PDF (2,8 MB) - kunst verlassen
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272<br />
Anmerkungen Christian Janecke<br />
an buchstäbliche Verwendungen etwa in einer Performance von<br />
Tadeusz Kantor, an Colette oder Luigi Ontani erinnern möchte78<br />
, sondern an diejenigen Bezugnahmen, die z. T. sogar ohne<br />
expliziten Rückgriff auf diese Gattung etwas von ihrer eigentümlichen<br />
Crux79 aktualisieren. Worin liegt diese? Das reglose<br />
Innehalten der Darstellenden zur verlebendigenden Aufführung<br />
eines gemalten Bildes kompromittiert zunächst diejenige Lebendigkeit,<br />
die das gewählte (Vor-)Bild qua eigener Mittel, und d. h.<br />
eben nur auf der Bildfläche hervorbringt. Weiterhin kann man<br />
sich fragen, welchen Reiz überhaupt das reproduktive Moment<br />
des Tableau vivant hat, wie sich, mit anderen Worten, nicht erst<br />
aus dem Gestellten, sondern bereits aus dem Stellen ein produktiver<br />
Sinn ergeben könnte. Diesem Problem widmen sich auf sehr<br />
25 verschiedene Weise 25<br />
Künstler wie Bill Viola, Jochen Gerz oder<br />
Happening durch, das auf Rembrandts „Anatomie des Dr. Tulp“ Bezug<br />
nahm. (Vgl.: „Tadeusz Kantor 1915 – 90. Leben im Werk“, Kunsthalle<br />
Nürnberg, 1996, Nr. 41). Die französische Künstlerin Colette nahm<br />
Bezug auf Delacroix (Die Freiheit führt das Volk) und auf J. L. Davids<br />
Darstellung der Madame Recamiere, (Vgl. Edith Almhofer: „Performance<br />
Art. Die Kunst zu leben“, Wien/Graz/Köln 1986, dort Kap.:<br />
„Die Transformation und Mythologisierung des Selbst. Colettes Autobiographie<br />
als Gesamt<strong>kunst</strong>werk“, S. 99 – 123. Luigi Ontani stellte den<br />
Heiligen Sebastian nach Guido Reni, den Bacchus des Londoner Bildes<br />
von Tizian und Tischbeins Goethebildnis (1786/Städel, Frankfurt) nach<br />
(Vgl.: „Luigi Ontani“, hg. v. P. Weirmair, Katalog Frankfurter Kunstverein/Villa<br />
Stuck München, 1996, S. 19, 21, 38).<br />
79 Die im folgenden genannten Autoren beziehen sich kritisch auf das<br />
Tableau vivant zu seiner Zeit. Aus diesem historischen Problemfeld läßt<br />
sich mit Blick auf die im Text nachfolgend genannten heutigen Künstler<br />
die besagte „Crux“ formulieren. (Siehe hierzu auch die folgende<br />
Anmerkg. zu J. Lorbeer). Vgl. Ivan Nagel: „Emmas Kunst oder das<br />
Genie des Modells. Lebende Bilder und klassizistisches Theater: Der<br />
malerische Augenblick und die Einheit der Empfindung“, FAZ, Samstag<br />
12. 5. 1984, (Nr. 111), Beilage, S. 2; Wolfgang Kemp: „Die Beredsamkeit<br />
des Leibes. Körpersprache als künstlerisches und gesellschaftliches<br />
Problem der bürgerlichen Emanzipation“, In: „Städeljahrbuch“, 5/1975,<br />
S. 111 – 134; Mara Reissberger: „Das Lebende Bild und sein Überleben.<br />
Versuch einer Spurensicherung“, in: „Fotogeschichte“, 14/1991/Heft<br />
51, S. 3 – 18; Peter Szondi: „Tableau und coup de théatre. Zur Sozialpsychologie<br />
des bürgerlichen Trauerspiels bei Diderot. Mit einem<br />
Exkurs über Lessing“, in ders.: „Schriften“, Bd. II., 2. Aufl. FFm 1991,<br />
S. 205 – 231.