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IFF-Info Nr. 26, 2003 - IFFOnzeit

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Geschlecht in Behandlungsangeboten sozialpsychiatrischer Versorgungseinrichtungen<br />

ische Probleme in den Interviews<br />

angesprochen:<br />

• die ungewollte Entjungferung;<br />

• eine ungewollte Schwangerschaft;<br />

• Schuldgefühle den eigenen Kindern<br />

gegenüber;<br />

• Überforderung durch die Mutterschaft;<br />

• die Verantwortung für die Kinder<br />

– trotz der Erkrankung;<br />

• die Benachteiligung gegenüber<br />

den Brüdern, der Versuch, dies<br />

durch eigene, später nachgeholte<br />

Ausbildung auszugleichen;<br />

• die mangelnde Vaterfigur, die<br />

maßgeblich die Partnersuche beeinflusst;<br />

• die psychische Misshandlung<br />

durch den Ehemann/Freund;<br />

• die eigene Abwertung des „Frauseins“<br />

durch den Ehemann/<br />

Freund;<br />

• die durch männliche Wünsche<br />

dominierte Sexualität;<br />

• ein Helfer-Syndrom, die primäre<br />

Fürsorge für die Anderen;<br />

• ein wechselndes Selbstwertgefühl<br />

mit Neigung zur eigenen Abwertung;<br />

• die eigene Mutter als Negativ-<br />

Vorbild – ein negatives Mutterbild;<br />

• eine mangelnde Geborgenheit in<br />

der Kindheit, aber auch in den<br />

erwachsenen Jahren;<br />

• die eigene Passivität bis zur Depression;<br />

• Ohnmachtserfahrungen;<br />

• die Suche nach dem Eigenen, der<br />

Autonomie innerhalb der Abhängigkeit;<br />

• die Angst vor Auseinandersetzungen,<br />

vor Konflikten;<br />

• Konfliktvermeidungsverhalten;<br />

• ein schlechtes Gewissen, sich zu<br />

wehren, was zur Duldung/Ertragen<br />

führt;<br />

• das Ausblenden von Erwerbschancen<br />

aus der eigenen Biographie-Planung<br />

– und damit auch<br />

einer unabhängigen Lebensgestaltung.<br />

Implizit und sehr vorsichtig äußerten<br />

sich die befragten Nutzerinnen<br />

in den Interviews zu der bislang erfahrenen<br />

Betreuungssituation. Eine<br />

formulierte explizit ein großes Misstrauen<br />

in psychiatrische Hilfen, sie<br />

beschrieb eine vehemente Angst vor<br />

Fehlinterpretation und Wissensmissbrauch<br />

durch die BetreuerInnen. Sie<br />

wusste sehr wohl um die Deutungsmacht<br />

der HelferInnen. Ängstlich<br />

sicherten die Interviewten sich ab,<br />

dass ein Interview weder Nachteile<br />

für sie selbst, noch für die betreuenden<br />

Personen nach sich ziehen<br />

könnte. Kritik konnten sie nur indirekt<br />

formulieren, nicht offen. Die<br />

meisten Frauen waren nicht in der<br />

Lage, eigene Wünsche direkt zu äußern.<br />

„Also Frau XXX ist so eine liebe<br />

junge Frau, das ist ja eine Betreuerin hier<br />

(...) und dann hat auch jeder seine Ansprechzeiten<br />

(...) da wäre die Zeit nicht<br />

ausreichend (...) hier im Alltag brauche<br />

ich eigentlich, um von dem ganzen Rauen<br />

mich zu erholen, brauchte ich (...) vielleicht,<br />

also, das Grundkonzept von hier ist für<br />

mich zu schwer.“ Hier wird verschlüsselt<br />

eine Kritik benannt und endet<br />

dann in der Beschreibung der eigenen<br />

Unzulänglichkeit. Die Probandinnen<br />

umschrieben vage die Situationen,<br />

indem sie formulierten: sie<br />

seien eigentlich ganz zufrieden, sie<br />

hätten sich nun so eingerichtet im<br />

Leben, es sei inzwischen recht gut.<br />

Wenn Kritik geäußert wurde, dann<br />

wurde diese sogleich wieder relativiert.<br />

Kritik an der aktuellen Bezugsperson<br />

wurde sofort abgemildert,<br />

Herr oder Frau XXX seien ja doch<br />

eigentlich recht nett. „(Ich habe einen,<br />

Anm. d. V.) männlichen Betreuer. Ich<br />

hätt’ lieber eine Frau, das wär’ mir lieber,<br />

obwohl, der ist sehr in Ordnung der Mann<br />

(...) der Herr XXX ist auch noch sehr<br />

jung (...) wenn da irgendwas ist, sprech’<br />

ich lieber mit einer Frau. Ja, aber die hat<br />

ja nie Zeit. Das geht immer alles so schnell,<br />

so zwischen Tür und Angel. (...)“ Oder<br />

auch „Ich habe einen sehr netten Betreuer,<br />

der Herr XXX ist sehr nett und (...)<br />

wenn ich in seelischer Not bin, suche ich<br />

Gespräche (...) ja, wenn er nicht grad’ was<br />

Wichtiges vor hat (...) sie sind sehr entgegenkommend<br />

hier.“ Auch diese demonstrative<br />

Konflikt-Vermeidungsstrategie<br />

ist eine typische Konstante in<br />

weiblichen Lebensrealitäten und lässt<br />

sich in allen Interviews nachweisen.<br />

Diese Verhaltensweise verhindert<br />

eine adäquate Hilfeleistung für die<br />

Klientinnen, wenn die sozialen Bezugspersonen<br />

nicht selbst ihrer Arbeit<br />

einen geschlechtersensiblen Ansatz<br />

unterlegen.<br />

Abschließend seien noch die<br />

Wünsche der interviewten Frauen an<br />

die Betreuungssituation aufgeführt.<br />

Sie wünschen sich:<br />

• ein/e BetreuerIn nach eigener<br />

Wahl, bevorzugt eine weibliche,<br />

da sie sich bei einer Frau besser<br />

aufgehoben fühlen können, für<br />

manche Situation sei aber auch ein<br />

männlicher Helfer recht angebracht;<br />

• Hilfe, um im Alter noch das „eigene<br />

Leben“ finden zu können;<br />

• mehr Gespräche mit den betreuenden<br />

Personen;<br />

• häufigere Kontakte (im Betreuten<br />

Wohnen);<br />

• mehr Anteilnahme der Betreuungspersonen,<br />

nicht nur das Notwendig<br />

abdecken;<br />

• die Therapie bei einer Frau;<br />

• Hilfe bei der Suche nach Halt und<br />

Identität;<br />

• die Unterstützung bei der Entwicklung<br />

der eigenen Autonomie;<br />

• eine Art „Mentorin“, die sie längerfristig<br />

begleitet und sie beim<br />

Aufbau von sozialen Beziehungen<br />

unterstützt.<br />

Die männlichen Befragten<br />

Liegen im Bereich der poststationären<br />

sozialpsychiatrischen Hilfen<br />

durch die feministischen Ansätze<br />

<strong>Info</strong> 20.Jg. <strong>Nr</strong>.<strong>26</strong>/<strong>2003</strong><br />

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