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Expertengutachten von Prof. Dr. Markus Schefer - Infosperber

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Glaubens- und Gewissensfreiheit <strong>von</strong> Lehrpersonen: Rechtsgutachten 20<br />

<strong>von</strong> <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Markus</strong> <strong>Schefer</strong>, LL.M. und Alexander Suter, MLaw<br />

solche Symbole in Lehrerzimmern anzubringen.<br />

3. Zulässigkeit der Verpflichtung zur<br />

Vorbereitung <strong>von</strong> Kultushandlungen<br />

Im Rahmen seiner Tätigkeit war Herr<br />

Abgottspon verpflichtet, Messdiener und<br />

Lektoren aus der <strong>von</strong> ihm betreuten Schülerschaft<br />

für die fast wöchentlich stattfindenden<br />

Schulmessen zu bestimmen. Es ist deshalb<br />

der Frage nachzugehen, in welchem Umfang<br />

es einer Lehrperson zugemutet werden darf,<br />

bei der Vorbereitung und Durchführung einer<br />

für sie fremden, religionsgebundenen<br />

Schulmesse mitzuwirken.<br />

Mit Hinweis auf den in Art. 15 Abs. 4<br />

BV umschriebenen Kerngehalt der Glaubens-<br />

und Gewissensfreiheit ist festzuhalten,<br />

dass niemand gezwungen werden darf, eine<br />

religiöse Handlung vorzunehmen. Das Recht,<br />

an einer religiösen Messe teilzunehmen oder<br />

nicht, wird als Teilaspekt der Kultusfreiheit<br />

ebenfalls <strong>von</strong> dieser Garantie erfasst. 132 Da<br />

Kerngehalte absolut gelten 133 darf niemand,<br />

auch keine Lehrperson, zur Teilnahme an<br />

einer Schulmesse gezwungen werden. Die<br />

Teilnahme dürfte deshalb in keinem Fall Teil<br />

einer Dienstanweisung sein. 134<br />

Die rechtliche Beurteilung der Vorbereitungshandlungen,<br />

insbesondere das hier in<br />

Frage stehende Bestimmen einzelner Personen<br />

aus der Schülerschaft zu Messedienerinnen<br />

und Messedienern, ist weniger offensichtlich.<br />

In der Lehre wird immerhin festgehalten,<br />

dass Schülerinnen und Schüler<br />

neben Schulgottesdiensten auch nicht zur<br />

132<br />

133<br />

134<br />

HAFNER, Glaubens- und Gewissensfreiheit, S.<br />

709, N5; MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte, S. 267.<br />

SCHEFER, Beeinträchtigung <strong>von</strong> Grundrechten, S.<br />

95.<br />

Gleiches muss auch für das Erteilen <strong>von</strong> Religionsunterricht<br />

gelten, was <strong>von</strong> einer Lehrperson<br />

ebenfalls nicht gegen ihren Willen verlangt werden<br />

darf, siehe PLOTKE, Schweizerisches Schulrecht,<br />

S. 201.<br />

Teilnahme an deren Vorbereitungen gezwungen<br />

werden dürfen. 135 Selbst blosse<br />

Vorbereitungen <strong>von</strong> Schulmessen werden<br />

vom Schutzbereich der Glaubens- und Gewissensfreiheit<br />

und damit <strong>von</strong> der staatlichen<br />

Neutralitätspflicht erfasst. Die Pflicht zu<br />

religiöser Neutralität gilt mit Bezug auf junge<br />

Schüler zwar in besonders strenger Form,<br />

kommt aber auch gegenüber Lehrpersonen<br />

zum Tragen. Eine Lehrperson dazu zu verpflichten,<br />

an Vorbereitungshandlungen zu<br />

Kultushandlungen teilzunehmen, ist deshalb<br />

nur dann zulässig, wenn eine genügende<br />

Rechtfertigung vorliegt. Eine spezifische<br />

Grundlage im Gesetz erscheint insbesondere<br />

deshalb nicht erforderlich, weil sich der Lehrer<br />

in einem besonderen Rechtsverhältnis<br />

zum Staat befindet und deshalb nicht jede<br />

einzelne Dienstverpflichtung gesetzesrechtlich<br />

geregelt sein muss.<br />

Fraglich ist jedoch, welche Interessen<br />

eine Mitwirkungspflicht, und entsprechend<br />

eine Abweichung vom Grundsatz religiöser<br />

Neutralität, rechtfertigen können. Es liesse<br />

sich etwa denken, dass die Lehrperson den<br />

engsten Kontakt zu den Schülerinnen und<br />

Schülern hat und deshalb am einfachsten die<br />

nötigen Einteilungen vornehmen kann. Da<br />

der Gottesdienst jedoch nicht <strong>von</strong> den Lehrpersonen,<br />

sondern <strong>von</strong> Klerikern durchgeführt<br />

wird, kann auch <strong>von</strong> ihnen verlangt<br />

werden, dass sie beispielsweise im Religionsunterricht<br />

die entsprechenden organisatorischen<br />

Massnahmen ergreifen. Zudem kann<br />

es nicht Aufgabe der neutralen staatlichen<br />

Schule sein, einer oder wenigen ausgewählten<br />

Konfessionen bei der Durchführung ihrer<br />

Kultushandlungen behilflich zu sein.<br />

Nach unserem Dafürhalten ist es deshalb<br />

mit der staatlichen Pflicht zur religiösen<br />

Neutralität nicht vereinbar, Lehrpersonen an<br />

staatlichen Grundschulen zu verpflichten, an<br />

der Auswahl <strong>von</strong> Schülerinnen und Schülern<br />

für gewisse Chargen bei der Durchführung<br />

religiöser Kultushandlungen mitzuwirken.<br />

135<br />

PLOTKE, Schweizerisches Schulrecht, S. 205.

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