Die Entstehung von Teamkultur
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<strong>Die</strong> <strong>Entstehung</strong> <strong>von</strong> <strong>Teamkultur</strong><br />
<strong>Die</strong> <strong>Entstehung</strong> <strong>von</strong> <strong>Teamkultur</strong> wird besonders geprägt durch die Beziehung <strong>von</strong> Auftraggeber und Team.<br />
Vor allem in der Anfangsphase des Teams, in der die Beauftragung des Teams stattfindet, werden viele<br />
Weichen für die weitere Entwicklung der <strong>Teamkultur</strong> gestellt. Der Artikel erklärt <strong>Teamkultur</strong> anhand <strong>von</strong><br />
drei Ebenen der Kultur. Durch zwei ausführliche Beispiele <strong>von</strong> unterschiedlichen Teams wird das Entstehen<br />
<strong>von</strong> <strong>Teamkultur</strong> auf den drei Ebenen der Kultur analysiert. Abschließend werden Vorschläge für die Praxis<br />
der Teamentwicklung in der Phase der Beauftragung vorgestellt.<br />
<strong>von</strong> Christine Hronovsky-Pircher und Elmar Egger<br />
Einleitung<br />
Wenn wir eine Kultur beschreiben, so erzählen wir zumeist<br />
<strong>von</strong> auffälligen Verhaltensweisen ihrer Mitglieder,<br />
<strong>von</strong> Kleidungsstilen, Kochkünsten und Baustilen. Wir<br />
sprechen <strong>von</strong> den Ritualen, die in dieser Kultur gepflegt<br />
werden, <strong>von</strong> den Regeln, die sich die Menschen dieser<br />
Kultur gegeben haben. Besonders spannend wird es zumeist<br />
dann, wenn wir den tiefgründigen Nährboden der<br />
Kultur betrachten - die Mythen, Weltanschauungen und<br />
Glaubenssysteme, mit denen die Menschen ihrer Lebenswelt<br />
Sinn und Bedeutung verleihen.<br />
Prägend für die Entwicklung einer Kultur ist einerseits<br />
alles, was in grauer Vorzeit geschah, also die Anfangsmythen.<br />
Anderseits wird vieles durch die Umwelt der<br />
Kultur festgelegt. <strong>Die</strong>s gilt auch für Teams und deswegen<br />
haben wir uns den ersten Abschnitt der <strong>Entstehung</strong><br />
einer <strong>Teamkultur</strong> ausgewählt: die Auftragsvergabe. <strong>Die</strong><br />
Auftragsvergabe ist der Beginn des Teams und gleichzeitig<br />
ist dies jene Phase, in der die wesentlichste Umwelt<br />
des Teams, der Auftraggeber, besonders bestimmend<br />
auf den Plan tritt.<br />
Zunächst wird hier ein Modell präsentiert, nachdem sich<br />
Kultur auf drei Ebenen analysieren lässt. Im darauf folgenden<br />
Abschnitt wird genauer darauf eingegangen, warum<br />
gerade die Auftragssituation so wichtig für die Entwicklung<br />
einer Kultur ist. Abschließend wird dann anhand<br />
<strong>von</strong> zwei Beispielen die Entwicklung zweier ganz<br />
unterschiedlicher <strong>Teamkultur</strong>en durch die stark unterschiedliche<br />
Art der Beauftragung analysiert.<br />
Vorweg ein wenig Theorie – die Ebenen<br />
der <strong>Teamkultur</strong>en<br />
Wenn ein Team entsteht treffen Menschen mit ihren Gewohnheiten,<br />
typischen Verhaltensweisen, und den Ritualen,<br />
wie sie ihre Arbeit verrichten, aufeinander. Sie kommunizieren<br />
mit ihren Kollegen mit ihrer je eigenen Werthaltung,<br />
ihrer Einstellung gegenüber Arbeit und den anderen<br />
handelnden Personen.<br />
Jeder der Beteiligten bringt die unterschiedlichsten Verhaltensweisen<br />
in die Begegnung mit ein. Von den anderen<br />
