07.01.2015 Aufrufe

IFF-Info Nr. 26, 2003 - IFFOnzeit

IFF-Info Nr. 26, 2003 - IFFOnzeit

IFF-Info Nr. 26, 2003 - IFFOnzeit

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Qualitätssicherung im Gesundheitswesen als Geschlechterpolitik<br />

weisen. Eine Kultur der Integration,<br />

Multidisziplinarität und Patientenorientierung<br />

ist unter den Akteurinnen<br />

im Bereich der Frauengesundheit<br />

weitaus länger und stärker verankert<br />

als im Mainstream der Gesundheitsversorgung;<br />

dieser „Modernisierungsvorsprung“<br />

wird aber<br />

bisher im gesundheitspolitischen<br />

Diskurs nicht wahrgenommen<br />

(BMFSFJ 2001, S. 585).<br />

Darüber hinaus bleibt ein weiteres<br />

Potenzial bisher in den Reformdebatten<br />

nahezu ungenutzt: Das sind<br />

all die Berufsgruppen, die als Gesundheitsberufe<br />

und als TherapeutInnen<br />

bezeichnet werden und die<br />

mit Abstand die größten Beschäftigungsanteile<br />

im Gesundheitswesen<br />

stellen. Ob und wie geschlechterspezifische<br />

Bedarfe in der Praxis erfasst<br />

und angemessen berücksichtigt werden,<br />

hängt also wesentlich auch von<br />

den Gesundheitsberufen und ihren<br />

Handlungsstrategien ab. Demzufolge<br />

muss die Diskussion um geschlechterspezifische<br />

Versorgungsformen<br />

zwingend in allen Berufsgruppen<br />

geführt und in die jeweiligen<br />

Ausbildungen integriert werden.<br />

In dieser Hinsicht scheint der Nachholbedarf<br />

der Gesundheitsberufe<br />

noch größer als in der Medizin zu<br />

sein, mit Blick auf die Multidisziplinarität<br />

und die Patientenorientierung<br />

bieten sie hingegen vielfach günstige<br />

Bedingungen.<br />

Die unmittelbaren Zusammenhänge<br />

zwischen den Strukturen und<br />

Organisationsformen der Versorgung<br />

und einer verbesserten Qualität<br />

belegen, dass „Arbeit, Gesundheit,<br />

Geschlecht“ auf vielfältige Weise<br />

verknüpft sind: Integrative Versorgungsformen<br />

und arbeitsorganisatorische<br />

Konzepte, die auf multiprofessionelle<br />

Teams und kommunikative<br />

Arbeitsweisen zielen, sind<br />

Voraussetzung für eine qualitätsbewusste<br />

frauen- und geschlechtergerechte<br />

Gesundheitsversorgung. Eine<br />

geschlechterspezifische Versorgungsforschung<br />

erschöpft sich<br />

demzufolge nicht darin, eine neue<br />

Spalte „Frauen“ und „Männer“ in<br />

die Statistiken und das Berichtswesen<br />

einzuführen. Die Innovationspotenziale<br />

der Geschlechterforschung<br />

und des Konzepts Gender<br />

Mainstreaming liegen darin, die<br />

komplexen Einflüsse der Kategorie<br />

Geschlecht als soziales Ordnungsmuster<br />

und als gesellschaftliches<br />

Ungleichheitsverhältnis zu erfassen.<br />

Um diese Potenziale systematisch<br />

zu entwickeln und zu nutzen,<br />

bedarf es handlungsmächtiger<br />

AkteurInnen und etablierter Netzwerke,<br />

die sich in die Aushandlungsprozesse<br />

einmischen und Deutungsmacht<br />

in den Entscheidungsgremien<br />

erringen. Es ginge dann nicht mehr<br />

nur um die Berücksichtigung frauenspezifischer<br />

