PDF (2,8 MB) - kunst verlassen
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Kunst & Interkontextualität
Kunst & Interkontextualität<br />
Materialien zum Symposium schau-vogel-schau<br />
Herausgegeben von Marcel Bühler und Alexander Koch<br />
Salon Verlag
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme<br />
Kunst & Interkontextualität:<br />
Materialien zum Symposium schau-vogel-schau /<br />
mit Beitr. von Jean-Christophe Ammann …<br />
Hrsg. von Marcel Bühler und Alexander Koch. – Köln :<br />
Salon-Verl., 2001<br />
ISBN 3-89770-119-7<br />
© 2001 Kunstverein ]postvacuum[ Leipzig e. V.<br />
Alle Rechte an den Texten liegen bei den Autoren<br />
Eine Publikation des Kunstvereins ]postvacuum[ Leipzig e. V.<br />
im Salon Verlag, Köln (www.salon-verlag.de)<br />
Herausgegeben von Marcel Bühler und Alexander Koch<br />
Layout und Satz: Claudia Heckel<br />
Druck: Messedruck Leipzig GmbH<br />
Verarbeitung: Kunst- und Verlagsbuchbinderei Leipzig GmbH
Inhalt<br />
M A R C E L B Ü H L E R / A L E X A N D E R K O C H . . . . . . . . . . . . . . . . 009<br />
Vorwort<br />
A L E X A N D E R K O C H . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 019<br />
In den Falten der Kunst<br />
Eröffnungsrede<br />
H A N S D I E T E R H U B E R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 029<br />
Interkontextualität und künstlerische Kompetenz<br />
Plamen Dejanov und Swetlana Heger<br />
D I E T M A R K A M P E R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 049<br />
Kunst jenseits der Kompetenz<br />
Erste Podiumsdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 056<br />
mit Stephan Schmidt-Wulffen,<br />
Hans Dieter Huber und Dietmar Kamper<br />
B E T T I N A A L L A M O D A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 071<br />
Architec-Skulptur or Urban Landart<br />
J E A N - C H R I S T O P H E A M M A N N . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 097<br />
Der 6. Kondratieff und die Kunst<br />
H O R S T P R E H N . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113<br />
Zwischen Empfindung und Bedeutung<br />
S T E P H A N S C H M I D T- W U L F F E N . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163<br />
Einführende Zusammenfassung des ersten<br />
Symposiumstages
Inhalt<br />
C H R I S T I N E E I C H E L . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173<br />
Vom Flaschentrockner zur Imbißbude –<br />
künstlerische Strategien in der Ornamentalen Kultur<br />
O L A F N I C O L A I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197<br />
Gläserne Räume (Eine Skizze)<br />
Zweite Podiumsdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210<br />
mit Stephan Schmidt-Wulffen,<br />
Olaf Nicolai und Christine Eichel<br />
C H R I S T I A N J A N E C K E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225<br />
Service-Kunst.<br />
Nutzungsangebote in Projekten der Gegenwarts<strong>kunst</strong><br />
zwischen Bild und Vorgeblichkeit<br />
K N O W B O T I C R E S E A R C H ( K R + c F ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303<br />
Für eine künstlerische Praxis mit Medien<br />
Material aus Kollaborationen zwischen Hans Ulrich Reck,<br />
Siegfried Zielinski und Knowbotic Research<br />
Schlußpodiumsdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322<br />
mit Stephan Schmidt-Wulffen, Christian Janecke,<br />
Christian Hübler und Olaf Nicolai<br />
M A R C E L B Ü H L E R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341<br />
Selbstkonstruktion<br />
Ein utopischer Versuch<br />
Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364
224
C H R I S T I A N J A N E C K E<br />
Service-Kunst.<br />
Nutzungsangebote in Projekten der Gegenwarts<strong>kunst</strong><br />
zwischen Bild und Vorgeblichkeit<br />
Das Thema und seine Entwicklung<br />
Gegenstand der vorliegenden Studie 1 ist eine Perspektive auf<br />
Service-Kunst, derzufolge der eigentliche Dienstleistungsgedanke<br />
gelungenenfalls zurücktritt hinter ein Bild bzw. eine darstellende<br />
Verkörperung von Dienstleistung. Diese Perspektive widerspricht<br />
dem Grundtenor der mit Service-Kunst und dem näheren Umfeld<br />
beschäftigten Kunstkritik in wenigstens zwei Hinsichten:<br />
Erstens wird die – auch von Künstlern – programmatisch vorgetragene<br />
Praxisrelevanz und z. T. sogar jegliche über Betrachtung<br />
hinausgehende „Benutzungsnotwendigkeit“ der diversen<br />
Angebote in Frage gestellt.<br />
Zweitens wird genau dies zunächst nicht als Mangel, (also als<br />
zu dürftiger Aktivismus oder als bloßes Kokettieren mit neuerlich<br />
wieder hoch im Kurs stehendem sozialen Engagement), sondern<br />
als u. U. ästhetisch anspruchsvolle Herausforderung zu veränderten,<br />
namentlich das Theatrale rehabilitierenden Rezeptionsweisen<br />
begriffen.<br />
1 Die vorliegende überarbeitete und erweiterte Fassung des Vortrags<br />
„Wadenwaschmaschine. Zur Vermeintlichkeit der Benutzungsaufforderung<br />
in Produkten und Projekten der Gegenwarts<strong>kunst</strong>“ wurde 1998<br />
abgeschlossen, im wesentlichen wurden nur wenige Angaben (meist zur<br />
Literatur) für den Zeitraum bis 2000 ergänzt. (Vortrag für: „schau–vogel<br />
–schau. Das Symposium über interkontextuelle künstlerische Kompetenz“,<br />
Alte Handelsbörse Leipzig, 16./17. Oktober 1998. An der HfBK<br />
Dresden nahm ich im Wintersemester 1998/99 die Gelegenheit wahr,<br />
in einer Kooperation von Kunsthistoriker und Künstler gemeinsam mit<br />
Prof. Eberhard Bosslet eine Lehrveranstaltung zum Thema „Service-<br />
Kunst“ anzubieten, die neben systematischen Fragestellungen und verschiedenen<br />
monographischen Anwendungsbeispielen auch Präsentationen<br />
und Originalbeiträge einzelner, als Gäste geladener KünstlerInnen<br />
ermöglichte. Eberhard Bosslet, Marcus Janßen, den KünstlerInnen,<br />
insbesondere Lisa Junghanß und Martin Eder sowie den Studierenden<br />
verdanke ich Anregung und Kritik. Herrn Prof. Dr. Bernhard Kerber<br />
(Berlin) danke ich für einige Hinweise und Gespräche.<br />
Anmerkungen<br />
225
226<br />
Anmerkungen Christian Janecke<br />
Einschränkend für den Gegenstandsbereich der Untersuchung<br />
gilt, daß sie sich schon der Fragestellung nach weniger<br />
auf jene verschiedentlich auch unter dem Namen „Services“ 2<br />
kursierenden Aktivitäten bezieht, die sich vornehmlich als postwendend<br />
schriftlich dokumentierte Thematisierung der Verhältnisse<br />
von Kuratoren, Rezipienten, Künstlern und Auftraggebern<br />
untereinander ergeben und als Kunstbetriebshygiene folglich<br />
mehr zu lesen als zu sehen anbieten, sondern eher auf das überwiegende<br />
Spektrum derjenigen Service-Kunst, die weniger von<br />
Diskussionsforen, als vielmehr entschieden von KünstlerInnen<br />
ausgeht und die im Arrangement ihres Service auf anschaulich<br />
originäre Formen zurückgreift. (Was nicht bedeutet, daß eine<br />
Übertragbarkeit der Ergebnisse in jedem Fall ausgeschlossen werden<br />
muß.)<br />
Zum Einstieg wird „Chindogu“, von dem<br />
ich in zwei Worten wirklich nicht sagen sollte, um was es sich<br />
handelt, mit pseudobenutzbaren Objekten der Gegenwarts<strong>kunst</strong><br />
verglichen, denn deren Produkte sind den Projekten der Service-<br />
Kunst wenigstens unter der Hinsicht ähnlich, die untersucht wird.<br />
Im weiteren werden sie dann aber vernachlässigt, obwohl sie eine<br />
eigene Studie wert wären.<br />
Es werden zentrale <strong>kunst</strong>historische Problemstellungen in Vorläuferformen<br />
herausgearbeitet und das gegenwärtige <strong>kunst</strong>kritische<br />
Spektrum zur Service-Kunst erörtert, um die eigene Perspektive<br />
nicht völlig losgelöst von diesem Hintergrund vorzustellen – und<br />
natürlich, um sie in Auseinandersetzung mit den einschlägigen<br />
Positionen diskutieren und plausibilisieren zu können.<br />
Im Zentrum der Untersuchung steht meine oben angedeutete<br />
Perspektive auf Service-Kunst, ihr Bezug auf Bildlichkeit, auf<br />
Theatralität, auf die Implikationen dessen, was ich als „Vorgeblichkeit“<br />
begreife, sowie ein Seitenblick auf Performance und auf<br />
2 Vgl. hierzu die Beiträge von Helmut Draxler, Andrea Fraser u.a. in<br />
„Games, Fights, Collaborations. Das Spiel von Grenze und Überschreitung.<br />
Kunst und Cultural Studies in den 90er Jahren“, hg. v. Beatrice<br />
von Bismarck/u.a., (Kunstraum der Universität Lüneburg), 1. Aufl. Stuttgart<br />
1996.
Service-Kunst Anmerkungen<br />
Schlingensief.<br />
Ein nachfolgender Abschnitt ist dem Phänomen der Partikularisierung<br />
– und zwar für die Produktion wie für die Rezeption<br />
von Service-Kunst – gewidmet, das sich argumentativ mit der<br />
Hauptthese verknüpfen läßt.<br />
Abschließend führe ich letztere ihrerseits nochmal an einige<br />
ältere <strong>kunst</strong>wissenschaftliche Begriffe und Kategorien zurück, die<br />
sich bezüglich der Service-Kunst als aktuell erweisen könnten.<br />
In einer Art Nachschrift spitze ich meine Deutung der „Service-Kunst<br />
als Aufführung“ noch auf das Tableau-vivant-hafte zu.<br />
Herausforderung: Chindogu<br />
Der Beipackzettel zu dem Multiple „Bausatz ‚Lebende Bombe‘“<br />
, das der Dresdner Künstler Roland Boden schuf, verspricht<br />
„auch in bescheideneren finanziellen Verhältnissen […]<br />
durchschlagenden Erfolg“. Das in durchsichtige Folie geschweißte<br />
Multiple selbst enthält nur den unter „1“ illustrierten Gurt.<br />
Die Gebrauchsanweisung ist instruktiv und humorvoll formuliert:<br />
„Bedenken Sie, daß der Bausatz zum einmaligen Gebrauch<br />
bestimmt ist“.<br />
Der zum Vergleich herangezogene Artikel ist ausdrücklich<br />
kein Produkt der Gegenwarts<strong>kunst</strong>, tritt jedenfalls nicht mit diesem<br />
Anspruch auf. Mit den Attributen: „preiswert, ökologisch und<br />
gesund“ charakterisiert der namentlich nicht genannte Erfinder<br />
die Vorzüge seiner „Wadenwaschmaschine“ , abgebildet und beschrieben<br />
in der jüngst bei Dumont auf deutsch herausgegebenen<br />
Anthologie: „Chindogu“ von Kenji Kawakami3 1<br />
1 � 278<br />
2<br />
2 � 279<br />
.<br />
Aus der Beschreibung: „Wie funktioniert eine Waschmaschine?<br />
Wasser, Waschmittel, schmutzige Wäsche, dann das Ganze<br />
hin- und herschaukeln, mehr ist es im Prinzip nicht. […] Mit<br />
unserer Wadenwaschmaschine sparen Sie Strom, Wasser, Waschmittel<br />
– und sind dabei immer in Bewegung! Stellen Sie sich nur<br />
3 Kenji Kawakami: „Chindogu oder 99 (un) sinnige Erfindungen“,<br />
übers. v. Anita Brockmann, deutsche Bearbeitung von Thomas Hauffe,<br />
Köln 1997, Abb. und Text unter Nr. 19 (o. S.)<br />
227
228<br />
Anmerkungen Christian Janecke<br />
3 � 280<br />
4 � 281<br />
5 � 282<br />
einmal vor, Ihr Mann trainiert […] für den nächsten Marathon<br />
– bei der Kapazität können Sie Ihre Waschmaschine schon fast<br />
gewerblich nutzen!“ 4<br />
In beiden Beispielen haben wir Produkte,<br />
oder genauer gesagt, zusammengebastelte Prototypen vor uns,<br />
die eine spätere Massenanfertigung, ja sogar eine für heutige<br />
industrielle Produkte typisch adressatenspezifische Diversifikation<br />
des Angebotes projektieren. Um ganz präzise zu sein, müßte<br />
man allerdings einräumen, daß diese Projektierung nur gemimt<br />
wird, denn es steht außer Frage, daß in beiden Fällen eine Produktion<br />
bzw. ein Einsatz zwar denkbar, aber kaum wünschbar bzw.<br />
schwer machbar wäre.<br />
Dazu fügt sich beide Male der anpreisende oder instruierende<br />
Text, der ebensoviel vom schon etwas in die Tage gekommenen<br />
Aufforderungstonfall der Konzept<strong>kunst</strong> wie auch von Reklame<br />
oder Gebrauchsanweisung in sich trägt.<br />
„Chindogu“ 5 bedeutet so viel wie „merkwürdiges<br />
Werkzeug“ oder „seltsame Gerätschaft“, und dahinter verbirgt<br />
sich ein ganzer Haufen ebenso origineller wie unausgegorener<br />
Ideen für Produkte, die eigentlich niemand 3 braucht – aber brauchen<br />
4 könnte: vom tragbaren Zebrastreifen über Lippenstempel<br />
(für eilige Schönheiten) und künstliche 5<br />
Daumennägel (für Kauwütige)<br />
bis hin zum Baby-Wischmop , den man seinem Jüngsten<br />
als Kleidung verpassen kann – krabbelnd soll sich der Nachwuchs<br />
nolens volens nützlich machen.<br />
Unterhaltsam ist Chindogu, weil es Lösungen für bisweilen<br />
nichtexistente Probleme anbietet, weil technische Kohärenz und<br />
denkbare Benutzbarkeit durch den Unernst der Angelegenheit<br />
nicht geschmälert werden – darin steht es dem Spiel recht nahe.<br />
Der Aufsatztitel versprach aber nicht eine<br />
Untersuchung von Produkten, sondern ausdrücklich von Projek-<br />
4 ebd.<br />
5 Das Wort „Chindogu“ bezeichnet in deutscher Verwendung sowohl<br />
Singular als auch Plural einzelner solcher Erfindungen und als Gattungsbegriff<br />
zugleich das Ganze der Aktivitäten. Dies erlaubt freiere<br />
präpositionale Einbettung im weiteren Text.
