PDF (2,8 MB) - kunst verlassen
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Service-Kunst Anmerkungen<br />
Kunstprojekt und deshalb nicht nach soziologischen Kriterien zu<br />
bewerten sei.“ 44<br />
Zusammenfassend kann man auf der einen Seite die konventionellen<br />
Befürchtungen hinsichtlich Werkverlust und gefährdeter<br />
Kunstautonomie, auf der anderen Seite die Begrüßung der<br />
Praxisrelevanz – einerlei ob mit optimistischen oder pessimistischen<br />
Untertönen – diagnostizieren.<br />
Eine Entscheidung in diesen Fragen läuft Gefahr, sich unter<br />
eine bekenntnishafte Diskussion zu beugen, weil eine nicht nur<br />
vermittelnde, sondern auch erweiternde Komponente noch fehlt,<br />
nämlich die Hinsicht der „Theatralität“.<br />
Theatralität. Vorgeblichkeit<br />
Man erinnere sich an das eingangs vorgestellte Chindogu<br />
und natürlich auch an die Beispiele aus der Kunst: Man kann<br />
diese Produkte, auch diese Projekte, bloß betrachten, man kann<br />
sich ihrer auch in begrenztem Umfang bedienen. Die eigent-<br />
Daß nicht nur die Künstler blauäugig mit den Ansprüchen an soziologisch<br />
Aufschlußreiches verfahren, mag ein Blick auf Mängel einer<br />
offiziell begleitenden, soziologischen Studie zur Auswertung zeigen,<br />
die sich auf die Hamburger Station des Projektes bezog. So wird das<br />
Ergebnis weitestgehender Deckungsgleichheit zwischen dem Spektrum<br />
der Bücher im häuslichen Besitz und dem Spektrum der für die „Offene<br />
Bibliothek“ gewünschten Bücher in dem sozial eher schwächeren Stadtteil<br />
Kirchdorf erklärt mit der „in den untersten Regionen des sozialen<br />
Raumes am schwächsten“ ausgeprägten „Fähigkeit, sich in Vorstellungen<br />
und Wünschen von den gegebenen Bedingungen zu lösen“. Im<br />
Umkehrschluß folgt daraus eine positive Bewertung der Diskrepanz<br />
dieser Spektren in den gehobenen Milieus. Eine soziologische Milchmädchenrechnung:<br />
Wäre die Zuordnung nämlich umgekehrt verlaufen,<br />
hätten die Autoren dem unteren Milieu ein ihr wirkliches Lesespektrum<br />
illusionär verschleierndes, auf „legitime“ Bildung schielendes Begehren<br />
vorgeworfen, und dem gehobenen Milieu eine Kohärenz von Wunsch<br />
und Realität konzediert.<br />
Vgl. Ulf Wuggenig/Vera Kockot /Anahita Krzyzanowski: „Die ‚Offene<br />
Bibliothek‘ von Clegg & Guttmann: Reaktionen und Partizipation in<br />
drei Hamburger Stadtteilen“, In: „Kontext Kunst“, S. 324 – 327, zit.<br />
327, sowie ders. u. a.: „Die Plurifunktionalität der Offenen Bibliothek.<br />
Beobachtungen aus soziologischer Perspektive“, In: „Clegg & Guttmann.<br />
Die Offene Bibliothek“, hg. v. Achim Könneke, Hamburg 1994,<br />
S. 57 – 93.<br />
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