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Fachkräfte – wirklich schon Raritäten? - Sparkassenzeitung

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effizienz beraten, etwa bei der energetischen<br />

Sanierung von Wohngebäuden.<br />

Hier sind zwar steuerliche Anreize vorgesehen,<br />

aber gerade wir in Ostdeutschland<br />

sind daran interessiert, dass KfW-Zuschüsse<br />

hinzukommen. Denn wer nicht<br />

mehr im Erwerbsleben steht, kann mit<br />

steuerlichen Vorteilen wenig anfangen.<br />

Hier müssen wir im Bundestag und Vermittlungsausschuss<br />

noch an dem Gesetz<br />

feilen.<br />

Ist über die sozialen Aspekte der Energiewende<br />

bisher zu wenig gesprochen worden?<br />

Haseloff: Ja, die Diskussion war bislang<br />

von fachtechnischen Fragen bestimmt,<br />

etwa nach dem Netz- und Trassenausbau.<br />

Doch auch davon sind Bürger bereits direkt<br />

sozial betroffen. Denn der Netzausbau<br />

ist nach wie vor Sache der regionalen<br />

Netzbetreiber, also der Bundesländer, die<br />

die Energiewende finanziell damit überproportional<br />

belastet. Wir stecken mitten<br />

in einer Bundesratsinitiative, die für solidarischen<br />

Ausgleich sorgen soll. Nicht zu<br />

unterschätzen ist die optische und akustische<br />

Belastung von Bürgern, etwa wenn<br />

neue Trassen durch Wohngebiete führen.<br />

Wird genug für die gesellschaftliche Akzeptanz<br />

der Energiewende getan?<br />

Haseloff: Nein, damit ist noch gar nicht<br />

begonnen worden. Das Thema Energiewende<br />

ist auch politisch relativ leicht zu<br />

instrumentalisieren, deshalb sind hier<br />

alle sehr vorsichtig. Die Gesamtkosten<br />

sind bisher auch schwer kalkulierbar und<br />

insofern noch ziemlich abstrakt geblieben.<br />

Der rasche Rückbau der Atomkraft,<br />

der Ausbau von Gas- und Kohlekraftwerken<br />

wird jedoch gravierende Veränderungen<br />

mit sich bringen. Das meine ich<br />

gar nicht negativ, es geht aber um den<br />

Komplettumbau einer Gesellschaft. Das<br />

muss jetzt sukzessive auch kommuniziert<br />

werden.<br />

Wer wird die Energiewende bezahlen?<br />

Haseloff: Energie und all das, was wir<br />

politisch derzeit für wünschenswert<br />

halten, wird künftig größere Teile eines<br />

Familieneinkommens binden. Die Volkswirtschaft<br />

muss einschließlich der realen<br />

Infrastruktur komplett umgestellt werden,<br />

und zum Nulltarif gibt es das nicht.<br />

Das bietet zwar viele neue wirtschaftliche<br />

Chancen, erfordert von jedem Einzelnen<br />

aber einen mentalen Wandel und konkrete<br />

Verhaltensänderungen, etwa bei<br />

den Freizeit- und Urlaubsgewohnheiten.<br />

Was heißt das? Mehr Urlaub zuhause?<br />

Haseloff: Urlaub in der Heimat muss<br />

ja nicht schlecht sein. Ich habe meinen<br />

letzten Urlaub im Harz verbracht. Im Übrigen<br />

fördern wir generell die Vereinbarkeit<br />

von Familie und Beruf, Sachsen-Anhalt<br />

will das familienfreundlichste Land<br />

Deutschland sein. Wir bieten bezahlbare<br />

Freizeitangebote für Familien im Land,<br />

hinzu kommt, dass wir vergleichweise<br />

komfortabel ausgestattete Kindertagesstätten<br />

haben, niemand muss wegen fehlender<br />

Kinderbetreuung wegziehen. Dass<br />

viele zum Bleiben entschlossen sind, ist<br />

etwa auch an dem deutlichen Anwachsen<br />

