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Expertengutachten von Prof. Dr. Markus Schefer - Infosperber

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Glaubens- und Gewissensfreiheit <strong>von</strong> Lehrpersonen: Rechtsgutachten 26<br />

<strong>von</strong> <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Markus</strong> <strong>Schefer</strong>, LL.M. und Alexander Suter, MLaw<br />

Gemeinde tätigen Lehrperson losgetreten<br />

wurde. 175<br />

In der Folge kam es in regionalen<br />

Medien zu verschiedenen, sich abwechselnden<br />

Meinungsäusserungen <strong>von</strong> Herrn Abgottspon,<br />

dem Gemeindepräsidenten und<br />

Rechtsexperten. Die Diskussion wurde dabei<br />

stets mit sachlichen Argumenten geführt, so<br />

dass zumindest im Hinblick auf die Form der<br />

Äusserungen keine Gründe ersichtlich sind,<br />

die eine Einschränkung der Meinungsfreiheit<br />

rechtfertigen oder eine Verletzung der<br />

Treuepflicht begründen könnten.<br />

2.2.2. Inhalt der Äusserungen<br />

Im Hinblick auf den Inhalt der Äusserungen<br />

wurde festgehalten, dass hier besonders<br />

hohe Hürden für ihre Beschränkung<br />

durch die Treuepflicht zu gelten haben. In<br />

diesem Zusammenhang muss auch beachtet<br />

werden, ob mit der Äusserung eine breite<br />

Diskussion zu einem gesellschaftlich relevanten<br />

Thema angestossen oder ein Einzelakt<br />

des Gemeinwesens kritisiert werden sollte.<br />

Die ersten öffentlichen Äusserungen<br />

<strong>von</strong> Herrn Abgottspon hatten die grundsätzliche<br />

Rolle der Kirche im Unterrichtswesen<br />

des Kantons Wallis zum Thema und nahmen<br />

nicht auf konkrete Einzelakte Bezug. In der<br />

Folge hat sich eine breite öffentliche Diskussion<br />

entwickelt, die sich erst mit der Zeit auf<br />

die besondere Problematik mit dem Kruzifix<br />

und dessen Präsenz in den <strong>von</strong> Herrn Abgottspon<br />

verwendeten Unterrichtsräumen<br />

zuzuspitzen begann. Diese Fokussierung auf<br />

einen Einzelakt ist insbesondere auf die öffentliche<br />

Diskussion und weniger auf die<br />

konkreten Äusserungen <strong>von</strong> Herr Abgottspon<br />

zurück zu führen. Die Rolle der<br />

Religion insbesondere im Grundschulunter-<br />

175<br />

Siehe Beitrag des Fernsehsenders „Kanal9 Oberwallis“,<br />

abrufbar unter http://www.kanal9.ch/tele-<br />

oberwallis/sendungen/grossrat-kompakt/10-09-<br />

2010/grossrat-kompakt-10-09-10.html (zuletzt<br />

besucht am Mittwoch, 05.01.2011).<br />

richt stellt ein Thema <strong>von</strong> zentralem gesellschaftlichem<br />

Interesse dar. Dies zeigen nicht<br />

nur die intensiven Auseinandersetzungen in<br />

der Schweiz seit dem Kruzifix-Urteil des<br />

Bundesgerichts, sondern auch etwa die Reaktionen<br />

im benachbarten Bayern auf das<br />

entsprechende Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts.<br />

Auch die Reaktionen<br />

sogar des italienischen Ministerpräsidenten<br />

auf das Kruzifix-Urteil des EGMR zeugen<br />

<strong>von</strong> der grossen gesellschaftlichen Sprengkraft<br />

dieses Themas. Entsprechend sind Einschränkungen<br />

<strong>von</strong> öffentlichen Äusserungen<br />

zu diesem Thema nur unter sehr restriktiven<br />

Voraussetzungen zulässig.<br />

An die öffentlichen Interessen zur<br />

Einschränkung solcher Äusserungen sind<br />

besonders hohe Anforderungen zu stellen.<br />

Aus den den Gutachtern vorliegenden Akten<br />

geht hervor, dass die Schulbehörden aufgrund<br />

der entsprechenden Äusserungen <strong>von</strong><br />

Herrn Abgottspon eine Beeinträchtigung des<br />

Ansehens der OS Stalden befürchteten und<br />

den geordneten Schulbetrieb bedroht sahen.<br />

Kritische Äusserungen einer Lehrperson<br />

in der Öffentlichkeit über den Religionsbezug<br />

ihrer Schule vermögen für sich allein<br />

das Ansehen der Schule jedoch nicht erheblich<br />

zu vermindern. Gerade <strong>von</strong> Lehrpersonen<br />

wird erwartet, dass sie sich mit Themen<br />

<strong>von</strong> gesellschaftlichem Interesse kritisch<br />

auseinandersetzen und öffentlich dazu Stellung<br />

nehmen. Auf diese Weise leben sie ihren<br />

Schülern jenen staatsbürgerlichen Sinn<br />

vor, der für ihre Erziehung zu aktiven Teilnehmern<br />

am demokratischen Diskurs unabdingbar<br />

ist. Darauf nimmt auch das Walliser<br />

Schulgesetz Bezug, wenn es die Volksschule<br />

darauf verpflichtet, die Schüler auf ihre Aufgabe<br />

als Mensch vorzubereiten.<br />

Dass sich die kritische Auseinandersetzung<br />

mit wichtigen Themen <strong>von</strong> gesellschaftlichem<br />

Interesse oft auch an etablierten<br />

politischen Orthodoxien reibt, erscheint unvermeidbar.<br />

Sie ist aber gerade dort, wo solche<br />

Orthodoxien auch historisch tief verankert<br />

sind, für eine lebendige Demokratie<br />

besonders notwendig. Auch mit Bezug auf<br />

die vorliegend zu beurteilenden Äusserungen

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