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BERLIN SÃœDAFRIKA ANTARKTIS - Sixt Mietwagen Blog Deutschland

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Go essay<br />

96 go sixt Politik<br />

Die bunte Republik<br />

Prof. Dr. Werner Weidenfeld über <strong>Deutschland</strong>s neue Farbenlehre nach<br />

der Bundestagswahl. Neue Impulse braucht das Land.<br />

Von Fehlstart sprechen die einen, von Planlosigkeit<br />

die anderen. Nur wenige finden gute<br />

Worte für die ersten Wochen schwarz-gelber<br />

Bundesregierung. Nicht ganz zu Unrecht. Ein<br />

Koalitionsvertrag, der zentrale Zukunftsfragen<br />

unbeantwortet lässt und so Streit zwischen<br />

den Partnern geradezu herausfordert; das Versäumnis<br />

der Koalition, diesem Land eine Vision des Aufbruchs gegeben<br />

zu haben; der Streit um die „Causa Steinbach“; der unrühmliche<br />

Abgang von Minister Jung: Tatsächlich legte Schwarz-Gelb einen<br />

Stotterstart hin. Ungewöhnlich jedoch ist dies keinesfalls.<br />

Auch 1998 deutete bereits lange vor der Wahl alles auf eine Zeitenwende<br />

und das Ende der Ära Kohl hin. Trotzdem brauchte<br />

auch die damalige rot-grüne Wunschkoalition geraume Zeit,<br />

um ihren Rhythmus zu finden.<br />

Eine neue Koalition bedeutet immer auch, eine neue Hackordnung<br />

finden zu müssen. Alle Beteiligten markieren ihr Revier<br />

und loten aus, wie weit sie gehen können. Vor Ablauf der ersten<br />

100 Tage einer neuen Regierung Bilanz zu ziehen, ist wenig aussagekräftig.<br />

Noch vermeidet die Koalition jede harte Gangart mit Blick auf<br />

die im Frühjahr 2010 stattfindenden Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen.<br />

Die Angst, die Mehrheit im Bundesrat zu verlieren,<br />

verbietet unbequeme Entscheidungen. Die Frage jedoch,<br />

wie die Koalition anschließend den Schalter umlegt, ohne<br />

Wahlversprechen zu brechen, wird zum ersten großen Prüfstein<br />

von Schwarz-Gelb. Ein Verlust an Glaubwürdigkeit kann<br />

sich in dieser bunten Republik niemand erlauben. Alternative<br />

Programmatische<br />

Identität und<br />

kommunikative<br />

Zuverlässigkeit sind<br />

künftig von<br />

Parteien gefordert.<br />

Koalitionen sind schnell gefunden. Schon immer haben die<br />

Länder als Koalitionslabor gedient. Neue Bündnisse werden<br />

hier erprobt, bevor sie auch auf Bundesebene denkbar erscheinen.<br />

So bunt wie aktuell aber war die Regierungslandschaft in<br />

<strong>Deutschland</strong> selten: Schwarz-Gelb, Schwarz-Grün, Schwarz-<br />

Rot, Rot-Schwarz, Rot-Grün, Rot-Rot, Rot und – seit neuestem<br />

– sogar Schwarz-Gelb-Grün. Die Premiere der Jamaika-Koalition<br />

fand im Saarland statt. Es wird nicht die letzte sein. Wer sich<br />

Machtoptionen der Zukunft eröffnen will, der muss dieses farbige<br />

Spiel mitspielen. Die frühere jahrzehntelange Fixierung<br />

der Republik auf zwei Lager (bürgerlich, links) kann für keine<br />

Partei ein erfolgsträchtiges Konzept sein. Wer die harte Oppo-<br />

sitionsbank vermeiden will, braucht bunte Offenheit, die auch<br />

Chance für neue Impulse ist. Zu regieren ist deswegen zwar<br />

nicht leichter geworden. Doch kann man auch in einer bunten<br />

Republik erfolgreich sein: Programmatische Identität, strategisches<br />

Denken und kommunikative Zuverlässigkeit sind von<br />

den Parteien viel stärker gefordert.<br />

Die Republik ist farbiger geworden. Das jahrzehntelange Kontinuitätsdenken,<br />