Service-Kunst Anmerkungen<br />
ten der Gegenwarts<strong>kunst</strong>. Hier klingt an, was seit Anfang/Mitte<br />
der 90er Jahre als „Service-Kunst“ die Runde machte: in ambitionierten<br />
Ausstellungen, später – und mittlerweile abklingend<br />
– als Modewelle und manchmal entkoppelt von sozialen und<br />
(<strong>kunst</strong>-) historischen Bezügen. 6<br />
Der Zusammenhang zwischen vermeintlicher Benutzungsaufforderung<br />
in Produkten und Projekten der Gegenwarts<strong>kunst</strong><br />
ist jedoch offensichtlich, jedenfalls innerhalb einer weitläufigen<br />
6 Die Nennung monographischer Literatur wäre uferlos, sie erschließt<br />
sich einfach aus den im folgenden genannten Publikationen: Einen<br />
späten und leichtfüßigen Überblick gibt der Artikel: „Bitte sehr, bitte<br />
gleich. Kunst als Dienstleistung“, von Alfred Nemeczek in „ART“<br />
(5/1998), S. 26 – 37. 1995 fand in München (Kunsthalle/Hypo-Kulturstiftg.)<br />
die Ausstellung „Kunst als Dienstleistung“ statt; im Kunstraum<br />
Lüneburg: „Services. Bedingungen und Verhältnisse projektorientierter<br />
Praktiken“ (22. – 23. 4. 1994). Siehe hierzu auch: „Games, Fights, Collaborations“,<br />
(s. o.). Manche Beispiele im Einzugsgebiet des Themas<br />
finden sich in jüngeren, periodischen Großausstellungen: Skulptur.Projekte<br />
Münster, Biennale Venedig, Documenta Kassel, Whitney-Biennale<br />
New York (1993); Spezielleres in: „Surfing Systems“ (Kasseler Kunstverein<br />
1996), „Lost Paradise. Positionen der 90er Jahre“ (hg. v. Barabara<br />
Steiner), Stuttgart 1995, „ONTOM“ (Leipzig, Galerie für Zeitgenössische<br />
Kunst, 1998). Substantiell, aber nicht im engeren Sinne auf Service-Kunst<br />
versiert, die von Nina Felshin herausgegebene Anthologie:<br />
„But is it art? The spirit of Art as Activism“, Seattle, Washington 1995,<br />
sowie stellenweise Marius Babias’ Sammelband: „Im Zentrum der Peripherie.<br />
Kunstvermittlung und Vermittlungs<strong>kunst</strong> in den 90er Jahren“,<br />
Dresden/Basel 1995 (Fundus-Bücher), neuerdings: „Öffentlicher Raum<br />
Salzburg Lehen“, hg. v. Helmut Draxler, (zugleich Ausstellg. im Kunstverein<br />
Salzburg/u. a., 25. 4. – 24. 5. 98), München 1998. Bezüglich der<br />
Haltung des Museums zu der Frage, ob es Service-Kunst beherbergen<br />
könne und solle, bzw. ob dann „Vereinnahmung“ solcher Ansätze drohe<br />
oder aber das Museum sich seinerseits ernsthaft wandeln könne, lese<br />
man Beatrice von Bismarck: „Ort des Handelns, Handels und Verhandelns.<br />
Funktionale Bestimmungen des Museums in den 90er Jahren“,<br />
in: „OUMERT 3“, publiziert anläßlich der Ausstellung von Fabrice<br />
Hybert: „TESTOO‚ MUSTER“ der Galerie für Zeitgenössische Kunst<br />
Leipzig (1997), sowie Kunstraum der Universität Lüneburg (1995/96),<br />
S. 161 – 167.<br />
Vom Verfasser stammen folgende Aufsätze und kleinere Texte zum<br />
Thema: „Inszeniertes Als-ob“, in: „The Thing between“, Katalog zur<br />
Ausstellung in den Technischen Sammlungen Dresden, (hg. v. Roland<br />
Boden u. Ulrike Gärtner), S. 25-36, Dresden 1996; „Dienstleistungstheater.<br />
Schlingensief grüßt die Service-Kunst“, in „Theater“ März 1999<br />
/Heft 1, S. 31 – 36; „Zeitgenössische Bezüge zu Material u. Wirkung“,<br />
229
230<br />
8� 286<br />
9� 287<br />
10� 288<br />
In: „Material & Wirkung. Eberhard Bosslet, Werner Klotz, Otmar Sattel“,<br />
Katalog zur Ausstellung im Kunsthaus Dresden/Städtische Galerie<br />
für Gegenwarts<strong>kunst</strong>, 18. 7. – 13. 9. 1998, S. 14 – 33, bes. S. 26 ff. (hier<br />
Bezug des Ansatzes von M. & W. aus den 80ern zur zeitgenössischen<br />
Service-Kunst); „Service-Kunst-Geschichte“, in „beschreiben – zum<br />
beispiel eine <strong>kunst</strong>hochschule“, Jahrbuch 3 der Hochschule für Bildende<br />
Künste Braunschweig (Hg. M. Schwarz), Braunschweig/Köln 1999,<br />
S. 173 – 178; „Reinigungsgesellschaft“, in „German Open 1999 – Gegenwarts<strong>kunst</strong><br />
in Deutschland“, Kat. Kunstmuseum Wolfsburg, 13. 11.<br />
1999-26. 3. 2000, Ostfildern Ruit 2000, o. S. (monographischer Beitrag).<br />
7 Diese Arbeit von Adam Page war auf einem Zipfel des Platzes vor dem<br />
Fridericianum anläßlich der Documenta X in Kassel zu betrachten bzw.<br />
zu nutzen; später unter anderem zur Ausstellung ONTOM (Leipzig).<br />
8 Hyberts Produktprototypen, sogenannte P.O.F.’s ( P.O.F. = Prototypes<br />
d’Objet en Fonctionnement) reizen zur Benutzung – z. T. sind<br />
sie Chindogu wirklich ähnlich, etwa im Falle von „Kitzeln“, Lärmschutzkopfhörern,<br />
deren Muscheln von Q-Tips durchbohrt sind, die<br />
von spielzeugüblichen Stanniolrotorblättern durch Wind in Drehung<br />
versetzt werden und infolgedessen den Benutzer kitzeln können (Nr. 7),<br />
oder im Falle der im Gehen aufblasbaren Beinkleidung (Nr. 51). (Zahlreiche<br />
ähnliche Beispiele mit Legende ab S. 112 ff.). Der Tabubruch<br />
gegen Konventionen des musealen Raumes – die ganze Ausstellung wird<br />
Museumsshop – wird durch den Service von Verkauf und Kauf erst<br />
aktuell. Vgl.: „OUMEURT“ N°. 3, (o. S.).<br />
9 Die 1996/97 entstandenen „A-Z Escape Vehicles“ (z. B. auf der<br />
Documenta X, Kassel) miniaturisieren die klassische Campingwagenform<br />
und bieten dem Sammler die Möglichkeit, das Innere und den Einstiegsbereich<br />
individuell auszustatten. Zu J. van Lieshout vgl.: „Atelier<br />
Joep van Lieshout. Ein Handbuch“, Ausstellungkat. Kölnischer Kunstverein/Museum<br />
Boymans van Beuningen, Ostfildern (Cantz) 1997.<br />
Christian Janecke<br />
Schnittmenge, etwa wenn Künstler eine selbst gestaltete „Executive-Box“<br />
7 auf Großausstellungen dem interessierten Publikum<br />
zur kommunikativen oder medialen Nutzung bereitstellen, oder<br />
wenn Fabrice Hybert seinen Kunst-Supermarkt („Hybertmarché“)<br />
im Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris plaziert. 8<br />
Der Sprung von einem vermeintlich nutzbaren Campingvehikel-Objekt<br />
von Andrea Zittel oder besser noch: den Polyester-<br />
Kabinen Joep van Lieshouts9 6<br />
7<br />
6� 284<br />
8<br />
9<br />
als Produkten, hin zu Projekten,<br />
nämlich dem Offerieren dieser Produkte – welches dann den<br />
Kunstanspruch begründet – ist nicht groß, manchmal sind die<br />
Grenzen fließend.<br />
7� 285<br />
Übrigens auch beim 10 Chindogu: Beispielswei-
Service-Kunst Anmerkungen<br />
se hat der „Fahrbare Wäscheständer“ , ersonnen für „die mobile<br />
Gesellschaft des 20. Jahrhunderts“ 10 , strukturelle Ähnlichkeiten<br />
mit Carsten Höllers „Booster“ 11 , einem 1995 für Maastricht<br />
geschaffenen „Bett für Verliebte“; und wenn es sich im Falle des<br />
Chindogu auch nur um ein entworfenes Produkt und noch nicht<br />
um ein Projekt handelt, so wäre es zur Dienstleistung doch nur<br />
ein kleiner Schritt ohne nennenswertes ästhetisches Surplus.<br />
Wie es sich für japanische Künste – oder auch nur modische<br />
Bewegungen – gehört, gibt es beim Chindogu einen Regelkanon,<br />
dessen Schnittstellen zu den ungeschriebenen Regeln des Kunstbetriebes<br />
interessieren dürften: Chindogu sollen dem Laien in<br />
aller Welt verständlich, sie sollen funktional, jedoch ohne praktischen<br />
Nutzen sein; sie dürfen nicht zum bloßen Scherzartikel<br />
sinken; sie sollen nicht vermarktet und verkauft werden; ihre<br />
Anarchie soll nur im Respekt vor dem Menschen eine Schranke<br />
finden. Als „anarchisch“ begreift Kawakami die vom Chindogu<br />
initiierte Kritik der Überflußgesellschaft, insofern diese Erfindungen<br />
den hybriden Charakter all unserer technischen Lebenserleichterungen<br />
mittels Übertreibung decouvrieren; zugleich<br />
erhofft er sich (zenbuddhistisch gefärbte) Kontemplation: „Ich<br />
würde mich freuen, wenn Menschen aus aller Welt sich mit entleertem,<br />
jungfräulichem Geist auf der intellektuellen Spielwiese<br />
von Chindogu tummeln würden“. 12<br />
11<br />
11 � 289<br />
Vergleicht man dieses Programm mit den meist ehrgeizig<br />
– und selten so humorvoll wie in den vorgeführten Beispielen<br />
– daherkommenden Ambitionen der Künstler, so stößt man auf<br />
merkwürdige Unstimmigkeiten: Die für das Chindogu reklamierte<br />
Funktionalität bei gleichzeitiger Verweigerung praktischen<br />
Nutzens – man könnte auch noch die Originalität bei<br />
gleichzeitigem Tabu bloßen Scherzens nennen – erinnert doch<br />
wenigstens entfernt an Kants Bestimmung des Schönen als des<br />
10 Kawakami, Nr. 20.<br />
11 „Carsten Höller: Glück/Skop“, Katalog der Teilausstellungen in den<br />
Kunstvereinen Hamburg u. Köln sowie im Centraal Museum Utrecht<br />
(März 1996 – Febr. 1997) u. der Wiener Secession (Mai – Juli 1996),<br />
ersch. Köln 1996, Abb. o. S.<br />
12 Kawakami, Vorwort (o. S.)<br />
231
232<br />
Anmerkungen Christian Janecke<br />
Zweckmäßigen ohne Zweck. Und nimmt man den Regelkanon<br />
in seiner Gänze, so situiert er Chindogu recht genau zwischen<br />
(ästhetischer) Fiktion und (alltagspraktischer) Realität – ohne<br />
hehren Kunstan-spruch wohlgemerkt. Das Paradox ist also, daß<br />
Chindogu freiwillig dem Kunstanspruch entsagt, wiewohl es der<br />
Vielschichtigkeit der Kunst geneigt ist, während besagte Kunstprodukte<br />
und -projekte künstlerisch legitim werden, indem sie<br />
die Kunst zugunsten einer ihrer Komponenten – vielleicht eines<br />
Kontrahenten –, nämlich der Praxisrelevanz, vereinseitigen.<br />
Die Künstler und ihre Vor- und Nachdenker beeilen sich, die<br />
eindeutige Praxisrelevanz13 12 � 290 12<br />
der Dienstleistungen oder Produktprototypen<br />
hervorzuheben, ahnend, daß ihnen nur so die<br />
Aufmerksamkeit einer saturierten Kunstwelt zuteil wird. Das aufgrund<br />
knapper finanzieller und infrastruktureller Ressourcen oft<br />
genug Dilettantische der Ausführung und Planung wird in Distribution<br />
und Verbalanpreisung nach Kräften unterdrückt und<br />
selten von der Not zur Tugend erhoben – die es ästhetisch doch<br />
sein könnte! Aber dazu später. Liest und blättert man in einschlägigen<br />
Publikationen, Broschüren und Katalogen im Umkreis der<br />
Service-Kunst, so erstaunt das angestrengt professionelle Image:<br />
Hartnäckig bekennt man sich zur Praxisrelevanz der eigenen Projekte<br />
und verweist stolz auf jenen Anwohner aus der Nachbarschaft,<br />
der jüngst nachweislich wirklich nur ein Ticket im „Rei-<br />
13 Bezeichnend, daß eine prominente, mit Praxisrelevanz sympathisierende<br />
Autorin wie Isabelle Graw bezüglich der Begriffsverschiebungen<br />
im Bereich „Kunst“ bekennt: „Ein Beispiel der Naturalisierung eines<br />
solchen Vokabulars ist der häufige Gebrauch, auch bei mir selbst, von<br />
‚künstlerische Praxis‘ statt ‚Kunst machen‘ oder ‚Arbeit‘. Künstlerische<br />
Praxis heißt, daß die Kunst nicht an ihren Grenzen endet, sondern eine<br />
Aktivität ist, die auf das Leben einwirkt, daß sie einer Operation ähnelt.“<br />
Redebeitrag zur Podiumsdiskussion: „Kritische Foren: Die Organisation<br />
von Oppositionalität“, in M. Babias: „Im Zentrum der Peripherie“,<br />
S. 151 – 203, zit. S. 158.<br />
14 Jens Haaning richtete in der Galerie Mehdi Chouakri (Berlin/1997)<br />
ein „Reisebüro“ ein. Nicht benutzte Tickets wurden nach dem Verfall<br />
zum Kunstwerk, so daß der bereits im Reisebüro service-künstlerisch<br />
initiierte Wechselbezug von Kunst und Praxis für den Kunden ein weiteres<br />
Mal aktuell wurde: Er entschied, ob ihm eine Reise oder eine Kunstaktie<br />
lieber war. Vgl. „Flash Art“, Bd. 30, Nr. 197, Nov./Dez. 1997,<br />
S. 116 f.
Service-Kunst Anmerkungen<br />
sebüro“ 14 hatte buchen, oder der wirklich nur Spaß hatte haben<br />
wollen. Ästhetisch Unbeleckte, jugendliche Konsum- und Pophedonisten<br />
werden zur gekürten Klientel, weil sie einvernehmlich<br />
jenem Aktivismus der Clubs und Arrangements entsprechen,<br />
deren Tabubrüche gegenüber einem auf Betrachtung und Reflexion<br />
nicht verzichtenden Werkbegriff diese Projekte doch erst<br />
als Innovation innerhalb der Kunst profilierte. Pointiert: Der<br />
progressive Kunstvereinsleiter kann dem neugierig unvoreingenommenen<br />
Betrachtungsnovizen die Hand reichen, die er den<br />
in Bezug auf Kunstkompetenz dazwischen Stehenden verweigern<br />
müßte. 15<br />
Vorläufer. Kunsthistorische Problemstellungen<br />
Was hätte – abgesehen von Kuriosum und Polemik – dafür<br />
sprechen können, mit der Gegenüberstellung von Chindogu und<br />
der humorvollen Fraktion der Als-ob-Kunst bzw. der Service-<br />
Kunst zu beginnen? Der Grund dafür lag in der Bereitung eines<br />
15 Eine groteske Situation, die im Prinzip auch auf dem Leipziger<br />
Symposium „schau-vogel-schau“ zu beobachten war, etwa wenn anläßlich<br />
der Projektvorstellung von „Knowbotic Research“ bestallte Kunstfachleute<br />
mit unbestallten „Gutmenschen“ aus dem Publikum von zwei<br />
Richtungen her, (humanitär hier, <strong>kunst</strong>kritisch emanzipativ dort), in<br />
künstlerischem Sozialeudämonismus konvergierten und ihre anderweitig<br />
verständlichen Diskrepanzen überwinden konnten.<br />
Man unternehme es einmal, Ulf Wuggenigs nach allen Regeln empirischer<br />
Sozialforschung argumentierenden Text über die Akzeptanz von<br />
Fabrice Hyberts Kunst-Supermarkt in verschiedenen – auf Kenntnisse<br />
innerhalb des zeitgenössischen Kunstbetriebs bezogenen – Rezipientenkreisen<br />
gegen den Strich zu bürsten: Aus seinen z. T. paradoxen<br />
Ergebnissen mag sich zwar einerseits eine Bestätigung des von Bourdieu<br />
analysierten „distinguierten Habitus“, sowie auch der hoffnungsfroh zur<br />
Kenntnis genommene Nachweis unvermuteter Öffnung und Akzeptanz<br />
in uneingeweihten Kreisen ableiten lassen, andererseits verfälscht<br />
doch gerade die unfreiwillige Konvergenz der ästhetisch unbedarft<br />
sich über endlich einmal benutz-, betast- und verstehbare Kunstartikel<br />
Freuenden mit den ästhetisch versiert auf Veränderungen im Kunstbetrieb,<br />
auf emanzipative und nicht bloß musealisierende Funktionen des<br />
Museums Hoffenden die Interpretation. Vgl. Ulf Wuggenig: „Stimmen<br />
von Marcel Duchamp und Martin Heidegger, Klänge von John Cage<br />
und Vivaldi [Ergebnisse einer Befragung des Publikums von Fabrice<br />
Hyberts „1–1=2“ im Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris]“, In<br />
„OUMEURT“, S. 139 – 153.<br />
233
234<br />
Anmerkungen Christian Janecke<br />
neutralen Vergleichsfeldes, welches die Frage nach dem Werk als<br />
solchem und nach seiner möglicherweise nur spielerischen Offerte,<br />
also auch nach der Vermeintlichkeit der Benutzungsaufforderung<br />
nicht von vorneherein ausschließt – ein Vergleichsfeld, das aber<br />
unversehens einer einseitigen Auseinandersetzung weicht, sobald<br />
man sich dem kräftig, allerdings monokulturell beackerten <strong>kunst</strong>kritischen<br />
Umfeld der Service-Kunst widmet – was nach einer<br />
Bemerkung zum geistesgeschichtlichen und einem Streifzug zum<br />
<strong>kunst</strong>geschichtlichen Hintergrund getan sei; anschließend werden<br />
die eingangs gesponnenen Fäden wieder aufgegriffen.<br />
Geistesgeschichtlich oder bescheidener: zeitgeistgeschichtlich<br />
betrachtet, führen verschiedene Wege zur Service-Kunst, wobei<br />
ich einschränke, daß das im folgenden Skizzierte eher Hintergrund<br />
für das Umfeld der Service-Kunst, als für diese selbst ist.<br />
Die von Stephan Schmidt-Wulffen 16 für ein Verständnis<br />
des Künstlerisch-Politischen fruchtbar gemachte Foucaultsche<br />
Unterscheidung zwischen dem universellen und dem spezifischen<br />
Intellektuellen wäre zu nennen, und zwar für Künstler der 70er<br />
und der 90er Jahre. Wenn man der Deutlichkeit und Kürze halber<br />
geneigt ist, der dekadentypischen Abrundung zu folgen, so<br />
wäre das Intermezzo der 80er Jahre bezüglich des Mainstream<br />
eher durch entpolitisierende, sinnliche Opulenz, aus der Sicht<br />
der heute erfolgreichen Kuratoren durch restaurative Tendenzen<br />
(Kiefer, Baselitz) gekennzeichnet. Diedrich Diedrichsen 17<br />
rekapituliert die Vorwürfe, die in dieser Zeit zwischen Kunst<br />
und Politik hin und her gingen: „Konsumismus“, später: „Theoriefeindlichkeit“,<br />
skandierte die politische Linke, „Weltfremdheit“,<br />
später: „Ihr labert ja nur“, konterten die Künstler. Dem<br />
stehe, so Diedrichsen, die integrative Re-Politisierung der 90er<br />
16 Stephan Schmidt-Wulffen: „Künstlerisches Handeln und politisches<br />
Selbstverständnis in den 70er und 90er Jahren“, In: „Lost Paradise.<br />
Positionen der 90er“, (zugleich Katalog Kunstraum Wien 1994), hg. v.<br />
Barabara Steiner, Stuttgart 1995, S. 148 – 154, hier S. 148.<br />
17 Diedrich Diedrichsen: „Gefühlte Paprika – Die politische Subjektivität<br />
der Boheme“, in „Texte zur Kunst“ Nr. 11, S. 65 – 79, bes. Abschn.<br />
II., zit. S. 74.
Service-Kunst Anmerkungen<br />
Jahre gegenüber: „Der Feststellung, als Bohemien gemeinsam<br />
mit Linken, Nichtdeutschen und Menschen dunkler Hautfarbe<br />
bedroht zu sein, geht die Universalisierung des Selberdenkens<br />
voraus.“ Der „Selberdenker“ der 90er Jahre modifiziert seinen<br />
„Individualismus im Zuge seiner Re-Universalisierung und<br />
Re-Politisierung: ein bißchen institutionelles, nicht-existentialistisches<br />
Wissen ist schon ganz gut.“ Ohne diese polemischen<br />
Untertöne resümiert Andreas Spiegl 18 : „Die Rückeroberung<br />
eines geschichtlichen Projekts, die sich analog zur Auflösung<br />
des Sowjet-Imperiums entfaltete, war die […] Folge, wenn auch<br />
unter der geänderten Bedingung, daß es sich nun […] um Partikularinteressen<br />
handelte, die zur Disposition gestellt wurden<br />
und werden: Aids, Gender, Diskriminierung von Randgruppen,<br />
ethnischen Minderheiten und Rassen, usw.“ Mag dies auch schon<br />
auf Jan Hoets Documenta 9 zu Anfang der 90er Jahre zum (etwas<br />
verspäteten) Ausdruck gekommen sein, so entpuppte sich dieses<br />
Unterfangen dennoch als vorläufig letzter, großangelegter Versuch,<br />
dies unter den Auspizien der eher klassischen Medien und<br />
des Werks zu demonstrieren. Der zu dieser Zeit bereits unterschwellige<br />
Umbruch, (der sich ja auch als Rückbruch beschreiben<br />
ließe), zu Projekten, Kooperationen, Initiativen, Recherchen und<br />
dergleichen hob danach unmißverständlich an. Hatte „Kunst als<br />
soziales Projekt“ stets weiter stattgefunden, war sie also in den<br />
80er Jahren eben nur an den Rand des Gesichtsfeldes gedrückt<br />
worden, so entstand Service-Kunst als größere Bewegung erst zu<br />
Anfang der 90er Jahre. Die Gründe dafür können daher nicht<br />
nur im besagten künstlerischen Umfeld gesucht werden, sondern<br />
es erscheint plausibel, daß es <strong>kunst</strong>historisch ortbare Entwicklungen<br />
