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GL 4/2007 - der Lorber-Gesellschaft eV

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<strong>GL</strong> 4/<strong>2007</strong> Vom eigenen Nichts<br />

33<br />

Vom eigenen Nichts<br />

Thomas Merton (1915-1968)<br />

„Was bedeutet es, mein eigenes ‚Nichts‘ zu erkennen<br />

und zu erfahren<br />

Es genügt nicht, wenn ich mich mit Abscheu von<br />

meinem Selbstbetrug, meinen Fehlern und<br />

Unvollkommenheiten abwende und mich von ihnen<br />

lossage, als gäbe es sie nicht und als wäre ich nicht <strong>der</strong>, <strong>der</strong><br />

ich bin! Diese Form <strong>der</strong> Selbstzerstörung ist eine noch weit<br />

schlimmere Form des Selbstbetrugs, eine lediglich zur<br />

Thomas Merton<br />

Christlicher Mönch<br />

und Mystiker<br />

Schau getragene Demut, die, wenn sie sagt „ich bin nichts“, im Grunde<br />

damit meint: „Ich wollte, ich wäre nicht, was ich bin“.<br />

Dieser Verhaltensweise mag ein lebhaftes Bewusstsein unserer Unzulänglichkeiten<br />

und Hilflosigkeit zugrunde liegen; sie bringt uns jedoch<br />

keinen inneren Frieden. Um unser ‚Nichts‘ wahrhaftig zu erkennen,<br />

müssen wir es auch lieben. Und wir vermögen es nicht zu lieben, wenn<br />

wir nicht begreifen, dass es gut ist. Und die Einsicht, dass es gut ist, bleibt<br />

uns unzugänglich, wenn wir es nicht in seinem So-Sein annehmen.<br />

Die übernatürliche Erfahrung unserer Begrenztheit führt zu einer<br />

Demut, die über alles an<strong>der</strong>e hinaus den Zustand unserer ethischen und<br />

metaphysischen Hilflosigkeit in <strong>der</strong> Konfrontation mit Gott liebt und<br />

anerkennt.<br />

Um also in diesem Sinn unser ‚Nichts‘ zu lieben, dürfen wir nichts verwerfen,<br />

was unser eigen ist, nichts, was wir besitzen, nichts, was wir sind.<br />

Wir müssen einsehen und zugeben, dass dieses ‚Nichts‘ uns ganz gehört<br />

und dass es vollkommen gut ist, gut in seinem positiven Wesenskern, da es<br />

von Gott kommt, gut auch trotz unserer Unzulänglichkeiten, da unsere<br />

Hilflosigkeit, ja unsere moralische und geistliche Not das göttliche Erbarmen<br />

auf uns herabziehen.<br />

Um unser Nichts zu lieben, müssen wir alles in uns lieben, was <strong>der</strong><br />

stolze Mensch liebt, wenn er sich selbst liebt. Doch ist <strong>der</strong> Grund für diese<br />

unsere Liebe ein völlig an<strong>der</strong>er als <strong>der</strong>, welcher den stolzen Menschen zur<br />

Liebe veranlasst.<br />

Um unser Nichts zu lieben, müssen wir uns selbst lieben.<br />

Der hochmütige Mensch liebt sich selber, weil er annimmt, dass er es<br />

um seiner selbst willen verdient hat, geliebt, geschätzt und geehrt zu<br />

werden. Er bildet sich ein, er müsse von Gott und von den Menschen<br />

geliebt werden. Er glaubt, mehr als alle an<strong>der</strong>en ein Anrecht auf Liebe,<br />

Verehrung und Achtung zu besitzen.

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