Expertengutachten von Prof. Dr. Markus Schefer - Infosperber
Expertengutachten von Prof. Dr. Markus Schefer - Infosperber
Expertengutachten von Prof. Dr. Markus Schefer - Infosperber
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Glaubens- und Gewissensfreiheit <strong>von</strong> Lehrpersonen: Rechtsgutachten 30<br />
<strong>von</strong> <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Markus</strong> <strong>Schefer</strong>, LL.M. und Alexander Suter, MLaw<br />
wurde, den Konflikt um das Kruzifix einvernehmlich,<br />
dialoghaft 185 zu lösen, und es<br />
stand Herrn Abgottspon auch kein interner<br />
Beschwerdeweg mehr offen. Damit blieb<br />
ihm letztlich nur noch, mit seinem inhaltlich<br />
berechtigten Anliegen an die Öffentlichkeit<br />
zu gelangen, diese auf die bestehenden<br />
Missstände aufmerksam zu machen und so<br />
zu einer Besserung der verfassungsrechtlichen<br />
Situation an der OS Stalden beizutragen.<br />
186<br />
D. Zusammenfassung<br />
I. Glaubens- und Gewissensfreiheit<br />
im öffentlichen Grundschulunterricht<br />
1. Der Verfassungsrechtliche Rahmen<br />
Das Verhältnis zwischen Gemeinwesen<br />
und Kirchen wir <strong>von</strong> den Kantonen geregelt.<br />
Diese in Art. 72 BV festgehaltene<br />
Ordnung stellt eine Einschränkung der in der<br />
Bundesverfassung und internationalen Übereinkommen<br />
wie der EMRK und dem UNO-<br />
Pakt II gewährleisteten Glaubens- und Gewissensfreiheit<br />
dar. Die Kompetenzen nach<br />
Art. 72 BV sind deshalb mit dem Grundrecht<br />
der Glaubens- und Gewissensfreiheit in<br />
praktische Konkordanz zu bringen.<br />
185<br />
186<br />
HAFNER, Öffentlicher Dienst im Wandel, S. 493.<br />
HÄNNI, Die Treuepflicht, S. 135f.<br />
Die Glaubens- und Gewissensfreiheit<br />
vermittelt zunächst individualrechtliche Ansprüche<br />
und dient dem Schutz wesentlicher<br />
Aspekte menschlicher Existenz, insbesondere<br />
der persönlichen Haltung zu letztverbindlichen<br />
Gehalten. Geschützt sind alle theistischen,<br />
agnostischen, freidenkerischen, a-<br />
theistischen und rationalistischen Überzeugungen,<br />
diese Überzeugungen zu haben oder<br />
nicht zu haben, sie individuell oder kollektiv<br />
zu praktizieren, zu verbreiten oder daran<br />
Kritik zu üben.<br />
Neben diesen individualrechtlichen<br />
Gehalten beinhaltet die Glaubens- und Gewissensfreiheit<br />
ein staatliches Organisationsprinzip,<br />
wonach der Staat nicht einseitig<br />
Position für oder gegen bestimmte, religiös<br />
oder weltanschaulich ausgerichtete Gruppierungen<br />
einnehmen darf. Für empfindliche<br />
Bereiche staatlicher Tätigkeiten wiegt dieses<br />
Neutralitätsprinzip besonders schwer. Dies<br />
gilt insbesondere für den Bereich öffentlicher<br />
Schulen, wo der Staat Schülerinnen und<br />
Schülern gegenüber tritt, die sich aufgrund<br />
ihrer noch ungefestigten Anschauungen und<br />
unausgebildetem Kritikvermögen in einer<br />
Position besonderer Schutzbedürftigkeit befinden.<br />
Besonders schwer wiegt die Neutralitätspflicht<br />
im Rahmen des obligatorischen<br />
Grundschulunterrichts. Die staatliche Pflicht<br />
zu religiöser Neutralität stellt zudem einen