gab, die so etwas wie einen terminus post quem für ein<br />
Aufblühen dieser speziellen Richtung markierten.<br />
Die folgenden <strong>kunst</strong>historischen Betrachtungen<br />
streben verständlicherweise keine lückenlose Herleitung der<br />
Service-Kunst an, erstens läge dies jenseits meiner spezielleren<br />
18 Andreas Spiegl: „Die Kunst im Jurassic Park oder die Ästhetik des<br />
Diskurses“, In: „Lost Paradise“, S. 59 – 65, zit. S. 61.<br />
235
236<br />
Anmerkungen Christian Janecke<br />
Fragestellung, zweitens erscheint mir die angedeutete Suche nach<br />
problemgeschichtlichen Zusammenhängen ertragreicher. Zugunsten<br />
der Übersichtlichkeit und zur besseren Erfassung von z. T.<br />
ineinander übergehenden Entwicklungen halte ich mich an eine<br />
historische Folge.<br />
Zunächst ein Wort zum Situationismus 19 der 50er und 60er<br />
Jahre, der in den 80ern so gut wie vergessen war. Bei oberflächlicher<br />
Betrachtung bieten sich die Arrangements von „Situationen“<br />
dem Vergleich an, interessanter erschiene mir ein Blick auf<br />
das ambivalente Verhältnis zur Popkultur. 20 Die Situationisten<br />
okkupierten die schnelle Verbal- und Bildsprache der Comics,<br />
um sie mittels Verfremdung gegen den als affirmativ und verblendend<br />
erachteten Ungeist hochzivilisierter Gesellschaften zu<br />
richten, dessen – wenn auch nicht ursprünglicher – Ausdruck<br />
diese Comics auch aus Sicht der Situationisten doch größtenteils<br />
waren. Gegen die Aufnahme der Comics in der frühen Pop<br />
Art mußte man sich also abgrenzen. Daß die Konsumgüterästhetik<br />
der Pop Art ihrerseits nicht ohne Ironie auf einen kanonisierten<br />
„guten Geschmack“ der Moderne zielte, machte diesen<br />
Abgrenzungsversuch nicht leichter. Vielleicht kann man auch bei<br />
der Service-Kunst strukturell ähnliche Konflikte erkennen: Der<br />
Gegner wäre dann natürlich nicht mehr die Pop Art, aber ihr<br />
Erbe, ihr „Gang durch die Institutionen“, also die Durchdringung<br />
auch des außerkünstlerischen Alltags mit Logos, mit Corporate<br />
Identity, schließlich ihr Niederschlag in der Kunst der Appropriation<br />
Art, in Video-Clips, in den nahtlos fluktuierenden Berei-<br />
19 Vgl. hierzu Peter Kiwitz: „Lebenswelt und Lebens<strong>kunst</strong>. Perspektiven<br />
einer kritischen Theorie des sozialen Lebens“, München 1986, bes.<br />
Kapitel III.; Roberto Ohrt: „Phantom Avantgarde. Eine Geschichte der<br />
Situationistischen Internationale und der modernen Kunst“, (2. Aufl.),<br />
Hamburg 1997; „Situationists, art, politics, urbanism“, (mehrsprachige<br />
Ausgabe), hg. v. Libero Andreotti/Xavier Costa, Museu d’Art Contemporani<br />
de Barcelona 1996.<br />
20 Zum Verhältnis der Situationisten zu Popkultur und Pop Art vgl.<br />
Thomas Hecken: „Kunst und/oder Leben. Futuristisches, dadaistisches<br />
Varieté, situationistische Aktion, Pop Art“, in ders. (Hg.): „Der Reiz des<br />
Trivialen. Künstler, Intellektuelle und die Popkultur“, Opladen 1997,<br />
S. 109 – 140, bes. S. 123 – 132.
Service-Kunst Anmerkungen<br />
chen von Girlie-Schick bis in die Kunst des Neo Pop, aber eben<br />
auch noch bei Ingold Airlines oder bei Guillaume Bijl (s.u. im<br />
Text) – und zwar unbelassen der recht unterschiedlichen Zielrichtungen.<br />
Die Service-Kunst setzt diesen Einsteigermodellen<br />
verwandte Mittel entgegen, um sie kritisch gemeinten Zwecken,<br />
nämlich partikularen Initiativen mit z. T. tremolierender Weltverbesserungsprogrammatik<br />
zukommen zu lassen. Nachahmend<br />
schmiegt man sich an als affirmativ erachtete Tableaux an, um<br />
sich gerade von der Punktualität der konstruierten Situation Verfremdung<br />
zu erhoffen.<br />
Das gilt wohl auch für den Dienstleistungsgedanken als solchen,<br />
der in Anbetracht des im übrigen nach wie vor klaffenden<br />
Grabens zwischen Avantgardekünstler und Normalbürger nicht<br />
ohne ein Moment von Anbiederung erscheint. Ein Beispiel zur<br />
Verdeutlichung bieten Andrea Frasers Recherchen für den Münchner<br />
Kunstverein oder für die EA-Generali Foundation. Fraglich<br />
sei, wie Christian Kravagna 21 bemerkt hat, die erfolgreiche<br />
Subversion eines Handelns, das im Unternehmensauftrag Äußerungen<br />
des Vorstandes und des Präsidiums zu Wirtschaft und<br />
Kultur dokumentiere und in gehängten Tafeln einsehbar mache,<br />
insofern das Unternehmen den an Pierre Bourdieu inspirierten<br />
Ansatz einer Aufdeckung verborgener Distinktionsmechanismen<br />
bereits miteinplanen und sich insofern „repressiv tolerant“ bzw.<br />
vereinnahmend verhalten könne. Tatsächlich lobte das Unternehmen<br />
Frasers „integrative Vorgehensweise“ und komplimentierte<br />
die Künstlerin zum „Kommunikationsverstärker“. Gegenüber<br />
der Gefahr nicht nur unfreiwilliger Anbiederung, sondern<br />
sogar der Restauration im Falle einer Beschränkung des künstlerischen<br />
Aktes auf bloßen Service gab daher Stefan Germer zurecht<br />
zu bedenken: „Denn die ‚Dienstleistung‘ – das Eingehen auf die<br />
21 Christian Kravagna: „Von der institutionellen Kritik zur Ästhetik der<br />
Verwaltung“, in „Texte zur Kunst“, 5. Jg., 1995, Nr. 19., S. 139 – 141,<br />
hier S. 141; Stefan Römer: „Die Autonomie der Kunst oder die Kunst<br />
der Autonomen“, in: „Team Compendium: Selfmade Matches. Selbstorganisation<br />
im Bereich Kunst“, hg. v. Rita Baukrowitz/u. a., („Sei dabei!“,<br />
Hamburger Woche der bildenden Kunst), Hamburg 1994, S. 88 – 96,<br />
bes. S. 89.<br />
237
238<br />
Anmerkungen Christian Janecke<br />
spezifischen Konditionen in einem Unternehmen – schlüge in<br />
eine bloße Restitution des vormodernen (vor-autonomen) Künstler-Auftraggeberverhältnisses<br />
um, wenn es nicht für Dritte transparent<br />
gemacht, also an die Öffentlichkeit adressiert würde.“ 22<br />
Neben der Adressierung an Dritte ist es die hervorgehobene<br />
Punktualität des Service, die vor besagter Gefahr schützt. Sollten<br />
tatsächlich sämtliche Künstler in Zukunft dem Nichtkünstler<br />
die Füße massieren23 , verlöre sich das beunruhigende, dem<br />
Service gerade nicht entsprechende Moment, das vermittels der<br />
Punktualität dieses Dienstleistungsereignisses gewahrt bleibt.<br />
Darüberhinaus handelt es sich bei der wenigstens verbalprogrammatischen<br />
Verneigung vor dem Publikum wohl auch um<br />
Köder für die außerkünstlerische Peripherie, so wie die populären<br />
Ausdrucksmittel der Situationisten Köder waren. Mit dem Unterschied,<br />
daß die Service-Künstler damit indirekt zu ihrem Werk<br />
führen – der Knicks bzw. „Diener“ als rezeptionserleichternde<br />
Introduktionsfigur –, während die Situationisten auf attraktive<br />
Verpackung ihrer revolutionären Ideale bedacht waren.<br />
Die von den Situationisten vorausgesetzte Ubiquität des<br />
Spektakels24 13 � 299 13<br />
, nach dem für sie maßgeblichen Verständnis Guy<br />
Debords: getarnte Passivität, galt es für sie zu durchbrechen. Der<br />
damalige universell argumentierende Tonfall und der revolutionär<br />
utopische Impetus boten freilich nichts, woran spätere Service-Künstler<br />
anknüpfen wollen oder können. In der unten noch<br />
auszuführenden Wendung hin zu ihrerseits theatralen Formen<br />
spiegelt sich weniger Ironie der Geschichte bzw. Resignation der<br />
Künstler, als vielmehr normalisierende Rückbesinnung auf den<br />
Gebrauch ästhetischer Mittel, die nicht schon deshalb der Ächtung<br />
verfallen müssen, nur weil der Kontrahent, der „Betrieb“<br />
22 Stefan Germer: „Unter Geiern. Kontext-Kunst im Kontext“, In:<br />
„Texte zur Kunst“ 19/(5. Jg.) 1995, S. 83 – 95, zit. S. 89.<br />
23 Marie-Ange Guilleminot ließ diesen Service anläßich der „Skulptur.<br />
Projekte Münster“ (1997) durch Fachleute ausführen, die hinter den<br />
– für durchzusteckende Beine gedachten – Löchern eines hölzernen,<br />
rundgeschlossenen Paravents arbeiteten.<br />
24 Vgl. Guy Debord: „Die Gesellschaft des Spektakels“, Hamburg<br />
1. Aufl. 1978.
Service-Kunst Anmerkungen<br />
sie benutzt.<br />
Neben dem Situationismus sind es natürlich<br />
die im Umfeld der späteren Aktions<strong>kunst</strong> prolongierten Bestrebungen<br />
einer Reintegration von Kunst in Lebenspraxis, die einer<br />
Vorbetrachtung in bezug auf Service-Kunst bedürfen.<br />
In den 70er Jahren zogen manche Künstler Konsequenzen<br />
aus einer als unversöhnlich oder destruktiv und mithin erfolglos<br />
erachteten Praxis des Happenings sowie angrenzender Felder<br />
und versuchten, auf differenziertere und z. T. konstruktive Weise<br />
gesellschaftsverändernd zu wirken. Als am 13. 1. 1978 ein Streitgespräch<br />
zwischen Joseph Beuys und John Latham, einem Vertreter<br />
der „Artist Placement Group“ stattfand25 , konnte es sich<br />
bereits nur noch um eine Rückschau antagonistischer Lager handeln:<br />
Beuys, dessen Sozialaktivismus sich einerseits gegen jegliche<br />
Kollaboration mit bestehenden gesellschaftlichen Organisationen<br />
verwehrte und der die Forderung neuer dagegenstellte, der aber<br />
zugleich seine Aktivitäten im Nachhinein werkhaft oder charismatisch<br />
auf sich bündelte, auf der einen Seite – und auf der anderen<br />
Seite eine Gruppierung, die kollektiv und kooperativ gesinnt<br />
war, die sich dementsprechend von der Einschaltung in bereits<br />
vorhandene soziale Projekte bzw. von der Integration selbstkonzipierter<br />
sozialer Projekte in ermöglichende und bestehende<br />
soziopolitische Strukturen partikulare Reformen versprach. Eher<br />
auf dieser Seite als auf der eines Beuys oder Wolf Vostell standen<br />
denn auch Dolores Pacileos Arbeiten mit behinderten Kindern,<br />
Siegfried Neuenhausens Resozialisierungserleichterungen<br />
für Strafgefangene mittels deren Einbindung in die Gestaltung<br />
einer öffentlichen Grünfläche in Bremen, Lili Fischers „Körperund<br />
Kunstgriffe“ – eine Art Selbstbewußtwerdungs-Service dank<br />
verabreichter Massagen –, oder Charles Simonds Ermutigungen<br />
sozial Marginalisierter, selbst gestalterisch in urbanen Nischen<br />
25 Vgl. Margarethe Jochimsen: „Kunst als soziale Strategie“, In „Kunstforum<br />
International“, Bd. 27, 3/1978 (Themenband: „Kunst als sozialer<br />
Prozeß“), S. 72 – 99, hier S. 81.<br />
26 Vgl. M. Jochimsens Schilderung dieser Aktivitäten, „Kunst als sozialer<br />
Prozeß“, S. 81 – 96.<br />
239
240<br />
Anmerkungen Christian Janecke<br />
einzugreifen 26 . Die Parallelen zur heutigen Service-Kunst sind<br />
z. T. frappant, und ich möchte nicht entscheiden, ob sich manches<br />
von dieser nur dem Vergessen jener verdankt, oder ob es<br />
uneingestandene Scham der heutigen Kunstkritik ist, die – würde<br />
sie die damalige und heutige Praxis vergleichen – sich als Differentia<br />
spezifica letzterer gerade dasjenige eingestehen müßte,<br />
was offizielle Verlautbarung stets verschweigt: die szenekünstlerische<br />
Ostentation.<br />
Nicht die Bemühung, Kunst in Lebenspraxis zu reintegrieren,<br />
so wie es in historischer Folge Peter Bürgers „Theorie der Avantgarde“<br />
27 rekapituliert hatte, sondern genaugenommen deren<br />
Scheitern war also bereits Ausgangspunkt jener punktuellen oder<br />
projekthaft angelegten Versuche der 70er Jahre. Wahr-scheinlich<br />
wäre es ohne Böswilligkeit möglich, ein Scheitern auch dem späteren<br />
Avantgarde-Teilbereich: „Service-Kunst“ zu attestieren. Und<br />
zwar im Sinne eines zuvorkommenden Scheiterns als einer Strategie<br />
ästhetischen Gelingens. Mit anderen Worten: Indem die Service-<br />
Kunst die letztliche Folgenlosigkeit ihrer Angebote für die Praxis<br />
bereits stillschweigend voraussetzen kann, darf sie es sich gestatten,<br />
am Habitus, an der Attitüde der Praxisrelevanz festzuhalten.<br />
Die Verinnerlichung dieses Scheiterns, die Verinnerlichung auch<br />
des Utopieverlustes, der in den 70er Jahren noch nachwirkte,<br />
indem er nämlich unprätentiöse Formen sozial-künstlerischer<br />
Interaktion als affirmative Resignation hervorbrachte, kehrt sich<br />
in der Service-Kunst der 90er Jahre möglicherweise um in resignative<br />
Affirmation: Marie-Ange Guilleminots Fußmassage für das<br />
Kunstpublikum der „Skulptur.Projekte Münster“ (1997) lieferte<br />
in der Verbergung der Dienstleister bei gleichzeitiger Prominenzsteigerung<br />
der Initiatorin ein unfreiwilliges Symbol für die<br />
ästhetische Fermentierung nachklingender sozialer Ambition.<br />
Resignative Affirmation hat allerdings noch andere Wurzeln, die<br />
in Richtung „Real<strong>kunst</strong>“ 28 weisen, gegen Ende des folgenden<br />
27 Peter Bürger: „Theorie der Avantgarde“, Frankfurt a. M., (4. Aufl.)<br />
1982. Vgl. hierzu die Differenzierung des „Scheiterns“ der Avantgarde-<br />
Bewegungen bei P. Kiwitz: „Lebens<strong>kunst</strong> und Lebenswelt“, bes. S. 30 ff.<br />
u. S. 80.<br />
Abschnittes
Service-Kunst Anmerkungen<br />
komme ich darauf zurück.<br />
Ich hatte schon angedeutet, daß die 80er Jahre sich – jedenfalls<br />
bezüglich des Mainstreams – kaum erwärmen konnten für<br />
die Betrebungen, die das sozialaktivistische Umfeld der Service-<br />
Kunst und diese selbst charakterisieren. Gleichwohl wäre auf ein<br />
Phänomen hinzuweisen, das eindeutig in die 80er Jahre gehört,<br />
und das den Boden mit bereitet hat für Service-Kunst, nämlich<br />
die sogenannte „Real<strong>kunst</strong>“ und im weiteren die „Realitätskünste“.<br />
In der ‚Real<strong>kunst</strong>‘ „wird Alltäglichkeit gesehen im Modus<br />
künstlerischer Artefakte“. Nach der Auffassung Wulffens lassen<br />
sich in Reaktion auf Real<strong>kunst</strong> sogenannte „realkünstlerische“<br />
Strategien erkennen: „Real-Ort-Systeme“, „Real-Zeit-Systeme“<br />
und drittens „Situation“ bzw. „Modelle“. Für die letztgenannte<br />
Strategie führt er als Beispiel u. a. „Ingold Airlines“ 29 an,<br />
also die Fluggesellschaft des Schweizer Künstlers Res Ingold,<br />
die bis heute durch Filialgründungen in Galerien und andernorts<br />
hervortritt, die mit eigenem Logo, neuerdings sogar einer<br />
Internet-Adresse, einer guten Portion Corporate Identity, aber<br />
eben nur wenigen Flügen30 14<br />
aufwartet. Aber ist Ingold-Airlines<br />
auch Service-Kunst? Es ist konsequentes und war anfangs auch<br />
originelles Trittbrettfahren an einer für den Normalverbraucher<br />
28 „Kunstforum International“, Bd. 91, Okt./Nov. 1987, Themenband<br />
„Real<strong>kunst</strong> – Realitätskünste. Eine Begriffsbestimmung und begleitendes<br />
Material“, hg. v. Thomas Wulffen; später vom selben Autor: „Vom<br />
Modell Kunst zur Modell-Kunst“, In „Surfing Systems“ , S. 87 – 95. Wulffen<br />
rekapituliert dort nochmals das im Kunstforum Vorgestellte, den<br />
Übergang zum „Betriebssystem Kunst“, schließlich zur „Modell-Kunst“,<br />
in der Kunstkritik und Kunst konvergieren sollen.<br />
29 Vgl. Kunstforum Bd. 91, 1987, S. 222 – 225.<br />
30 Anläßlich einer Teilnahme an der Dresdner Ausstellung „City Index“<br />
diesen Sommer war Res Ingold zur Vorstellung seiner Fluggesellschaft,<br />
insbesondere der künftigen Einbeziehung des hiesigen Flughafens nach<br />
Dresden angereist und erblickte viele lange Gesichter, als offenbar<br />
wurde, daß man gegebenenfalls weniger ein Flugangebot, denn eher ein<br />
Beratungsgespräch („Vielleicht tut Ihnen das Fliegen gar nicht gut?!“)<br />
zu erwarten hätte.<br />
1 4 � 294<br />
241
242<br />
Anmerkungen Christian Janecke<br />
immer undurchsichtigeren Dienstleistungsinfrastruktur in hochmoderner<br />
Gesellschaft.<br />
Eine zweite Frage scheint mir aber wichtiger zu sein, nämlich<br />
ob die von Thomas Wulffen der Real<strong>kunst</strong> suggestiv nahegelegte<br />
realitätskünstlerische Reaktion im Sinne der „Situation“ bzw.<br />
der „Modelle“ wirklich so nahe liegt. Denn während Real<strong>kunst</strong><br />
das <strong>kunst</strong>würdige Wahrnehmen kontingenter, nicht künstlerisch<br />
gemeinter Dinge und Situationen bezeichnet und darin implizit<br />
eine Veralltäglichung und Entschärfung der Duchampschen Provokation<br />
thematisiert, bedarf es im Falle der realitätskünstlerischen<br />
„Situation“ bzw. des „Modells“ eines minuziösen und arbeitsaufwendigen<br />
Trompe l’oeuils, dessen Paradigma man in Bezug<br />
auf mögliche Vorläuferformen zur Service-Kunst vielleicht am<br />
ehesten mit in Vierdimensionalität katapultiertem Fotorealismus<br />
beschreiben könnte. Ein gutes Brückenglied in diese Richtung<br />
geben die Werke des Belgiers Guillaume Bijl31 , die – etwa im<br />
Falle seines „Waschsalons“ – Nutzbarkeit mimen, ohne daß<br />
der Betrachter auch nur zeitweilig über den Status der Installation<br />
im Kunstkontext im Unklaren wäre. Vergleichspunkte liefern insbesondere<br />
die von Bijl sogenannten „Transformationsinstallationen“,<br />
z. B. eine Fahrschule, ein Fitneß-Center, ein Supermarkt.<br />
In Diskussionen mit Studierenden fiel mir auf, in welch hohem<br />
Maße das Moment der Vortäuschung von Praxisrelevanz gerade<br />
von denjenigen unterschätzt wird, die das gestellte Tableau nur<br />
aus Abbildungen in Publikationen kennen. Dies verfälscht wohl<br />
auch die Rezeption der eigentlichen Service-Kunst. Pikanterweise<br />
können manche Service-Künstler eben diesen Umstand einer<br />
Kenntnisnahme aus nurmehr zweiter Hand sogar bewußt einsetzen,<br />
um den Anschein von Praxisrelevanz zu plausibilisieren.<br />
So räumte Martin Eder (Künstlergruppe NOVAPHORMTM 15� 292 15<br />
)<br />
mir gegenüber freimütig ein, entscheidend sei für manche seiner<br />
derzeitigen Aktivitäten nicht so sehr das Ereignis des Service, als<br />
31 „Salon lavoir“, (1985/Galerie A. Ritorno/Genf) Vgl. hierzu:<br />
„Guillaume Bijl. Installationen, Situationen und Kulturtourismus“,<br />
(zugl. Katalog zur Kunstausstellung der Ruhrfestspiele Recklinghausen/<br />
Kunsthalle Recklinghausen, 3. 5. – 5. 7. 1998), Recklinghausen 1998, Abb.
Service-Kunst Anmerkungen<br />
vielmehr dessen Vermittlung über diverse Medien und Kanäle der<br />
Kunstwelt.<br />
Wenn der Sprung von „Real<strong>kunst</strong>“ zu „Realitätskünsten“ im<br />
Sinne des „Modells“ bzw. der „Situation“ also nicht so unproblematisch<br />
ist, wie Thomas Wulffen es vorschlägt, so bleibt dennoch<br />
festzuhalten, daß viele Künstler des fraglichen Umfeldes<br />
die Möglichkeit, den „Real-Ort“ bzw. die „Real-Zeit“ im Sinne<br />
einer Integration <strong>kunst</strong>externer Orte bzw. Zeitabläufe zu thematisieren,<br />
nutzten – namentlich Raimund Kummer und Hermann<br />
Pitz, aber auch Horst Hoheisel und Hans Haacke. Ihnen ging es<br />
bei der „Entwendung“ 32 präexistenter außerkünstlerischer Kontexte<br />
ins Ästhetische weniger um eine Neuauflage der Duchampschen<br />
Provokation, also eine Übersetzung von Nicht<strong>kunst</strong> in<br />
Kunst durch Plazierung im Verabredungskontext des Museums,<br />
sondern um ein Heben des latent Ästhetischen aus Außerkünstlerischem,<br />
anfangs durch fotografische Dokumentationen von<br />
Alltagskonstellationen, die im Sinne der „Real<strong>kunst</strong>“ sozusagen<br />
unfreiwillig manifeste Sprachmittel moderner Kunst paraphrasierten,<br />
später durch an sich schon rahmendes, weil benennendes<br />
Aufgreifen vorgefundener Umstände, so daß man für die näheren<br />
Erben: Res Ingold und Guillaume Bijl, aber mit gewissem Recht<br />
auch noch für die Service-Kunst die stets virulente außerkünstlerische<br />
Wirklichkeit (an einem Ort 16<br />
real verstreichende Zeit) mitbedenken<br />
muß. Mit anderen Worten und am Beispiel: Wenn bei<br />
Rirkrit Tiravanija getafelt wird , dann durchbricht außerkünstlerische<br />
Wirklichkeit stellenweise im Sinne der Real-Ort- und<br />
Real-Zeit-Systeme jene Sublimierung ins Bild bzw. in darstellende<br />
Verkörperung, die im übrigen ja nachgewiesen werden soll.<br />
‚Real<strong>kunst</strong>‘ ist noch in weiterer Hinsicht aufschlußreich: Sie<br />
weist nämlich exemplarisch auf ein Phänomen, das die rezeptionsästhetische<br />
Kunstgeschichtsforschung zum systematischen Untersuchungsgegenstand<br />
erhoben hat: eine Analyse nicht nur der<br />
sich verändernden Formen der Kunst, sondern der sich historisch<br />
S. 53.<br />
32 Vgl. Uwe M. Schneede: „Bildschwelle und Bildgrenze. Prinzipien in<br />
Raimund Kummers Arbeit“, In: „Raimund Kummer“, Kat. Kunstraum<br />
1 6 � 294<br />
243
244<br />
Anmerkungen Christian Janecke<br />
verändernden Formen der Wahrnehmung von Kunst. In bezug auf<br />
„Real<strong>kunst</strong>“: Wem erging es nicht schon so, daß er bestimmte<br />
Konstellationen oder Arrangements, sei es auf Baustellen, in der<br />
U-Bahn oder im Schaufenster, wahrgenommen und mit einem<br />
lächelnden und „<strong>kunst</strong>wissenden“ Blick quittiert hat? Je schneller<br />
sich das als ästhetisch legitim Anerkannte wandelt, die Lebenswelt<br />
aber durchdrungen bleibt von veralteten, aus der Mode<br />
gekommenen Tableaux, je leichter und häufiger macht auch<br />
der ästhetisch nur schwach Sensibilisierte diese Erfahrung. Ein<br />
guter Teil jüngster Kunst in Berlin bezieht in diesem Sinne aus<br />
der unfreiwilligen Komik der Inneneinrichtung leerstehender<br />
oder zweckentfremdeter Repräsentationsbauten der DDR jenes<br />
Moment des Fremdartigen, um dessentwillen ein Max Ernst der<br />
20er Jahre wesentlich weiter in der Zeit zurückgreifen mußte. Es<br />
erscheint nicht übertrieben, vorauszusetzen, daß eine mittlerweile<br />
sehr breitenwirksame Bereitschaft, das ungewollt Ästhetische<br />
am Kontingenten wahr- und hinzunehmen, vorliegt. 33 Und<br />
hier steckt ein weiterer Wink zur Service-Kunst, die ja – z. B.<br />
im Falle eines „Reisebüros“ – am ästhetischen Mißlingen der<br />
für außerkünstlerische Reisebüros typischen Mallorca-Antizipation<br />
nebst obligatem Globus und Palmenidylle sich delektieren<br />
kann. Wobei zu fragen wäre, ob angesichts einerseits begrenzter<br />
Künstlerbudgets, andererseits ästhetisch aufholender oder<br />
gar vorbildlicher Standards ambitionierterer Geschäftsfilialen den<br />
Künstlern die Kopie veralteter Arrangements (im Sinne eines<br />
70er Revivals) nicht doch sehr entgegenkommt. Distinguiert sich<br />
München, 8. 6. – 30. 7. 1988, S. 11 – 18.<br />
33 Vgl. hierzu Thomas Wulffen: „Erklärungsmuster“, In: „Kunstforum“<br />
Bd. 91, S. 101 – 105, bes. den Abschnitt: „Internalisierung der Kunst“,<br />
(S. 101 f.). Wichtiger wäre eine hier nur anzudeutende Verbindung mit<br />
Camp, sofern sich dort erstmals Formen distinguierten Genusses des<br />
Banalen durchgesetzt haben. Zu „Camp“ vgl. Susan Sontag: „Kunst und<br />
Anti<strong>kunst</strong>. 24 literarische Analysen“, Frankfurt a. M. 1982, sowie Philip<br />
Core: „Camp. The lie that tells the truth“, London 1984. Amüsante<br />
Perspektiven auf die Fortsetzung dieses Phänomens bzw. auch seine<br />
völlige Trivialisierung in der gegenwärtigen Spaßkultur vgl. Jürgen<br />
Bräunlein: „Schön blöd. Vom unheimlichen Medienerfolg der Untalentierten“,<br />
Berlin 1999.
