PDF (2,8 MB) - kunst verlassen
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Anmerkungen Christian Janecke<br />
einzugreifen 26 . Die Parallelen zur heutigen Service-Kunst sind<br />
z. T. frappant, und ich möchte nicht entscheiden, ob sich manches<br />
von dieser nur dem Vergessen jener verdankt, oder ob es<br />
uneingestandene Scham der heutigen Kunstkritik ist, die – würde<br />
sie die damalige und heutige Praxis vergleichen – sich als Differentia<br />
spezifica letzterer gerade dasjenige eingestehen müßte,<br />
was offizielle Verlautbarung stets verschweigt: die szenekünstlerische<br />
Ostentation.<br />
Nicht die Bemühung, Kunst in Lebenspraxis zu reintegrieren,<br />
so wie es in historischer Folge Peter Bürgers „Theorie der Avantgarde“<br />
27 rekapituliert hatte, sondern genaugenommen deren<br />
Scheitern war also bereits Ausgangspunkt jener punktuellen oder<br />
projekthaft angelegten Versuche der 70er Jahre. Wahr-scheinlich<br />
wäre es ohne Böswilligkeit möglich, ein Scheitern auch dem späteren<br />
Avantgarde-Teilbereich: „Service-Kunst“ zu attestieren. Und<br />
zwar im Sinne eines zuvorkommenden Scheiterns als einer Strategie<br />
ästhetischen Gelingens. Mit anderen Worten: Indem die Service-<br />
Kunst die letztliche Folgenlosigkeit ihrer Angebote für die Praxis<br />
bereits stillschweigend voraussetzen kann, darf sie es sich gestatten,<br />
am Habitus, an der Attitüde der Praxisrelevanz festzuhalten.<br />
Die Verinnerlichung dieses Scheiterns, die Verinnerlichung auch<br />
des Utopieverlustes, der in den 70er Jahren noch nachwirkte,<br />
indem er nämlich unprätentiöse Formen sozial-künstlerischer<br />
Interaktion als affirmative Resignation hervorbrachte, kehrt sich<br />
in der Service-Kunst der 90er Jahre möglicherweise um in resignative<br />
Affirmation: Marie-Ange Guilleminots Fußmassage für das<br />
Kunstpublikum der „Skulptur.Projekte Münster“ (1997) lieferte<br />
in der Verbergung der Dienstleister bei gleichzeitiger Prominenzsteigerung<br />
der Initiatorin ein unfreiwilliges Symbol für die<br />
ästhetische Fermentierung nachklingender sozialer Ambition.<br />
Resignative Affirmation hat allerdings noch andere Wurzeln, die<br />
in Richtung „Real<strong>kunst</strong>“ 28 weisen, gegen Ende des folgenden<br />
27 Peter Bürger: „Theorie der Avantgarde“, Frankfurt a. M., (4. Aufl.)<br />
1982. Vgl. hierzu die Differenzierung des „Scheiterns“ der Avantgarde-<br />
Bewegungen bei P. Kiwitz: „Lebens<strong>kunst</strong> und Lebenswelt“, bes. S. 30 ff.<br />
u. S. 80.<br />
Abschnittes