Versorgungsbedarfe,<br />

sondern um grundlegende Umstrukturierungen<br />

der Gesundheitsversorgung.<br />

Anmerkungen<br />

1 Der Beitrag basiert auf einem Vortrag<br />

auf der Tagung „Frauen – Arbeit – Gesundheit“,<br />

ver.di Niedersachsen-Bremen,<br />

27. Mai <strong>2003</strong>, Hannover<br />

Literatur<br />

Bisig, Brigitte/Gutzwiller, Felix (Hgg.):<br />

Frau und Herz. Epidemiologie, Prävention<br />

und Behandlung der koronaren<br />

Herzkrankheit bei Frauen in der<br />

Schweiz, Bern 2002.<br />

BMFFJ (Bundesministerium für Familie,<br />

Senioren, Frauen und Gesundheit):<br />

Bericht zur gesundheitlichen Situation<br />

von Frauen in Deutschland<br />

(Frauengesundheitsbericht), Stuttgart<br />

2001.<br />

Doyal, Lesley: Gender equity in health:<br />

debates and dilemmas, in: Social<br />

Science and Medicine, 51, 2000, S. 931-<br />

939.<br />

Eichler, Margrit: Mehr Gleichberechtigung<br />

zwischen den Geschlechtern:<br />

Erkennen und Vermeiden von gender<br />

bias in der Gesundheitsforschung,<br />

Berlin 1999 (Deutsche Bearbeitung:<br />

Fuchs, Judith/Maschewsky, Kris/<br />

Maschewsky-Schneider, Ulrike 2002).<br />

Gijsbers van Wijk, Cecile MT/van Vliet,<br />

Katja P./Kolk, Annemarie M.: Gender<br />

perspectives and quality of care:<br />

towards appropriate and adequate<br />

health care for women, in: Social<br />

Science and Medicine, 43, 5, 1996, S.<br />

707-720.<br />

Glaeske, Gerd: Auffälligkeiten der geschlechtsspezifischen<br />

Versorgung in<br />

der GKV. In Hurrelmann, Klaus/<br />

Kolip, Petra (Hgg.): Geschlecht, Gesundheit<br />

und Krankheit. Frauen und<br />

Männer im Vergleich, Bern 2002, S.<br />

520-532.<br />

Grol, Richard/Baker, R./Moss, F.:<br />

Quality improvement research: understanding<br />

the science of change in<br />

health care, in: Quality and Safety in<br />

Health Care, 11, 2002, S. 110-111.<br />

Health Plan Employer Data and <strong>Info</strong>rmation<br />

Set (HEDIS): www.ncpa.<br />

org/programs/HEDIS/html, 2002.<br />

Hoffman, Eileen/Maraldo, Parmela/<br />

Coons, Helen L./Johnson, Karen:<br />

The women-centred health care team:<br />

integrating perspectives from managed<br />

care, women’s health, and the<br />

health professional workforce, in:<br />

Women’s Health Issues, 7, 6, 1997,<br />

S. 362-374.<br />

Hurrelmann, Klaus/Kolip, Petra (Hgg.):<br />

Geschlecht, Gesundheit und Krankheit.<br />

Frauen und Männer im Vergleich,<br />

Bern 2002.<br />

Jahn, Ingeborg: Methodische Probleme<br />

einer geschlechtergerechten Gesundheitsforschung,<br />

in: Hurrelmann,<br />

Klaus/Kolip, Petra (Hgg.). Geschlecht,<br />

Gesundheit und Krankheit.<br />

Frauen und Männer im Vergleich,<br />

Bern 2002, S. 142-156.<br />

Jürgens, Regina: Frauen und Gesundheit.<br />

Ein Einstieg in die Frauengesundheitsberichterstattung,<br />

Bundesgesundheitsblatt,<br />

43, 2000, S. 694-<br />

697.<br />

<strong>Info</strong> 20.Jg. <strong>Nr</strong>.<strong>26</strong>/<strong>2003</strong><br />

51

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!