PDF (550 KB) - kunst verlassen
PDF (550 KB) - kunst verlassen
PDF (550 KB) - kunst verlassen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Vom Flaschentrockner zur Imbißbude<br />
Anmerkungen<br />
ford Towers oder im Märkischen Viertel in Berlin nach ihrer Alltagswelt<br />
und ihren Sehnsüchten befragt, werden ihre Begegnung<br />
mit Willats sicher nicht reduktionistisch als Kunst einordnen,<br />
sondern narrative Muster bilden, Erfindungen des Erlebten.<br />
Gleichzeitig verändert sich der Begriff der Öffentlichkeit. Die<br />
künstlerische Arbeit wird zwar dokumentiert, oft durch gewitzte<br />
PR exzessiv mediengestützt, es wird also eine Öffentlichkeit geradezu<br />
synthetisch hergestellt, gleichzeitig aber ist das, was vor Ort<br />
passiert – unwiederholbar, eine Versuchsanordnung mit lebenden<br />
Objekten – oft fast privatistisch auf projektbezogene „Zielgruppen“<br />
begrenzt. Das unterscheidet die heutigen Aktionen von den<br />
Happenings der fünfziger und sechziger Jahre, die sich vor allem<br />
an routinierte Kunstbetrachter wandten. Vostell beispielsweise<br />
karrte ein komplettes Vernissagenpublikum per Bus in einen<br />
Wald. Ende der Vorstellung, Beginn des Diskurses für die, die<br />
sich für diese Kunst als Kunst interessierten und die Frage stellten:<br />
Ist das noch Kunst Was ist Kunst<br />
Die Irritationen aber, die mit den heutigen Kompetenzerweiterungen<br />
einhergehen, beruhen weniger auf essentialistischen<br />
Fragen nach dem Wesen von Kunst, als auf der Krise ihrer Interpretierbarkeit.<br />
Das Ende der Ausdrucksfähigkeit von Kunstwerken,<br />
das Adorno als substantielle Krise der Nach-Moderne<br />
ausmachte, ist gleichzeitig die Krise einer Kunstreflexion, die auf<br />
Decodierung von Sinn aus war – als Erbe einer von Hegel sich<br />
herleitenden Ästhetik, die den Geist, der ins Kunstwerk „hineingelegt“<br />
war, reflektierend wieder „herausarbeiten“ wollte.<br />
Mit der Auflösung des alten dichotomischen Modells – hier<br />
die Empirie, dort die Kunst, die mit ästhetischen Mitteln eine<br />
über Empirie hinausweisende Erkenntnisfunktion verwirklichte<br />
– löst sich auch die erkenntnistheoretische Position des<br />
Betrachters auf, der nicht mehr von sich und seiner Lebenswelt<br />
zugunsten einer „Ideenwelt“ absehen kann. Die Vorstellung<br />
eines komplementären Verhältnisses von Kunst und Kommentar,<br />
wie sie noch in Adornos Ästhetischer Theorie behauptet wird,<br />
löst sich zunehmend auf. Viele Kunstgenres heute scheinen sich<br />
175