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Kunst & Interkontextualität


Kunst & Interkontextualität<br />

Materialien zum Symposium schau-vogel-schau<br />

Herausgegeben von Marcel Bühler und Alexander Koch<br />

Salon Verlag


Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme<br />

Kunst & Interkontextualität:<br />

Materialien zum Symposium schau-vogel-schau /<br />

mit Beitr. von Jean-Christophe Ammann …<br />

Hrsg. von Marcel Bühler und Alexander Koch. – Köln :<br />

Salon-Verl., 2001<br />

ISBN 3-89770-119-7<br />

© 2001 Kunstverein ]postvacuum[ Leipzig e. V.<br />

Alle Rechte an den Texten liegen bei den Autoren<br />

Eine Publikation des Kunstvereins ]postvacuum[ Leipzig e. V.<br />

im Salon Verlag, Köln (www.salon-verlag.de)<br />

Herausgegeben von Marcel Bühler und Alexander Koch<br />

Layout und Satz: Claudia Heckel<br />

Druck: Messedruck Leipzig GmbH<br />

Verarbeitung: Kunst- und Verlagsbuchbinderei Leipzig GmbH


Inhalt<br />

M A R C E L B Ü H L E R / A L E X A N D E R K O C H . . . . . . . . . . . . . . . . 009<br />

Vorwort<br />

A L E X A N D E R K O C H . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 019<br />

In den Falten der Kunst<br />

Eröffnungsrede<br />

H A N S D I E T E R H U B E R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 029<br />

Interkontextualität und künstlerische Kompetenz<br />

Plamen Dejanov und Swetlana Heger<br />

D I E T M A R K A M P E R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 049<br />

Kunst jenseits der Kompetenz<br />

Erste Podiumsdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 056<br />

mit Stephan Schmidt-Wulffen,<br />

Hans Dieter Huber und Dietmar Kamper<br />

B E T T I N A A L L A M O D A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 071<br />

Architec-Skulptur or Urban Landart<br />

J E A N - C H R I S T O P H E A M M A N N . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 097<br />

Der 6. Kondratieff und die Kunst<br />

H O R S T P R E H N . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113<br />

Zwischen Empfindung und Bedeutung<br />

S T E P H A N S C H M I D T- W U L F F E N . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163<br />

Einführende Zusammenfassung des ersten<br />

Symposiumstages


Inhalt<br />

C H R I S T I N E E I C H E L . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173<br />

Vom Flaschentrockner zur Imbißbude –<br />

künstlerische Strategien in der Ornamentalen Kultur<br />

O L A F N I C O L A I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197<br />

Gläserne Räume (Eine Skizze)<br />

Zweite Podiumsdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210<br />

mit Stephan Schmidt-Wulffen,<br />

Olaf Nicolai und Christine Eichel<br />

C H R I S T I A N J A N E C K E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225<br />

Service-Kunst.<br />

Nutzungsangebote in Projekten der Gegenwarts<strong>kunst</strong><br />

zwischen Bild und Vorgeblichkeit<br />

K N O W B O T I C R E S E A R C H ( K R + c F ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303<br />

Für eine künstlerische Praxis mit Medien<br />

Material aus Kollaborationen zwischen Hans Ulrich Reck,<br />

Siegfried Zielinski und Knowbotic Research<br />

Schlußpodiumsdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322<br />

mit Stephan Schmidt-Wulffen, Christian Janecke,<br />

Christian Hübler und Olaf Nicolai<br />

M A R C E L B Ü H L E R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341<br />

Selbstkonstruktion<br />

Ein utopischer Versuch<br />

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364


224


C H R I S T I A N J A N E C K E<br />

Service-Kunst.<br />

Nutzungsangebote in Projekten der Gegenwarts<strong>kunst</strong><br />

zwischen Bild und Vorgeblichkeit<br />

Das Thema und seine Entwicklung<br />

Gegenstand der vorliegenden Studie 1 ist eine Perspektive auf<br />

Service-Kunst, derzufolge der eigentliche Dienstleistungsgedanke<br />

gelungenenfalls zurücktritt hinter ein Bild bzw. eine darstellende<br />

Verkörperung von Dienstleistung. Diese Perspektive widerspricht<br />

dem Grundtenor der mit Service-Kunst und dem näheren Umfeld<br />

beschäftigten Kunstkritik in wenigstens zwei Hinsichten:<br />

Erstens wird die – auch von Künstlern – programmatisch vorgetragene<br />

Praxisrelevanz und z. T. sogar jegliche über Betrachtung<br />

hinausgehende „Benutzungsnotwendigkeit“ der diversen<br />

Angebote in Frage gestellt.<br />

Zweitens wird genau dies zunächst nicht als Mangel, (also als<br />

zu dürftiger Aktivismus oder als bloßes Kokettieren mit neuerlich<br />

wieder hoch im Kurs stehendem sozialen Engagement), sondern<br />

als u. U. ästhetisch anspruchsvolle Herausforderung zu veränderten,<br />

namentlich das Theatrale rehabilitierenden Rezeptionsweisen<br />

begriffen.<br />

1 Die vorliegende überarbeitete und erweiterte Fassung des Vortrags<br />

„Wadenwaschmaschine. Zur Vermeintlichkeit der Benutzungsaufforderung<br />

in Produkten und Projekten der Gegenwarts<strong>kunst</strong>“ wurde 1998<br />

abgeschlossen, im wesentlichen wurden nur wenige Angaben (meist zur<br />

Literatur) für den Zeitraum bis 2000 ergänzt. (Vortrag für: „schau–vogel<br />

–schau. Das Symposium über interkontextuelle künstlerische Kompetenz“,<br />

Alte Handelsbörse Leipzig, 16./17. Oktober 1998. An der HfBK<br />

Dresden nahm ich im Wintersemester 1998/99 die Gelegenheit wahr,<br />

in einer Kooperation von Kunsthistoriker und Künstler gemeinsam mit<br />

Prof. Eberhard Bosslet eine Lehrveranstaltung zum Thema „Service-<br />

Kunst“ anzubieten, die neben systematischen Fragestellungen und verschiedenen<br />

monographischen Anwendungsbeispielen auch Präsentationen<br />

und Originalbeiträge einzelner, als Gäste geladener KünstlerInnen<br />

ermöglichte. Eberhard Bosslet, Marcus Janßen, den KünstlerInnen,<br />

insbesondere Lisa Junghanß und Martin Eder sowie den Studierenden<br />

verdanke ich Anregung und Kritik. Herrn Prof. Dr. Bernhard Kerber<br />

(Berlin) danke ich für einige Hinweise und Gespräche.<br />

Anmerkungen<br />

225


226<br />

Anmerkungen Christian Janecke<br />

Einschränkend für den Gegenstandsbereich der Untersuchung<br />

gilt, daß sie sich schon der Fragestellung nach weniger<br />

auf jene verschiedentlich auch unter dem Namen „Services“ 2<br />

kursierenden Aktivitäten bezieht, die sich vornehmlich als postwendend<br />

schriftlich dokumentierte Thematisierung der Verhältnisse<br />

von Kuratoren, Rezipienten, Künstlern und Auftraggebern<br />

untereinander ergeben und als Kunstbetriebshygiene folglich<br />

mehr zu lesen als zu sehen anbieten, sondern eher auf das überwiegende<br />

Spektrum derjenigen Service-Kunst, die weniger von<br />

Diskussionsforen, als vielmehr entschieden von KünstlerInnen<br />

ausgeht und die im Arrangement ihres Service auf anschaulich<br />

originäre Formen zurückgreift. (Was nicht bedeutet, daß eine<br />

Übertragbarkeit der Ergebnisse in jedem Fall ausgeschlossen werden<br />

muß.)<br />

Zum Einstieg wird „Chindogu“, von dem<br />

ich in zwei Worten wirklich nicht sagen sollte, um was es sich<br />

handelt, mit pseudobenutzbaren Objekten der Gegenwarts<strong>kunst</strong><br />

verglichen, denn deren Produkte sind den Projekten der Service-<br />

Kunst wenigstens unter der Hinsicht ähnlich, die untersucht wird.<br />

Im weiteren werden sie dann aber vernachlässigt, obwohl sie eine<br />

eigene Studie wert wären.<br />

Es werden zentrale <strong>kunst</strong>historische Problemstellungen in Vorläuferformen<br />

herausgearbeitet und das gegenwärtige <strong>kunst</strong>kritische<br />

Spektrum zur Service-Kunst erörtert, um die eigene Perspektive<br />

nicht völlig losgelöst von diesem Hintergrund vorzustellen – und<br />

natürlich, um sie in Auseinandersetzung mit den einschlägigen<br />

Positionen diskutieren und plausibilisieren zu können.<br />

Im Zentrum der Untersuchung steht meine oben angedeutete<br />

Perspektive auf Service-Kunst, ihr Bezug auf Bildlichkeit, auf<br />

Theatralität, auf die Implikationen dessen, was ich als „Vorgeblichkeit“<br />

begreife, sowie ein Seitenblick auf Performance und auf<br />

2 Vgl. hierzu die Beiträge von Helmut Draxler, Andrea Fraser u.a. in<br />

„Games, Fights, Collaborations. Das Spiel von Grenze und Überschreitung.<br />

Kunst und Cultural Studies in den 90er Jahren“, hg. v. Beatrice<br />

von Bismarck/u.a., (Kunstraum der Universität Lüneburg), 1. Aufl. Stuttgart<br />

1996.


Service-Kunst Anmerkungen<br />

Schlingensief.<br />

Ein nachfolgender Abschnitt ist dem Phänomen der Partikularisierung<br />

– und zwar für die Produktion wie für die Rezeption<br />

von Service-Kunst – gewidmet, das sich argumentativ mit der<br />

Hauptthese verknüpfen läßt.<br />

Abschließend führe ich letztere ihrerseits nochmal an einige<br />

ältere <strong>kunst</strong>wissenschaftliche Begriffe und Kategorien zurück, die<br />

sich bezüglich der Service-Kunst als aktuell erweisen könnten.<br />

In einer Art Nachschrift spitze ich meine Deutung der „Service-Kunst<br />

als Aufführung“ noch auf das Tableau-vivant-hafte zu.<br />

Herausforderung: Chindogu<br />

Der Beipackzettel zu dem Multiple „Bausatz ‚Lebende Bombe‘“<br />

, das der Dresdner Künstler Roland Boden schuf, verspricht<br />

„auch in bescheideneren finanziellen Verhältnissen […]<br />

durchschlagenden Erfolg“. Das in durchsichtige Folie geschweißte<br />

Multiple selbst enthält nur den unter „1“ illustrierten Gurt.<br />

Die Gebrauchsanweisung ist instruktiv und humorvoll formuliert:<br />

„Bedenken Sie, daß der Bausatz zum einmaligen Gebrauch<br />

bestimmt ist“.<br />

Der zum Vergleich herangezogene Artikel ist ausdrücklich<br />

kein Produkt der Gegenwarts<strong>kunst</strong>, tritt jedenfalls nicht mit diesem<br />

Anspruch auf. Mit den Attributen: „preiswert, ökologisch und<br />

gesund“ charakterisiert der namentlich nicht genannte Erfinder<br />

die Vorzüge seiner „Wadenwaschmaschine“ , abgebildet und beschrieben<br />

in der jüngst bei Dumont auf deutsch herausgegebenen<br />

Anthologie: „Chindogu“ von Kenji Kawakami3 1<br />

1 � 278<br />

2<br />

2 � 279<br />

.<br />

Aus der Beschreibung: „Wie funktioniert eine Waschmaschine?<br />

Wasser, Waschmittel, schmutzige Wäsche, dann das Ganze<br />

hin- und herschaukeln, mehr ist es im Prinzip nicht. […] Mit<br />

unserer Wadenwaschmaschine sparen Sie Strom, Wasser, Waschmittel<br />

– und sind dabei immer in Bewegung! Stellen Sie sich nur<br />

3 Kenji Kawakami: „Chindogu oder 99 (un) sinnige Erfindungen“,<br />

übers. v. Anita Brockmann, deutsche Bearbeitung von Thomas Hauffe,<br />

Köln 1997, Abb. und Text unter Nr. 19 (o. S.)<br />

227


228<br />

Anmerkungen Christian Janecke<br />

3 � 280<br />

4 � 281<br />

5 � 282<br />

einmal vor, Ihr Mann trainiert […] für den nächsten Marathon<br />

– bei der Kapazität können Sie Ihre Waschmaschine schon fast<br />

gewerblich nutzen!“ 4<br />

In beiden Beispielen haben wir Produkte,<br />

oder genauer gesagt, zusammengebastelte Prototypen vor uns,<br />

die eine spätere Massenanfertigung, ja sogar eine für heutige<br />

industrielle Produkte typisch adressatenspezifische Diversifikation<br />

des Angebotes projektieren. Um ganz präzise zu sein, müßte<br />

man allerdings einräumen, daß diese Projektierung nur gemimt<br />

wird, denn es steht außer Frage, daß in beiden Fällen eine Produktion<br />

bzw. ein Einsatz zwar denkbar, aber kaum wünschbar bzw.<br />

schwer machbar wäre.<br />

Dazu fügt sich beide Male der anpreisende oder instruierende<br />

Text, der ebensoviel vom schon etwas in die Tage gekommenen<br />

Aufforderungstonfall der Konzept<strong>kunst</strong> wie auch von Reklame<br />

oder Gebrauchsanweisung in sich trägt.<br />

„Chindogu“ 5 bedeutet so viel wie „merkwürdiges<br />

Werkzeug“ oder „seltsame Gerätschaft“, und dahinter verbirgt<br />

sich ein ganzer Haufen ebenso origineller wie unausgegorener<br />

Ideen für Produkte, die eigentlich niemand 3 braucht – aber brauchen<br />

4 könnte: vom tragbaren Zebrastreifen über Lippenstempel<br />

(für eilige Schönheiten) und künstliche 5<br />

Daumennägel (für Kauwütige)<br />

bis hin zum Baby-Wischmop , den man seinem Jüngsten<br />

als Kleidung verpassen kann – krabbelnd soll sich der Nachwuchs<br />

nolens volens nützlich machen.<br />

Unterhaltsam ist Chindogu, weil es Lösungen für bisweilen<br />

nichtexistente Probleme anbietet, weil technische Kohärenz und<br />

denkbare Benutzbarkeit durch den Unernst der Angelegenheit<br />

nicht geschmälert werden – darin steht es dem Spiel recht nahe.<br />

Der Aufsatztitel versprach aber nicht eine<br />

Untersuchung von Produkten, sondern ausdrücklich von Projek-<br />

4 ebd.<br />

5 Das Wort „Chindogu“ bezeichnet in deutscher Verwendung sowohl<br />

Singular als auch Plural einzelner solcher Erfindungen und als Gattungsbegriff<br />

zugleich das Ganze der Aktivitäten. Dies erlaubt freiere<br />

präpositionale Einbettung im weiteren Text.


Service-Kunst Anmerkungen<br />

ten der Gegenwarts<strong>kunst</strong>. Hier klingt an, was seit Anfang/Mitte<br />

der 90er Jahre als „Service-Kunst“ die Runde machte: in ambitionierten<br />

Ausstellungen, später – und mittlerweile abklingend<br />

– als Modewelle und manchmal entkoppelt von sozialen und<br />

(<strong>kunst</strong>-) historischen Bezügen. 6<br />

Der Zusammenhang zwischen vermeintlicher Benutzungsaufforderung<br />

in Produkten und Projekten der Gegenwarts<strong>kunst</strong><br />

ist jedoch offensichtlich, jedenfalls innerhalb einer weitläufigen<br />

6 Die Nennung monographischer Literatur wäre uferlos, sie erschließt<br />

sich einfach aus den im folgenden genannten Publikationen: Einen<br />

späten und leichtfüßigen Überblick gibt der Artikel: „Bitte sehr, bitte<br />

gleich. Kunst als Dienstleistung“, von Alfred Nemeczek in „ART“<br />

(5/1998), S. 26 – 37. 1995 fand in München (Kunsthalle/Hypo-Kulturstiftg.)<br />

die Ausstellung „Kunst als Dienstleistung“ statt; im Kunstraum<br />

Lüneburg: „Services. Bedingungen und Verhältnisse projektorientierter<br />

Praktiken“ (22. – 23. 4. 1994). Siehe hierzu auch: „Games, Fights, Collaborations“,<br />

(s. o.). Manche Beispiele im Einzugsgebiet des Themas<br />

finden sich in jüngeren, periodischen Großausstellungen: Skulptur.Projekte<br />

Münster, Biennale Venedig, Documenta Kassel, Whitney-Biennale<br />

New York (1993); Spezielleres in: „Surfing Systems“ (Kasseler Kunstverein<br />

1996), „Lost Paradise. Positionen der 90er Jahre“ (hg. v. Barabara<br />

Steiner), Stuttgart 1995, „ONTOM“ (Leipzig, Galerie für Zeitgenössische<br />

Kunst, 1998). Substantiell, aber nicht im engeren Sinne auf Service-Kunst<br />

versiert, die von Nina Felshin herausgegebene Anthologie:<br />

„But is it art? The spirit of Art as Activism“, Seattle, Washington 1995,<br />

sowie stellenweise Marius Babias’ Sammelband: „Im Zentrum der Peripherie.<br />

Kunstvermittlung und Vermittlungs<strong>kunst</strong> in den 90er Jahren“,<br />

Dresden/Basel 1995 (Fundus-Bücher), neuerdings: „Öffentlicher Raum<br />

Salzburg Lehen“, hg. v. Helmut Draxler, (zugleich Ausstellg. im Kunstverein<br />

Salzburg/u. a., 25. 4. – 24. 5. 98), München 1998. Bezüglich der<br />

Haltung des Museums zu der Frage, ob es Service-Kunst beherbergen<br />

könne und solle, bzw. ob dann „Vereinnahmung“ solcher Ansätze drohe<br />

oder aber das Museum sich seinerseits ernsthaft wandeln könne, lese<br />

man Beatrice von Bismarck: „Ort des Handelns, Handels und Verhandelns.<br />

Funktionale Bestimmungen des Museums in den 90er Jahren“,<br />

in: „OUMERT 3“, publiziert anläßlich der Ausstellung von Fabrice<br />

Hybert: „TESTOO‚ MUSTER“ der Galerie für Zeitgenössische Kunst<br />

Leipzig (1997), sowie Kunstraum der Universität Lüneburg (1995/96),<br />

S. 161 – 167.<br />

Vom Verfasser stammen folgende Aufsätze und kleinere Texte zum<br />

Thema: „Inszeniertes Als-ob“, in: „The Thing between“, Katalog zur<br />

Ausstellung in den Technischen Sammlungen Dresden, (hg. v. Roland<br />

Boden u. Ulrike Gärtner), S. 25-36, Dresden 1996; „Dienstleistungstheater.<br />

Schlingensief grüßt die Service-Kunst“, in „Theater“ März 1999<br />

/Heft 1, S. 31 – 36; „Zeitgenössische Bezüge zu Material u. Wirkung“,<br />

229


230<br />

8� 286<br />

9� 287<br />

10� 288<br />

In: „Material & Wirkung. Eberhard Bosslet, Werner Klotz, Otmar Sattel“,<br />

Katalog zur Ausstellung im Kunsthaus Dresden/Städtische Galerie<br />

für Gegenwarts<strong>kunst</strong>, 18. 7. – 13. 9. 1998, S. 14 – 33, bes. S. 26 ff. (hier<br />

Bezug des Ansatzes von M. & W. aus den 80ern zur zeitgenössischen<br />

Service-Kunst); „Service-Kunst-Geschichte“, in „beschreiben – zum<br />

beispiel eine <strong>kunst</strong>hochschule“, Jahrbuch 3 der Hochschule für Bildende<br />

Künste Braunschweig (Hg. M. Schwarz), Braunschweig/Köln 1999,<br />

S. 173 – 178; „Reinigungsgesellschaft“, in „German Open 1999 – Gegenwarts<strong>kunst</strong><br />

in Deutschland“, Kat. Kunstmuseum Wolfsburg, 13. 11.<br />

1999-26. 3. 2000, Ostfildern Ruit 2000, o. S. (monographischer Beitrag).<br />

7 Diese Arbeit von Adam Page war auf einem Zipfel des Platzes vor dem<br />

Fridericianum anläßlich der Documenta X in Kassel zu betrachten bzw.<br />

zu nutzen; später unter anderem zur Ausstellung ONTOM (Leipzig).<br />

8 Hyberts Produktprototypen, sogenannte P.O.F.’s ( P.O.F. = Prototypes<br />

d’Objet en Fonctionnement) reizen zur Benutzung – z. T. sind<br />

sie Chindogu wirklich ähnlich, etwa im Falle von „Kitzeln“, Lärmschutzkopfhörern,<br />

deren Muscheln von Q-Tips durchbohrt sind, die<br />

von spielzeugüblichen Stanniolrotorblättern durch Wind in Drehung<br />

versetzt werden und infolgedessen den Benutzer kitzeln können (Nr. 7),<br />

oder im Falle der im Gehen aufblasbaren Beinkleidung (Nr. 51). (Zahlreiche<br />

ähnliche Beispiele mit Legende ab S. 112 ff.). Der Tabubruch<br />

gegen Konventionen des musealen Raumes – die ganze Ausstellung wird<br />

Museumsshop – wird durch den Service von Verkauf und Kauf erst<br />

aktuell. Vgl.: „OUMEURT“ N°. 3, (o. S.).<br />

9 Die 1996/97 entstandenen „A-Z Escape Vehicles“ (z. B. auf der<br />

Documenta X, Kassel) miniaturisieren die klassische Campingwagenform<br />

und bieten dem Sammler die Möglichkeit, das Innere und den Einstiegsbereich<br />

individuell auszustatten. Zu J. van Lieshout vgl.: „Atelier<br />

Joep van Lieshout. Ein Handbuch“, Ausstellungkat. Kölnischer Kunstverein/Museum<br />

