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IFF-Info Nr. 26, 2003 - IFFOnzeit

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Geschlecht in Behandlungsangeboten sozialpsychiatrischer Versorgungseinrichtungen<br />

„Schwäche, na ja, ein Mann muss ja<br />

nicht immer stark sein, es gibt ja auch<br />

starke Frauen (...) wenn Männer mal<br />

schwach werden, dann wär das nicht so<br />

schlimm.“<br />

Konservative Rollenbilder<br />

„Ich meine, ich wär schon froh, wenn ich<br />

mal so ein Kind hätte. Eine Freundin,<br />

eine Frau, so normal, gell. Normal. Eine<br />

normale Freundin (...).“<br />

„Ich hätte als Mann, der muss in so<br />

einer Beziehung, meistens am Anfang jedenfalls,<br />

die führende Rolle einnehmen und<br />

den ersten Schritt tun. Und das habe ich<br />

nicht gemacht, das war mein Fehler (...)<br />

ich hab’ immer auf ihren ersten Schritt<br />

gewartet.“<br />

Rivalität und Leistungsorientierung<br />

„(…) und da habe ich die Befürchtung,<br />

dass ich das auch nicht leisten kann.“<br />

„ Ich find’, ich mach zu wenig Sinnvolles<br />

(...) das ist alles Freizeit, was ich mache,<br />

die Chöre, der Bürgerverein, Amnesty, das<br />

ist alles – das machen andere Leute nebenher,<br />

neben der Arbeit. Und arbeiten<br />

tun die dann auch und das mach ich ja<br />

nicht, ich bin Frührentner (...) ich bin<br />

unproduktiv, ich produziere nichts.“<br />

„Zu meinem Bruder das Verhältnis<br />

war doch belastend, weil, ja, da gab es viel<br />

Konkurrenz. Ja, und Neid dazu und eher<br />

die schlechten Sachen. (...) man kann es<br />

auch eher so als Hass-Liebe bezeichnen<br />

(...) es ging letztendlich um die Zuneigung<br />

von meiner Mutter (...) er war nicht so<br />

bereit, seine Mutter mit mir zu teilen, ich<br />

war es anscheinend in seinen Augen nicht<br />

so wert.“<br />

Konflikt-bezogene Sprachlosigkeit<br />

„Am Anfang habe ich auch nicht so reden<br />

können (...) ich hab’ mal während des<br />

Zivildienstes einen guten Freund gehabt.<br />

(...) aber nicht richtig aussprechen, die<br />

Sachen (...) und sprechen, also, mit meiner<br />

Stiefmutter konnte ich überhaupt nicht<br />

sprechen, mein Vater hat mich nicht ernst<br />

genommen (...) und zu meiner Tante, hm,<br />

das war eher eine gefühlsmäßige Ebene (...)<br />

also, wenn ich darüber gesprochen habe,<br />

dann habe ich es nur angedeutet (...) (über<br />

intime Zweifel, Träume, Gedanken sprechen,<br />

Anm. d. V.) nein, das trau ich nicht,<br />

das mach ich nicht mehr. Soweit ich mich<br />

traue, Sachen rauszulassen, da spreche ich<br />

sie (Psychiaterin, Anm. d. V.) an.“<br />

Überwiegend (abgeschlossene)<br />

Ausbildung<br />

„Ich habe eine Lehre abgeschlossen. Ich<br />

sollte ursprünglich drei Jahre lernen und<br />

hatte aber die Möglichkeit, ein halbes Jahr<br />

vorher die Prüfung zu machen.“<br />

„Ich hab’ drei Jahre lang XXX gelernt,<br />

bin gelernter XXX. Jetzt habe ich<br />

ja keine Arbeit.“<br />

„Ich hab’ die Hauptschule besucht, (...)<br />

dann die Realschule und dann die Fachoberschule,<br />

(...) dann hab’ ich das Grundstudium<br />

abgeschlossen und hab’ dann<br />

Mathe studiert.“<br />

Ein gebrochenes Selbstwertgefühl<br />