Beteiligten werden diese Verhaltensweisen dann entsprechend<br />
bewertet. So bekommt das Verhalten einer<br />
Person Sinn und Bedeutung. Nun misst natürlich nicht<br />
jeder nach seinen eigenen Standards allein, sondern orientiert<br />
sich auch an den Standards der anderen. Dabei<br />
gibt es Menschen, deren Meinung gewichtiger ist und<br />
andere, deren Ansichten weniger wichtig genommen werden<br />
müssen. So ist zum Beispiel die Meinung des Auftraggebers,<br />
welche Bedeutung eine Handlung haben soll,<br />
insgesamt bedeutsamer als die eines einfachen Teammitglieds.<br />
Unter Kultur versteht man landläufig die gemeinsam ausgehandelten<br />
Bedeutungen einer sozialen Gruppe. Gemäß<br />
dieser Bedeutungen bewertet die Gruppe die<br />
Handlungen, Ereignisse und Objekte. Kultur ist etwas<br />
wandelbares. Im Prozess der Interaktion <strong>von</strong> Menschen<br />
verändern sich die Bedeutungen, anhand derer die beteiligten<br />
Personen sich im Geschehen orientieren.<br />
(Blumer 1986, S. 2) Manche Elemente der Kultur überdauern<br />
dabei eher länger und bleiben stabiler als andere.<br />
Um diese unterscheiden zu können und auch um auch<br />
das Geschehen beim Entstehen einer <strong>Teamkultur</strong> etwas<br />
genauer analysieren zu können, seien diese Ebenen hier<br />
kurz skizziert (Zu Ebenen der Kultur vgl. Simon 1998,<br />
Kolbeck und Nicolai 1996, Exner 1990, Schreyögg<br />
1999).<br />
Auf der ersten Ebene spricht man <strong>von</strong> Ereignissen,<br />
Handlungen, sprachlichen Äußerungen und physischen<br />
Objekten, die für das jeweilige Team und die in ihm handelnden<br />
Personen wichtig sind. (Simon 1998, S. 131) Ein<br />
Beispiel für diese Ebene ist die Bekleidung (ein Team<br />
<strong>von</strong> Arbeitern kleidet sich anders als ein Team <strong>von</strong> Ingenieuren<br />
oder ein Team <strong>von</strong> Sozialarbeitern).<br />
Auf der zweiten Ebene geht es darum, wie die einzelnen<br />
Handlungen miteinander verknüpft werden, also um<br />
Gewohnheiten, Rituale, Regeln, Normen und Strategien.<br />
(Simon 1998, S. 132) Wenn die Teammitglieder einander<br />
immer auf die gleiche Art und Weise begrüßen,<br />
so wird die Begrüßung zu einem Ritual. Auch die Ge-<br />
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ten, die dem Team Einheit geben. Zudem sind hier die<br />
Werte angesiedelt, nach denen der Erfolg der Arbeit und<br />
die Bedeutung der einzelnen Handlungen, der Rituale,<br />
Regeln und Strategien bewertet werden. (Simon 1998,<br />
S. 132f) So mag Schnelligkeit für das eine Team wichtiger<br />
sein, Gründlichkeit für das andere und für ein drittes<br />
die konfliktfreie Zusammenarbeit.<br />
<strong>Die</strong> grundlegenden Werte und Rollenidentitäten im<br />
Team sind in diesem Schema dauerhafter und umfassender<br />
prägend als die Rituale, Gewohnheiten, Normen<br />
und Regeln. <strong>Die</strong>se Elemente der zweiten Ebene sind wiederum<br />
dauerhafter als jene der ersten Ebene. Wenn die<br />
Rollenverteilung im Team nicht klar ist, so hat dies Konsequenzen<br />
für die Auswahl der Ziele, auf alle Gewohnheiten<br />
und jede einzelne Handlung. Wenn jedoch eine<br />
Gewohnheit fallen gelassen wird oder durch eine andere<br />
ersetzt wird, so berührt das die zentralen Werte des<br />
Teams meist nicht so stark.<br />
Warum ist die Auftragssituation so wichtig<br />
