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Expertengutachten von Prof. Dr. Markus Schefer - Infosperber

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Glaubens- und Gewissensfreiheit <strong>von</strong> Lehrpersonen: Rechtsgutachten 18<br />

<strong>von</strong> <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Markus</strong> <strong>Schefer</strong>, LL.M. und Alexander Suter, MLaw<br />

Im Schweizer Kruzifix-Fall verstand<br />

das Bundesgericht ohne weitere Auseinandersetzung<br />

das Kruzifix klar als Symbol spezifisch<br />

des Christentums. 123 Das deutsche<br />

Bundesverfassungsgericht setzte sich eingehend<br />

mit der Frage auseinander, ob das<br />

Kreuz – und nicht nur das Kruzifix – nur<br />

Ausdruck der vom Christentum geprägten<br />

abendländischen Kultur (wie dies die Bayerisch<br />

Regierung und die Evangelisch-<br />

Lutherische Kirche Bayerns geltend machte),<br />

oder aber als Symbol einer bestimmten religiösen<br />

Überzeugung zu verstehen sei. Es<br />

beantwortet die Frage klar: „Das Kreuz ist<br />

Symbol einer bestimmten religiösen Überzeugung<br />

und nicht etwa nur Ausdruck der<br />

vom Christentum mitgeprägten abendländischen<br />

Kultur“ 124 . Es bezeichnete das Kreuz<br />

als „Glaubenssymbol schlechthin“, das für<br />

gläubige Christen in vielfacher Weise einen<br />

Gegenstand der Verehrung und der Frömmigkeitsübung<br />

darstellt. Vorsichtiger entschied<br />

der EGMR, indem er dem Kruzifix<br />

verschiedene Bedeutungen zuerkennt, jedoch<br />

gleichzeitig festhält, dass die religiöse Bedeutung<br />

als Symbol des Katholizismus klar<br />

überwiegt. 125<br />

Hinsichtlich der klar religiösen Konnotation<br />

eines Kruzifixes besteht demnach<br />

Einigkeit in der hier diskutierten Rechtsprechung.<br />

Damit ist die zu Beginn skizzierte<br />

Argumentation nicht haltbar, wonach das<br />

Symbol nicht für eine spezifische Glaubensrichtung,<br />

sondern als allgemeiner Ausdruck<br />

unserer abendländischen Gesellschaft stehe.<br />

126<br />

2.3. Platzierung des Kruzifix<br />

2.3.1. Allgemeines<br />

Ein weiteres Argument, das für eine<br />

Relativierung des Verbots <strong>von</strong> Kruzifixen in<br />

öffentlichen Schulen herangezogen wurde,<br />

ist der Einfluss ihrer räumlichen Platzierung.<br />

Das Bundesgericht hat darauf hingewiesen,<br />

dass das <strong>von</strong> ihm erlassene Urteil vielleicht<br />

anders hätte ausfallen müssen, wenn „die<br />

Gegenwart des Kruzifix in Schulräumen für<br />

den allgemeinen Gebrauch zu beurteilen<br />

gewesen wäre, wie zum Beispiel in der Vorhalle,<br />

den Gängen, der Kantine oder natürlich<br />

in einem allfällig für den Gottesdienst<br />

vorgesehenen Raum oder in einem Zimmer,<br />

in dem der freiwillige Gottesdienst erteilt<br />

wird“. 127 Ähnlich argumentierte das deutsche<br />

Bundesverfassungsgericht, wenn es dem<br />

Kreuz in Unterrichtsräumen eine in Dauer<br />

und Intensität höhere Beeinflussung zugesteht,<br />

als wenn sich das Symbol in anderen<br />

Bereichen befinden würde, in denen es in der<br />

Regel nur zu flüchtigen Zusammentreffen<br />

komme. 128 Auch der EGMR weist darauf hin,<br />

dass das Anbringen <strong>von</strong> religiösen Symbolen<br />

gerade in Unterrichtsräumen in besonderem<br />

Masse in die <strong>von</strong> der Konvention garantierten<br />

Rechte eingreifen kann. 129 Zumindest für<br />

die in den Unterrichtsräumen angebrachten<br />

Symbole muss deshalb gelten, dass diese die<br />

Garantien der Glaubens- und Gewissensfreiheit<br />

verletzen und sich nicht rechtfertigen<br />

lassen. 130<br />

123<br />

124<br />

125<br />

126<br />

BGE 116 Ia 252 E7b S. 262 (Kruzifix).<br />

BVerfGE 93, 1, S. 19 (Deutscher Kreuz-<br />

Entscheid).<br />

EGMR Lautsi v. Italy, 30814/06 N51, 56 (2009).<br />

So auch etwa KARLEN, Religiöse Symbole in<br />

öffentlichen Räumen, S. 15ff; MÜLLER/SCHEFER,<br />

Grundrechte, S. 272ff; NAY, Positive und negative<br />

Neutralität des Staates, S. 223; CAVELTI/KLEY,<br />

Art. 15 BV, N15; BIAGGINI, Art. 15 BV, N14.<br />

127<br />

128<br />

129<br />

130<br />

BGE 116 Ia 252 E7c S. 263 (Kruzifix); vgl. TAP-<br />

PENBECK/DE MORTANGES, Religionsfreiheit in<br />

der Schule, S. 1418, die aus dieser Formulierung<br />

des Bundesgerichts m.E. fälschlicherweise darauf<br />

schliessen, dass ein Kruzifix ausserhalb der Unterrichtsräume<br />

als „erlaubtes Symbol der abendländisch-christlichen<br />

Kultur“ verstanden werden<br />

könne.<br />

BVerfGE 93, 1, S. 18 (Deutscher Kreuz-<br />

Entscheid).<br />

EGMR Lautsi v. Italy, 30814/06 N51, 57 (2009).<br />

Die Platzierung in anderen, für die Schülerinnen<br />

und Schüler zugänglichen Räumlichkeiten, spielt<br />

für den diesem Gutachten zugrunde Fall keine

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