Service-Kunst Anmerkungen<br />
wähnender Genuß der als ästhetisch veraltet erachteten Muster<br />
erhebt seinerseits den Anspruch des ästhetisch Arrivierten – sei<br />
es im ungenierten Bekenntnis des Bohemien, ein echter ALDI-<br />
Fan zu sein, sei es in geplanter Nachlässigkeit etwa bei der Herrichtung<br />
eines DDR-Supermarktes zu einer Kunsthalle. 34 Dank<br />
des wenigstens im angestrebten Rezipientenkreis voraussetzbaren<br />
Einvernehmens über die als Trash, oder aber milder: über die als<br />
Real<strong>kunst</strong>-würdig erachteten Arrangements können gerade die<br />
service-künstlerisch gern aufgegriffenen banalen und altmodischen<br />
Branchen bzw. Institutionen sich als tauglich erweisen, insofern<br />
dem offiziellen und ostentativ an breiteste Kreise adressierten<br />
Service-Gedanken noch der Gout augenzwinkernder Ironie oder<br />
klammheimlicher Subversion unterlegt werden kann – freilich<br />
nur für Eingeweihte.<br />
Hier wäre auch zurückzukommen auf die im vorangegangenen<br />
Abschnitt geäußerte Charakterisierung der Service-Kunst als<br />
„resignativer Affirmation“: Im Gegensatz zu Künstlern der frühen<br />
70er Jahre, deren proto-service-künstlerisches „Material“ bzw.<br />
Medium noch nicht per Real<strong>kunst</strong> kontaminiert war, bietet die<br />
Verwendung außerkünstlerischer Dienstleistungsinfrastruktur für<br />
heutige Service-Künstler die eigentümliche Möglichkeit, Affirmation,<br />
also nachahmende Mittäterschaft an Dienstleistung, mit<br />
subkutaner Distanzierung zu verknüpfen, wobei womöglich aus<br />
der Not die Tugend gemacht wird: Das zunächst als elitär geziehene<br />
Terrain der Kunst wird in Richtung auf außerkünstlerische<br />
Dienstleistungsinfrastruktur <strong>verlassen</strong>, diese aber erweist sich<br />
ihrerseits – eben auch dank der Erfahrung der Real<strong>kunst</strong> – als<br />
„Tableau“, nämlich als Bild ihrer selbst. Resignative Affirmation<br />
heißt dann, daß die in vordergründiger Hemdsärmeligkeit mitmachende,<br />
bunte Geschäftigkeit außerkünstlerischen Engagements<br />
im außerkünstlerischen Arrangement keinen Ausgang aus<br />
dem vermaledeiten Bezugssystem ubiquitär gewordener Darstellung<br />
zu erwarten hat, weil sich die besagten Arrangements näm-<br />
34 Beispielsweise die Kunsthalle in der Chaussestraße/Berlin. Wobei<br />
sicher auch hier (siehe letzte Anmerkung) aus der Not die Tugend<br />
gemacht wurde.<br />
245
246<br />
Anmerkungen Christian Janecke<br />
lich – unter der Perspektive allseits verinnerlichter Real<strong>kunst</strong>haltung<br />
– bereits selbst schon darstellen.<br />
Verbindet man das Erbe der „Real<strong>kunst</strong>“<br />
und ihrer Folgen mit dem für die 90er Jahre neuerlich aktuellen<br />
sozialen Engagement in der Kunst bei gleichzeitiger Partikularisierung<br />
der Ansprüche an Wirkmöglichkeiten – beim Betrachter<br />
wie beim Künstler – so dürfte sich m. E. eine <strong>kunst</strong>historische<br />
Herleitung der Service-Kunst als mehr oder weniger vollständig<br />
erweisen. Was das nur stellenweise belangreiche soziale Engagement<br />
bzw. überhaupt mögliche Praxisrelevanz betrifft, so möchte ich<br />
sie in die folgende Unterbreitung der <strong>kunst</strong>kritischen Diskussion<br />
zur Service-Kunst und ihres Umfeldes (in das sie eher gehören)<br />
einflechten, während das Moment der Partikularisierung zweckmäßigerweise<br />
erst später, im Anschluß an meine eigenen Thesen<br />
zu Wort kommen soll, da beides argumentativ verknüpft werden<br />
soll.<br />
Das <strong>kunst</strong>kritische Umfeld<br />
Gegen Mitte der 90er Jahre existiert eine <strong>kunst</strong>kritisch vorgetragene,<br />
z. T. auch kuratorisch exemplifizierte Diskussion zur<br />
Service-Kunst 35 und dem näheren Umfeld, wobei nach meiner<br />
Kenntnis das Umfeld dominiert. Es umspannt die nicht stets sinnvoll<br />
zu trennenden Bereiche der Kontext-Kunst 36 , namentlich<br />
und spezieller: derjenigen Aktivitäten, die das „Betriebssystem<br />
Kunst“‘ 37 selbst thematisieren oder subversiv nutzen und andererseits<br />
der Kunst im Sinne sozialer Projekte. 38<br />
Dieses Umfeld liefert Zündstoff für eine Diskussion, die<br />
in Bezug auf Service-Kunst im wesentlichen aus altbekannten<br />
35 Siehe hierzu auch Anmerkung 6.<br />
36 Vgl. Peter Weibel (Hg.): „Kontext Kunst“, Köln 1994, sowie kritisch<br />
hierzu Stefan Germer: „Unter Geiern. Kontext-Kunst im Kontext“,<br />
S. 83 – 95.<br />
37 Vgl. hierzu „Kunstforum International“, Bd. 125, Jan./Febr. 1994,<br />
Themenband zum „Betriebssystem Kunst“, hg. v. Thomas Wulffen.<br />
38 Vgl. Nina Felshin: „But is it Art?“; vgl. a. Stefan Römer: „Die Autonomie<br />
der Kunst oder die Kunst der Autonomen“ (s. o.); für die 70er<br />
Jahre: „Kunstforum International“, Bd. 27, 3/1978, „Kunst als sozialer<br />
Prozeß“.
Service-Kunst Anmerkungen<br />
Lagern gespeist wird: Auf der einen Seite wittert man ästhetischen<br />
Eskapismus, und mit Blick auf frühere Ausbruchsversuche<br />
aus dem ästhetischen Raum hinaus auf die Straße und hinein in<br />
<strong>kunst</strong>fremde Institutionen winkt man ab, sieht man künstlerische<br />
Autonomie gefährdet 39 ; auf der anderen Seite widmet man<br />
sich der möglichen Praxisrelevanz solcher Kunst, wobei sich das<br />
Lager nochmals in Euphoriker und Skeptiker spaltet. Eine radikale<br />
Befürworterin wie Nina Felshin katapultiert den im Titel<br />
ihrer Anthologie: „But is it Art? The spirit of Art as Activism“ 40<br />
immerhin noch infragestehenden Kunstanspruch bereits im Vorwort<br />
mit der Gegenfrage: „But does it matter?“. Gemäßigtere<br />
Befürworter der Praxisrelevanz (meist Kuratoren entsprechender<br />
Ausstellungen) verweisen auf reale Interventionsmöglichkeiten<br />
von Künstlern und begegnen der skeptischen Fraktion aus dem<br />
gleichen Lager mit dem Hinweis auf die Vorzüge partikularen<br />
und semiprofessionellen Handelns von Künstlern außerhalb der<br />
Kunstwelt: „Künstlerinitiativen“, so beteuert denn auch Wolfgang<br />
Zinggl, „benutzen ihre Institutionen. Das mediale und bildungspolitische<br />
Kapital dieser Institutionen ermöglicht aufgrund<br />
des gesellschaftspolitischen Stellenwerts von Kultur einen schnellen<br />
und unbürokratischen Zugang zu Entscheidungsträgern.<br />
Lästige Instanzenwege können umschifft werden. Der begrenzte<br />
Projekteinsatz setzt Energieschübe frei und beschleunigt die<br />
Realisierung.“ 41<br />
Die bereits erwähnten Skeptiker geben die Marginalität solcher<br />
Eingriffe zu bedenken, für sie sind es bestenfalls Tropfen auf den<br />
39 Zur allgemeinen Feindseligkeit gegenüber progressiven, auf außerkünstlerische<br />
Wirkungen zielenden Ansätzen vgl. das Resümee bei<br />
Marius Babias: „Im Zentrum der Peripherie“, S. 18 f.<br />
40 Nina Felshin: „But is ist Art?“, S. 13. Vgl. hierzu Christian Höller:<br />
„Fortbestand durch Auflösung. Aussichten interventionistischer Kunst“,<br />
in „Texte zur Kunst“, (5. Jg.) Nr. 20, Nov. 1995, S. 109 – 117, bes.<br />
Abschnitt 2.<br />
41 Wolfgang Zinggl: „Die WochenKlausuren“, In Marius Babias: „Im<br />
Zentrum der Peripherie …“, S. 298 – 306, zit. S. 305; hierzu wohlwollend<br />
Claudia Wahjudi: „Kunst macht Arbeit. Die Wiener WochenKlausuren<br />
in Berlin-Kreuzberg“, in „Kunstforum International“, Bd. 141,<br />
Juli/Sept. 1998, S. 470 – 471.<br />
247
248<br />
Anmerkungen Christian Janecke<br />
heißen Stein, sie mutmaßen darüberhinaus zeitgeistkonformes<br />
Kokettieren mit Minderheitensolidarität: John Miller greift auf<br />
Norman Mailers – in Bezug auf die Identifikation des „Hipsters“<br />
mit den Lebensbedingungen der Schwarzen – geprägtes Wort<br />
vom „Weißen Neger“ zurück. „Für Schwarze bedeutete das Mitmachen<br />
im Untergrund eine spezifische Erweiterung ihrer von<br />
vornherein gegebenen Marginalisierung; für Weiße dagegen war<br />
es ein Experiment – ‚sich selbst zum anderen machen‘“. 42<br />
Skeptiker kritisieren künstlerischen Sozialtourismus im Mäntelchen<br />
des Crossover und – wohl oft nicht zu Unrecht – schlichte<br />
Unprofessionalität. 43 17� 295 17<br />
Exemplarisch Ludwig Seyfarths Bericht<br />
über Clegg & Guttmanns öffentlich zugängliche Bibliothek im<br />
Stadtraum : „Zweifeln an dem Kunstcharakter der Aktion entgegnete<br />
man damit, daß es sich ja eigentlich um eine soziologische<br />
Feldforschung handele, denn über die entliehenen oder hinzugestellten<br />
Bücher würde genau Buch geführt und so ein Bild der<br />
Lesegewohnheiten der Bevölkerung erstellt. […]. Als ein Anwesender,<br />
der mit der professionellen Erstellung soziologischer<br />
Untersuchungen vertraut schien, die Brauchbarkeit des Projektes<br />
auf diesem Gebiet mit glaubwürdigen Argumenten in Frage<br />
stellte, kam postwendend die Entgegnung, daß es eigentlich ein<br />
42 John Miller: „Den Untergrund begraben“, In M. Babias: „Im Zentrum<br />
der Peripherie.“, S. 104 – 147, zit. S. 116.<br />
43 Ein von mir unkommentiert gelassenes Beispiel gebe Marius<br />
Babias’ Bemerkung über Mark Dions Dschungel-Forschung: „Ich habe<br />
mit einem Insektenforscher gesprochen, der mittlerweile als Künstler<br />
arbeitet und der Mark Dion auch kennt, und er findet seine Arbeit<br />
lächerlich. Was Dion macht, hat wissenschaftlich keinen Sinn, weil<br />
es keine Erkenntnisse bringt und vermittelt. Seine Arbeit hat nur im<br />
Kunstbetrieb Sinn. Ein angebliches Anliegen außerhalb des Betriebes ist<br />
Koketterie.“ Im Gespräch mit Ute Meta Bauer, In Marius Babias: „Im<br />
Zentrum der Peripherie.“, S. 212.<br />
44 Ludwig Seyfarth: „Keine lustige Zeit oder die Stunde der Bürokraten“,<br />
In: „Surfing Systems“, S. 55 – 67, hier bes. S. 65 f., zit. S. 66.<br />
Zu Clegg & Guttmanns „Offener Bibliothek“ sowie generell den Versuchen,<br />
mittels wissenschaftlicher Flankierung oder künstlerischerseits<br />
betriebener „Wissenschaft“ Kunst zu schaffen, vgl. C. Janecke: „Soziologische<br />
Kunst – Transformation und Sublimierung sozialen und politischen<br />
Engagements“, in H. Zitko (Hg.): „Kunst und Gesellschaft“,<br />
(Kehrer Verlag) Heidelberg, Oktober 2000 (noch o. S.).
Service-Kunst Anmerkungen<br />
Kunstprojekt und deshalb nicht nach soziologischen Kriterien zu<br />
bewerten sei.“ 44<br />
Zusammenfassend kann man auf der einen Seite die konventionellen<br />
Befürchtungen hinsichtlich Werkverlust und gefährdeter<br />
Kunstautonomie, auf der anderen Seite die Begrüßung der<br />
Praxisrelevanz – einerlei ob mit optimistischen oder pessimistischen<br />
Untertönen – diagnostizieren.<br />
Eine Entscheidung in diesen Fragen läuft Gefahr, sich unter<br />
eine bekenntnishafte Diskussion zu beugen, weil eine nicht nur<br />
vermittelnde, sondern auch erweiternde Komponente noch fehlt,<br />
nämlich die Hinsicht der „Theatralität“.<br />
Theatralität. Vorgeblichkeit<br />
Man erinnere sich an das eingangs vorgestellte Chindogu<br />
und natürlich auch an die Beispiele aus der Kunst: Man kann<br />
diese Produkte, auch diese Projekte, bloß betrachten, man kann<br />
sich ihrer auch in begrenztem Umfang bedienen. Die eigent-<br />
Daß nicht nur die Künstler blauäugig mit den Ansprüchen an soziologisch<br />
Aufschlußreiches verfahren, mag ein Blick auf Mängel einer<br />
offiziell begleitenden, soziologischen Studie zur Auswertung zeigen,<br />
die sich auf die Hamburger Station des Projektes bezog. So wird das<br />
Ergebnis weitestgehender Deckungsgleichheit zwischen dem Spektrum<br />
der Bücher im häuslichen Besitz und dem Spektrum der für die „Offene<br />
Bibliothek“ gewünschten Bücher in dem sozial eher schwächeren Stadtteil<br />
Kirchdorf erklärt mit der „in den untersten Regionen des sozialen<br />
Raumes am schwächsten“ ausgeprägten „Fähigkeit, sich in Vorstellungen<br />
und Wünschen von den gegebenen Bedingungen zu lösen“. Im<br />
Umkehrschluß folgt daraus eine positive Bewertung der Diskrepanz<br />
dieser Spektren in den gehobenen Milieus. Eine soziologische Milchmädchenrechnung:<br />
Wäre die Zuordnung nämlich umgekehrt verlaufen,<br />
hätten die Autoren dem unteren Milieu ein ihr wirkliches Lesespektrum<br />
illusionär verschleierndes, auf „legitime“ Bildung schielendes Begehren<br />
vorgeworfen, und dem gehobenen Milieu eine Kohärenz von Wunsch<br />
und Realität konzediert.<br />
Vgl. Ulf Wuggenig/Vera Kockot /Anahita Krzyzanowski: „Die ‚Offene<br />
Bibliothek‘ von Clegg & Guttmann: Reaktionen und Partizipation in<br />
drei Hamburger Stadtteilen“, In: „Kontext Kunst“, S. 324 – 327, zit.<br />
327, sowie ders. u. a.: „Die Plurifunktionalität der Offenen Bibliothek.<br />
Beobachtungen aus soziologischer Perspektive“, In: „Clegg & Guttmann.<br />
Die Offene Bibliothek“, hg. v. Achim Könneke, Hamburg 1994,<br />
S. 57 – 93.<br />
249
250<br />
Anmerkungen Christian Janecke<br />
lich geforderte Leistung des Rezipienten läuft jedoch auf ein<br />
Zwischending hinaus, auf betrachtete Benutzung, oder genauer<br />
noch: auf ein Spiel zwischen Betrachten, Benutzen, betrachteter<br />
Benutzungsmöglichkeit und der Betrachtung der Benutzung<br />
durch Andere. Ähnlichkeiten bestehen im letzteren Fall zum sog.<br />
„exemplarischen Betrachter45 “, der beispielsweise bei interaktiver<br />
Kunst einen (oder den einzigen) der vorgesehenen Plätze<br />
einnimmt, um in der Interaktion mit dem Werk – nun „exemplarisch“<br />
im Sinne von „anstelle Anderer“ – dieses zu erfüllen. Während<br />
es in solchen Fällen indes wenig hilft, dem Einen über die<br />
Schulter zu gucken, weil man abwarten muß, um sich dann doch<br />
auf seinen eigenen, individuellen Pfad der Interaktion zu begeben,<br />
verläuft bei der Service-Kunst das Betrachten der Benutzung<br />
durch Andere und das von Anderen betrachtete eigene<br />
Benutzen tatsächlich gleichberechtigt unter dem Modus betrachteter<br />
Stellvertreterschaft, weil die solcherart erzeugte Atmosphäre<br />
ihrerseits bereits zum Werk bzw. zu dessen Rezeption gehört – am<br />
offensichtlichsten etwa in einem Kunstclub 46 18� 295 18<br />
, wo bereits das<br />
Dabeisein und eben nicht erst das pflichtbewußte Ordern eines<br />
Drinks zur angemessenen Rezeption bzw. Partizipation gehört.<br />
Gerade letzteres erscheint mir wesentlich, insofern der überwiegende<br />
Teil dieser Kunst in geselligen Situationen frequentiert<br />
wird, also auf Vernissagen, was im Klartext heißt, daß die Künstler<br />
auf den Tusch des Augenblicks setzen müssen, daß sie schon auf-<br />
45 Vgl. Dieter Daniels: „Über Interaktivität“, in Wolfgang Kemp<br />
(Hg.): „Zeitgenössische Kunst und ihre Betrachter“ (Jahresring 43/Jahrbuch<br />
für moderne Kunst), Köln 1996, S. 85 – 100, hier S. 95 f.<br />
46 z. B.: „ELEKTROLUX“/Novaphorm TM Club. Im Haus Schwarzenberg<br />
(Berlin-Mitte) konzipierten und betrieben Lisa Junghanß und Martin<br />
Eder eine Art Nachtclub mit selbstkomponierter Musik, Ausschank<br />
und Viedeoanimation. In baulicher Hinsicht handelte es sich um ein<br />
provisorisch aus transparenter Folie umspanntes, schneckenförmiges<br />
Gebilde, das als Raum im Raum seinerseits wie eine Plastik inmitten<br />
einer weitläufigen und heruntergekommenen Fabriketage stand. Vom<br />
14. 2. – 4. 4. 1998 existierte hier ein Treffpunkt für die Kunstszene.<br />
(Zur Frage einer Öffnung solcher Angebote auch für Nichteingeweihte<br />
vgl. unten im Text.)
