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PDF (2,8 MB) - kunst verlassen

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Service-Kunst Anmerkungen<br />

Johan Lorbeer. 80<br />

Mit der genannten Crux des Tableau vivant sehe ich auch die<br />

Service-Kunst konfrontiert, wobei natürlich von vorneherein klar<br />

ist, daß sie ihrem Selbstverständnis nach nicht bewußt auf diese<br />

Gattung, bzw genauer: auf die mit dieser Gattung einhergehenden<br />

Probleme rekurrieren kann und will, daß es sich im weiteren<br />

daher um einen kritischen Vorstoß meinerseits handelt, der sich<br />

zwar mit einer gewissen Folgerichtigkeit anbietet, den der Leser<br />

aber unbeschadet der vorangegangenen Ausführungen ignorieren<br />

oder zur Kenntnis nehmen mag.<br />

Wenn die künstlerische Dienstleistung, die eigentlich eher<br />

ihre Aufführung ist, zusammenschrumpft auf ein Tableau vivant<br />

(im stroboskopischen Sinne), dann bildet dies eine resignative<br />

Metapher auf das Bekenntnis zum gemimten Service. Dieser<br />

wird in prolongierter Geschäftigkeit dargeboten und medial vermittelt,<br />

als Permanenz des Darreichens. Im Unterschied zum<br />

Tableau vivant selbst und den auf diese Gattung bezugnehmenden<br />

Künstlern resultiert in der Service-Kunst jedoch nicht die<br />

sonst konstitutive, strenge Trennung zwischen Betrachtern und 273<br />

80 Bill Violas Videoarbeit „The greeting“ bezieht sich sich auf Pontormos<br />

„Heimsuchung“ (um 1528 – 29/Carmignano, San Michele). Per<br />

Zeitlupe wird eine kurze Gesprächs- und Begrüßungssequenz auf das<br />

Vielfache gedehnt, so daß sich ein permanent auf das Tableau vivant<br />

bezogener Zustand zwischen Filmstill und Film ergibt, („Bill Viola.<br />

Buried Secrets“, Arizona State University Art Museum/Kestner Gesellschaft<br />

Hannover, 1996, S. 15 – 25 u. S. 46 ff.). Jochen Gerz stellte sich<br />

1972 in der Basler Altstadt (ein weiteres Mal in Paris) neben die fotografische<br />

Reproduktion seines Kopfes (in natürlicher Größe) und thematisierte<br />

mit der Lebendnachstellung eines Bildes von ihm selbst Zeit,<br />

Erinnerung und Differenzen der Repräsentation. Johan Lorbeer entwikkelt<br />

seit den frühen 90er Jahren seine sog. „Stillife-Performances“. Er<br />

verharrt u. U. mehrere Stunden fast reglos in einer ungewöhnlichen<br />

Stellung, die technisch nur dank einer unter der Kleidung verborgenen<br />

Stahlarmierung möglich ist, beispielsweise im „Proletarischen Wandbild“<br />

mehrere Meter über den Köpfen des Publikums senkrecht zur<br />

Wand – an dieser wie eine Fliege stehend. Vgl. hierzu die Monographie<br />

vom Verfasser: „Johan Lorbeer. Performances und Bildnerische Arbeiten“,<br />

Nürnberg 1998. In dieser Publikation finden sich weitere Beispiele<br />

und eine eingehende Auseinandersetzung mit den Problemen des Tableau<br />

vivant, sofern sie in heutiger Performance wiederkehren.

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