für die <strong>Entstehung</strong> einer <strong>Teamkultur</strong><br />
Bedeutungen entstehen dadurch, dass Menschen miteinander<br />
interagieren. Damit jedoch die Interaktion über<br />
einen längeren Zeitraum andauern kann, müssen die Beteiligten<br />
ihre unterschiedlichen Bedeutungen einander annähern.<br />
Unbewusst, oft aber auch ganz bewusst, verhandeln<br />
sie beispielsweise, was die Rolle eines Teamchefs<br />
sein soll, was ein gutes oder ein schlechtes Ergebnis ist<br />
oder was überhaupt als Ergebnis gelten kann.<br />
In diesen Verhandlungen haben natürlich manche einen<br />
größeren Spielraum als andere. Der Auftraggeber ist<br />
sicher der stärkste Verhandlungspartner. Er legt fest, was<br />
das Problem oder das Ziel ist, er bestimmt die Kriterien,<br />
nach denen entschieden wird, ob und wie das Ziel<br />
erreicht wurde. Er kann auch festlegen, bis wann er das<br />
Ergebnis haben will. Dadurch definiert er einen wesentlichen<br />
Teil der Rahmenbedingungen, mit denen das Team<br />
leben muss und innerhalb derer sich die Kultur dieses<br />
Teams entfalten kann (oder auch nicht).<br />
Für Teams wie für alle Formen sozialer Gruppen und<br />
Institutionen gilt, dass der Beginn einer Geschichte die<br />
Möglichkeiten für ihren Verlauf und ihren Ausgang festlegt.<br />
(Luhmann 2000, S. 245f) Wer am Anfang dabei ist,<br />
gestaltet die Regeln, Werte und Arbeitsweisen besonders<br />
nachhaltig. <strong>Die</strong> Gründungsmitglieder eines Teams<br />
haben auch noch alle <strong>Entstehung</strong>smythen, die später<br />
manchmal offen, manchmal hinter vorgehaltener Hand<br />
erzählt werden, noch selbst erlebt. Auch haben Veteranen,<br />
die schon länger im Team sind, zumeist größere<br />
Rechte, als solche, die erst später hinzukommen. Wer<br />
später eine Entscheidung trifft, muss sich immer damit<br />
auseinandersetzen, was für Entscheidungen vorher schon<br />
getroffen wurden.<br />
Aus diesen Gründen ist die Auftragssituation zentral für<br />
die <strong>Entstehung</strong> der <strong>Teamkultur</strong>. Hier nun zwei Geschichten<br />
<strong>von</strong> Erfahrungen, die wir mit Teams und deren unterschiedlichen<br />
Anfangsbedingungen machten.<br />
Zwei Beispiele für die Entwicklung <strong>von</strong><br />
<strong>Teamkultur</strong> in der Auftragsphase<br />
Der Teamchef ist Auftraggeber<br />
<strong>Die</strong> erste Geschichte handelt <strong>von</strong> einem Team, dass in<br />
einem klassischen Start-up Unternehmen der 90er Jahre<br />
ins Leben gerufen wurde. Leider waren die Erfahrungen<br />
dieses Teams anfänglich nicht so positiv. Das Unternehmen<br />
entwickelte unterschiedliche Anwendungen<br />
für das WWW. Einer der Geschäftsführer (und Firmengründer)<br />
hatte den Wunsch, eine spezielle Anwendung<br />
zu entwickeln. Begeistert <strong>von</strong> seiner eigenen Idee machte<br />
er sich ans Werk und suchte sich seine Teammitglieder<br />
aus den unterschiedlichen Abteilungen des<br />
Unternehmens zusammen.<br />
Bald zeigten sich jedoch erste Probleme. Der Geschäftsführer<br />
hatte in diesem Team eine Doppelfunktion inne.<br />
Einerseits war er der Teamchef, der im Normalfall das<br />
Team nach außen hin vertritt, andererseits war er auch<br />
in der Rolle des Auftraggebers. Eine formelle Beauftragung<br />