Boymans van Beuningen, Ostfildern (Cantz) 1997.<br />

Christian Janecke<br />

Schnittmenge, etwa wenn Künstler eine selbst gestaltete „Executive-Box“<br />

7 auf Großausstellungen dem interessierten Publikum<br />

zur kommunikativen oder medialen Nutzung bereitstellen, oder<br />

wenn Fabrice Hybert seinen Kunst-Supermarkt („Hybertmarché“)<br />

im Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris plaziert. 8<br />

Der Sprung von einem vermeintlich nutzbaren Campingvehikel-Objekt<br />

von Andrea Zittel oder besser noch: den Polyester-<br />

Kabinen Joep van Lieshouts9 6<br />

7<br />

6� 284<br />

8<br />

9<br />

als Produkten, hin zu Projekten,<br />

nämlich dem Offerieren dieser Produkte – welches dann den<br />

Kunstanspruch begründet – ist nicht groß, manchmal sind die<br />

Grenzen fließend.<br />

7� 285<br />

Übrigens auch beim 10 Chindogu: Beispielswei-


Service-Kunst Anmerkungen<br />

se hat der „Fahrbare Wäscheständer“ , ersonnen für „die mobile<br />

Gesellschaft des 20. Jahrhunderts“ 10 , strukturelle Ähnlichkeiten<br />

mit Carsten Höllers „Booster“ 11 , einem 1995 für Maastricht<br />

geschaffenen „Bett für Verliebte“; und wenn es sich im Falle des<br />

Chindogu auch nur um ein entworfenes Produkt und noch nicht<br />

um ein Projekt handelt, so wäre es zur Dienstleistung doch nur<br />

ein kleiner Schritt ohne nennenswertes ästhetisches Surplus.<br />

Wie es sich für japanische Künste – oder auch nur modische<br />

Bewegungen – gehört, gibt es beim Chindogu einen Regelkanon,<br />

dessen Schnittstellen zu den ungeschriebenen Regeln des Kunstbetriebes<br />

interessieren dürften: Chindogu sollen dem Laien in<br />

aller Welt verständlich, sie sollen funktional, jedoch ohne praktischen<br />

Nutzen sein; sie dürfen nicht zum bloßen Scherzartikel<br />

sinken; sie sollen nicht vermarktet und verkauft werden; ihre<br />

Anarchie soll nur im Respekt vor dem Menschen eine Schranke<br />

finden. Als „anarchisch“ begreift Kawakami die vom Chindogu<br />

initiierte Kritik der Überflußgesellschaft, insofern diese Erfindungen<br />

den hybriden Charakter all unserer technischen Lebenserleichterungen<br />

mittels Übertreibung decouvrieren; zugleich<br />

erhofft er sich (zenbuddhistisch gefärbte) Kontemplation: „Ich<br />

würde mich freuen, wenn Menschen aus aller Welt sich mit entleertem,<br />

jungfräulichem Geist auf der intellektuellen Spielwiese<br />

von Chindogu tummeln würden“. 12<br />

11<br />

11 � 289<br />

Vergleicht man dieses Programm mit den meist ehrgeizig<br />

– und selten so humorvoll wie in den vorgeführten Beispielen<br />

– daherkommenden Ambitionen der Künstler, so stößt man auf<br />

merkwürdige Unstimmigkeiten: Die für das Chindogu reklamierte<br />

Funktionalität bei gleichzeitiger Verweigerung praktischen<br />

Nutzens – man könnte auch noch die Originalität bei<br />

gleichzeitigem Tabu bloßen Scherzens nennen – erinnert doch<br />

wenigstens entfernt an Kants Bestimmung des Schönen als des<br />

10 Kawakami, Nr. 20.<br />

11 „Carsten Höller: Glück/Skop“, Katalog der Teilausstellungen in den<br />

Kunstvereinen Hamburg u. Köln sowie im Centraal Museum Utrecht<br />

(März 1996 – Febr. 1997) u. der Wiener Secession (Mai – Juli 1996),<br />

ersch. Köln 1996, Abb. o. S.<br />

12 Kawakami, Vorwort (o. S.)<br />

231


232<br />

Anmerkungen Christian Janecke<br />

Zweckmäßigen ohne Zweck. Und nimmt man den Regelkanon<br />

in seiner Gänze, so situiert er Chindogu recht genau zwischen<br />

(ästhetischer) Fiktion und (alltagspraktischer) Realität – ohne<br />

hehren Kunstan-spruch wohlgemerkt. Das Paradox ist also, daß<br />

Chindogu freiwillig dem Kunstanspruch entsagt, wiewohl es der<br />

Vielschichtigkeit der Kunst geneigt ist, während besagte Kunstprodukte<br />

und -projekte künstlerisch legitim werden, indem sie<br />

die Kunst zugunsten einer ihrer Komponenten – vielleicht eines<br />

Kontrahenten –, nämlich der Praxisrelevanz, vereinseitigen.<br />

Die Künstler und ihre Vor- und Nachdenker beeilen sich, die<br />

eindeutige Praxisrelevanz13 12 � 290 12<br />

der Dienstleistungen oder Produktprototypen<br />

hervorzuheben, ahnend, daß ihnen nur so die<br />

Aufmerksamkeit einer saturierten Kunstwelt zuteil wird. Das aufgrund<br />

knapper finanzieller und infrastruktureller Ressourcen oft<br />

genug Dilettantische der Ausführung und Planung wird in Distribution<br />

und Verbalanpreisung nach Kräften unterdrückt und<br />

selten von der Not zur Tugend erhoben – die es ästhetisch doch<br />

sein könnte! Aber dazu später. Liest und blättert man in einschlägigen<br />

Publikationen, Broschüren und Katalogen im Umkreis der<br />

Service-Kunst, so erstaunt das angestrengt professionelle Image:<br />

Hartnäckig bekennt man sich zur Praxisrelevanz der eigenen Projekte<br />

und verweist stolz auf jenen Anwohner aus der Nachbarschaft,<br />

der jüngst nachweislich wirklich nur ein Ticket im „Rei-<br />

13 Bezeichnend, daß eine prominente, mit Praxisrelevanz sympathisierende<br />

Autorin wie Isabelle Graw bezüglich der Begriffsverschiebungen<br />

im Bereich „Kunst“ bekennt: „Ein Beispiel der Naturalisierung eines<br />

solchen Vokabulars ist der häufige Gebrauch, auch bei mir selbst, von<br />

‚künstlerische Praxis‘ statt ‚Kunst machen‘ oder ‚Arbeit‘. Künstlerische<br />

Praxis heißt, daß die Kunst nicht an ihren Grenzen endet, sondern eine<br />

Aktivität ist, die auf das Leben einwirkt, daß sie einer Operation ähnelt.“<br />

Redebeitrag zur Podiumsdiskussion: „Kritische Foren: Die Organisation<br />

von Oppositionalität“, in M. Babias: „Im Zentrum der Peripherie“,<br />

S. 151 – 203, zit. S. 158.<br />

14 Jens Haaning richtete in der Galerie Mehdi Chouakri (Berlin/1997)<br />

ein „Reisebüro“ ein. Nicht benutzte Tickets wurden nach dem Verfall<br />

zum Kunstwerk, so daß der bereits im Reisebüro service-künstlerisch<br />

initiierte Wechselbezug von Kunst und Praxis für den Kunden ein weiteres<br />

Mal aktuell wurde: Er entschied, ob ihm eine Reise oder eine Kunstaktie<br />

lieber war. Vgl. „Flash Art“, Bd. 30, Nr. 197, Nov./Dez. 1997,<br />

S. 116 f.


Service-Kunst Anmerkungen<br />

sebüro“ 14 hatte buchen, oder der wirklich nur Spaß hatte haben<br />

wollen. Ästhetisch Unbeleckte, jugendliche Konsum- und Pophedonisten<br />

werden zur gekürten Klientel, weil sie einvernehmlich<br />

jenem Aktivismus der Clubs und Arrangements entsprechen,<br />

deren Tabubrüche gegenüber einem auf Betrachtung und Reflexion<br />

nicht verzichtenden Werkbegriff diese Projekte doch erst<br />

als Innovation innerhalb der Kunst profilierte. Pointiert: Der<br />

progressive Kunstvereinsleiter kann dem neugierig unvoreingenommenen<br />

Betrachtungsnovizen die Hand reichen, die er den<br />

in Bezug auf Kunstkompetenz dazwischen Stehenden verweigern<br />

müßte. 15<br />

Vorläufer. Kunsthistorische Problemstellungen<br />

Was hätte – abgesehen von Kuriosum und Polemik – dafür<br />

sprechen können, mit der Gegenüberstellung von Chindogu und<br />

der humorvollen Fraktion der Als-ob-Kunst bzw. der Service-<br />

Kunst zu beginnen? Der Grund dafür lag in der Bereitung eines<br />

15 Eine groteske Situation, die im Prinzip auch auf dem Leipziger<br />

Symposium „schau-vogel-schau“ zu beobachten war, etwa wenn anläßlich<br />

der Projektvorstellung von „Knowbotic Research“ bestallte Kunstfachleute<br />

mit unbestallten „Gutmenschen“ aus dem Publikum von zwei<br />

Richtungen her, (humanitär hier, <strong>kunst</strong>kritisch emanzipativ dort), in<br />

künstlerischem Sozialeudämonismus konvergierten und ihre anderweitig<br />

verständlichen Diskrepanzen überwinden konnten.<br />

Man unternehme es einmal, Ulf Wuggenigs nach allen Regeln empirischer<br />

Sozialforschung argumentierenden Text über die Akzeptanz von<br />

Fabrice Hyberts Kunst-Supermarkt in verschiedenen – auf Kenntnisse<br />

innerhalb des zeitgenössischen Kunstbetriebs bezogenen – Rezipientenkreisen<br />

gegen den Strich zu bürsten: Aus seinen z. T. paradoxen<br />

Ergebnissen mag sich zwar einerseits eine Bestätigung des von Bourdieu<br />

analysierten „distinguierten Habitus“, sowie auch der hoffnungsfroh zur<br />

Kenntnis genommene Nachweis unvermuteter Öffnung und Akzeptanz<br />

in uneingeweihten Kreisen ableiten lassen, andererseits verfälscht<br />

doch gerade die unfreiwillige Konvergenz der ästhetisch unbedarft<br />

sich über endlich einmal benutz-, betast- und verstehbare Kunstartikel<br />

Freuenden mit den ästhetisch versiert auf Veränderungen im Kunstbetrieb,<br />

auf emanzipative und nicht bloß musealisierende Funktionen des<br />

Museums Hoffenden die Interpretation. Vgl. Ulf Wuggenig: „Stimmen<br />

von Marcel Duchamp und Martin Heidegger, Klänge von John Cage<br />

und Vivaldi [Ergebnisse einer Befragung des Publikums von Fabrice<br />

Hyberts „1–1=2“ im Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris]“, In<br />

„OUMEURT“, S. 139 – 153.<br />

233


234<br />

Anmerkungen Christian Janecke<br />

neutralen Vergleichsfeldes, welches die Frage nach dem Werk als<br />

solchem und nach seiner möglicherweise nur spielerischen Offerte,<br />

also auch nach der Vermeintlichkeit der Benutzungsaufforderung<br />

nicht von vorneherein ausschließt – ein Vergleichsfeld, das aber<br />

unversehens einer einseitigen Auseinandersetzung weicht, sobald<br />

man sich dem kräftig, allerdings monokulturell beackerten <strong>kunst</strong>kritischen<br />

Umfeld der Service-Kunst widmet – was nach einer<br />

Bemerkung zum geistesgeschichtlichen und einem Streifzug zum<br />

<strong>kunst</strong>geschichtlichen Hintergrund getan sei; anschließend werden<br />

die eingangs gesponnenen Fäden wieder aufgegriffen.<br />

Geistesgeschichtlich oder bescheidener: zeitgeistgeschichtlich<br />

betrachtet, führen verschiedene Wege zur Service-Kunst, wobei<br />

ich einschränke, daß das im folgenden Skizzierte eher Hintergrund<br />

für das Umfeld der Service-Kunst, als für diese selbst ist.<br />

Die von Stephan Schmidt-Wulffen 16 für ein Verständnis<br />

des Künstlerisch-Politischen fruchtbar gemachte Foucaultsche<br />

Unterscheidung zwischen dem universellen und dem spezifischen<br />

Intellektuellen wäre zu nennen, und zwar für Künstler der 70er<br />

und der 90er Jahre. Wenn man der Deutlichkeit und Kürze halber<br />

geneigt ist, der dekadentypischen Abrundung zu folgen, so<br />

wäre das Intermezzo der 80er Jahre bezüglich des Mainstream<br />

eher durch entpolitisierende, sinnliche Opulenz, aus der Sicht<br />

der heute erfolgreichen Kuratoren durch restaurative Tendenzen<br />

(Kiefer, Baselitz) gekennzeichnet. Diedrich Diedrichsen 17<br />

rekapituliert die Vorwürfe, die in dieser Zeit zwischen Kunst<br />

und Politik hin und her gingen: „Konsumismus“, später: „Theoriefeindlichkeit“,<br />

skandierte die politische Linke, „Weltfremdheit“,<br />

später: „Ihr labert ja nur“, konterten die Künstler. Dem<br />

stehe, so Diedrichsen, die integrative Re-Politisierung der 90er<br />

16 Stephan Schmidt-Wulffen: „Künstlerisches Handeln und politisches<br />

Selbstverständnis in den 70er und 90er Jahren“, In: „Lost Paradise.<br />

Positionen der 90er“, (zugleich Katalog Kunstraum Wien 1994), hg. v.<br />

Barabara Steiner, Stuttgart 1995, S. 148 – 154, hier S. 148.<br />

17 Diedrich Diedrichsen: „Gefühlte Paprika – Die politische Subjektivität<br />

der Boheme“, in „Texte zur Kunst“ Nr. 11, S. 65 – 79, bes. Abschn.<br />

II., zit. S. 74.


Service-Kunst Anmerkungen<br />

Jahre gegenüber: „Der Feststellung, als Bohemien gemeinsam<br />

mit Linken, Nichtdeutschen und Menschen dunkler Hautfarbe<br />

bedroht zu sein, geht die Universalisierung des Selberdenkens<br />

voraus.“ Der „Selberdenker“ der 90er Jahre modifiziert seinen<br />

„Individualismus im Zuge seiner Re-Universalisierung und<br />

Re-Politisierung: ein bißchen institutionelles, nicht-existentialistisches<br />

Wissen ist schon ganz gut.“ Ohne diese polemischen<br />

Untertöne resümiert Andreas Spiegl 18 : „Die Rückeroberung<br />

eines geschichtlichen Projekts, die sich analog zur Auflösung<br />

des Sowjet-Imperiums entfaltete, war die […] Folge, wenn auch<br />

unter der geänderten Bedingung, daß es sich nun […] um Partikularinteressen<br />

handelte, die zur Disposition gestellt wurden<br />

und werden: Aids, Gender, Diskriminierung von Randgruppen,<br />

ethnischen Minderheiten und Rassen, usw.“ Mag dies auch schon<br />

auf Jan Hoets Documenta 9 zu Anfang der 90er Jahre zum (etwas<br />

verspäteten) Ausdruck gekommen sein, so entpuppte sich dieses<br />

Unterfangen dennoch als vorläufig letzter, großangelegter Versuch,<br />

dies unter den Auspizien der eher klassischen Medien und<br />

des Werks zu demonstrieren. Der zu dieser Zeit bereits unterschwellige<br />

Umbruch, (der sich ja auch als Rückbruch beschreiben<br />

ließe), zu Projekten, Kooperationen, Initiativen, Recherchen und<br />

dergleichen hob danach unmißverständlich an. Hatte „Kunst als<br />

soziales Projekt“ stets weiter stattgefunden, war sie also in den<br />

80er Jahren eben nur an den Rand des Gesichtsfeldes gedrückt<br />

worden, so entstand Service-Kunst als größere Bewegung erst zu<br />

Anfang der 90er Jahre. Die Gründe dafür können daher nicht<br />

nur im besagten künstlerischen Umfeld gesucht werden, sondern<br />

es erscheint plausibel, daß es <strong>kunst</strong>historisch ortbare Entwicklungen<br />

gab, die so etwas wie einen terminus post quem für ein<br />

Aufblühen dieser speziellen Richtung markierten.<br />

Die folgenden <strong>kunst</strong>historischen Betrachtungen<br />

streben verständlicherweise keine lückenlose Herleitung der<br />

Service-Kunst an, erstens läge dies jenseits meiner spezielleren<br />

18 Andreas Spiegl: „Die Kunst im Jurassic Park oder die Ästhetik des<br />

Diskurses“, In: „Lost Paradise“, S. 59 – 65, zit. S. 61.<br />

235


236<br />

Anmerkungen Christian Janecke<br />

Fragestellung, zweitens erscheint mir die angedeutete Suche nach<br />

problemgeschichtlichen Zusammenhängen ertragreicher. Zugunsten<br />

der Übersichtlichkeit und zur besseren Erfassung von z. T.<br />

ineinander übergehenden Entwicklungen halte ich mich an eine<br />

historische Folge.<br />

Zunächst ein Wort zum Situationismus 19 der 50er und 60er<br />

Jahre, der in den 80ern so gut wie vergessen war. Bei oberflächlicher<br />

Betrachtung bieten sich die Arrangements von „Situationen“<br />

dem Vergleich an, interessanter erschiene mir ein Blick auf<br />

das ambivalente Verhältnis zur Popkultur. 20 Die Situationisten<br />

okkupierten die schnelle Verbal- und Bildsprache der Comics,<br />

um sie mittels Verfremdung gegen den als affirmativ und verblendend<br />

erachteten Ungeist hochzivilisierter Gesellschaften zu<br />

richten, dessen – wenn auch nicht ursprünglicher – Ausdruck<br />

diese Comics auch aus Sicht der Situationisten doch größtenteils<br />

waren. Gegen die Aufnahme der Comics in der frühen Pop<br />

Art mußte man sich also abgrenzen. Daß die Konsumgüterästhetik<br />

der Pop Art ihrerseits nicht ohne Ironie auf einen kanonisierten<br />

„guten Geschmack“ der Moderne zielte, machte diesen<br />

Abgrenzungsversuch nicht leichter. Vielleicht kann man auch bei<br />

der Service-Kunst strukturell ähnliche Konflikte erkennen: Der<br />

Gegner wäre dann natürlich nicht mehr die Pop Art, aber ihr<br />

Erbe, ihr „Gang durch die Institutionen“, also die Durchdringung<br />

auch des außerkünstlerischen Alltags mit Logos, mit Corporate<br />

Identity, schließlich ihr Niederschlag in der Kunst der Appropriation<br />

Art, in Video-Clips, in den nahtlos fluktuierenden Berei-<br />

19 Vgl. hierzu Peter Kiwitz: „Lebenswelt und Lebens<strong>kunst</strong>. Perspektiven<br />

einer kritischen Theorie des sozialen Lebens“, München 1986, bes.<br />

Kapitel III.; Roberto Ohrt: „Phantom Avantgarde. Eine Geschichte der<br />

Situationistischen Internationale und der modernen Kunst“, (2. Aufl.),<br />

Hamburg 1997; „Situationists, art, politics, urbanism“, (mehrsprachige<br />

Ausgabe), hg. v. Libero Andreotti/Xavier Costa, Museu d’Art Contemporani<br />

de Barcelona 1996.<br />

20 Zum Verhältnis der Situationisten zu Popkultur und Pop Art vgl.<br />

Thomas Hecken: „Kunst und/oder Leben. Futuristisches, dadaistisches<br />

Varieté, situationistische Aktion, Pop Art“, in ders. (Hg.): „Der Reiz des<br />

Trivialen. Künstler, Intellektuelle und die Popkultur“, Opladen 1997,<br />

S. 109 – 140, bes. S. 123 – 132.


Service-Kunst Anmerkungen<br />

chen von Girlie-Schick bis in die Kunst des Neo Pop, aber eben<br />

auch noch bei Ingold Airlines oder bei Guillaume Bijl (s.u. im<br />

Text) – und zwar unbelassen der recht unterschiedlichen Zielrichtungen.<br />

Die Service-Kunst setzt diesen Einsteigermodellen<br />

verwandte Mittel entgegen, um sie kritisch gemeinten Zwecken,<br />

nämlich partikularen Initiativen mit z. T. tremolierender Weltverbesserungsprogrammatik<br />