das im Wesentlichen zwei Koalitionsperspektiven<br />

eröffnete, ist beendet. Die Wähler zwingen die Parteien<br />

zum Umdenken: Statt wie früher immer und aus Tradition auf<br />

die gleiche Kraft zu setzen, treffen die Bürger heute gezielter<br />

und von Wahl zu Wahl ihre Entscheidung. Die alten Bindungen<br />

erodieren mit der Folge, dass sich die Parteien nicht nur in ihren<br />

Positionen, sondern auch in ihrer Stimmenzahl annähern. Die<br />

Parteienlandschaft ändert sich gravierend. Alles wird mobiler<br />

und flexibler. Die Großen werden immer kleiner, nicht nur im<br />

Osten der Republik. Von ihrem Anspruch, Volksparteien sein<br />

zu wollen, rücken sie deshalb zwar nicht ab. Die SPD wird aber<br />

zunehmend zur 20-plus-X-Partei degradiert. Mit der Linken<br />

kämpft sie um ihr sozialdemokratisches Stammklientel. Doch<br />

auch für die Union sieht es nur scheinbar besser aus. Ihr Trend<br />

nach unten ist gleichfalls dramatisch. Auch das bürgerliche Lager<br />

fächert sich zunehmend auf. Freie Wähler gewinnen bei<br />

Landtagswahlen an Zuspruch, Alternativen wie die Piratenpartei<br />

faszinieren vor allem von den etablierten Parteien enttäuschte<br />

Erstwähler. So könnte bald auch schon die Union ihr<br />

Waterloo erleben. Platz für eine weitere bürgerliche Partei wäre<br />

im deutschen Parteiensystem allemal.<br />

Die großen Parteien schwächeln, die kleinen dagegen werden<br />

immer größer. Ob Linke, FDP oder Grüne – alle erzielten 2009<br />

das beste Bundestagswahlergebnis ihrer Geschichte. Erstmals<br />

sprangen alle im Bundestag vertretenen Parteien über die magische<br />

Zehn-Prozent-Latte. Ihr Erfolg ist dem vor an schreitenden<br />

Individualisierungsprozess der Gesellschaft ebenso geschuldet<br />

wie neuen Interessenlagen. Früher konnten Wahlen noch mit<br />

der Konzentration auf wenige Themen gewonnen werden. Heute<br />

muss eine Partei mit einem Bauchladen über das Land ziehen,<br />

der von der Wirtschafts- über die Bildungs- bis hin zur<br />

Umweltpolitik keine Wünsche offen lässt. Die Experten für bestimmte<br />

Fragen aber werden von den Menschen immer häufiger<br />

bei einer der kleinen Parteien vermutet. Wer künftig regieren<br />

will, kann sich diesen „großen Kleinen“ deshalb nicht<br />

verschließen. Die nächste Bundestagswahl wird auch die Linke<br />

im Kreis der umworbenen Parteien sehen. Alle Koalitionen sind<br />

denkbar. Dabei nicht das eigene Profil zu verlieren, wird eine<br />

Herkulesarbeit für alle Parteien.<br />

Bereits 2011 steht das nächste „Superwahljahr“ mit sechs Wahlen<br />

zu Landtagen und zum Berliner Abgeordnetenhaus an. Die<br />

Verführung, so weiterzumachen wie bislang, ist groß. Doch hat<br />

das bunte <strong>Deutschland</strong> auch eine kreative Politik verdient.<br />

Prof. Dr. Weidenfeld ist Direktor des Centrums für angewandte<br />

Politikforschung (CAP) an der Ludwig-Maximilians-Universität<br />

München.<br />

Foto: Centrums Für angewandte PolitikForsChung münChen

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