des Baukreditvolumens im ersten<br />

Halbjahr 2011 zu sehen.<br />

Das könnte aber auch bedeuten, dass viele<br />

angesichts der Staatsschulden- und Eurokrise<br />

auf Sachwerte setzen.<br />

Haseloff: Sicher ist ein Hausbau immer<br />

noch eine vernünftige Variante, sein Geld<br />

anzulegen. Aber wer in Sachsen-Anhalt<br />

ein Haus baut, der tut das weniger aus<br />

Anlagegesichtspunkten, sondern weil er<br />

für seine Familie einen Standort haben<br />

möchte. Wer sich für einen Baukredit entscheidet<br />

und damit langfristig bindet, der<br />

glaubt auch an die Zukunft des Landes.<br />

Sonst könnte er ja auch auf Mallorca oder<br />

sonst wo Immobilien erwerben.<br />

Gleichwohl hat das Land Sachsen-Anhalt in<br />

den vergangenen 20 Jahren mehr als eine<br />

halbe Million Einwohner verloren. Wie kann<br />

Zur Person<br />

Reiner Haseloff (57, Foto) ist seit April<br />

vergangenen Jahres CDU-Ministerpräsident<br />

des Landes Sachsen-Anhalt und Nachfolger<br />

von Wolfgang Böhmer. Geboren in Bülzig nahe<br />

Lutherstadt Wittenberg, absolvierte Haseloff<br />

von 1973 bis 1978 ein Physikstudium an der<br />

TU Dresden und der Humboldt-Universität<br />

Berlin, das er mit dem Diplom abschloss. Von<br />

1978 bis 1990 war er als wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter am Institut für Umweltschutz<br />

in Wittenberg tätig. 1991 wurde er an der<br />

Humboldt-Universität Berlin promoviert. Von<br />

1990 bis 1992 war Haselhoff stellvertretender<br />

SPARKASSE JANUAR 2012<br />

MÄRKTE & KUNDEN 19<br />

man qualifizierte Arbeitskräfte und Familien<br />

zurückholen?<br />

Haseloff: Seit etwa drei Jahren sammeln<br />

wir Erfahrungen mit unserem<br />

Rückkehrerprogramm und nehmen mit<br />

Rückkehrwilligen Kontakt auf. Bereits<br />

3500 zunächst abgewanderte Familien<br />

sind seitdem wieder nach Sachsen-Anhalt<br />

zurückgekehrt. Aktuell bieten wir einen<br />

Pool von etwa 700 Stellen an. Die Anzahl<br />

der offenen Stellen könnte bis zum<br />

Jahr 2016 auf etwa 165.000 anwachsen,<br />

denn so viele Personen werden bis dahin<br />

aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Es<br />

gehen also doppelt so viele in Rente wie<br />

derzeit nachströmen. Der gesamte Osten<br />

wird ja während der nächsten 15 Jahre<br />

etwa ein Drittel seiner Einwohner verlieren<br />

im Vergleich zu den Bevölkerungszahlen<br />

vor 20 Jahren. Bis dahin gibt es<br />

aber noch Gestaltungsmöglichkeiten.<br />

Wir arbeiten daran, die Folgen des Abwanderungstrends<br />

abzumildern.<br />

�<br />

Das Interview führten Stefanie Zschau und<br />

Christoph Becker.<br />

Landrat des Landkreises Wittenberg, von 1992<br />

bis 2002 zusätzlich Direktor des Arbeitsamts in<br />

Wittenberg. Im Mai 2002 wurde Haseloff zum<br />

Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft<br />

und Arbeit des Landes Sachsen-Anhalt ernannt<br />

und nach der Landtagswahl im April 2006<br />

als Minister für Wirtschaft und Arbeit in die<br />

Landesregierung von Sachsen-Anhalt berufen.<br />

Haseloff ist Schnelldenker und Schnellredner<br />

von hoher Überzeugungskraft. Als Vielleser<br />

streift er gern durch Antiquariate, liest aber<br />

Fachbücher auch auf seinem iPad. Haseloff ist<br />

verheiratet, hat zwei Kinder und vier Enkel.

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