zukommen zu lassen. Nachahmend<br />

schmiegt man sich an als affirmativ erachtete Tableaux an, um<br />

sich gerade von der Punktualität der konstruierten Situation Verfremdung<br />

zu erhoffen.<br />

Das gilt wohl auch für den Dienstleistungsgedanken als solchen,<br />

der in Anbetracht des im übrigen nach wie vor klaffenden<br />

Grabens zwischen Avantgardekünstler und Normalbürger nicht<br />

ohne ein Moment von Anbiederung erscheint. Ein Beispiel zur<br />

Verdeutlichung bieten Andrea Frasers Recherchen für den Münchner<br />

Kunstverein oder für die EA-Generali Foundation. Fraglich<br />

sei, wie Christian Kravagna 21 bemerkt hat, die erfolgreiche<br />

Subversion eines Handelns, das im Unternehmensauftrag Äußerungen<br />

des Vorstandes und des Präsidiums zu Wirtschaft und<br />

Kultur dokumentiere und in gehängten Tafeln einsehbar mache,<br />

insofern das Unternehmen den an Pierre Bourdieu inspirierten<br />

Ansatz einer Aufdeckung verborgener Distinktionsmechanismen<br />

bereits miteinplanen und sich insofern „repressiv tolerant“ bzw.<br />

vereinnahmend verhalten könne. Tatsächlich lobte das Unternehmen<br />

Frasers „integrative Vorgehensweise“ und komplimentierte<br />

die Künstlerin zum „Kommunikationsverstärker“. Gegenüber<br />

der Gefahr nicht nur unfreiwilliger Anbiederung, sondern<br />

sogar der Restauration im Falle einer Beschränkung des künstlerischen<br />

Aktes auf bloßen Service gab daher Stefan Germer zurecht<br />

zu bedenken: „Denn die ‚Dienstleistung‘ – das Eingehen auf die<br />

21 Christian Kravagna: „Von der institutionellen Kritik zur Ästhetik der<br />

Verwaltung“, in „Texte zur Kunst“, 5. Jg., 1995, Nr. 19., S. 139 – 141,<br />

hier S. 141; Stefan Römer: „Die Autonomie der Kunst oder die Kunst<br />

der Autonomen“, in: „Team Compendium: Selfmade Matches. Selbstorganisation<br />

im Bereich Kunst“, hg. v. Rita Baukrowitz/u. a., („Sei dabei!“,<br />

Hamburger Woche der bildenden Kunst), Hamburg 1994, S. 88 – 96,<br />

bes. S. 89.<br />

237


238<br />

Anmerkungen Christian Janecke<br />

spezifischen Konditionen in einem Unternehmen – schlüge in<br />

eine bloße Restitution des vormodernen (vor-autonomen) Künstler-Auftraggeberverhältnisses<br />

um, wenn es nicht für Dritte transparent<br />

gemacht, also an die Öffentlichkeit adressiert würde.“ 22<br />

Neben der Adressierung an Dritte ist es die hervorgehobene<br />

Punktualität des Service, die vor besagter Gefahr schützt. Sollten<br />

tatsächlich sämtliche Künstler in Zukunft dem Nichtkünstler<br />

die Füße massieren23 , verlöre sich das beunruhigende, dem<br />

Service gerade nicht entsprechende Moment, das vermittels der<br />

Punktualität dieses Dienstleistungsereignisses gewahrt bleibt.<br />

Darüberhinaus handelt es sich bei der wenigstens verbalprogrammatischen<br />

Verneigung vor dem Publikum wohl auch um<br />

Köder für die außerkünstlerische Peripherie, so wie die populären<br />

Ausdrucksmittel der Situationisten Köder waren. Mit dem Unterschied,<br />

daß die Service-Künstler damit indirekt zu ihrem Werk<br />

führen – der Knicks bzw. „Diener“ als rezeptionserleichternde<br />

Introduktionsfigur –, während die Situationisten auf attraktive<br />

Verpackung ihrer revolutionären Ideale bedacht waren.<br />

Die von den Situationisten vorausgesetzte Ubiquität des<br />

Spektakels24 13 � 299 13<br />

, nach dem für sie maßgeblichen Verständnis Guy<br />

Debords: getarnte Passivität, galt es für sie zu durchbrechen. Der<br />

damalige universell argumentierende Tonfall und der revolutionär<br />

utopische Impetus boten freilich nichts, woran spätere Service-Künstler<br />

anknüpfen wollen oder können. In der unten noch<br />

auszuführenden Wendung hin zu ihrerseits theatralen Formen<br />

spiegelt sich weniger Ironie der Geschichte bzw. Resignation der<br />

Künstler, als vielmehr normalisierende Rückbesinnung auf den<br />

Gebrauch ästhetischer Mittel, die nicht schon deshalb der Ächtung<br />

verfallen müssen, nur weil der Kontrahent, der „Betrieb“<br />

22 Stefan Germer: „Unter Geiern. Kontext-Kunst im Kontext“, In:<br />

„Texte zur Kunst“ 19/(5. Jg.) 1995, S. 83 – 95, zit. S. 89.<br />

23 Marie-Ange Guilleminot ließ diesen Service anläßich der „Skulptur.<br />

Projekte Münster“ (1997) durch Fachleute ausführen, die hinter den<br />

– für durchzusteckende Beine gedachten – Löchern eines hölzernen,<br />

rundgeschlossenen Paravents arbeiteten.<br />

24 Vgl. Guy Debord: „Die Gesellschaft des Spektakels“, Hamburg<br />

1. Aufl. 1978.


Service-Kunst Anmerkungen<br />

sie benutzt.<br />

Neben dem Situationismus sind es natürlich<br />

die im Umfeld der späteren Aktions<strong>kunst</strong> prolongierten Bestrebungen<br />

einer Reintegration von Kunst in Lebenspraxis, die einer<br />

Vorbetrachtung in bezug auf Service-Kunst bedürfen.<br />

In den 70er Jahren zogen manche Künstler Konsequenzen<br />

aus einer als unversöhnlich oder destruktiv und mithin erfolglos<br />

erachteten Praxis des Happenings sowie angrenzender Felder<br />

und versuchten, auf differenziertere und z. T. konstruktive Weise<br />

gesellschaftsverändernd zu wirken. Als am 13. 1. 1978 ein Streitgespräch<br />

zwischen Joseph Beuys und John Latham, einem Vertreter<br />

der „Artist Placement Group“ stattfand25 , konnte es sich<br />

bereits nur noch um eine Rückschau antagonistischer Lager handeln:<br />

Beuys, dessen Sozialaktivismus sich einerseits gegen jegliche<br />

Kollaboration mit bestehenden gesellschaftlichen Organisationen<br />

verwehrte und der die Forderung neuer dagegenstellte, der aber<br />

zugleich seine Aktivitäten im Nachhinein werkhaft oder charismatisch<br />

auf sich bündelte, auf der einen Seite – und auf der anderen<br />

Seite eine Gruppierung, die kollektiv und kooperativ gesinnt<br />

war, die sich dementsprechend von der Einschaltung in bereits<br />

vorhandene soziale Projekte bzw. von der Integration selbstkonzipierter<br />

sozialer Projekte in ermöglichende und bestehende<br />

soziopolitische Strukturen partikulare Reformen versprach. Eher<br />

auf dieser Seite als auf der eines Beuys oder Wolf Vostell standen<br />

denn auch Dolores Pacileos Arbeiten mit behinderten Kindern,<br />

Siegfried Neuenhausens Resozialisierungserleichterungen<br />

für Strafgefangene mittels deren Einbindung in die Gestaltung<br />

einer öffentlichen Grünfläche in Bremen, Lili Fischers „Körperund<br />

Kunstgriffe“ – eine Art Selbstbewußtwerdungs-Service dank<br />

verabreichter Massagen –, oder Charles Simonds Ermutigungen<br />

sozial Marginalisierter, selbst gestalterisch in urbanen Nischen<br />

25 Vgl. Margarethe Jochimsen: „Kunst als soziale Strategie“, In „Kunstforum<br />

International“, Bd. 27, 3/1978 (Themenband: „Kunst als sozialer<br />

Prozeß“), S. 72 – 99, hier S. 81.<br />

26 Vgl. M. Jochimsens Schilderung dieser Aktivitäten, „Kunst als sozialer<br />

Prozeß“, S. 81 – 96.<br />

239


240<br />

Anmerkungen Christian Janecke<br />

einzugreifen 26 . Die Parallelen zur heutigen Service-Kunst sind<br />

z. T. frappant, und ich möchte nicht entscheiden, ob sich manches<br />

von dieser nur dem Vergessen jener verdankt, oder ob es<br />

uneingestandene Scham der heutigen Kunstkritik ist, die – würde<br />

sie die damalige und heutige Praxis vergleichen – sich als Differentia<br />

spezifica letzterer gerade dasjenige eingestehen müßte,<br />

was offizielle Verlautbarung stets verschweigt: die szenekünstlerische<br />

Ostentation.<br />

Nicht die Bemühung, Kunst in Lebenspraxis zu reintegrieren,<br />

so wie es in historischer Folge Peter Bürgers „Theorie der Avantgarde“<br />

27 rekapituliert hatte, sondern genaugenommen deren<br />

Scheitern war also bereits Ausgangspunkt jener punktuellen oder<br />

projekthaft angelegten Versuche der 70er Jahre. Wahr-scheinlich<br />

wäre es ohne Böswilligkeit möglich, ein Scheitern auch dem späteren<br />

Avantgarde-Teilbereich: „Service-Kunst“ zu attestieren. Und<br />

zwar im Sinne eines zuvorkommenden Scheiterns als einer Strategie<br />

ästhetischen Gelingens. Mit anderen Worten: Indem die Service-<br />

Kunst die letztliche Folgenlosigkeit ihrer Angebote für die Praxis<br />

bereits stillschweigend voraussetzen kann, darf sie es sich gestatten,<br />

am Habitus, an der Attitüde der Praxisrelevanz festzuhalten.<br />

Die Verinnerlichung dieses Scheiterns, die Verinnerlichung auch<br />

des Utopieverlustes, der in den 70er Jahren noch nachwirkte,<br />

indem er nämlich unprätentiöse Formen sozial-künstlerischer<br />

Interaktion als affirmative Resignation hervorbrachte, kehrt sich<br />

in der Service-Kunst der 90er Jahre möglicherweise um in resignative<br />

Affirmation: Marie-Ange Guilleminots Fußmassage für das<br />

Kunstpublikum der „Skulptur.Projekte Münster“ (1997) lieferte<br />

in der Verbergung der Dienstleister bei gleichzeitiger Prominenzsteigerung<br />

der Initiatorin ein unfreiwilliges Symbol für die<br />

ästhetische Fermentierung nachklingender sozialer Ambition.<br />

Resignative Affirmation hat allerdings noch andere Wurzeln, die<br />

in Richtung „Real<strong>kunst</strong>“ 28 weisen, gegen Ende des folgenden<br />

27 Peter Bürger: „Theorie der Avantgarde“, Frankfurt a. M., (4. Aufl.)<br />

1982. Vgl. hierzu die Differenzierung des „Scheiterns“ der Avantgarde-<br />

Bewegungen bei P. Kiwitz: „Lebens<strong>kunst</strong> und Lebenswelt“, bes. S. 30 ff.<br />

u. S. 80.<br />

Abschnittes


Service-Kunst Anmerkungen<br />

komme ich darauf zurück.<br />

Ich hatte schon angedeutet, daß die 80er Jahre sich – jedenfalls<br />

bezüglich des Mainstreams – kaum erwärmen konnten für<br />

die Betrebungen, die das sozialaktivistische Umfeld der Service-<br />

Kunst und diese selbst charakterisieren. Gleichwohl wäre auf ein<br />

Phänomen hinzuweisen, das eindeutig in die 80er Jahre gehört,<br />

und das den Boden mit bereitet hat für Service-Kunst, nämlich<br />

die sogenannte „Real<strong>kunst</strong>“ und im weiteren die „Realitätskünste“.<br />

In der ‚Real<strong>kunst</strong>‘ „wird Alltäglichkeit gesehen im Modus<br />

künstlerischer Artefakte“. Nach der Auffassung Wulffens lassen<br />

sich in Reaktion auf Real<strong>kunst</strong> sogenannte „realkünstlerische“<br />

Strategien erkennen: „Real-Ort-Systeme“, „Real-Zeit-Systeme“<br />

und drittens „Situation“ bzw. „Modelle“. Für die letztgenannte<br />

Strategie führt er als Beispiel u. a. „Ingold Airlines“ 29 an,<br />

also die Fluggesellschaft des Schweizer Künstlers Res Ingold,<br />

die bis heute durch Filialgründungen in Galerien und andernorts<br />

hervortritt, die mit eigenem Logo, neuerdings sogar einer<br />

Internet-Adresse, einer guten Portion Corporate Identity, aber<br />

eben nur wenigen Flügen30 14<br />

aufwartet. Aber ist Ingold-Airlines<br />

auch Service-Kunst? Es ist konsequentes und war anfangs auch<br />

originelles Trittbrettfahren an einer für den Normalverbraucher<br />

28 „Kunstforum International“, Bd. 91, Okt./Nov. 1987, Themenband<br />

„Real<strong>kunst</strong> – Realitätskünste. Eine Begriffsbestimmung und begleitendes<br />

Material“, hg. v. Thomas Wulffen; später vom selben Autor: „Vom<br />

Modell Kunst zur Modell-Kunst“, In „Surfing Systems“ , S. 87 – 95. Wulffen<br />

rekapituliert dort nochmals das im Kunstforum Vorgestellte, den<br />

Übergang zum „Betriebssystem Kunst“, schließlich zur „Modell-Kunst“,<br />

in der Kunstkritik und Kunst konvergieren sollen.<br />

29 Vgl. Kunstforum Bd. 91, 1987, S. 222 – 225.<br />

30 Anläßlich einer Teilnahme an der Dresdner Ausstellung „City Index“<br />

diesen Sommer war Res Ingold zur Vorstellung seiner Fluggesellschaft,<br />

insbesondere der künftigen Einbeziehung des hiesigen Flughafens nach<br />

Dresden angereist und erblickte viele lange Gesichter, als offenbar<br />

wurde, daß man gegebenenfalls weniger ein Flugangebot, denn eher ein<br />

Beratungsgespräch („Vielleicht tut Ihnen das Fliegen gar nicht gut?!“)<br />

zu erwarten hätte.<br />

1 4 � 294<br />

241


242<br />

Anmerkungen Christian Janecke<br />

immer undurchsichtigeren Dienstleistungsinfrastruktur in hochmoderner<br />

Gesellschaft.<br />

Eine zweite Frage scheint mir aber wichtiger zu sein, nämlich<br />

ob die von Thomas Wulffen der Real<strong>kunst</strong> suggestiv nahegelegte<br />

realitätskünstlerische Reaktion im Sinne der „Situation“ bzw.<br />

der „Modelle“ wirklich so nahe liegt. Denn während Real<strong>kunst</strong><br />

das <strong>kunst</strong>würdige Wahrnehmen kontingenter, nicht künstlerisch<br />

gemeinter Dinge und Situationen bezeichnet und darin implizit<br />

eine Veralltäglichung und Entschärfung der Duchampschen Provokation<br />

thematisiert, bedarf es im Falle der realitätskünstlerischen<br />

„Situation“ bzw. des „Modells“ eines minuziösen und arbeitsaufwendigen<br />

Trompe l’oeuils, dessen Paradigma man in Bezug<br />

auf mögliche Vorläuferformen zur Service-Kunst vielleicht am<br />

ehesten mit in Vierdimensionalität katapultiertem Fotorealismus<br />

beschreiben könnte. Ein gutes Brückenglied in diese Richtung<br />

geben die Werke des Belgiers Guillaume Bijl31 , die – etwa im<br />

Falle seines „Waschsalons“ – Nutzbarkeit mimen, ohne daß<br />

der Betrachter auch nur zeitweilig über den Status der Installation<br />

im Kunstkontext im Unklaren wäre. Vergleichspunkte liefern insbesondere<br />

die von Bijl sogenannten „Transformationsinstallationen“,<br />

z. B. eine Fahrschule, ein Fitneß-Center, ein Supermarkt.<br />

In Diskussionen mit Studierenden fiel mir auf, in welch hohem<br />

Maße das Moment der Vortäuschung von Praxisrelevanz gerade<br />

von denjenigen unterschätzt wird, die das gestellte Tableau nur<br />

aus Abbildungen in Publikationen kennen. Dies verfälscht wohl<br />

auch die Rezeption der eigentlichen Service-Kunst. Pikanterweise<br />

können manche Service-Künstler eben diesen Umstand einer<br />

Kenntnisnahme aus nurmehr zweiter Hand sogar bewußt einsetzen,<br />

um den Anschein von Praxisrelevanz zu plausibilisieren.<br />

So räumte Martin Eder (Künstlergruppe NOVAPHORMTM 15� 292 15<br />

)<br />

mir gegenüber freimütig ein, entscheidend sei für manche seiner<br />

derzeitigen Aktivitäten nicht so sehr das Ereignis des Service, als<br />

31 „Salon lavoir“, (1985/Galerie A. Ritorno/Genf) Vgl. hierzu:<br />

„Guillaume Bijl. Installationen, Situationen und Kulturtourismus“,<br />

(zugl. Katalog zur Kunstausstellung der Ruhrfestspiele Recklinghausen/<br />

Kunsthalle Recklinghausen, 3. 5. – 5. 7. 1998), Recklinghausen 1998, Abb.


Service-Kunst Anmerkungen<br />

vielmehr dessen Vermittlung über diverse Medien und Kanäle der<br />

Kunstwelt.<br />

Wenn der Sprung von „Real<strong>kunst</strong>“ zu „Realitätskünsten“ im<br />

Sinne des „Modells“ bzw. der „Situation“ also nicht so unproblematisch<br />

ist, wie Thomas Wulffen es vorschlägt, so bleibt dennoch<br />

festzuhalten, daß viele Künstler des fraglichen Umfeldes<br />

die Möglichkeit, den „Real-Ort“ bzw. die „Real-Zeit“ im Sinne<br />

einer Integration <strong>kunst</strong>externer Orte bzw. Zeitabläufe zu thematisieren,<br />

nutzten – namentlich Raimund Kummer und Hermann<br />

Pitz, aber auch Horst Hoheisel und Hans Haacke. Ihnen ging es<br />

bei der „Entwendung“ 32 präexistenter außerkünstlerischer Kontexte<br />

ins Ästhetische weniger um eine Neuauflage der Duchampschen<br />

Provokation, also eine Übersetzung von Nicht<strong>kunst</strong> in<br />

Kunst durch Plazierung im Verabredungskontext des Museums,<br />

sondern um ein Heben des latent Ästhetischen aus Außerkünstlerischem,<br />

anfangs durch fotografische Dokumentationen von<br />

Alltagskonstellationen, die im Sinne der „Real<strong>kunst</strong>“ sozusagen<br />

unfreiwillig manifeste Sprachmittel moderner Kunst paraphrasierten,<br />

später durch an sich schon rahmendes, weil benennendes<br />

Aufgreifen vorgefundener Umstände, so daß man für die näheren<br />

Erben: Res Ingold und Guillaume Bijl, aber mit gewissem Recht<br />

auch noch für die Service-Kunst die stets virulente außerkünstlerische<br />

Wirklichkeit (an einem Ort 16<br />

real verstreichende Zeit) mitbedenken<br />

muß. Mit anderen Worten und am Beispiel: Wenn bei<br />

Rirkrit Tiravanija getafelt wird , dann durchbricht außerkünstlerische<br />

Wirklichkeit stellenweise im Sinne der Real-Ort- und<br />

Real-Zeit-Systeme jene Sublimierung ins Bild bzw. in darstellende<br />

Verkörperung, die im übrigen ja nachgewiesen werden soll.<br />

‚Real<strong>kunst</strong>‘ ist noch in weiterer Hinsicht aufschlußreich: Sie<br />

weist nämlich exemplarisch auf ein Phänomen, das die rezeptionsästhetische<br />

Kunstgeschichtsforschung zum systematischen Untersuchungsgegenstand<br />

erhoben hat: eine Analyse nicht nur der<br />

sich verändernden Formen der Kunst, sondern der sich historisch<br />

S. 53.<br />

32 Vgl. Uwe M. Schneede: „Bildschwelle und Bildgrenze. Prinzipien in<br />

Raimund Kummers Arbeit“, In: „Raimund Kummer“, Kat. Kunstraum<br />

1 6 � 294<br />

243


244<br />

Anmerkungen Christian Janecke<br />

verändernden Formen der Wahrnehmung von Kunst. In bezug auf<br />

„Real<strong>kunst</strong>“: Wem erging es nicht schon so, daß er bestimmte<br />

Konstellationen oder Arrangements, sei es auf Baustellen, in der<br />

U-Bahn oder im Schaufenster, wahrgenommen und mit einem<br />

lächelnden und „<strong>kunst</strong>wissenden“ Blick quittiert hat? Je schneller<br />

sich das als ästhetisch legitim Anerkannte wandelt, die Lebenswelt<br />

aber durchdrungen bleibt von veralteten, aus der Mode<br />

gekommenen Tableaux, je leichter und häufiger macht auch<br />

der ästhetisch nur schwach Sensibilisierte diese Erfahrung. Ein<br />

guter Teil jüngster Kunst in Berlin bezieht in diesem Sinne aus<br />

der unfreiwilligen Komik der Inneneinrichtung leerstehender<br />

oder zweckentfremdeter Repräsentationsbauten der DDR jenes<br />

Moment des Fremdartigen, um dessentwillen ein Max Ernst der<br />

20er Jahre wesentlich weiter in der Zeit zurückgreifen mußte. Es<br />

erscheint nicht übertrieben, vorauszusetzen, daß eine mittlerweile<br />

sehr breitenwirksame Bereitschaft, das ungewollt Ästhetische<br />

am Kontingenten wahr- und hinzunehmen, vorliegt. 33 Und<br />

hier steckt ein weiterer Wink zur Service-Kunst, die ja – z. B.<br />

im Falle eines „Reisebüros“ – am ästhetischen Mißlingen der<br />

für außerkünstlerische Reisebüros typischen Mallorca-Antizipation<br />

nebst obligatem Globus und Palmenidylle sich delektieren<br />

kann. Wobei zu fragen wäre, ob angesichts einerseits begrenzter<br />

Künstlerbudgets, andererseits ästhetisch aufholender oder<br />

gar vorbildlicher Standards ambitionierterer Geschäftsfilialen den<br />

Künstlern die Kopie veralteter Arrangements (im Sinne eines<br />

70er Revivals) nicht doch sehr entgegenkommt. Distinguiert sich<br />

München, 8. 6. – 30. 7. 1988, S. 11 – 18.<br />

33 Vgl. hierzu Thomas Wulffen: „Erklärungsmuster“, In: „Kunstforum“<br />

Bd. 91, S. 101 – 105, bes. den Abschnitt: „Internalisierung der Kunst“,<br />

(S. 101 f.). Wichtiger wäre eine hier nur anzudeutende Verbindung mit<br />

Camp, sofern sich dort erstmals Formen distinguierten Genusses des<br />

Banalen durchgesetzt haben. Zu „Camp“ vgl. Susan Sontag: „Kunst und<br />

Anti<strong>kunst</strong>. 24 literarische Analysen“, Frankfurt a. M. 1982, sowie Philip<br />

Core: „Camp. The lie that tells the truth“, London 1984. Amüsante<br />

Perspektiven auf die Fortsetzung dieses Phänomens bzw. auch seine<br />

völlige Trivialisierung in der gegenwärtigen Spaßkultur vgl. Jürgen<br />

Bräunlein: „Schön blöd. Vom unheimlichen Medienerfolg der Untalentierten“,<br />

Berlin 1999.