Service-Kunst Anmerkungen<br />
grund ihrer meist knappen Kasse Attrappen außerkünstlerischer<br />
Relevanz errichten müssen, die einer gezielten, dauerhaften und<br />
diversifizierten Nachfrage natürlich gar nicht standhalten können<br />
– und, wie ich begründen möchte, auch gar nicht standhalten müssen.<br />
Freilich leuchtet diese Lesart nur dann ein, wenn man sich<br />
von den verborgenen Klischees und Tabus in dem von mir referierten<br />
<strong>kunst</strong>kritischen Spektrum distanziert. Denn worauf gründen<br />
die besprochenen Haltungen, wenn nicht konservativerseits<br />
auf einem nach wie vor modernistischen, durchaus im Sinne<br />
Michael Frieds antitheatralen Werkbegriff 47 , und progressiverseits<br />
auf einem stillschweigend vollzogenen Austausch ästhetischer<br />
gegen politisch-moralische Kategorien: eklatant in der je<br />
nachdem hoffnungsvollen oder skeptischen Beäugung der Praxisrelevanz?<br />
Und wenn man sich aufmerksam bei einschlägigen<br />
Vernissagen zur Service-Kunst umhörte, so entging einem nicht,<br />
daß unter der Hand Kriterien wie künstlerische Wahrheit durch<br />
Wahrhaftigkeit dieses oder jenes Projektes bzw. gar des Künstlers<br />
selbst Thema wurde.<br />
Obwohl Theatralität der Kunst, gerade der<br />
47 Kulturkonservativ und unter Zugrundelegung eines an Greenberg<br />
erinnernden Ideals reiner „Gegenwart“ der Werke hatte Michael<br />
Fried seinerzeit der Minimal Art uneingestandenes Kokettieren mit der<br />
Bescheidenheit eherner, einfacher Formen vorgeworfen, deren Theatralik<br />
dem Betrachter regelrecht aufwarte. Trotzdem führt natürlich, wie<br />
Sylvia Eiblmayr – an die frühere Kritik Frieds durch Douglas Crimp<br />
anschließend – rekapituliert hat, ein direkter Weg von Werken der<br />
Minimal Art hin zu benutz- und bespielbaren Installationen und Interventionen<br />
im öffentlichen Raum bzw. im Ausstellungskontext, gegen<br />
deren Involvierung des Betrachters sich die Minimalisten – nach der<br />
Interpretation Frieds erfolglos – doch gewandt hatten.<br />
Michael Fried: „Art and Objecthood“ (erstmals 1967), bei Gregory<br />
Battcock: „Minimal Art. A critical Anthology“, Berkeley/L.A./London<br />
(Reprint) 1995, S. 116 – 147; Douglas Crimp: „Pictures“, in „October“,<br />
Nr. 8, Frühjahr 1979, S. 75 – 88; Sylvia Eiblmayr: „Schauplatz Skulptur.<br />
Zum Wandel des Skulpturbegriffs unter dem Aspekt des Performativen“,<br />
In: „White cube, black box“, (Ausstellung EA-Generali Foundation),<br />
Wien 1996, S. 75 – 85; Dorothea von Hantelmann: „Just do it –<br />
Performative Ästhetiken in der zeitgenössischen Kunst“, in: „ONTOM“<br />
, s. o. (o. S.), siehe hierzu auch die folgende Anmerkung.<br />
251
252<br />
Anmerkungen Christian Janecke<br />
jüngsten Kunst, ein Modethema der letzten Jahre geworden ist,<br />
wehrt man sie innerhalb der Service-Kunst ab, denn Theatralität<br />
impliziert stets ein Moment des Nur-Gespielten. Deshalb war es<br />
wahrscheinlich kein Zufall, daß der Katalog zur ambitionierten<br />
Eröffnungsausstellung der Galerie für Zeitgenössische Kunst in<br />
Leipzig, „ONTOM“ 48 , den Begriff der „Theatralität“ gegen<br />
den des – mittlerweile brandaktuellen – „Performativen“ 49<br />
ersetzt hatte, denn das Performative zielt nicht primär auf verkörpernde<br />
Darstellung, sondern auf Vollzug. Vermutlich hätte<br />
man sich und die Künstler mit einem ernstgemeinten Konzept<br />
des Theatralen kompromittiert, weil es die Erläuterung der den<br />
z. T. service-künstlerischen Aktionen innewohnenden Ostentation,<br />
des eben nicht praxisrelevanten So-Tuns-als-ob, des Spielens<br />
mit dem Anschein von Offerierung nahegelegt hätte. Dem<br />
Gaumen gönnte man mithin das Als-ob der Service-Kunst, verdaut<br />
wurden sie nach antitheatralem Muster. Die originäre, im<br />
Falle der Service-Kunst auch das (Schau-)Spielen umfassende,<br />
Verkörperungsleistung hätte aber treffend mit dem Begriff der „The-<br />
48 „ONTOM“ (Angaben s. o.,). vgl. hier die Texte von Jan Winkelmann<br />
und insbesondere Dorothea von Hantelmann „Performative<br />
Ästhetiken in der zeitgenössischen Kunst“ (beide Aufsätze o. S.).<br />
49 Hier seien nur einige neuere Forschungen im Anschluß an Judith<br />
Butler, aber auch aus allgemein theaterwissenschaftlicher sowie die<br />
Gattung „Performance“ mit dem Begriff der „Performativität“ verbindender<br />
Forschung genannt: Erika Fischer-Lichte (Hg.) „Kulturen des<br />
Performativen“, In „Paragrana“ 7 (1998) 1; dies.: „Grenzgänge und<br />
Tauschhandel. Auf dem Weg zu einer performativen Kultur“, in dies./u.<br />
a. (Hg.): „Theater seit den 60er Jahren. Grenzgänge der Neo-Avantgarde“,<br />
Tübingen/Basel 1998; Andrew Parker/Eve Kosovsky Sedgwick<br />
(Hg.): „Performativity and Performance“, New York/London 1995;<br />
Marvin Carlson: „Performance: A Critical Introduction“, London/New<br />
York 1996; Ruth Sonderegger: „Hauptsache Performativ“, in „Texte zur<br />
Kunst“ , März 2000, 10. Jg., Heft 37, (Themenband u. a. zu „Performance“),<br />
S. 219 – 223; Eckhard Schumacher: „Passepartout. Zu Performativität,<br />
Performance, Präsenz“, ebd. S. 95 – 103; Peggy Phelan/Jill<br />
Lane (Hg.): „The Ends of Performance“, New York/London 1998; Elin<br />
Diamond (Hg.): Performance and Cultural Politics“, London/New York<br />
1996; Philip Auslander: „Liveness. Performance in mediatized culture“,<br />
New York/London 1999; Lizbeth Goodman/Jane De Gay (Hg.): „The<br />
Routledge Reader in Politics and Performance“, London 2000.<br />
50 Vgl. hierzu vom Verfasser: „Inszeniertes Als-ob“, S. 35.
Service-Kunst Anmerkungen<br />
atralität“ erfaßt werden müssen. Das mangelnde Eingeständnis<br />
des Scheins verriet das Fehlen von „Vorgeblichkeitstoleranz“ 50 .<br />
Mag sein, daß sich heute das Blatt wieder wendet und intellektueller<br />
Hedonismus in neuerlich deregulierter Gesellschaft ein<br />
ungeniertes <strong>kunst</strong>kritisches Bekenntnis zum Nicht-so-Gemeinten,<br />
zum fröhlichen Spiel begünstigt – Mitte der 90er Jahre, als<br />
Service-Kunst reüssierte, hätten deren Verfechter das Theatrale<br />
als unseriös von sich gewiesen – unbeschadet ihrer wirklichen<br />
Praxis.<br />
Helmuth Plessner 51 , der den Schauspieler als Repräsentant<br />
menschlicher Würde begriff, die u. a. „in dem mit der Abständigkeit<br />
zu sich gegebenen Abstand zu ihm“ gründe, konnte im<br />
Schauspielenden noch die „exzentrischer“ Weise menschlichen<br />
Daseins musterbeispielhaft verwirklicht sehen: Er „macht sich<br />
diese Situation selber durchsichtig, stellt sie vor und löst sich<br />
von ihr, im Bilde freilich nur und imaginativ: auf dem Wege des<br />
Schauspiels. Er gibt der Sich-Präsenz die Form und den Sinn der<br />
Trägerschaft der Rolle, der Repräsentation, welche den Träger<br />
und Darsteller aus der zufälligen Einheit mit sich in die künstliche<br />
Einheit mit dem Dargestellten bringt und im Spiel spielend<br />
bewahrt.“ Plessners anthropologische Deutung entwarf im Schauspielenden<br />
ein Paradigma für die mögliche Bedeutung des Theatralen<br />
schlechthin – eine Deutung, von deren Unbekümmertheit<br />
um historische Entwicklungen sich Richard Sennetts Perspektive<br />
zwar durch die Rekonstruktion des Theatralen als einer Verfallsgeschichte<br />
abhebt, aber der Stoßrichtung nach mit Plessner ver-<br />
51 Helmuth Plessner: „Zur Anthropologie des Schauspielers“, In Uri<br />
Rapp: „Rolle, Interaktion, Spiel: Eine Einführung in die Theatersoziologie“,<br />
Wien 1993, S. 136 – 148, zit. S. 146 u. 147.<br />
52 Richard Sennett: „Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die<br />
Tyrannei der Intimität“, Frankfurt a. M. 1983, bes. Kap. 11. Meine<br />
Ausführungen zu Sennett folgen dem Grundgedanken seiner Studie.<br />
Zu einer weiteren möglichen Bedeutung von Sennetts Analyse für die<br />
Kunstwissenschaft vgl. C. Janecke: „Zivilisiertheit und Malerei. Versuch,<br />
heutige Marginalisierungen eines Mediums neu zu überdenken“,<br />
In: „Bildwechsel. Positionen zeitgenössischer Malerei aus Sachsen und<br />
Thüringen“, Kat. Städtisches Museum Zwickau/Kunstsammlungen<br />
Gera – Orangerie, (Weidle-Verlag) Bonn 2000, S. 16 – 21.<br />
53 Jonas A. Barish: „The Antitheatrical Prejudice“, London/Berkeley/<br />
253
254<br />
Anmerkungen Christian Janecke<br />
einbar ist. Sennett 52 analysiert eine Gesellschaft, die seit dem<br />
18. Jahrhundert auf dem besten Wege ist, Schein und Tand auszumerzen,<br />
distanz- und kulturschaffende Formen der Darstellung<br />
als zeremoniellen Zierat zu entsorgen, um sich der „Tyrannei der<br />
Initimität“ zu beugen. Er versteht darunter einen Zustand der<br />
Gesellschaft, in dem der Einzelne sein darstellerisches Potential<br />
dem fragwürdigen Ideal eines: „Sei wie du bist“ zum Opfer<br />
gebracht, in dem die Gesellschaft Urbanität und Öffentlichkeit<br />
preisgegeben hat an die triste Alternative behelligenden Seelenmülls<br />
und kollektiver Darstellungs- und damit Sprachlosigkeit.<br />
Flankieren ließe sich Sennetts Diagnose durch die einschlägige<br />
Untersuchung Jonas A. Barishs 53 über „The Antitheatrical<br />
Prejudice“, in welcher der Autor in historischer Folge Stationen<br />
der Theaterfeindlichkeit bei Banausen und bei anerkannten Philosophen,<br />
schließlich sogar beim Theater selbst rekapituliert,<br />
welches Antitheatralität gleichsam internalisiert und beispielsweise<br />
zu Shakespeares Zeiten Schurken mit Vorliebe als chamäleontische<br />
Gestalten auf die Bühne treten läßt.<br />
Die von Barish und Sennett analysierte Exstirpierung theatraler<br />
Elemente des Alltags – unbelassen kompensatorischer Spektakel<br />
in der Massenunterhaltung respektive definierter Terrains in<br />
der Kunst – kritisiert durchaus kulturpessimistisch die Verengung<br />
auf ein Ideal der ‚ehrlichen Haut‘, das sich im Leben wie in der<br />
Kunst etwas darauf zugute hält, daß etwas ganz als das erscheine,<br />
was es ist. Auf diesem Ideal basiert uneingestandenermaßen auch<br />
diejenige Würdigung der Service-Kunst, der es vor allem um den<br />
Goodwill der Künstler, ihr ehrliches Bemühen geht, „wirklich“<br />
Los Angeles 1981. Helmar Schramm untersucht Barishs Problematik<br />
am Beispiel antitheatraler Selbstdisziplinierung des Theaters – ablesbar<br />
am veränderten Gebrauch der Theater-Metapher, der Rhetorik, des<br />
vom Theater verinnerlichten Bildungsauftrages, sogar des Theaterbaus,<br />
etwa wenn Friedrich Theodor Vischer im Zuge ästhetischen Autonomiedenkens<br />
fordert: „Das moderne Theater ist wesentlich Innenbau“.<br />
Vgl. Helmar Schramm: „Theatralität und Öffentlichkeit. Vorstudien zur<br />
Begriffsgeschichte von ‚Theater‘“, In: „Ästhetische Grundbegriffe. Studien<br />
zu einem historischen Wörterbuch“, hg. v. Karlheinz Barck u. a.,<br />
Berlin 1990, S. 202 – 242, zit. S. 230.<br />
54 Theodor W. Adorno: „Goldprobe“, in ders.: „Minima Moralia“,<br />
Ges. Schiften Bd. 4, Frankfurt a. M. 1980, S. 171 – 175, zit. S. 174 u.
Service-Kunst Anmerkungen<br />
etwas zu verändern – und sei es auch nur wenig. Theodor W.<br />
Adorno, der im übrigen der Kunst Wachheit gegen den Tand<br />
des „Massenbetrugs“ verordnete, dachte fein genug, um nicht das<br />
Kind mit dem Bade auszuschütten und erkannte – freilich aus<br />
anderen Prämissen als Sennett und mit anderen Zielen, insofern<br />
er nicht kulturelle Verkümmerung, sondern gefährdete Emanzipation<br />
des Einzelnen von der Totalität beklagte – die Problematik<br />
des infragestehenden Postulates von Echtheit: „Wenn nichts anderes<br />
vom Menschen gefordert werden könne, dann wenigstens, daß<br />
er ganz und gar das sei, was er ist. […]. Die Gleichsetzung von<br />
Wahrheit und Echtheit ist nicht zu halten. Gerade die unbeirrte<br />
Selbstbestimmung […] ergibt immer wieder, schon in den ersten<br />
Regungen der Kindheit, daß die Regungen, auf die man reflektiert,<br />
nicht ganz „echt“ sind. Stets enthalten sie etwas von Nachahmung,<br />
Spiel, Andersseinwollen. […]. Das Humane haftet an<br />
der Nachahmung: Ein Mensch wird zum Menschen überhaupt<br />
erst, indem er andere Menschen imitiert. In solchem Verhalten,<br />
der Urform von Liebe, wittern die Priester der Echtheit Spuren<br />
jener Utopie, welche das Gefüge der Herrschaft zu erschüttern<br />
vermöchte.“ 54 Ist es nicht ein delikater Widerspruch, daß die<br />
Service-Kunst und namentlich ihr <strong>kunst</strong>kritischer Hintergrund,<br />
der sich auf emanzipative Strategien eingeschworen hat, antitheatral<br />
gerade an jener „Echtheit“ im Sinne aufführungsabstinenter<br />
Praxisrelevanz festhalten?<br />
Nicht nur kompromittiert dieses Ideal der Echtheit die theatralen<br />
Momente der Service-Kunst, sondern bereits zuvor schon<br />
das darunter häufig zugrundeliegende künstlerische Verfahren<br />
bildhafter bzw. verkörpernder Nachahmung. Abgesehen von der<br />
vernachlässigbaren Anzahl jener künstlerischen Serviceleistungen,<br />
die völlig ohne <strong>kunst</strong>externes Vorbild auskommen, spielt sie<br />
dort eine wichtige Rolle – und beträfe es auch nur die Nachahmung<br />
des Dienstleistungshabitus als solchen, das „Dienstleistungs-<br />
176.<br />
55 Helmuth Plessner: „Zur Anthropologie des Schauspielers“, S. 145.<br />
56 Unter „theatralischem Theater“ faßt man Tendenzen zur Erneuerung<br />
des Theaters nach der Jahrhundertwende, die sich gegen das Illusions-<br />
255
256<br />
Anmerkungen Christian Janecke<br />
hafte“. Die Nachahmung weist, wie Plessner schreibt, „auf eine<br />
Bildbedingtheit der Äußerungsmöglichkeiten, welche den Nachahmenden<br />
innerlich mit umformen“. 55 Das spielerische Nachahmen<br />
verdoppelt nicht Vorhandenes, sondern es formt – besonders<br />
dort, wo nicht etwa ein Bild, sondern der Künstler selbst in<br />
schauspielerisch-theatraler Hinsicht Medium der Nachahmung<br />
ist – den Nachahmenden innerlich mit um, öffnet ihm neue<br />
Blickrichtungen. Man hätte also, wenn man schon den Topos<br />
„Praxisrelevanz“ partout nicht aufgeben will, eher bei den dienstleistenden<br />
Künstlern statt in der Sphäre ihrer Kunden, alias ihres<br />
Publikums, nach außerkünstlerischer „Veränderung“ zu suchen!<br />
Die Service-Künstler verstehen sich zwar<br />
nicht als Performance-Künstler, aber es gibt einen aufschlußreichen<br />
Zusammenhang, den ich herausarbeiten will.<br />
Zunächst könnte man einen Reflex des bisher besprochenen<br />
Antitheatralen sogar noch in der diesbezüglich unverdächtig<br />
scheinenden Gattung der Performance – jünger als andere<br />
Formen der Aktions<strong>kunst</strong> – aufspüren: dort wo sie Authentizität<br />
gerade durch die performance-typische Kongruenz von Darstellung<br />
und tatsächlicher Befindlichkeit des Performers erheischen<br />
will. Zwar betont Performance originäre, meist textabstinente<br />
Verkörperung via Leib und drängt insofern – in Relation zu konventionellem<br />
Theater – zu einem eher theatralischen Theater 56 ;<br />
indem aber Darstellen und Sichbefinden anschaulich als kongruent<br />
vorgeführt werden, bestätigt Performance den antitheatralen<br />
Realitätszwang, ohne doch zugleich auf mystifizierte Kompensation<br />
des im Lebensalltag verlorenen Ineins von Darstellen und<br />
Sichbefinden überhaupt verzichten zu wollen.<br />
theater, den akademischen Realismus und die Milieuschilderungen des<br />
Naturalismus wandten. Sinngem. in M. Brauneck/G. Schneilin (Hg.):<br />
„Theaterlexikon. Begriffe und Epochen, Bühnen und Ensembles“, (3.<br />
überarb. Neuaufl.), Hamburg 1992, S. 1032; vgl. neuerdings Hans<br />
Thies Lehmann: „Postdramatisches Theater“, Frankfurt a. M. 1999, wo<br />
das Erbe entsprechender Bestrebungen für die 80er und 90er Jahre ausgebreitet<br />
