07.01.2015 Aufrufe

IFF-Info Nr. 26, 2003 - IFFOnzeit

IFF-Info Nr. 26, 2003 - IFFOnzeit

IFF-Info Nr. 26, 2003 - IFFOnzeit

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Geschlecht in Behandlungsangeboten sozialpsychiatrischer Versorgungseinrichtungen<br />

ihr Leiden aus. Gleichzeitig dokumentieren<br />

diese Worte die gefühlte<br />

Ohnmacht gegenüber der „verrückt-machenden<br />

Normalwelt“<br />

von Frauen, zeigen physische, psychische<br />

und strukturelle Gewaltmuster<br />

dieser Gesellschaft auf. Im<br />

Betreuungsalltag mit der oftmals<br />

ungenügenden Personalbesetzung<br />

wird in der Regel – wie diese Interviews<br />

zeigen – nicht auf die spezifischen<br />

Problemlagen der verschiedenen<br />

Geschlechter eingegangen.<br />

Die Zitate werden nicht weitergehend<br />

kommentiert. Verwiesen sei<br />

auf die Feministische Theorie und<br />

aktuelle Gender-Debatte, die mit<br />

ihrer grundlegenden Infragestellung<br />

und Reflexion der konstruierten<br />

Geschlechterrollen die Grundlage<br />

bilden, auf dem diese Kategorien<br />

entwickelt wurden. Als Haupt-Kategorien<br />

wurden zusammengefasst:<br />

Weibliche Passivität bis hin zur Opfer-Rolle<br />

„Ja, ich bin so ein (...) ich empfinde mich<br />

als so ein hilfloser Mensch, ich hab’ Angst<br />

vor den Behörden, ich hab’ Angst vor dem<br />

Schriftlichen (...) Ich denk’ immer, wenn<br />

ich mich anderen gegenüber wehre, bin ich<br />

böse und wenn ich es nicht mache, komme<br />

ich mir vor, wie ein Trottel.“<br />

„Aber (...) ich bin lieber ruhig. Ich<br />

nehm dann Tabletten, gell, vom Neurologen.“<br />

„(...) hab mich nur ins Bett gelegt und<br />

ferngesehen (...) und abgewartet. Leben<br />

konnte ich nicht, sterben wollte ich nicht<br />

(...) im Grunde fehlt mir der wirkliche<br />

Wille zum Leben (...).“<br />

Die Helfer-Neigung (zum Erwerb von<br />

Zuneigung)<br />

„Ich hab jedem geholfen, der Hilfe brauchte.<br />

Ich war auch in der Lage, habe ich<br />

gerne gemacht, hat mir auch Spaß gemacht.<br />

Das war für mich was ganz Natürliches<br />

(...).ich hab’ ihn ganz schön stabilisiert.<br />

(...) ich würde eigentlich, nach dem,<br />

was ich ihm alles gegeben habe, ganz gerne<br />

auch mal was von ihm bekommen (...).“<br />

Schuldgefühle wegen eigener, anderer<br />

Wunschvorstellungen<br />

„(...) was nicht heißt, dass ich mich nicht<br />

nach Schuld frage (...) wo ich mich dann<br />

halt eigentlich von, von meinem Leben vielleicht<br />

schuldig gemacht habe (...) was ich<br />

für eine Mutter bin (...).“<br />

Ein negatives Selbstwertgefühl<br />

„Und da hab’ ich mich von ihm getrennt,<br />

weil ich nicht erleben wollte, dass er eines<br />

Tages zu mir sagt, Du bist zu dumm für<br />

mich. Ich hab gesagt, ich bin zu dumm für<br />

Dich und er hat gesagt, Du spinnst ja.<br />

Und die Minderwertigkeitskomplexe habe<br />

ich mehr oder weniger bis heute.“<br />

„Ich hatte viele Cousinen und viele Cousins<br />

und die waren alle besser wie ich. Die<br />

waren alle besser wie ich! Und das, ehm,<br />

da hab’ ich dann so Minderwertigkeitskomplexe,<br />

so, na ja.“<br />

„Nachdem ich dann mehr oder weniger<br />

entsorgt worden bin (...) ich war nie<br />