fand nicht statt, denn der Geschäftsführer führte<br />
mit sich selbst keine Auftragsverhandlungen. In der Folge<br />
waren wesentliche Rahmenbedingungen für das Team<br />
nicht geklärt: Es gab kein klares Budget, die Deadlines<br />
änderten sich ständig, denn der Geschäftsführer war sich<br />
selbst gegenüber ein nachgiebiger Teamchef.<br />
Für die Teammitglieder entstand große Unsicherheit.<br />
Analysieren wir diese Anfangssituation und ihre Bedeutung<br />
für die Kultur. Auf der ersten Ebene (Handlungen,<br />
Ereignisse, physische Objekte) zeigte sich zunächst,<br />
dass sich nicht viel ereignete. Es gab selten Sitzungen<br />
und wenn wurde in diesen wenig inhaltliches über das<br />
Projekt gesprochen sondern lange darüber, welche der<br />
unterschiedlichen Deadlines sich wieder geändert hatten<br />
und wie damit wohl umgegangen werden sollte.<br />
Auf der Ebene der Rituale, Strategien und Regeln gab<br />
es dafür schon mehr zu sehen. Von einer Strategie des<br />
Teams als Ganzem konnte man zwar wenig feststellen,<br />
dafür aber umso mehr <strong>von</strong> der Strategie der einzelnen<br />
Teammitglieder. Nachdem das Projekt als unsicher angesehen<br />
wurde, hielten sich die Teammitglieder eher an<br />
ihre Stammabteilungen und die Aufgaben, die sie dort<br />
zu erfüllen hatten. Insgesamt herrschte das stillschweigende<br />
Übereinkommen, dass man in dieser unsicheren<br />
Situation am besten dadurch überlebt, indem man Aufträge<br />
abwehrt und selten anwesend ist. Es entwickelten<br />
sich Rituale des Abschiebens <strong>von</strong> Verantwortung an<br />
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andere. Der Auftraggeber reagierte darauf mit vehementen<br />
Forderungen, denn er sah wie ihm das Projekt<br />
entglitt. Andererseits sorgte er aber auch nicht für die<br />
notwendige Sicherheit und Struktur, klare Kompetenzverteilung<br />
und einen rigiden Zeitplan, da er ständig<br />
zwischen den Rollen als Auftraggeber und Teamchef in<br />
Personalunion hin und herwechselte.<br />
Auf der dritten Ebene änderten sich ständig die Kriterien,<br />
nach denen der Projekterfolg definiert wurde. Je<br />
nachdem, ob der Geschäftsführer gerade in seiner Rolle<br />
aus externer Auftraggeber oder als interner Teamchef<br />
auftrat, stellte er andere Anforderungen. <strong>Die</strong> Teammitglieder<br />
reihten in dieser unsicheren und gefährlichen Situation<br />
das Team in ihrer Prioritätenliste weit nach unten.<br />
Wenn über das Team geredet wurde, so schwangen<br />
implizit immer Sätze mit wie: „Das wird nie etwas werden.“<br />
Oder „Sich hier zu engagieren, bringt nur Nachteile.“<br />
Insgesamt entwickelte sich einer negative <strong>Teamkultur</strong>.<br />
Gegenseitige Beschuldigungen, Suche nach Sündenbökken<br />
und Arbeitsverweigerung prägten eine stark kontraproduktive<br />
Arbeitsmoral. <strong>Die</strong>se Anfangsmythen der<br />
Unsicherheit, Unklarheit und Instabilität, die durch das<br />
Weglassen der Auftragsklärung ausgelöst wurden, schufen<br />
nicht die Atmosphäre, in der Kreativität und Zusammenhalt<br />
im Team möglich ist.<br />
<strong>Die</strong> Teammitglieder sind zu gleichen Teilen Auftraggeber<br />
und Teamchefs<br />
Durch die Arbeit in einem gemeinsamen Projekt hatten<br />
einige externe Trainer viele Erfahrungen gesammelt. Bei<br />