Service-Kunst Anmerkungen<br />

wähnender Genuß der als ästhetisch veraltet erachteten Muster<br />

erhebt seinerseits den Anspruch des ästhetisch Arrivierten – sei<br />

es im ungenierten Bekenntnis des Bohemien, ein echter ALDI-<br />

Fan zu sein, sei es in geplanter Nachlässigkeit etwa bei der Herrichtung<br />

eines DDR-Supermarktes zu einer Kunsthalle. 34 Dank<br />

des wenigstens im angestrebten Rezipientenkreis voraussetzbaren<br />

Einvernehmens über die als Trash, oder aber milder: über die als<br />

Real<strong>kunst</strong>-würdig erachteten Arrangements können gerade die<br />

service-künstlerisch gern aufgegriffenen banalen und altmodischen<br />

Branchen bzw. Institutionen sich als tauglich erweisen, insofern<br />

dem offiziellen und ostentativ an breiteste Kreise adressierten<br />

Service-Gedanken noch der Gout augenzwinkernder Ironie oder<br />

klammheimlicher Subversion unterlegt werden kann – freilich<br />

nur für Eingeweihte.<br />

Hier wäre auch zurückzukommen auf die im vorangegangenen<br />

Abschnitt geäußerte Charakterisierung der Service-Kunst als<br />

„resignativer Affirmation“: Im Gegensatz zu Künstlern der frühen<br />

70er Jahre, deren proto-service-künstlerisches „Material“ bzw.<br />

Medium noch nicht per Real<strong>kunst</strong> kontaminiert war, bietet die<br />

Verwendung außerkünstlerischer Dienstleistungsinfrastruktur für<br />

heutige Service-Künstler die eigentümliche Möglichkeit, Affirmation,<br />

also nachahmende Mittäterschaft an Dienstleistung, mit<br />

subkutaner Distanzierung zu verknüpfen, wobei womöglich aus<br />

der Not die Tugend gemacht wird: Das zunächst als elitär geziehene<br />

Terrain der Kunst wird in Richtung auf außerkünstlerische<br />

Dienstleistungsinfrastruktur <strong>verlassen</strong>, diese aber erweist sich<br />

ihrerseits – eben auch dank der Erfahrung der Real<strong>kunst</strong> – als<br />

„Tableau“, nämlich als Bild ihrer selbst. Resignative Affirmation<br />

heißt dann, daß die in vordergründiger Hemdsärmeligkeit mitmachende,<br />

bunte Geschäftigkeit außerkünstlerischen Engagements<br />

im außerkünstlerischen Arrangement keinen Ausgang aus<br />

dem vermaledeiten Bezugssystem ubiquitär gewordener Darstellung<br />

zu erwarten hat, weil sich die besagten Arrangements näm-<br />

34 Beispielsweise die Kunsthalle in der Chaussestraße/Berlin. Wobei<br />

sicher auch hier (siehe letzte Anmerkung) aus der Not die Tugend<br />

gemacht wurde.<br />

245


246<br />

Anmerkungen Christian Janecke<br />

lich – unter der Perspektive allseits verinnerlichter Real<strong>kunst</strong>haltung<br />

– bereits selbst schon darstellen.<br />

Verbindet man das Erbe der „Real<strong>kunst</strong>“<br />

und ihrer Folgen mit dem für die 90er Jahre neuerlich aktuellen<br />

sozialen Engagement in der Kunst bei gleichzeitiger Partikularisierung<br />

der Ansprüche an Wirkmöglichkeiten – beim Betrachter<br />

wie beim Künstler – so dürfte sich m. E. eine <strong>kunst</strong>historische<br />

Herleitung der Service-Kunst als mehr oder weniger vollständig<br />

erweisen. Was das nur stellenweise belangreiche soziale Engagement<br />

bzw. überhaupt mögliche Praxisrelevanz betrifft, so möchte ich<br />

sie in die folgende Unterbreitung der <strong>kunst</strong>kritischen Diskussion<br />

zur Service-Kunst und ihres Umfeldes (in das sie eher gehören)<br />

einflechten, während das Moment der Partikularisierung zweckmäßigerweise<br />

erst später, im Anschluß an meine eigenen Thesen<br />

zu Wort kommen soll, da beides argumentativ verknüpft werden<br />

soll.<br />

Das <strong>kunst</strong>kritische Umfeld<br />

Gegen Mitte der 90er Jahre existiert eine <strong>kunst</strong>kritisch vorgetragene,<br />

z. T. auch kuratorisch exemplifizierte Diskussion zur<br />

Service-Kunst 35 und dem näheren Umfeld, wobei nach meiner<br />

Kenntnis das Umfeld dominiert. Es umspannt die nicht stets sinnvoll<br />

zu trennenden Bereiche der Kontext-Kunst 36 , namentlich<br />

und spezieller: derjenigen Aktivitäten, die das „Betriebssystem<br />

Kunst“‘ 37 selbst thematisieren oder subversiv nutzen und andererseits<br />

der Kunst im Sinne sozialer Projekte. 38<br />

Dieses Umfeld liefert Zündstoff für eine Diskussion, die<br />

in Bezug auf Service-Kunst im wesentlichen aus altbekannten<br />

35 Siehe hierzu auch Anmerkung 6.<br />

36 Vgl. Peter Weibel (Hg.): „Kontext Kunst“, Köln 1994, sowie kritisch<br />

hierzu Stefan Germer: „Unter Geiern. Kontext-Kunst im Kontext“,<br />

S. 83 – 95.<br />

37 Vgl. hierzu „Kunstforum International“, Bd. 125, Jan./Febr. 1994,<br />

Themenband zum „Betriebssystem Kunst“, hg. v. Thomas Wulffen.<br />

38 Vgl. Nina Felshin: „But is it Art?“; vgl. a. Stefan Römer: „Die Autonomie<br />

der Kunst oder die Kunst der Autonomen“ (s. o.); für die 70er<br />

Jahre: „Kunstforum International“, Bd. 27, 3/1978, „Kunst als sozialer<br />

Prozeß“.


Service-Kunst Anmerkungen<br />

Lagern gespeist wird: Auf der einen Seite wittert man ästhetischen<br />

Eskapismus, und mit Blick auf frühere Ausbruchsversuche<br />

aus dem ästhetischen Raum hinaus auf die Straße und hinein in<br />

<strong>kunst</strong>fremde Institutionen winkt man ab, sieht man künstlerische<br />

Autonomie gefährdet 39 ; auf der anderen Seite widmet man<br />

sich der möglichen Praxisrelevanz solcher Kunst, wobei sich das<br />

Lager nochmals in Euphoriker und Skeptiker spaltet. Eine radikale<br />

Befürworterin wie Nina Felshin katapultiert den im Titel<br />

ihrer Anthologie: „But is it Art? The spirit of Art as Activism“ 40<br />

immerhin noch infragestehenden Kunstanspruch bereits im Vorwort<br />

mit der Gegenfrage: „But does it matter?“. Gemäßigtere<br />

Befürworter der Praxisrelevanz (meist Kuratoren entsprechender<br />

Ausstellungen) verweisen auf reale Interventionsmöglichkeiten<br />

von Künstlern und begegnen der skeptischen Fraktion aus dem<br />

gleichen Lager mit dem Hinweis auf die Vorzüge partikularen<br />

und semiprofessionellen Handelns von Künstlern außerhalb der<br />

Kunstwelt: „Künstlerinitiativen“, so beteuert denn auch Wolfgang<br />

Zinggl, „benutzen ihre Institutionen. Das mediale und bildungspolitische<br />

Kapital dieser Institutionen ermöglicht aufgrund<br />

des gesellschaftspolitischen Stellenwerts von Kultur einen schnellen<br />

und unbürokratischen Zugang zu Entscheidungsträgern.<br />

Lästige Instanzenwege können umschifft werden. Der begrenzte<br />

Projekteinsatz setzt Energieschübe frei und beschleunigt die<br />

Realisierung.“ 41<br />

Die bereits erwähnten Skeptiker geben die Marginalität solcher<br />

Eingriffe zu bedenken, für sie sind es bestenfalls Tropfen auf den<br />

39 Zur allgemeinen Feindseligkeit gegenüber progressiven, auf außerkünstlerische<br />

Wirkungen zielenden Ansätzen vgl. das Resümee bei<br />

Marius Babias: „Im Zentrum der Peripherie“, S. 18 f.<br />

40 Nina Felshin: „But is ist Art?“, S. 13. Vgl. hierzu Christian Höller:<br />

„Fortbestand durch Auflösung. Aussichten interventionistischer Kunst“,<br />

in „Texte zur Kunst“, (5. Jg.) Nr. 20, Nov. 1995, S. 109 – 117, bes.<br />

Abschnitt 2.<br />

41 Wolfgang Zinggl: „Die WochenKlausuren“, In Marius Babias: „Im<br />

Zentrum der Peripherie …“, S. 298 – 306, zit. S. 305; hierzu wohlwollend<br />

Claudia Wahjudi: „Kunst macht Arbeit. Die Wiener WochenKlausuren<br />

in Berlin-Kreuzberg“, in „Kunstforum International“, Bd. 141,<br />

Juli/Sept. 1998, S. 470 – 471.<br />

247


248<br />

Anmerkungen Christian Janecke<br />

heißen Stein, sie mutmaßen darüberhinaus zeitgeistkonformes<br />

Kokettieren mit Minderheitensolidarität: John Miller greift auf<br />

Norman Mailers – in Bezug auf die Identifikation des „Hipsters“<br />

mit den Lebensbedingungen der Schwarzen – geprägtes Wort<br />

vom „Weißen Neger“ zurück. „Für Schwarze bedeutete das Mitmachen<br />

im Untergrund eine spezifische Erweiterung ihrer von<br />

vornherein gegebenen Marginalisierung; für Weiße dagegen war<br />

es ein Experiment – ‚sich selbst zum anderen machen‘“. 42<br />

Skeptiker kritisieren künstlerischen Sozialtourismus im Mäntelchen<br />

des Crossover und – wohl oft nicht zu Unrecht – schlichte<br />

Unprofessionalität. 43 17� 295 17<br />

Exemplarisch Ludwig Seyfarths Bericht<br />

über Clegg & Guttmanns öffentlich zugängliche Bibliothek im<br />

Stadtraum : „Zweifeln an dem Kunstcharakter der Aktion entgegnete<br />

man damit, daß es sich ja eigentlich um eine soziologische<br />

Feldforschung handele, denn über die entliehenen oder hinzugestellten<br />

Bücher würde genau Buch geführt und so ein Bild der<br />

Lesegewohnheiten der Bevölkerung erstellt. […]. Als ein Anwesender,<br />

der mit der professionellen Erstellung soziologischer<br />

Untersuchungen vertraut schien, die Brauchbarkeit des Projektes<br />

auf diesem Gebiet mit glaubwürdigen Argumenten in Frage<br />

stellte, kam postwendend die Entgegnung, daß es eigentlich ein<br />

42 John Miller: „Den Untergrund begraben“, In M. Babias: „Im Zentrum<br />

der Peripherie.“, S. 104 – 147, zit. S. 116.<br />

43 Ein von mir unkommentiert gelassenes Beispiel gebe Marius<br />

Babias’ Bemerkung über Mark Dions Dschungel-Forschung: „Ich habe<br />

mit einem Insektenforscher gesprochen, der mittlerweile als Künstler<br />

arbeitet und der Mark Dion auch kennt, und er findet seine Arbeit<br />

lächerlich. Was Dion macht, hat wissenschaftlich keinen Sinn, weil<br />

es keine Erkenntnisse bringt und vermittelt. Seine Arbeit hat nur im<br />

Kunstbetrieb Sinn. Ein angebliches Anliegen außerhalb des Betriebes ist<br />

Koketterie.“ Im Gespräch mit Ute Meta Bauer, In Marius Babias: „Im<br />

Zentrum der Peripherie.“, S. 212.<br />

44 Ludwig Seyfarth: „Keine lustige Zeit oder die Stunde der Bürokraten“,<br />

In: „Surfing Systems“, S. 55 – 67, hier bes. S. 65 f., zit. S. 66.<br />

Zu Clegg & Guttmanns „Offener Bibliothek“ sowie generell den Versuchen,<br />

mittels wissenschaftlicher Flankierung oder künstlerischerseits<br />

betriebener „Wissenschaft“ Kunst zu schaffen, vgl. C. Janecke: „Soziologische<br />

Kunst – Transformation und Sublimierung sozialen und politischen<br />

Engagements“, in H. Zitko (Hg.): „Kunst und Gesellschaft“,<br />

(Kehrer Verlag) Heidelberg, Oktober 2000 (noch o. S.).


Service-Kunst Anmerkungen<br />

Kunstprojekt und deshalb nicht nach soziologischen Kriterien zu<br />

bewerten sei.“ 44<br />

Zusammenfassend kann man auf der einen Seite die konventionellen<br />

Befürchtungen hinsichtlich Werkverlust und gefährdeter<br />

Kunstautonomie, auf der anderen Seite die Begrüßung der<br />

Praxisrelevanz – einerlei ob mit optimistischen oder pessimistischen<br />

Untertönen – diagnostizieren.<br />

Eine Entscheidung in diesen Fragen läuft Gefahr, sich unter<br />

eine bekenntnishafte Diskussion zu beugen, weil eine nicht nur<br />

vermittelnde, sondern auch erweiternde Komponente noch fehlt,<br />

nämlich die Hinsicht der „Theatralität“.<br />

Theatralität. Vorgeblichkeit<br />

Man erinnere sich an das eingangs vorgestellte Chindogu<br />

und natürlich auch an die Beispiele aus der Kunst: Man kann<br />

diese Produkte, auch diese Projekte, bloß betrachten, man kann<br />

sich ihrer auch in begrenztem Umfang bedienen. Die eigent-<br />

Daß nicht nur die Künstler blauäugig mit den Ansprüchen an soziologisch<br />

Aufschlußreiches verfahren, mag ein Blick auf Mängel einer<br />

offiziell begleitenden, soziologischen Studie zur Auswertung zeigen,<br />

die sich auf die Hamburger Station des Projektes bezog. So wird das<br />

Ergebnis weitestgehender Deckungsgleichheit zwischen dem Spektrum<br />

der Bücher im häuslichen Besitz und dem Spektrum der für die „Offene<br />

Bibliothek“ gewünschten Bücher in dem sozial eher schwächeren Stadtteil<br />

Kirchdorf erklärt mit der „in den untersten Regionen des sozialen<br />

Raumes am schwächsten“ ausgeprägten „Fähigkeit, sich in Vorstellungen<br />

und Wünschen von den gegebenen Bedingungen zu lösen“. Im<br />

Umkehrschluß folgt daraus eine positive Bewertung der Diskrepanz<br />

dieser Spektren in den gehobenen Milieus. Eine soziologische Milchmädchenrechnung:<br />

Wäre die Zuordnung nämlich umgekehrt verlaufen,<br />

hätten die Autoren dem unteren Milieu ein ihr wirkliches Lesespektrum<br />

illusionär verschleierndes, auf „legitime“ Bildung schielendes Begehren<br />

vorgeworfen, und dem gehobenen Milieu eine Kohärenz von Wunsch<br />

und Realität konzediert.<br />

Vgl. Ulf Wuggenig/Vera Kockot /Anahita Krzyzanowski: „Die ‚Offene<br />

Bibliothek‘ von Clegg & Guttmann: Reaktionen und Partizipation in<br />

drei Hamburger Stadtteilen“, In: „Kontext Kunst“, S. 324 – 327, zit.<br />

327, sowie ders. u. a.: „Die Plurifunktionalität der Offenen Bibliothek.<br />

Beobachtungen aus soziologischer Perspektive“, In: „Clegg & Guttmann.<br />

Die Offene Bibliothek“, hg. v. Achim Könneke, Hamburg 1994,<br />

S. 57 – 93.<br />

249


250<br />

Anmerkungen Christian Janecke<br />

lich geforderte Leistung des Rezipienten läuft jedoch auf ein<br />

Zwischending hinaus, auf betrachtete Benutzung, oder genauer<br />

noch: auf ein Spiel zwischen Betrachten, Benutzen, betrachteter<br />

Benutzungsmöglichkeit und der Betrachtung der Benutzung<br />

durch Andere. Ähnlichkeiten bestehen im letzteren Fall zum sog.<br />

„exemplarischen Betrachter45 “, der beispielsweise bei interaktiver<br />

Kunst einen (oder den einzigen) der vorgesehenen Plätze<br />

einnimmt, um in der Interaktion mit dem Werk – nun „exemplarisch“<br />

im Sinne von „anstelle Anderer“ – dieses zu erfüllen. Während<br />

es in solchen Fällen indes wenig hilft, dem Einen über die<br />

Schulter zu gucken, weil man abwarten muß, um sich dann doch<br />

auf seinen eigenen, individuellen Pfad der Interaktion zu begeben,<br />

verläuft bei der Service-Kunst das Betrachten der Benutzung<br />

durch Andere und das von Anderen betrachtete eigene<br />

Benutzen tatsächlich gleichberechtigt unter dem Modus betrachteter<br />

Stellvertreterschaft, weil die solcherart erzeugte Atmosphäre<br />

ihrerseits bereits zum Werk bzw. zu dessen Rezeption gehört – am<br />

offensichtlichsten etwa in einem Kunstclub 46 18� 295 18<br />

, wo bereits das<br />

Dabeisein und eben nicht erst das pflichtbewußte Ordern eines<br />

Drinks zur angemessenen Rezeption bzw. Partizipation gehört.<br />

Gerade letzteres erscheint mir wesentlich, insofern der überwiegende<br />

Teil dieser Kunst in geselligen Situationen frequentiert<br />

wird, also auf Vernissagen, was im Klartext heißt, daß die Künstler<br />

auf den Tusch des Augenblicks setzen müssen, daß sie schon auf-<br />

45 Vgl. Dieter Daniels: „Über Interaktivität“, in Wolfgang Kemp<br />

(Hg.): „Zeitgenössische Kunst und ihre Betrachter“ (Jahresring 43/Jahrbuch<br />

für moderne Kunst), Köln 1996, S. 85 – 100, hier S. 95 f.<br />

46 z. B.: „ELEKTROLUX“/Novaphorm TM Club. Im Haus Schwarzenberg<br />

(Berlin-Mitte) konzipierten und betrieben Lisa Junghanß und Martin<br />

Eder eine Art Nachtclub mit selbstkomponierter Musik, Ausschank<br />

und Viedeoanimation. In baulicher Hinsicht handelte es sich um ein<br />

provisorisch aus transparenter Folie umspanntes, schneckenförmiges<br />

Gebilde, das als Raum im Raum seinerseits wie eine Plastik inmitten<br />

einer weitläufigen und heruntergekommenen Fabriketage stand. Vom<br />

14. 2. – 4. 4. 1998 existierte hier ein Treffpunkt für die Kunstszene.<br />

(Zur Frage einer Öffnung solcher Angebote auch für Nichteingeweihte<br />

vgl. unten im Text.)


