IFF-Info Nr. 26, 2003 - IFFOnzeit
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Geschlecht in Behandlungsangeboten sozialpsychiatrischer Versorgungseinrichtungen<br />
ihr Leiden aus. Gleichzeitig dokumentieren<br />
diese Worte die gefühlte<br />
Ohnmacht gegenüber der „verrückt-machenden<br />
Normalwelt“<br />
von Frauen, zeigen physische, psychische<br />
und strukturelle Gewaltmuster<br />
dieser Gesellschaft auf. Im<br />
Betreuungsalltag mit der oftmals<br />
ungenügenden Personalbesetzung<br />
wird in der Regel – wie diese Interviews<br />
zeigen – nicht auf die spezifischen<br />
Problemlagen der verschiedenen<br />
Geschlechter eingegangen.<br />
Die Zitate werden nicht weitergehend<br />
kommentiert. Verwiesen sei<br />
auf die Feministische Theorie und<br />
aktuelle Gender-Debatte, die mit<br />
ihrer grundlegenden Infragestellung<br />
und Reflexion der konstruierten<br />
Geschlechterrollen die Grundlage<br />
bilden, auf dem diese Kategorien<br />
entwickelt wurden. Als Haupt-Kategorien<br />
wurden zusammengefasst:<br />
Weibliche Passivität bis hin zur Opfer-Rolle<br />
„Ja, ich bin so ein (...) ich empfinde mich<br />
als so ein hilfloser Mensch, ich hab’ Angst<br />
vor den Behörden, ich hab’ Angst vor dem<br />
Schriftlichen (...) Ich denk’ immer, wenn<br />
ich mich anderen gegenüber wehre, bin ich<br />
böse und wenn ich es nicht mache, komme<br />
ich mir vor, wie ein Trottel.“<br />
„Aber (...) ich bin lieber ruhig. Ich<br />
nehm dann Tabletten, gell, vom Neurologen.“<br />
„(...) hab mich nur ins Bett gelegt und<br />
ferngesehen (...) und abgewartet. Leben<br />
konnte ich nicht, sterben wollte ich nicht<br />
(...) im Grunde fehlt mir der wirkliche<br />
Wille zum Leben (...).“<br />
Die Helfer-Neigung (zum Erwerb von<br />
Zuneigung)<br />
„Ich hab jedem geholfen, der Hilfe brauchte.<br />
Ich war auch in der Lage, habe ich<br />
gerne gemacht, hat mir auch Spaß gemacht.<br />
Das war für mich was ganz Natürliches<br />
(...).ich hab’ ihn ganz schön stabilisiert.<br />
(...) ich würde eigentlich, nach dem,<br />
was ich ihm alles gegeben habe, ganz gerne<br />
auch mal was von ihm bekommen (...).“<br />
Schuldgefühle wegen eigener, anderer<br />
Wunschvorstellungen<br />
„(...) was nicht heißt, dass ich mich nicht<br />
nach Schuld frage (...) wo ich mich dann<br />
halt eigentlich von, von meinem Leben vielleicht<br />
schuldig gemacht habe (...) was ich<br />
für eine Mutter bin (...).“<br />
Ein negatives Selbstwertgefühl<br />
„Und da hab’ ich mich von ihm getrennt,<br />
weil ich nicht erleben wollte, dass er eines<br />
Tages zu mir sagt, Du bist zu dumm für<br />
mich. Ich hab gesagt, ich bin zu dumm für<br />
Dich und er hat gesagt, Du spinnst ja.<br />
Und die Minderwertigkeitskomplexe habe<br />
ich mehr oder weniger bis heute.“<br />
„Ich hatte viele Cousinen und viele Cousins<br />
und die waren alle besser wie ich. Die<br />
waren alle besser wie ich! Und das, ehm,<br />
da hab’ ich dann so Minderwertigkeitskomplexe,<br />
so, na ja.“<br />
„Nachdem ich dann mehr oder weniger<br />
entsorgt worden bin (...) ich war nie<br />
berechnend gewesen, ja, aber dementsprechend<br />
