IFF-Info Nr. 26, 2003 - IFFOnzeit
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Qualitätssicherung im Gesundheitswesen als Geschlechterpolitik<br />
ches Problem eingestuft und intensiviert.<br />
So steht in den USA mit dem<br />
„Health Plan Employer Data and<br />
<strong>Info</strong>rmation Set (HEDIS)“ ein umfangreiches<br />
Instrument zur Qualitätsbewertung<br />
zur Verfügung (vgl.<br />
HEDIS 2002). Im National Health<br />
Service in Großbritannien wurde<br />
ebenfalls ein Set von Indikatoren<br />
und auf europäischer Ebene ein Instrument<br />
speziell für die hausärztliche<br />
Versorgung entwickelt und in<br />
mehreren Ländern evaluiert (Grol<br />
et al. 2002). Für Deutschland liegen<br />
zwar ebenfalls Untersuchungen vor<br />
(vgl. z.B. Streich 2002), aber keine<br />
so weitgehend standardisierten Instrumente.<br />
Ähnlich wie bei der Gesundheitsberichterstattung<br />
(vgl. Jürgens 2000)<br />
bieten die Evaluationen, Dokumentationen<br />
und Audits im Rahmen der<br />
Qualitätsbewertung Möglichkeiten,<br />
frauenspezifische Indikatoren zu integrieren.<br />
Die Berücksichtigung von<br />
Geschlechterfragen kann über eine<br />
systematische Prüfung des gender bias<br />
der Instrumente (Eichler 1999)<br />
und/oder über die Generierung<br />
frauen- und geschlechterspezifischer<br />
Indikatoren erfolgen. Im europäischen<br />
Kontext bietet das Konzept<br />
Gender Mainstreaming (vgl. Kuhlmann<br />
2002, Maschewsky-Schneider<br />
2002) Möglichkeiten, die Geschlechterkategorie<br />
auch in der Qualitätsbewertung<br />
relevant zu machen. Die<br />
Gestaltungsoptionen sind allerdings<br />
bisher kaum ausgelotet und noch<br />
weniger praxisrelevant.<br />
Die gendersensible und frauengerechte<br />
Qualitätsbewertung hat insbesondere<br />
in den USA einen hohen<br />
Formalisierungsgrad erreicht. So<br />
setzte das „National Committee for<br />
Quality Assurance“ ein „Women’s<br />
Health Measurement Advisory Panel<br />
(MAP)“ ein, das im Rahmen von<br />
HEDIS Vorschläge für neue Indikatoren<br />
speziell zur Gesundheit von<br />
Frauen entwickelt. Diese Indikatoren<br />
erfassen die reproduktive Gesundheit,<br />
frauenspezifische Versorgungsangebote<br />
(z.B. bei sexueller<br />
Gewalt) wie auch bisher geschlechtsunspezifisch<br />
erfasste Erkrankungen<br />
(z.B. Diabetes mellitus) (McKinley<br />
et al. 2001).<br />
Trotz dieser Erfolge der Frauengesundheitsforschung<br />
zeigt gerade<br />
das „Women’s Health Measurement<br />
Advisory Panel“ die Grenzen einer<br />
solchen Strategie auf. Mit der Integration<br />
geschlechterspezifischer Indikatoren<br />
in bestehende Verfahren<br />
werden die Relevanzkriterien biomedizinisch-technologischer<br />
Evaluationsverfahren<br />
zwar erweitert, aber<br />
die Zieldefinitionen und Methoden<br />
nicht verändert. Die steigende Bedeutung<br />
ökonomischer Kriterien<br />
und der Zwang zur Dokumentation<br />
und Evaluation der Angebote<br />
führen zu einer Mode der „quick<br />
fixes“ (Grol et al. 2002, S. 111). Das<br />
heißt, es wird nur das bewertet, was<br />
unstrittig und einfach zu messen ist.<br />
Mit der Marginalisierung interpersoneller<br />
und kommunikativer<br />
Aspekte der Versorgung fallen genau<br />
die Indikatoren durch das Raster<br />
der Standardisierung, die in den<br />
Forderungen der Frauengesundheitsbewegung<br />
und -forschung im<br />
Zentrum stehen. Die biomedizinische<br />
Verengung der Indikatoren<br />
weist also einen subtilen Geschlechterbias<br />
auf. Hinzu kommt, dass die<br />
Qualitätsbewertung keine Auskunft<br />
gibt, wie die Ergebnisse in der Praxis<br />
umgesetzt und wie hierdurch<br />
Veränderungen erzielt werden können.<br />
3.2 Marktorientierung,<br />
Managed Care und „Nachfragemacht“<br />
der Nutzerinnen –<br />
Handlungsspielräume für eine<br />
frauengerechte Versorgung und<br />
Risiken<br />
Im Rahmen marktorientierter Versorgungsangebote<br />
und ökonomisch<br />
motivierter Erfolgskriterien erhalten<br />
geschlechterspezifische Bewertungen<br />
eine neue Bedeutung. Sie versprechen<br />
eine höhere Effektivität<br />
und könnten hierdurch die Ziele der<br />
Reformstrategien zumindest partiell<br />
stützen. Mit den neuen Versorgungsmodellen<br />
erfährt die fragmentierte<br />
und nach biomedizinischen Kriterien<br />
definierte individualmedizinische<br />
Versorgung in mehrfacher Hinsicht<br />
grundlegende qualitativ-inhaltliche<br />
Erweiterungen: So soll die bestehende<br />
Zergliederung der Versorgung<br />
durch eine verbesserte Zusammenarbeit<br />
der Leistungsanbieter<br />
und der Berufsgruppen verringert<br />
und den psychosozialen Einflüssen<br />
und Bedingungszusammenhängen<br />
von Gesundheiten und Krankheiten<br />
Rechnung getragen werden. Die<br />
Ziele der Reformen und die neuen<br />
Modelle weisen auffällige Verbindungslinien<br />
zu grundlegenden Forderungen<br />
der Frauengesundheitsbewegung<br />
und -forschung auf.<br />
Nach den vorliegenden Ergebnissen<br />
für die USA ist die Versorgungsqualität<br />
in den Managed Care-<br />
Organisationen (MCOs) nicht<br />
grundsätzlich schlechter als in den<br />
Fee-for-Service Organisationen<br />
(FES). Aus der Geschlechterperspektive<br />
zeichnen sich sowohl neue<br />
Chancen als auch Risiken ab. So sind<br />
PatientInnen in den MCOs häufiger<br />
als in FES-Systemen mit der<br />
Kommunikation unzufrieden; sie<br />
zeigen insgesamt eine geringere<br />
Zufriedenheit (Steiner/Robinson<br />
1998, S. 98ff.). Erinnert sei daran,<br />
dass Frauen der Kommunikation in<br />
der therapeutischen Beziehung<br />
durchgängig eine höhere Bedeutung<br />
als Männer beimessen. Mit Blick auf<br />
die präventiven Leistungen schneiden<br />
die MCOs hingegen besser als<br />
die FES Systeme ab (Steiner/Robinson<br />
1998, S. 118f.), zu diesem Ergebnis<br />
kommen auch Autorinnen<br />
aus der Frauengesundheitsforschung<br />
<strong>Info</strong> 20.Jg. <strong>Nr</strong>.<strong>26</strong>/<strong>2003</strong><br />
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