Service-Kunst Anmerkungen<br />

grund ihrer meist knappen Kasse Attrappen außerkünstlerischer<br />

Relevanz errichten müssen, die einer gezielten, dauerhaften und<br />

diversifizierten Nachfrage natürlich gar nicht standhalten können<br />

– und, wie ich begründen möchte, auch gar nicht standhalten müssen.<br />

Freilich leuchtet diese Lesart nur dann ein, wenn man sich<br />

von den verborgenen Klischees und Tabus in dem von mir referierten<br />

<strong>kunst</strong>kritischen Spektrum distanziert. Denn worauf gründen<br />

die besprochenen Haltungen, wenn nicht konservativerseits<br />

auf einem nach wie vor modernistischen, durchaus im Sinne<br />

Michael Frieds antitheatralen Werkbegriff 47 , und progressiverseits<br />

auf einem stillschweigend vollzogenen Austausch ästhetischer<br />

gegen politisch-moralische Kategorien: eklatant in der je<br />

nachdem hoffnungsvollen oder skeptischen Beäugung der Praxisrelevanz?<br />

Und wenn man sich aufmerksam bei einschlägigen<br />

Vernissagen zur Service-Kunst umhörte, so entging einem nicht,<br />

daß unter der Hand Kriterien wie künstlerische Wahrheit durch<br />

Wahrhaftigkeit dieses oder jenes Projektes bzw. gar des Künstlers<br />

selbst Thema wurde.<br />

Obwohl Theatralität der Kunst, gerade der<br />

47 Kulturkonservativ und unter Zugrundelegung eines an Greenberg<br />

erinnernden Ideals reiner „Gegenwart“ der Werke hatte Michael<br />

Fried seinerzeit der Minimal Art uneingestandenes Kokettieren mit der<br />

Bescheidenheit eherner, einfacher Formen vorgeworfen, deren Theatralik<br />

dem Betrachter regelrecht aufwarte. Trotzdem führt natürlich, wie<br />

Sylvia Eiblmayr – an die frühere Kritik Frieds durch Douglas Crimp<br />

anschließend – rekapituliert hat, ein direkter Weg von Werken der<br />

Minimal Art hin zu benutz- und bespielbaren Installationen und Interventionen<br />

im öffentlichen Raum bzw. im Ausstellungskontext, gegen<br />

deren Involvierung des Betrachters sich die Minimalisten – nach der<br />

Interpretation Frieds erfolglos – doch gewandt hatten.<br />

Michael Fried: „Art and Objecthood“ (erstmals 1967), bei Gregory<br />

Battcock: „Minimal Art. A critical Anthology“, Berkeley/L.A./London<br />

(Reprint) 1995, S. 116 – 147; Douglas Crimp: „Pictures“, in „October“,<br />

Nr. 8, Frühjahr 1979, S. 75 – 88; Sylvia Eiblmayr: „Schauplatz Skulptur.<br />

Zum Wandel des Skulpturbegriffs unter dem Aspekt des Performativen“,<br />

In: „White cube, black box“, (Ausstellung EA-Generali Foundation),<br />

Wien 1996, S. 75 – 85; Dorothea von Hantelmann: „Just do it –<br />

Performative Ästhetiken in der zeitgenössischen Kunst“, in: „ONTOM“<br />

, s. o. (o. S.), siehe hierzu auch die folgende Anmerkung.<br />

251


252<br />

Anmerkungen Christian Janecke<br />

jüngsten Kunst, ein Modethema der letzten Jahre geworden ist,<br />

wehrt man sie innerhalb der Service-Kunst ab, denn Theatralität<br />

impliziert stets ein Moment des Nur-Gespielten. Deshalb war es<br />

wahrscheinlich kein Zufall, daß der Katalog zur ambitionierten<br />

Eröffnungsausstellung der Galerie für Zeitgenössische Kunst in<br />

Leipzig, „ONTOM“ 48 , den Begriff der „Theatralität“ gegen<br />

den des – mittlerweile brandaktuellen – „Performativen“ 49<br />

ersetzt hatte, denn das Performative zielt nicht primär auf verkörpernde<br />

Darstellung, sondern auf Vollzug. Vermutlich hätte<br />

man sich und die Künstler mit einem ernstgemeinten Konzept<br />

des Theatralen kompromittiert, weil es die Erläuterung der den<br />

z. T. service-künstlerischen Aktionen innewohnenden Ostentation,<br />

des eben nicht praxisrelevanten So-Tuns-als-ob, des Spielens<br />

mit dem Anschein von Offerierung nahegelegt hätte. Dem<br />

Gaumen gönnte man mithin das Als-ob der Service-Kunst, verdaut<br />

wurden sie nach antitheatralem Muster. Die originäre, im<br />

Falle der Service-Kunst auch das (Schau-)Spielen umfassende,<br />

Verkörperungsleistung hätte aber treffend mit dem Begriff der „The-<br />

48 „ONTOM“ (Angaben s. o.,). vgl. hier die Texte von Jan Winkelmann<br />

und insbesondere Dorothea von Hantelmann „Performative<br />

Ästhetiken in der zeitgenössischen Kunst“ (beide Aufsätze o. S.).<br />

49 Hier seien nur einige neuere Forschungen im Anschluß an Judith<br />

Butler, aber auch aus allgemein theaterwissenschaftlicher sowie die<br />

Gattung „Performance“ mit dem Begriff der „Performativität“ verbindender<br />

Forschung genannt: Erika Fischer-Lichte (Hg.) „Kulturen des<br />

Performativen“, In „Paragrana“ 7 (1998) 1; dies.: „Grenzgänge und<br />

Tauschhandel. Auf dem Weg zu einer performativen Kultur“, in dies./u.<br />

a. (Hg.): „Theater seit den 60er Jahren. Grenzgänge der Neo-Avantgarde“,<br />

Tübingen/Basel 1998; Andrew Parker/Eve Kosovsky Sedgwick<br />

(Hg.): „Performativity and Performance“, New York/London 1995;<br />

Marvin Carlson: „Performance: A Critical Introduction“, London/New<br />

York 1996; Ruth Sonderegger: „Hauptsache Performativ“, in „Texte zur<br />

Kunst“ , März 2000, 10. Jg., Heft 37, (Themenband u. a. zu „Performance“),<br />

S. 219 – 223; Eckhard Schumacher: „Passepartout. Zu Performativität,<br />

Performance, Präsenz“, ebd. S. 95 – 103; Peggy Phelan/Jill<br />

Lane (Hg.): „The Ends of Performance“, New York/London 1998; Elin<br />

Diamond (Hg.): Performance and Cultural Politics“, London/New York<br />

1996; Philip Auslander: „Liveness. Performance in mediatized culture“,<br />

New York/London 1999; Lizbeth Goodman/Jane De Gay (Hg.): „The<br />

Routledge Reader in Politics and Performance“, London 2000.<br />

50 Vgl. hierzu vom Verfasser: „Inszeniertes Als-ob“, S. 35.


Service-Kunst Anmerkungen<br />

atralität“ erfaßt werden müssen. Das mangelnde Eingeständnis<br />

des Scheins verriet das Fehlen von „Vorgeblichkeitstoleranz“ 50 .<br />

Mag sein, daß sich heute das Blatt wieder wendet und intellektueller<br />

Hedonismus in neuerlich deregulierter Gesellschaft ein<br />

ungeniertes <strong>kunst</strong>kritisches Bekenntnis zum Nicht-so-Gemeinten,<br />

zum fröhlichen Spiel begünstigt – Mitte der 90er Jahre, als<br />

Service-Kunst reüssierte, hätten deren Verfechter das Theatrale<br />

als unseriös von sich gewiesen – unbeschadet ihrer wirklichen<br />

Praxis.<br />

Helmuth Plessner 51 , der den Schauspieler als Repräsentant<br />

menschlicher Würde begriff, die u. a. „in dem mit der Abständigkeit<br />

zu sich gegebenen Abstand zu ihm“ gründe, konnte im<br />

Schauspielenden noch die „exzentrischer“ Weise menschlichen<br />

Daseins musterbeispielhaft verwirklicht sehen: Er „macht sich<br />

diese Situation selber durchsichtig, stellt sie vor und löst sich<br />

von ihr, im Bilde freilich nur und imaginativ: auf dem Wege des<br />

Schauspiels. Er gibt der Sich-Präsenz die Form und den Sinn der<br />

Trägerschaft der Rolle, der Repräsentation, welche den Träger<br />

und Darsteller aus der zufälligen Einheit mit sich in die künstliche<br />

Einheit mit dem Dargestellten bringt und im Spiel spielend<br />

bewahrt.“ Plessners anthropologische Deutung entwarf im Schauspielenden<br />

ein Paradigma für die mögliche Bedeutung des Theatralen<br />

schlechthin – eine Deutung, von deren Unbekümmertheit<br />

um historische Entwicklungen sich Richard Sennetts Perspektive<br />

zwar durch die Rekonstruktion des Theatralen als einer Verfallsgeschichte<br />

abhebt, aber der Stoßrichtung nach mit Plessner ver-<br />

51 Helmuth Plessner: „Zur Anthropologie des Schauspielers“, In Uri<br />

Rapp: „Rolle, Interaktion, Spiel: Eine Einführung in die Theatersoziologie“,<br />

Wien 1993, S. 136 – 148, zit. S. 146 u. 147.<br />

52 Richard Sennett: „Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die<br />

Tyrannei der Intimität“, Frankfurt a. M. 1983, bes. Kap. 11. Meine<br />

Ausführungen zu Sennett folgen dem Grundgedanken seiner Studie.<br />

Zu einer weiteren möglichen Bedeutung von Sennetts Analyse für die<br />

Kunstwissenschaft vgl. C. Janecke: „Zivilisiertheit und Malerei. Versuch,<br />

heutige Marginalisierungen eines Mediums neu zu überdenken“,<br />

In: „Bildwechsel. Positionen zeitgenössischer Malerei aus Sachsen und<br />

Thüringen“, Kat. Städtisches Museum Zwickau/Kunstsammlungen<br />

Gera – Orangerie, (Weidle-Verlag) Bonn 2000, S. 16 – 21.<br />

53 Jonas A. Barish: „The Antitheatrical Prejudice“, London/Berkeley/<br />

253


254<br />

Anmerkungen Christian Janecke<br />

einbar ist. Sennett 52 analysiert eine Gesellschaft, die seit dem<br />

18. Jahrhundert auf dem besten Wege ist, Schein und Tand auszumerzen,<br />

distanz- und kulturschaffende Formen der Darstellung<br />

als zeremoniellen Zierat zu entsorgen, um sich der „Tyrannei der<br />

Initimität“ zu beugen. Er versteht darunter einen Zustand der<br />

Gesellschaft, in dem der Einzelne sein darstellerisches Potential<br />

dem fragwürdigen Ideal eines: „Sei wie du bist“ zum Opfer<br />

gebracht, in dem die Gesellschaft Urbanität und Öffentlichkeit<br />

preisgegeben hat an die triste Alternative behelligenden Seelenmülls<br />

und kollektiver Darstellungs- und damit Sprachlosigkeit.<br />

Flankieren ließe sich Sennetts Diagnose durch die einschlägige<br />

Untersuchung Jonas A. Barishs 53 über „The Antitheatrical<br />

Prejudice“, in welcher der Autor in historischer Folge Stationen<br />

der Theaterfeindlichkeit bei Banausen und bei anerkannten Philosophen,<br />

schließlich sogar beim Theater selbst rekapituliert,<br />

welches Antitheatralität gleichsam internalisiert und beispielsweise<br />

zu Shakespeares Zeiten Schurken mit Vorliebe als chamäleontische<br />

Gestalten auf die Bühne treten läßt.<br />

Die von Barish und Sennett analysierte Exstirpierung theatraler<br />

Elemente des Alltags – unbelassen kompensatorischer Spektakel<br />

in der Massenunterhaltung respektive definierter Terrains in<br />

der Kunst – kritisiert durchaus kulturpessimistisch die Verengung<br />

auf ein Ideal der ‚ehrlichen Haut‘, das sich im Leben wie in der<br />

Kunst etwas darauf zugute hält, daß etwas ganz als das erscheine,<br />

was es ist. Auf diesem Ideal basiert uneingestandenermaßen auch<br />

diejenige Würdigung der Service-Kunst, der es vor allem um den<br />

Goodwill der Künstler, ihr ehrliches Bemühen geht, „wirklich“<br />

Los Angeles 1981. Helmar Schramm untersucht Barishs Problematik<br />

am Beispiel antitheatraler Selbstdisziplinierung des Theaters – ablesbar<br />

am veränderten Gebrauch der Theater-Metapher, der Rhetorik, des<br />

vom Theater verinnerlichten Bildungsauftrages, sogar des Theaterbaus,<br />

etwa wenn Friedrich Theodor Vischer im Zuge ästhetischen Autonomiedenkens<br />

fordert: „Das moderne Theater ist wesentlich Innenbau“.<br />

Vgl. Helmar Schramm: „Theatralität und Öffentlichkeit. Vorstudien zur<br />

Begriffsgeschichte von ‚Theater‘“, In: „Ästhetische Grundbegriffe. Studien<br />

zu einem historischen Wörterbuch“, hg. v. Karlheinz Barck u. a.,<br />

Berlin 1990, S. 202 – 242, zit. S. 230.<br />

54 Theodor W. Adorno: „Goldprobe“, in ders.: „Minima Moralia“,<br />

Ges. Schiften Bd. 4, Frankfurt a. M. 1980, S. 171 – 175, zit. S. 174 u.


Service-Kunst Anmerkungen<br />

etwas zu verändern – und sei es auch nur wenig. Theodor W.<br />

Adorno, der im übrigen der Kunst Wachheit gegen den Tand<br />

des „Massenbetrugs“ verordnete, dachte fein genug, um nicht das<br />

Kind mit dem Bade auszuschütten und erkannte – freilich aus<br />

anderen Prämissen als Sennett und mit anderen Zielen, insofern<br />

er nicht kulturelle Verkümmerung, sondern gefährdete Emanzipation<br />

des Einzelnen von der Totalität beklagte – die Problematik<br />

des infragestehenden Postulates von Echtheit: „Wenn nichts anderes<br />

vom Menschen gefordert werden könne, dann wenigstens, daß<br />

er ganz und gar das sei, was er ist. […]. Die Gleichsetzung von<br />

Wahrheit und Echtheit ist nicht zu halten. Gerade die unbeirrte<br />

Selbstbestimmung […] ergibt immer wieder, schon in den ersten<br />

Regungen der Kindheit, daß die Regungen, auf die man reflektiert,<br />

nicht ganz „echt“ sind. Stets enthalten sie etwas von Nachahmung,<br />

Spiel, Andersseinwollen. […]. Das Humane haftet an<br />

der Nachahmung: Ein Mensch wird zum Menschen überhaupt<br />

erst, indem er andere Menschen imitiert. In solchem Verhalten,<br />

der Urform von Liebe, wittern die Priester der Echtheit Spuren<br />

jener Utopie, welche das Gefüge der Herrschaft zu erschüttern<br />

vermöchte.“ 54 Ist es nicht ein delikater Widerspruch, daß die<br />

Service-Kunst und namentlich ihr <strong>kunst</strong>kritischer Hintergrund,<br />

der sich auf emanzipative Strategien eingeschworen hat, antitheatral<br />

gerade an jener „Echtheit“ im Sinne aufführungsabstinenter<br />

Praxisrelevanz festhalten?<br />

Nicht nur kompromittiert dieses Ideal der Echtheit die theatralen<br />

Momente der Service-Kunst, sondern bereits zuvor schon<br />

das darunter häufig zugrundeliegende künstlerische Verfahren<br />

bildhafter bzw. verkörpernder Nachahmung. Abgesehen von der<br />

vernachlässigbaren Anzahl jener künstlerischen Serviceleistungen,<br />

die völlig ohne <strong>kunst</strong>externes Vorbild auskommen, spielt sie<br />

dort eine wichtige Rolle – und beträfe es auch nur die Nachahmung<br />

des Dienstleistungshabitus als solchen, das „Dienstleistungs-<br />

176.<br />

55 Helmuth Plessner: „Zur Anthropologie des Schauspielers“, S. 145.<br />

56 Unter „theatralischem Theater“ faßt man Tendenzen zur Erneuerung<br />

des Theaters nach der Jahrhundertwende, die sich gegen das Illusions-<br />

255


256<br />

Anmerkungen Christian Janecke<br />

hafte“. Die Nachahmung weist, wie Plessner schreibt, „auf eine<br />

Bildbedingtheit der Äußerungsmöglichkeiten, welche den Nachahmenden<br />

innerlich mit umformen“. 55 Das spielerische Nachahmen<br />

verdoppelt nicht Vorhandenes, sondern es formt – besonders<br />

dort, wo nicht etwa ein Bild, sondern der Künstler selbst in<br />

schauspielerisch-theatraler Hinsicht Medium der Nachahmung<br />

ist – den Nachahmenden innerlich mit um, öffnet ihm neue<br />

Blickrichtungen. Man hätte also, wenn man schon den Topos<br />

„Praxisrelevanz“ partout nicht aufgeben will, eher bei den dienstleistenden<br />

