.M. und Alexander Suter, MLaw<br />

unterworfen. 6 So wurden die Kantone gemäss<br />

Art. 44 BV (1848) dazu angehalten, die<br />

Kultusfreiheit für Angehörige christlicher<br />

Konfessionen zu beachten. Mit der Totalrevision<br />

der Bundesverfassung wurde dieser<br />

Schutz mit Art. 49 und 50 BV (1874) zu<br />

einer nicht nur auf Kultushandlungen christlicher<br />

Konfessionen beschränkte, sondern<br />

viel weitere Glaubens-, Gewissens- und Kultusfreiheit<br />

ausgedehnt. 7<br />

In den folgenden Jahrzehnten entwickelte<br />

sich die schweizerische Religionslandschaft<br />

zu einem zunehmend heterogenen<br />

Gebilde. Für den Staat ging es immer weniger<br />

bloss darum, zwischen christlichen Konfessionen<br />

zu vermitteln, sondern er wurde<br />

vermehrt gefordert, seine Haltung gegenüber<br />

einer ganzen Reihe <strong>von</strong> religiösen und weltanschaulichen<br />

Einflüssen zu klären.<br />

8<br />

Schliesslich wurden die genannten Garantien<br />

durch die Nachführung im Jahre 1999 mit<br />

Art. 15 in modernisierter und gestraffter<br />

Form in die aktuelle Bundesverfassung ü-<br />

bernommen. 9<br />

Weitere Schranken bei der Regelung<br />

des Verhältnisses zu Glaubensgemeinschaften<br />

werden den Kantonen durch den Grundsatzes<br />

rechtstaatlichen Handelns (Art. 5 BV)<br />

sowie dem Rechtsgleichheits- und dem Diskriminierungsverbot<br />

(Art. 8 BV) gesetzt. 10<br />

Neben diesen bundesrechtlichen Vorgaben<br />

enthalten auch völkerrechtliche Übereinkommen<br />

für die Schweiz verbindliche Bestimmungen<br />

zur Glaubens- und Gewissensfreiheit.<br />

Aus der heutigen Praxis zu Art. 9<br />

6<br />

7<br />

8<br />

9<br />

10<br />

Vgl. aber HAFNER, Glaubens- und Gewissensfreiheit,<br />

N34, der festhält, dass die Kantone trotz<br />

der vereinzelten Vorgaben weitgehend frei sind in<br />

der Ausgestaltung ihres Verhältnisses zu den Religionsgemeinschaften.<br />

SAHLFELD, Aspekte der Religionsfreiheit, S. 41.<br />

CAMPICHE, Die Religion - Distanznahme des<br />

Staates, S. 24.<br />

BIAGGINI, Art. 15 BV, N1; Vgl. Punkt B.I.2, S. 5,<br />

für eine umfassende Darstellung der heutigen<br />

Gehalte <strong>von</strong> Art. 15 BV.<br />

HANGARTNER, Überblick Religionsfreiheit, S.<br />

450; CAVELTI/KLEY, Art. 72 BV, N4.<br />

EMRK und Art. 18 des UNO-Pakt II ergeben<br />

sich jedoch keine zusätzlichen Anforderungen<br />

an das kantonale religionsrechtliche<br />

System. 11<br />

Die Glaubens- und Gewissensfreiheit<br />

tendiert im Grundsatz auf eine Trennung <strong>von</strong><br />

Kirche und Staat. 12 Der verfassungsrechtliche<br />

Vorbehalt <strong>von</strong> Art. 72 BV zugunsten<br />

einer engeren Verschränkung der Kantone<br />

mit gewissen Religionsgemeinschaften stellt<br />

deshalb eine Einschränkung dieses Grundrechts<br />

dar. Angesichts der unterschiedlichen<br />

kantonalen Regelungen ist es unabdingbar,<br />

die rechtliche Regelung des Verhältnisses<br />

<strong>von</strong> Staat und Religionsgemeinschaften im<br />

Kanton Wallis näher zu beleuchten.<br />

1.2. Verhältnis <strong>von</strong> Kirche und Staat im<br />

Kanton Wallis<br />

Anlässlich der Totalrevision der Walliser<br />

Kantonsverfassung im Jahre 1907 wurde<br />

mit Art. 2 Abs. 1 folgende Bestimmung<br />

übernommen: „Die römisch-apostolischkatholische<br />

Religion ist die Staatsreligion“. 13<br />

Im Grossen Rat wurden damals Bedenken<br />

über die Verfassungsmässigkeit dieser Bestimmung<br />

geäussert, da sie sich nicht mit der<br />

durch Art. 49 und 50 BV (1874) gewährleisteten<br />

Glaubens-, Gewissens- und Kultusfreiheit<br />

vertrage. 14 Diese Bedenken wurden<br />

indes nicht <strong>von</strong> der Mehrheit der Grossräte<br />

geteilt. Die Bestimmung sollte nach Ansicht<br />

dieser Mehrheit keine tatsächliche Wirkung<br />

entfalten, sondern lediglich als Ausdruck für<br />

die im Kanton Wallis historisch gewachsene<br />

Wechselwirkung zwischen Staat und Kirche<br />

dienen. Im Übrigen galt im Kanton der<br />

Grundsatz der Trennung zwischen Kirche<br />

11<br />

12<br />

13<br />

14<br />

LORETAN, Das kantonale Staatskirchenrecht, S.<br />

94.<br />

EHRENZELLER, Zukunftsperspektive: Trennung<br />

<strong>von</strong> Kirche und Staat, S. 188; NAY, Positive und<br />

negative Neutralität des Staates, S. 217.<br />

BBl 1907 V 615.<br />

TROGER, Geschichte der Verfassung des Kantons<br />

Wallis, S. 110.

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