einigen <strong>von</strong> ihnen entstand die Idee, diese Erfahrungen<br />
in Form eines Buches für sich zu reflektieren und der<br />
Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Sie trafen sich für<br />
ein Meeting, um die Grundzüge des gemeinsamen Vorhabens<br />
zu klären.<br />
<strong>Die</strong>ses Team hat sich selbst mit einer Aufgabe beauftragt.<br />
Es gibt also auch hier, wie im vorherigen Beispiel<br />
keinen formellen externen Auftraggeber. Viele solcher<br />
Projekte, bei denen Qualität, Deadlines etc. nicht vorhanden<br />
sind, neigen dazu im Sande zu verlaufen. Dennoch<br />
war diese Projekt erfolgreich. Warum<br />
In der Auftragssituation verpflichten sich die Beteiligten<br />
Personen einander. Sie verhandeln ihre jeweiligen<br />
Einsätze und Profite. Teams, in denen die Beteiligten<br />
nicht einen direkten, möglichst messbaren und kalkulierbaren<br />
Nutzen für sich sehen, neigen zu Scheitern.<br />
<strong>Die</strong>ses Team jedoch hat es fertiggebracht, so einen<br />
Nutzen zu definieren.<br />
Zunächst wurde definiert wer alles zum Team (also zu<br />
den Herausgebern des Buches) gehören soll. Nicht alle,<br />
die beim ersten Meeting anwesend waren, waren direkt<br />
an jenem Projekt beteiligt, in dem die anderen ihre Erfahrungen<br />
gesammelt hatten. Deswegen konnte man<br />
auch <strong>von</strong> einem neuen Team sprechen (auch war die Beauftragung<br />
ja eine neue). <strong>Die</strong> Klärung der Frage, welche<br />
Personen nun dieses neue Team ausmachte, dauerte<br />
einige Stunden, denn alle nahmen dieses Thema sehr<br />
wichtig.<br />
In den nächsten Meetings wurden Rollen verteilt und<br />
Aufgaben vergeben. Einer war zuständig für den Kontakt<br />
zum Verleger, ein anderer übernahm die Protokollierung<br />
der Meetings, ein dritter sammelte Beiträge und<br />
so weiter.<br />
Analysiert man das Entstehen dieser <strong>Teamkultur</strong> anhand<br />
der drei Ebenen, so sieht man schnell Unterschiedliches:<br />
Auf der Ebene der Handlungen und Ereignisse findet<br />
man Meetings, Wortbeiträge, Telefonate und Kontakte<br />
mit dem Umfeld des Teams. Es werden Flip-Chart-Blätter<br />
vollgeschrieben und Protokolle erstellt. Es wird viel<br />
gelacht und guter Wein getrunken. <strong>Die</strong> Teilnehmer verbringen<br />
Zeit miteinander, jedoch nicht immer nur mit<br />
Gesprächen, die auf das Thema fokussiert sind, sondern<br />
auch mit Gesprächen über die Branche, Austausch über<br />
die Arbeit etc.<br />
Auf der zweiten Ebene werden Pläne geschmiedet. Gemeinsam<br />
werden Kriterien dafür festgelegt, welche Verleger<br />
angesprochen werden sollen. Dann bietet sich einer<br />
an, den Kontakt zum Verleger zu übernehmen. Ein<br />
zweiter bietet sich an, ein Projektmanagement-Meeting<br />
zu moderieren. Insgesamt bildet sich ein Muster heraus,<br />
wie Aufgaben verteilt werden: Notwendige Aufgaben<br />
und mögliche Aufgaben werden genannt. Bald erklärt<br />
sich jemand bereit, die entsprechende Aufgabe zu übernehmen.<br />
Auch die einzelnen Teilnehmer haben Strategien,<br />
die jedoch dem Gesamtteam zugute kommen. Jeder<br />
sucht seinen Nutzen in diesem Projekt: Austausch und<br />
Kontakt zu kompetenten Kollegen aus der Branche, Informationen<br />
über neueste Projekte und ausmachen <strong>von</strong><br />
Kooperationsmöglichkeiten in anderen Projekten, Gewinn<br />