Künstlern statt in der Sphäre ihrer Kunden, alias ihres<br />

Publikums, nach außerkünstlerischer „Veränderung“ zu suchen!<br />

Die Service-Künstler verstehen sich zwar<br />

nicht als Performance-Künstler, aber es gibt einen aufschlußreichen<br />

Zusammenhang, den ich herausarbeiten will.<br />

Zunächst könnte man einen Reflex des bisher besprochenen<br />

Antitheatralen sogar noch in der diesbezüglich unverdächtig<br />

scheinenden Gattung der Performance – jünger als andere<br />

Formen der Aktions<strong>kunst</strong> – aufspüren: dort wo sie Authentizität<br />

gerade durch die performance-typische Kongruenz von Darstellung<br />

und tatsächlicher Befindlichkeit des Performers erheischen<br />

will. Zwar betont Performance originäre, meist textabstinente<br />

Verkörperung via Leib und drängt insofern – in Relation zu konventionellem<br />

Theater – zu einem eher theatralischen Theater 56 ;<br />

indem aber Darstellen und Sichbefinden anschaulich als kongruent<br />

vorgeführt werden, bestätigt Performance den antitheatralen<br />

Realitätszwang, ohne doch zugleich auf mystifizierte Kompensation<br />

des im Lebensalltag verlorenen Ineins von Darstellen und<br />

Sichbefinden überhaupt verzichten zu wollen.<br />

theater, den akademischen Realismus und die Milieuschilderungen des<br />

Naturalismus wandten. Sinngem. in M. Brauneck/G. Schneilin (Hg.):<br />

„Theaterlexikon. Begriffe und Epochen, Bühnen und Ensembles“, (3.<br />

überarb. Neuaufl.), Hamburg 1992, S. 1032; vgl. neuerdings Hans<br />

Thies Lehmann: „Postdramatisches Theater“, Frankfurt a. M. 1999, wo<br />

das Erbe entsprechender Bestrebungen für die 80er und 90er Jahre ausgebreitet<br />

wird.<br />

57 Vgl. vom Verf.: „Dienstleistungstheater. Schlingensief grüßt die Service-Kunst“.


Service-Kunst Anmerkungen<br />

Die antitheatrale Kultur im Sinne Sennetts oder Barishs<br />

leistet sich den Schauspieler, der sich auf der Bühne selbst des<br />

Chamäleontischen zeiht; sie leistet sich den Performer, weil<br />

er das „Erscheine als das, was Du bist!“ noch in ereignishafte<br />

Ostentation ummünzt. Christoph Schlingensiefs Rekrutierung<br />

begeisterte Jungwähler während der Aufführungen seines Berliner<br />

Wahlkampfzirkus, „Chance 2000“ wird erst dank dieser<br />

Voraussetzungen als jenes Dienstleistungstheater 57 verständlich,<br />

das es ist: Der messianische wie sozialromantische Aktivismus<br />

Schlingensiefs kann in der Aufführung ja nur deshalb höhere,<br />

d. h. gegen ästhetische wie politische Nachfragen immunisierte<br />

Weihen erlangen, weil er im Theater das Theater in Richtung<br />

Performance verläßt; deren Charisma ostentativer Verschränkung<br />

von Sichbefinden (bei Schlingensief: von politischem tua<br />

res agitur) mit Darstellung desselben (bei Schlingensief: mit<br />

Spektakularisierung, Trash und aggressivem Publikumseinbezug)<br />

garantiert dem Frischkonvertierten ja erst, daß er nicht nur einer<br />

Show beiwohnt. Die von der Performance entliehene, letztlich<br />

antitheatrale Verbindlichkeit erlaubt nun je nach Gemüt Brüskierung<br />

oder blinde Euphorie. Man wärmt sich an politisierender<br />

Initiation ohne Politik.<br />

Ironie der Gegensätze: Während Schlingensief sich zum<br />

dienstleistenden Anwalt sozial Marginalisierter gerade unter<br />

Zugrundelegung eines in Richtung Performance zielenden, also<br />

auf die unio mystica von Handeln und (Selbst-)Darstellen geläuterten<br />

Theaters erklären kann, genieren sich die Service-Künstler<br />

nicht nur, eine Vorgeblichkeit, sondern auch den Aufführungscharakter<br />

ihrer Projekte einzugestehen.<br />

Man könnte sogar einen zeitgenössischen,<br />

tendenziell entdifferenzierenden Begriff von „Theatralität“, wie<br />

58 So bei Erika Fischer Lichte: „Das System der theatralischen Zeichen“,<br />

Tübingen 1983, S. 195. Dieses Verständnis korrespondiert mit<br />

der für große Teile der Theaterwissenschaft maßgeblichen Auffassung<br />

von Klaus Lazarowicz. Im Vorwort zu einer neueren Sammlung seiner<br />

(z. T.) älteren Aufsätze wettert er gegen den gegenwärtigen „Pantheatralismus“,<br />

der nicht mehr streng scheide zwischen der theatralen Kom-<br />

257


258<br />

Anmerkungen Christian Janecke<br />

ihn Andreas Kotte entwickelt hat, in Anschlag bringen: Demzufolge<br />

wäre die alte Als-ob-These von Theater 58 (die Kotte zufolge<br />

nicht mehr als eine Affinität zwischen Theater und Leben ausdrücken<br />

könne) zurückzustellen hinter die „Spezifik des theatralen<br />

Vorgangs als konkret historisch hervorgehobenes und zugleich<br />

konsequenzvermindertes interaktives Handeln“. „Der Akrobat<br />

auf dem Seil über dem Marktplatz handelte dann möglicherweise<br />

ebenso theatral wie ein Schauspieler als Hamlet, es käme auf<br />

die Beschreibung der Hervorhebungsmomente und den Grad<br />

der Konsequenzverminderung an“. 59 Vom „Spielerischen“, das<br />

ebenfalls als konsequenzvermindert und hervorgehoben begriffen<br />

werden kann, unterscheidet sich dieser Begriff von „Theatralität“<br />

nur in Nuancen, nämlich durch eine eher ostentative Tendenz,<br />

an deren Stelle im bloß Spielerischen eine integrative Tendenz<br />

steht. Was aber, wenn nicht Konsequenzverminderung (in bezug<br />

auf Praxisrelevanz) und Hervorhebung (in bezug auf das im Kunstkontext<br />

strategisch plazierte Ereignis) in ostentativer Färbung<br />

charakterisiert treffender die Schöpfungen der Service-Kunst? In<br />

dieser rekonstituieren sich also nicht bloß theatrale Formen im<br />

konventionelleren Sinne – etwa wenn die Künstler selbst Rollen<br />

übernehmen und inmitten ihrer Kulissen mimen müssen – sondern<br />

darüber hinaus auch theatrale Formen im Sinne Kottes, näm-<br />

munikation im und außerhalb des Theaters. (S. 7 f.). In: „Triadische<br />

Kollusion. Über die Beziehungen zwischen Autor, Schauspieler und<br />

Zuschauer im Theater“, (S. 97 – 111), führt Lazarowicz sein vom ABC-<br />

Modell (A spielt B, während C es sich anschaut) geprägtes Theaterverständnis<br />

nochmal aus, um es gegen extratheatrale Kommunikationsformen<br />

abzugrenzen. Vgl. Klaus Lazarowicz: „Gespielte Welt. Eine<br />

Einführung in die Theaterwissenschaft“, Frankfurt a. M./Berlin/Bern/<br />

York/Paris/Wien 1997.<br />

59 Andreas Kotte: „Simulation als Problem der Theatertheorie“, In<br />

„Forum Modernes Theater“, Heft 1/1996 (Bd. 11.), S. 33 – 44, bes.<br />

Abschn. 3 u. 4. Die Beziehungen zum Spiel und zum Fest bzw. zur Feier<br />

bei Andreas Kotte: „Die Welt ist kein Theater. Zur Spezifik des Festes<br />

und des theatralen Handelns“, in: „Weimarer Beiträge. Zeitschrift für<br />

Literaturwissenschaft, Ästhetik und Kulturtheorie“, 34. Jg., 1988/5, S.<br />

781 – 795.<br />

60 Andreas Spiegl: „Das Ex-ject oder das Subjekt als Gast bei sich<br />

selbst“, In: „Surfing Sytems“, S. 21 – 31, zit. S. 25. Spiegl bildet den


Service-Kunst Anmerkungen<br />

lich wenn es bereits der hervorhebende ereignishafte Rahmen ist,<br />

innerhalb dessen ihr Dienstleisten im spielerischen Sinne konsequenzvermindert<br />

ist.<br />

Man hätte also nicht in moralischer Hinsicht<br />

den Weltverbesserer oder den Scharlatan zu wittern, sondern es<br />

gälte, in ästhetischer Hinsicht den Darsteller im Service-Künstler,<br />

und nicht in erster Linie die Dienstleistung, sondern deren Darstellung,<br />

zu würdigen.<br />

Der Aufführungscharakter – in der Nachschrift wird sogar<br />

vom latenten Bildstatus die Rede sein – der Service-Kunst muß<br />

beim Rezipienten stets das Interesse am Gegebenen implizieren,<br />

wenn auch über den Umweg des Projektierten. Die bloße Vorstellung<br />

der Realisierbarkeit eines Projektes wäre zu wenig, so wie<br />

andererseits das bloße Mitmachen plump wäre. Erst im Innewerden<br />

leibhaftiger Konfrontation mit dem Arrangement und seiner<br />

potentiellen Nutzbarkeit gewinnt das Werk diejenige Weite, die<br />

in der Malerei vielleicht Weltbezug wäre.<br />

Wer mit Ressentiment gegen werkerweiternde Aspekte nur<br />

das Exponierte sieht, blind gegen dessen inhärenten und konstitutiven<br />

Bezug auf außerästhetisch Mach- oder Benutzbares,<br />

verwirkt angemessene Rezeption ebenso wie derjenige, der innovationskonform<br />

die Ausflüge der Werke in außerästhetische<br />

Kompetenz- und Anwendungsbereiche als Beitrag zur Praxisrelevanz<br />

von Kunst begrüßt. In beiden Fällen gerät das „Bildhafte“<br />

– welches hier oft das „Verkörperte“ ist – aus dem Blickfeld der<br />

Einschätzenden.<br />

„Vorgeblichkeit“ verlangt den Betrachter als Komplizen und<br />

Kontemplierenden in einer Person. Er muß sich auf das „Angebot“<br />

der Service-Kunst einlassen, obgleich er doch ihre Musterbeispielhaftigkeit<br />

und Vorgeblichkeit durchschaut.<br />

Partikularisierung<br />

Was bisher nicht besprochen, aber angekündigt wurde, ist<br />

die Diskussion um Partikularisierung von Öffentlichkeit, oder,<br />

bezogen auf die Adressaten von Kunst, die Frage, ob die künst-<br />

259


260<br />

Anmerkungen Christian Janecke<br />

lerische Botschaft sich überhaupt noch an prinzipiell Jeden und<br />

Jede richte, ob es nicht ein „Interesse an differenten Szenarien“<br />

gebe, „die partout nicht verflochten und hegemonial organisiert<br />

werden wollen“. Das Subjekt solcher Aktivität werde, so Andreas<br />

Spiegl 60 , durch das „Ex-ject“ abgelöst. Es „hat den Gesellschaftsvertrag<br />

des Subjekts aufgekündigt und an dessen Stelle ein Pasticcio<br />

aus temporären und partikulären Sozialisationen gesetzt.“<br />

Für die postmodern geschulte, kulturkritische Linke ein heikles<br />

Thema, weil die Beschäftigung mit Positionen der Alterität und<br />

der vorzugsweise im Gruppenzusammenschluß von Künstlern<br />

praktizierte Versuch, Sand ins Getriebe zu streuen, sich genau am<br />

Anspruch des Partikularen kompromittieren könnten, wenn nämlich<br />

die Sandkörner sich zum Brocken zusammenklumpen müssen,<br />

damit überhaupt Aufmerksamkeit und Wirkung resultieren.<br />

Ein illustres Beispiel für dieses Dilemma gibt Stefan Römer mit<br />

seinem Versuch, über Grundsätze heute legitimer Gruppenbildungen<br />

von Künstlern aufzuklären: In Anbetracht japanischer<br />

Unternehmen, die bereits das Gruppenarbeitsmodell erfolgreich<br />

zur Effektivitätssteigerung eingesetzt haben, verordnet er den<br />

Künstlern vier Seiten lang diskursive Selbstreinigung, Wachsamkeit<br />

vor Hierarchiebildung und karrieristischer Absonderung<br />

Einzelner. Und für den Fall, daß doch einmal „Vereinnahmung“<br />

drohe: „Eine selbstorganisierte Gruppe kann sich dagegen [im<br />

Gegensatz zu den ‚hegemonialen‘ Bestrebungen von etablierten<br />

Kräften in der Kunstwelt (C. J.)] auflösen.“ 61 Daß Erfolgsinteresse<br />

vielleicht dasjenige sein könnte, was zunächst eine Gruppe<br />

zusammenbringt, wird zur Quantité négligeable.<br />

Es läßt sich die recht eingeschränkte Rezeption künstlerisch-aktivistischer<br />

und mithin partikularer Initiativen mit dem<br />

Neologismus „Ex-ject“ alliterativ zu Rem Koolhaas’ „Ex-City“, einem<br />

urbanistischen Konzept flexiblen Wachstums, steter Erneuerung und<br />

permanenten Identitätswechsels. (Ebd.)<br />

61 Vgl. Stefan Römer: „Die Autonomie der Kunst oder die Kunst der<br />

Autonomen“, S. 90 – 95. Differenzierter hierzu argumentiert Juliane<br />

Rebentisch: „Zum Zusammenhang“ (im gleichen Band), S. 177 – 185.<br />

62 Joshua Decter: „Kultureller Widerstand“, In Marius Babias: „Im<br />

Zentrum der Peripherie“, S. 29 – 51. zit. S. 30 u. 51.


Service-Kunst Anmerkungen<br />

Argument nobilitieren, dadurch blieben diese frei von jenem universalistischen<br />

Geltungsanspruch, gegen den sie doch vorgingen<br />

– nicht ohne jedoch über „Segen und Fluch des Pluralismus“ dort<br />

zu klagen, „wo der ‚unsichtbare‘ Rahmen der Avantgardekultur<br />

ein Territorium eingrenzt, innerhalb dessen die ‚Differenz‘<br />

gestattet, gepflegt und geradezu kultiviert wird. Innerhalb dieses<br />

Rahmens werden Grenzüberschreitungen jeder Art gefördert und<br />

regelmäßig dem Blick der Öffentlichkeit vorgestellt. Der hohen<br />

Kultur ist es erlaubt, ständig ihre eigenen augenscheinlichen Subversionen<br />

zu fabrizieren.“ Joshua Decter, dessen Befürchtungen<br />

um „Vereinnahmung“ hier zu Wort kamen, beschließt denn auch<br />

seinen Essay über „Kulturellen Widerstand“ 62 im vermächtnishaften<br />

Tonfall links-apropriierter Negativer Theologie: „Nein,<br />

ich habe keine Kandidatenliste von Künstlern oder Kritikern für<br />

die nächste Avantgarde des ‚kulturellen Widerstands‘. Ein solches<br />

Manöver wäre nur eine weitere Nachschublieferung für den<br />

bestehenden institutionellen Apparat, der nach der administrativen<br />

und bürokratischen Herrschaft über diese Praktiken strebt,<br />

um sie in ‚zugängliche‘ Informationen zu verwandeln. Statt dessen<br />

ist es dringend nötig, die von jedem neuen Modell in Aussicht<br />

gestellte sofortige Befriedigung aufzuschieben“.<br />

Unbelassen der Frage, ob man es für nötig befindet, in dieser<br />

Diskussion um selbstverordnete (weil als emanzipativ erachtete)<br />

Partikularisierung und um die mithin divergente Peripherie<br />

für oder gegen deren Implikationen Partei zu ergreifen, besteht<br />

faktisch die Tendenz großer Bereiche zeitgenössischer Kunst<br />

– namentlich der sozialaktivistischen, häufig ethnische oder<br />

anderere Minderheiten thematisierenden Praktiken sowie kontextueller<br />

Kunst – sich parallel, teilweise in Verflechtung mit<br />

Populärkultur und exemplarisch der Musikszene, vom aufkläre-<br />

63 Hier im Kantischen Sinne, also (insbesondere) in ästhetischer Hinsicht<br />

als „Idee eines gemeinschaftlichen Sinnes, d. i. eines Beurteilungsvermögens<br />

[…], welches in seiner Reflexion auf die Vorstellungsart jedes<br />

andern in Gedanken (a priori) Rücksicht nimmt, um gleichsam an die<br />

gesamte Menschenvernunft sein Urteil zu halten“. (K. d. U. § 40)<br />

64 „Novaphorm TM Beautystyle“, 2. 7. – 15. 7. 98.<br />

65 Wolfgang Kemp: „Zeitgenössische Kunst und ihre Betrachter. Posi-<br />

261


262<br />

Anmerkungen Christian Janecke<br />

risch modernen Ideal eines „allgemeinen“ Betrachters mit „sensus<br />

communis“ 63 zu verabschieden.<br />

Soweit das Problem in bezug auf das Umfeld.<br />

Was die Service-Kunst speziell anbelangt, scheint sie in dieser<br />

Frage merkwürdig unentschieden: Als die Künstlergruppe<br />

„Novaphorm“ in der Berliner Galerie Arndt & Partner64 ihre<br />

selbstkreierten Düfte anläßlich der Vernissage olfaktorischer<br />

Begutachtung preisgab, durfte man sich fragen, ob manche Nase<br />

wirklich nur dank der erprobten Düfte, oder nicht auch über die<br />

als naiv eingestufte – wenn auch als zum Konzept gehörige und<br />

daher begrüßte – Freude der wenigen zufällig hineingeschlenderten<br />

Passanten gerümpft wurde. Einerseits liebäugelt, wie es<br />

der Verbalprogrammatik der Service-Kunst zu entnehmen ist,<br />

diese nicht nur mit potentiell jedem Kunstinteressierten, sondern<br />

darüberhinaus und manchmal ausdrücklich mit Otto-Normalverbraucher.<br />

Das hindert die Macher jedoch nicht daran, die<br />

Zugangsmöglichkeiten zu den Dienstleistungsangeboten über die<br />

hochselektive Distribution der Kunstwelt einzuschränken, in der<br />

Wendung Kemps: 65 „Szene<strong>kunst</strong>“ statt „Kunstszene“. Die Veröffentlichung<br />

des Privaten (z. B. Nan Goldin oder Tracy Emin)<br />

findet in der Service-Kunst ihre Umkehrung in der (Re-)Privatisierung<br />

des Öffentlichen. Man bleibt unter sich. Mag sein, daß<br />

sich hierin der Versuch ankündigt, Restautonomie zu bewahren66<br />

, widersprüchlich dazu verhält sich jedoch der Versuch<br />

nicht bloß der Service-Kunst, sondern des skizzierten weiteren<br />

Umfeldes bis in die Filiationen subkultureller Infrastruktur, den<br />

„Stützpfeiler des bürgerlichen Kunstbegriffs – die Autonomie“,<br />

ins „Wanken“ 67 19� 296 19<br />

zu bringen; und zwar nicht bloß vermittels<br />

tionen und Positionszuschreibungen“, In ders. (Hg.): „Zeitgenössische<br />

Kunst und ihre Betrachter“, S. 13 – 43, hier S. 39.<br />

66 In einem Gespräch mit dem Verfasser geäußerte Vermutung Bernhard<br />

Kerbers (Berlin).<br />

67 So die Terminolgie Marius Babias‘ im Vorwort zu: „Im Zentrum der<br />

Peripherie“, S. 9 – 26, hier S. 25.<br />

68 „Die Gleichgültigkeit hat die Empörung ersetzt. Heute erlebt die<br />

Kunst die Autonomie, die sie angestrebt hat, nicht mehr als Befreiung,


Service-Kunst Anmerkungen<br />

<strong>kunst</strong>externer Bezüge, sondern auch vermittels der Destruktion<br />

eines Betrachteranspruches, demzufolge sich prinzipiell sämtliche<br />

Facetten der Kunst seinem Auge und Urteil zu stellen hätten.<br />

Dieser Widerspruch zwischen womöglicher Restautonomie und<br />

Deautonomisierung – und zwar jetzt in beiden Fällen bezogen<br />

auf Kontingentierung des Zugangs zu den Werken bzw. Projekten<br />

– löst sich nur, wenn man die Nuance akzeptiert zwischen einerseits<br />

dem Versuch der Künstler, unbehelligt von übergeordneten<br />

Instanzen Wirkkraft und Resonanz ihrer Projekte gerade in szenekünstlerischer<br />

Abschottung zu suchen (Restautonomie), und<br />

andererseits verweigerter Adressierung an allgemeine Rezeption<br />

zum Schutz vor dem als vereinnahmend erachteten Kunstbetrieb<br />

(Deautonomisierung). Während die Deautonomisierung eher<br />

nach außen gerichtet ist, weist die Restautonomie eher in Richtung<br />

„Selbsbestimmung“ nach innen. Die erwähnte Abschottung<br />

der Service-Kunst gegen diejenigen, deren Anliegen man doch<br />

thematisiert, ist freilich ein altbekanntes Paradox, es findet sich<br />

auch im Theater, wo (s.o. Schlingensief) diejenigen, um deren<br />

Interessen es geht, wohl kaum im Publikum sitzen, sie peinlichstenfalls<br />

mit Alibifunktion auf die Bühne gezerrt werden.<br />

Gerade die Tatsache aber, daß der überwiegende Teil der<br />

Rezipienten von Service-Kunst als teilöffentlich Geladener, als<br />

„in the know“ auf den Plan tritt – korrespondierend mit einer<br />

Künstlerschaft, die entgegen der oberflächlichen Behauptung<br />

eines Kunstbooms mangels versierter Rezipienten ihr eigenes<br />

„Publikum“ 68 wird, bzw. dieses aus dem selbstgeschaffenen<br />

Feld von Rahmenbedingungen rekrutiert – stellt ein weiteres<br />

stichhaltiges Argument für die Nebensächlichkeit wirklicher<br />

Praxisrelevanz und im Gegenzug ein Argument für die Aufführungssituation<br />

dar. Denn wer als Zugehöriger dieser Gruppen<br />

sondern als Isolation. Der wirkliche soziale Kontext, der Betrachter, das<br />

Publikum schwinden ständig oder fehlen einfach. In dieser Situation<br />

wird die Kunst selbst kontextuell: Sie beginnt ihren Kontext zu erfinden,<br />

obwohl sie nach außen vorgibt, ihn bloß zu reflektieren.“ Boris Groys:<br />

„Der eingebildete Kontext“, In: „Kontext Kunst“, S. 257 – 281, hier S.<br />

281.<br />

69 Zur knappen Definition vgl. Wolfgang Winklers Artikel: „Intenti-<br />

263


264<br />

Anmerkungen Christian Janecke<br />

Service-Kunst aufsucht, muß sich nichts „vormachen“ in bezug<br />

auf Praxisrelevanz; etwas „vormachen“ muß er sich indes im besten<br />

Sinne der oben ausgeführten Vorgeblichkeit.<br />

Exkurs: Implikationen des service-künstlerischen Verweises<br />

auf noch zu Tuendes bzw. noch zu Nutzendes<br />

Aus dem für Service-Kunst typischen Verweis auf Anderes,<br />

auf noch zu Tuendes bzw. künftig Inanspruchzunehmendes ergeben<br />

sich Parallelen zu ähnlichen Phänomenen in anderer bzw.<br />

älterer Kunst, die ich in zwei Schritten erörtern möchte.<br />

Die erste Paralle bezieht sich auf das Begriffsfeld:<br />

„transitorische Bewegung“ und „Intentionsbewegung“. Das<br />

Transitorische in einem Bild bezeichnet Darstellungen eines Überganges<br />

oder das „Übergangshafte“ selbst in Bildern, ihm kommt<br />

Bedeutung hinsichtlich glaubhafter bildlicher Vergegenwärtigung<br />

von zeitlich Aufeinanderfolgendem zu – Lessing hat sich<br />

im „Laokoon“ dazu geäußert. Entscheidend für unser Thema ist,<br />

daß die transitorische Darstellung antizipative Wirkung zeitigen<br />

kann, indem Künftiges im Gegenwärtigen schon aufbricht, daß<br />

es weiterhin stets eine Verbindung, fast eine Verschmelzung der<br />

im Transitorischen aufeinander bezogenen Momente gibt.<br />

„Intentionsbewegung“ ist ein Begriff aus der Vergleichenden<br />

Verhaltensforschung 69 und meint im Tierreich die verschieden<br />

starke (je nach Auslöserreiz, wechselseitiger Beeinflussung zentralnervöser<br />

