Expertengutachten von Prof. Dr. Markus Schefer - Infosperber
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Glaubens- und Gewissensfreiheit <strong>von</strong> Lehrpersonen: Rechtsgutachten 24<br />
<strong>von</strong> <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Markus</strong> <strong>Schefer</strong>, LL.M. und Alexander Suter, MLaw<br />
2. Meinungsfreiheit<br />
2.1. Allgemeines<br />
Das Grundrecht der Meinungsfreiheit<br />
nach Art. 16 Abs. 1 und 2 BV stellt die allgemeinste<br />
Gewährleistung freier Kommunikation<br />
dar: Diese Grundrechtsgarantie<br />
schützt kommunikative Äusserungen unabhängig<br />
<strong>von</strong> ihrem Inhalt, vom Zweck und<br />
Forum, in dem sie erfolgen, oder vom Medium,<br />
das sie benützen. 162<br />
Für die Beurteilung <strong>von</strong> Äusserungen<br />
muss – wie erwähnt – zwischen ihrem Inhalt<br />
und der Form, in der sie gemacht wurden,<br />
unterschieden werden. Gibt der Inhalt einer<br />
Äusserung Anlass zur Einschränkung der<br />
Meinungsfreiheit, gelten besonders strenge<br />
Anforderungen an die Rechtfertigung. 163<br />
Dies gilt ebenso für öffentlich-rechtliche<br />
Angestellte. Auch ihnen muss grundsätzlich<br />
möglich sein, zu allen Themen <strong>von</strong> gesellschaftlichem<br />
Interesse in der Öffentlichkeit<br />
Stellung zu nehmen. Die Treuepflicht darf<br />
nicht so weit verstanden werden, dass gewisse<br />
Themen <strong>von</strong> ihnen gar nicht mehr öffentlich<br />
angesprochen werden dürfen.<br />
Weiterreichende Einschränkungen<br />
können sich für öffentlich-rechtlich Angestellte<br />
aber im Hinblick auf die Form ergeben,<br />
in welcher eine Äusserung gemacht<br />
wird. Auch hier gilt jedoch, dass nur dort<br />
Einschränkungen zulässig sind, wo die fragliche<br />
Äusserung oder das entsprechende<br />
Verhalten die Amtsführung beeinträchtigen.<br />
164 Im vorliegend zu behandelnden Fall<br />
müsste als entsprechende Beeinträchtigung<br />
verlangt werden, dass eine konkrete Gefährdung<br />
der physischen oder psychischen Integrität<br />
der Schülerinnen und Schüler vorliegt<br />
oder der Schulbetrieb wegen des konkreten<br />
162<br />
163<br />
164<br />
In diesem weiten Sinn sind auch die Art. 10f.<br />
EMRK und Art. 19f. UNO-Pakt II zu verstehen,<br />
vgl. MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte, S. 437.<br />
MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte, S. 361.<br />
BGE 108 Ia 172 E4b/aa S. 175 (Züricher Jugendunruhen);<br />
HÄNNI, Öffentliches Dienstrecht, S.<br />
114.<br />
ausserschulischen Verhaltens beträchtlich<br />
gestört wird. 165 Es besteht keine allgemeine<br />
Pflicht <strong>von</strong> öffentlich-rechtlichen Angestellten<br />
zu sachlicher, nicht polemischer Äusserung<br />
in der Öffentlichkeit. 166<br />
Weiter ist danach zu unterscheiden,<br />
ob sich die Äusserung auf ein Thema <strong>von</strong><br />
gesellschaftlichem Interesse bezieht oder<br />
einen Sachverhalt <strong>von</strong> untergeordneter oder<br />
gar nur persönlicher Bedeutung thematisiert.<br />
167 Eine allgemeine Kritik an der Tätigkeit<br />
einer Behörde des Gemeinwesens muss,<br />
sachlich argumentiert, um so eher möglich<br />
sein. 168 Bezieht sich die Kritik jedoch auf<br />
interne Missstände, die der Angestellte in<br />
der Ausübung seiner amtlichen Funktionen<br />
zu erkennen glaubt, muss er zunächst eine<br />
interne Lösung anstreben. Eine beim Gemeinwesen<br />
angestellte Person darf sich erst<br />
dann an die Öffentlichkeit wenden, wenn sie<br />
zuvor mit den ihr zur Verfügung stehenden<br />
Mitteln vergeblich versucht hat, gegen die<br />
Missstände anzukämpfen. 169 Dieser interne<br />
Weg muss dort nicht zwingend eingehalten<br />
werden, wo bereits ein Spannungsverhältnis<br />
zu den vorgesetzten Stellen besteht und deshalb<br />
eine interne Thematisierung keinen Erfolg<br />
verspricht.<br />
Für das Bestehen einer Treuepflicht<br />
kommt es im Übrigen auch darauf an, ob<br />
165<br />
166<br />
167<br />
168<br />
169<br />
MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte, S. 408f.<br />
Das Bundesgericht wendet jedoch für Lehrpersonen<br />
im Hinblick auf unsachliche Äusserungen einen<br />
strengen Massstab an. Siehe z.B. seine Argumentation<br />
im Fall BGE 98 Ia 467, wo eine<br />
Lehrperson ihre Vorgesetzten in einem Schreiben<br />
„dans des termes souvent injurieux et diffamatoires“<br />
kritisierte und das Gericht deshalb folgendes<br />
festgehalten hat: „En raison de l'état de tension<br />
créé dans la commune par les pamphlets du recourant,<br />
[…] on conçoit facilement que la reprise<br />
de l'activité pédagogique du recourant à l'école de<br />
Z. devait être évitée, pour le bien même des élèves“.<br />
HÄNNI, Öffentliches Dienstrecht, S. 120.<br />
BGE 108 Ia 172 E4b/bb S. 176; HÄNNI, Die<br />
Treuepflicht, S. 130.<br />
MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte, S. 406; RAUSCH,<br />
Meinungsäusserungsfreiheit der Staatsangestellten,<br />
S. 101.