<strong>von</strong> gutem Ansehen bei möglichen Kunden durch<br />
die Mitarbeit am Buch und vielleicht noch anderes.<br />
Auf der dritten Ebene fragen wir nach der Grundeinstellung<br />
der Teammitglieder. Zum einen herrscht großes<br />
Vertrauen in die anderen Teammitglieder, die man<br />
zum Teil aus dem gemeinsamen Projekt davor, aber doch<br />
zumindest aus Erzählungen kennt. Werte wie gegenseitige<br />
Anerkennung, Offenheit, Nutzenorientierung, Zielorientierung<br />
und gegenseitige Achtung prägen ein gutes<br />
Arbeitsklima. Alle sehen sich als Professionisten, die<br />
schon einen Ruf als verlässliche, kompetente und effiziente<br />
Trainer erworben haben. Zugleich wissen aber auch<br />
alle, dass sie sich vor den anderen nicht mehr unbedingt<br />
profilieren müssen, denn man kennt die gute Arbeit der<br />
anderen schon. All diese Werte, die die einzelnen mit<br />
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einbringen gestalten die komplexe wechselseitige<br />
Vertragssituation und legen die Standards für die<br />
Entwicklung der <strong>Teamkultur</strong> fest. Auftraggeber ist nicht<br />
eine bestimmte Person sondern das Team als – soziologisch<br />
gesprochen – verallgemeinertes Teammitglied.<br />
Conclusio<br />
Welche Schlüsse lassen sich nun aus den beiden Beispielen<br />
ziehen: Teams sollten auch mit den Augen des Kulturforschers<br />
beobachtet werden. Fragen Sie nach den formellen<br />
und informellen Rollen der Teammitglieder. Nehmen<br />
Sie sich vor allem am Anfang Zeit für die Beobachtung<br />
der Entwicklung der <strong>Teamkultur</strong>. Bei Bedarf ist es<br />
zu diesem Zeitpunkt noch am leichtesten steuernd auf<br />
diese Entwicklung einzuwirken. Achten Sie darauf, was<br />
sie am Anfang tun, es könnte zum Mythos für das Team<br />
werden. Lernen Sie, welche Sprache im Team gesprochen<br />
wird.<br />
Beobachten Sie die Rituale der Teammitglieder und hinterfragen<br />
Sie deren Funktion. Achten Sie darauf, wie sich<br />
das Team nach außen abgrenzt. Was wird als Maßstab<br />
dafür herangezogen, wer zum Team gehört (oder gehören<br />
darf) und wer nicht Erforschen Sie auch sich selbst<br />
als Teil (oder als Umwelt) des Teams. Wie fühlen Sie<br />
sich, wenn Sie mit Teammitglieder interagieren. Welche<br />
Ihrer Verhaltensweisen kommen gut an und welche<br />
stellen eine Regelverletzung dar (und sei es nur eine<br />
implizite Regel).<br />
Begeben Sie sich auf eine ethnologische Forschungsreise<br />
in die <strong>Teamkultur</strong> so wird die eingangs gestellte Frage<br />
wie sich <strong>Teamkultur</strong> entwickelt immer mehr zu einer<br />
anderen: „Welche <strong>Teamkultur</strong> wollen wir uns geben“<br />
Literatur<br />
Blumer, Herbert. Symbolic Interactionism. Perspective and Method. Berkeley, Cal. et. al. 1986.<br />
Kolbeck, Christoph und Nicolai, Alexander. Von der Organisation der Kultur zur Kultur der Organisation. Kritische Perspektiven<br />
eines neueren systemtheoretischen Modells. Marburg 1996.<br />
Luhmann, Niklas. Organisation und Entscheidung. Wiesbaden 2000.<br />
Schreyögg, Georg. Organisation. Grundlagen moderner Organisationsgestaltung. Mit Fallstudien. Wiesbaden 1999.<br />
Simon, Fritz. Radikale Marktwirtschaft. Grundlagen des systemischen Managements. 3. Aufl. Heidelberg 1998.<br />
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