Mechanismen), oft habitualisierte Handlungs- bzw.<br />

Verhaltensankündigung mit antizipativem Charakter, die in ritualisierter<br />

Form auch als soziales Signal (etwa Unruhe vor dem Her-<br />

onsbewegung“ In: „Historisches Wörterbuch der Philosophie“, hg. v.<br />

Joachim Ritter/Karlfried Gründer, Bd. 4, Darmstadt 1976, S. 475 f.<br />

70 Man darf nicht dem Anthropomorphismus verfallen, solche Intentionsbewegungen<br />

würden ausgeführt, um zu informieren, oder – im<br />

Falle einer Ersparnis des sonst ja nachfolgend ausgeführten Verhaltens<br />

(z. B. Beißen nach dem Drohen) – um ökonomischer mit Artgenossen<br />

und Feinden zu kommunizieren. Pointiert gesprochen: die Intentionsbewegung<br />

im Tierreich kann Späteres nicht im Sinne einer Ankündigung<br />

ausdrücken, sondern verrät dieses Spätere nur unfreiwillig, wobei<br />

aus dem Feedback des Verhaltens der Artgenossen (die irgendwann die<br />

gekoppelte Folge von Intentionsbewegung und Ausführungshandlung<br />

wahrnehmen) bald die Überflüssigkeit der vollendeten Ausführung


Service-Kunst Anmerkungen<br />

denaufbruch) dienen kann. ‚Intentionsbewegung‘ klingt insofern<br />

irreführend, als es sich in der Tierwelt natürlich nicht um beabsichtigte<br />

Handlungsersparnis bzw. Verhaltensankündigung handeln<br />

kann! 70<br />

Was die Intentionsbewegung beim Menschen betrifft, so gibt<br />

es auch hier unwillkürliche, habitualisierte Ankündigungsgesten<br />

oder -schemata, die von der menschlichen Umwelt entsprechend<br />

gedeutet werden können (… wenn sie die Stirn runzelt, darf man<br />

sie nicht stören!). Ebenso wichtig in unserem Zusammenhang<br />

sind aber die menschlichen bewußten Intentionsbewegungen im<br />

Sinne einkalkulierter Ankündigung bzw. späterer Handlungs- oder<br />

Verhaltensersparnis.<br />

Was haben das Transitorische und die Intentionsbewegung nun<br />

gemeinsam, bzw. wo lassen sie sich vergleichen, an welcher Stelle<br />

bezeichnen sie – was nicht selbstverständlich ist, da es sich nicht<br />

um ein Begriffsgegensatzpaar im strengen Sinne handelt – verschiedene<br />

Grade einer Kategorie, eines Parameters? In beiden<br />

Fällen handelt es sich um etwas Gegenwärtiges, sei es im Bild, sei<br />

es im Verhalten, das auf Zukünftiges hin orientiert ist.<br />

Für den Fall des Transitorischen habe ich bereits Hinweise<br />

bezüglich der Kunst gegeben. Lohnender scheint mir 20 hier die<br />

Suche nach Intentionsbewegung zu sein. Anhand des späten Œuvres<br />

von Georg Kolbe kann man auf recht deprimierende Weise<br />

etwas vom 21 Schwund des Transitorischen hin zur Intentionsbewegung<br />

nachvollziehen: Die Gestalten, 22 die sich anfangs aus Gegenwart<br />

Künftigem öffnen, darin noch an die Sensibilität Lehmbrucks<br />

erinnernd, verlagern ihr Ersehntes immer mehr nach<br />

außen , ins 23Ferne,<br />

ins Bildexterne, bis sie schließlich (fast) in<br />

resultiert. (Auch diese Überflüssigkeit wird nicht „erkannt“, sondern<br />

ergibt sich aus frühzeitiger Wirkung der Intentionsbewegung auf die<br />

tierischen Adressaten, so daß weiterer Anreiz fehlt).<br />

71 Man vergleiche z. B. die Werkentwicklung von „Junge Frau“ (1926/<br />

Wuppertal, Von der Heyd – Museum/Kat. 88) über „Frauenstatue“<br />

(1929/Garten des GKM Berlin/Kat.125) zur „Frauenstatue“ (1933/ 38/<br />

GKM Berlin/Kat 146). Sämtliche Katalognummern beziehen sich auf<br />

Ursel Berger: „Georg Kolbe. Leben und Werk“, Berlin 1990, Abb. S.<br />

290, 322, 340.<br />

72 Gregor Paulson: „Zur Hermeneutik des Anschaulichen in der Bild-<br />

20<br />

21<br />

22<br />

23<br />

265


266<br />

Anmerkungen Christian Janecke<br />

jener fremdbestimmten Starre typischer NS-Plastik terminieren,<br />

aus welcher alles Transitorische gewichen ist. 71 Beispielsweise<br />

haben in der eigentlichen NS-Kunst die Gestalten eines Thorak<br />

oder Breker , um nur die Plastik zu nennen, alles Transitorische<br />

verloren, stattdessen signalisieren sie unerbittlich Aufbruch in<br />

Späteres, dergestalt als wollten sie unmittelbar jetzt, im Moment<br />

des Erblicktwerdens durch den Betrachter, ihre Position und<br />

plastische Gestalt <strong>verlassen</strong>, und als wollten sie in Leugnung jeglichen<br />

Gesetzes von Plastik ein sogenanntes „Führerwort“ paraphrasieren:<br />

„Deine Gegenwart ist nichts, Deine Zukunftstat ist<br />

alles!“ Nach plastischer Hinsicht gestaltet sich dieser Prozeß als<br />

Regression, als totale Selbstentmündigung des Werkes, das sich<br />

in den Dienst einer Idee oder auch eines Kommandos stellt und<br />

das sich durch Antizipation um jeden Preis dabei selbst zur Hülse<br />

macht.<br />

Es lassen sich gewiß auch andere, ästhetisch überzeugendere<br />

und ideologisch unbelastete Beispiele für das Prinzip der Intenti-<br />

24� 298 onsbewegung finden. Und zwar generell dort, wo das unmittelbar 24<br />

dem Betrachter sich konfrontierende Werk etwas aus sich Herausführendes<br />

mit dem Impetus von dessen Erfüllung auf Kosten<br />

des anfänglichen Werkes nur andeutet: Es fallen einem zunächst<br />

Werke wie „Honigpumpe am Arbeitsplatz“ (1977) von Joseph<br />

Beuys ein, wo die anläßlich der Documenta 6 entstandene Installation<br />

im Kassler Fridericianum nur Ausgangspunkt und Durchlauferhitzer<br />

von Kunst- und Weltverbesserungsdiskussionen sein<br />

sollte. Und natürlich ist auch das im außerkünstlerischen Sinne<br />

Projektierende der Service-Kunst in diesem Sinne ‚Intentionsbewegung‘:<br />

Die Werke bieten an bzw. verkörpern einen auf den<br />

Betrachter bezogenen Handlungs- oder Verhaltensaufbruch; auf<br />

dieser Ebene des externalisierenden Impetus sind sie dem Funktionieren<br />

der erläuterten nationalsozialistischen Werke strukturähnlich.<br />

Das sagt nichts über die ideologische Richtung, sondern nur<br />

über den Status des Mittels zum (zukünftigen) Zweck aus. Freilich<br />

gibt es – abgesehen von den ideologischen und sonstigen Unvergleichbarkeiten,<br />

die hier nicht berührt werden müssen – auch<br />

einen gravierenden strukturellen Unterschied: Die Intentionsbewegung<br />

nationalsozialistischer Kunst ist eine radikale; Aufbruch


Service-Kunst Anmerkungen<br />

aus dem Werk kommt diesem ästhetisch nie wieder zugute; der<br />

Aufforderungs- bzw. Ankündigungscharakter der NS-Kunst ist<br />

irreversibel, während bei Service-Kunst die Intentionsbewegung<br />

unter dem Zeichen der Vorgeblichkeit steht. Das bedeutet, daß<br />

dem Aufforderungs- bzw. Ankündigungscharakter der Werke<br />

nicht wirklich Handlung, Aufbruch in Außerästhetisches folgen<br />

muß, weil eben als das Wesentliche dieser Intentionsbewegung<br />

ihre Attitüde erkannt und wohlwollend, aber bestenfalls musterbeispielhaft<br />

von Wenigen nur mitvollzogen werden muß. In<br />

der Vorgeblichkeit kehrt sich also der <strong>kunst</strong>flüchtige Impetus der<br />

Intentionsbewegung auf das Werk zurück.<br />

Die zweite Paralle zu Werken anderer bzw.<br />

älterer Kunst hängt mit der ersten zusammen, und sie bezieht<br />

sich auf die von Gregor Paulsson 72 für die Kunstwissenschaft<br />

fruchtbar gemachte Unterscheidung zwischen Zielhandlung und<br />

Ausdrucksbewegung: Eine Zielhandlung wird nach Paulsson dargestellt,<br />

wenn z.B. ein Mensch von A nach B geht, das Gehen<br />

also anschauliches Mittel zum Zweck ist. Würde dieses Gehen<br />

aber um seiner selbst willen dargestellt, spräche man nicht länger<br />

vom „Gehen“, sondern vielleicht vom dargestellten „Schreiten“, so<br />

daß man es mit einer „Ausdrucksbewegung“ zu tun hätte. Häufig<br />

wird auf Meisterwerken der Malerei dargestellte „Zielhandlung“,<br />

also Darstellung eines Handelns wozu, in eine „Ausdrucksbewegung“,<br />

also ein Handeln als Handeln gewandelt, so daß dann beides<br />

virulent ist. Dieser Prozeß aber verlief und verläuft künstlerisch<br />

stets im nuancenreichen Übergang, also transitorisch.<br />

Wie sollte aber eine Intentionsbewegung – z.B. ein im Bild dargestellter<br />

Aufbruch zum Marschieren, oder in der Service-Kunst<br />

der projektierte Aufbruch zur Nutzung eines offerierten Angebo-<br />

<strong>kunst</strong>“, In: „Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft“,<br />

Bd. XII., 1967, S. 129 – 153, bes. S. 132 ff. Paulson meint etwas ganz<br />

ähnliches wie ich, wenn er den „Übergang einer Zielhandlung in eine<br />

Ausdruckshandlung […] als Derivation“ bezeichnet und sie in der Bildenden<br />

Kunst belegt findet (z. B. Dürers Zeichnungen in Maximilians<br />

Gebetbuch). (S. 135). Allerdings geht es Paulson vorrangig um Beispiele<br />

für Zwischenstellungen im Sinne von Mischformen, während es mir<br />

darauf ankommt, innerhalb einzelner Bilder/Werke einen Übergang<br />

von Zielbewegung zu Ausdrucksbewegung zu beschreiben.<br />

73 Vgl. Wolfgang Kemp: „Zeitgenössische Kunst und ihre Betrachter“,<br />

267


268<br />

Anmerkungen Christian Janecke<br />

tes – sich zurückkehren, ohne dabei schlicht in Aussagelosigkeit<br />

zurückzusacken? Dies erlauben nur diejenigen Intentionsbewegungen,<br />

die von vorneherein Vermeintlichkeit bzw. Vorgeblichkeit<br />

mit einkalkulieren. Der gemäß Intentionsbewegung in der Service-Kunst<br />

vorliegende Aufforderungs- oder Ankündigungscharakter<br />

hinsichtlich vermeintlicher Praxis erfährt Sublimierung,<br />

lenkt auf das – diese Projektierung erst einfädelnde – Werk als<br />

solches zurück: Erst die Vorgeblichkeit des Benutzungsangebotes<br />

eröffnet dem Betrachter jenes Spiel bzw. jenen spielerischen<br />

Umweg über sympathetischen oder tatsächlichen Mitvollzug<br />

zurück zur Betrachtung eben dieses Mitvollzuges und mithin des<br />

Werkes selbst. Erst in der Vermeintlichkeit des Angebotes muß<br />

die Zielhandlung die Ausdrucksbewegung nicht ausschließen und<br />

könnte sich das Werk der Service-Kunst als musterbeispielhafte<br />

und sich bewahrende Gestalt erweisen – für erklärte Sozialaktivisten<br />

freilich eine befremdliche Aussicht.<br />

Schluß – vorläufig<br />

Vielleicht ist Service-Kunst als Teil einer Palette von Ansätzen<br />

und Möglichkeiten zur Rehabilitierung des Theatralen, bzw.<br />

vorsichtiger: des Vorgeblichen zu begreifen, welches sonst eher<br />

in Formen der Massenunterhaltung (z. B. Erlebnisparks) sich<br />

bewahren konnte. In der Service-Kunst geht es aber nicht um<br />

tumpe Zerstreuung, weil das angebotene Erlebnis nicht als Droge<br />

trüben Alltag kompensieren muß. Im Gegenteil: meist sind es<br />

ja sehr schlichte und häufig vertraute Verrichtungen, derer sich<br />

der Betrachter-Benutzer anbequemen soll. Dadurch wird seine<br />

Aufmerksamkeit frei für die Tatsache, daß sie ihm offeriert werden,<br />

und welche Rolle er im ganz buchstäblichen Sinne spielen<br />

könnte.<br />

Wolfgang Kemp 73 hat anhand des von Yvonne Rainer verwendeten<br />

Ausdrucks „warping“ („warp“ ist der Kettenfaden beim<br />

Weben, bedeutet im übertragenen Sinne soviel wie „verdrehen“,<br />

S. 29 f.<br />

74 Hofmann bezweifelt die Authentizität des kollektiven Kunst-Spie-


Service-Kunst Anmerkungen<br />

„ablenken“, „verleiten“) eine von der Rezeption geforderte Flexibilität<br />

zwischen Affirmation und Negation, eine im Abwartenkönnen<br />

sich bewährende Unentschiedenheit des Betrachters<br />

expliziert. „Vorgeblichkeitstoleranz“ wäre analog eine Haltung, die<br />

sich zwischen Gegebenem (im Werk) und Projektiertem (werkextern)<br />

bewegt. Werner Hofmanns in anderem Zusammenhang<br />

geäußertes bissiges Wort über den Betrachter als einem „Veranstalteten“<br />

74 hätte in dieser – vorgeblichkeitstoleranten – Perspektive<br />

seine Polemik gänzlich abgestreift.<br />

Um noch einmal auf die populäre aber ungeliebte<br />

Stiefschwester der sämtlich tiefernsten Als-ob-Angebote<br />

und Service-Künste, das Chindogu zurückzukommen, so bezeugt<br />

es noch durch seine freiwillige Beschränkung auf ein Reservat<br />

außerkünstlerischer wie praxisferner Spielwiese die Internalisierung<br />

antitheatralen Realitätszwanges – mehr als deutlich in seinen<br />

typischen thematischen Schnittstellen zu den durchorganisierten<br />

Bereichen der japanischen Berufswelt und des Alltagslebens, während<br />

die Service-Kunst und Als-ob-Angebote der Plastik noch<br />

diesseits jener in Humor gekleideten Resignation stehen. Indem 269<br />

lens im Happening: „Mit dem Ästhetizismus teilt das Happening die<br />

Verachtung des Publikums. Zwar wird dieses benötigt, doch muß es<br />

sich den Spielregeln unterwerfen, es darf nicht mitspielen, sondern muß<br />

„mitmachen“. [… Der Besucher] ist kein Mitwirkender, er ist ein Unternommener,<br />

er wird veranstaltet.“ (S. 280 f.).<br />

Hofmanns Polemik wirkt sicherlich korrigierend gegenüber der unausgesprochenen<br />

Diskrepanz zwischen damaliger programmatischer<br />

Umarmung des Publikums, dessen vermeintlich gleichberechtigter<br />

Partizipation und seiner tatsächlichen Rolle als Klatschvieh. Freilich<br />

verbirgt sich – aus einer das Theatral(isch)e rehabilitierenden Perspektive<br />

betrachtet – dahinter die typische linksintellektuelle Wachsamkeit<br />

gegen Täuschung, gegen als unästhetisch und unfair (!) empfundenes<br />

Als-Ob in der Kunst. Daß der Betrachter damaliger Happenings auch in<br />

der wider den offiziellen Anspruch resultierenden, eher kontemplativen<br />

als partizipativen Haltung nicht düpiert wurde, sondern eben Publikum<br />

war, spricht nicht gegen diese Formen der Aktions<strong>kunst</strong> – zumal unter<br />

dem Blick heutiger Performance-Kunst, bei der eine allgemein akzeptierte<br />

Aufführungssituation mit klarer Trennung rezeptiver und agierender<br />

Sphäre sich etabliert hat. Vgl. Werner Hofmann: „Die Pseudowirklichkeit<br />

des ‚Happening‘“, in ders.: „Gegenstimmen. Aufsätze zur Kunst<br />

des 20. Jahrhunderts“, Frankfurt a. M. 1979, S. 277 – 281.<br />

75 In der Vortragsdiskussion auf dem Leipziger Symposium wurde im


270<br />

Anmerkungen Christian Janecke<br />

ihre Offerten auf dem irreduziblen Spiel von und der Bewegung<br />

zwischen Darstellung, Verkörperung und Angebot insistieren, korrigieren<br />

sie die Polarisierung der diesen Möglichkeiten konventionellerweise<br />

zugewiesenen medialen Terrains. Es käme für die<br />

Kunstkritik und die sich diesen Ansätzen wohl demnächst erst<br />

widmenden Kunstwissenschaften allerdings darauf an, sich dem<br />

angedeuteten Potential zu stellen, um nicht der skizzierten Polarisierung<br />

75 zwischen begrüßter Weltverbesserungsprogrammatik<br />

und als modisch erachteter Attitüde das letzte Wort zu lassen.<br />

Nachschrift: Zum Tableau-vivant-haften<br />

Wenn in der Service-Kunst Nachahmung einer außerkünstlerischen<br />

Dienstleistung bzw. des Habitus’ derselben erfolgt, und<br />

wenn die Künstler selbst oder die von ihnen bestallten Fachleute<br />

die Rolle des Dienstleisters übernehmen, mithin Verkörperung<br />

stattfindet, dabei zugleich aber Praxisrelevanz bzw. eine zur<br />

ästhetischen Erfüllung notwendige Nutzung der Offerte zweitrangig<br />

oder überflüssig wird (weil letztere ihrerseits nur im Alsob<br />

mitvollzogen oder an Stellvertretern betrachtet werden kann),<br />

dann erzeugen die Künstler und mit ihnen die Betrachter die<br />

oben diagnostizierte Aufführung.<br />

Bei näherer Betrachtung reduziert sich diese „Aufführung“<br />

aber auf einen perpetuierten Zustand ohne Handlung, ohne<br />

Anfang und Ende, auf eine zwar im Einzelnen divergente und<br />

abwechslungsreich sich bewegende, im Ganzen aber recht homo-<br />

Sinne einer vermittelnden Alternative bisweilen auf die symbolische Setzung<br />

der Service-Kunst hingewiesen. Dem wäre zunächst zuzustimmen,<br />

insofern man unter der Annahme symbolischer Wirkabsicht die Künstler<br />

von der peinlichen Beweislast wirklicher Praxisrelevanz befreit. Das<br />

ist aber eigentlich trivial, weil die der Service-Kunst in diesem Sinne<br />

konzedierte symbolische Musterbeispielhaftigkeit keine Differentia spezifica<br />