wird.<br />
57 Vgl. vom Verf.: „Dienstleistungstheater. Schlingensief grüßt die Service-Kunst“.
Service-Kunst Anmerkungen<br />
Die antitheatrale Kultur im Sinne Sennetts oder Barishs<br />
leistet sich den Schauspieler, der sich auf der Bühne selbst des<br />
Chamäleontischen zeiht; sie leistet sich den Performer, weil<br />
er das „Erscheine als das, was Du bist!“ noch in ereignishafte<br />
Ostentation ummünzt. Christoph Schlingensiefs Rekrutierung<br />
begeisterte Jungwähler während der Aufführungen seines Berliner<br />
Wahlkampfzirkus, „Chance 2000“ wird erst dank dieser<br />
Voraussetzungen als jenes Dienstleistungstheater 57 verständlich,<br />
das es ist: Der messianische wie sozialromantische Aktivismus<br />
Schlingensiefs kann in der Aufführung ja nur deshalb höhere,<br />
d. h. gegen ästhetische wie politische Nachfragen immunisierte<br />
Weihen erlangen, weil er im Theater das Theater in Richtung<br />
Performance verläßt; deren Charisma ostentativer Verschränkung<br />
von Sichbefinden (bei Schlingensief: von politischem tua<br />
res agitur) mit Darstellung desselben (bei Schlingensief: mit<br />
Spektakularisierung, Trash und aggressivem Publikumseinbezug)<br />
garantiert dem Frischkonvertierten ja erst, daß er nicht nur einer<br />
Show beiwohnt. Die von der Performance entliehene, letztlich<br />
antitheatrale Verbindlichkeit erlaubt nun je nach Gemüt Brüskierung<br />
oder blinde Euphorie. Man wärmt sich an politisierender<br />
Initiation ohne Politik.<br />
Ironie der Gegensätze: Während Schlingensief sich zum<br />
dienstleistenden Anwalt sozial Marginalisierter gerade unter<br />
Zugrundelegung eines in Richtung Performance zielenden, also<br />
auf die unio mystica von Handeln und (Selbst-)Darstellen geläuterten<br />
Theaters erklären kann, genieren sich die Service-Künstler<br />
nicht nur, eine Vorgeblichkeit, sondern auch den Aufführungscharakter<br />
ihrer Projekte einzugestehen.<br />
Man könnte sogar einen zeitgenössischen,<br />
tendenziell entdifferenzierenden Begriff von „Theatralität“, wie<br />
58 So bei Erika Fischer Lichte: „Das System der theatralischen Zeichen“,<br />
Tübingen 1983, S. 195. Dieses Verständnis korrespondiert mit<br />
der für große Teile der Theaterwissenschaft maßgeblichen Auffassung<br />
von Klaus Lazarowicz. Im Vorwort zu einer neueren Sammlung seiner<br />
(z. T.) älteren Aufsätze wettert er gegen den gegenwärtigen „Pantheatralismus“,<br />
der nicht mehr streng scheide zwischen der theatralen Kom-<br />
257
258<br />
Anmerkungen Christian Janecke<br />
ihn Andreas Kotte entwickelt hat, in Anschlag bringen: Demzufolge<br />
wäre die alte Als-ob-These von Theater 58 (die Kotte zufolge<br />
nicht mehr als eine Affinität zwischen Theater und Leben ausdrücken<br />
könne) zurückzustellen hinter die „Spezifik des theatralen<br />
Vorgangs als konkret historisch hervorgehobenes und zugleich<br />
konsequenzvermindertes interaktives Handeln“. „Der Akrobat<br />
auf dem Seil über dem Marktplatz handelte dann möglicherweise<br />
ebenso theatral wie ein Schauspieler als Hamlet, es käme auf<br />
die Beschreibung der Hervorhebungsmomente und den Grad<br />
der Konsequenzverminderung an“. 59 Vom „Spielerischen“, das<br />
ebenfalls als konsequenzvermindert und hervorgehoben begriffen<br />
werden kann, unterscheidet sich dieser Begriff von „Theatralität“<br />
nur in Nuancen, nämlich durch eine eher ostentative Tendenz,<br />
an deren Stelle im bloß Spielerischen eine integrative Tendenz<br />
steht. Was aber, wenn nicht Konsequenzverminderung (in bezug<br />
auf Praxisrelevanz) und Hervorhebung (in bezug auf das im Kunstkontext<br />
strategisch plazierte Ereignis) in ostentativer Färbung<br />
charakterisiert treffender die Schöpfungen der Service-Kunst? In<br />
dieser rekonstituieren sich also nicht bloß theatrale Formen im<br />
konventionelleren Sinne – etwa wenn die Künstler selbst Rollen<br />
übernehmen und inmitten ihrer Kulissen mimen müssen – sondern<br />
darüber hinaus auch theatrale Formen im Sinne Kottes, näm-<br />
munikation im und außerhalb des Theaters. (S. 7 f.). In: „Triadische<br />
Kollusion. Über die Beziehungen zwischen Autor, Schauspieler und<br />
Zuschauer im Theater“, (S. 97 – 111), führt Lazarowicz sein vom ABC-<br />
Modell (A spielt B, während C es sich anschaut) geprägtes Theaterverständnis<br />
nochmal aus, um es gegen extratheatrale Kommunikationsformen<br />
abzugrenzen. Vgl. Klaus Lazarowicz: „Gespielte Welt. Eine<br />
Einführung in die Theaterwissenschaft“, Frankfurt a. M./Berlin/Bern/<br />
York/Paris/Wien 1997.<br />
59 Andreas Kotte: „Simulation als Problem der Theatertheorie“, In<br />
„Forum Modernes Theater“, Heft 1/1996 (Bd. 11.), S. 33 – 44, bes.<br />
Abschn. 3 u. 4. Die Beziehungen zum Spiel und zum Fest bzw. zur Feier<br />
bei Andreas Kotte: „Die Welt ist kein Theater. Zur Spezifik des Festes<br />
und des theatralen Handelns“, in: „Weimarer Beiträge. Zeitschrift für<br />
Literaturwissenschaft, Ästhetik und Kulturtheorie“, 34. Jg., 1988/5, S.<br />
781 – 795.<br />
60 Andreas Spiegl: „Das Ex-ject oder das Subjekt als Gast bei sich<br />
selbst“, In: „Surfing Sytems“, S. 21 – 31, zit. S. 25. Spiegl bildet den
Service-Kunst Anmerkungen<br />
lich wenn es bereits der hervorhebende ereignishafte Rahmen ist,<br />
innerhalb dessen ihr Dienstleisten im spielerischen Sinne konsequenzvermindert<br />
ist.<br />
Man hätte also nicht in moralischer Hinsicht<br />
den Weltverbesserer oder den Scharlatan zu wittern, sondern es<br />
gälte, in ästhetischer Hinsicht den Darsteller im Service-Künstler,<br />
und nicht in erster Linie die Dienstleistung, sondern deren Darstellung,<br />
zu würdigen.<br />
Der Aufführungscharakter – in der Nachschrift wird sogar<br />
vom latenten Bildstatus die Rede sein – der Service-Kunst muß<br />
beim Rezipienten stets das Interesse am Gegebenen implizieren,<br />
wenn auch über den Umweg des Projektierten. Die bloße Vorstellung<br />
der Realisierbarkeit eines Projektes wäre zu wenig, so wie<br />
andererseits das bloße Mitmachen plump wäre. Erst im Innewerden<br />
leibhaftiger Konfrontation mit dem Arrangement und seiner<br />
potentiellen Nutzbarkeit gewinnt das Werk diejenige Weite, die<br />
in der Malerei vielleicht Weltbezug wäre.<br />
Wer mit Ressentiment gegen werkerweiternde Aspekte nur<br />
das Exponierte sieht, blind gegen dessen inhärenten und konstitutiven<br />
Bezug auf außerästhetisch Mach- oder Benutzbares,<br />
verwirkt angemessene Rezeption ebenso wie derjenige, der innovationskonform<br />
die Ausflüge der Werke in außerästhetische<br />
Kompetenz- und Anwendungsbereiche als Beitrag zur Praxisrelevanz<br />
von Kunst begrüßt. In beiden Fällen gerät das „Bildhafte“<br />
– welches hier oft das „Verkörperte“ ist – aus dem Blickfeld der<br />
Einschätzenden.<br />
„Vorgeblichkeit“ verlangt den Betrachter als Komplizen und<br />
Kontemplierenden in einer Person. Er muß sich auf das „Angebot“<br />
der Service-Kunst einlassen, obgleich er doch ihre Musterbeispielhaftigkeit<br />
und Vorgeblichkeit durchschaut.<br />
Partikularisierung<br />
Was bisher nicht besprochen, aber angekündigt wurde, ist<br />
die Diskussion um Partikularisierung von Öffentlichkeit, oder,<br />
bezogen auf die Adressaten von Kunst, die Frage, ob die künst-<br />
259
260<br />
Anmerkungen Christian Janecke<br />
lerische Botschaft sich überhaupt noch an prinzipiell Jeden und<br />
Jede richte, ob es nicht ein „Interesse an differenten Szenarien“<br />
gebe, „die partout nicht verflochten und hegemonial organisiert<br />
werden wollen“. Das Subjekt solcher Aktivität werde, so Andreas<br />
Spiegl 60 , durch das „Ex-ject“ abgelöst. Es „hat den Gesellschaftsvertrag<br />
des Subjekts aufgekündigt und an dessen Stelle ein Pasticcio<br />
aus temporären und partikulären Sozialisationen gesetzt.“<br />
Für die postmodern geschulte, kulturkritische Linke ein heikles<br />
Thema, weil die Beschäftigung mit Positionen der Alterität und<br />
der vorzugsweise im Gruppenzusammenschluß von Künstlern<br />
praktizierte Versuch, Sand ins Getriebe zu streuen, sich genau am<br />
Anspruch des Partikularen kompromittieren könnten, wenn nämlich<br />
die Sandkörner sich zum Brocken zusammenklumpen müssen,<br />
damit überhaupt Aufmerksamkeit und Wirkung resultieren.<br />
Ein illustres Beispiel für dieses Dilemma gibt Stefan Römer mit<br />
seinem Versuch, über Grundsätze heute legitimer Gruppenbildungen<br />
von Künstlern aufzuklären: In Anbetracht japanischer<br />
Unternehmen, die bereits das Gruppenarbeitsmodell erfolgreich<br />
zur Effektivitätssteigerung eingesetzt haben, verordnet er den<br />
Künstlern vier Seiten lang diskursive Selbstreinigung, Wachsamkeit<br />
vor Hierarchiebildung und karrieristischer Absonderung<br />
Einzelner. Und für den Fall, daß doch einmal „Vereinnahmung“<br />
drohe: „Eine selbstorganisierte Gruppe kann sich dagegen [im<br />
Gegensatz zu den ‚hegemonialen‘ Bestrebungen von etablierten<br />
Kräften in der Kunstwelt (C. J.)] auflösen.“ 61 Daß Erfolgsinteresse<br />
vielleicht dasjenige sein könnte, was zunächst eine Gruppe<br />
zusammenbringt, wird zur Quantité négligeable.<br />
Es läßt sich die recht eingeschränkte Rezeption künstlerisch-aktivistischer<br />
und mithin partikularer Initiativen mit dem<br />
Neologismus „Ex-ject“ alliterativ zu Rem Koolhaas’ „Ex-City“, einem<br />
urbanistischen Konzept flexiblen Wachstums, steter Erneuerung und<br />
permanenten Identitätswechsels. (Ebd.)<br />
61 Vgl. Stefan Römer: „Die Autonomie der Kunst oder die Kunst der<br />
Autonomen“, S. 90 – 95. Differenzierter hierzu argumentiert Juliane<br />
Rebentisch: „Zum Zusammenhang“ (im gleichen Band), S. 177 – 185.<br />
62 Joshua Decter: „Kultureller Widerstand“, In Marius Babias: „Im<br />
Zentrum der Peripherie“, S. 29 – 51. zit. S. 30 u. 51.
Service-Kunst Anmerkungen<br />
Argument nobilitieren, dadurch blieben diese frei von jenem universalistischen<br />
Geltungsanspruch, gegen den sie doch vorgingen<br />
– nicht ohne jedoch über „Segen und Fluch des Pluralismus“ dort<br />
zu klagen, „wo der ‚unsichtbare‘ Rahmen der Avantgardekultur<br />
ein Territorium eingrenzt, innerhalb dessen die ‚Differenz‘<br />
gestattet, gepflegt und geradezu kultiviert wird. Innerhalb dieses<br />
Rahmens werden Grenzüberschreitungen jeder Art gefördert und<br />
regelmäßig dem Blick der Öffentlichkeit vorgestellt. Der hohen<br />
Kultur ist es erlaubt, ständig ihre eigenen augenscheinlichen Subversionen<br />
zu fabrizieren.“ Joshua Decter, dessen Befürchtungen<br />
um „Vereinnahmung“ hier zu Wort kamen, beschließt denn auch<br />
seinen Essay über „Kulturellen Widerstand“ 62 im vermächtnishaften<br />
Tonfall links-apropriierter Negativer Theologie: „Nein,<br />
ich habe keine Kandidatenliste von Künstlern oder Kritikern für<br />
die nächste Avantgarde des ‚kulturellen Widerstands‘. Ein solches<br />
Manöver wäre nur eine weitere Nachschublieferung für den<br />
bestehenden institutionellen Apparat, der nach der administrativen<br />
und bürokratischen Herrschaft über diese Praktiken strebt,<br />
um sie in ‚zugängliche‘ Informationen zu verwandeln. Statt dessen<br />
ist es dringend nötig, die von jedem neuen Modell in Aussicht<br />
gestellte sofortige Befriedigung aufzuschieben“.<br />
Unbelassen der Frage, ob man es für nötig befindet, in dieser<br />
Diskussion um selbstverordnete (weil als emanzipativ erachtete)<br />
Partikularisierung und um die mithin divergente Peripherie<br />
für oder gegen deren Implikationen Partei zu ergreifen, besteht<br />
faktisch die Tendenz großer Bereiche zeitgenössischer Kunst<br />
– namentlich der sozialaktivistischen, häufig ethnische oder<br />
anderere Minderheiten thematisierenden Praktiken sowie kontextueller<br />
Kunst – sich parallel, teilweise in Verflechtung mit<br />
Populärkultur und exemplarisch der Musikszene, vom aufkläre-<br />
63 Hier im Kantischen Sinne, also (insbesondere) in ästhetischer Hinsicht<br />
als „Idee eines gemeinschaftlichen Sinnes, d. i. eines Beurteilungsvermögens<br />
[…], welches in seiner Reflexion auf die Vorstellungsart jedes<br />
andern in Gedanken (a priori) Rücksicht nimmt, um gleichsam an die<br />
gesamte Menschenvernunft sein Urteil zu halten“. (K. d. U. § 40)<br />
64 „Novaphorm TM Beautystyle“, 2. 7. – 15. 7. 98.<br />
65 Wolfgang Kemp: „Zeitgenössische Kunst und ihre Betrachter. Posi-<br />
261
262<br />
Anmerkungen Christian Janecke<br />
risch modernen Ideal eines „allgemeinen“ Betrachters mit „sensus<br />
communis“ 63 zu verabschieden.<br />
Soweit das Problem in bezug auf das Umfeld.<br />
Was die Service-Kunst speziell anbelangt, scheint sie in dieser<br />
Frage merkwürdig unentschieden: Als die Künstlergruppe<br />
„Novaphorm“ in der Berliner Galerie Arndt & Partner64 ihre<br />
selbstkreierten Düfte anläßlich der Vernissage olfaktorischer<br />
Begutachtung preisgab, durfte man sich fragen, ob manche Nase<br />
wirklich nur dank der erprobten Düfte, oder nicht auch über die<br />
als naiv eingestufte – wenn auch als zum Konzept gehörige und<br />
daher begrüßte – Freude der wenigen zufällig hineingeschlenderten<br />
Passanten gerümpft wurde. Einerseits liebäugelt, wie es<br />
der Verbalprogrammatik der Service-Kunst zu entnehmen ist,<br />
diese nicht nur mit potentiell jedem Kunstinteressierten, sondern<br />
darüberhinaus und manchmal ausdrücklich mit Otto-Normalverbraucher.<br />
Das hindert die Macher jedoch nicht daran, die<br />
Zugangsmöglichkeiten zu den Dienstleistungsangeboten über die<br />
hochselektive Distribution der Kunstwelt einzuschränken, in der<br />
Wendung Kemps: 65 „Szene<strong>kunst</strong>“ statt „Kunstszene“. Die Veröffentlichung<br />
des Privaten (z. B. Nan Goldin oder Tracy Emin)<br />
findet in der Service-Kunst ihre Umkehrung in der (Re-)Privatisierung<br />
des Öffentlichen. Man bleibt unter sich. Mag sein, daß<br />
sich hierin der Versuch ankündigt, Restautonomie zu bewahren66<br />
, widersprüchlich dazu verhält sich jedoch der Versuch<br />
nicht bloß der Service-Kunst, sondern des skizzierten weiteren<br />
Umfeldes bis in die Filiationen subkultureller Infrastruktur, den<br />
„Stützpfeiler des bürgerlichen Kunstbegriffs – die Autonomie“,<br />
ins „Wanken“ 67 19� 296 19<br />
zu bringen; und zwar nicht bloß vermittels<br />
tionen und Positionszuschreibungen“, In ders. (Hg.): „Zeitgenössische<br />
Kunst und ihre Betrachter“, S. 13 – 43, hier S. 39.<br />
66 In einem Gespräch mit dem Verfasser geäußerte Vermutung Bernhard<br />
Kerbers (Berlin).<br />
67 So die Terminolgie Marius Babias‘ im Vorwort zu: „Im Zentrum der<br />
Peripherie“, S. 9 – 26, hier S. 25.<br />
68 „Die Gleichgültigkeit hat die Empörung ersetzt. Heute erlebt die<br />
Kunst die Autonomie, die sie angestrebt hat, nicht mehr als Befreiung,
Service-Kunst Anmerkungen<br />
<strong>kunst</strong>externer Bezüge, sondern auch vermittels der Destruktion<br />
eines Betrachteranspruches, demzufolge sich prinzipiell sämtliche<br />
Facetten der Kunst seinem Auge und Urteil zu stellen hätten.<br />
Dieser Widerspruch zwischen womöglicher Restautonomie und<br />
Deautonomisierung – und zwar jetzt in beiden Fällen bezogen<br />
auf Kontingentierung des Zugangs zu den Werken bzw. Projekten<br />
– löst sich nur, wenn man die Nuance akzeptiert zwischen einerseits<br />
dem Versuch der Künstler, unbehelligt von übergeordneten<br />
Instanzen Wirkkraft und Resonanz ihrer Projekte gerade in szenekünstlerischer<br />
Abschottung zu suchen (Restautonomie), und<br />
andererseits verweigerter Adressierung an allgemeine Rezeption<br />
zum Schutz vor dem als vereinnahmend erachteten Kunstbetrieb<br />
(Deautonomisierung). Während die Deautonomisierung eher<br />
nach außen gerichtet ist, weist die Restautonomie eher in Richtung<br />
„Selbsbestimmung“ nach innen. Die erwähnte Abschottung<br />
der Service-Kunst gegen diejenigen, deren Anliegen man doch<br />
thematisiert, ist freilich ein altbekanntes Paradox, es findet sich<br />
auch im Theater, wo (s.o. Schlingensief) diejenigen, um deren<br />
Interessen es geht, wohl kaum im Publikum sitzen, sie peinlichstenfalls<br />
mit Alibifunktion auf die Bühne gezerrt werden.<br />
Gerade die Tatsache aber, daß der überwiegende Teil der<br />
Rezipienten von Service-Kunst als teilöffentlich Geladener, als<br />
„in the know“ auf den Plan tritt – korrespondierend mit einer<br />
Künstlerschaft, die entgegen der oberflächlichen Behauptung<br />
eines Kunstbooms mangels versierter Rezipienten ihr eigenes<br />
„Publikum“ 68 wird, bzw. dieses aus dem selbstgeschaffenen<br />
Feld von Rahmenbedingungen rekrutiert – stellt ein weiteres<br />
stichhaltiges Argument für die Nebensächlichkeit wirklicher<br />
Praxisrelevanz und im Gegenzug ein Argument für die Aufführungssituation<br />
dar. Denn wer als Zugehöriger dieser Gruppen<br />
sondern als Isolation. Der wirkliche soziale Kontext, der Betrachter, das<br />
Publikum schwinden ständig oder fehlen einfach. In dieser Situation<br />
wird die Kunst selbst kontextuell: Sie beginnt ihren Kontext zu erfinden,<br />
obwohl sie nach außen vorgibt, ihn bloß zu reflektieren.“ Boris Groys:<br />
„Der eingebildete Kontext“, In: „Kontext Kunst“, S. 257 – 281, hier S.<br />
281.<br />
69 Zur knappen Definition vgl. Wolfgang Winklers Artikel: „Intenti-<br />
263
264<br />
Anmerkungen Christian Janecke<br />
Service-Kunst aufsucht, muß sich nichts „vormachen“ in bezug<br />
auf Praxisrelevanz; etwas „vormachen“ muß er sich indes im besten<br />
Sinne der oben ausgeführten Vorgeblichkeit.<br />
Exkurs: Implikationen des service-künstlerischen Verweises<br />
auf noch zu Tuendes bzw. noch zu Nutzendes<br />