bin ich halt auch nicht lebensfähig.“<br />
Eine instabile (weibliche) Identität<br />
„Auf der einen Seite suche ich Halt, auf<br />
der einen Seite suche ich auch meine eigene<br />
Identität.“<br />
„(...) ich hatte da einen Freund gehabt<br />
(...) und als es dann zur Intimität kam,<br />
da hat er mich verlassen (...) Ja, ist er<br />
weggeblieben. Und da hab’(...) und das<br />
war so furchtbar für mich. Hab’ ich gedacht,<br />
ach, Du bist ja kein richtiges Mädchen<br />
oder er hat es durchschaut, dass Du<br />
Dich für eine Ehe nicht eignest.“<br />
„(...) ich war schwer pubertierend (...).“<br />
„(...) ich muss den Bezug zu meinem<br />
Körper eigentlich noch richtig finden (...)<br />
man lebt in seinem Körper (...) ich lebe<br />
mit meinem Körper (...) das ist ja sehr<br />
wichtig.“<br />
„Was ich eigentlich wollte war mir nicht<br />
ganz klar. Was ich werden wollte und was<br />
ich am besten als nächstes machen würde<br />
war dann alles nur beängstigend irgendwo.“<br />
Die mangelnde ICH-Identität bei der<br />
Partnerwahl<br />
„(...) die Beziehung mit meinem (späteren,<br />
Anm. d. V.) Mann, die war am Auseinandergehen,<br />
denn meinen Mann wollte ich<br />
eigentlich nie heiraten (...) das war keine<br />
Liebe, von mir aus nicht (...) er hat mich<br />
geschwängert, als es auseinander gegangen<br />
ist.“<br />
Die Männerorientierung – der übernommene<br />
Wertmaßstab<br />
„Das sind so quasi –obwohl ich keine<br />
Schönheit bin oder gewesen bin – das sind<br />
quasi die einzigsten Erfolgserlebnisse in meinem<br />
Leben. Ich hatte einen gewissen Erfolg<br />
bei Männern. Warum weiß ich nicht.“<br />
„Nein, ich habe keinen (Freund, Anm.<br />
d. V.). Ich lebe ganz alleine. Und ich<br />
vermute auch, ehm, ein Mann tät mich<br />
verstoßen. Ja, vielleicht habe ich so irgendwas<br />
an mir, was nicht so anziehend ist,<br />
gell. Das kann sein.“<br />
Die Bevorzugung der männlichen<br />
Familienmitglieder<br />
„Er (der Bruder, Anm. d. V.) war das<br />
Vatibubele, ja. Er kam auch nach ihm,<br />
so von der Art her (...) Und ich war nur<br />
das Mädchen und war die Ältere, der<br />
Andere war der Kleine (...) Ich war übrigens<br />
bis zum zehnten Jahr Bettnässer, das<br />
muss irgendwas mit dieser Konstellation<br />
zu tun haben; Hat sich keiner Gedanken<br />
darüber gemacht, dass ich auf irgendeine<br />
weitergehende Schule gehen könnte, (die<br />
Brüder, Anm. d. V.) haben beide nur<br />
den Bildungsabschluss (...) mein einer Bruder<br />
war im Gymnasium (...) Aber ich habe<br />
meinen Weg gemacht. Ich war auch, ich<br />
war gut in der Schule (...) Meine Brüder<br />
sind (...) einer zu Pflegeeltern gekommen<br />
und der andere zu Verwandten (...) und<br />
ich kam ins Kinderheim. Für mich war<br />
nichts anderes übrig.“<br />
„Aber meistens habe ich meine Brüder<br />
beschützt (...) weil ich die Älteste war.“<br />
Eine abgebrochene Berufsausbildung<br />
„Und ich hab’ lauter abgebrochene Aus-<br />
<strong>Info</strong> 20.Jg. <strong>Nr</strong>.<strong>26</strong>/<strong>2003</strong><br />
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