PDF (550 KB) - kunst verlassen
PDF (550 KB) - kunst verlassen
PDF (550 KB) - kunst verlassen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Vom Flaschentrockner zur Imbißbude<br />
Anmerkungen<br />
dig dominiert: in den Gebrauchsgegenständen, von der Teetasse<br />
bis zur Newsshow. Statt Produktaufforderungen wie „kauf’<br />
mich“ wird das Enigmatische, Vieldeutige wahrgenommen. Das<br />
ästhetische Format erzeugt Relevanz; deshalb sind etwa die Werbetrailer<br />
von M T V nicht Unterbrechungen, sondern zentraler<br />
Bestandteil des Programms.<br />
Die Analyse isolierter Gegenstände und Artefakte erweist<br />
sich unter diesen Vorzeichen als obsolet. Aufschluß gibt die<br />
Betrachtung des Kontextes, der die Rezeption festlegt. Dieser<br />
Kontext ist plural und fächert sich immer weiter auf, selbst dort,<br />
wo Funktionen und Gebräuchlichkeiten keiner weiteren Frage<br />
zu unterliegen scheinen. Mit der Ästhetisierung der Alltagskultur<br />
geht ein Hang einher, eigene Rezeptionskontexte zu schaffen.<br />
Der heimische Fernseher beispielsweise liefert zwar vordergründig<br />
unterschiedslos jedem, der ihn einschaltet, die gängigen Amalgame<br />
aus Unterhaltung und Information als die unendlich reproduzierte<br />
Wiederkehr des Immergleichen. Decodiert aber werden<br />
die Programme völlig unterschiedlich: Der eine sieht die Daily<br />
Soap, weil die Protagonisten so hip gekleidet sind und er daraufhin<br />
eigene Kaufentscheidungen treffen kann, der andere amüsiert<br />
sich über den Primitivismus der Machart, der dritte hat den Fernseher<br />
möglicherweise in seine Wohnung integriert als gerahmtes<br />
sich bewegendes Bild, das den Hirsch in Öl ablöst, ein Decorum,<br />
ganz gleich, welches Programm gerade läuft.<br />
Die Verlagerung des Focus vom Objekt auf den Kontext ist<br />
ein Prinzip, als dessen Pionier Marcel Duchamp gelten kann.<br />
Urbild der produktiven Irritation ist das Verhalten zum Duchampschen<br />
Readymade, das geheimnislos ist, was den Gegenstand<br />
betrifft, dessen Bedeutungen sich aber durch den Kontext vervielfältigen.<br />
Verflüchtigt hat sich allein die provokative Kraft der<br />
Geste, ein objet trouvé in den Kontext Kunst zu rücken. Diese<br />
Strategie gehört heute zum Inventar der Moderne und Nachmoderne,<br />
ein Klassiker für Museen. Lernen aber läßt sich daraus, wie<br />
Kontexte hergestellt werden. Duchamp tat das für den Betrachter,<br />
indem er seinen Flaschentrockner in die Galerie und in das<br />
179