Aus dem für Service-Kunst typischen Verweis auf Anderes,<br />
auf noch zu Tuendes bzw. künftig Inanspruchzunehmendes ergeben<br />
sich Parallelen zu ähnlichen Phänomenen in anderer bzw.<br />
älterer Kunst, die ich in zwei Schritten erörtern möchte.<br />
Die erste Paralle bezieht sich auf das Begriffsfeld:<br />
„transitorische Bewegung“ und „Intentionsbewegung“. Das<br />
Transitorische in einem Bild bezeichnet Darstellungen eines Überganges<br />
oder das „Übergangshafte“ selbst in Bildern, ihm kommt<br />
Bedeutung hinsichtlich glaubhafter bildlicher Vergegenwärtigung<br />
von zeitlich Aufeinanderfolgendem zu – Lessing hat sich<br />
im „Laokoon“ dazu geäußert. Entscheidend für unser Thema ist,<br />
daß die transitorische Darstellung antizipative Wirkung zeitigen<br />
kann, indem Künftiges im Gegenwärtigen schon aufbricht, daß<br />
es weiterhin stets eine Verbindung, fast eine Verschmelzung der<br />
im Transitorischen aufeinander bezogenen Momente gibt.<br />
„Intentionsbewegung“ ist ein Begriff aus der Vergleichenden<br />
Verhaltensforschung 69 und meint im Tierreich die verschieden<br />
starke (je nach Auslöserreiz, wechselseitiger Beeinflussung zentralnervöser<br />
Mechanismen), oft habitualisierte Handlungs- bzw.<br />
Verhaltensankündigung mit antizipativem Charakter, die in ritualisierter<br />
Form auch als soziales Signal (etwa Unruhe vor dem Her-<br />
onsbewegung“ In: „Historisches Wörterbuch der Philosophie“, hg. v.<br />
Joachim Ritter/Karlfried Gründer, Bd. 4, Darmstadt 1976, S. 475 f.<br />
70 Man darf nicht dem Anthropomorphismus verfallen, solche Intentionsbewegungen<br />
würden ausgeführt, um zu informieren, oder – im<br />
Falle einer Ersparnis des sonst ja nachfolgend ausgeführten Verhaltens<br />
(z. B. Beißen nach dem Drohen) – um ökonomischer mit Artgenossen<br />
und Feinden zu kommunizieren. Pointiert gesprochen: die Intentionsbewegung<br />
im Tierreich kann Späteres nicht im Sinne einer Ankündigung<br />
ausdrücken, sondern verrät dieses Spätere nur unfreiwillig, wobei<br />
aus dem Feedback des Verhaltens der Artgenossen (die irgendwann die<br />
gekoppelte Folge von Intentionsbewegung und Ausführungshandlung<br />
wahrnehmen) bald die Überflüssigkeit der vollendeten Ausführung
Service-Kunst Anmerkungen<br />
denaufbruch) dienen kann. ‚Intentionsbewegung‘ klingt insofern<br />
irreführend, als es sich in der Tierwelt natürlich nicht um beabsichtigte<br />
Handlungsersparnis bzw. Verhaltensankündigung handeln<br />
kann! 70<br />
Was die Intentionsbewegung beim Menschen betrifft, so gibt<br />
es auch hier unwillkürliche, habitualisierte Ankündigungsgesten<br />
oder -schemata, die von der menschlichen Umwelt entsprechend<br />
gedeutet werden können (… wenn sie die Stirn runzelt, darf man<br />
sie nicht stören!). Ebenso wichtig in unserem Zusammenhang<br />
sind aber die menschlichen bewußten Intentionsbewegungen im<br />
Sinne einkalkulierter Ankündigung bzw. späterer Handlungs- oder<br />
Verhaltensersparnis.<br />
Was haben das Transitorische und die Intentionsbewegung nun<br />
gemeinsam, bzw. wo lassen sie sich vergleichen, an welcher Stelle<br />
bezeichnen sie – was nicht selbstverständlich ist, da es sich nicht<br />
um ein Begriffsgegensatzpaar im strengen Sinne handelt – verschiedene<br />
Grade einer Kategorie, eines Parameters? In beiden<br />
Fällen handelt es sich um etwas Gegenwärtiges, sei es im Bild, sei<br />
es im Verhalten, das auf Zukünftiges hin orientiert ist.<br />
Für den Fall des Transitorischen habe ich bereits Hinweise<br />
bezüglich der Kunst gegeben. Lohnender scheint mir 20 hier die<br />
Suche nach Intentionsbewegung zu sein. Anhand des späten Œuvres<br />
von Georg Kolbe kann man auf recht deprimierende Weise<br />
etwas vom 21 Schwund des Transitorischen hin zur Intentionsbewegung<br />
nachvollziehen: Die Gestalten, 22 die sich anfangs aus Gegenwart<br />
Künftigem öffnen, darin noch an die Sensibilität Lehmbrucks<br />
erinnernd, verlagern ihr Ersehntes immer mehr nach<br />
außen , ins 23Ferne,<br />
ins Bildexterne, bis sie schließlich (fast) in<br />
resultiert. (Auch diese Überflüssigkeit wird nicht „erkannt“, sondern<br />
ergibt sich aus frühzeitiger Wirkung der Intentionsbewegung auf die<br />
tierischen Adressaten, so daß weiterer Anreiz fehlt).<br />
71 Man vergleiche z. B. die Werkentwicklung von „Junge Frau“ (1926/<br />
Wuppertal, Von der Heyd – Museum/Kat. 88) über „Frauenstatue“<br />
(1929/Garten des GKM Berlin/Kat.125) zur „Frauenstatue“ (1933/ 38/<br />
GKM Berlin/Kat 146). Sämtliche Katalognummern beziehen sich auf<br />
Ursel Berger: „Georg Kolbe. Leben und Werk“, Berlin 1990, Abb. S.<br />
290, 322, 340.<br />
72 Gregor Paulson: „Zur Hermeneutik des Anschaulichen in der Bild-<br />
20<br />
21<br />
22<br />
23<br />
265
266<br />
Anmerkungen Christian Janecke<br />
jener fremdbestimmten Starre typischer NS-Plastik terminieren,<br />
aus welcher alles Transitorische gewichen ist. 71 Beispielsweise<br />
haben in der eigentlichen NS-Kunst die Gestalten eines Thorak<br />
oder Breker , um nur die Plastik zu nennen, alles Transitorische<br />
verloren, stattdessen signalisieren sie unerbittlich Aufbruch in<br />
Späteres, dergestalt als wollten sie unmittelbar jetzt, im Moment<br />
des Erblicktwerdens durch den Betrachter, ihre Position und<br />
plastische Gestalt <strong>verlassen</strong>, und als wollten sie in Leugnung jeglichen<br />
Gesetzes von Plastik ein sogenanntes „Führerwort“ paraphrasieren:<br />
„Deine Gegenwart ist nichts, Deine Zukunftstat ist<br />
alles!“ Nach plastischer Hinsicht gestaltet sich dieser Prozeß als<br />
Regression, als totale Selbstentmündigung des Werkes, das sich<br />
in den Dienst einer Idee oder auch eines Kommandos stellt und<br />
das sich durch Antizipation um jeden Preis dabei selbst zur Hülse<br />
macht.<br />
Es lassen sich gewiß auch andere, ästhetisch überzeugendere<br />
und ideologisch unbelastete Beispiele für das Prinzip der Intenti-<br />
24� 298 onsbewegung finden. Und zwar generell dort, wo das unmittelbar 24<br />
dem Betrachter sich konfrontierende Werk etwas aus sich Herausführendes<br />
mit dem Impetus von dessen Erfüllung auf Kosten<br />
des anfänglichen Werkes nur andeutet: Es fallen einem zunächst<br />
Werke wie „Honigpumpe am Arbeitsplatz“ (1977) von Joseph<br />
Beuys ein, wo die anläßlich der Documenta 6 entstandene Installation<br />
im Kassler Fridericianum nur Ausgangspunkt und Durchlauferhitzer<br />
von Kunst- und Weltverbesserungsdiskussionen sein<br />
sollte. Und natürlich ist auch das im außerkünstlerischen Sinne<br />
Projektierende der Service-Kunst in diesem Sinne ‚Intentionsbewegung‘:<br />
Die Werke bieten an bzw. verkörpern einen auf den<br />
Betrachter bezogenen Handlungs- oder Verhaltensaufbruch; auf<br />
dieser Ebene des externalisierenden Impetus sind sie dem Funktionieren<br />
der erläuterten nationalsozialistischen Werke strukturähnlich.<br />
Das sagt nichts über die ideologische Richtung, sondern nur<br />
über den Status des Mittels zum (zukünftigen) Zweck aus. Freilich<br />
gibt es – abgesehen von den ideologischen und sonstigen Unvergleichbarkeiten,<br />
die hier nicht berührt werden müssen – auch<br />
einen gravierenden strukturellen Unterschied: Die Intentionsbewegung<br />
nationalsozialistischer Kunst ist eine radikale; Aufbruch
Service-Kunst Anmerkungen<br />
aus dem Werk kommt diesem ästhetisch nie wieder zugute; der<br />
Aufforderungs- bzw. Ankündigungscharakter der NS-Kunst ist<br />
irreversibel, während bei Service-Kunst die Intentionsbewegung<br />
unter dem Zeichen der Vorgeblichkeit steht. Das bedeutet, daß<br />
dem Aufforderungs- bzw. Ankündigungscharakter der Werke<br />
nicht wirklich Handlung, Aufbruch in Außerästhetisches folgen<br />
muß, weil eben als das Wesentliche dieser Intentionsbewegung<br />
ihre Attitüde erkannt und wohlwollend, aber bestenfalls musterbeispielhaft<br />
von Wenigen nur mitvollzogen werden muß. In<br />
der Vorgeblichkeit kehrt sich also der <strong>kunst</strong>flüchtige Impetus der<br />
Intentionsbewegung auf das Werk zurück.<br />
Die zweite Paralle zu Werken anderer bzw.<br />
älterer Kunst hängt mit der ersten zusammen, und sie bezieht<br />
sich auf die von Gregor Paulsson 72 für die Kunstwissenschaft<br />
fruchtbar gemachte Unterscheidung zwischen Zielhandlung und<br />
Ausdrucksbewegung: Eine Zielhandlung wird nach Paulsson dargestellt,<br />
wenn z.B. ein Mensch von A nach B geht, das Gehen<br />
also anschauliches Mittel zum Zweck ist. Würde dieses Gehen<br />
aber um seiner selbst willen dargestellt, spräche man nicht länger<br />
vom „Gehen“, sondern vielleicht vom dargestellten „Schreiten“, so<br />
daß man es mit einer „Ausdrucksbewegung“ zu tun hätte. Häufig<br />
wird auf Meisterwerken der Malerei dargestellte „Zielhandlung“,<br />
also Darstellung eines Handelns wozu, in eine „Ausdrucksbewegung“,<br />
also ein Handeln als Handeln gewandelt, so daß dann beides<br />
virulent ist. Dieser Prozeß aber verlief und verläuft künstlerisch<br />
stets im nuancenreichen Übergang, also transitorisch.<br />
Wie sollte aber eine Intentionsbewegung – z.B. ein im Bild dargestellter<br />
Aufbruch zum Marschieren, oder in der Service-Kunst<br />
der projektierte Aufbruch zur Nutzung eines offerierten Angebo-<br />
<strong>kunst</strong>“, In: „Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft“,<br />
Bd. XII., 1967, S. 129 – 153, bes. S. 132 ff. Paulson meint etwas ganz<br />
ähnliches wie ich, wenn er den „Übergang einer Zielhandlung in eine<br />
Ausdruckshandlung […] als Derivation“ bezeichnet und sie in der Bildenden<br />
Kunst belegt findet (z. B. Dürers Zeichnungen in Maximilians<br />
Gebetbuch). (S. 135). Allerdings geht es Paulson vorrangig um Beispiele<br />
für Zwischenstellungen im Sinne von Mischformen, während es mir<br />
darauf ankommt, innerhalb einzelner Bilder/Werke einen Übergang<br />
von Zielbewegung zu Ausdrucksbewegung zu beschreiben.<br />
73 Vgl. Wolfgang Kemp: „Zeitgenössische Kunst und ihre Betrachter“,<br />
267
268<br />
Anmerkungen Christian Janecke<br />
tes – sich zurückkehren, ohne dabei schlicht in Aussagelosigkeit<br />
zurückzusacken? Dies erlauben nur diejenigen Intentionsbewegungen,<br />
die von vorneherein Vermeintlichkeit bzw. Vorgeblichkeit<br />
mit einkalkulieren. Der gemäß Intentionsbewegung in der Service-Kunst<br />
vorliegende Aufforderungs- oder Ankündigungscharakter<br />
hinsichtlich vermeintlicher Praxis erfährt Sublimierung,<br />
lenkt auf das – diese Projektierung erst einfädelnde – Werk als<br />
solches zurück: Erst die Vorgeblichkeit des Benutzungsangebotes<br />
eröffnet dem Betrachter jenes Spiel bzw. jenen spielerischen<br />
Umweg über sympathetischen oder tatsächlichen Mitvollzug<br />
zurück zur Betrachtung eben dieses Mitvollzuges und mithin des<br />
Werkes selbst. Erst in der Vermeintlichkeit des Angebotes muß<br />
die Zielhandlung die Ausdrucksbewegung nicht ausschließen und<br />
könnte sich das Werk der Service-Kunst als musterbeispielhafte<br />
und sich bewahrende Gestalt erweisen – für erklärte Sozialaktivisten<br />
freilich eine befremdliche Aussicht.<br />
Schluß – vorläufig<br />
Vielleicht ist Service-Kunst als Teil einer Palette von Ansätzen<br />
und Möglichkeiten zur Rehabilitierung des Theatralen, bzw.<br />
vorsichtiger: des Vorgeblichen zu begreifen, welches sonst eher<br />
in Formen der Massenunterhaltung (z. B. Erlebnisparks) sich<br />
bewahren konnte. In der Service-Kunst geht es aber nicht um<br />
tumpe Zerstreuung, weil das angebotene Erlebnis nicht als Droge<br />
trüben Alltag kompensieren muß. Im Gegenteil: meist sind es<br />
ja sehr schlichte und häufig vertraute Verrichtungen, derer sich<br />
der Betrachter-Benutzer anbequemen soll. Dadurch wird seine<br />
Aufmerksamkeit frei für die Tatsache, daß sie ihm offeriert werden,<br />
und welche Rolle er im ganz buchstäblichen Sinne spielen<br />
könnte.<br />
Wolfgang Kemp 73 hat anhand des von Yvonne Rainer verwendeten<br />
Ausdrucks „warping“ („warp“ ist der Kettenfaden beim<br />
Weben, bedeutet im übertragenen Sinne soviel wie „verdrehen“,<br />
S. 29 f.<br />
74 Hofmann bezweifelt die Authentizität des kollektiven Kunst-Spie-
Service-Kunst Anmerkungen<br />
„ablenken“, „verleiten“) eine von der Rezeption geforderte Flexibilität<br />
zwischen Affirmation und Negation, eine im Abwartenkönnen<br />
sich bewährende Unentschiedenheit des Betrachters<br />
expliziert. „Vorgeblichkeitstoleranz“ wäre analog eine Haltung, die<br />
sich zwischen Gegebenem (im Werk) und Projektiertem (werkextern)<br />
bewegt. Werner Hofmanns in anderem Zusammenhang<br />
geäußertes bissiges Wort über den Betrachter als einem „Veranstalteten“<br />
74 hätte in dieser – vorgeblichkeitstoleranten – Perspektive<br />
seine Polemik gänzlich abgestreift.<br />
Um noch einmal auf die populäre aber ungeliebte<br />
Stiefschwester der sämtlich tiefernsten Als-ob-Angebote<br />
und Service-Künste, das Chindogu zurückzukommen, so bezeugt<br />
es noch durch seine freiwillige Beschränkung auf ein Reservat<br />
außerkünstlerischer wie praxisferner Spielwiese die Internalisierung<br />
antitheatralen Realitätszwanges – mehr als deutlich in seinen<br />
typischen thematischen Schnittstellen zu den durchorganisierten<br />
Bereichen der japanischen Berufswelt und des Alltagslebens, während<br />
die Service-Kunst und Als-ob-Angebote der Plastik noch<br />
diesseits jener in Humor gekleideten Resignation stehen. Indem 269<br />
lens im Happening: „Mit dem Ästhetizismus teilt das Happening die<br />
Verachtung des Publikums. Zwar wird dieses benötigt, doch muß es<br />
sich den Spielregeln unterwerfen, es darf nicht mitspielen, sondern muß<br />
„mitmachen“. [… Der Besucher] ist kein Mitwirkender, er ist ein Unternommener,<br />
er wird veranstaltet.“ (S. 280 f.).<br />
Hofmanns Polemik wirkt sicherlich korrigierend gegenüber der unausgesprochenen<br />
Diskrepanz zwischen damaliger programmatischer<br />
Umarmung des Publikums, dessen vermeintlich gleichberechtigter<br />
Partizipation und seiner tatsächlichen Rolle als Klatschvieh. Freilich<br />
verbirgt sich – aus einer das Theatral(isch)e rehabilitierenden Perspektive<br />
betrachtet – dahinter die typische linksintellektuelle Wachsamkeit<br />
gegen Täuschung, gegen als unästhetisch und unfair (!) empfundenes<br />
Als-Ob in der Kunst. Daß der Betrachter damaliger Happenings auch in<br />
der wider den offiziellen Anspruch resultierenden, eher kontemplativen<br />
als partizipativen Haltung nicht düpiert wurde, sondern eben Publikum<br />
war, spricht nicht gegen diese Formen der Aktions<strong>kunst</strong> – zumal unter<br />
dem Blick heutiger Performance-Kunst, bei der eine allgemein akzeptierte<br />
Aufführungssituation mit klarer Trennung rezeptiver und agierender<br />
Sphäre sich etabliert hat. Vgl. Werner Hofmann: „Die Pseudowirklichkeit<br />
des ‚Happening‘“, in ders.: „Gegenstimmen. Aufsätze zur Kunst<br />
des 20. Jahrhunderts“, Frankfurt a. M. 1979, S. 277 – 281.<br />
75 In der Vortragsdiskussion auf dem Leipziger Symposium wurde im
270<br />
Anmerkungen Christian Janecke<br />
ihre Offerten auf dem irreduziblen Spiel von und der Bewegung<br />
zwischen Darstellung, Verkörperung und Angebot insistieren, korrigieren<br />
sie die Polarisierung der diesen Möglichkeiten konventionellerweise<br />
zugewiesenen medialen Terrains. Es käme für die<br />
Kunstkritik und die sich diesen Ansätzen wohl demnächst erst<br />
widmenden Kunstwissenschaften allerdings darauf an, sich dem<br />
angedeuteten Potential zu stellen, um nicht der skizzierten Polarisierung<br />
75 zwischen begrüßter Weltverbesserungsprogrammatik<br />
und als modisch erachteter Attitüde das letzte Wort zu lassen.<br />
Nachschrift: Zum Tableau-vivant-haften<br />
Wenn in der Service-Kunst Nachahmung einer außerkünstlerischen<br />
Dienstleistung bzw. des Habitus’ derselben erfolgt, und<br />
wenn die Künstler selbst oder die von ihnen bestallten Fachleute<br />
die Rolle des Dienstleisters übernehmen, mithin Verkörperung<br />
stattfindet, dabei zugleich aber Praxisrelevanz bzw. eine zur<br />
ästhetischen Erfüllung notwendige Nutzung der Offerte zweitrangig<br />
oder überflüssig wird (weil letztere ihrerseits nur im Alsob<br />
mitvollzogen oder an Stellvertretern betrachtet werden kann),<br />
dann erzeugen die Künstler und mit ihnen die Betrachter die<br />
oben diagnostizierte Aufführung.<br />
Bei näherer Betrachtung reduziert sich diese „Aufführung“<br />
aber auf einen perpetuierten Zustand ohne Handlung, ohne<br />
Anfang und Ende, auf eine zwar im Einzelnen divergente und<br />
abwechslungsreich sich bewegende, im Ganzen aber recht homo-<br />
Sinne einer vermittelnden Alternative bisweilen auf die symbolische Setzung<br />
der Service-Kunst hingewiesen. Dem wäre zunächst zuzustimmen,<br />
insofern man unter der Annahme symbolischer Wirkabsicht die Künstler<br />
von der peinlichen Beweislast wirklicher Praxisrelevanz befreit. Das<br />
ist aber eigentlich trivial, weil die der Service-Kunst in diesem Sinne<br />
konzedierte symbolische Musterbeispielhaftigkeit keine Differentia spezifica<br />
zu Kunstrichtungen des Umfeldes, wahrscheinlich nicht einmal zu<br />
Kunst überhaupt, beschreibt. (Man denke etwa an das Verhältnis zwischen<br />
aktuellem und dem z. T. darüberhinausgehenden allgemeineren<br />
Gehalt in der Historienmalerei). Was noch wichtiger ist: Die von mir<br />
analysierte Rezeption als eine sich der Bewegung bzw. dem Spiel von<br />
Darstellung, Verkörperung und Angebot widmenden wird davon natürlich<br />
gar nicht erfaßt.<br />
76 Literatur zu diesem Thema bei Birgit Jooss: „Lebende Bilder. Kör-