berechnend gewesen, ja, aber dementsprechend<br />

bin ich halt auch nicht lebensfähig.“<br />

Eine instabile (weibliche) Identität<br />

„Auf der einen Seite suche ich Halt, auf<br />

der einen Seite suche ich auch meine eigene<br />

Identität.“<br />

„(...) ich hatte da einen Freund gehabt<br />

(...) und als es dann zur Intimität kam,<br />

da hat er mich verlassen (...) Ja, ist er<br />

weggeblieben. Und da hab’(...) und das<br />

war so furchtbar für mich. Hab’ ich gedacht,<br />

ach, Du bist ja kein richtiges Mädchen<br />

oder er hat es durchschaut, dass Du<br />

Dich für eine Ehe nicht eignest.“<br />

„(...) ich war schwer pubertierend (...).“<br />

„(...) ich muss den Bezug zu meinem<br />

Körper eigentlich noch richtig finden (...)<br />

man lebt in seinem Körper (...) ich lebe<br />

mit meinem Körper (...) das ist ja sehr<br />

wichtig.“<br />

„Was ich eigentlich wollte war mir nicht<br />

ganz klar. Was ich werden wollte und was<br />

ich am besten als nächstes machen würde<br />

war dann alles nur beängstigend irgendwo.“<br />

Die mangelnde ICH-Identität bei der<br />

Partnerwahl<br />

„(...) die Beziehung mit meinem (späteren,<br />

Anm. d. V.) Mann, die war am Auseinandergehen,<br />

denn meinen Mann wollte ich<br />

eigentlich nie heiraten (...) das war keine<br />

Liebe, von mir aus nicht (...) er hat mich<br />

geschwängert, als es auseinander gegangen<br />

ist.“<br />

Die Männerorientierung – der übernommene<br />

Wertmaßstab<br />

„Das sind so quasi –obwohl ich keine<br />

Schönheit bin oder gewesen bin – das sind<br />

quasi die einzigsten Erfolgserlebnisse in meinem<br />

Leben. Ich hatte einen gewissen Erfolg<br />

bei Männern. Warum weiß ich nicht.“<br />

„Nein, ich habe keinen (Freund, Anm.<br />

d. V.). Ich lebe ganz alleine. Und ich<br />

vermute auch, ehm, ein Mann tät mich<br />

verstoßen. Ja, vielleicht habe ich so irgendwas<br />

an mir, was nicht so anziehend ist,<br />

gell. Das kann sein.“<br />

Die Bevorzugung der männlichen<br />

Familienmitglieder<br />

„Er (der Bruder, Anm. d. V.) war das<br />

Vatibubele, ja. Er kam auch nach ihm,<br />

so von der Art her (...) Und ich war nur<br />

das Mädchen und war die Ältere, der<br />

Andere war der Kleine (...) Ich war übrigens<br />

bis zum zehnten Jahr Bettnässer, das<br />

muss irgendwas mit dieser Konstellation<br />

zu tun haben; Hat sich keiner Gedanken<br />

darüber gemacht, dass ich auf irgendeine<br />

weitergehende Schule gehen könnte, (die<br />

Brüder, Anm. d. V.) haben beide nur<br />

den Bildungsabschluss (...) mein einer Bruder<br />

war im Gymnasium (...) Aber ich habe<br />

meinen Weg gemacht. Ich war auch, ich<br />

war gut in der Schule (...) Meine Brüder<br />

sind (...) einer zu Pflegeeltern gekommen<br />

und der andere zu Verwandten (...) und<br />

ich kam ins Kinderheim. Für mich war<br />

nichts anderes übrig.“<br />

„Aber meistens habe ich meine Brüder<br />

beschützt (...) weil ich die Älteste war.“<br />

Eine abgebrochene Berufsausbildung<br />

„Und ich hab’ lauter abgebrochene Aus-<br />

<strong>Info</strong> 20.Jg. <strong>Nr</strong>.<strong>26</strong>/<strong>2003</strong><br />

37

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!