„Aber das, ich mein, wenn man einmal in<br />

der Psychiatrie war, das man immer drin<br />

bleibt. Weil, ich hab’ auch (...) normale<br />

Freunde hab’ ich kaum. Hab’ ich gar<br />

nicht.“<br />

Homosexuelle Erfahrungen<br />

„Ich habe Männer immer ziemlich (...) –<br />

ich dacht’, Männer wollten immer was von<br />

meiner Mutter haben. Wollten sie ja auch,<br />

und das ein bisschen auch meine eigene Rolle,<br />

ich war nicht schwul, habe auch Erfahrungen<br />

mit Männern gehabt, bisexuelle,<br />

aber trotzdem war ich nicht total schwul<br />

oder so.“<br />

„(...) später dann gab es praktisch zum<br />

Homosexuellen noch einen kurzen Kontakt.<br />

Was heißt kurz, es waren auch eineinhalb<br />

Jahre, ja. Die erste homosexuelle<br />

Erfahrung kam in der Klinik, aber eher<br />

zwanghaft (...) erst später mit 30 Jahren<br />

(...) da hatte ich so eine Freundschaft. (...)<br />

und zu dem Zeitpunkt, wo es klar wurde,<br />

es wird eine Beziehung oder so, bin ich<br />

abgesprungen, hab’ ich gesagt, das ist nicht<br />

mein Ding.“<br />

Auffällig in den biographischen Erzählungen<br />

ist die Bedeutung der Väter.<br />

Ob diese innerhalb der Familie<br />

anwesend oder abwesend waren,<br />

scheint unwesentlich; als Bezugsperson<br />

und Identifikationsfigur wird ihnen<br />

von den Männern eine dominante<br />

Rolle zugeschrieben. Die Unsicherheit<br />

mit der eigenen Männlichkeit<br />

scheint in einem direkten Bezug<br />

zum Verhältnis zur Vaterfigur<br />

zu stehen. Selbst wenn der Sohn sich<br />

vom Vater abgelehnt fühlte und dieser<br />

als grausam oder strafend empfunden<br />

wurde, bleibt die Orientierung<br />

an den väterlichen Normen<br />

weiter bestehen. Die väterlichen Verhaltensvorgaben<br />

werden fast<br />

zwanghaft befolgt und damit die<br />

Instabilität der eigenen männlichen<br />

Identität gefördert und gleichzeitig<br />

die Unsicherheit im Verhalten gegenüber<br />

Frauen. Geborgenheit,<br />

Emotionalität und liebevolle Anerkennung<br />

haben die interviewten<br />

Männer kaum erfahren, sie formulieren<br />

ihre Sehnsucht nach solcher<br />

Zuwendung oft nur verschlüsselt.<br />

Auf der Handlungsebene scheinen<br />

sie fast „weiblichen“ Mustern zu<br />

folgen, in dem sie eher ihrer Neigung<br />

zur Passivität folgen, den Anderen<br />

im Beziehungsgefüge die primäre<br />

Bedeutung zubilligen und auch<br />

in der Sexualität die aktive Rolle<br />

ablehnen. Diese Widersprüche, die<br />

Gefangenschaft in den traditionellen<br />

Rollennormen und gleichsam die<br />

Sehnsucht nach „dem Anderen“,<br />

verursachen ein Leiden an sich selbst.<br />

Verstärkt wird dies durch die gelebte<br />

Isolation und das Unvermögen,<br />

eine befriedigende Verbindung<br />

mit einer Partnerin eingehen zu können.<br />

Mit anderen Worten, die befragten<br />

Männer leben eine männliche<br />

traditionelle Rolle mit Brüchen<br />

und Unsicherheiten, die sich auf ihre<br />

männliche Identität auswirkt und in<br />

Hilflosigkeit und Passivität mündet.<br />

Die Aussagen unserer Befragten be-<br />

<strong>Info</strong> 20.Jg. <strong>Nr</strong>.<strong>26</strong>/<strong>2003</strong><br />

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