Service-Kunst Anmerkungen<br />
gen nur in sich bewegte Geschäftigkeit (als Darstellung von<br />
Geschäft) – je nach Art des anvisierten „Gewerbes“ natürlich,<br />
und exakt für die Dauer des Projektes. Vielleicht sollte man also<br />
nicht bloß von „Aufführung“, sondern zugespitzer vom „Tableau<br />
vivant“ sprechen. Es stellt dann die Dienstleistungssituation oder<br />
-infrastruktur nach, so wie es das Tableau vivant mit dem Vorbild<br />
zumeist älterer Malerei tat.<br />
Natürlich wird man schnell Widerspruch anmelden, insofern<br />
es sich bei der Service-Kunst ja nicht um reglos verharrende, sondern<br />
offensichtlich um agierende Künstler handelt. Um diesem<br />
Widerspruch zu entgehen, um aber auch nicht zum Euphemismus<br />
der „Aufführung“ zurückkehren zu müssen, schiene es korrekter,<br />
nicht von einem „Tableau vivant“, sondern vom „Tableauvivant-haften“<br />
zu sprechen – ein Wortmonstrum, zugegeben; noch<br />
korrekter wäre daher der Hinweis auf die Ersetzung des reglosen<br />
Bildes im Tableau vivant durch ein stroboskopisches Bild bei der<br />
Service-Kunst. Ein stroboskopischer Effekt entsteht z. B., wenn<br />
das Rad einer fahrenden Kutsche im Film sich zwar offensichtlich<br />
dreht, aber für den Filmbetrachter stillzustehen scheint,<br />
dann nämlich, wenn bei 25 Bildern pro Sekunde auch ungefähr<br />
25 Speichen des Rades einen angenommenen Fixpunkt passieren.<br />
Der physikalisch-technologische Begriff des „Stroboskopischen“<br />
ist freilich auch nicht buchstäblich anzuwenden, er bündelt aber<br />
metaphorisch prägnant jenen Stillstand im Ganzen bei mannigfaltigen,<br />
aber relativ repetitiven Bewegungen im Einzelnen.<br />
Beim Tableau vivant 76 handelt es sich um eine mehr oder<br />
weniger vergangene Gattung, heute spielt sie eher in Revuen<br />
als auf dem Theater eine Rolle, auch als Medium bürgerlicher<br />
Unterhaltung hat sie ausgedient. Allerdings gibt es eigensinnige<br />
Bezugnahmen im Film 77 , beispielsweise bei Derek Jarman oder<br />
bei Peter Greenaway, aber auch in der Kunst, wobei ich weniger<br />
perliche Nachahmung von Kunstwerken in der Goethezeit“, (Diss. Uni<br />
München 1998), Berlin 1999<br />
77 Weiterführende Angaben zu Film und Kunst im summarischen Ausblick<br />
bei Jooss, (letztes Kapitel).<br />
78 Tadeusz Kantor führte 1969 in der Galerie Foksal (Warschau) ein<br />
271
272<br />
Anmerkungen Christian Janecke<br />
an buchstäbliche Verwendungen etwa in einer Performance von<br />
Tadeusz Kantor, an Colette oder Luigi Ontani erinnern möchte78<br />
, sondern an diejenigen Bezugnahmen, die z. T. sogar ohne<br />
expliziten Rückgriff auf diese Gattung etwas von ihrer eigentümlichen<br />
Crux79 aktualisieren. Worin liegt diese? Das reglose<br />
Innehalten der Darstellenden zur verlebendigenden Aufführung<br />
eines gemalten Bildes kompromittiert zunächst diejenige Lebendigkeit,<br />
die das gewählte (Vor-)Bild qua eigener Mittel, und d. h.<br />
eben nur auf der Bildfläche hervorbringt. Weiterhin kann man<br />
sich fragen, welchen Reiz überhaupt das reproduktive Moment<br />
des Tableau vivant hat, wie sich, mit anderen Worten, nicht erst<br />
aus dem Gestellten, sondern bereits aus dem Stellen ein produktiver<br />
Sinn ergeben könnte. Diesem Problem widmen sich auf sehr<br />
25 verschiedene Weise 25<br />
Künstler wie Bill Viola, Jochen Gerz oder<br />
Happening durch, das auf Rembrandts „Anatomie des Dr. Tulp“ Bezug<br />
nahm. (Vgl.: „Tadeusz Kantor 1915 – 90. Leben im Werk“, Kunsthalle<br />
Nürnberg, 1996, Nr. 41). Die französische Künstlerin Colette nahm<br />
Bezug auf Delacroix (Die Freiheit führt das Volk) und auf J. L. Davids<br />
Darstellung der Madame Recamiere, (Vgl. Edith Almhofer: „Performance<br />
Art. Die Kunst zu leben“, Wien/Graz/Köln 1986, dort Kap.:<br />
„Die Transformation und Mythologisierung des Selbst. Colettes Autobiographie<br />
als Gesamt<strong>kunst</strong>werk“, S. 99 – 123. Luigi Ontani stellte den<br />
Heiligen Sebastian nach Guido Reni, den Bacchus des Londoner Bildes<br />
von Tizian und Tischbeins Goethebildnis (1786/Städel, Frankfurt) nach<br />
(Vgl.: „Luigi Ontani“, hg. v. P. Weirmair, Katalog Frankfurter Kunstverein/Villa<br />
Stuck München, 1996, S. 19, 21, 38).<br />
79 Die im folgenden genannten Autoren beziehen sich kritisch auf das<br />
Tableau vivant zu seiner Zeit. Aus diesem historischen Problemfeld läßt<br />
sich mit Blick auf die im Text nachfolgend genannten heutigen Künstler<br />
die besagte „Crux“ formulieren. (Siehe hierzu auch die folgende<br />
Anmerkg. zu J. Lorbeer). Vgl. Ivan Nagel: „Emmas Kunst oder das<br />
Genie des Modells. Lebende Bilder und klassizistisches Theater: Der<br />
malerische Augenblick und die Einheit der Empfindung“, FAZ, Samstag<br />
12. 5. 1984, (Nr. 111), Beilage, S. 2; Wolfgang Kemp: „Die Beredsamkeit<br />
des Leibes. Körpersprache als künstlerisches und gesellschaftliches<br />
Problem der bürgerlichen Emanzipation“, In: „Städeljahrbuch“, 5/1975,<br />
S. 111 – 134; Mara Reissberger: „Das Lebende Bild und sein Überleben.<br />
Versuch einer Spurensicherung“, in: „Fotogeschichte“, 14/1991/Heft<br />
51, S. 3 – 18; Peter Szondi: „Tableau und coup de théatre. Zur Sozialpsychologie<br />
des bürgerlichen Trauerspiels bei Diderot. Mit einem<br />
Exkurs über Lessing“, in ders.: „Schriften“, Bd. II., 2. Aufl. FFm 1991,<br />
S. 205 – 231.
Service-Kunst Anmerkungen<br />
Johan Lorbeer. 80<br />
Mit der genannten Crux des Tableau vivant sehe ich auch die<br />
Service-Kunst konfrontiert, wobei natürlich von vorneherein klar<br />
ist, daß sie ihrem Selbstverständnis nach nicht bewußt auf diese<br />
Gattung, bzw genauer: auf die mit dieser Gattung einhergehenden<br />
Probleme rekurrieren kann und will, daß es sich im weiteren<br />
daher um einen kritischen Vorstoß meinerseits handelt, der sich<br />
zwar mit einer gewissen Folgerichtigkeit anbietet, den der Leser<br />
aber unbeschadet der vorangegangenen Ausführungen ignorieren<br />
oder zur Kenntnis nehmen mag.<br />
Wenn die künstlerische Dienstleistung, die eigentlich eher<br />
ihre Aufführung ist, zusammenschrumpft auf ein Tableau vivant<br />
(im stroboskopischen Sinne), dann bildet dies eine resignative<br />
Metapher auf das Bekenntnis zum gemimten Service. Dieser<br />
wird in prolongierter Geschäftigkeit dargeboten und medial vermittelt,<br />
als Permanenz des Darreichens. Im Unterschied zum<br />
Tableau vivant selbst und den auf diese Gattung bezugnehmenden<br />
Künstlern resultiert in der Service-Kunst jedoch nicht die<br />
sonst konstitutive, strenge Trennung zwischen Betrachtern und 273<br />
80 Bill Violas Videoarbeit „The greeting“ bezieht sich sich auf Pontormos<br />
„Heimsuchung“ (um 1528 – 29/Carmignano, San Michele). Per<br />
Zeitlupe wird eine kurze Gesprächs- und Begrüßungssequenz auf das<br />
Vielfache gedehnt, so daß sich ein permanent auf das Tableau vivant<br />
bezogener Zustand zwischen Filmstill und Film ergibt, („Bill Viola.<br />
Buried Secrets“, Arizona State University Art Museum/Kestner Gesellschaft<br />
Hannover, 1996, S. 15 – 25 u. S. 46 ff.). Jochen Gerz stellte sich<br />
1972 in der Basler Altstadt (ein weiteres Mal in Paris) neben die fotografische<br />
Reproduktion seines Kopfes (in natürlicher Größe) und thematisierte<br />
mit der Lebendnachstellung eines Bildes von ihm selbst Zeit,<br />
Erinnerung und Differenzen der Repräsentation. Johan Lorbeer entwikkelt<br />
seit den frühen 90er Jahren seine sog. „Stillife-Performances“. Er<br />
verharrt u. U. mehrere Stunden fast reglos in einer ungewöhnlichen<br />
Stellung, die technisch nur dank einer unter der Kleidung verborgenen<br />
Stahlarmierung möglich ist, beispielsweise im „Proletarischen Wandbild“<br />
mehrere Meter über den Köpfen des Publikums senkrecht zur<br />
Wand – an dieser wie eine Fliege stehend. Vgl. hierzu die Monographie<br />
vom Verfasser: „Johan Lorbeer. Performances und Bildnerische Arbeiten“,<br />
Nürnberg 1998. In dieser Publikation finden sich weitere Beispiele<br />
und eine eingehende Auseinandersetzung mit den Problemen des Tableau<br />
vivant, sofern sie in heutiger Performance wiederkehren.
274<br />
Anmerkungen Christian Janecke<br />
gestelltem Bild. Der Betrachter soll und kann in gewissem Maße<br />
partizipieren, allerdings stellt sich dieses Partizipieren unter dem<br />
Blickwinkel des Tableau vivant eher als ein Figurieren dar – gleich<br />
einem Tableau vivant, bei dem alle Betrachter potentiell auch<br />
Akteure wären. Einklinken kann sich der Rezipient nicht ernsthaft<br />
im pragmatischen Sinne, sondern im Sinne der Geschäftigkeit,<br />
d.h. er hält die Spielregeln ein: nicht zuviel wollen, tun,<br />
fragen. Er wird mitspielender Teil jenes Ineins von Intensivierung<br />
in bildlicher und Entschwerung in pragmatischer Hinsicht.<br />
Akzeptabel wird dieses Mitmachen für den ästhetisch arrivierten<br />
Rezipienten also nicht nur über den (im Haupttext) analysierten<br />
Eingeweihtenstatus, der ihm distinguierten Genuß des eher<br />
Banalen erlaubt, sondern durch sein Mitfigurieren im Bild. Dieses<br />
Figurieren sticht von pragmatischer Partizipation soweit ab<br />
wie das gestellte und prolongierte Bild der Dienstleistung von<br />
letzterer selbst. Das Mitfigurieren entschwert das Mitmachen<br />
aber nicht bloß vermittels einer Substitution von Praxis durchs<br />
Rollenspiel – das täte auch darstellendes Mitagieren – sondern<br />
vermittels jenes scharfen Konturs, der überhaupt dem Tableau<br />
vivant eignet, der seine Darsteller im eigentümlicher Weise vor<br />
ihrem dürftigen Hintergrund isoliert: Das szenekünstlerische<br />
Dabeisein im Club oder in Christine Hills „Volksboutique“ 81<br />
gibt sich solcherart selbst eine Form, eine gewisse Würde, von<br />
der genau derjenige ausgeschlossen bleibt, der die Kristallisation82<br />
26� 300<br />
26<br />
in Geschäftigkeit, die Sublimierung in ein nur gestelltes<br />
und prolongiertes Bild nicht intuitiv, bzw. dank Internalisierung<br />
81 Dauerhaft in Berlin und zeitweise anläßlich der Documenta X (Kassel)<br />
führte die amerikanische Künstlerin C. Hill ein Secondhandshop für<br />
Bekleidung.<br />
82 Auf Arnold Gehlens Begriff der „kulturellen Kristallisation“ – paradoxaler<br />
Erstarrung der Prämissen, gerade nicht der einzelnen Ereignisse<br />
und Binnenbeweglichkeiten von Systemen – rekurriert mein Gebrauch<br />
von „Kristallisation“ zwar nicht in der Sache, es liegt jedoch eine vergleichbare<br />
Struktur metaphorischer Verwendung vor. Vgl. Arnold Gehlen:<br />
„Kulturelle Kristallisation“ (Bremen 1961), Neuabdruck In: „Kulturphilosophie“,<br />
hg. v. Ralf Konersmann, Leipzig 1996, S. 222 – 242,<br />
bes. 233 ff.. Dank an Prof. Dr. Karl Siegbert Rehberg (Dresden) für den<br />
freundlichen Hinweis.
Service-Kunst Anmerkungen<br />
der geforderten Haltung, beantworten kann oder will, der also<br />
naiv auf tatsächliche Partizipation pocht.<br />
Näher als am Versuch der „Reintegration von Kunst in<br />
Lebenspraxis“, die eher auf die eigentlich doch marginale Praxisrelevanz<br />
der Service-Kunst abheben müßte, erscheint mir in<br />
Bezug auf die Partizipation am Programm der Service-Kunst,<br />
bzw. zugespitzer: in Bezug auf das Mitfigurieren in der Service-<br />
Kunst eine Parallele zu einem Phänomen, das Oskar Bätschmann<br />
für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts untersucht hat. Bätschmann<br />
bezog Lebende Bilder, den Brauch, Skulpturen bei Fackellicht<br />
zu betrachten und die Bedeutung des Pygmalion-Stoffes für<br />
die Herausarbeitung eines „Problems des Selbstbewußtseins und<br />
der Geschichtlichkeit, die das Subjekt bedrängen“, mit ein: „Die<br />
Verwandlung des Werkes in der Betrachtung ist der paradoxe Versuch,<br />
ihm als Subjekt eine Zeit zu verschaffen, die der Geschichtlichkeit<br />
nicht untersteht. Die Dauer des Lebendigen ist der Ort<br />
des Eros.“ 83 Wahrscheinlich ist es gewagt, im Sprung über 250<br />
Jahre von der Aktualität dieses Topos für Service-Kunst zu sprechen,<br />
andererseits begünstigt die (nicht nur) service-künstlerische<br />
Interdependenz von Publikum und Künstlern in einer Szene<strong>kunst</strong><br />
Haltungen und Begehrlichkeiten, denenzufolge von einer<br />
Selbstaffektion des Betrachters gesprochen werden kann, der als<br />
nunmehr Mitfigurierender in der Kunst sich doch zugleich von<br />
weiterer Konsequenz in Unbelangbarkeit dispensiert. Nirgends<br />
als nur innerhalb des Mitfigurierens greift der pygmalionische<br />
Topos.<br />
Was das Moment der „Kristallisation“ des Service anbelangt,<br />
so könnte es auch mit dem Begriff der „Mortifikation“ in Zusammenhang<br />
gebracht werden, den Renate Berger als Pendant zu<br />
„Metamorphose“ auf den leibhaftigen Gebrauch der Puppe und<br />
83 Oskar Bätschmann: „Pygmalion als Betrachter. Die Rezeption von<br />
Plastik und Malerei in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts“, erstmals<br />
in: „Jahrbuch des Schweizerischen Instituts für Kunstwissenschaft“,<br />
1974 – 77, S. 179 – 195, Neuabduck in überarbeiteter Fassung bei<br />
Wolfgang Kemp: „Der Betrachter ist im Bild. Kunstwissenschaft und<br />
Rezeptionsästhetik“, Berlin 1992, S. 237 – 278, (hier zit.) S. 258.<br />
275
276<br />
Anmerkungen Christian Janecke<br />
deren Motiv in der Literatur bezogen hat. Anhand vieler Beispiele<br />
analysiert sie, daß und wie in der Mortifikation der Puppe, also<br />
ihrer „Tötung“ (z. B. in effigie) bzw. vermittels der vom Benutzer<br />
vollzogenen Desillusionierung und Stillstellung hin auf das nunmehr<br />
entzauberte bloße „Material“ die pygmalionisch-männliche<br />
Sehnsucht nach einer „Kunst als Natur“, d. h. hier: als weibliches<br />
Fleisch, einen Notausgang für das letztendliche Scheitern ihres<br />
an die Puppe gehefteten Begehrens findet. 84<br />
Bätschmanns Untersuchung mit der Bergers verbindend liesse<br />
sich – in der Stillstellung des Service auf dessen prolongiertes<br />
Bild – vom Ineins pygmalionischen Begehrens (Service-Kunst wird<br />
in uns als Mitfigurierenden Wirklichkeit) und Distanzierung von<br />
Konsequenz (Mortifikation, Bilderstarrung zum Geschäftigen)<br />
sprechen.<br />
Das Mitfigurieren als einer prolongierten Kristallisation<br />
von Darstellung von Dienstleistung ist wohl diejenige<br />
Form der Wahrnehmung und des Dabeiseins, die uneingestandenermaßen<br />
der Service-Kunst entspricht.<br />
Was aber nach dem Vorwurf des Zynismus oder – ohne<br />
unterstellten Vorsatz – nach dem Vorwurf des szenekünstlerischen<br />
Selbstbetrugs klingt, wäre so wenig abzuurteilen, wie die<br />
im Haupttext besprochene, mangelnde Praxisrelevanz überhaupt,<br />
denn es könnte sein, daß die Service-Kunst der Kunstgeschichte<br />
ein ähnliches Problem auferlegt, wie es Religionssoziologen oder<br />
Ethnologen schon länger kennen, nämlich die mißliche Alternative<br />
zwischen einer verstehenden, aber kaum nach außen kommunizierbaren<br />
Innensicht und einer informierten, aber ungerührten<br />
Außensicht: Nämlich genau dann, wenn es sich bei der Service-<br />
Kunst um eine auf unausgesprochenen Verabredungskontexten<br />
basierende Rückkopplung einer Kunstrichtung der 90er Jahre an<br />
‚ihre‘ Betrachter handelt, die ihrerseits erst die Entwicklung jener<br />
ermöglichen und tragen.<br />
84 Renate Berger: „Metamophose und Mortifikation. Die Puppe“, In<br />
R. Berger/I. Stephan (Hg.): „Weiblichkeit und Tod in der Literatur“,<br />
Köln/Wien 1987, S. 265 – 290.
Service-Kunst Anmerkungen<br />
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278<br />
links: Roland Boden: Beipackzettel zum Multiple: Bausatz „Lebende Bombe“<br />
rechts: „Wadenwaschmaschine“ (Chindogu)
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280
281<br />
links: „Tragbarer Zebrastreifen“ (Chindogu)<br />
rechts: „Lippenstempel“ (Chindogu)
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„Baby-Wischmop“ (Chindogu)
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284
Adam Page: „Executive Box“ 1997 Kassel, dokumenta<br />
X<br />
oben: Fabrice Hybert: „Hybert Marché“ 1995, Musée<br />
285
286<br />
links: Andrea Zittel: „A–Z Escape Vehicle Owned and Customized by Bob Shiffler“ 1996<br />
rechts: Atelier van Lieshout: „Modular House Mobil“ 1995/96
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links: „Fahrbarer Wäscheständer“, (Chindogu)<br />
rechts: Carsten Höller: „Booster“ 1995 (Maastricht)<br />
289
290<br />
Jens Haaning: „Reisebüro“ 1997, © Galerie Mehdi Chouakri (Berlin)
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Guillaume Bijl: „Salon lavoir“ 1985, Galerie A. Ritorno (Genf)<br />
293
294<br />
oben: Res Ingold: „Beside this the Ingld Airlines System is unequalled“ 1985<br />
unten: Rirkrit Tiravanija: o. T. (Tomorrow is another day) 1996, Kölner Kunstverein
oben: Clegg & Guttmann: „Offene Bibliothek“ 1993, Hamburg<br />
unten: Novaphorm (Martin Eder/Lisa Junghanß), „Elektrolux“ 1997, Haus Schwarzenberg<br />
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296<br />
Novaphorm (Martin Eder/Lisa Junghanß),<br />
„Duftstreifen“ 1998, © Galerie Arndt & Partner
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298<br />
Joseph Beuys: „Honigpumpe am Arbeitsplatz“ 1977, Kassel, Dokumenta 6, © VG Bild
Marie-Ange Guilleminot: „Le Paravent“ 1997, Skulptur.Projekte Münster,<br />
Installation im Innenhof des Stadttheaters Neubrückenstraße<br />
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Christine Hill: „Volksboutique“ 1997, Kassel, Dokumenta X<br />
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