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IFF-Info Nr. 26, 2003 - IFFOnzeit

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Geschlecht in Behandlungsangeboten sozialpsychiatrischer Versorgungseinrichtungen<br />

terstützungsleistung der psychosozialen<br />

Einrichtungen deutlich machen.<br />

Fazit<br />

Grundsätzlich bestätigen die Befragungsergebnisse<br />

die Notwendigkeit<br />

einer Geschlechterorientierung innerhalb<br />

der post-stationären psychiatrischen<br />

Versorgung. Deutlich wird,<br />

dass die ambulante sozialpsychiatrische<br />

Arbeit mit Frauen und<br />

Männer eine tertiäre Sozialisationsarbeit<br />

ist, die nicht nur die eigene<br />

Identität stützen, sondern vor allem<br />

eine selbstbewusste, selbstbestimmte<br />

Organisation des Alltagslebens ermöglichen<br />

soll. Damit eine solche<br />

Hilfestellung neue Handlungsmöglichkeiten<br />

bezüglich der eigenen<br />

Kompetenzen zu entdecken und<br />

entwickeln hilft, bedarf es einer geschlechtersensiblen<br />

Haltung auf Seiten<br />

der BetreuerInnen, um eine<br />

Kongruenz zwischen der eigenen<br />

geschlechtlichen Rolle und dem ICH<br />

auf Seiten der Betreuten zu fördern.<br />

Unsere Ergebnisse verweisen auf<br />

eine notwendige Reflexion:<br />

• zum einen auf einer gesellschaftliche<br />

Ebene, die latent wirksam<br />

ist,<br />

• zum anderen auf einer individuellen<br />

Ebene, auf der die Betroffenen<br />

ihre Konflikt-Bewältigungs-Strategien<br />

und Handlungsmuster<br />

entwickelt haben.<br />

Eine geschlechtersensible Handlungsebene<br />

verbindet diese beiden<br />

Aspekte, sie versucht auf der intellektuellen<br />

Ebene die gesellschaftliche<br />

Rollenverteilung bewusst zu machen,<br />

die Positionierung der/des<br />

Klientin bzw. Klienten als Frau oder<br />

Mann zu reflektieren und die strukturellen<br />

Bedingungen durchsichtig<br />

zu machen. Über dieses intellektuelle<br />

Begreifen kann auf der individuellen<br />

Ebene eine weitergehende Förderung<br />

und Erarbeitung der brachliegenden<br />

Ressourcen stattfinden.<br />

Eine Ressourcen-betonte Arbeit ist<br />

an dieser Stelle einer Defizit-orientierten<br />

vorzuziehen. Sie folgt dem<br />

Gedanken einer ganzheitlichen Anerkennung<br />

der Person und findet<br />

sich am ehesten im methodischen<br />

Konzept des Empowerments. Die<br />

Umsetzung dieses methodischen<br />

Prinzips im sozialpsychiatrischen<br />

Hilfebereich, verbunden mit der<br />

Verwirklichung der geforderten geschlechterspezifischen<br />

Betreuung<br />

macht die Qualität von Sozialer Arbeit<br />

erst aus und drückt sich letztlich<br />

auch im Selbstwertgefühl und<br />

der Stabilität der betreuten KlientInnen<br />

aus.<br />

Vergleicht man die Gruppe der<br />

befragten Frauen mit jener der befragten<br />

Männer, so lässt sich erkennen,<br />

dass bei den Frauen ein stärkeres<br />

„Geschlechterbewusstsein“ existiert.<br />

Von ihnen werden sehr viel<br />

mehr frauenspezifische Problemlagen,<br />

die sie im Laufe ihres Lebens<br />

belastet haben, aufgeführt als von<br />

den Männern. Diese bleiben „sachlich“,<br />

sie schilderten ihre Probleme<br />

eher beiläufig verpackt, sind sich der<br />

Rollenspezifik weniger bewusst.<br />

Diese rollenspezifische Ausrichtung<br />

findet sich ebenfalls in den Interviews<br />

mit den professionellen Betreuern.<br />

Die tabellarische Zusammenstellung<br />

der vorgefundenen<br />

Sozialisationsmuster der NutzerInnen<br />

macht die Geschlechterdifferenz<br />

der Befragten deutlich. Es sind<br />

Differenzen, die aktuell – wie die<br />

Ergebnisse zeigen – wenig Berücksichtigung<br />

finden, jedoch in einer<br />

Ressourcen-orientierten Betreuungsarbeit<br />

respektiert werden müssen.<br />

Betrachtet man die Verbesserungswünsche<br />

der Befragten, so erklären<br />

Frauen wie Männer, dass eine<br />

intensivere Betreuung, d.h. mehr<br />

Kontakte und Gespräche, von der<br />

Mehrheit gewünscht werden. Die<br />

Anteilnahme der Betreuungspersonen<br />

sollte sich nicht nur auf das Notwendige<br />

reduzieren, sie sollte umfassender<br />

den Menschen in seinem<br />

ganzen sozialen Radius erfassen.<br />

Konsens bestand auch im Wunsch,<br />

eine/n BetreuerIn eigener Wahl bestimmen<br />

zu können; meist wünschten<br />

sich die Betroffenen eine/n BetreuerIn<br />

des eigenen Geschlechtes.<br />

Hilfen zur Unterstützung einer stabilen<br />

eigenen weiblichen oder<br />

männlichen Identität wünschen sich<br />

beide Geschlechter. Darüber hinaus<br />

wünschen sich Frauen Halt und<br />

Unterstützung bei der Entwicklung<br />

ihrer Autonomie; Männer dagegen<br />

wünschen Hilfe und Unterstützung<br />

zum Verhalten im sozialen Raum<br />

und in der Interaktion mit Frauen.<br />

Damit zielen die Wünsche beider<br />

Geschlechter auf eine Überwindung<br />

traditioneller Geschlechterrollen.<br />

Als Fazit beider Untersuchungsteile,<br />

der quantitativen sowie qualitativen<br />

Erhebung, lassen sich folgende<br />

Aussagen festhalten:<br />

• Die Ergebnisse belegen das Fortbestehen<br />

des sogenannten ambulanten<br />

Ghettos, eine soziale und<br />

berufliche Integration psychisch<br />

kranker Frauen und Männer in<br />

die Gesellschaft findet nicht statt.<br />

Dadurch kommt dem Betreuungspersonal<br />

in den gemeindepsychiatrischen<br />

Einrichtungen die<br />

Rolle wichtiger Bezugspersonen<br />

und Sozialisationsagenten zu,<br />

ohne dass sie dafür ausgebildet<br />

wären.<br />

• In vielen Bereichen konnten Defizite<br />

innerhalb der Lebensqualität<br />

unserer Befragten aufgezeigt<br />

werden – so im Hinblick auf die<br />

finanzielle Situation, die sozialen<br />

Kontakte, das Sexualleben, die<br />

Betreuungssituation.<br />

• Aussagen zur Lebenszufriedenheit<br />

stehen im Zusammenhang<br />

mit einer Adaptation an die marginale<br />

Lebensrolle in gemeindepsychiatrischen<br />

Einrichtungen,<br />

weniger mit dem Erwerb einer<br />

autonomen integrierten Position<br />

<strong>Info</strong> 20.Jg. <strong>Nr</strong>.<strong>26</strong>/<strong>2003</strong><br />

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