zu Kunstrichtungen des Umfeldes, wahrscheinlich nicht einmal zu<br />

Kunst überhaupt, beschreibt. (Man denke etwa an das Verhältnis zwischen<br />

aktuellem und dem z. T. darüberhinausgehenden allgemeineren<br />

Gehalt in der Historienmalerei). Was noch wichtiger ist: Die von mir<br />

analysierte Rezeption als eine sich der Bewegung bzw. dem Spiel von<br />

Darstellung, Verkörperung und Angebot widmenden wird davon natürlich<br />

gar nicht erfaßt.<br />

76 Literatur zu diesem Thema bei Birgit Jooss: „Lebende Bilder. Kör-


Service-Kunst Anmerkungen<br />

gen nur in sich bewegte Geschäftigkeit (als Darstellung von<br />

Geschäft) – je nach Art des anvisierten „Gewerbes“ natürlich,<br />

und exakt für die Dauer des Projektes. Vielleicht sollte man also<br />

nicht bloß von „Aufführung“, sondern zugespitzer vom „Tableau<br />

vivant“ sprechen. Es stellt dann die Dienstleistungssituation oder<br />

-infrastruktur nach, so wie es das Tableau vivant mit dem Vorbild<br />

zumeist älterer Malerei tat.<br />

Natürlich wird man schnell Widerspruch anmelden, insofern<br />

es sich bei der Service-Kunst ja nicht um reglos verharrende, sondern<br />

offensichtlich um agierende Künstler handelt. Um diesem<br />

Widerspruch zu entgehen, um aber auch nicht zum Euphemismus<br />

der „Aufführung“ zurückkehren zu müssen, schiene es korrekter,<br />

nicht von einem „Tableau vivant“, sondern vom „Tableauvivant-haften“<br />

zu sprechen – ein Wortmonstrum, zugegeben; noch<br />

korrekter wäre daher der Hinweis auf die Ersetzung des reglosen<br />

Bildes im Tableau vivant durch ein stroboskopisches Bild bei der<br />

Service-Kunst. Ein stroboskopischer Effekt entsteht z. B., wenn<br />

das Rad einer fahrenden Kutsche im Film sich zwar offensichtlich<br />

dreht, aber für den Filmbetrachter stillzustehen scheint,<br />

dann nämlich, wenn bei 25 Bildern pro Sekunde auch ungefähr<br />

25 Speichen des Rades einen angenommenen Fixpunkt passieren.<br />

Der physikalisch-technologische Begriff des „Stroboskopischen“<br />

ist freilich auch nicht buchstäblich anzuwenden, er bündelt aber<br />

metaphorisch prägnant jenen Stillstand im Ganzen bei mannigfaltigen,<br />

aber relativ repetitiven Bewegungen im Einzelnen.<br />

Beim Tableau vivant 76 handelt es sich um eine mehr oder<br />

weniger vergangene Gattung, heute spielt sie eher in Revuen<br />

als auf dem Theater eine Rolle, auch als Medium bürgerlicher<br />

Unterhaltung hat sie ausgedient. Allerdings gibt es eigensinnige<br />

Bezugnahmen im Film 77 , beispielsweise bei Derek Jarman oder<br />

bei Peter Greenaway, aber auch in der Kunst, wobei ich weniger<br />

perliche Nachahmung von Kunstwerken in der Goethezeit“, (Diss. Uni<br />

München 1998), Berlin 1999<br />

77 Weiterführende Angaben zu Film und Kunst im summarischen Ausblick<br />

bei Jooss, (letztes Kapitel).<br />

78 Tadeusz Kantor führte 1969 in der Galerie Foksal (Warschau) ein<br />

271


272<br />

Anmerkungen Christian Janecke<br />

an buchstäbliche Verwendungen etwa in einer Performance von<br />

Tadeusz Kantor, an Colette oder Luigi Ontani erinnern möchte78<br />

, sondern an diejenigen Bezugnahmen, die z. T. sogar ohne<br />

expliziten Rückgriff auf diese Gattung etwas von ihrer eigentümlichen<br />

Crux79 aktualisieren. Worin liegt diese? Das reglose<br />

Innehalten der Darstellenden zur verlebendigenden Aufführung<br />

eines gemalten Bildes kompromittiert zunächst diejenige Lebendigkeit,<br />

die das gewählte (Vor-)Bild qua eigener Mittel, und d. h.<br />

eben nur auf der Bildfläche hervorbringt. Weiterhin kann man<br />

sich fragen, welchen Reiz überhaupt das reproduktive Moment<br />

des Tableau vivant hat, wie sich, mit anderen Worten, nicht erst<br />

aus dem Gestellten, sondern bereits aus dem Stellen ein produktiver<br />

Sinn ergeben könnte. Diesem Problem widmen sich auf sehr<br />

25 verschiedene Weise 25<br />

Künstler wie Bill Viola, Jochen Gerz oder<br />

Happening durch, das auf Rembrandts „Anatomie des Dr. Tulp“ Bezug<br />

nahm. (Vgl.: „Tadeusz Kantor 1915 – 90. Leben im Werk“, Kunsthalle<br />

Nürnberg, 1996, Nr. 41). Die französische Künstlerin Colette nahm<br />

Bezug auf Delacroix (Die Freiheit führt das Volk) und auf J. L. Davids<br />

Darstellung der Madame Recamiere, (Vgl. Edith Almhofer: „Performance<br />

Art. Die Kunst zu leben“, Wien/Graz/Köln 1986, dort Kap.:<br />

„Die Transformation und Mythologisierung des Selbst. Colettes Autobiographie<br />

als Gesamt<strong>kunst</strong>werk“, S. 99 – 123. Luigi Ontani stellte den<br />

Heiligen Sebastian nach Guido Reni, den Bacchus des Londoner Bildes<br />

von Tizian und Tischbeins Goethebildnis (1786/Städel, Frankfurt) nach<br />

(Vgl.: „Luigi Ontani“, hg. v. P. Weirmair, Katalog Frankfurter Kunstverein/Villa<br />

Stuck München, 1996, S. 19, 21, 38).<br />

79 Die im folgenden genannten Autoren beziehen sich kritisch auf das<br />

Tableau vivant zu seiner Zeit. Aus diesem historischen Problemfeld läßt<br />

sich mit Blick auf die im Text nachfolgend genannten heutigen Künstler<br />

die besagte „Crux“ formulieren. (Siehe hierzu auch die folgende<br />

Anmerkg. zu J. Lorbeer). Vgl. Ivan Nagel: „Emmas Kunst oder das<br />

Genie des Modells. Lebende Bilder und klassizistisches Theater: Der<br />

malerische Augenblick und die Einheit der Empfindung“, FAZ, Samstag<br />

12. 5. 1984, (Nr. 111), Beilage, S. 2; Wolfgang Kemp: „Die Beredsamkeit<br />

des Leibes. Körpersprache als künstlerisches und gesellschaftliches<br />

Problem der bürgerlichen Emanzipation“, In: „Städeljahrbuch“, 5/1975,<br />

S. 111 – 134; Mara Reissberger: „Das Lebende Bild und sein Überleben.<br />

Versuch einer Spurensicherung“, in: „Fotogeschichte“, 14/1991/Heft<br />

51, S. 3 – 18; Peter Szondi: „Tableau und coup de théatre. Zur Sozialpsychologie<br />

des bürgerlichen Trauerspiels bei Diderot. Mit einem<br />

Exkurs über Lessing“, in ders.: „Schriften“, Bd. II., 2. Aufl. FFm 1991,<br />

S. 205 – 231.


Service-Kunst Anmerkungen<br />

Johan Lorbeer. 80<br />

Mit der genannten Crux des Tableau vivant sehe ich auch die<br />

Service-Kunst konfrontiert, wobei natürlich von vorneherein klar<br />

ist, daß sie ihrem Selbstverständnis nach nicht bewußt auf diese<br />

Gattung, bzw genauer: auf die mit dieser Gattung einhergehenden<br />

Probleme rekurrieren kann und will, daß es sich im weiteren<br />

daher um einen kritischen Vorstoß meinerseits handelt, der sich<br />

zwar mit einer gewissen Folgerichtigkeit anbietet, den der Leser<br />

aber unbeschadet der vorangegangenen Ausführungen ignorieren<br />

oder zur Kenntnis nehmen mag.<br />

Wenn die künstlerische Dienstleistung, die eigentlich eher<br />

ihre Aufführung ist, zusammenschrumpft auf ein Tableau vivant<br />

(im stroboskopischen Sinne), dann bildet dies eine resignative<br />

Metapher auf das Bekenntnis zum gemimten Service. Dieser<br />

wird in prolongierter Geschäftigkeit dargeboten und medial vermittelt,<br />

als Permanenz des Darreichens. Im Unterschied zum<br />

Tableau vivant selbst und den auf diese Gattung bezugnehmenden<br />

Künstlern resultiert in der Service-Kunst jedoch nicht die<br />

sonst konstitutive, strenge Trennung zwischen Betrachtern und 273<br />

80 Bill Violas Videoarbeit „The greeting“ bezieht sich sich auf Pontormos<br />

„Heimsuchung“ (um 1528 – 29/Carmignano, San Michele). Per<br />

Zeitlupe wird eine kurze Gesprächs- und Begrüßungssequenz auf das<br />

Vielfache gedehnt, so daß sich ein permanent auf das Tableau vivant<br />

bezogener Zustand zwischen Filmstill und Film ergibt, („Bill Viola.<br />

Buried Secrets“, Arizona State University Art Museum/Kestner Gesellschaft<br />

Hannover, 1996, S. 15 – 25 u. S. 46 ff.). Jochen Gerz stellte sich<br />

1972 in der Basler Altstadt (ein weiteres Mal in Paris) neben die fotografische<br />

Reproduktion seines Kopfes (in natürlicher Größe) und thematisierte<br />

mit der Lebendnachstellung eines Bildes von ihm selbst Zeit,<br />

Erinnerung und Differenzen der Repräsentation. Johan Lorbeer entwikkelt<br />

seit den frühen 90er Jahren seine sog. „Stillife-Performances“. Er<br />

verharrt u. U. mehrere Stunden fast reglos in einer ungewöhnlichen<br />

Stellung, die technisch nur dank einer unter der Kleidung verborgenen<br />

Stahlarmierung möglich ist, beispielsweise im „Proletarischen Wandbild“<br />

mehrere Meter über den Köpfen des Publikums senkrecht zur<br />

Wand – an dieser wie eine Fliege stehend. Vgl. hierzu die Monographie<br />

vom Verfasser: „Johan Lorbeer. Performances und Bildnerische Arbeiten“,<br />

Nürnberg 1998. In dieser Publikation finden sich weitere Beispiele<br />

und eine eingehende Auseinandersetzung mit den Problemen des Tableau<br />

vivant, sofern sie in heutiger Performance wiederkehren.


274<br />

Anmerkungen Christian Janecke<br />

gestelltem Bild. Der Betrachter soll und kann in gewissem Maße<br />

partizipieren, allerdings stellt sich dieses Partizipieren unter dem<br />

Blickwinkel des Tableau vivant eher als ein Figurieren dar – gleich<br />

einem Tableau vivant, bei dem alle Betrachter potentiell auch<br />

Akteure wären. Einklinken kann sich der Rezipient nicht ernsthaft<br />

im pragmatischen Sinne, sondern im Sinne der Geschäftigkeit,<br />

d.h. er hält die Spielregeln ein: nicht zuviel wollen, tun,<br />

fragen. Er wird mitspielender Teil jenes Ineins von Intensivierung<br />

in bildlicher und Entschwerung in pragmatischer Hinsicht.<br />

Akzeptabel wird dieses Mitmachen für den ästhetisch arrivierten<br />

Rezipienten also nicht nur über den (im Haupttext) analysierten<br />

Eingeweihtenstatus, der ihm distinguierten Genuß des eher<br />

Banalen erlaubt, sondern durch sein Mitfigurieren im Bild. Dieses<br />

Figurieren sticht von pragmatischer Partizipation soweit ab<br />

wie das gestellte und prolongierte Bild der Dienstleistung von<br />

letzterer selbst. Das Mitfigurieren entschwert das Mitmachen<br />

aber nicht bloß vermittels einer Substitution von Praxis durchs<br />

Rollenspiel – das täte auch darstellendes Mitagieren – sondern<br />

vermittels jenes scharfen Konturs, der überhaupt dem Tableau<br />

vivant eignet, der seine Darsteller im eigentümlicher Weise vor<br />

ihrem dürftigen Hintergrund isoliert: Das szenekünstlerische<br />

Dabeisein im Club oder in Christine Hills „Volksboutique“ 81<br />

gibt sich solcherart selbst eine Form, eine gewisse Würde, von<br />

der genau derjenige ausgeschlossen bleibt, der die Kristallisation82<br />

26� 300<br />

26<br />

in Geschäftigkeit, die Sublimierung in ein nur gestelltes<br />

und prolongiertes Bild nicht intuitiv, bzw. dank Internalisierung<br />

81 Dauerhaft in Berlin und zeitweise anläßlich der Documenta X (Kassel)<br />

führte die amerikanische Künstlerin C. Hill ein Secondhandshop für<br />

Bekleidung.<br />

82 Auf Arnold Gehlens Begriff der „kulturellen Kristallisation“ – paradoxaler<br />

Erstarrung der Prämissen, gerade nicht der einzelnen Ereignisse<br />

und Binnenbeweglichkeiten von Systemen – rekurriert mein Gebrauch<br />

von „Kristallisation“ zwar nicht in der Sache, es liegt jedoch eine vergleichbare<br />

Struktur metaphorischer Verwendung vor. Vgl. Arnold Gehlen:<br />

„Kulturelle Kristallisation“ (Bremen 1961), Neuabdruck In: „Kulturphilosophie“,<br />

hg. v. Ralf Konersmann, Leipzig 1996, S. 222 – 242,<br />

bes. 233 ff.. Dank an Prof. Dr. Karl Siegbert Rehberg (Dresden) für den<br />

freundlichen Hinweis.


Service-Kunst Anmerkungen<br />

der geforderten Haltung, beantworten kann oder will, der also<br />

naiv auf tatsächliche Partizipation pocht.<br />

Näher als am Versuch der „Reintegration von Kunst in<br />

Lebenspraxis“, die eher auf die eigentlich doch marginale Praxisrelevanz<br />

der Service-Kunst abheben müßte, erscheint mir in<br />

Bezug auf die Partizipation am Programm der Service-Kunst,<br />

bzw. zugespitzer: in Bezug auf das Mitfigurieren in der Service-<br />

Kunst eine Parallele zu einem Phänomen, das Oskar Bätschmann<br />

für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts untersucht hat. Bätschmann<br />

bezog Lebende Bilder, den Brauch, Skulpturen bei Fackellicht<br />

zu betrachten und die Bedeutung des Pygmalion-Stoffes für<br />

die Herausarbeitung eines „Problems des Selbstbewußtseins und<br />

der Geschichtlichkeit, die das Subjekt bedrängen“, mit ein: „Die<br />

Verwandlung des Werkes in der Betrachtung ist der paradoxe Versuch,<br />

ihm als Subjekt eine Zeit zu verschaffen, die der Geschichtlichkeit<br />

nicht untersteht. Die Dauer des Lebendigen ist der Ort<br />

des Eros.“ 83 Wahrscheinlich ist es gewagt, im Sprung über 250<br />

Jahre von der Aktualität dieses Topos für Service-Kunst zu sprechen,<br />

andererseits begünstigt die (nicht nur) service-künstlerische<br />

Interdependenz von Publikum und Künstlern in einer Szene<strong>kunst</strong><br />

Haltungen und Begehrlichkeiten, denenzufolge von einer<br />

Selbstaffektion des Betrachters gesprochen werden kann, der als<br />

nunmehr Mitfigurierender in der Kunst sich doch zugleich von<br />

weiterer Konsequenz in Unbelangbarkeit dispensiert. Nirgends<br />

als nur innerhalb des Mitfigurierens greift der pygmalionische<br />

Topos.<br />

Was das Moment der „Kristallisation“ des Service anbelangt,<br />

so könnte es auch mit dem Begriff der „Mortifikation“ in Zusammenhang<br />

gebracht werden, den Renate Berger als Pendant zu<br />

„Metamorphose“ auf den leibhaftigen Gebrauch der Puppe und<br />

83 Oskar Bätschmann: „Pygmalion als Betrachter. Die Rezeption von<br />

Plastik und Malerei in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts“, erstmals<br />

in: „Jahrbuch des Schweizerischen Instituts für Kunstwissenschaft“,<br />

1974 – 77, S. 179 – 195, Neuabduck in überarbeiteter Fassung bei<br />

Wolfgang Kemp: „Der Betrachter ist im Bild. Kunstwissenschaft und<br />

Rezeptionsästhetik“, Berlin 1992, S. 237 – 278, (hier zit.) S. 258.<br />

275


276<br />

Anmerkungen Christian Janecke<br />

deren Motiv in der Literatur bezogen hat. Anhand vieler Beispiele<br />

analysiert sie, daß und wie in der Mortifikation der Puppe, also<br />

ihrer „Tötung“ (z. B. in effigie) bzw. vermittels der vom Benutzer<br />

vollzogenen Desillusionierung und Stillstellung hin auf das nunmehr<br />

entzauberte bloße „Material“ die pygmalionisch-männliche<br />

Sehnsucht nach einer „Kunst als Natur“, d. h. hier: als weibliches<br />

Fleisch, einen Notausgang für das letztendliche Scheitern ihres<br />

an die Puppe gehefteten Begehrens findet. 84<br />

Bätschmanns Untersuchung mit der Bergers verbindend liesse<br />

sich – in der Stillstellung des Service auf dessen prolongiertes<br />

Bild – vom Ineins pygmalionischen Begehrens (Service-Kunst wird<br />

in uns als Mitfigurierenden Wirklichkeit) und Distanzierung von<br />

Konsequenz (Mortifikation, Bilderstarrung zum Geschäftigen)<br />

sprechen.<br />

Das Mitfigurieren als einer prolongierten Kristallisation<br />

von Darstellung von Dienstleistung ist wohl diejenige<br />

Form der Wahrnehmung und des Dabeiseins, die uneingestandenermaßen<br />

der Service-Kunst entspricht.<br />

Was aber nach dem Vorwurf des Zynismus oder – ohne<br />

unterstellten Vorsatz – nach dem Vorwurf des szenekünstlerischen<br />

Selbstbetrugs klingt, wäre so wenig abzuurteilen, wie die<br />

im Haupttext besprochene, mangelnde Praxisrelevanz überhaupt,<br />

denn es könnte sein, daß die Service-Kunst der Kunstgeschichte<br />

ein ähnliches Problem auferlegt, wie es Religionssoziologen oder<br />

Ethnologen schon länger kennen, nämlich die mißliche Alternative<br />

zwischen einer verstehenden, aber kaum nach außen kommunizierbaren<br />

Innensicht und einer informierten, aber ungerührten<br />

Außensicht: Nämlich genau dann, wenn es sich bei der Service-<br />

Kunst um eine auf unausgesprochenen Verabredungskontexten<br />

basierende Rückkopplung einer Kunstrichtung der 90er Jahre an<br />

‚ihre‘ Betrachter handelt, die ihrerseits erst die Entwicklung jener<br />

ermöglichen und tragen.<br />

84 Renate Berger: „Metamophose und Mortifikation. Die Puppe“, In<br />

R. Berger/I. Stephan (Hg.): „Weiblichkeit und Tod in der Literatur“,<br />

Köln/Wien 1987, S. 265 – 290.


Service-Kunst Anmerkungen<br />

277


278<br />

links: Roland Boden: Beipackzettel zum Multiple: Bausatz „Lebende Bombe“<br />

rechts: „Wadenwaschmaschine“ (Chindogu)


279


280


281<br />

links: „Tragbarer Zebrastreifen“ (Chindogu)<br />

rechts: „Lippenstempel“ (Chindogu)


282<br />

„Baby-Wischmop“ (Chindogu)


283


284


Adam Page: „Executive Box“ 1997 Kassel, dokumenta<br />

X<br />

oben: Fabrice Hybert: „Hybert Marché“ 1995, Musée<br />

285


286<br />

links: Andrea Zittel: „A–Z Escape Vehicle Owned and Customized by Bob Shiffler“ 1996<br />

rechts: Atelier van Lieshout: „Modular House Mobil“ 1995/96


287


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links: „Fahrbarer Wäscheständer“, (Chindogu)<br />

rechts: Carsten Höller: „Booster“ 1995 (Maastricht)<br />

289


290<br />

Jens Haaning: „Reisebüro“ 1997, © Galerie Mehdi Chouakri (Berlin)


291


292


Guillaume Bijl: „Salon lavoir“ 1985, Galerie A. Ritorno (Genf)<br />

293


294<br />

oben: Res Ingold: „Beside this the Ingld Airlines System is unequalled“ 1985<br />

unten: Rirkrit Tiravanija: o. T. (Tomorrow is another day) 1996, Kölner Kunstverein


oben: Clegg & Guttmann: „Offene Bibliothek“ 1993, Hamburg<br />

unten: Novaphorm (Martin Eder/Lisa Junghanß), „Elektrolux“ 1997, Haus Schwarzenberg<br />

295


296<br />

Novaphorm (Martin Eder/Lisa Junghanß),<br />

„Duftstreifen“ 1998, © Galerie Arndt & Partner


297


298<br />

Joseph Beuys: „Honigpumpe am Arbeitsplatz“ 1977, Kassel, Dokumenta 6, © VG Bild


Marie-Ange Guilleminot: „Le Paravent“ 1997, Skulptur.Projekte Münster,<br />

Installation im Innenhof des Stadttheaters Neubrückenstraße<br />

299


300


Christine Hill: „Volksboutique“ 1997, Kassel, Dokumenta X<br />

301

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